Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.
Fundstücke
1) Der Fortschritt und seine Feinde
Aber hier zeigt sich das ganze Elend des real existierenden Datenschutzes: Er ist durch eine Vielzahl von Absurditäten, Inkonsistenzen und Fortschrittsfeindlichkeiten zu einer intransparenten Verhinderungswaffe geworden. Es lässt sich von außen und bei einer Vielzahl von Projekten sogar von innen kaum sagen, ob Datenschutz hier wirklich Probleme gemacht hätte oder nicht. Ob es simple, datenschutzkonforme Möglichkeiten gegeben hätte oder nicht. Worunter viele aufgeklärte Datenschützer selbst enorm leiden, denn das heißt: Mit einem hartnäckigen Verweis auf Datenschutz kann man mahnend und warnend und Strafen an die Wand malend selbst dann unliebsame Projekte killen, wenn eigentlich datenschutzrechtlich gar nichts dagegen spricht. Datenschutz ist deshalb in Deutschland nicht nur das größte digitale Verhinderungsinstrument, sondern zugleich auch der größte digitale Sündenbock. […] Wenn Datenschutz praktisch gleich Würde ist, dann ist jede Verhandlung aussichtslos oder sogar frevelhaft, weil die Würde ja unverhandelbar ist. Das ist der Kern meiner Kritik am real existierenden Datenschutz: Es geht zu selten um praktische Abwägung von Nutzen und Kosten und viel zu oft um vorgeblich unverhandelbare Absolutheiten. (Sascha Lobo, SpiegelIOnline)
Sascha Lobo ist wahrlich ein begnadeter Polemiker. Die Kolumne ist auch sprachlich eine wahre Freude, selbst wenn ich ihr inhaltlich nicht zustimmen würde (was ich tue). Darin erinnert er mich an die besten Zeiten von Jan Fleischhauer. Aber zur Sache. Einen Aspekt, den Lobo nebenbei erwähnt, würde ich gerne weiter hervorheben: dass nicht die tatsächlichen Datenschutzregeln an sich so problematisch sind, sondern das vage Gefühl, möglicherweise gegen den Datenschutz zu verstoßen, weswegen man lieber mal nichts macht. Die die deutschen Regeln so arkan und ausufernd sind, ist es eigentlich immer möglich, irgendwie gegen den Datenschutz zu verstoßen. Und da macht man dann lieber nichts.
In den Schulen zeigt sich das in der ewigen Microsoft-Kontroverse. Der Softwaregigant bietet mit TEAMS und OneNote eigentlich direkt auf schulische Nutzung maßgeschneiderte Lösungen an. Aber aus Datenschutzgründen wurde den Schulen von den Kultusministerien verboten, diese zu nutzen. Stattdessen entwickelte man eigene Lösungen. Die waren teuer, sind untereinander inkompatibel und funktionieren häufig genug schlechter. Aber es wäre aus irgendwelchen Gründen dramatisch, wenn die Hausaufgaben der Kids auf einem Server in den USA lägen. Wer weiß ob Bill Gates die heimlich liest! Auch die restlichen Regeln sind völlig praxisfern. So haben die meisten Lehrkräfte keine Dienstgeräte (oder unzureichende, siehe letztes Vermischtes), aber aus Datenschutzgründen dürfen etwa Schüler*innenlisten nicht auf Privatrechnern geführt werden. Im Alltag nicht gegen diese Regeln zu verstoßen ist praktisch unmöglich.
Das erlaubt es dann auch den Verhinder*innen mit dem Verweis auf „datenschutzrechtliche Bedenken“, erst einmal alles abzublocken. Die Beweislast liegt ja immer bei denen, die etwas verändern wollen. Und oft genug braucht es dazu Gutachten, die einzelne Schulen mit ihren eigenen Datenschutzbeauftragten (=Lehrkraft, die bei 3 nicht auf dem Baum war und eine Fortbildung dazu besucht hat) gar nicht erstellen können. Gut gemeint ist beim Datenschutz oft genug das Gegenteil von gut gemacht.
2) Mom says trans eighth-grader was questioned by Texas officials at school
The nearly hour-long interview touched on a range of personal topics — from the teen’s medical history to his gender dysphoria diagnosis to his suicide attempt years back, court records state. The interrogation left the boy — identified under the pseudonym Steve Koe — shaking and distressed, according to a signed declaration from his mother, named as Carol Koe. […] That’s why the advocacy groups submitted Carol Koe’s declaration this week, along with another by a woman identified as Samantha Poe, whose 14-year-old child is “in midst of exploring what a social transition feels like.” Though Poe hasn’t provided her child with gender-affirming medical care, an ongoing abuse investigation against her was opened in February and has left her child with “suicidal ideations,” according to court documents. […] Carol Koe said she has seen her 13-year-old go from depressed before transitioning to thriving afterward — only to become anxiety-ridden when he was questioned by state officials. Steve, she wrote, was once again his joyful self after the “remarkable” effects of gender-affirming treatment. He was finally laughing again and enjoying school — but the Aug. 30 interview with the investigator changed everything, she said. He had a “meltdown” after the meeting and asked his mother to pick him up, his mom said. He’s missed more classes and has frequent anxiety attacks, Carol Koe wrote. School for him is no longer the safe space it used to be, she claims. (Maria Luisa Paul, Washington Post)
Völlig egal, was man persönlich von dem Transgender-Thema bei Jugendlichen denkt – gerade auch wegen des Alters der Betroffenen – so sollten wir doch alle dabei zusammenfinden, dass dieses staatliche Verhalten unter aller Kanone ist. Es ist leider typisch für das amerikanische Schulsystem, in dem massive Eingriffe in den Schulalltag durch Akteure außerhalb des Systems – vor allem Polizei – mit traumatischen Folgen für die Beteiligten Alltag sind. Die Amerikaner*innen, die sonst so staatsskeptisch und freiheitsliebend sind, akzeptieren auf diesem Feld eine behördliche Allmacht und weitreichende Handlungs- und Verantwortungsfreiheit unqualifizierten Personals, die in Deutschland völlig undenkbar wäre.
3) What is a paleo-left agenda?
The paleo-left agenda, in my opinion, has four key planks: it is pro-growth, pro-equality, for freedom of speech and association, and for international equality. Let me explain each. Being in favor of growth means that the paleo-left acknowledges that income and wealth are indispensable conditions for human self-realization and freedom. […] Growth as such without taking into account who benefits from it is neither ethically acceptable, nor politically sustainable. That’s where the second plank comes in: economic equality. […] The paleo-left should, in my view, eschew such terms that the neoliberal discourse has captured and made meaningless, like democracy. We have to acknowledge that the term “democracy” has been hijacked by the neoliberal plutocracy in the same way that the term “people” was hijacked by the communist authorities in Eastern Europe. Both terms are used to cover up the reality. Instead the paleo-left should focus on something much more real and measurable: approximate political equality. […] The paleo-left also recognizes that the freedoms of speech and association are largely meaningless so long as approximate political equality does not exist. […] The last plank is internationalism. This is, of course, an old left-wing slogan, and it should not be seen as something that is just tacked on to the rest of the domestic agenda. […] The paleo-left must get rid of the noxious idea of a “liberal world order” which is either meaningless (as it changes depending on what is politically convenient for its proponents) or is an outright invitation to wage wars. It replaces it by the respect of international law as defined by the United Nations, and by other institutions that are inclusive of all peoples. The paleo-left proselytism is made only by non-violent means, and with respect for other cultures and states, and with no coercion of any kind. (Branko Milanovic, Global Inequality)
Der Begriff der „Paleo-Linken“ ist etwas merkwürdig. Ich kannte bisher nur die Paleo-Libertären, und schon die sind ein mehr als merkwürdiges Völkchen. Aber der Vorteil der Haltung, die Milanovic hier vorlegt, ist, dass sie eine gute Grundlage für eine relevante Debatte darstellt. Ich teile vieles inhaltlich nicht oder nur sehr eingeschränkt, aber eine Linke, die von diesen vier Grundprinzipien ausgeht, formuliert zumindest eine sehr klare Alternative zum Status Quo, die man diskutieren kann, und wäre mir allemal lieber als das Gesabbel, das aus der LINKEn zu hören ist und intellektuell so ansprechend wie ein drei Tage offen herumliegender Butterkeks ist.
4) Die Ehrgeizigen haben keine politische Heimat mehr
Das verstehen nur zunehmend weniger Deutsche. Der Geist der sozialen Marktwirtschaft, einer Idee voller Vernunft und Mäßigung, ist im Selbstmoralisierungsstrudel verbeamteter Eliten verloren gegangen. Es gibt dort ein nur mehr rudimentäres Verständnis von Ökonomie und Freiheit. Moral und Staat werden miteinander verwechselt, und der kulturelle Überbau in quasi-staatsfinanzierten Medien und den angepassten freien Medien sorgt dafür, dass jeden Tag das Wissen und Verstehen von sozialer Marktwirtschaft abnimmt. Wer mit seinen Kindern in Schulbüchern des Gymnasiums über Wirtschaft und Kapitalismus liest, kann sich genauso gut einen Parteitag der Linkspartei reinziehen. Hinzu kommt die radikale Ambitionslosigkeit, die aus dem ökonomischen Irrealis gespeist wird. Bequemlichkeit ist das Markenzeichen nicht-freier Wirtschaftssysteme. Ein Teil der Krise hat auch mit der politischen und kulturellen Borniertheit des Landes zu tun – und seiner Mischung aus Feigheit und Opportunismus den eigenen Chancen gegenüber. […] Wo sind die Otto Graf Lambsdörffer oder Ralf Dahrendörfer, die erklären, wofür die FDP eigentlich steht? […] Vor Nike hatten die Deutschen Ludwig Erhard. Eine freiheitliche Wirtschaftsordnung könne – so Erhard – auf Dauer nur dann bestehen, „wenn und solange auch im sozialen Leben der Nation ein Höchstmaß an Freiheit, an privater Initiative und Selbstvorsorge gewährleistet ist“. (Ulf Poschardt, Welt)
Ulf Poschardt ist schon so was wie der Schlagbohrer des Journalismus: ein durchaus nützliches Werkzeug, aber nicht eben subtil. Aber solche auf Krawall gebürsteten Kolumnen sind ja manchmal auch ganz nett. Was mir in der Vorliegenden besonders auffällt ist die Mystifizierung von Ludwig Erhard. Diese ist in gewissen Kreisen schon immer sehr verbreitet gewesen (witzigerweise ergibt sich da eine Querfront aus den rechten Flügeln von CDU und FDP und dem Sahra-Wagenknecht-Flügel bei der LINKEn, auch wenn die natürlich völlig andere Erhard-Zitate aus dem Zusammenhang reißen und totdeuten). Mit der realen Person hat das alles wenig zu tun. Aber so ein Säulenheiliger ist immer etwas Praktisches, weil man ihn als Autoritätsargument aufbauen kann: wenn Erhard das gesagt hat, muss es stimmen, und wer fordert, was Erhard forderte, kann nicht falsch liegen. Quasi der Jesus der Wirtschaftspolitik.
Wenn ich sein Leiden über die Orientierungslosigkeit der FDP lese, muss ich laut lachen. Genau wie bei der CDU (wir sprachen darüber im Podcast) hat die FDP nun das exakt gleiche Problem wie SPD seit zwanzig Jahren: in der Verantwortung ist es eben deutlich schwieriger, einfach nur markige Sprüche zu klopfen. Das kann man als Opposition immer super leicht machen, aber wenn Butter bei die Fische ist, kommt immer das „in Wirklichkeit ist alles viel komplizierter“ um die Ecke. Und mit einem Erhard-Zitat kommt man dann halt nicht weit. Dieses melancholisch-nostalgische ist das Hinterhertrauern um eine FDP, die es nie gab. Genauso wie die SPD-Linke seit zwanzig Jahren die Orientierungslosigkeit der Sozialdemokratie bejammert und rituell Willy Brandt nennt, so macht das Poschardt hier für die FDP. Es ist unproduktiver Unfug.
Womit er grundsätzlich Recht hat ist das Probel der Ambitionslosigkeit und „Irrealis“, aber natürlich endet meine Übereinstimmung mit ihm bei der Problembeschreibung. Ich halte etwa seine Vergötterung des fehlenden Tempolimits auf Autobahnen für völlig irreal und seine Verhinderungshaltung bei Erneuerbaren für ambitionslos. Aber grundsätzlich zeigt Poschardts Kolumne wieder mal die Richtigkeit meiner mittlerweile ein Jahr alten These: FDP und Grüne sind die Reformparteien in Deutschland; sie wollen den Status Quo verändern. Nicht in die gleiche Richtung, aber sie unterscheiden sich darin deutlich von den anderen vier Parteien.
5) Langzeitstudie: Hartz-IV-Sanktionen verfehlen ihr Ziel
Die Sanktionen im Hartz-IV-System bringen nicht mehr Menschen wieder in Arbeit, sondern belasten die Langzeitarbeitslosen zusätzlich. Zu diesem Ergebnis kommt die erste Langzeituntersuchung über die Auswirkungen von Leistungskürzungen, die am Montag in Berlin vorgestellt wurde. Die Menschen fühlen sich der Untersuchung zufolge zusätzlich stigmatisiert statt motiviert, ihre Arbeitssuche zu verstärken. Damit verfehlten die Sanktionen ihr Ziel, lautet das Fazit der vom Berliner Institut für empirische Sozial- und Wirtschaftsforschung (INES) im Auftrag des Vereins „Sanktionsfrei“ erstellten Studie. Für die dreijährige empirische Untersuchung wurden zwischen 2019 und 2022 rund 600 Personen mehrfach befragt, die dauerhaft oder zeitweilig Hartz-IV-Leistungen bezogen. (BR24)
Wie ich „Die Lust zu strafen“ beschrieben habe, erfüllen die Sanktionen keine sinnvolle Policy-Funktion. Sie erfüllen – oder erfüllten – aber eine vitale Politics-Funktion, indem sie den „Leistungsträgern“ (bewusst in Anführungszeichen und ungegendert) die Möglichkeit geben, ihren Frieden mit den Sozialbeiträgen zu machen: die ungeliebten „faulen Arbeitslosen“ (immer die nebulösen Anderen oder der blöde Nachbar von Tante Elfriede) werden in die Pflicht genommen und bestraft, wenn sie nicht spuren. Auf die Art konnte im aufgeheizten Diskurs der 2000er Jahre der Deckel drauf gehalten werden. Aber die Nutzlosigkeit der Sanktionen und die deutliche Entspannung beim Thema (auch dank der Konjunktur) machen die Reformen zum „Bürgergeld“ jetzt möglich, die seit Jahren überfällig sind.
6) „Arrogant, unfähig, nutzlos“: CIA-Experte zerlegt deutsche Spione
Sipher: Während meiner Zeit im Geheimdienst, als es unter anderem darum ging, das Land gegen eine Staatsgefährdung aus Russland zu verteidigen, fiel mir auf, wie viel unfähiger die Deutschen waren im Vergleich zu sämtlichen Kollegen aus nahezu allen anderen europäischen Ländern. Sie waren auch deutlich weniger hilfsbereit als andere Europäer. Ich kann mich wirklich an kein einziges Mal erinnern, bei dem die Zusammenarbeit mit den Deutschen funktionierte. […] Der BfV leistet solide, ernstzunehmende Arbeit – aber nur, wenn der Wille da ist, etwas zu tun. Und wenn es um Russland ging, haben sowohl der BfV als auch der BND jahre- beziehungsweise jahrzehntelang bewusst beide Augen zugedrückt. Man bekam den Eindruck, sie gingen deshalb so lax mit Russland um, weil sie Angst hatten, etwas herauszufinden, was sie nicht sehen wollten. Denn dann hätten sie ja vielleicht mal etwas tun müssen. Und sie wussten, das war vom Kanzleramt und der deutschen Regierung nicht erwünscht. Diese Einschätzungen höre ich übrigens auch von den Geheimdiensten anderer Länder, die ebenfalls versucht haben, mit den Deutschen zusammenzuarbeiten. […]
Das Hauptproblem war der Druck von oben, von der deutschen Regierung?
Sipher: Genau. […] Viele individuelle BfV- und BND-Agenten stimmten da keineswegs mit der politischen Spitze in Berlin überein. Aber alle wussten: Ein Aufmucken würde ihrer Karriere schaden. Letztendlich wollte niemand mit den deutschen Nachrichtendiensten zusammenarbeiten, weil es nie irgendetwas brachte. (Sandra Ward, Focus)
Die Unfähigkeit deutscher Spionage ist etwas, das sich weit über die bundesdeutsche Geschichte hinauszieht. Schon das Dritte Reich und das Kaiserreich hatten keine sonderlich guten Auslandsgeheimdienste (ich bin unsicher, wie „gut“ Gestapo und Stasi waren; der Verfassungsschutz kann jedenfalls nichts). Das harte Urteil über ihre Qualität ist daher verständlich. Schwerer zu beurteilen ist der Vorwurf, dass die Geheimdienste quasi absichtlich nicht kooperieren würden. Dass aus Berlin allerdings prorussische Politik betrieben wurde, beziehungsweise eine, die möglichst wenig Staub aufwirbeln sollte (gerade angesichts der russischen Wahleinmischungen), um Nordstream und Co nicht zu gefährden, sehe ich sofort. Da ist der Geheimdienst nur ein weiteres, bisher nicht diskutiertes Opfer einer völlig fehlgeleiteten CDU-SPD-FDP-Politik.
7) The world is not a debating club
Formal debate is all about introducing facts—as many as possible—and then refuting them. In real life, this is not called debate, it’s called the most boring thing in the entire world. It persuades no one. I’ve been doing it for 20 years and, as far as I can tell, have persuaded virtually no one of anything. Donald Trump, on the other hand, almost literally doesn’t know any facts. Nor can he refute them in any rational way. But he is practically a cult leader. Sadly, people are not persuaded by facts. They are persuaded by emotions. They are persuaded only when they’re listening to someone who shares their worldview. They are persuaded by „arguments“ that are beneficial to them—perhaps monetarily, perhaps in conferring status, perhaps in vilifying people they already didn’t like. This is how you win in real life. (Kevin Drum, Jabberwocky)
Ich bin völlig bei Kevin Drum. Besonders unter Liberalen (hier im weitesten Sinne gebraucht) ist die Vorstellung, das entscheidende seien Fakten und Wissen, sehr verbreitet und an Heilsvorstellungen geknüpft. Wie oft ich gelesen habe, dass das Rezept gegen Rechtsextremismus „bessere Bildung“ sei, ist unüberschaubar. Oder dass man gegen Fake News nur öfter die Tagesschau lesen oder einen gediegenen Leitartikel lesen müsse. Solche Sachen. Wir – als Menschen kollektiv – unterschätzen ständig den Einfluss von Emotionen und Identitäten auf unsere eigene Urteilsbildung, genauso wie unser Aussortieren von Wissen beziehungsweise verschiedenen Wissenszugängen nach diesen Prädispositionen. Wir haben eine gewaltige Fähigkeit, unangenehme Fakten durch genehme Fakten oder Marginalisierung zu relativieren. Ich erkläre meinen Schüler*innen nicht umsonst beim Thema Erörterung, dass Faktenargumente zu den schwachen Argumentarten gehören. Sie überzeugen niemanden.
8) Tweets
In this Axios-Ipsos poll, 42% of Republicans agree that „Strong, unelected leaders are better than weak elected ones.“
And 42% of Democrats agree that „Presidents should be able to remove judges whose decisions go against the national interest.“ https://t.co/rzhwsJTZ9g
— Will Saletan (@saletan) September 12, 2022
13% of democrats believe that there will be a literal communist dictatorship within 10 years https://t.co/UJhTMAZqK1
— BO (@bo_austin_) September 12, 2022
Diese Umfragen werden in meinen Augen ständig falsch gelesen. Zwar ist das Ausmaß des Bullshits, der geglaubt wird, grundsätzlich sehr groß. Aber diese Fragestellungen sollte man nicht zu wörtlich nehmen. So sind nicht 42% der Democrats der Meinung, dass Präsidenten Richter*innen, die gegen das nationale Interesse richten, absetzen können sollten. Sie sind der Meinung, dass Joe Biden das gegen die aktuelle konservative Mehrheit am Supreme Court tun soll. Und die 42% der Republicans würden starke, ungewählte Democrats auch nicht für besser halten als gewählte, schwache Republicans. Sie setzen nur ihre eigenen Präferenzen mit „strong“ gleich und ihre Gegner und alles, was sie ablehnen, mit „weak„. Nicht, dass es das irgendwie besser machen würde. Aber man muss sich eben klar machen, dass es hier nicht um die Formulierung allgemeingültiger Prinzipien geht, auch wenn die Frage so formuliert ist.
Die Leute verstehen das instinktiv als Partei-Marker, und genauso sind die Fragen letztlich auch gestellt. Es ist völlig offensichtlich, dass die erste Frage Republicans anspricht und die zweite Democrats. Sie entsprechen genau dem aktuellen Diskurs, und die Leute merken das unterbewusst. Letztlich ist das Verarsche. Das Gleiche gilt für die 13%, die „literally“ eine kommunistische Diktatur erwarten. Nein, tun sie nicht. Sie erwarten, erhoffen oder fürchten (je nachdem) einen Linksruck. Dass diese dummen Umfragen überhaupt gemacht werden, ist das eine, aber dass sie von klugen Leuten so fehlinterpretiert werden, ist das andere. Letztlich dienen sie glaube ich hauptsächlich dazu, sich selbst wohltuend abzusetzen. À la „Schau mal, was für einen Quatsch der Pöbel glaubt“.
9) Dem Verbrenner bleiben eigentlich nur noch zwei Jahre
Wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen will, müssen die Verbrenner von der Straße. Wenn sich die Erde um höchstens eineinhalb Grad erhitzen soll – wie es das Abkommen von Paris vorsieht, das Deutschland unterschrieben hat –, dürften zudem schon in etwas mehr als zwei Jahren keine neuen Pkw mit Benzin- oder Dieselmotor zugelassen werden. […] Von den globalen, abstrakten Zielen der internationalen Klimapolitik bis in die Details des deutschen Straßenverkehrs führt eine längere, komplizierte Argumentationskette. Wer ihr folgt, stellt fest, dass es zu einer deutlich beschleunigten Abkehr vom Verbrennungsmotor kaum eine Alternative gibt. […] Nun ist die nächste Frage, wie dieses Restbudget zu verteilen ist – und welchen Anteil der Verkehrsbereich erhält. Nach Kraftwerken und Industrie macht er den drittgrößten Anteil an Deutschlands Emissionen aus. Im Klimaschutzgesetz sind für jeden Sektor eigene Reduktionsziele festgelegt: Der Verkehr darf 2030 demnach noch 85 Megatonnen ausstoßen. Zum Vergleich: 2021 waren es 148 Megatonnen. […] „Die derzeitige Fahrleistung der Verbrenner lässt sich mit Elektroautos und E-Fuels auf absehbare Zeit nicht erbringen“, sagt Niklas Höhne: „Es geht nur mit einem Umstieg aufs Fahrrad und den öffentlichen Personenverkehr.“ Tatsächlich hat die Ampel im Koalitionsvertrag vereinbart, den Zugverkehr bis 2030 zu verdoppeln. „Aber es passiert fast nichts, um dieses Ziel zu erreichen“, sagt Höhne. (Christian Endt, ZEIT)
Schon vor zwei Vermischten ging es um Wissing und die Sektorziele. Vor dem Hintergrund dieser dramatischen Zahlen ist die völlige Untätigkeit der FDP hier umso wütend machender. Gleichzeitig dürfte aber allen klar sein, dass die im Artikel hier genannten Umbrüche letztlich nur in einer totalitären Diktatur möglich wären. Darum geht es auch nicht. Was mich so wahnsinnig stört ist, dass gerade angesichts dieser Tatsache – dass wir das Ziel schon gar nicht mehr erfüllen können, selbst wenn wir wollten – nicht irgendein Sinn von Dringlichkeit herrscht. Stattdessen herrscht die Mentalität von Schüler*innen vor, die ihre Hausaufgaben vergessen haben und daraus den Schluss ziehen, dass sie jetzt ja auch nichts mehr machen müssen. Das aber ist eine ziemlich harte Fehlwahrnehmung, die uns noch teuer zu stehen kommen wird.
Das heißt nicht, dass ich mich mit grünen Politikerinnen und Politikern nicht bis spät in die Nacht fetzen würde. Ich bin für Atomkraft, ihr Knalltüten! Und für Gentechnik! Das Anti-Atomkraft-Dogma kommt mir genauso wissenschaftsfeindlich vor wie die Impfgegnerschaft. […] Überhaupt basiert die Ökobewegung meiner Ansicht nach auf einem schweren Denkfehler: Viele ihrer Vertreter glauben, dass wir, um die Natur zu schonen, möglichst natürlich leben müssen. Genau das Gegenteil ist richtig. So viele Menschen wie möglich müssen in urbanen Ballungsgebieten leben. Landwirtschaft muss auf möglichst kleinen Flächen betrieben werden — am besten in Hochhäusern. Fleisch am besten aus dem Labor. Möbel am besten aus Plastik — lasst die Bäume stehen! Arzneimittel am besten mit Hilfe der mRNA-Technologie. Und Energie schaffen wir am besten nicht durch Verbrennen von Holz, von Kohle, von Öl, von Gas, sondern durch das Spalten von Atomen. In zehn Jahren hoffentlich durch Atomfusion — aber bis dahin müssen wir schon weitgehend von den fossilen Brennstoffen unabhängig geworden sein. […] Nicht die SPD mit ihrem peinlichen Herrn Kühnert, nicht die CDU, deren Kanzlerkandidat, wir erinnern uns, Armin Laschet hieß, nicht die FDP, die einen Herrn Kubicki durch die deutschen Talkshows hetzt. Die Grünen haben als Erste begriffen, dass mit Putin keine Geschäfte zu machen sind. Sie war ganz klar gegen Nordstream2. Von diesen Leuten, Gott schütze sie, wurde niemand vom Kreml bezahlt. Die Grünen kapieren auch sehr genau die Gefahr, die von der Diktatur in China ausgeht. Die Grünen, wie sie heute sind, stehen ohne Wenn und Aber für Freiheit und rechtsstaatliche Demokratie. Sie sind ganz klar für die NATO. Sie sind übrigens auch ganz klar für Israel: Ein Freund erzählte mir, dass, als Ron Prosor, der neue israelische Botschafter in Berlin, seine Einstandsparty gab, der gesamte grüne Parteivorstand erschien. Und so gut wie niemand von der CDU. (Hannes Stein, Salonkolumnisten)
Ich bin da völlig bei Stein. Es gibt genug, was mich an den Grünen nervt – mein Hauptproblem ist diese Neigung zu anthroposophischem Quatsch, neben der in meinen Augen irrationalen Ablehnung von Gentechnik – und was mich davon abhält, mich mit der Partei zu identifizieren. Aber von allen Bundestagsparteien liegen sie am richtigsten, was die Russlandpolitik angeht. Und die Notwendigkeit, gegen die Klimakrise zu handeln, sowieso. Ich habe an dieser Stelle ja schon öfter darüber geschrieben wie faszinierend es ist, dass mittlerweile ausgerechnet die Grünen die Transatlantiker sind, sogar mehr als die CDU (wobei die noch mehr institutionelle Verbindungen haben). Ist schon krass.
Resterampe
a) 75% der Deutschen wollen Reiche stärker besteuern. Nach Stefan Pietschs Logik müsste das ja nun sofort geschehen, denn der Wille der Mehrheit muss ja alles leiten. Vermutlich gilt das aber wie üblich nur dann, wenn er sich mit den eigenen Vorstellungen deckt.
b) In den 1960er Jahren wollte Stuttgart sein Verkehrsproblem durch den Bau von mehr Straßen beseitigen. Die Straßen wurden gebaut, das Verkehrsproblem wurde schlimmer. Wie immer.
c) Sehr gute Punkte zum self-hosting von Emails.
d) Geschichte der Gegenwart hat einen guten Artikel zu der Rolle, die „Gender“ (als politischer Kampfbegriff) für Putin und die russische Gesellschaft sowie den Rechtspopulismus generell spielt.
e) Don’t be indispensable. Guter Tipp.
f) Analyse der Bedeutung russischen Gases für die deutsche Wirtschaft.
g) Interessantes Interview mit Jürgen Zimmerer zu Karl May. Achtung, ist im Neuen Deutschland.
h) Sehr, sehr guter Thread zu dem linken Einschlag der ÖRR von einem Konservativen.
i) „Niemand konnte die Gaskrise kommen sehen“
j) Sehr spannende Erkenntnisse zu „Brain Fog“ und Long Covid.
k) Diese Interpretation vom Zombiegeschichten als Migrationsgeschichten überzeugt mich überhaupt nicht.
l) Die neue Querfront: Ralf Stegner und Wolfgang Kubicki. Hätte ich vor einem halben Jahr auch niemand geglaubt.
m) Frank Schäffler ist auch völlig abgedreht. So ein bisschen der Ralf Stegner der FDP.
n) Republikanisch wählende Staaten haben die mit Abstand höchsten Mordraten. Jetzt frag ich mich: ist das ein Zeichen, dass die law&order-Politik nicht funktioniert oder ist die wegen der hohen Raten attraktiv und die GOP wird als Lösung gewählt? Ich hab eine Haltung, aber die ist mehr Produkt meiner politischen Haltung als dass ich es wüsste.
o) Scomplet hat eine Befragung zu den Effekten der Winnetou-Debatte durchgeführt. Das Ergebnis, dass 40-50% der Bundesbürger*innen falsche Informationen glauben, überrascht mich keine Sekunde und ist Ausdruck der Hysterie und der erbärmlichen Qualität der Debatte, über die wir ja im Podcast sprachen.
1) Die gegenwärtige Datenschutz-Praxis schadet effektiv dem eigentlichen Anliegen. Man unterschreibt oder klickt „Regeln zum Datenschutz zur Kenntnis genommen“, ohne jedesmal alles zu lesen. Wie auch. Das verkehrt das Ganze ins Gegenteil.
Arbeitet die Ampel eigentlich daran? Schauen, wie demokratisch-rechtsstaatlich vergleichbare Nachbarstaaten das machen. Eine Reform, die kaum was kosten würde.
Schön ist auch die cookies-Regelung, klickt irgendwer anderes an als „alle Cookies toll“? 😀
Ich denke schon, dass Lobo recht hat und dass oft eine unglückliche Verkettung von ähm Datenschutz-Extremisten ist und Leuten, die gerne alles Digitale verhindern wollen. Das ist alles völlig losgelöst von jeder praktischen Nutzung oder auch nur Überlegung!
Lobo nennt ja das E-Rezept, hey das ist ja noch Science-Fiction, Krankschreibungen ohne dass man von A nach B mit irgendwelchen Zetteln muss, wären ja auch schon ein Fortschritt. Überhaupt Medizin: finds auch immer toll, dass man beim Arzt unterschreiben muss, dass das Labor Werte bekommen darf. Anders gehts ja gar nicht, außer man verzichtet darauf, seine Blut (oder anderen Werte) kontrollieren zu lassen. Das ist zur simplen rechtlichen Absicherung von allem verkommen und hat überhaupt keinen weiteren Sinn mehr.
Das ist auf der einen Seite völlig richtig.
Auf der anderen – bei dem Ausmass an Daten, das Staat und Unternehmen heute von uns haben, hätte ich für die achtziger des letzten Jahrhunderts noch einen echten Volksaufstand prophezeit :-).
Gruss,
Thorsten Haupts
Richtig, aber wie Stefan auch schon schrieb, kommt es immer sehr darauf an, wer denn die Daten hat. Weiß gar nicht, obs das noch gibt, aber wenn ich denke, wer da früher an wen alles Adressen vertickt hat. Und das war völlig rechtens.
Aber wenn ein medizinisches Labor meine Blutwerte überprüft, ist das plötzlich ein Problem, das ist schon ein bisschen lächerlich.
Jepp, völlig bei dir.
Leider das Problem, ja.
4) Die Ehrgeizigen haben keine politische Heimat mehr
Poschardt beherrscht die Pointierung. In der Sache hat er kein Stück Unrecht, wie seit vielen Jahren der Überschuss deutscher Auswanderer gegenüber Rückkehrern belegt. Oder die jahrelange Kritik der OECD an der individuellen Steuerlast in Deutschland.
Ich habe Ludwig Erhard nie erlebt und bin daher vorsichtig mit Interpretationen einer Person. Eine Zurückhaltung, die sich viele, gerade auch Linke, nicht auferlegen. Ich weiß jedoch viel von der Schule des Ordoliberalismus, aus der der frühere Wirtschaftsminister ja stammen soll. Und was wir seit sehr langem in Deutschland als Wirtschafts- und Finanzpolitik erleben, hat mit den Konzepten des Ordoliberalismus wenig bis nichts zu tun.
Poschardt konstatiert an der FDP, was ich schon nach den Sondierungsgesprächen schrieb. Die Liberalen haben hauptsächlich die Verhinderungsthemen bekommen: Keine Steuererhöhungen, keine weitere Erhöhung der Staatsschulden, kein Tempolimit. So etwas ist für Wähler, auch für bürgerliche, wenig aufregend, zumal es sich teilweise um verfassungsrechtliche Selbstverständlichkeiten handelt. Es ist gekommen, wie vermutet: diese Verhinderungspolitik linker Weltverbesserungsideen zahlt nicht auf das Konto der FDP ein.
FDP und Grüne sind die Reformparteien in Deutschland
Das ist weniger der Punkt. Die Ampel besteht immer aus Koalitionspärchen, die gegen den anderen stehen. Häufig sind das SPD/Grüne gegen FDP, manchmal Grüne/FDP gegen SPD und in einigen Fällen auch SPD/FDP gegen Grüne. Da gehört einiges einfach nicht zusammen.
zu 1:
Also die Debatte rund um Teams kann ich absolut nicht nachvollziehen – aus Datenschutzsicht ist das alles regelbar. Die Microsoft Cloud Azure, die hier zum Einsatz kommt steht in Amsterdam und unterliegt europäischen Datenschutzrecht. Das es hier nicht zu einer Umsetzung kommt, kann nur ministerialer Unkenntnis entspringen – merkwürdig das dieses Know How nicht eingekauft wird. Es wäre ein leichtes die entsprechenden AVVS und TOMs zu fixieren.
Unternehmen dürfen steuerelevante Unterlagen ja auch nicht so einfach in die Cloud packen. Es bedarf hier entsprechender Regelungen. Diese sind aber verabredbar und auch kein Hexenwerk. Ich arbeite bei einem Konzern mit 70 Mrd EUR Umsatz und das Teams Datenschutzthema wurde binnen weniger Wochen rechtssicher aufgelöst. Anders sieht die kommerzielle Seite aus – die Microsoft Lizenzbedingungen sind inzwischen ja eine echte Wissenschaft für sich.
Ich vermute eher, es ist ein finanzielles Thema – schließlich wären hier üppige Lizenzkosten zu berappen und ich vermute mal die Bundesländer haben kein Interesse sich mit einer Ausschreibung von Microsoft-Lizenzen in Millionenhöhe auseinanderzusetzen. Ich vermute aber auch, dass zu wenig Kompetenz in der Ministerialbürokratie gibt, hier tätig zu werden.
Grundsätzlich gehört die DSGVO in Deutschland überarbeitet – wäre ein tolles Projekt für das FDP geführte Justizministerium
Ist in Deutschland gar nicht so einfach, seitdem ein übergriffiges Bundesverfassungsgericht ein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung frei erfunden hat, obwohl es nicht im Grundgesetz steht.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ein weiteres Beispiel dafür, dass das BVerfG sich nicht als Ersatzgesetzgeber betätigen sollte.
Ich würde das nicht als übergriffig bezeichnen. Das Gericht hat lediglich eine Lücke gefüllt, die der Gesetzgeber nicht ausgefüllt hatte (Stichwort Urteil zur Volkszählung) – gut gemeint ist aber eben nicht gut gemacht. Der Gesetzgeber versuchte zwar über Datenschutzgesetze dem ganzen einen Rahmen zu verleihen, jedoch merkt man den Gesetzen an, dass Sie von Lobbys und weniger von Menschen geschrieben wurden, die sich mit dem Thema praktisch auskennen. Insofern wäre hier eine Neufassung unter Einbeziehung von Experten dringend notwendig.
Ich würde das nicht als übergriffig bezeichnen. Das Gericht hat lediglich eine Lücke gefüllt …
Ja. Und? Das BVergF hätte sich entweder raushalten können ODER einen Gesetzgebungsauftrag an die Politik zurückgeben. Statt dessen spielte es Grundgesetzgeber – und das nenne ich übergriffig! Mit der damals gegebenen Begründung könnte man übrigens bis zum jüngsten Tag weitere Grundrechte „herleiten“. Und zwar x-beliebige.
Wenn etwas in einer Verfassung nicht geregelt ist, sollte es nicht ausgerechnet die letzte Entscheidungsinstanz über die Auslegung der existierenden Artikel dieser Verfassung sein, die neue Verfassungsartikel hinzudichtet.
Gruss,
Thorsten Haupts
Sehe ich auch so. Es ermöglicht auch der Politik, sich feige rauszuziehen. Siehe Homoehe: Merkel wollte sich vom BVerfG zwingen lassen, um den politischen Ärger zu umgehen. Ging dann wegen der Wahlkampfhits suchenden SPD nicht, aber das war ihre klare Intention. Schweinerei.
Das stimmt nicht. Im Vorfeld der Entscheidung des Deutschen Bundestages stand ein Urteil aus Karlsruhe zur Verfassungsmäßigkeit der Eingetragenen Lebenspartnerschaft an. Die Kläger sahen eine Ungleichbehandlung der Homosexuellenehe gegenüber der traditionellen, durch Artikel 6 GG geschützten Ehe, die nur heterosexuellen Paaren vorbehalten war. Angesichts der historischen Entscheidung der rot-grünen Bundesregierung unter Gerhard Schröder und der darauffolgenden weiteren Rechtsangleichungen bezweifelten selbst konservative Rechtsexperten nicht, dass die unionsgeführte Bundesregierung in Karlsruhe unterliegen und die Richter die Ungleichbehandlung als verfassungswidrig einstufen würden.
Mit dem Bundestagsentscheid schlug die Union zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie vermied eine spektakuläre Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht im anziehenden Bundestagswahlkampf und sie vermieden einen politischen Triumpf des linken politischen Lagers.
Das ist die eigentliche Geschichte. Übrigens: hätte der Deutsche Bundestag sich klar für die Trennung ausgesprochen, wäre auch das ein starkes Signal gewesen, dem sich die obersten Richter nicht hätten entziehen können.
Ja aber genau das meine ich doch. Die Erwartung Merkels war, dass das BVerfG sie zur Homoehe zwingen würde.
Das ist Deine Interpretation und Wertung. 2002 hätte das Gericht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit na der traditionellen Wertung der Ehe festgehalten. Doch die Politik hat in der Zeit danach Fakten geschaffen. Das Gericht hat oft gezeigt und gesagt, dass der Bundestag in Wertungen (wie z.B. auch der Frage, was eine Ehe ist) das letzte und entscheidende Wort hat. Die Politik hat in den Nullerjahren deutlich gemacht, dass sie Ehe anders als in früheren Jahrzehnten wertet. Nur war sie nicht soweit, die finale Konsequenz daraus zu ziehen.
Schau‘ das sage ich als jemand, der politisch auf dem Standpunkt steht, die Ehe solle der Verbindung von Mann und Frau vorbehalten sein. Aber es passt eben nicht zusammen, einerseits so etwas wie das Institut der Eingetragenen Partnerschaft einzuführen und dennoch an dieser Interpretation der Ehe festzuhalten.
Die Politik hat irgendwann die Konsequenz gezogen. Das ist doch das, was Du immer forderst.
Ich rede von 2017, nicht 2002. Mir sind die von dir genannten Dynamiken völlig klar. Ich bin ja für die Ehe für Alle. Ich sage aber, dass es Aufgabe des Bundestags war, sie einzuführen, und nicht des BVerfG.
2017 lässt sich ohne das Dazwischen nicht verstehen. Deine Sicht scheint dagegen zu sein, in Erkenntnis des in dieser Transformationsphase offensichtlich gewordenen Widerspruchs hätte die Politik eigentlich schon 2002 die Ehe für alle einführen müssen.
Allein, damals war die Mehrheit (auch der Verfassungsjuristen) der Meinung, die Ehe sei der Verbindung von Mann und Frau vorbehalten. Für die Rechtsentwicklung nimmst Du die Abkürzung…
Ich verstehe nicht, das dein Problem ist. Was Ehe ist, entscheidet offensichtlich der Gesetzgeber. Wo der 2002 war, ist völlig egal. Ich hätte ein BVerfG-Urteil zu dieser Thematik 2002 genauso unpassend gefunden wie 2017. Denn wie du so richtig sagst, entscheidet das die Gesellschaft als Ganzes über ihre gewählten Repräsentierenden.
Was Ehe ist, entscheidet offensichtlich der Gesetzgeber.
Nein, so ist es nicht. Jedenfalls nicht so einfach. Wenn der Deutsche Bundestag heute beschließen würde, dass auch eine Vielpartnerschaft eine Ehe sei, wäre das verfassungswidrig. Legt er ein Institut auf, dass mit gesonderten Rechten ausgestattet ist und entwickelt sich das Recht in die Richtung, wäre es möglich, dass in 20 Jahren eine solche Konstellation als verfassungskonform durchginge.
Deswegen ist sehr wohl relevant, was 2002 war und was dazwischen passiert ist. Der Deutsche Bundestag hat irgendwann das letzte Wort über Wertfragen. Aber nicht durch zufällige Mehrheiten, sondern als Ergebnis langer Entwicklungen. Beides ist wichtig: es verleiht dem Recht Konstanz und dennoch die notwendige Anpassungsfähigkeit an die Moderne.
Ok, aber wir haben doch immer noch keinen Dissens bezüglich der Rolle des BVerfG??
Meine Bewertung ist, dass Politik, Rechtsprechung und Gesellschaft in der Frage die gleiche Entwicklung durchgemacht haben. Der Weg stellt mich zwar nicht zufrieden, aber so ist es in Ordnung. Nur: das ist keine Gelegenheit zu Häme irgendwohin, zu einer Partei oder Milieus.
Ich bin doch nicht hämisch?
„Die Merkel hat das ja nur gemacht, weil…“ „Endlich hat die CDU das eingesehen“. So in der Art. Die Welt ist in stetem Fluss, es gibt keine endgültigen Wahrheiten. So sehe ich das im Job, so ist das in der Politik. Besserwisser sind beim Wähler beliebt, aber das ist unsachlich.
Es war 2004 richtig, an der Trennung festzuhalten und es war 2017 falsch – auch wenn ich das höchst ungern sage.
Grundsätzlich halte ich es durchaus für angebracht, dass es eine Art Grundgesetz für informationelle Selbstbestimmung gibt, aber a) bin ich nicht der größte Freund des Verfassungsgerichts als Gesetzgeber und b ) produziert es auch noch ständig weitere Probleme, weil es jeden Scheiß aus der Menschenwürde herleitet, die vernünftigerweise extrem kompromisslos gehandhabt wird.
Dadurch ist sie aber für politische Fragestellungen absolut untauglich und ist ja nicht so als hätten wir keine anderen Grundgesetze (mal abgesehen davon, dass man das zur Not auch mit einem normalen Gesetz regeln könnte, wenn die Politik mal ihre Arbeit macht).
Genau. Inhaltliche und institutionelle Bewertung sind zwei Paar Stiefel. Inhaltlich mag ich auch das Klimaschutz-Urteil, aber demokratisch finde ich es extrem problematisch.
Jupp, sehe ich auch so.
Zu 5)
Moment, weil in einer politisch motivierten Befragungs-„Studie“ Betroffene gegen Sanktionen waren, sind diese damit wirkungslos? Wow! Ich warte jetzt auf die Erkenntnis, dass Knöllchen sinnlos sind, gezogen aus einer Befragung sanktionierter Autofahrer!
Zu 10)
Ich habe nicht vergessen, dass die GRÜNEN Erbe der Friedensbewegung sind. Und Soldaten/Militär gehasst und verachtet haben. Das mag sich ja seit Februar 2022 geändert haben, aber das ist für mich kein Grund, die GRÜNEN zu schätzen. Das ist und bleibt die Paradepartei der deutschen Bequemlichkeitspazifisten.
Zu a)
Hat man bei der Befragung „Reiche“ definiert? Nein? Dachte ich mir.
Zu d)
Eine Soziologin und eine Kulturwissenschaftlerin. Danach brauchte ich eigentlich nicht weiterlesen, habe es aber leider trotzdem getan. Und was reicht heute für die saftige Unterstellung, rechte Parteien in Europa sässen mit Russland bei Putins Angriffskrieg in der Ukraine in einem Boot? Das hier:
In den westlichen Ländern verteidigen die Rechten weder das Recht des Mannes, seine Frau zu schlagen, noch schlagen sie (wie in Polen) ein totales Abtreibungsverbot vor, doch sie verunglimpfen eifrig die „Perversionen“ des Feminismus, der bei der Verfolgung einer egalitären Politik angeblich „zu weit gegangen“ ist.
Echt schrecklich, wenn man bestimmte Positionen des Feminismus verunglimpft. Dann ist man qua Definition Putinist!
Zu h)
Püttmann ist der Linken Lieblingskonservativer. Ich habe ihn auf twitter und sonstwo seit Jahren noch niemals irgendwelche Linken oder linke Positionen attackieren sehen, die Dauer-Attacke behält er allem vor, was er für rechts, aber nicht konservativ, hält. Ich kann aufgrund seiner twitter-Beiträge nirgendwo erkennen, dass der Mann überhaupt konservativ ist. Nur die Linke liebt ihn als angeblichen Vorzeige-Konservativen, weil er der CDU mehr schadet, als allen Nichtkonservativen zusammen. Bah …
Zu o)
Wenn man falsche Berichterstattung kritisiert, ist man selbst sicherlich Vorbild? Schauen wir mal. Nehmen wir die Frage Hatten Sie das Gefühl, dass im Zuge der Debatte um den Kinderfilm “Der junge Häuptling Winnetou” jemals im Raume stand, die Karl-May-Bücher oder die Filme über „Winnetou“ zu verbieten?
Aus diesem „jemals im Raum stand“ wird wenige Zeilen weiter: Mehr als 40 Prozent der von uns Befragten war zum 05. September 2022 überzeugt, dass Karl-May-Bücher oder Winnetou Filme verboten werden sollten
Nein, waren sie nicht – denn danach war gar nicht gefragt worden. Eine glatte Lüge in einem „Faktenfinder“-Artikel eines linken Medienoutlets – warum bin ich eigentlich nicht überrascht?
Gruss,
Thorsten Haupts
10) Warum auch liebgewonnene Feindbilder überdenken.
@ Thorsten Haupts 19. September 2022, 12:20
Zu 5)
Moment, weil in einer politisch motivierten Befragungs-„Studie“ Betroffene gegen Sanktionen waren, sind diese damit wirkungslos? Wow! Ich warte jetzt auf die Erkenntnis, dass Knöllchen sinnlos sind, gezogen aus einer Befragung sanktionierter Autofahrer!
Zu a)
Hat man bei der Befragung „Reiche“ definiert? Nein? Dachte ich mir.
Zu o)
… Mehr als 40 Prozent der von uns Befragten war zum 05. September 2022 überzeugt, dass Karl-May-Bücher oder Winnetou Filme verboten werden sollten.
Nein, waren sie nicht – denn danach war gar nicht gefragt worden. Eine glatte Lüge in einem „Faktenfinder“-Artikel eines linken Medienoutlets – warum bin ich eigentlich nicht überrascht?
Zustimmung – wieder mal erfrischend schnörkellos auf den Punkt gebracht.
Zu 10)
ich habe nicht vergessen, dass die GRÜNEN Erbe der Friedensbewegung sind. Und Soldaten/Militär gehasst und verachtet haben. Das mag sich ja seit Februar 2022 geändert haben, aber das ist für mich kein Grund, die GRÜNEN zu schätzen. Das ist und bleibt die Paradepartei der deutschen Bequemlichkeitspazifisten.
Ich erinnere mich noch gut. Aber die Grünen zu meinen BW-Zeiten haben wenig mit den heutigen Grünen zu tun. Nun ja, mit den Mitgliedern tue ich mich immer noch deutlich schwerer als mit den Repräsentanten Baerbock und Habeck.
Grüße zurück
E.G.
Ich kenne ehrlich gesagt keine Mitglieder.
@ Stefan Sasse 19. September 2022, 18:36
Ich kenne ehrlich gesagt keine Mitglieder.
Ich hau mich weg 🙂 🙂 🙂
Wieso?
@ Stefan Sasse 21. September 2022, 14:48
Wenn Du (sorry – giggle – als Lehrer!) keine Grünen kennst, finde ich das irgendwie witzig. Bringt mich zu der Frage, was Du unterrichtest, und mir kommt Tom Sharpe („Puppenmord“) in den Sinn. Dessen Romanheld, ein Berufsschullehrer, unterrichtete „Fleischer 2“.
(Kann ich auch nichts dafür, kam mir nur so in den Sinn … 🙂 )
Das mag daran liegen, dass du dich von Klischees leiten lässt 😀 Ich meine, die Grünen haben insgesamt bundesweit 125.000 Mitglieder. So viele Lehrkräfte gibt es in ganz BaWü! Die Chance, dass jemand an meiner Schule Parteimitglied ist, ist sehr gering. Ich kenne übrigens nicht mal Grünen-Sympathisanten; ich hab in meinem (nicht-Internet-)Bekanntenkreis überhaupt keine.
@ Stefan Sasse 22. September 2022, 07:51
Das mag daran liegen, dass du dich von Klischees leiten lässt
Ich kenne ein männliches Parteimitglied, und wirklich viele Sympathisant:innen. Mehrere Kolleginnen, drei meiner vier Töchter, ein paar Nachbarn. Und ja, die reagieren in bestimmter gleicher Weise klischeehaft. Und keiner von denen hat wirtschaftlich etwas auszustehen.
Einer von denen hat zwei Oldtimer; einen englischen Roadster, einen amerikanischen V8-Straßenkreuzer aus den früher 60er Jahren. Dessen gewaltigen Vergaser schlucken bei jedem Gasstoß einen Liter Benzin. Er fährt nicht viel damit, aber er fährt, und hält das für nachhaltig, weil der ja so alt ist und nichts Neues gebaut wurde. Ich nicke, lasse mich einladen, und fahre mit …
Und ich kenne Dich 🙂
(Sorry – aber was ist schon ein guter Freund gegen einen guten Scherz)
Mit Klischee meinte ich: dass alle Lehrkräfte grün sind.
Ich bin halt kein Grüner 😀
Und ja, no offense 😉
@ Stefan Sasse 22. September 2022, 07:51
Postscriptum:
Ich kenne übrigens nicht mal Grünen-Sympathisanten; ich hab in meinem (nicht-Internet-)Bekanntenkreis überhaupt keine.
Die große, bedeutende Frage ist nun: Wenn Du unter Deinen Bekannten in einem Bundesland, dass von den Grünen regiert wird, noch nicht einmal Grünen-Sympathisanten hast – wie wählen die?
□ links von Dir
□ rechts von Dir
□ genau wie Du
(Hint: Jede der drei Antworten wäre peinlich 🙂 )
(Such’s Dir aus: beide Antworten sind offenbar peinlich 🙂 )
SPD, CDU, FDP und Grüne. Ich kenne niemand, der LINKE oder AfD wählt bzw. sich dazu bekennt. Aber ob du es glaubst oder nicht, ich rede mit „physischen“ Bekannten sehr wenig über Politik 😀
Zu n)
Ich würde mir ja mal den Zusammenhang zwischen der Besitzrate von Schusswaffen und der Totschlagrate ansehen. Da sehe ich den mit Abstand wichtigsten Indikator für gewaltsamen Tod:
https://worldpopulationreview.com/state-rankings/guns-per-capita
Ist der Grund, warum ich im Ergebnis gegen unreglementierten privaten Schusswaffenbesitz bin, obwohl ich die prinzipiellen Argumente für denselben durchaus teile. Bewaffnete Menschen sind einfach eine deutlich grössere Gefahr für einander – und führen notwendigerweise und unvermeidbar zu einer völlig anderen Polizei und Polizeiverhalten. Möchte ich nicht, case closed.
Gruss,
Thorsten Haupts
5) Hartz-IV-Sanktionen
Bisschen armselig und merkwürdig, dass das tatsächlich die erste Langzeitstudie ist. 2005 ist ja schon ein Weilchen her, das zeigt halt auch, dass es da eben mehr um psychologische Effekte geht, falls das noch wer bezweifelt hat. Noch dazu, weil es nach dem BverG-Urteil vermutlich egal ist.
Ich bin gar nicht sicher, ob es „nur“ an der Konjunktur liegt, aber es ist schon erstaunlich, wie sehr sich die politische Stimmung in dem Bereich gedreht hat.
7)
Besonders unter Liberalen (hier im weitesten Sinne gebraucht) ist die Vorstellung, das entscheidende seien Fakten und Wissen, sehr verbreitet und an Heilsvorstellungen geknüpft.
This so much! Dazu hat das immer noch so ein Selbstfeiern als megaintelligent. „Haha, wir sind so schlau und ihr seid nur so dumm (und deswegen Nazis, Verschwörungsheinis, sonstwas“ Mal abgesehen davon, dass die bisherigen Studien sowieso gegen diese These sprechen.
Erinnert mich auch oft an Diskussionen über totale Objektivität und ähnliches. Das sind eher theoretische Konstrukte, die die Wirklichkeit nicht überleben, weil Menschen keine Cyborgs sind und anders funktionieren.
9)
Und wenn wir in zwei Jahren alle Verbrenner von der Straße haben, verzichten wir noch auf die Hälfte des Lebensstandards und schon wird alles gut. Argh!
Es ist übrigens ein Grund, warum ich nur so eine halbe Freundin dieser Sektorziele bin. Zum Einen kann man das vergessen, wenn man da die FDP hat, die Zugfahren für Propaganda der Antifa hält und nicht soviel Interesse, was zu tun und logischerweise gehört der Verkehrssektor in dem Bereich zur größten Baustelle. Andererseits gehts hier ja nicht nur um „Leuten ihr Auto wegnehmen“, Sondern um Mobilität und da gehört dann auch die Stadt/Lebensplanung dazu. Wird halt auch nicht besser, wenn sich kein Mensch mehr eine Wohnung in der Stadt leisten kann oder generell einen Umzug. Und da ist das Gucken auf einzelne Sektoren weniger günstig.
Ah, ich schließ hier zu b) gleich noch was an: Hatte durch meinen Job jetzt viele Fotobücher mit alten Innenstadtfotos und fands total interessant, Stuttgart war da ja nicht allein. Von vor dem Krieg zu den 60ern waren selbst die Innenstädte durchzogen von Straßen und Seitenparkplätzen, was sich jetzt ja teils sogar wieder radikal ändert. Obwohl wenn auch keine autofreien Innenstädte, sind zumindest große Fußgängerzonen ja schon länger gang und gäbe. Keine Ahnung, wann das zum Trend wurde, aber vermutlich findet man da noch dieselben Argumente wie heutzutage, wenn man über autofreie Innenstädte redet.
i)
Das mit Zombies als Migrationserzählung. Hm, halte ich eher für groben Quatsch.
5) Ja, finde ich auch überraschend.
7) Exakt.
9) Ja, mich ärgert am meisten die verschwendete Zeit. Da müsste man seit 20 Jahren dran sein.
i) Jepp, ich auch.
Ja, mich ärgert am meisten die verschwendete Zeit. Da müsste man seit 20 Jahren dran sein.
Ja, aber zumindest mal jetzt tätig zu werden, wäre ja schon ein Fortschritt. Ich sehe in dem ursprünglichen Artikel (oder auch in diesem „auf 50% des Lebensstandards verzichten“ auch noch die Gefahr, dass die (völlig irrealen) Ziele so hoch gesteckt werden, dass Kompromisse schwierig werden. Dann kommt eine weniger drastische Maßnahme und als Nächstes heißt es dann, dass das ja schön und gut ist, aber dummerweise gehen wir trotzdem alle drauf.
Hab ich drüber geschrieben: https://www.deliberationdaily.de/2021/09/das-sandwich-problem-der-politik/
„wir sind so schlau und ihr seid nur so dumm (und deswegen Nazis, Verschwörungsheinis, sonstwas“ Mal abgesehen davon, dass die bisherigen Studien sowieso gegen diese These sprechen.“
Wer an Verschwörungen (z.B. die Big Lie, Reptiloiden, Bill Gates, Mikrochips, 5G oder Chemtrails) glaubt, ist also nicht dumm? Was denn dann?
Sehr kluge Leute glauben allen möglichen Scheiß.
Vielleicht verstehen wir einfach verschiedene Dinge unter dem Begriff klug.
Ich denke, hier hat Stefan nach meiner Lebenserfahrung völlig Recht. Sie verwechseln vielleicht klug (als erste Näherung: intelligent und gebildet) mit weise, aber das letztere ist selten und wenig intelligenzabhängig.
So war es gemeint.
Wer an Verschwörungen (z.B. die Big Lie, Reptiloiden, Bill Gates, Mikrochips, 5G oder Chemtrails) glaubt, ist also nicht dumm?
Nein, hochintelligente Leute können an absolut dummen Unfug glauben. Es gab dazu schon einige Studien, die besagen, dass Intelligenz nicht davor schützt und den Glauben an Verschwörungskram sogar begünstigen könnte. Schwierig, mehr als Hinweise in solchen Studien zu finden, aber es scheint recht sicher, dass die Begründungen für „an verrückten Scheiß glauben“ anderswo liegen.
Mir persönlich scheint das immer wie Drogensucht, die ja auch unabhängig von Intelligenz/Wissen ist und einige Leute sind anfälliger und andere weniger, obwohl es prinzipiell jedem passieren kann.
Das ist jetzt aber völlig intelligenzbefreites Überlegen, um mich dem Thema anzunähern^^
Von Faktenargumenten lasse ich mich gerne überzeugen. M.E. die besten Argumente die es gibt.
@ derwaechter 20. September 2022, 22:18
Von Faktenargumenten lasse ich mich gerne überzeugen. M.E. die besten Argumente die es gibt.
Fakten machen nur Sinn mit Bewertung. Die erfolgt meist auf Basis der eigenen Wertevorstellungen
Genau mein Punkt.
Wenn es, um bei diesem Beispiel von Ariane zu bleiben, gute Studien gibt, die zeigen, dass Intelligenz und der glaube an Verschwörungstheorien nicht zusammenhängt, dann überrascht mich das zwar aber ich sehe keinen Grund das nicht zu glauben.
Ich verstehe nicht, wieso Bewertungen oder meine eigenen Wertvorstellungen da reinspielen sollten.
Tun sie ja nicht. Sie spielen da rein, wo wir zu den Konsequenzen daraus kommen.
… Zugfahren für Propaganda der Antifa …
Ich bin seit mehr als 40 Jahren interessierter Viel-Bahnfahrer. Und habe da eine ganz schlechte Nachricht: Viel stärker KANN man Verkehr gar nicht auf die Schiene verlagern, bestimmte Nadelöhr-Strecken sind in Deutschland komplett ausgelastet, egal, wofür man Zugfahren hält :-).
Abhilfe mittels neuer Strecken wird bei den in Deutschland üblichen Planungsvorläufen nicht vor Ablauf von 20 Jahren (!) möglich sein. Und das ist optimistisch geschätzt, selbst wenn die Politik morgen die Bahn in den Mittelpunkt ihrer Verkehrsüberlegungen stellt (was sie in einer Demokratie übrigens nur um den Preis ihrer Abwahl kann).
Gruss,
Thorsten Haupts
Auch hier gilt: es macht micht wahnsinnig, wie lange das schon verschleppt wird. Aber das ist doch nur ein Grund mehr, eher heute als morgen mit dem Bauen anzufangen, oder?
Ja naja weiß nicht. Erinnert mich etwas an die geniale Ausrede von Wissing(?), dass das mit Tempolimit 130 nicht geht, weil Deutschland (Deutschland!) nicht genug Verkehrsschilder hat.
Als Grund, dass nun alles so bleiben muss, wie es jetzt ist, eher mäßig. Natürlich ist es illusorisch in zwei Jahren alle Verbrenner von der Straße zu haben und die Leute fahren dann fröhlich Zug, aber größere Bemühungen dahin sind schon möglich. Die FDP könnte da nebenbei auch eins ihrer Wahlkampfversprechen einlösen und Planungsabläufe verschlanken, die Aufgabe ist ja sogar wie für sie gemacht^^
Ich wäre ja schon dankbar, wenn jemand das mal begründen würde. Irgendwie einen Sinn verleihen, so in etwa.
Was genau? Tempolimit?
Natürlich ist es illusorisch in zwei Jahren alle Verbrenner von der Straße zu haben und die Leute fahren dann fröhlich Zug, aber größere Bemühungen dahin sind schon möglich.
Was wäre der Grund dafür?
Die Klimakrise. Du magst davon gehört haben. Das Verbrennen fossiler Brennstoffe und das Versiegeln von Flächen für Straßen und Parkplätze trägt dazu bei, dass sich der Planet aufheizt und für die Menschheit negative Effekte hervorruft. Ein Nischenthema, gewiss.
Ja, so am Rande habe ich das mitbekommen. Ich habe allerdings auch mitbekommen, dass nicht nur in Deutschland die Menschen mit dem Auto fahren. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor haben es bis nach Kenia und Äthopien geschafft!
Das Umweltbundesamt behauptet, weltweit wären 1,3 Milliarden PKW unterwegs, größtenteils älter und umweltschädlicher als die in Deutschland (ist irgendwie wie mit den Atomkraft- und Kohlekraftwerken). In Deutschland sind es gerade 48 Millionen. Also selbst wenn sich alle Deutschen ab morgen in den Zug setzen würden, würde das im globalen Fahrzeugbestand praktisch nicht bemerkt.
Da können wir uns wieder wie im Zoo fühlen: In Deutschland werden nicht mehr saubere Autos gefahren (schmutzige schon gar nicht) und an der Landesgrenze ist man dann in der Moderne. Echt, Schilda fandet Ihr sicher gut!
Ach so, der Effekt auf den Klimawandel wäre so gering, dass auch gute Mathematiker das nicht in Nachkommastellen ausdrücken können.
Das Pflastern und Versiegeln (auch in der gefühlten Klima-Hauptstadt Heidelberg en vogue) könnte man aber trotzdem reduzieren. Macht das Leben in der Stadt angenehmer.
Beim Ihrem Hauptargument haben Sie einen Punkt: Der naive Glaube, wir in D könnten tatsächlich „den Planeten retten“, ruft bei mir auch Kopfschütteln hervor.
Andererseits: Wenn alle so dächten… Die Vorgaben von Paris sollten wir deshalb auf jeden Fall einhalten. Sonst können wir Klimaschutz vergessen.
Nehmen Sie sich mal Bilder von Anfang des 20. Jahrhunderts von Berlin oder Frankfurt. Da sehen Sie nicht weniger Flächenverbrauch. Die Leute sind auch vor 100 Jahren nicht nur den Schlamm gewatet. Der Flächenverbrauch ist auf dem Land, die Autobahnen, die notwendig sind. Nur, weder wurde damit argumentiert noch können sich die Menschen vorstellen, ohne zu leben. Wer doch: Empfehlung, sich das in Australien mal anzusehen.
Bitte korrigieren Sie mich, aber Paris sieht keine Sektorenziele vor. Das ist eine deutsche / europäische Idee. Die sagt aber auch nicht, dass der Individualverkehr abgeschafft werden soll. Also ist das alles Quatsch, was geschrieben wurde. Da interpretieren manche, was ihnen einfach politisch gefällt. Das Ziel ist egal.
Wer glaubt das denn ernsthaft? Nur – wo genau ändern wir denn was, wenn nicht hier? Wir haben keinen Einfluss auf Papua-Neugineas Regenwaldpolitik. Zumindest keinen direkten.
Was ist wichtiger: dass wir in Deutschland sofort unsere Autos stehen lassen (und sie günstig nach Osteuropa verkaufen) oder dass wir mit unserem Know-how (und unserer Mobilität) die Produkte, Dienstleistungen und Ideen produzieren, mit denen Milliarden von Menschen ohne großen CO2-Ausstoß mobil sein können – und sich die Technik leisten können?
Think about. Die Welt hat nichts, rein gar nichts davon, wenn in Deutschland niemand mehr Auto fährt. Folglich ist es eine wenig kluge Empfehlung.
Ich sehe nicht, wo da ein Widerspruch besteht. Die Mobilität muss WELTWEIT vom Individualverkehr weg.
Die Welt sieht das nicht so. Und das ist nicht unwichtig. Unwichtig ist, wie Teile der deutschen Gesellschaft es sehen.
Klar. Und wenn alle anderen dasselbe sagen, wird sich nichts ändern. Das ist ein Trugschluss, in meinen Augen.
Warum „Aber China!“ und „Deutschland alleine kann nicht die Welt retten“ keine guten Argumente sind
4) Die Ehrgeizigen haben keine politische Heimat mehr
Ulf Poschardt ist schon so was wie der Schlagbohrer des Journalismus: ein durchaus nützliches Werkzeug, aber nicht eben subtil. Aber solche auf Krawall gebürsteten Kolumnen sind ja manchmal auch ganz nett.
„… ganz nett“ – warum so herablassend? Was er schreibt, ist nicht nur absolut richtig, sondern auch sehr wichtig. Angesichts der (mir fällt kein besserer Ausdruck ein) linken bzw. „Sozial“staat-geprägten Meinungsmacht sind pointierte, kräftige Aussagen in Richtung „Realität“ auch durchaus angebracht.
Wenn ich sein Leiden über die Orientierungslosigkeit der FDP lese, muss ich laut lachen. Genau wie bei der CDU (wir sprachen darüber im Podcast) hat die FDP nun das exakt gleiche Problem wie SPD seit zwanzig Jahren: in der Verantwortung ist es eben deutlich schwieriger, einfach nur markige Sprüche zu klopfen.
Ich bin an die Decke gegangen, als ich das gelesen habe: Sorry: Was ist für ein gewaltiger Schwachsinn, den Du da verzapfst. Merkels CDU hat 16 Jahre am Drücker gesessen, und ist ihrer „Verantwortung“ nur an einer Stelle nachgekommen („Ehe für alle“, wenn ich großzügig zähle). Die wichtigen und richtigen Punkte hat in der Regel die SPD gestemmt (etwa Steinbrück die Finanzkrise 2009; die wichtigen und falschen Punkte wurden aber auch aus dieser Ecke initiiert). Alles, was je aus dem Merkel-Lager kam, war, markige Sprüche zu klopfen.
Wie an anderen Stellen schon mehrfach geschrieben, tragen etwa 10 % der Einkommenssteuer-Zahler zu 90 % am Aufkommen der Einkommenssteuer bei. Und die wichtigste wirtschaftliche Basis für unseren Wohlstand sind nicht die wenigen von der Politik gepamperten Großunternehmen, sondern die unglaublich vielen (und oft Inhaber- bzw. Familien-geführten) vielfach belasteten Mittelständler. Und wie der Rest der (Fach)welt unsere Steuerlast einschätzt, hat Stefan Pietsch hier ja schon oft genug aufgelistet.
Drauf geschissen – wen interessiert schon, worauf unser Wohlstand kommt, worauf er basiert? 90 % aller Politiker machen sich nur darüber Gedanken, wie man noch mehr Geld ausgeben könnte, und woher man es bekommt; die meisten dieser „Politiker“ haben aber selbst nicht mal im Ansatz die geringste Ahnung, wie man Geld verdient, und wie schwer es ist, sich als Unternehmen gegen zahlreiche Konkurrenten zu behaupten, Arbeitsplätze auf der einen Seite zu sichern, auf der anderen Seite genügend Personal zu bekommen, sich ständig auf die sich laufend ändernden Vorschriften einzurichten etc.?
Es ist offenbar auch als Autor recht einfach, ein paar markige Sprüche zu klopfen …
Mach Dich selbstständig, gründe ein Unternehmen; finde Mitarbeiter und sorge dafür, dass die auch dann arbeiten, wenn Du mal nicht da bist; finde Kunden, verkauf denen was, stell sicher, dass die verkauften Waren in der versprochenen Qualität zur versprochenen Zeit zur Verfügung stehen; bezahle Mitarbeiter:innen und Material im voraus – ich bin mir sicher, dass Dich jede Bank freudig begrüßen wird und Dir die erforderlichen Kredite gewährt, ohne Dein Privatvermögen in Haftung zu nehmen.
Kümmere Dich um die Einhaltung aller Vorschriften (Du hältst die Rübe hin, wenn einer Deiner Mitarbeiter Scheiße baut), bezahle Institutionen wie die IHK, zahle Den Arbeitgeber-Anteil an den Beiträgen für die Sozialkassen, ärgere Dich über Deine Kolleg:innen (von denen ein Gutteil nicht bis 3 zählen können wird), sorge dafür, dass Dir der Betriebsrat nicht die Führung aus der Hand nimmt; freue Dich über jede Kollegin, die ausfällt, weil sie schwanger wird; wir brauchen Nachwuchs; und jemanden zu finden, der mit voller Kraft als Ersatz einsteigt und nach einem oder zwei Jahren verzichtet, um den Arbeitsplatz wieder zurückzugeben, ist sicherlich leicht zu finden. Und nicht vergessen: Wenn ein Arbeitnehmender (?) keinen Bock zum Arbeiten hat, sich nicht an Vorschriften hält, unpünktlich kommt etc., ist das Deine Schuld, denn Deine Aufgabe ist auch, die oder den zu Motivieren.
(Ich weiß ein wenig, wovon ich rede; ich habe es zweimal probiert und zweimal nicht geschafft).
Mach das ein paar Jahre, und Du hast Dir das Recht erworben, andere „Sprücheklopfer“ zu nennen.
erboste Grüße
E.G.
Naja, du nennst das „völlig richtig“; ich stehe dem schon entgegen. Ich finde angesichts des Furors, den meine Verlinkung eines Artikels beim Jacobin neulich bei Stefan und Thorsten ausgelöst hat, bin ich schon reichlich tolerant gegenüber dem Ulf.
Die CDU hat vergleichsweise wenig Sprüche geklopft, Merkels Stil war ja eher was Weglabern und in Konsenssoße ertränken. Auch Scheiße, aber eine andere Geschmacksrichtung.
Du bestätigst ja aber implizit meinen Punkt: das ist alles furchtbar anstrengend und kompliziert. Sich hinstellen, Erhardt zitieren und dann zufrieden die Arme verschränken kannst halt als Ulf Poschardt machen, aber nicht als Finanzminister Christian Lindner. Weil da hängen an dem, was du machst, echte Konsequenzen, es gibt zigtausend Regeln und Ansprüche, es gibt Interessengruppen und so weiter. Auf die Pauke hauen und irgendwelche Prinzipien rauströten dagegen ist einfach. Ich meine, die Grünen sehen das doch gerade auch: aus Prinzip gegen Atomkraft ist einfach, wenn man nicht Energieminister ist und in einer Energiekrise.
@ Stefan Sasse 19. September 2022, 14:35
Naja, du nennst das „völlig richtig“; ich stehe dem schon entgegen.
In einem einzigen Punkt bin ich bei Dir: Einen vor 70, 60 Jahren wirkenden Politiker für irgendetwas heute heranzuziehen kann nicht zur Lösung aller Probleme führen. Aber die Sachkritik ist wohl korrekt: Der Anteil der Leute in Politik, Medien, Bildung etc. – kurz: diejenigen, die hauptsächlich die öffentliche Meinung prägen – sinkt.
Ich finde angesichts des Furors, den meine Verlinkung eines Artikels beim Jacobin neulich bei Stefan und Thorsten ausgelöst hat, bin ich schon reichlich tolerant gegenüber dem Ulf.
Oha. Den Jacobin mit der Welt zu vergleichen ist gewagt. Da gebe ich die Frage von Stefan Pietsch nochmal ein: Was wäre dann ein Kommentar von der „Achse des Guten“? Das hielte ich eher für vergleichbar.
Die CDU hat vergleichsweise wenig Sprüche geklopft, Merkels Stil war ja eher was Weglabern und in Konsenssoße ertränken.
„Wir schaffen das“
Du bestätigst ja aber implizit meinen Punkt: das ist alles furchtbar anstrengend und kompliziert. Sich hinstellen, Erhardt zitieren und dann zufrieden die Arme verschränken kannst halt als Ulf Poschardt machen, aber nicht als Finanzminister Christian Lindner.
Das war nicht Dein Punkt. Du hast gesagt, dass die FDP markige Sprüche rauskloppt. Und da muss ich Dir leider sagen, dass Du vom Kerngeschäft liberaler Politik, der Wirtschaft, so weit entfernt bist, dass Dir solch ein Urteil nicht zusteht.
Auf die Pauke hauen und irgendwelche Prinzipien rauströten dagegen ist einfach.
Habe ich bei Dir gesehen …
Welcher Leute…? Fehlt da irgendwas? Bin verwirrt.
Ich vergleiche nicht die Welt damit. Ulf Poschardt ist aber jetzt nicht eben ein feinsinniger Denker, er ist harter Polemiker. Wie gesagt, so was braucht es durchaus auch. Aber man sollte das nicht schöner reden, als es ist. Ich kenne den Jacobin nicht intensiv, weil ich ihn normalerweise nicht lese. Ich hatte nur den einen Artikel verlinkt. Wenn du zufällig irgendwas nicht-extremistisches von der Achse des Guten hast, von mir aus. Ich will das aber nicht gleichsetzen (schon allein, weil ich wesentlich mehr Welt als Jacobin lese). Ich wollte eher darauf hinaus, dass ich deinen Angriff ungerechtfertigt finde. Jedes Mal wenn ich Christian Stöcker oder Margarete Stokowski verlinke, ergeht sich Stefan in Invektiven, ohne dass das je deinen Einspruch hervorgerufen hätte. Aber wenn ich Poschardt nur „nett“ finde, ist das despektierlich? Sorry, aber das kann ich so nicht akzeptieren.
„Das Internet ist für uns alle Neuland.“ Es mangelt nicht an Zitaten. 🙂
In der Opposition klopft JEDER markige Sprüche. Das ist doch ein Kernzeichen der Opposition. Ich weiß nicht, warum das so ein Problem ist. Mir ging es darum zu zeigen, dass diese „Enttäuschung“ einem mangelnden Realitätssinn über die Zwänge realer Regierungspolitik geschuldet ist. Und den hatten die Linken gegenüber der SPD ja auch 20 Jahre lang, warum sollte die FDP da immun sein? Das erschließt sich mir nicht.
@ Stefan Sasse 19. September 2022, 14:35
Nachtrag:
Du bestätigst ja aber implizit meinen Punkt: das ist alles furchtbar anstrengend und kompliziert.
Verglichen mit der aufwendigen und komplizierten Aufgabe, Unternehmen zu gründen, zu führen und im Markt zu halten, sollte es recht einfach sein, ihnen von Staats wegen den Rücken freizuhalten.
Dass das geht, zeigt der Umgang von Union und SPD mit Großunternehmen. Kleine und mittlere Unternehmen oder Selbstständige kriegen aber ständig regelrecht „auf die Fresse“.
Diese Kritik teile ich völlig.
1) Der Fortschritt und seine Feinde
Sascha Lobo kritisiert zu Recht. Typisch deutsch: Aus Angst, etwas falsch zu machen, macht man zu viel und damit alles falsch.
Einen Aspekt, den Lobo nebenbei erwähnt, würde ich gerne weiter hervorheben: dass nicht die tatsächlichen Datenschutzregeln an sich so problematisch sind, …
Doch, sind sie.
… sondern das vage Gefühl, möglicherweise gegen den Datenschutz zu verstoßen, weswegen man lieber mal nichts macht.
Zustimmung.
In den Schulen zeigt sich das in der ewigen Microsoft-Kontroverse. Der Softwaregigant bietet mit TEAMS und OneNote eigentlich direkt auf schulische Nutzung maßgeschneiderte Lösungen an. Aber aus Datenschutzgründen wurde den Schulen von den Kultusministerien verboten, diese zu nutzen. Stattdessen entwickelte man eigene Lösungen. Die waren teuer, sind untereinander inkompatibel und funktionieren häufig genug schlechter.
…
So haben die meisten Lehrkräfte keine Dienstgeräte (oder unzureichende, siehe letztes Vermischtes), aber aus Datenschutzgründen dürfen etwa Schüler*innenlisten nicht auf Privatrechnern geführt werden. Im Alltag nicht gegen diese Regeln zu verstoßen ist praktisch unmöglich.
Ja, diese Regeln sind eine Katastrophe. Die dahinter stehende typisch deutsche „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“-Mentalität ist unglaublich schädlich, nicht nur hier.
(@ Citizen: Es geht uns zu gut, wenn wir uns das noch leisten können 🙂 )
5) Langzeitstudie: Hartz-IV-Sanktionen verfehlen ihr Ziel
Die Sanktionen im Hartz-IV-System bringen nicht mehr Menschen wieder in Arbeit, sondern belasten die Langzeitarbeitslosen zusätzlich.
…
Die Menschen fühlen sich der Untersuchung zufolge zusätzlich stigmatisiert statt motiviert, ihre Arbeitssuche zu verstärken.
…
Für die dreijährige empirische Untersuchung wurden zwischen 2019 und 2022 rund 600 Personen mehrfach befragt, die dauerhaft oder zeitweilig Hartz-IV-Leistungen bezogen.
Ich verstehe Dich hier richtig? Langzeit-Arbeitslose werden aufgefordert, sich stärker um einen Job zu bemühen, tun das nicht, und werden aufgrund dessen mit Sanktionen belegt. Dann fragt man sie, wie sie sich dabei fühlen? Die Antwort lautet erwartungsgemäß „scheiße“? Und dafür braucht man eine Studie?
Was hast Du erwartet? Dass alle sagen „ja, meine Schuld, ich werde mich in Zukunft fleißiger bemühen“? Au weia.
Es gibt ein paar Sachen, an die Menschen sich unglaublich schnell gewöhnen und als normalen Standard akzeptieren: Gesundheit. Mehr Geld. Weniger Arbeit. Höhere Bequemlichkeit. Das ist menschlich, aber wenn jeder dem nachgibt, funktioniert unsere Gesellschaft nicht.
Wie ich „Die Lust zu strafen“ beschrieben habe, …
Wie ich geschrieben habe, ging ein Großteil des Artikels von falschen Voraussetzungen aus, und schmiss vieles zusammen, was nicht zusammen gehört.
…erfüllen die Sanktionen keine sinnvolle Policy-Funktion. Sie erfüllen – oder erfüllten – aber eine vitale Politics-Funktion, indem sie den „Leistungsträgern“ (bewusst in Anführungszeichen und ungegendert) die Möglichkeit geben, ihren Frieden mit den Sozialbeiträgen zu machen: die ungeliebten „faulen Arbeitslosen“ (immer die nebulösen Anderen oder der blöde Nachbar von Tante Elfriede) werden in die Pflicht genommen und bestraft, wenn sie nicht spuren.
Auch hier fast durchgängig populistischer Trash-Talk.
Zustimmung zur Funktion als Politics-Funktion. Aber „wenn Du von Leistungsträgern“ (bewusst in Anführungszeichen und ungegendert sprichst, solltest Du Dich mal mit meiner Frau unterhalten; die vertritt in vielem (angefangen bei der Forderung nach der Todesstrafe für Kinderschänder) durchgängig festere Forderungen als ich; ist nicht nur ein Männer-Ding (das anzunehmen ist sexistisch 🙂 ).
Auch der hier polemisch eingesetzte Begriff „Leistungsträger“ ist falsch, denn fast jeder Mensch, der sein Geld mit Arbeit verdient, hat ein gewisses Problem damit, dass man ihm nicht gerade wenig Geld dafür abnimmt, um die zu versorgen, die nicht arbeiten (wollen oder können). Lass die Anführungszeichen weg, nimm statt „Leistungsträger“ zutreffenderweise „die meisten Arbeitnehmer:innen“, und es passt.
9) Dem Verbrenner bleiben eigentlich nur noch zwei Jahre
Wenn Deutschland seine Klimaziele erreichen will, müssen die Verbrenner von der Straße. Wenn sich die Erde um höchstens eineinhalb Grad erhitzen soll – wie es das Abkommen von Paris vorsieht, das Deutschland unterschrieben hat –, dürften zudem schon in etwas mehr als zwei Jahren keine neuen Pkw mit Benzin- oder Dieselmotor zugelassen werden.
Was wir brauchen, und was wir können, sind allzu oft zwei unterschiedliche Dinge.
Was mich so wahnsinnig stört ist, dass gerade angesichts dieser Tatsache – dass wir das Ziel schon gar nicht mehr erfüllen können, selbst wenn wir wollten – nicht irgendein Sinn von Dringlichkeit herrscht.
Ist wohl kein FDP-Problem.
10) Ich bin ein Grüner
Es gibt genug, was mich an den Grünen nervt – mein Hauptproblem ist diese Neigung zu anthroposophischem Quatsch, neben der in meinen Augen irrationalen Ablehnung von Gentechnik – und was mich davon abhält, mich mit der Partei zu identifizieren. Aber von allen Bundestagsparteien liegen sie am richtigsten, was die Russlandpolitik angeht. Und die Notwendigkeit, gegen die Klimakrise zu handeln, sowieso. Ich habe an dieser Stelle ja schon öfter darüber geschrieben wie faszinierend es ist, dass mittlerweile ausgerechnet die Grünen die Transatlantiker sind, sogar mehr als die CDU (wobei die noch mehr institutionelle Verbindungen haben). Ist schon krass.
Diesem Blickwinkel kann ich mich anschließen
a) 75% der Deutschen wollen Reiche stärker besteuern. Nach Stefan Pietschs Logik müsste das ja nun sofort geschehen, denn der Wille der Mehrheit muss ja alles leiten. Vermutlich gilt das aber wie üblich nur dann, wenn er sich mit den eigenen Vorstellungen deckt.
Lass doch das Dummsabbeln. Das geschieht doch schon seit vielen Jahren.
d) Geschichte der Gegenwart hat einen guten Artikel zu der Rolle, die „Gender“ (als politischer Kampfbegriff) für Putin und die russische Gesellschaft sowie den Rechtspopulismus generell spielt.
Bin schon gespannt, wann der große Bericht darüber kommt, wie Gendern von links instrumentalisiert wird.
h) Sehr, sehr guter Thread zu dem linken Einschlag der ÖRR von einem Konservativen.
Ich verstehe, dass Dir das gut gefällt. Aber warum erstarkt denn die konservative Seite? Und wenn mit /seit dem Erstarken konservativer bis rechtspopulistischer Medien die „Mitte-links“-Ausrichtung des ÖRR als Ausgleich gesehen wird, was war sie dann zuvor?
Wie beim Aufkommen der AfD, dass ich in erster Linie als Versagen der bisherigen konservativen Parteien CDU und CSU (durch ihre Übernahme „linker“ Themen und Ausgrenzung konservativer Kräfte) wahrnehme, ist auch das Erstarken rechter und rechtspopulistischer Medien bzw. das Nach-rechts-Rücken von Mitte-rechts-Medien eine Ausgleichsbewegung zum Versagen des ÖRR.
i) „Niemand konnte die Gaskrise kommen sehen“
Ja, nee. Is‘ klar …
1) Klar, die Regeln sind auch blöd. Hätte „nicht das zentrale“ oder „nicht das einzige“ schreiben sollen.
5) Ich habe den Begriff deswegen in Anführungszeichen, weil ich damit seine Verwendung als Zitat kennzeichnen wollte. Ich finde den Begriff generell völlig daneben.
h) Ja, aber ich halte das weniger für ein Problem dieses Einschlags. Was Püttmann ja auch schreibt ist, wie viele Alternativen es gibt.
Langzeit-Arbeitslose werden aufgefordert, sich stärker um einen Job zu bemühen, tun das nicht, und werden aufgrund dessen mit Sanktionen belegt. Dann fragt man sie, wie sie sich dabei fühlen? Die Antwort lautet erwartungsgemäß „scheiße“?
Das Problem mit den Sanktionen war ja schon immer, dass es da meist gar nicht um konkrete Jobaufnahmen ging, sondern um kleineren Kram. Ist jetzt eh obsolet, weil sowohl Verfassungsgericht als auch die Politik schneller waren (muss man erstmal schaffen^^)
Insgesamt krankt es halt daran, dass mit Hartz IV die Leute zusammengeworfen hat, die „nur“ arbeitslos sind und diejenigen, die mit ihrem Leben nicht klarkommen, was auch (aber eher nebensächlich) zur Joblosigkeit führt. Das ist hervorragend, weil das ganze Instrument an Hilfen zur Verfügung steht, aber auch problematisch, weil diese Gruppe schwerlich gleich zu behandeln ist.
Ich denke, mit der Neugestaltung des Bürgergelds hat man da jetzt schon mal an einigen wichtigen Stellschrauben gedreht und zwar interessanterweise für beide Gruppen. Diejenigen, die nur Pech hatten (was ja übrigens auch oft Selbständige trifft, die dann auch ihren bisherigen Lebensstandard nicht auf die Schnelle auf HartzIV-Niveau ziehen können) als auch Leute, die eher Lebenshilfe statt Jobvermittlung brauchen. Und wir sind uns vermutlich einig, dass denen mit Sanktionen bis zu 100% nun wahrlich nicht geholfen ist. Dazu braucht es eigentlich auch keine große Studie^^
Das finde ich eine wichtige Dichothomie. Sehr guter Punkt. Und der Punkt ist eben: die Lust die Leute für ihr Versagen, mit dem eigenen Leben klarzukommen, zu bestrafen, ist kontraproduktiv. Wenngleich ein nachvollziehbarer Instinkt.
@ Ariane 20. September 2022, 13:11
Insgesamt krankt es halt daran, dass mit Hartz IV die Leute zusammengeworfen hat, die „nur“ arbeitslos sind und diejenigen, die mit ihrem Leben nicht klarkommen, was auch (aber eher nebensächlich) zur Joblosigkeit führt.
Das ist so falsch – nicht jeder Arbeitslose wird sofort in den gleichen Topf geworfen (ich spreche da durchaus aus eigener Erfahrung).
Die Situation war halt, dass viele, die einen gut bezahlten Job verloren, sich solange versorgen lassen wollten, bis ein gleichwertiger Job wieder zur Verfügung steht; als dafür „verantwortlich“ wurde das Amt angesehen. Das kann aber nur unterstützen, keine Lösungen garantieren.
Also sollte der Fokus (was ich begrüße) etwas stärker auf Eigeninitiative gelegt werden: „Du kriegst für einen bestimmten Zeitraum Geld, aber suche aktiv mit“.
Die Änderungen durch die Hartz-IV-Regelungen haben die Sozialausgaben eher nach oben getrieben als reduziert, aber eben auch mehr Leute (u.a. mich) dahin gebracht, im Zweifelsfalle lieber einen etwas schlechter bezahlten Job anzunehmen, als der Gesellschaft über die Maßen lange auf der Tasche zu liegen.
Das ist hervorragend, weil das ganze Instrument an Hilfen zur Verfügung steht, aber auch problematisch, weil diese Gruppe schwerlich gleich zu behandeln ist.
Wie gesagt: gilt nicht gleich, aber grundsätzliche Zustimmung!
Und wir sind uns vermutlich einig, dass denen mit Sanktionen bis zu 100% nun wahrlich nicht geholfen ist.
Ja, keine Einwände. Wir sind uns aber auch hoffentlich einig, dass Regeln ohne Sanktionen bei Regelverstoß keinen Sinn machen. 🙂
Dazu braucht es eigentlich auch keine große Studie^^
Um zu wissen, wie es sich anfühlt, etwas weggenommen zu bekommen, braucht es in der Tat keine Studie. Mich interessieren da eher Themen wie „warum verstößt Du gegen die Vorgaben“. Aber vermutlich wissen Menschen mit Lebenserfahrung auch das ohne Studie …
Kein Widerspruch, nur ein Hinweis: Du warst gut ausgebildet, berufserfahren, jung und gesund.
Soweit Sie Erwin lesen, er war über 50. Kann man als jung bezeichnen.
Wer wegen Krankheit nicht arbeiten kann, gilt als nicht erwerbsfähig.
@ CitizenK 21. September 2022, 12:04
Kein Widerspruch, nur ein Hinweis: Du warst gut ausgebildet, berufserfahren, jung und gesund.
Danke 🙂 . Aber Stefan Pietsch kennt mich ein bisschen besser:
Zu „jung“: Ich habe meinen Angestellten-Job mit 50 verloren, mich anschließend selbstständig gemacht, und mich auf dringlichen Wunsch einer einzelnen Dame (meine Frau ist bei uns Finanzminister) mit 55 wieder in ein Angestelltenverhältnis begeben; ich war gut in der Umsetzung, aber schlecht in der Akquise. Das neue Gehalt lag etwa bei der Hälfte meines vorigen Jobs, dazu musste ich Pendeln (= zweiter Wohnsitz mit entsprechenden Lebenshaltungskosten, und die Woche über getrennt von der Frau), und einen Dienstwagen gab es diesmal auch nicht (= 600 km pro Woche auf eigene Kappe zusätzlich).
Zu „gesund“: Ich habe mir im Alter von 38 Jahren einen Tinnitus im linken Ohr zugezogen, der mir schon arg zusetzt, da meine Sprachverständlichkeit auf meinem linken Ohr Nähe Null liegt; Hörgerät hilft nicht, da die Sprache vom ständigen, lauten Pfeifen überlagert wird). Ist schwierig, sich in Meetings so zu platzieren, dass ich alle verstehe. Ist schwierig, eine Nacht durchzuschlafen.
zu „gut ausgebildet“: Wo Du recht hast, … 🙂
Jetzt bin ich 64,5 Jahre alt, und hätte (gäbe es da nicht diesen kleinen Berechnungsfehler der Rentenanstalt; bin gespant, wie viele Monate die Korrektur noch braucht) im Mai diesen Jahres nach 45 Ausbildungs- und Arbeitsjahren in Rente gehen können. Wahrscheinlich lege ich noch ein, zwei Jahre drauf …
Wie auch immer: Beschreiben wir die Auswirkungen meines (beruflichen) Lebenswegs so, dass meine Toleranz gegenüber Menschen, die unflexibel bis ablehnend auf Arbeitsmöglichkeiten und -angebote reagieren, nicht besonders stark ausgeprägt ist.
Du bist echt bewundernswert. Nur leider haben nicht viele Deine Motivation.
Derzeit liegt das Renteneintrittsalter bei knapp 66 Jahren (65 Jahre und 11 Monate meine ich).
@ Stefan Pietsch 21. September 2022, 22:07
Derzeit liegt das Renteneintrittsalter bei knapp 66 Jahren (65 Jahre und 11 Monate meine ich).
Für meinen Jahrgang (1958) bei Erreichen des 66. Lebensjahres. Gibt aber immer noch die Möglichkeit, nach 45 sozialversicherten Jahren abschlagsfrei in Rente zu gehen. Die sind bei mir eigentlich durch.
Ich lehne mich mal aus dem Fenster und prognostiziere, dass deine Generation wesentlich früher in Rente gehen wird als meine. So es das für uns überhaupt noch geben wird.
@ Stefan Sasse 22. September 2022, 15:35
Ich lehne mich mal aus dem Fenster und prognostiziere, dass deine Generation wesentlich früher in Rente gehen wird als meine. So es das für uns überhaupt noch geben wird.
Schaun wir mal; Dein offizielles Rentenalter mag meinem realen Renteneintrittsalter in etwa entsprechen. Was sich nicht ändern wird, ist, dass physisch hart arbeitende Menschen nicht solange durchhalten werden wie wir beide.
Und ja, irgendwann wird es für die nachfolgernden Generationen enger. Wenn es bei Dir soweit sein sollte, erinnere Dich mit Wehmut an Stefan Pietsch und mich; wir waren die, die die Schuldenbremse gefordert haben, um die folgenden Generationen nicht übermäßig zu belasten. 🙂
Ich danke für dein Mitgefühl, aber die Schuldenbremse sehe ich nicht als geeignetes Gegenmittel, wie du weißt 😉
An dieser Stelle kommt immer Mackenroth ins Spiel. Wenn das Geld volkswirtschaftlich sinnvoll inverstiert wurde, haben doch auch die folgenden Generationen was davon?
Warum heißt es eigentlich „Schulden“- und nicht „Kreditbremse“?
Das erste Problem liegt in dem Widerspruch: Staat | Sinnvolle Investitionen. Ich habe das während meines Studiums gesehen: ich studierte mit heruntergekommenen Material. 10-15 Jahre zuvor hatte der Staat viel Geld in die Hand genommen alles zu modernisieren. Auf Kredit. Dann hat man die Tilgung vergessen. Mitte der Achtzigerjahre war der Staat in der Klemme, musste überall kürzen. Weitere Kreditaufnahmen wären eine Dummheit gewesen. Wohin hätte das auch führen sollen?
2008/2009 legte der Bund ein großzügiges Bauprogramm für die öffentliche Infrastruktur auf. Neu musste es halt sein. In meiner Umgebung schossen selbst an wenig befahrenen Kreuzungen die Kreisel wie Pilze aus dem Boden, während die stark befahrenen Zubringer dahinmoderten. Ich bin sicher, es gibt Menschen, die Verkehrskreisel für eine wichtige Errungenschaft halten. Ich gehöre nicht dazu.
@ CitizenK 22. September 2022, 18:57
Vorbemerkung: Ich bin neben Thorsten Haupts wohl der Einzige in unserer Runde, der die Bundeswehr schon vor der Ukraine-Krise nicht nur als notwendiges Übel akzeptiert, sondern als eine wirklich wichtige Institution ansah.
Nun zu Deiner Frage:
Warum heißt es eigentlich „Schulden“- und nicht „Kreditbremse“?
Unser Staat funktioniert so:
Um die Bundeswehr ausrüstungstechnisch auf einen moderneren Stand zu bringen, hat man einen Sonderhaushalt von 100 Milliarden Euro aufgelegt.
• Man hat sich vorher keine Gedanken gemacht, WELCHE Art von Bundeswehr man eigentlich will. Den Politiker:innen, die eine Meinung haben, fehlt die Ahnung; den Politiker:innen, die halbwegs einen Plan bzw. Ahnung haben, fehlt der Einfluss.
• Es gibt keinen Gesamtüberblick über den Zustand, über Stärken und Schwächen der Bundeswehr, sondern nur Teil-Bestandsaufnahmen.
• Man hat vorher nicht analysiert, warum die Bundeswehr in diesem Zustand ist. Die jahrzehntelange Missachtung durch die Politik mag zwar der Hauptgrund bzw. der Auslöser sein, aber die Strukturen im Beschaffungswesen sind auch nicht gerade optimal. Da müsste man aber zuerst ran.
• Man ist auch nicht in der Lage zu sagen, was eigentlich alles fehlt (na gut – „alles außer Umstandsuniformen und Tiernahrung“ mag eine erste Näherung sein). Man hat sich auch noch nicht die Mühe gemacht, das herauszufinden bzw. das Herausfinden zu beauftragen (die unendlich teuren Berater-Teams, die unsere ehemalige Selbstverteidigungsministerin Ursula von der Leyen beauftragt hat, haben sich jedenfalls nicht zielführend darum gekümmert).
Was bleibt: Es stehen 100 Milliarden Euro im Raum. Und egal, wofür und mit welcher Effizienz das Geld ausgegeben wird, egal, wie die Bundeswehr anschließend aussehen wird – ist das Geld weg, wird der jetzt regierende Teil der Politik einen „Erfolg“ verkünden, während links von der (Mitte der) Regierung „zuviel“ und von konservativer Seite nach „mehr“ geschrien wird.
Aber unsere Verbündeten sind happy: Die USA, oder auch Frankreich und Großbritannien wissen, dass ein ordentlicher Happen in ihren Industrien landen wird. Auch unsere Rüstungsindustrie ist happy, und feilt bereits an neuer Preisgestaltung.
Bis Soldaten profitieren, werden aber bestimmt noch 10 Jahre vergehen.
Das gleiche Prinzip gilt für den Wohnungsbau: „Wir“ wollen 400.000 neue Wohnungen bauen (= 100.000 die öffentliche Hand, die kein Geld hat; 300.000 durch private Investoren, die durch vielerlei Vorschriften und zunehmend widrige Umstände getriezt werden).
Solange das Geld immer in den Schnabel gesteckt wird, der am weitesten aufgerissen wird, sind es eben in erster Linie nur weitere Schulden und keine Kredite für Investitionen.
Diese Kritik kann ich völlig nachvollziehen, und bei der kommen wir auf der Suche nach konstruktiven Lösungen auch zusammen. Aber das ist ja genau nicht der Schuldenbremsenfundamentalismus.
Nein, bist Du nicht. Ich war immer vom Sinn der Bundeswehr überzeugt. Schon mit 19.
Das Sondervermögen ist das klassische Beispiel, wie der Staat regelmäßige Ausgaben über regelmäßige Kreditaufnahme finanziert. Am 24. Februar 2022 hat sich die Bundesregierung verpflichtet, ab sofort das NATO-Ziel von 2% einzuhalten. Doch wie die weiteren Interviews an dem Tag mit der Bundesverteidigungsministerin wie dem Bundesfinanzminister zeigte, soll die Differenz zwischen den heutigen Ausgaben von 1,3% und der Zielmarke nicht durch allgemeine Haushaltsmittel, sondern durch eben dieses Sondervermögen gedeckt werden.
Das ist so als würden wir verkünden, ab sofort die Renten um 20% zu erhöhen, die dafür notwendigen Mittel aber durch ein Sondervermögen Altersvorsorge in Höhe von 300 Milliarden Euro aufzubringen.
@ Stefan Pietsch 23. September 2022, 10:40
Nein, bist Du nicht. Ich war immer vom Sinn der Bundeswehr überzeugt. Schon mit 19.
Dann sind wir eben 3 🙂
Das verstehe ich jetzt. Respekt. Das hätten nicht viele so gepackt. Meine Ignoranz (?) tut mir leid. Sorry. Muss nachdenken.
Das ist eine Ihrer sympathischsten Züge. Eine kleine Verneigung.
Danke. Gehört sich auch so.
@ CitizenK 21. September 2022, 23:42
Das verstehe ich jetzt. Respekt. Das hätten nicht viele so gepackt. Meine Ignoranz (?) tut mir leid. Sorry. Muss nachdenken.
Alles gut. Wenn mir mir mal der Schwung fehlte, hat meine Frau nachgeholfen. Sie kann recht energisch und sehr überzeugend sein 🙂
Wir hatten auch schon was aufgebaut im Leben, dass wir verloren hätten; auch eine Motivation. Und ich bin jetzt in einem Unternehmen, dass das mit Abstand beste Betriebsklima hat, das mir je untergekommen ist.
Dann habe ich drei Brüder, die Krebs hatten; einer starb dran. Und sollte mir mal Ariane über den Weg laufen, kann ich mir einbilden, dass sie mir hinterherpfeift 🙂
Der Spielraum nach unten ist halt immer viel größer als nach oben, und uns geht’s gut.
Verständlich.
@ Ariane 20. September 2022, 13:11
Nachtrag / Klarstellung:
Insgesamt krankt es halt daran, dass mit Hartz IV die Leute zusammengeworfen hat, die „nur“ arbeitslos sind und diejenigen, die mit ihrem Leben nicht klarkommen, was auch (aber eher nebensächlich) zur Joblosigkeit führt.
[Das ist so falsch – … ]
Gemeint war nicht: „Du liegst meilenweit daneben“, sondern „das ist, so wie Du es formuliert hast, nicht ganz richtig, aber ich verstehe den Punkt“.
es grüßt
E.G.
Und sollte mir mal Ariane über den Weg laufen, kann ich mir einbilden, dass sie mir hinterherpfeif
Definitiv natürlich 🙂
Respekt vor deiner Leistung. Bei mir war es allerdings zb andersherum, ich bin mit Anfang 20 in eine so krasse Lebenskrise reingerauscht, dass ich auch kurz in dem HartzIV-System war und hätte mir damals jemand gesagt, dass ich auf 100% sanktioniert werde, wenn ich nicht für 5,11€ an der Kasse sitzen kann, hätte es halt keinen Unterschied gemacht, außer dass ich zusätzlich noch verhungere.
Hat keiner, weil entgegen der Vorurteile nicht nur Gruselleute in Behörden sitzen und das Jobproblem hat sich eh von selbst gelöst. Aber insofern denke ich, dass die jetzige Reform gute Ansätze hat, um der Masse an unterschiedlichen Problemen Herr zu werden.
Deswegen ist es auch gut, dass das ganze jetzt mal auf „good faith“ umgestellt wurde, denn – das ist ja die Paradoxie der Welt – diejenigen, für die die Regeln erdacht wurden, trifft man oft ja eh nicht. Die haben die Kapazitäten, um sich dem zu entziehen. Ärgerlich, aber die Ressourcen sind woanders besser eingesetzt.
Meine beschränkten Erfahrungen mit dem System bestätigen das. Ziemlich groteske Ressourcenverschwendung wegen völlig inflexibler Regelungen.
@ Ariane 22. September 2022, 13:49
Bei mir war es allerdings zb andersherum, ich bin mit Anfang 20 in eine so krasse Lebenskrise reingerauscht, dass ich auch kurz in dem HartzIV-System war und hätte mir damals jemand gesagt, dass ich auf 100% sanktioniert werde, wenn ich nicht für 5,11€ an der Kasse sitzen kann, hätte es halt keinen Unterschied gemacht, außer dass ich zusätzlich noch verhungere.
Nun ja, auch krass.
Ich mache natürlich zwischen arbeitsunfähig und arbeitsunwillig einen Unterschied; zwischen rausschmiss und Selbstständigkeit hatte ich auch 12 Monate eine Phase von Schwermut; mir gingen die inneren Farben aus. War nicht schön.
Es widerspricht halt nur meiner Erfahrung, dass so viele wollen und könnten, aber nicht genommen werden. Genauso, wie sich jemand, der im Berufsleben steht, ständig weiterbilden muss, müsste das beispielsweise auch jemand, der lange Zeit arbeitslos ist. Soll niemand glauben, dass man nach zwei, vier oder acht Jahren aus dem Rennen wieder ganz vorne mitmischen kann.
Aber bei den Leuten, die ich kennengelernt habe, war das selten der Fall. Und selbst wenn mal einer vor Dir sitzt und sich bewirbt, merkt man doch oft und schnell, ob der will oder nicht. Wenn er nicht wirklich will, muss man sich nach der Probezeit trennen und hat 6 Monate verloren, ohne sein Problem lösen zu können. Da sagt man besser gleich ab.
Was gelegentlich gerne vergessen wird: Der Arbeitgeber stellt niemanden ein, nur um den zufrieden zu stellen, sondern in erster Linie, um ein eigenes Problem zu lösen. Die Frage „was kann der Arbeitgeber für mich tun“ ist erst dann zielführend, wenn man die entsprechende Frage des Arbeitgebers zufriedenstellend beantwortet hat.
Ich mache natürlich zwischen arbeitsunfähig und arbeitsunwillig einen Unterschied
Klar, nur behördlich ist das natürlich nicht so einfach, weil irgendwer das dann erstmal amtlich feststellen müsste und dann gibt es noch Abstufungen zwischen total hinüber, nur ein bisschen oder nur bestimmte Tätigkeiten oder nur zeitweise usw.
Es widerspricht halt nur meiner Erfahrung, dass so viele wollen und könnten, aber nicht genommen werden.
Man muss sich meines Erachtens schon vor Augen führen, dass in diesem HartzIV-System viele Menschen drin sind, die man nicht von heute auf morgen in einen x-beliebigen Job vermitteln kann. Ich begrüße diese Zusammenführung durchaus, weil es ja ganz gut ist, den Leuten nicht wie früher nur Geld zu geben, sondern ihnen auch Hilfen an die Hand zu geben. Das ist übrigens teurer und aufwendiger als die nur wegzuverwalten und auf dem normalen Arbeitsmarkt sind die dann immer noch nicht. Aber die Ressourcen sind da vermutlich besser eingesetzt als die Leute mit Sanktionen wuschig zu machen. Was sich nach dem Verfassungsurteil in der Form eh erledigt hat, weswegen ich die anderen Änderungen beim Bürgergeld eigentlich interessanter finde (und ich meine die 30%-Sanktionen bleiben auch drin)
@ Ariane 23. September 2022, 08:38
Klar, nur behördlich ist das natürlich nicht so einfach, weil irgendwer das dann erstmal amtlich feststellen müsste …
Ja, ich weiß, was Du meinst …
… und dann gibt es noch Abstufungen zwischen total hinüber, nur ein bisschen oder nur bestimmte Tätigkeiten oder nur zeitweise usw.
Zustimmung. Aber wer „nur“ teilhinüber ist (ist nicht zynisch gemeint, war ich auch ein gutes Jahr lang), sollte dann mit dem „noch nicht hinüber“-Teil etwas anfangen.
Es widerspricht halt nur meiner Erfahrung, dass so viele wollen und könnten, aber nicht genommen werden.
Sage ich ja; der Wille ist oft nicht so ausgeprägt, dass man sich selber Opfer auferlegt (jeden Morgen um sechs aufstehen, damit man um halb acht im Geschäft sein kann, ist beispielsweise ein Opfer, dass viele Beschäftigte bringen). Auch die (Weiter-)Bildung wird in der Regel auch vernachlässigt.
Nicht, dass ich so viele Langzeitarbeitslose persönlich und intensiv kenne – bei denjenigen, die sich schwertaten, wieder in einen Job zu kommen, war früh aufstehen bzw. Bequemlichkeit das Hauptproblem, gefolgt von mangelnder Flexibilität.
Man muss sich meines Erachtens schon vor Augen führen, dass in diesem HartzIV-System viele Menschen drin sind, die man nicht von heute auf morgen in einen x-beliebigen Job vermitteln kann. Ich begrüße diese Zusammenführung durchaus, weil es ja ganz gut ist, den Leuten nicht wie früher nur Geld zu geben, sondern ihnen auch Hilfen an die Hand zu geben. Das ist übrigens teurer und aufwendiger als die nur wegzuverwalten, und auf dem normalen Arbeitsmarkt sind die dann immer noch nicht.
Zustimmung!
Aber die Ressourcen sind da vermutlich besser eingesetzt als die Leute mit Sanktionen wuschig zu machen.
Wie gesagt: Regeln ohne Sanktionen bei Verstoß machen keinen Sinn. Wie würden Leute fahren, parken etc., wenn es keine Knöllchen gäbe?
Ich verstehe halbwegs den Ansatz von Bürgergeld, bin aber nicht wirklich tief im Thema. Grundsätzlich fehlt mir aber inzwischen das Vertrauen in die Politik, zu irgendeinem (sozialen) Thema eine gute Lösung auf die Beine zu stellen. Vermutlich fehlt mir hier der passende Mind-set. 🙂
es grüßt
E.G.
Im Augenblick wird praktisch jeder genommen, der den Finger hebt. Selbst eine Edelboutique wie die, wo ich derzeit arbeite, kann sich es nicht mehr leisten, so wählerisch wie vor 10 Jahren zu sein. Und jeder, der professionell mit der Einstellung von Menschen zu tun hat, sagt: wer nur will, bekommt heute sofort einen Job. Wer also keinen hat, will nicht.
Ihr tut so als würden Kranke als erwerbsfähig gezählt und bei der Agentur vorgeladen. Das ist nicht so und entspricht auch nicht der Rechtslage.
Und beschäftigt Euch doch bitte mit den Fakten: Das Gros der als erwerbsfähig gezählten Hartz-IV-Empfänger (nur ein geringer Teil fällt hierunter) hat seit vielen Jahren (<10 Jahre) oder noch nie gearbeitet. Wer noch nie gearbeitet hat, ist kaum von der Arbeit hinüber.
Fraglos ist der Qualifikationsgrad der meisten Hartz-IV-Empfänger weit unter dem Durchschnitt der sonstigen Erwerbspersonen. Aber Koffer umschichten, Geschirr abräumen, putzen stellt keine hohen Qualifikationsanforderungen an den Beschäftigten – sondern nur guten Willen.
Das sind die Fakten, woran ihr zielgerichtet vorbeidiskutiert. Und wohl kaum, weil ihr sie nicht kennt.
Na dann ist ja gut, dass der Experte für Langzeitarbeitslosigkeit nun eingetroffen ist und wir direkt bei „die sind nur alle zu faul“ gelandet sind.
Wie wird denn wohl die Erwerbsfähigkeit festgestellt? Da tritt erstmal die Rentenversicherung in Aktion mit Gutachten, Amtsärzten, pipapo. Das kann schon locker mal ein Jahr dauern und am Ende hat man vielleicht eine Teilweise Erwerbsfähigkeit, aber nur 2 Stunden und bitte sitzend.
Und wie Erwin richtig anmerkte, haben auch Arbeitgeber ein zu lösendes Problem und damit ist ihnen oftmals nicht geholfen. Koffer umschichten und putzen sind nämlich körperliche Tätigkeiten. Da täten selbst wir Pseudointellektuellen uns vermutlich erstmal schwer, nur könnten wir uns eben durchbeißen wenn wir kein ernsthaftes körperliches Leiden hätten, mit drei Bandscheibenvorfällen geht das vermutlich auch nicht mehr.
Das ist kein Rechenspiel, bei dem man einfach offene Stellen und Arbeitslose nebeneinander stellt und am Ende hat man zwei gelöste Probleme. Leider.
Jepp, diese arrogante Haltung finde ich auch immer wieder befremdlich.
Zwischenfrage: warum soll Deutschland Flughafenarbeiter aus der Türkei holen?
Höh?
Bist Du also gegen die Idee von Hubertus Heil, Flughafenarbeiter aus der Türkei zu importieren? Auch die Grünen fanden das eine gute Idee.
Ich habe davon bisher nicht gehört, hab keine Ahnung worum es geht und daher keine Meinung.
Das war das sSommerthema zur Lösung unserer Flughafenprobleme.
Na dann 😀 Bin ich ja froh, dass ich mich nicht damit beschäftigt habe.
Ein ärztliches Attest über die längerfristige Krankheitsbescheinigung reicht.
Ihr redet wie gehabt an dem eigentlichen Problem vorbei. Da lässt sich Absicht hinter vermuten. Erstens: Der Anteil nicht so fleißiger Menschen verteilt sich nicht zwingend nach Einkommen. Und er liegt nicht im einstelligen Bereich. Eine aktuelle Befragung von Langzeitarbeitslosen (!) hat ergeben, dass 42% meinen, der Bezug träfe die Falschen. Mit anderen Worten: Leute, die arbeiten könnten. Das würde ungefähr mit dem Anteil der „Faulen“ in der Gesellschaft korrespondieren.
Vor allem aber: die meisten erwerbsfähigen Hartz-IV-Bezieher leben in Bedarfsgemeinschaften mit mehr als zwei Personen. Zu deutsch: die meisten haben Kinder. Bei 2 Kindern im Präpubertären Alter liegt der Bedarf bei über 2.600€. Um auf diesen Nettobetrag zu kommen, müsste jemand einen Bruttolohn von 3.500 Euro beziehen.
Ich wiederhole: damit jemand mit Frau und 2 Kindern mit Erwerbsarbeit auf das Einkommen kommt, das Hartz-IV-Empfänger erhalten, muss er ein gutes durchschnittliches Einkommen beziehen. Und dafür muss man 40 Stunden die Woche arbeiten, früh aufstehen und manches böse Wort ertragen.
Wer macht so etwas? Masochisten. Ich sehe Hartz-IV-Empfänger nicht als Masochisten. Du hoffentlich auch nicht. Jemand mit geringer Qualifikation hat also praktisch keine Chance, mit regulärer Arbeit das zu bekommen, was er vom Jobcenter überwiesen bekommt. Es ist daher völlig ökonomisch, wenn die Millionen Geringqualifizierte nicht arbeiten. Für Dich anscheinend nicht, sonst würdest Du nicht so protestieren.
Und das ist der Punkt, wo Ihr – Stefan, Du, CitizenK – so gerne darüber schweigt. Und zur Ehrlichkeit gehört: Für Erwin war die lange Suche nach einer späten Beschäftigung nur deswegen noch überlegenswert, weil er ein deutlich überdurchschnittliches Gehalt bezieht. Neben seiner guten Einstellung.
In der gesamten EU begeht niemand so Torheiten wie wir Deutschen. Der Bezug von Langzeitzahlungen ist entweder niedriger oder der soziale Druck enorm. Wir sagen, lass die Leute mal, wird schon seinen Grund haben, warum sie Bürgergeld beziehen wollen.
Ökonomen wissen seit Jahrzehnten: die Transfereinkommen sind zu hoch und der Übergang aufgrund sehr hoher Abgabenbelastung (Eingangssteuersatz: 14%!) und Sozialabgaben (20%) bei gleichzeitigem Transferentzug viel zu hoch. Da kommen fiktive Steuersätze von über 90% zustande. Wer arbeitet unter solchen Bedingungen.
Mein Vorwurf: Ihr habt keine Lust über solche Themen zu sprechen. Lieber haltet Ihr Euch mit Wohlfühllyrik auf und Rücküberweisung von persönlichen Vorwürfen ala Faulheit. Problemlösungskompetenz kommt da für mich nicht zum Ausdruck.
Wie alt mag wohl jemand sein, der noch nie gearbeitet hat? 30? 35? Oder jemand, der 10 Jahre und mehr keinen Job gefunden hat? 35? 45? Der war bei Jobverlust jedenfalls nicht in der Nähe der Rente. Ihr erzählt Märchen. Das ist aber keine politische Diskussion.
… mit drei Bandscheibenvorfällen geht das vermutlich auch nicht mehr …
Ja. Nur geht/ging es bei der Mehrheit von Langzeitarbeitslosen nicht um die Arbeitsunfähigen.
Du wie Stefan S und andere – Ihr drückt Euch sichtbar (und schon länger) um eine Antwort auf eine sehr einfache Frage: Warum sollen mit Steuern und Sozialabgaben arbeitsfähige Menschen unterstützt werden, die schlicht nicht arbeiten wollen?
Da kommen leider ausschliesslich Ausweichargumente, die mit der Realität wenig zu tun haben. Geht Ihr auf das Hauptargument von Stefan P, Erwin und mir noch ein? Oder wollt Ihr Euch weiter drücken?
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich will nicht Leute unterstützen, die nicht arbeiten wollen. Das ist der Punkt, an dem ihr uns missversteht (würde ich Stefan imitieren wollen: absichtlich). Wir wollen Menschen unterstützen, die eine vernünftige Arbeit machen wollen. Ich hab null Interesse daran, komplette Arbeitsverweiger*innen zu unterstützen. Aber wenn man Leute wie seinerzeit in den 2000er Jahren für 4€ Stundenlohn und Aufstocken zu arbeiten, da stelle ich einfach die Gegenfrage: warum subventioniert der Staat Niedriglöhne? Und ich weiß, wir hatten die Debatte bereits, aber da hab ich die andere Ansicht.
Heutzutage ist das Problem nicht mehr so groß, weil wir endlich einen Mindestlohn haben. Entsprechend sehe ich die meisten Jobs auch als völlig problemlos zumutbar an. Aber diese Anfangskonstruktion ging halt nicht.
Bitte im Kalender nachschauen, wir haben das Jahr 2022. Und auch 2000 waren das sehr seltene Fälle, denen sich Journalisten angenommen haben ohne den Gesamtüberblick zu haben oder zu beschreiben.
Es bleibt dabei, Ihr antwortet nicht auf die skizzierten Probleme. Und die heißen ganz zentral: derzeit könnte jeder arbeiten, der will. Arbeit im unterdurchschnittlichen Preissegment ist meist nicht attraktiv, weil die Lohnersatzleistungen vergleichsweise hoch und der Übergang in Steuer- und Abgabenzahlungen zu krass ist.
Hier wollen weder SPD, noch Grüne, noch überhaupt das linke Milieu ran. Und Beispiel an anderen Ländern will man sich auch nicht nehmen.
Warum sollen mit Steuern und Sozialabgaben arbeitsfähige Menschen unterstützt werden, die schlicht nicht arbeiten wollen?
Ich gebe offen zu, dass ich das einpreise. Finde ich das super? Nö.
Ich bin aber auch nicht hocherfreut, über Bande einen Porsche als Dienstwagen mitzufinanzieren oder was auch immer.
Ich habe das mal mit dem Strafrecht verglichen, das darauf aufgebaut ist, lieber drei Schuldige laufenzulassen als einen Unschuldigen wegzusperren.
Und so ähnlich sehe ich das hier auch. Gibt es Leute, die einfach nicht wollen. Ja bestimmt. Arschlöcher gibts überall. Aber a) ist der Aufwand sehr groß, die rauszufiltern und wie ich erwähnte, die sind dann meistens fit und findig genug, eben nicht sanktioniert zu werden und b.) will ich auch keine Arschlöcher verhungern lassen oder dass sie obdachlos werden. Wir finanzieren ja mittelbar auch schlimmste Verbrecher im Gefängnis.
Ich finds gut, wenn da die Masse aus Arschlöchern und Hilfsbedürftigen genervt werden mit Hilfs/Jobangeboten und ich nehme auch die 30% Sanktionen (btw weil ich mal gelesen habe, dass das oft die letzte Möglichkeit ist, die Leute überhaupt mal zu Gesicht zu bekommen). Und wenn das alles nicht hilft, ja mein Gott dann eben nicht. Macht den Kohl an der Masse an Dingen, die ich ebenfalls als Staatsbürgerin mittrage (mittragen muss) auch nicht mehr Fett.
Tut mir leid, dass ich nicht wirklich Bock auf eine Empörungsspirale über faule Arbeitslose hab. Könnt ihr gerne führen, aber dann seid nicht beleidigt, wenn ich daran kein Interesse hab und die Aufmerksamkeit doch lieber auf die lenke, die Hilfe brauchen und auch haben wollen.
Genau! Danke für das eloquente Ausdrücken.
Woher weißt Du, dass sie Hilfe brauchen (und auch wollen).? Und warum weigerst Du Dich über den Tellerrand zu schauen? Im Norden Europas gibt es durchaus Anschauungsmaterial (über das Du nicht debattieren willst). Du machst es Dir da schon einfach: Regeln wie im Strafrecht (das eine Ausnahme und nicht die Regel bildet – Rechtsverständnis?) und wenn jemand Sozialhilfe bezieht, wird er das schon nicht freiwillig tun. Logisch.
Und wieso willst Du als angeblich sozial Engagierte nicht über die Armutsfalle reden? Das müsste doch eigentlich Euer Megathema sein. Ist es aber nicht, lohnt sich nicht zu reden. Auch Menschen mit geringen Einkommenschancen würden lieber arbeiten, weniger als die Regelsätze kassieren und sind nur nur die Unbill des Lebens darauf zurück geworfen, trotz unzähliger Bewerbungsschreiben nie einen Job zu bekommen.
So einfach kann man es sich natürlich machen, da braucht man tatsächlich keine Debatten.
Woher weißt Du, dass sie Hilfe brauchen (und auch wollen).?
Hä? Na wenn sie einen Antrag auf HartzIV stellen, brauchen sie ja zweifellos Hilfe, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Neben Geld wäre da ein Job oder die Fähigkeit, einen zu bekommen, ja ganz hilfreich.
Diese Angebote sollen sie gerne bekommen. Und wenn sie nicht wollen oder können, stößt der Staat an seine Grenzen. Da drückst du dich nämlich vor der weitergehenden Frage, was wir als Staat dann tun sollen? Doch alles streichen und die Menschen im schlimmsten Fall verhungern lassen oder die Wohnung verlieren lassen oder Leute in Erziehungslager stecken?
Den Schritt bin ich nicht bereit, zu gehen und das heißt nun mal, dass ich Totalverweigerer da irgendwie mitziehen muss und mir ist es lieber, Zeit und Energie bei den Nichtverweigerern einzusetzen als alle zu drangsalieren, um den einen Totalverweigerer zu finden. (den ich dann ja eh nicht verhungern lassen will^^).
Ist es aber nicht, lohnt sich nicht zu reden. Auch Menschen mit geringen Einkommenschancen würden lieber arbeiten, weniger als die Regelsätze kassieren
Ja was denn nun? Ich dachte, es ging eben noch darum, dass sich soviele mit Hartz IV ein schönes Leben machen und nun das? Es ist dann übrigens keinem geholfen, das Existenzminimum weiter abzusenken, sondern höhere Löhne, bzw der höhere Mindestlohn sind da schon eher eine Hilfe. Dem „Arm trotz Armut“-Mensch gehts nämlich übrigens selbst nicht besser, wenn andere Leute einfach noch ärmer sind. Der braucht selbst mehr Kohle.
Genau das.
Volle Zustimmung.
zu 5:
Ob das Bürgergeld so unumstritten ist, wird sich zeigen. Im Zuge der erheblichen Kosten für die Energie und Miete ist das Thema wieder zurück auf der Tagesordnung.
Es bleibt ein ungelöstes Problem – wie will ich den Ärmsten Teilhabe ermöglichen, ohne dass ich die Anreize für die Aufnahme von Arbeit kaputt mache? Die Beispielrechnungen legen ja nahe, dass sich die 4-köpfige Familie, die vom Bürgergeld lebt, finanziell aufgrund der Transfers ebenso gut stellt, wie die 4-köpfige Familie wo beide Mindestlohn verdienen, aber eben für Miete, Nebenkosten usw. selbst aufkommen müssen. Hinzu kommt, dass selbst die erworbenen Ansprüche in der Sozialversicherung nicht zu einer deutlichen Abhebung führt. Es kommt also wieder ein Gefühl auf, das Arm gegen Ärmer ausgespielt wird.
Ich halte es für nach wie vor sehr fraglich, inwieweit dieser „Anreiz“ abseits der Höhe des Regelsatzes, Stigmatisierung und der bürokratischen Hürden nötig ist. Klar gibt es Leute, die sich in dem System einrichten. Aber so what? Die übergroße Mehrheit WILL ja arbeiten. Die brauchen den Anreiz nicht.
Du machst Dir in jedem Vermischten Gedanken über die Benachteiligung von Transpersonen, die für einen niedrigen Promillewert in der Bevölkerung stehen. Da ist selbst die kleine Zahl wichtig, beim Missbrauch von Sozialleistungen jedoch nicht, bei Steuervergehen dagegen ist die kleine Zahl wichtig. Wie passt das zusammen?
@ Stefan Sasse 19. September 2022, 18:35
Die übergroße Mehrheit WILL ja arbeiten. Die brauchen den Anreiz nicht.
Ich sehe das etwas differenzierter als Du. Die übergroße Mehrheit will natürlich ein Gehalt, und die übergroße Mehrheit fände derzeit auch einen Job. Die Frage ist halt, was man sich zumuten mag: Macht man sich die Hände schmutzig? Muss man in den Schichtdienst? Wie lange ist man täglich mit der Fahrt um Arbeitsplatz beschäftigt? Müsste man umziehen? Sind bestimmte Kenntnisse (z.B. Englisch, MS Office o.ä.) gefordert, die man nicht hat, und die man sich nicht beibringen mag? Ist die neue Tätigkeit mit dem alten Ego vereinbar (was werden die Nachbarn sagen)? Gibt es Abstriche im Vergleich zum letzten Gehalt? So viele Aspekte, die da eine Rolle spielen.
Dieses „die meisten wollen ja …“ klingt nach bedingungslosem Einsatzwillen. Den gibt es aber nur selten, und wenn, dann nicht für lange: Man findet schnell etwas, oder man beginnt, sich zu arrangieren. In vielen ist es so, dass die Latte, sich in einen neuen Job zu begeben, zwar niedrig genug ist, dass man drüber könnte, aber doch so hoch, dass man nicht drüber will.
Das bedeutet nicht, dass „die ganzen Arbeitslosen nicht wollen“, sondern dass anhand vieler Kriterien berechnet wird, ob sich das lohnt und ob man sich das wirklich antun will; ist das Gehalt groß genug, der Arbeitsplatz direkt um die Ecke, die Arbeitszeiten normal, stehen die Chancen besser. Deine
Schwarzweiß-Malerei greift nicht.Denn der Sprung, die Belastung, der Stress, nach 6 oder 12 Monaten (vielleicht erzwungenen) Nichtstuns wieder jeden einzelnen Tag in einen vielleicht völlig neuen Job zu gehen, ist wirklich groß.
Studien haben immer wieder belegt, dass Arbeitslose nach ihrer Entlassung einen leicht gestiegenen Erwartungslohn an potentielle Arbeitgeber haben. Mit den Monaten der Arbeitslosigkeit sinkt dieser Erwartungslohn nicht etwa, sondern steigt signifikant an, während der Marktwert des Arbeitslosen sinkt.
Mit anderen Worten: Das, was ein Arbeitsloser als zukünftige Entlohnung erwartet und was potentielle Arbeitgeber bereit sind zu zahlen, entwickelt sich immer weiter auseinander. Damit sinken die Chancen des Arbeitslosen auf eine neue Beschäftigung. In Deutschland war dies durch die vergleichsweise großzügige Transferzahlung auch bei Langzeitarbeitslosen besonders krass. Hartz-IV hat dieser für Arbeitslose schädlichen Entwicklung entgegen gewirkt. Du hast es ja selbst erfahren.
Es bleibt dabei: Arbeitslose müssen so schnell wie möglich wieder ins Erwerbsleben gebracht werden. Langzeitarbeitslose müssen sich mit weit geringeren Einstiegslöhnen begnügen, damit sie sich nicht noch mehr schädigen. Hohe Ersatzzahlungen sind da absolutes Gift. Heute lohnt sich ja oft erst eine Beschäftigung bei mittlerem Lohnniveau. Wie sollen da Hartz-IV-Bezieher zu einer Beschäftigung gebracht werden?
Da hast du sicher Recht. Ich sehe aber auch bedingungslosen Einsatzwillen nicht ganz so nötig wie du. Es besteht auf der anderen Seite die Gefahr, dass Arbeitgeber Marktkräfte umgehen, indem sie sich eine restriktive Sanktionspraxis zunutze machen. Konkret: Unter Marktniveau bezahlen, unter Marktniveau Arbeitsbedingungen bieten, weil der Staat Arbeitslose zwingt, diese Jobs anzunehmen. Und das ist auch ein Problem. Eine einfache Lösung gibt es dafür nicht, keine Frage.
@ Stefan Sasse 22. September 2022, 07:54
Ich sehe aber auch bedingungslosen Einsatzwillen nicht ganz so nötig wie du.
Wer arbeitsfähig und arbeitswillig ist, findet derzeit einen Job – wenn auch nicht unbedingt den, den er sich wünscht. Und dann steht eben die Frage im Raum, ob eine neue Arbeitstätigkeit am fehlenden Angebot oder an den eigenen Ansprüchen scheitert.
Es besteht auf der anderen Seite die Gefahr, dass Arbeitgeber Marktkräfte umgehen, indem sie sich eine restriktive Sanktionspraxis zunutze machen. Konkret: Unter Marktniveau bezahlen, unter Marktniveau Arbeitsbedingungen bieten, weil der Staat Arbeitslose zwingt, diese Jobs anzunehmen.
Eine Agentur sucht fünf Redakteure, und findet keine. Eine Spedition sucht ein Dutzend Fahrer, und findet keinen. Ein Elektriker sucht Auszubildende und würde JEDEN nehmen, der sich bewirbt; es bewirbt sich keiner.
Derzeit ist der Mangel so groß, dass viele normale Unternehmen es sich nicht leisten können, wählerisch zu sein; sie nehmen, was sie kriegen können, und machen Abstriche an der Qualität – wenig ist mehr als nichts.
Sollte das von Dir beschriebene Verhalten tatsächlich mal vorkommen, kann der Betreffende nach ein paar Monaten aus ungekündigter Stellung einen neuen Job suchen, wo es das Problem nicht mehr gibt.
Was ich sehe, ist: Viele (nicht alle!) sind sich zu fein, hart zu arbeiten, körperlich zu arbeiten, und sich an den Job anzupassen. Im Sommer 10 Stunden täglich auf der Baustelle zu rackern, um sein Arbeitszeitkonto für den Winter zu füllen, ist nicht jedermanns Sache. Im Lkw durch die Lande zu fahren und auf einem Rastplatz zu übernachten, weil nach einem Stau die erlaubte maximale Lenkzeit abgelaufen ist, mag auch nicht jeder.
Aber die Leute wollen ihr Haus gebaut bekommen, ihre Waren im Supermarkt. Nichts gegen Stress im Job, gegen harte Arbeit, gegen (wenn es sein muss) etwas Dreck, aber bitte wer anders und nicht ich …
Eine einfache Lösung gibt es dafür nicht, keine Frage.
Ja
Klar, ich bin bezüglich dessen, dass viele das nicht wollen, völlig bei dir. Aber aktuell gibt es ja auch sehr wenig Arbeitslosigkeit. Und sorry, viele Jobs sind halt immer noch so mies von Bezahlung und Arbeitsbedingungen, dass die sich nicht wundern müssen, dass sie niemand finden. Ich nenne nur mal die Pflege…
Was ist „mies bezahlt“? In jeder Gesellschaft gibt es unterschiedliche Bezahlungen und Menschen, die nicht mehr verdienen als zum Lebensunterhalt notwendig ist. In jeder Gesellschaft, nicht nur in Deutschland.
Du findest also, ein Langzeitarbeitsloser hat einen Durchschnittslohn oder knapp darunter verdient? Wie kommst Du zu der Einschätzung?
Mies bezahlt = alles unter 13-14€ die Stunde, aktuell.
Ich sage nicht, dass alle Personen den Durchschnittslohn verdient hätten (das geht ja gar nicht, dann ist es ja nicht mehr der Durchschnittslohn), ich sage nur dass ich es problematisch finde Industrien zu subventionieren, indem man ihnen billige Arbeitskräfte durch staatlichen Zwang zuschustert.
Bitte korrigiere mich, aber der Mindestlohn liegt bei 12 Euro, und wurde erst dieses Jahr kräftig angehoben. Er liegt damit deutlich über Sozialhilfeniveau. Damit sind 12 Euro ein guter Lohn. Alles andere ist Malerei.
Ein Lohn muss finanziert werden. Ein Mindestlohnempfänger bekommt knapp 2.000 Euro. den Arbeitgeber kostet er mit Sozialabgaben, bezahltem Urlaub und sonstigen Vergünstigungen über 2.500 Euro. Für einen Ungelernten. Für jemanden, der nicht mehr als Straßenfegen kann. Das ist verdammt viel Geld für solche Aufgaben. Würdest Du 2.500 Euro dafür bezahlen, dass Dein Garten gepflegt, die Straße vor Deinem Haus gekehrt und der Müll geleert ist? Nein, das könntest Du Dir nicht leisten. Aber Du verlangst, dass es sich jemand leistet, was Du selbst nicht bezahlen kannst. Und noch mehr: Für Dich geht es ja nicht unter 3.000 Euro.
In Deutschland kann niemand zur Arbeit gezwungen werden. In anderen OECD-Ländern schon. Das ist der Unterschied. Wer in Deutschland eine Arbeit aufnimmt, hat Anspruch auf den Mindestlohn. Außer er ist selbständig, da darf es auch Selbstausbeutung sein. Mit anderen Worten: Deine Behauptung findet nirgends Widerhall.
Und ich denke, genau das unterscheidet Dich von Stefan, Erwin und mir. Unsere – wohl gemeinsame – Priorität ist ganz einfach: Bevor andere jemanden alimentieren, muss dieser jemand alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben, sich selbst zu finanzieren.
Du willst das auf ein von Dir arbiträr gesetztes Stundenlohnlevel begrenzen und bist offenbar bereit, Deine Sozialabgaben/Steuern dafür aufzuwenden, dass jemand unterhalb dieses Lecels sich weigert, für seinen Lebensunterhalt zu arbeiten.
Das Prinzip, dass Menschen zuerst für sich selbst einstehen müssen, sofern sie arbeitsfähig sind und der Arbeitsmarkt das hergibt, bevor sie Unterstützung anderer abrufen dürfen, scheint mir bei Menschen weltweit akzeptiert zu werden. Wenn Du das ändern willst, brauchst Du deutlich stärkere Argumente als „das hilft aber auch Unternehmen“.
Gruss,
Thorsten Haupts
@ Thorsten Haupts 22. September 2022, 20:52
Unsere – wohl gemeinsame – Priorität ist ganz einfach: Bevor andere jemanden alimentieren, muss dieser jemand alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben, sich selbst zu finanzieren.
…
Das Prinzip, dass Menschen zuerst für sich selbst einstehen müssen, sofern sie arbeitsfähig sind und der Arbeitsmarkt das hergibt, bevor sie Unterstützung anderer abrufen dürfen, scheint mir bei Menschen weltweit akzeptiert zu werden.
Genau das. Ich habe überhaupt keine Probleme damit, in Arbeitslosigkeit geratene Menschen zu unterstützen. Ich habe überhaupt kein Problem damit, arbeitsunfähige Menschen zu unterstützen.
Aber bei allem Verständnis für natürlichen Egoismus habe ich aber schon ein Problem damit, Menschen zu unterstützen, bei denen die Selbstversorgung an mangelnder Flexibilität, fehlender Disziplin, mangelnder Weiterbildungslust, zu hoher Bequemlichkeit scheitert.
Wie gesagt, grundsätzlich sehe ich das genauso. Ich will es nur nicht absolut setzen: nicht JEDE Arbeit ist grundsätzlich zuzumuten und gesellschaftlich/volkswirtschaftlich besser.
Das ist eine irritierende Behauptung. Welche Arbeit ist prinzipiell nicht zumutbar?
In Deutschland kommen dazu ein paar Normen in Frage. Unzumutbar ist eine Arbeit z.B., wenn sie unter Mindestlohn bezahlt würde. Das ist aber gleichzeitig ein Straftatbestand für den Arbeitgeber, das können wir also vergessen.
Dann kann Arbeit aus ethisch-moralischen Gründen unzumutbar sein. Das ist aber weitgehend abgeräumt, da wir in Deutschland nur ethisch-moralisch saubere Arbeit erlauben. Selbst Prostitution ist heute juristisch ein normaler Job, weshalb die Ansicht durchaus zulässig ist, eine solche Arbeit sei für Erwerbslose zumutbar.
Und dann wurden vom Sozialrecht noch einige wenige Kriterien definiert, so, dass merh als 4 Stunden Fahrzeit unzumutbar seien.
Mehr aber gibt es nicht. D.h., wir können davon ausgehen, dass fast jeder Job, der heute angeboten wird, für Hartz-IV-Empfänger auch zumutbar ist. Warum auch nicht?
Wenn wir Arbeit als prinzipiell unzumutbar einschätzen, dürfen wir das nicht erlauben. Das ist eigentlich naheliegend. Doch so lange sie da ist, muss sie jemand auch machen und sie ist dann auch zumutbar.
Wie ich schon sagte, das war vor Einführung des Mindestlohns ein wesentlich schlimmeres Thema. Aber deine Seite dieser Debatte hat auch bei Stundenlöhnen von 4€ nicht anders argumentiert.
Wir haben seit 2014 einen gesetzlichen Mindestlohn.
Ich weiß noch sehr genau, wie ich von 2007 ab im Metzger-Blog auf focus.online zum Mindestlohn argumentiert hatte. Auch wenn es damals eine Lohnuntergrenze gab, so existierte doch eine faktische – wie in allen Ländern mit Sozialstaat. Arbeit unterhalb des Sozialhilfesatzes ist wirtschaftlich nicht sinnvoll und wird bis auf extreme Ausnahmen auch normalerweise nicht angeboten. Es ist ja naheliegend: Dafür bekommen Unternehmen normalerweise keine Beschäftigten.
Ich habe in den Achtzigerjahren als Student (ungelernt) für Postzustellung einen Lohn von umgerechnet über 6€ bekommen. In der Wirtschaftsprüfung waren es dann 7€ bzw. 7,50€.
Ich hatte nie ein prinzipielles Problem mit einer gesetzlichen Lohnuntergrenze, die Frage ist immer die Höhe. In den meisten Ländern mit Mindestlohn bewegt sich dieser bei 60% des nationalen Einkommensniveaus. Neben Luxemburg existiert ein sehr hoher Mindestlohn in Frankreich und verursacht dort seit vielen Jahren Probleme auf dem Arbeitsmarkt. In anderen ist er relativ niedrig angesetzt, zu niedrig, um negative Wirkungen zu entfalten.
Die skandinavischen Länder haben keinen Mindestlohn, was immer mit der dortigen Stärke der Gewerkschaften begründet wurde. Doch das überzeugt nicht.
An meiner Argumentation hat sich also nicht wirklich etwas geändert. Unser arbeitsmarkt- und sozialpolitisches Problem ist auch nicht Mindestlohn ja oder nein. Unser Problem, das zeigen ganz deutlich die langen Reihen (Fakten!), sind die Langzeitarbeitslosen, sind diejenigen Hartz-IV-Empfänger, die zum Großteil noch nie oder extrem lange (>5 Jahre) nicht mehr arbeitet haben.
Wer also echte Probleme angehen will, muss sich mit den echten Problemen beschäftigten. Und nicht eine rosa Wolke drüberziehen.
Ich habe noch 2009 einen Stundenlohn von 5,11€ bekommen.
Das Problem scheinst aber dann eher Du gewesen zu sein. Denn wie ist es erklärlich, dass zwei bei gleichem Ausbildungsstand sehr unterschiedliche Marktlöhne erzielen? Da würde mich Deine Erklärung interessieren.
Weil ich in der realen Welt dieser Jahre gelebt und gearbeitet habe und nicht aus einer etablierten Perspektive auf andere runterschauen konnte.
@ Stefan Pietsch
Meine grundsätzliche Einstellung zum Thema kennst Du ja. Aber ich denke, dass Ariane da durchaus einen Punkt hat:
Wir haben Regelungen haben, die einen enormen Graubereich erlauben, in dem man sich gut verstecken kann. Vermutlich ist der Aufwand immens zu unterscheiden, wer sich wirklich drückt oder wer Einschränkungen hat, die im das Arbeiten erschweren.
Die Vorstellung, eine Prozesswelle zu erzeugen mit Rechtsstreits darüber, ob jemandem drei oder vier Stunden Arbeit zugemutet werden können, oder die Vorstellungen, jemanden ins Team zu holen, der eigentlich nicht will und destruktiv ist, behagt mir überhaupt nicht.
Und selbst wenn der Vergleich mit dem Dienstporsche hinkt – angebracht bzw. Gegenstück wäre an dieser Stelle Steuerbetrug – mag hier sein, dass der gewählte Weg der (im Sinne von Aufwand vs. Ergebnis) inzwischen am wenigsten schlechte ist, weil man in den vielen Jahrzehnten zuvor eben diese Situation so herbeigeführt hat.
Aber ich mag es halt nicht, und man sollte dieses sich „Einrichten“ weder erleichtern noch weiter fördern; es vererbt sich zu leicht weiter.
Postzusteller sind in einer etablierten Position? Interesting. Das merke ich mir.
Ich nehme mal an, dass du 2009 bereits einen festen Job mit ordentlichem Einkommen hattest. Aber ich mag mich täuschen.
Ich rede von 1987 und von 1990, von meinen Studentenjobs. Da habe Jahrzehnte vor Dir einen höheren Stundenlohn erzielt. Wie erklärst Du das?
Die Ära der 2000er war ziemlich scheiße, einerseits. Auch wenn du immer wieder abstreitest, dass das der Fall ist, aber Präkarisierung und steigende Ungleichheit sind real. Dazu kommt vermutlich, dass du Zugang zu besseren Jobs hattest, weil dein Studium „markttauglicher“ war. Hätte ich so was wie Maschinenbau oder BWL studiert, hätten mir zahlreiche Werkstudierendenjobs offengestanden. Als Lehramtsstudent für Deutsch und Geschichte musste ich nehmen, was ich kriege. Ich war als Student extrem arm.
By the way: Vielleicht meinst du es nicht so, aber deine Kommentare lesen sich für mich nach „warum warst du zu blöd was richtiges zu finden“.
So ist das überhaupt nicht gemeint und schließlich hatte ich den Opener gemacht. Du hast dann Deinen Studentenverdienst dagegengehalten. Was soll ich darauf sagen? 5€ waren Anfang der Nullerjahre sehr wenig. Aber Du machst Deine Lage damals zum Maßstab. Das tue ich bei mir nicht – weder heute noch damals. Ich weiß, dass ich heute in einer sehr privilegierten Lage bin und damals auch nicht darum kämpfen musste (um anderes schon).
Aber Postzusteller sind nicht privilegiert – weder damals noch heute. Aber man hatte auch nicht den schwersten Job der Welt – aber geklagt haben alle. Das gehört bei körperlichen Arbeiten einfach dazu. Als Schüler habe ich vielleicht fürs Stecken in der Produktion und im Hotel fürs Spülen wie Toilettenputzen 4 Euro bekommen, aber das war Anfang der Achtzigerjahre. Erst im Hauptstudium hatte ich übrigens die Möglichkeit, in der Wirtschaftsprüfung interessante Aufgaben zu machen. Nur: Ich glaube, ich habe in meinem jungen Leben eine ziemlich hohe Quote an prekären Jobs gemacht und das schon als Schüler: Rasen mähen, Straßen reinigen, Regale einräumen, Müll entsorgen, Geld sammeln. Ich war keineswegs ein privilegiertes Kind!
Zwischen Ende der Neunziger und in der ersten Hälfte der Nullerjahre differenzierten sich die Löhne stärker aus. Das ist wahr und habe ich nie bestritten. Aber gleichzeitig haben auch rekordmäßig wenig Menschen gearbeitet. Da besteht ein Zusammenhang.
Das dachte ich mir, deswegen auch mein Rückspiegeln. Nicht, dass böses Blut entsteht.
Dass 5€ auch 2001 wenig war, ist mir bewusst. Mein Punkt ist ja gerade der: vor Mindestlohn war so was gang und gäbe. Und 2009 musste ich jede Arbeit nehmen, die ich kriegen konnte. Dank Finanzkrise war da slim pickings.
Ich würde auch nie behaupten, Postzustellende seien privilegiert…?
Und da laufen wir auseinander: ich habe in der Zeit bei einem Logistiker gearbeitet, also keine Branche mit hohen Löhnen im Eingangsbereich. Aber selbst auf dem Land wurden nicht solch niedrige Beträge gezahlt, selbst nicht an die einfachen Angestellten. Und auch Studien der damaligen Zeit lassen es nicht zu, Deine Erfahrung zu verallgemeinern. Wenn Du damit diskutieren willst, musst Du mit mehr kommen als persönlicher Erfahrung.
@ Kning4711 19. September 2022, 15:54
Es bleibt ein ungelöstes Problem – wie will ich den Ärmsten Teilhabe ermöglichen, ohne dass ich die Anreize für die Aufnahme von Arbeit kaputt mache? Die Beispielrechnungen legen ja nahe, dass sich die 4-köpfige Familie, die vom Bürgergeld lebt, finanziell aufgrund der Transfers ebenso gut stellt, wie die 4-köpfige Familie wo beide Mindestlohn verdienen, aber eben für Miete, Nebenkosten usw. selbst aufkommen müssen.
Das ist der entscheidende Punkt, der durch die jetzige Energie-Preisentwicklung noch extrem verschärft wird (wir z.B. sind ab 1. November beim Gas von monatlich 110 Euro Abschlag auf monatlich 750 Euro Abschlag eingestuft worden); wer vom Staat versorgt wird, muss sich übers Heizen keine Gedanken machen.
Hinzu kommt, dass selbst die erworbenen Ansprüche in der Sozialversicherung nicht zu einer deutlichen Abhebung führt. Es kommt also wieder ein Gefühl auf, das Arm gegen Ärmer ausgespielt wird.
Ausspielen? Weiß nicht, ob der Ausdruck passt. Dass aber Arbeiten zu niedrigen Löhnen auf der einen Seite durch staatliche Ausschüttungen immer uninteressanter wird, während sich auf der anderen Seite höhere Löhne weder automatisch lohnen noch vom Arbeitgeber oder von den Kunden getragen werden können.
Das stimmt doch gar nicht. Die KDU deckt doch nicht deine kompletten Heizkosten ab. Dein vorheriger Populismusvorwurf kommt postwendend zurück.
Das KDU übernimmt die Heizkosten, sofern sie angemessen sind. Sprich, wenn Du Deinen Regelverbrauch nicht überschreitest, wird das Amt die Heizkosten bezahlen. Mit Hartz IV können es Betroffenen doch nicht – wo soll die Knete denn sonst herkommen? Im Kalten wird auch niemand sitzen gelassen .
Das gilt laut Lindner ja aber für alle.
@ Kning4711 19. September 2022, 19:49
Mit Hartz IV können es Betroffenen doch nicht – wo soll die Knete denn sonst herkommen?
Das war gemeint und ist klarer als bei mir ausformuliert; merci 🙂
@Stefan Sasse 19. September 2022, 22:18
Das gilt laut Lindner ja aber für alle.
Für mich nicht. Erhöhung des Gasabschlags von 110 Euro/Monat auf 750 Euro/Monat ab 1. November. Meine Frau sagt, dass wir frieren werden.
Um es mit Lisa Eckhart zu sagen: Diesen Winter kein Home Office, sondern Schniefen und Husten im Büro. Und wer gesund ist, hat heimlich geheizt. 🙂
Ich bezweifle ernsthaft, dass die Gaskrise wirklich so hoch werden. Ich sehe einfach nicht, dass die Politik das zulässt. Vielleicht bin ich zu optimistisch. Aber etwas Delegitimierenderes kann ich mir ja kaum vorstellen.
@ Stefan Sasse 21. September 2022, 14:51
Ich bezweifle ernsthaft, dass die Gaskrise wirklich so hoch werden. Ich sehe einfach nicht, dass die Politik das zulässt.
Wie gesagt, die Ankündigung unseres Gaslieferanten liegt auf dem Tisch: statt 110 Euro/Monat ab November 750 Euro/Monat Abschlag.
Klar, aber die Politik diskutiert ja auch noch. Die Unternehmen müssen mit dem Informationsstand jetzt arbeiten, nicht mit dem, was vielleicht kommt oder auch nicht.
qa Stefan Sasse 22. September 2022, 07:55
Die Unternehmen müssen mit dem Informationsstand jetzt arbeiten, nicht mit dem, was vielleicht kommt oder auch nicht.
Wenn ich das unterschreibe, muss ich das auch bezahlen.
Ist ja eine Abschlagszahlung. Das Geld kriegst du ja wieder, wenn der Preis sinkt. Oder verstehe ich was falsch?
Um in Vorlage zu gehen, brauchst Du Liquidität. Kennst Du vielleicht von zuhause. Wenn Du wenig Geld hast, nützt es Dir nur bedingt, wenn Du Auslagen nach Monaten erstattet bekommst.
Ach was, und ich dachte, die Leute mögen keine Besserwisser. So kann man sich täuschen.
Aber deswegen habe ich gefragt, um zu verstehen wie es läuft. Jetzt hab ich es verstanden. Dass das eine beschissene Situation ist, ist mir auch klar, aber es ist halt trotzdem objektiv besser als eine sichere Versiebenfachung des Preises für die nächsten Monate.
Anders als die meisten meinen ist Liquidität ein ganz kritischer Punkt für Unternehmen. Sie ist meist knapp. Wenn es eng wird, gibt es eine klare Reihung: 1. Löhne und Gehälter, 2. Steuern und Sozialabgaben, 3. Lieferantenverbindlichkeiten. Zu Beginn der Pandemie haben viele es verkehrt und den Staat auf 3 gesetzt.
Ich verstehe nicht, was du meinst. Ich fürchte, ich brauche etwas mehr Erklärung 😐 Also Liquidität knapp, klar. Aber was meinst du mit „Staat auf 3 gesetzt“?
Im Ökonomischen zählen immer Prioritäten. Wer in der Liquidität knapp ist – und das sind viele Unternehmen – muss Prioritäten bei der Bezahlung von Verbindlichkeiten setzen.
Löhne und Gehälter werden immer als erstes bezahlt. Wenn Löhne nicht mehr pünktlich gezahlt werden, schrillen alle Alarmsirenen. Selbst total klamme Vereine wie Schalke 04 haben bei Verbindlichkeiten von über 200 Millionen Euro die Gehälter immer pünktlich bezahlt.
Dann ist der Staat dran, schon allein, weil die Kosten für Verzug exorbitant sind. Und während der Staat den Einzug seiner Außenstände erzwingen kann – notfalls, in dem Beamte vor der Haustür des Geschäftsführers stehen – können normale Geschäftspartner von Unternehmen das nicht.
In der Pandemie haben viele Unternehmen die Zahlungen an den Staat – Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Sozialabgaben – vorläufig ausgesetzt. So groß war die Not und es war klar, dass die Politik auf diese Not würde reagieren müssen. Das passierte dann auch, Finanzämter und Krankenkassen stundeten relativ großzügig. Doch das ist nicht die Regel, sondern eine absolute Ausnahme.
@ Stefan Sasse 22. September 2022, 15:37
Ist ja eine Abschlagszahlung. Das Geld kriegst du ja wieder, wenn der Preis sinkt.
1) Wenn, falls …
2) Ist Dein Gehalt hoch genug, um 660 Euro im Monat zusätzlich aufzubringen? Meins ist es nicht.
Nein, natürlich nicht. Wie gesagt, ich wollte auch nicht drauf raus dass das kein Problem wäre oder so. Ich wollte nur verstehen, was da abläuft.
5) Langzeitstudie: Hartz-IV-Sanktionen verfehlen ihr Ziel
Der Irrwitz ist eigentlich das öffentliche Bild, dass über Langzeitarbeitslose existiert. Da sitzen Menschen, seit vielen Jahren ohne Job, manche hatten noch nie einen, und schreiben begeistert und voll motiviert Bewerbungen. Dabei ist eigentlich anzunehmen, dass jemand mit 2, 3 Jahren Erwerbslosigkeit im Rücken und voll motiviert längst alle potentiellen Arbeitgeber im Radius von 40 km abgegrast hat. Wenn das Ideal zutreffend ist, dann ist besagter Langzeitarbeitsloser überall bekannt – und wurde dennoch nie berücksichtigt. Dann liegt das Problem nicht in den Bewerbungen.
Ein anderer Faktor ist, dass Langzeitarbeitslose eine sehr schlechte Quote aufweisen, die Probezeit nur einige Wochen zu überstehen. Sie unterscheiden sich dabei signifikant vom Rest der Erwerbsbevölkerung.
In Deutschland kommen auf 1,7 offene Stellen 1,6 Millionen Langzeitarbeitslose. Darunter sind sehr viele einfache Jobs wie Packer am Flughafen, Geschirrabräumer in Restaurants, so in etwa. Stefan bot vor kurzem als Erklärung an, dass die meisten Langzeitarbeitslosen gar nicht erwerbsfähig seien. Das ist eine kühn. Entweder nämlich hat Deutschland einen besonders hohen Anteil arbeitsunfähiger Erwerbstätiger oder wir haben in den Hartz-IV-Beziehern sehr viele versteckt, die nicht einmal einfachste Handgriffe können.
Beides ist wenig überzeugend. Dazu sieht die Mehrheit der Praktiker den Wegfall der Sanktionen skeptisch. Zu ihrer Klientel zählen eben nicht nur solche, die sich einfach schwer tun, einen ordentlichen Auftritt hinzubekommen. Auf solche ist die Rücksichtnahme groß, was die doch sehr geringe Quote an Sanktionen zeigt. Zur Klientel zählen auch solche Kandidaten, die austesten, wie weit sie mit ihrer Null-Bock-Haltung kommen und manchmal sehr rabiat die Mitarbeiter der Arbeitsagenturen angehen. Das sind keine trivialen Probleme, denen man mit „Vertrauen“ begegnet. Denn wer jahrelang arbeitslos ist, hat eins mit Sicherheit außerordentlich lange genossen: Vertrauen.
9) Dem Verbrenner bleiben eigentlich nur noch zwei Jahre
Ein tolles Beispiel, wie planwirtschaftlich wir in Deutschland denken. Der entscheidende Hebel für die Steuerung der Menge ist in einer Marktwirtschaft der Preis. Oder umgekehrt formuliert: Mit Mengenvorgaben wird der Preis gesteuert. Wenn wir z.B. durch die Abschaltung von Atommeilern die Menge an verfügbaren Strom verknappen, steigt der Preis. Die Verknappung des Angebots ist eine politische Entscheidung. Der Preisanstieg die Konsequenz in der freien Marktwirtschaft.
Deswegen sagen Ökonomen immer: Hände weg vom Preis! Nun hat die Politik bei der Steuerung des Individualverkehrs das Pferd von hinten aufgezäumt. Für den Ausstoß von CO2 wurde ein Preis festgesetzt. Zusammen mit den anderen Steuerarten wie Mineralölsteuer und Umsatzsteuer addiert sich das ganze zu einem Gesamtpreis. Aus dem Gesamtpreis folgt die Menge an Autofahrten. Die Erhöhung des Benzinpreises würde zu einem Rückgang der Autofahren bzw. zu einer erhöhten Nachfrage nach E-Autos führen.
Doch so denken Politiker und Linke nicht. Die Politik soll an beiden Punkten eingreifen, beim Preis durch Hochsetzung und bei der Menge, in dem Verbote ausgesprochen werden. Das ist dann Planwirtschaft in Reinkultur. Und das das eine liberale Partei nicht mitmacht, ist eigentlich verständlich. Die Ampelparteien haben sich darauf verständigt, die Umweltabgabe nicht anzutasten. Alles andere folgt daraus. Eigentlich nicht so schwer. Für viele aber doch.
a) 75% der Deutschen wollen Reiche stärker besteuern. Nach Stefan Pietschs Logik müsste das ja nun sofort geschehen, denn der Wille der Mehrheit muss ja alles leiten. Vermutlich gilt das aber wie üblich nur dann, wenn er sich mit den eigenen Vorstellungen deckt.
Ich schreibe da oft etwas von Rechtsstaat und Grundrechten, die die Minderheit (und sei es, dass diese aus einer Person besteht) vor der Mehrheit schützt. Ich gebe zu, das steht im Kleingedruckten, so klein, dass es einfach überlesen wird, wenn man nicht gerade eine Lesebrille oder eine Lupe hat. Aber es steht da. Immer.
zu 1)
Das mit dem Datenschutz wirkt in der Praxis viel tiefer als diess cookie widgets zum Wegklicken.
Ein Beispiel. Ähnlichkeiten mit realen Vorgängen sind rein zufällig.
Kontext: In so einem Projekt gibt es in der Regel eine Gruppe von Internen, die definiert, was eigentlich programmiert werden soll. Diese Gruppe ist nicht klein. Es können schnell mal 8 Personen sein, die aber auch nicht alle Teilaspekte des Projekts betreuen. In Folge nenne ich diese Gruppe PO.
Oft haben sie externe Unterstützung von einer Unternehmensberatung eingekauft. Solche Menschen lassen sich in der freien Wildbahn Montag-Morgen im ICE beobachten: Es sind die, die gelangweilt die Seiten von Büchern wie „Scrum für Dummies“ umblättern. Die heissen in der Folge UB.
Nun arbeiten PO und UB ihre Agenda mit je 6 bis 10 Leuten in Meetings ab. In unserem Beispiel geht es darum, die Auswahl von externen Dienstleistern für eine bestimmte Aufgabe zu optimieren. Nach einer längeren Sitzung beschliessen die ein Sterne-Widget anzufordern, mit dem der Auftraggeber die Leistung auf einer Skala von 0 bis 5 bewerten soll. UB schreibt nun ein 5 seitiges Word-Dokument in BWL-Deutsch, in dem er den Sinn dieses 5 Sterne Widget angepreist. Im Text geht es um viele allgemeine Dinge wie etwa die erwartete Verbesserung der Arbeitsergebnisse, Motivation oder Korruptionsbekämpfung. Unberücksichtigt bleiben die eigentlich wichtigen Details. Dazu näheres unten.
Nach ein paar Wochen setzen sich dann PO und UB mit den Entwicklern zusammen. Jemand aus dem Entwicklerteam gibt sofort den Hinweis, dass die sich bitte erstmal mit der Rechtsabteilung in Verbindung setzen sollten. PO schmettert das sofort ab, weil ein sehr kursiv skizzierter Entwurf mit größerer Wahrscheinlichkeit von der Rechtsabteilung grundsätzlich abgelehnt würde. Nun wird in größerer Runde eine Menge an Details geklärt:
– Welche Benutzer dürfen die Bewertungen überhaut sehen?
– Wer sieht nur einen Durchschnittswert und Anzahl der Bewertungen?
– Wer sieht individuelle Bewertungen?
– Wer sieht individuelle Bewertungen mit Namen des Bewerters?
– Sollen Bewertungen ein Haltbarkeitsdatum haben?
– Welche konkreten Auswirkungen haben die Bewertungen auf die Sortierung der Auswahlliste der Dienstleister?
– etc.
– etc.
In der Regel folgt nun eine ganze Serie von Meetings, weil PO und UB über die „höchst erstaunlichen und guten“ Vorschläge der Entwickler erstmal kollektiv nachdenken müssen.
Nach ein paar Wochen gibt es nun sowas wie ein Konzept, das ein Entwickler programmieren könnte. PO will das nun ASAP auf der Agenda der zu programmierenden Task haben, aber ein sturer Entwickler beharrt darauf, dass das erstmal von der Rechtsabteilung geprüft werden sollte.
Die Rechtsabteilung kassiert den Vorschlag selbstverständlich direkt ein, weil er gegen gültiges Datenschutz/Arbeitsrecht verstößt. Damit sind die gesamten oben beschriebene Meetings und schriftlichen Konzeptpapiere für die Tonne.
All das ist nicht unproblematisch. In den Meetings entsteht sehr schnell der vibe, den Dienstleistungserbringer auf dem zu programmierenden Markt als reinen Kostenverursacher zu sehen, von dem Leistung zu einem möglichst geringen Preis und Aufwand für die Organisation herauszupressen ist. Hinweise, dass man sich auch mal in dessen Position versetzen könnte, werden schnell abgewiesen.
Eine pragmatischere Datenschutzgesetzgebung würde es aus meiner Sicht erstmal nötig machen, dass sich multifachlich aufgestellte Gremien über die vielen in der Praxis auftretenen Anwendungsfälle ein Bild machen und dann auch Entscheidungen treffen.
f) vielen Dank für diesen Fund.
Muss natürlich bedacht werden, dass die Verteuerung des Gases bestimmte Sektoren besonders hart trifft. Namentlich nicht kleine Teile der Chemie-Industrie mit ihren komplexen integrierten Produktionsketten. https://twitter.com/egghat/status/1571778046398431234
7 und 8)
26 % der US-Amerikaner glauben, daß sich die Sonne um die Erde dreht, und auf der hiesigen Seite des Großen Teichs sieht es offenbar nicht besser aus:
https://www.npr.org/sections/thetwo-way/2014/02/14/277058739/1-in-4-americans-think-the-sun-goes-around-the-earth-survey-says
Auch hier muß man vorsichtig sein, was man in die Zahlen hineinliest – das sind offensichtlich nur zu einem kleinen Teil Menschen, die sich bewußt astronomischen Fakten verweigert, während es für die allermeisten einfach keine Rolle spielt. Und sie könnten sich dabei sogar auf ein berühmtes Beispiel berufen, denn im ersten Sherlock-Holmes-Roman bekennt dieser gegenüber Watson sein Unwissen in dieser Frage, denn er speichere nur solche Fakten in seinem Gedächtnis ab, die für seine Arbeit wichtig sind.
Jedenfalls kann man mit Fakten nur diejenigen argumentativ erreichen, die zuvor schon anerkannt haben, daß diese für ihr eigenes Leben relevant sind.
Das meine ich.
10)
Der Krieg ist vielleicht nicht der Vater aller Dinge, aber er ist immerhin der Vater aller möglichen unwahrscheinlichen Allianzen. Hannes Stein hatte ich in meinem Gedächtnis als Autor einer unsäglichen Verteidigung der Knabenbeschneidung in der damaligen Debatte abgespeichert und werde ihn in Zukunft wohlwollender bewerten.
In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, daß Baerbock im Shitstorm um ihre „Meine Wähler“-Äußerung entschieden von Cicero, der Tagespost und den Ruhrbaronen verteidigt wurde und auf der anderen Seite des politischen Spektrums Robert Meyer im ND Politiker der Linken dafür tadelte, daß sie die Grünen mit solchen Videoschnipseln attackieren, anstatt substantielle Kritik vorzubringen.
Ich kenn ihn sonst nicht.
Ja total!
Heissen solche ‚unwahrscheinlichen Allianzen‘ nicht anderswo „Querfront“?
1) Aber es wäre aus irgendwelchen Gründen dramatisch, wenn die Hausaufgaben der Kids auf einem Server in den USA lägen. Wer weiß ob Bill Gates die heimlich liest!
Klar, kann man mit solchen Quatsch-Aussagen den Datenschutz ins Lächerliche ziehen. Fakt ist aber das die Gefahren für die Daten gar nicht richtig abschätzbar sind. Es ist überhaupt nicht klar, wie die Daten von Ausländern auf US-Servern geschützt sind und welche Rechte greifen. Während US-Behörden erst zum Richter müssen um Personendaten von US-Bürgern abzuschöpfen ist das bei Ausländern nicht der Fall. Werden die US-Behörden überhaupt tätig, wenn bei Datenlecks nur Ausländer betroffen sind? Und auch der Datenschutz für US-Bürger ist eine Katastrophe. Persönliche Daten wie Geburtsdatum, Addresse oder Telefonnummer werden verkauft und ohne Einwilliung der betroffenen Person im Internet veröffentlicht (z.B., clustrmaps.com). Einen auf US-Servern gehosteten Kommunikationsdienst zu benutzen erscheint mir so, wie ein aus Nigeria importieres Auto ohne TÜV auf deutschen Strassen fahren zu lassen. Das kann ich vielleicht für mich selber verantworten, ich möchte aber nicht die Grundschüler dort hineinsetzen. Hinzu kommt, dass ja auch gar nicht klar ist, welche Daten Microsoft selber abschöpft (und dann vielleicht verliert, wie bei YAHOO).
Ja, Datenschutz ist meist nervig, aber man sollte auch die Gefahr nicht unterschätzen, die daher kommt, dass Daten heute in sehr großen Mengen wahnsinnig schnell verarbeitet werden können.
Vom Datenschutz abgesehen, wäre es natürlich schöner, wenn mehr Leute OpenSource-Alternativen benutzen würden (wie z.B., BigBlueButton). Jeder closed-source Anbieter arbeitet mit seinen eigenen Protokollen und man kann nur mit Menschen kommunizieren, die die selbe Software benutzen. Es ist doch super, dass ich von meinem Telefon jeden Menschen mit Telefon anrufen, kann egal bei welchem Anbieter ich oder er einen Vertrag haben. Bei Email ging das im Grunde ebenfalls, weil es ein einheitliches Protokoll gibt (jetzt geht es nicht mehr so einfach, siehe Fundstücke c ). Bei Kurznachrichten hat sich ein einheitliches Protokoll schon nicht durchgesetzt und bei Videotelefonie sieht es auch nicht danach aus. Und deshalb muss ich mir MS Teams, Skype, SkypForBusiness, Zoom, WebEx und den anderen Kram auf meinem Computer installieren, obwohl für kleinere Meetings (5 Leute oder so) die OpenSource-Lösungen ebenfalls mittlerweile ganz gut funktionieren.
Die staatlichen Schulen in BaWü benutzen BBB. Danke für deine Hinweise, hast sicher nicht Unrecht.
Das Argument amerikanischer Server zieht hier nicht. Technologisch kommt Ihr die Azure Cloud zum Einsatz, die wiederum in Europa (Amsterdam) betrieben wird. Diese unterliegt europäischen Datenschutz Standards. Es gibt Verträge, die Microsoft dazu anhalten, diese Standard einzuhalten, ansonsten drohen Bußgelder (die sind echt empfindlich da Sie sich auf den Außenumsatz beziehen) bis hin zum Betriebsverbot. Solche Risiken kann sich ein auf Gewinnmargen ausgerichtetes Unternehmen nicht leisten. Insofern wäre hier die Risikoabwägung zu treffen – welchen Nutzwert könnte Microsoft aus der Ablage von Übungsaufgaben und Lösungen der Schüler treffen. Die sind auf komplett andere Daten aus, die sie viel müheloser bekommen und viel größere Nutzwerte generieren.
@Kning4711
Wenn die Daten in Europa bleiben dann besteht das Problem in diesem Fall natuerlich nicht mehr.
Insofern wäre hier die Risikoabwägung zu treffen – welchen Nutzwert könnte Microsoft aus der Ablage von Übungsaufgaben und Lösungen der Schüler treffen.
Es werden ja in Teams neben den Uebungsaufgaben auch sensiblere Daten gespeichert und verarbeitet, wie Chatsnachrichten oder Videokonferenzen.
Ich bin uebrigens ueberzeugt, dass die grossen IT-Anbeiter sehr verantwortungsbewusst mit unseren Daten umgehen, zumindest bei den Services fuer die Kunden bezahlen. Wenn sie das nicht tun, gefaehrden sie ja ihr Geschaeftsmodell. Sowas kann sich aber sehr schnell aendern, wenn ein solcher Konzern in finanzielle Schieflage geraet. Dann wird am Personal gespart, Sicherheitsluecken werden nicht mehr rechtzeitig gestopft und die Gefahr fuer Datendiebstahl steigt. Dann ist es nur gut, wenn (i) bestimmte Sicherheitsstandards gesetzlich vorgeschrieben sind und (ii) auch nur die notwendigen Daten auf den Servern gespeichert werden.
Ja, da bin ich bei dir.
Da sind wir zusammen – insofern wäre es sehr spannend zu wissen, ob für solche Fälle vorgesorgt ist. Angenommen, Microsoft ginge morgen insolvent – könnte man in dem Falle Datenausverkauf verhindern?
1) Lobo ist ein furchtbarer Populist. Hier die Gegenrede von Thilo Weichert:
https://netzpolitik.org/2022/replik-auf-sascha-lobo-datenschutz-ist-unentbehrlich/
Und was dein Schulbeispiel betrifft, so empfiehlt es sich, mal andere Berufsfelder anzusehen, in denen Vertraulichkeitsschutz zum Berufsethos gehört: Anwälte (BeA ist inzwischen auch ein sicheres Dokumentenmanagement) und Steuerberater arbeiten mit MS-Teams etc. – allerdings meistens unter einer fremd administrierten Firmen-Benutzeroberfläche. Damit kann auch ein Privatgerät genutzt werden.
3) In den 80ern hießen die Leute mit solchen Ideen noch Altlinke … heute sind sie schon aus dem ‚PaläoLINKikum‘.
4) Dass jede/r in Erhard das sieht, was er/sie will, ist nix neues. Warum Poschart allerdings den dezidiert Ordoliberalen Dahrendorf heranzieht (auch noch mit ungewöhnlicher Pluralbildung), ist noch viel rätselhafter.
6) Ernsthaft? Ausgerechnet BND (und auch Verfassungsschutz) haben direkte ‚Durchlaufverbindungen zu CIA und GCHQ gehabt. (Eikonal). Aktuell hat sich der BND über die Kontrollgremien hinweg Oktober 2021 die Pegasus Spionagesoftware zugelegt (was bemerkenswert wenig von den klassischen Medien thematisiert wurde, so viel zum Thema ‚Datenschutz-Besessenheit‘). Und der Wirtschaftsminister versucht mit Hilfe des Verfassungsschutzes unliebsame Beamte zu diskreditieren. Wie viel tiefen Staat willst du denn noch?
8) Das ist ein Fehlschluss, der mich immer wieder bei den verschiedensten Leuten (auch ansonsten politisch reflektiert denkenden) ärgert: Entscheidend ist nicht wer etwas tut, sondern was passiert. Wenn Biden oberste Richter entlässt, ist das erst einmal genauso zu bewerten, wie wenn Trump das täte.
f) Leider betrachtet Tooze nur den Faktor Energie. Dass Gas auch als Rohstoff genutzt wird, kommt in seiner Analyse gar nicht vor.
j) Meta: Zum Thema Covid ist Twitter als Quelle in meinen Augen ähnlich wissenschaftlich wie Youtube.
k) Der Artikel ist zwar zu kurz gesprungen (vor allem weil seine Hauptquelle ‚World War Z‘ furchtbar flach ist), aber eines gibt mir schon zu denken: Sehr viele Zombiefilme thematisieren die Verteidigung eines menschlichen Refugiums gegen die heranstürmenden Horden. Vielleicht wäre die ‚Gated community‘ aus ‚Land of the Dead‘ (ein imho empfehlenswerter Film) da als Metapher interessanter.
n) Die betroffenen Bundesstaaten ( speziell Mississippi) sind auch in anderen Aspekten Schlusslicht. Thorsten Haupts hat Schusswaffen erwähnt, ich möchte noch Armutsquote und Bildungsabschlüsse nennen.
z) (eigenes Fundstück) Vielleicht ist jetzt nach dem Tod einer Symbolfigur ein guter Zeitpunkt, die Relikte des britischen Imperialismus (nicht nur in Afrika, auch in der Karibik) aufzuarbeiten: https://www.democracynow.org/2022/9/12/queen_elizabeth_dead_british_colonialism_africa
(Hierzu ein eigener Gedanke: Charles II war der König, der mit der Übertragung von Hoheitsrechten an die Ostindienkompanie diesen Imperialismus in Gang brachte. Es wäre historische Symmetrie, wenn Charles III ihn beerdigt)
k)
aber eines gibt mir schon zu denken: Sehr viele Zombiefilme thematisieren die Verteidigung eines menschlichen Refugiums gegen die heranstürmenden Horden
Ja, ich finde in dem Punkt hat er durchaus recht, auch wenn man die Kritik bedenkt, die es an Begriffen wie Flüchtlingswelle gibt. Sowas trifft bei Zombies ja auch zu, nur sind Zombies eben Zombies und keine Menschen. (und generell in dem ganzen Genre die langweiligsten Figuren ever) und Zombieerzählungen ja schon deutlich älter.
z) Grundsätzlich scheint mir jeder Zeitpunkt richtig, die Kolonisierung von GB aufzuarbeiten. Auch wenn Thorsten natürlich Recht hat und das Commonwealth (schon gar nicht von Charles) aufgelöst werden kann.
Als Symbolfigur wäre er allerdings tatsächlich geeignet, weil durch die größere Kontinuität eben seine direkten Vorfahren mit der Geschichte der Kolonisierung verknüpft sind. Ich glaube das hat nochmal eine andere Wirkung als bei Regierungen, die natürlich die politische Macht haben, aber nur per Bande durch den Staat an sich die Kontinuität drinhaben.
k) Wenn mich meine Kenntnisse nicht täuschen, ging es Romero um eine Kritik am Massenkonsum.
Romero hat diverse politische Subtexte eingebaut. Konsumkritik spielt etwa in „Dawn oft he Dead“ mit dem Schauplatz Einkaufszentrum eine Rolle.
Ja, genau, das meinte ich. Das war ja der erste Zombiefilm.
Diese Ehre wiederum gebührt – von einigen Voodoo-Zombies abgesehen – Romeros „Night of the Living Dead“. Die Titel haben zugegebenermaßen alle wenig distinktive Prägnanz, da ist Verwechslung vorprogrammiert.
Ah!
Ist generell nicht so mein Genre. Hab zwar einiges gesehen, aber Experte bin ich wahrlich nicht.
k) „[…]nur sind Zombies eben Zombies und keine Menschen.“ ist genau der springende Punkt: Sie waren Menschen und das ist auch sichtbar. Aber ihnen fehlt das Menschsein, insbesondere die Fähigkeit, sich zu artikulieren oder generell als Individuum wahrgenommen zu werden. Hinzu kommen noch Ekel (Verfall) und Bedrohung und du hast Ent-Mensch-lichung in Vollendung. Und das macht sie in meinen Augen zu einer radikalen Metapher für Gräuelpropaganda, Rassismus oder andere -ismen, wo es auch darum geht, den anderen ein Stück weit zu entmenschlichen.
Zitat cimourdain:
„Charles II war der König, der mit der Übertragung von Hoheitsrechten an die Ostindienkompanie diesen Imperialismus in Gang brachte.“
Und das erste Karlchen wurde geköpft. Damit muss Charly III wahrscheinlich nicht rechnen, auch dann nicht, wenn die Antimonarchisten zum Zuge kommen sollten. Die gab’s damals bei den beiden Charlys bekanntlich auch schon, und zwar – zeitweilig – erfolgreich und ’n bissle robuster als heute^.
Was die Kompanie betrifft, war für die erste Privilegierung („Queen’s Aproval“) ja noch Elsbeth eins zuständig. „Gewerbefreiheit“ oder so was gab’s natürlich nicht, eher einen frühen Staatskapitalismus, d.h. die Obrigkeit war immer notwendig dabei, auf die genaue juristische Konstruktion kommt es gar nicht an.
Nach der Namensgleichheit-Logik wäre also die zweite Lilibet aus diesem Grund bis vor Kurzem an dieser Stelle aufarbeitungsmäßig gefragt gewesen. Auf diese Idee muss man aber erstmal kommen. Indem die heutigen Monarchen, also Alleinherrscher:innen (lol), im Gegensatz zu ihren Namensvettern und -basen von anno dunnemals aus dem Politikbetrieb entfernt sind, ist das aber gar nicht möglich.
Zitat:
„Es wäre historische Symmetrie, wenn Charles III ihn beerdigt.“
Die Beerdigung hat schon längst stattgefunden. Nach dem Vorbild der Lautsprecherdurchsagen am Bahnhof könnte natürlich ne Art „Entschuldigung“ (namentlich für die Verspätung) kommen, was „Aufarbeitung“ ansonsten heißen soll, erschließt sich mir nicht. Im Grunde müssten sich dann alle Politiker:innen dieser Welt permanent wechselseitig entschuldigen (genauer: um Entschuldigung bitten). Man käme aus Aufarbeitung gar nicht mehr raus, ständig gibt’s was Neues zum aufarbeiten. Auf die Frage „wo sind eigentlich die Guten?“ gibt’s leider keine gute Antwort^.
Die Inder könnten ja zur Strafe aufhören Cricket zu spielen, tun die aber nicht; ist dortzulande viiiiiiiel populärer als auf der Insel; ein Exportschlager der Kompanie, der immer erfolgreicher wird.
https://en.wikipedia.org/wiki/Cricket_in_India
Besagte Kompanie wurde indes schon vor ca. 150 Jahren offiziell aufgelöst, sprich: Die drückenden Schulden hat der Staat übernommen; diese unter „Liberalen“ beliebte Form des Kapitalismus gibt’s auch schon lange^. 1947 war auch staatlicherseits der Fall dann endgültig erledigt, u.a. durch Gandhi, der Hitler als seinen Freund zu bezeichnen beliebte.
Falls Karl drei heutzutage mit seinem Land Rover rumfährt, hat er immerhin indisches Kapital unterm Hintern. Im Falle Rolls deutsch-bayerisches, im Falle Bentley eine Art Volkswagen. Mehr Strafe geht eigentlich nicht. Da sieht man, was aus der alten Herrlichkeit geworden ist.
SO viele Punkte, ein paar fast diskussionswürdig:
Antimonarchisten: Da sind die speziellen Antimonarchisten (die genau einen speziellen König loswerden wollen) nochmal robuster als die allgemeinen. Gegenüber dem Ende von Edward II beispielsweise wirkt Charles I Enthauptung wie von einem protestantischen Gebetskränzchen veranstaltet.
Namensgleichheit: Ist wirklich bei der ständigen Wiederholung eine schwere Bürde. Auch William V müsste nach dieser Logik wieder mal die Skandinavier von der Insel vertreiben – mittels eines einheitlichen Grundbuchs. Andrew I wäre diesbezüglich unvorbelastet – hat dafür für die Vorbelastung selber gesorgt.
Kricket: Hat viel zu viel Eskalationspotential, als dass man darüber Witze machen sollte: https://www.buecher.de/shop/science-fiction/doctor-who-and-the-krikkitmen/adams-douglas-goss-james/products_products/detail/prod_id/49101426/
Gandhi: Irgendwie klingt „hat alles und jeden mit ‚Mein Freund‘ angeredet“ nicht so spektakulär wie „Hat A.H. mit ‚Mein Freund‘ angeredet“… In diesem Sinne: „Wirtschaftsministerium gewährt Robert Habecks Schwager im September 300 € Energiepauschale.“
Auto: Bleibt noch der britische Hoflieferant Aston Martin. Notfalls kann sich Charles sogar das aufgemotzte Modell seines hochgradig dienstwagenprivilegierten Angestellten nehmen. Außerdem wäre bei Tata – Land Rover auch die Marke Jaguar zu erwähnen, einfach weil es schön ist, mal von einem Motorfahrzeug zu hören, das nach einer Raubkatze benannt ist, aber keine Geschützlafette hat.
1) „Populist“ finde ich falsch. Ich habe nicht umsonst „Polemiker“ geschrieben.
6) Wie kommst du auf die Idee, dass ich mehr „tiefen Staat“ will?
8) Meine Rede.
f) Als Rohstoff für was?
k) Kenn ich beide nicht, ich schau mal danach. Danke!
n) Die red states sind generell Schlusslicht.
z) Zustimmung, aber ich bin pessimistisch.
1) Ich habe Populist bewusst geschrieben: Er verschweigt die Komplexität des Problems und gibt dafür einen Sündenbock (Datenschutz) vor. Auf die zugrundeliegende Wirklichkeit (um welche Regulierungen geht es konkret) geht er nicht ein, sondern sagt nur „Wegen (dem Sündenbock) gibt es keine Belohnung (Kekse)“. Das ist für mich so populistisch argumentiert, dass man es auch benennen kann. Poschart weiter unten betriebt dagegen eher Polemik. Nicht dass solche Details eine Rolle spielen, wir meinen die gleiche Rhetorik.
6) Gar nicht, deswegen wundert es mich, dass du auf das Gejammer eines CIA-Offiziers eingehst.
f) Vor allem Ammoniak (Haber-Bosch-Verfahren), einer der wichtigsten chemischen Grundstoffe – für Düngemittel, Salpetersäure oder Harnstoff(AdBlue) etc. notwendig.
1) Ich verstehe glaube ich unter Populismus einfach was anderes, aber ich bin bei der Ähnlichkeit bei dir.
6) Ich finde es schon relevant, ob die Geheimdienste funktionieren oder nicht.
@ cimourdain 20. September 2022, 10:19
6) Ernsthaft? Ausgerechnet BND (und auch Verfassungsschutz) haben direkte ‚Durchlaufverbindungen zu CIA und GCHQ gehabt. (Eikonal).
Das Vertrauen angelsächsischer Dienste in deutsche Aufklärungsarbeit ist nicht hoch. Es gibt aber zwischen den angelsächsischen Diensten einen Zusammenschluss und überaus intensiven Austausch („Five Eyes“, USA, Kanada, UK, Australien und Neuseeland). Von den Deutschen wird alles genommen, aber ihnen wird nur stark gefiltert geliefert.
https://de.wikipedia.org/wiki/UKUSA-Vereinbarung
Und die Begründung dafür haben wir ja in dem Interview.
Dazu muss man allerdings auch noch eines sagen. Die CIA, von der SIpher kommt, hat erstmal mit den five-eyes-Abhördiensten nichts zu tun. Das Gebiet dieser Organisation ist eher Unterhalt von Black Sites, Verschwindenlassen von Personen, Drogenhandel, Destabilisieren von Staaten durch Desinformation, solche Sachen eben.
… die Relikte des britischen Imperialismus (nicht nur in Afrika, auch in der Karibik) aufzuarbeiten …
??? Das einzige Relikt besteht im Commonwealth, ein sehr loser Zusammenschluss souveräner (!) Nationalstaaten. Warum soll ausgerechnet der praktisch völlig machtlose britische Monarch diesen – dann gegen den Willen der Betreiligten – auflösen? Das kann und darf er nicht einmal, das könnte gegebenenfalls allenfalls die demokratisch legitimierte britische Regierung.
Gruss,
Thorsten Haupts
Dann sehen Sie noch ein zweites Mal hin: Es gibt immer noch 14 britische Überseegebiete, von Gibraltar über die Turcs-Inseln bis zum Antarktis-Tortenstück. Des Weiteren drei direkte Kronländereien (Kanalinseln). Außerdem ist Charles nominelles Staatsoberhaupt in 14 weiteren (eigentlich) souveränen Staaten.
Das Commonwealth ist ausdrücklich eine Vereinigung, deren Zweck ausdrücklich die ‚Treue zur Krone‘ ist. Insofern wäre die hypothetische Frage interessant, ob diese Vereinigung durch ebendiese Krone aufgelöst werden könnte. Zumindest müsste sie sich ein neues Ziel suchen.
Mir ist erstens von Unabhängigkeitsbestrebungen der noch existierenden Überseegebiete überhaupt nichts bekannt. Wenn es keine gibt, wollen Sie die dort Lebenden zur Unabhängigkeit zwingen?
Und was zweitens das Commonwealth angeht – offenbar sind die dort zusammengeschlossenen souveränen (!!!) Staaten mit dem Zustand zufrieden. Andernfalls können sie mit einem Federstrich austreten. Warum zur Hölle soll das ausgerechnet der amtierende britische Monarch anstossen??? Das ist nicht Dekolonialisierung, das ist albern.
Gruss,
Thorsten Haupts
Es ist sehr unterschiedlich. Die Chagos-Insulaner kämpfen schon lange um ein Rückkehrrecht auf ihre Insel und die Zugehörigkeit zu Mauritius. Barbados hat erst vor einem Jahr die Monarchie abgelegt. Andere Gebiete sind unbewohnt (Südgeorgien) oder reine Militärbasen (Akrotiri) und werden auch von anderen Staaten beansprucht.
Auch mit dem Commowealth ist das so eine Sache: Pakistan ist je nach politischer Wetterlage mehrfach aus- und wiedereingetreten.
Aber vor allem passt es nicht in mein Bild eines modernen souveränen Nationalstaates wie Kanada oder Australien, wenn dessen Staatsoberhaupt und oberster Repräsentant ein fremder König ist. Da spielt natürlich die Gewöhnung eine Rolle. Und deshalb ist dieser Moment, wo die Kontinuität sowieso unterbrochen ist, diese Gewohnheit in Frage zu stellen.
Und natürlich gibt es noch die Symbole: Neuseeland etwa hatte 2016 versucht, sich per Referendum eine eigene Flagge zu geben.
Aber vor allem passt es nicht in mein Bild …
Habe ich schon bemerkt. Ist nur in der Sache völlig irrelevant – Sie sind nicht Einwohner eines Commonwealth-Landes.
@cimourdain
From the perspective of a loyal subject (at least nominally) of His Majesty In Right of Canada:
No one cares about your view of a „modern sovereign nation“ and whether the monarchy can be part of that or not.
And whatever „continuity“ you’re talking about, it certainly didn’t get „broken“ because a generally popular and long reigning monarch passed away at the age of 96, with a clear and undisputed successor in place..
Canada gave itself a new flag to replace the red ensign in the 1960’s – and absolutely nothing happened re its membership in the Commonwealth and the monarchy.
Getting a bit touchy ? Here we are regulary discussing the politics of other countries like the USA, China or Afghanistan . And sometimes we use the terms of political philosophy – like souvereignty or legitimating ideology. And perhaps some other canadian citizens see things a little different than you:
https://globalnews.ca/news/9133546/queen-death-monarchy-canada-ipsos-poll/
Arrogant nonsense from people that have nothing to do with the subject at hand tends to do that to me.
Some „other Canadian citizens see things a little different“ than me? Oh no! [bites fist]. I am sure other German citizens see things a little different than you at times as well. And if you had bothered to read the article about that survey a little more closely you would have noticed that the final conclusion was that most Canadians simple don’t care deeply about the monarchy either way – and that abolishing it is nowhere in sight.
„[…]most Canadians simple don’t care deeply about the monarchy either way“ but you, Johnson care, not only about the person of the passed monarch [Thank god i haven’t started insulting her], but also about the monarchy itself. So instead of being all-defensive, why don’t you give me your reasons in favour of the monarchy.
Is it a personal or emotional attachment ? That part I have to respect. We were recently discussing [quite excessive] how some germans felt the need to defend books they read decades ago in their youth. And the representant of a nation is a bit more important than this triviality.
Is it some pragmatic argument like continuity? This we can discuss normally – with arguments, examples and that stuff.
Or is it some abstract idea behind it ? I only saw the monachic principle of ‚ius sanguinis‘ or bloodline birthright and that brought me to the conclusion that it hardly befits a modern nation.
First off, I am not sure why you would feel the need to „start insulting“ the recently passed Queen.
Second, I don’t have a personal attachment to the monarchy. Mainly because I have never met any member of the royal family in person. 🙂
Finally, I actually care very little about the fate of the monarchy in Canada. Even if it were abolished tomorrow there would be no discernible impact on my personal life and/or probably that of most other Canadians, except of course the Governor General and the various Lieutenant Governors. 🙂
Just like I am sure the lifes of the vast majority of the people of Barbados didn’t get impacted one iota by abolishing its ties to the monarchy.
@ cimourdain 23. September 2022, 10:30
… why don’t you give me your reasons in favour of the monarchy.
let me try
There is another Canadian (Prof. Jordan Peterson) who supports constitutional monarchy. He’s looked at Donald Trump, who rose to fame as a businessman, rose to fame as a television star, and then became President of the United States (which is closer to an absolute ruling monarch than anything else). It’s „too much glory“ for a normal person, who could easily think everything he’s thinking is right and therefore only surround himself with people who only tell him what he wants to hear.
In Britain, glory was divided between the Queen (or now the King) and the Prime Minister – with the better end for the monarch; the Prime Minister has to go to Buckingham Palace once a week to confess.
When youngster Tony Blair went on his first visit to the Queen and introduced himself by saying that he was now the new Prime Minister and that he expected them to get along well, Elizabeth replied that she didn’t expect any problems with him either; after all she got along well with Winston Churchill, too. Blair straightened that out a bit.
I give you a reason for the monarchy: a majority of Brits view the expenditure for this tradition as justified and support it. The moment that a siezable majority of Brits opposes the monarchy, it is in dire straits. Not before. Ironically, it’s a democratic majority that keeps the Royals around.
Danke sehr für den tollen Post;)
1) Eine Reflektionsfrage: Wie vielen von euch, die ihr über deutschen Datenschutz und das Bundesverfassungsgericht diskutiert, ist in diesem Zusammenhang klar, dass die DSGVO eine Verordnung der Europäischen Union ist? So wie es aktuell auch der EuGH ist, der den deutschen Gesetzgeber i.S. Vorratsdatenspeicherung zurückgepfiffen hat.
@ cimourdain 21. September 2022, 16:27
Eine Reflektionsfrage: Wie vielen von euch, die ihr über deutschen Datenschutz und das Bundesverfassungsgericht diskutiert, ist in diesem Zusammenhang klar, dass die DSGVO eine Verordnung der Europäischen Union ist?
Ist mir bekannt: Europäische Vorgabe, die im gewissen Rahmen national angepasst wurde.
Anfang 20. Jh. diente das Pflastern noch dem Kampf gegen den Schlamm. Noch in meiner Kindheit waren „Galoschen“ (Überschuhe) üblich. Jetzt geht es um ein erträgliches Stadtklima in den kommenden Hitzesommern.
Die Schwerpunkte identifizieren ist ein Instrument, das Gesamtziel zu erreichen. Wie die 80:20-Methode. Der Verkehr hat halt einen relevanten Anteil. Wenn der woanders kompensiert werden kann – okay. Ich sehe nur nicht, wo.
Schauen Sie sich um. Dort, wo verkehrsberuhigt wurde, ging die Versiegelung nicht zurück. Sie blieb. Und das ist auch nachvollziehbar.
Versiegelung ist ein schlechtes Argument.
Korrekt. Aber es geht ja nicht um Gehwege. Es geht um Parkplätze. Die sind das Problem.
Ich denke wir brauchen hier nicht mehr zu diskutieren. Das Elektroauto wird kommen – es ist politisch gewollt und die Automobilindustrie richtet sich bereits darauf aus. Die Zuliefererketten werden auf das neue Anforderungsprofil umgestellt.
Die Debatten sind nur noch Scheingefechte, um die Stakeholder zu befriedigen. Alle großen Hersteller satteln auf E-Antriebe um, ohne Ausnahme.
Wir ersetzen zwar damit nur ein bestehendes Problem durch neue Probleme (Lithium-Abbau, Entsorgungsprobleme, Ressourcenverschwendung), aber so ist es nuneinmal. Der größte Knackpunkt bleibt unbearbeitet. Nur 5 % seiner Lebenszeit wird ein Auto im Schnitt bewegt. Wenn wir es schaffen könnten, Konzepte zu entwickeln, die hier ansetzen, würden wir deutlich Fahrzeuge und den notwendigen Abstellplatz für diese Blechboliden einsparen können.
Gleichsam wäre eine techologische Innovation, die in der Lage wäre bestehende KFZ CO2 Neutral weiterlaufen lassen zu können, der absolute Gamechanger – es würde die Notwendigkeit für Neuanschaffungen drastisch reduzieren. Das Ziel muss sein weniger Autos mit geringeren Emissionen, nicht die gleiche Anzahl Autos mit weniger Emissionen.
Das E-Auto kommt, weil die Politik es mit Verboten, Richtwerten und hohen Subventionen erzwingt. Auch in China ist die Entwicklung zum BEV politisch erzwungen. Mit Markt hat das nur begrenzt zu tun.
In den Großstädten ist ein Auto oft nicht mehr sinnvoll, zu hoch sind die Fixkosten. Zwar boomen Car Sharing Modelle. Untersuchungen jedoch belegen, dass sie Autobesitzer meist nicht zur Aufgabe des eigenen Vehikels bringen. Es scheint also selbst unter so optimalen Bedingungen für den Verzicht Gründe zu geben, trotzdem am eigenen Fahrzeug festzuhalten.
Der Grund ist einfach – Bequemlichkeit und die Angst in dem Moment wo man dringend ein Fahrzeug benötigt keines zu haben.
Ich selber habe in meinem Haushalt 2 PKWs, an 6 Tagen die Woche würde 1 PKW ausreichen – ein Tag aber sind zwei Fahrzeuge notwendig. Ich will für diesen Tag nicht zum Car-Sharing Platz in rund 1km Entfernung laufen um das Fahrzeug zu holen. Hier leiste ich mir bewusst einen Luxus. Mache ich aber auch, weil das 2. Fahrzeug zwar schon 10 Jahre alt, aber noch in Schuss ist. Wird es irgendwann kaputt gehen, werde ich diese Frage neu bewerten.
Bei mir ist es die mangelnde Infrastruktur. Wir haben nur ein Auto, aber technisch gesehen ist eigentlich selbst das unnötig – vorausgesetzt, es gäbe guten und günstigen ÖPVN. Aber das ist leider nicht gegeben. Ich hab auch kein Carsharing in der Nähe. Ländliche Regionen und so, wir hatten es ja schon.
Nein, das zeigen die Befragungen nicht. Die meisten Großstadtbewohner sehen Car Sharing als Add-on.
Wir haben seit über 10 Jahren nur ein Auto. Mein letztes habe ich vor 15 Jahren gekauft. Seit langem fahre ich nur Leasing, Abo oder Firmenwagen. Die Kapitalbindung ist mir schlicht zu hoch, von zwei Autos ganz zu schweigen. Selbst auf dem Land lässt sich das aufteilen. Ein Auto für einen Tag zu halten, ist zumindest ökonomischer Wahnsinn und erklärt Ihre Einstellung. 🙂
Dienstwagenprivileg @ work 😀
Leasing, Abo oder Firmenwagen
Wo erkennst Du da ein Dienstwagenprivileg? Das ist eine Aufzählung. Mein Dienstwagenprivileg erkenne ich jeden Monat an der Gehaltsabrechnung. Da geht jedesmal ein hoher dreistelliger Steuerbetrag von meinem Einkommen ab. Hinzu kommt der Einkommensverzicht.
Ich habe Vorstände, bei denen einige keinen Firmenwagen haben. Sie verzichten offensichtlich sogar freiwillig auf das Privileg. Ich fahre jeden Monat 1-2 mal nach München oder Hamburg, also 400-450 km einfache Strecke. Dazu regelmäßige Fahrten nach Mannheim (130 km). Statt mir nur 0,30€ pro Kilometer zu erstatten, was bei den derzeitigen Preisen nicht viel mehr als die reinen Benzinkosten deckt, übernimmt mein Arbeitgeber die vollen Kosten. Wir sind uns hoffentlich einig, so soll es sein. Der Arbeitnehmer sollte nicht den Arbeitgeber subventionieren. Am Wochenende fahre ich kaum, jedenfalls keine weiten Strecken.
Ich suche da noch das Privileg. Aber Du wirst sicher fündig. 😉
Genau das. Der Individualverkehr ist ein Auslaufmodell, aber das wird bis zur großen Krise verdrängt.
@ Kning4711 21. September 2022, 20:01
Nur 5 % seiner Lebenszeit wird ein Auto im Schnitt bewegt. Wenn wir es schaffen könnten, Konzepte zu entwickeln, die hier ansetzen, würden wir deutlich Fahrzeuge und den notwendigen Abstellplatz für diese Blechboliden einsparen können.
Ja, aber …
Diese 5 % fallen bei den meisten Menschen auf die gleichen Zeiträume
Die gilt aber auch z. B. in Dänemark, wo das E-Rezept längst Alltag ist. Wo über eine einzige Personen-Nummer Steuern, Sozialversicherung und andere staatliche Dienste geregelt werden.
Heute vormittag im Deutschlandfunk wurde die Lage in Deutschland dargestellt. Die Behörden für Wohngeld, Kindergeld, BaföG usw. können auf dort vorhandene Daten nicht zugreifen bzw. dürfen das nicht. Aktuell das Debakel mit der Grundsteuer. Das alles ist nicht der DSGVO anzulasten.
Jepp.
Hier der genaue Hintergrund, welche Melange aus Lobbyinteressen und Bequemlichkeit und institutionellen Blockaden beim E-Rezept am Werk war:
https://www.zeit.de/digital/datenschutz/2022-08/e-rezept-einfuehrung-digitalisierung-datenschutz/komplettansicht
Zum Punkt „Belastung der künftigen Generationen“:
An meinem Beitrag Auto vs. ÖV wurde zu Recht kritisiert, dass ich den Kosten nicht den Nutzen gegenübergestellt hatte. Macht man nicht mit einer überstrengen „Schuldenbremse“ nicht den gleichen Fehler?
Mein Überlegung: Die Gegenwart ist die Zukunft von gestern. Aus der Perspektive unserer Eltern sind wir „zukünftige Generation“. Wir profitieren von Investitionen, die jene getätigt haben und leiden unter denen, die sie unterlassen haben. So wird es auch unseren Kindern gehen.
Was und wieviel ist sinnvoll? Darauf müsste sich mMn die Diskussion fokussieren, nicht bloß auf die Zahlen. Auch eine niedrige Schuldenquote kann schlecht sein, wenn das Geld verpulvert wurde.
Sehr guter Punkt.
@ CitizenK 22. September 2022, 20:04
An meinem Beitrag Auto vs. ÖV wurde zu Recht kritisiert, dass ich den Kosten nicht den Nutzen gegenübergestellt hatte. Macht man nicht mit einer überstrengen „Schuldenbremse“ nicht den gleichen Fehler?
Ist nur schwerlich miteinander vergleichbar.
Mein Überlegung: Die Gegenwart ist die Zukunft von gestern. Aus der Perspektive unserer Eltern sind wir „zukünftige Generation“. Wir profitieren von Investitionen, die jene getätigt haben und leiden unter denen, die sie unterlassen haben. So wird es auch unseren Kindern gehen.
Die Theorie stimmt. 🙂
Ich habe auch keine grundsätzlichen Einwände gegen staatliche Investitionen. In der Praxis ist es aber so (nur meine Wahrnehmung), dass der Staat Einnahmen hat, denen Ausgaben entgegenstehen. Würden sich die Aufgaben nicht ändern, müsste der Staat nur für einen Inflationsausgleich sorgen. Nun hat der Staat über die letzten 20 Jahre ein Plus an Steuereinnahmen erwirtschaftet, dass DEUTLICH über dem Inflationsausgleich liegt. Dennoch fehlt dem Staat an allen Ecken und Enden Geld.
Mögliche Erklärungen sind:
• unser Staat verkonsumiert zu viel, so dass zu wenig Geld für Investitionen bleibt (in Wahrheit reicht es ja nicht mal zum Unterhalt der vorhandenen Investitionen)
• unser Staat verschleudert Geld, etwa durch zunehmende Ineffizienz.
• unser Staat erweitert ständig seinen „Aufgabenbereich“ (= er pumpt mehr als den Inflationsausgleich durchhöhere Steuereinnahmen in den Unterhalte der Bürger).
Wenn Du alljährlich zwischen 2 und 5 Prozent Gehaltserhöhung über den Inflationsausgleich hinaus bekommst, hast Du nach 20 Jahren eine Kaufkraftsteigerung von 60 Prozent. Wenn Du dann nach 20 Jahren für eine neue Waschmaschine einen Kredit aufnehmen musst, hast Du was falsch gemacht (selbst wenn es sich um eine Miele handelt, die Du neben den noch laufenden Krediten weitervererben kannst). Dein Nachwuchs wäre besser dran, wenn Du stattdessen etwas zusammengespart hättest.
Ja, ich weiß, dass das Kind bereits im Brunnen liegt – ist kein Grund, ein anderes hinterher zu schmeißen.
@CitizenK
Sie finden keine Kriterien und keine Abgrenzung. Das ist das Eine. Maßlos haben Sie Schuldenaufnahme für alles gefordert, was Sie angeblich nicht wollen, aber dann doch tun. Eben z.B. zu normalen Instandhaltungsaufwendungen. Für Konsumausgaben. Eben für alles.
Das andere ist, dass Sie selbst im Angesicht schlechter Beispiele ziemlich wenig Probleme mit wachsenden Schulden haben. Frankreich hat binnen 10 Jahren und praktisch ohne Not seine Staatsfinanzen ruiniert, so dass sie von niedrigen Zinsen und eine großzügigen Regelauslegung abhängig sind. Das Land hat seine zukünftige Prosperität geschädigt, obwohl sie aufgrund der jüngeren Gesellschaftsstruktur bessere Perspektiven hatten. Von Italien reden wir lieber nicht, Japan steckt seit 30 Jahren in einem Mehltau.
Und dann gibt es die Ökonomen, die mit spitzem Bleistift ziemlich emotionslos rechnen. So die Beamten des Bundesfinanzministeriums. So die Prüfer des Bundesrechnungshofs. So Sozialökonomen wie Raffelshüschen. Sie kommen alle zu dem gleichen Fazit: Schon jetzt ist Deutschland in einer dramatischen finanziellen Lage, wenn man die relativ kurzfristige Perspektive von 20-25 Jahren betrachtet. Aufgrund der rasanten Alterung der Bevölkerung drohen die Sozialsysteme zu kippen und der Finanzminister mit dramatischen Steuerausfällen konfrontiert zu werden. Dies noch durch weitere Ausgabenprogramme wie die vergangenen 3 Jahre für weitere 5 Jahre fortzusetzen, droht Deutschland zu einem weiteren Italien in der EU zu machen. Absurd? Das dachten die Franzosen ja auch mal. 10 Jahre später sind sie da, wo die Italiener 2008 waren.
Die Frage ist doch: Was haben Franzosen und Italiener mit dem Geld gemacht? Und warum wird diese Frage erst gar nicht gestellt?
Vielleicht hilft historische Distanz: Wären – mit Verweis auf die Belastung künftiger Generationen die U-Bahnen in London, Paris oder New York nicht gebaut worden – die Städte würden nicht mehr funktionieren. Oder die Kanalisationen – Cholera-Epidemien wie in London und Hamburg würden immer noch menschliches Leid und ungeheure volkswirtschaftliche Kosten verursachen.
Auch hier gab es keine harten Kriterien zur Abgrenzung. Keinen Investitionsplan mit Rückzahlungsraten. Und trotzdem gibt es keinen Zweifel, dass diese Projekte „sinnvoll“, ja: notwendig, waren.
Interessant wäre, wie diese Projekte finanziert wurden. Weiß jemand hier mehr darüber?
Wieso ist das eine relevante Frage? Das ist eine Frage, die Sie oft stellen. Sie stellen aber nicht die Frage, wohin es führt. Schulden, die die Prosperität dauerhaft schädigen, sind falsch. Jedes Land, dass länger hohe Schulden tragen muss, hat erhebliche Wachstums- und damit Entwicklungsprobleme. Und wir können sicher sein: alle hatten gute Begründungen für die Schuldenaufnahme.
Die Erfahrung ist: Auf staatlicher Ebene werden Schulden im Schnitt zur Hälfte und mehr für Konsumausgaben aufgenommen, also solche Ausgaben, die zur Finanzierung für Sozialtransfers und Erhaltungsaufwendungen notwendig sind. Ökonomen wissen, dass das unseriös ist und nach ein bis zwei Jahrzehnten stellt sich ja auch das Ergebnis ein.
New York und Paris mussten auch mal ihre öffentlichen Finanzen hart restrukturieren – mit entsprechenden Problemen. die Sache mit einmaligen Ausgaben ist, die Argumentation kann nur einmalig gezogen werden. Wir haben einmalig die Hochschulen ausgebaut. Noch einmal höhere Schulden mit der Sanierung der Hochschulen zu begründen, ist unseriös.
Die Experteneinschätzung der Beamten im Bundesfinanzministeriums und des Bundesrechnungshofs, die dem Gemeinwohl verpflichtet sind (eines Ihrer Lieblingsworte), zählt für Sie anscheinend nichts. Ich habe schon nicht das IW, ifo und weitere Think Tanks angeführt. Ich kann es auch so zusammenfassen: von Ökonomen halten Sie generell wenig. Wenn Ihnen ein Ökonom sagt, aufgrund der Berechnungen sinkt die Titanic in 1 Stunde, würden Sie darauf verweisen, dass sie in den letzten 20 Stunden sicher gefahren sei.
Ich denke das wesentliche ist der Investitionsfokus – Staatsschulden in Infrastruktur die über die Tilgungszeit eine Rendite bringt, die über den Kosten liegt, ist sicherlich sinnvoller, als Staatsschulden für Konsumausgaben.
Insofern halte ich Schuldenmachen für bessere Schulen, bessere Universitäten, bessere digitale Infrastruktur oder ÖPNV für sinnvoll und gerechtfertigt.
Da nach kreativen Bezuschussungsmodellen gefragt wurde: In Australien, als die Baukosten für das Sydneyer Opernhaus explodierten, wurde ein Teil der Mehrkosten über eine Lotterie eingespielt.
Staatsschulden in Infrastruktur die über die Tilgungszeit eine Rendite bringt, die über den Kosten liegt, ist sicherlich sinnvoller, als Staatsschulden für Konsumausgaben.
Klar. Das ist aber eine ökonomische, keine politische Rechnung. Und da fangen die Probleme an. Da die politische Opportunität immer die ökonomische Vernunft dominiert, ist Selbstfesselung das Vernünftigste. So etwas wie die Schuldenbremse etwa.
1990 hatte Deutschland den Idealzustand für Investitionsbedarfe. Eine völlig heruntergewirtschaftete Volkswirtschaft wurde übernommen, gleichzeitig existierte eine hohe Bereitschaft, höhere Belastungen zu tragen. Das Ergebnis:
1990 lagen die Staatsschulden bei 0,5 Billionen Euro. Als die Wiedervereinigung zehn Jahre später abgeschlossen war, hatten sie sich auf 1,2 Billionen Euro mehr als verdoppelt, 2010 waren es dann schon 2,0 Billionen Euro. Es gibt Studien, die die gesamten Wiedervereinigungskosten mit 1,1 – 1,2 Billionen Euro beziffern, also das Gros der Staatsschuld 2010. Und diese Studien sagen, dass etwas mehr als 50% der Darlehen in die Finanzierung von staatlichen Konsumausgaben gegangen sind: Arbeitslosengeld, Kindergeld, Löhne des öffentlichen Dienstes, sonstige soziale Leistungen.
Unter nahezu idealtypischen Bedingungen verwendet der Staat das Gros von Kreditaufnahmen für Ausgaben, die aus Steuern und Abgaben finanziert werden müssen. Unter nicht idealtypischen Bedingungen sind es weit mehr, was die EU-Hilfen für die Südländer beweisen. Das Gros der Hilfen ersetzt normale Haushaltszahlungen. Und das führt zwangsläufig in die Überschuldung, aus der sich Staaten nicht mehr lösen können. Wie gesagt, Frankreich hat sich darin in Rekordgeschwindigkeit gefangen.
Bessere Universitäten? Die Unis, wo ich studiert habe, wurden wie erwähnt in den Siebzigern topsaniert. Mit Krediten. In den Achtzigern fehlte dann das Geld und die Unis waren heruntergekommen. Was ist da die Lösung? Kaum Kreditfinanzierung! Wenn der ÖPNV kostenlos sein soll, kann dies nur über Steuern und Kürzungen an anderer Stelle erfolgen. Den Ausgaben für die Subventionen stehen ja eben keine Einnahmen an anderer Stelle, auch nicht in der Zukunft gegenüber.
Wo die Eigenmittel herkommen, ist dem Ökonomen eigentlich zweitrangig. Und wenn es eine Lotterie ist.
@ CitizenK 23. September 2022, 06:11
Vielleicht hilft historische Distanz: Wären – mit Verweis auf die Belastung künftiger Generationen die U-Bahnen in London, Paris oder New York nicht gebaut worden – die Städte würden nicht mehr funktionieren. Oder die Kanalisationen – Cholera-Epidemien wie in London und Hamburg würden immer noch menschliches Leid und ungeheure volkswirtschaftliche Kosten verursachen.
Deine Frage zielt am Problem vorbei. Es geht nicht darum, die Investitionen abzulehnen. Es geht darum, dass diese Investitionen auch ohne Schulden möglich wären, wenn der Staat nicht dauern seine konsumptiven Au
fsgaben ausweiten würde. So chafft der Staat nicht mal den Erhalt der vorhandenen Infrastruktur.zu 7)
Wie oft ich gelesen habe, dass das Rezept gegen Rechtsextremismus „bessere Bildung“ sei, ist unüberschaubar. […] Ich erkläre meinen Schüler*innen nicht umsonst beim Thema Erörterung, dass Faktenargumente zu den schwachen Argumentarten gehören. Sie überzeugen niemanden.
Da gehe ich nicht mit Dir mit.
Dass Fakten niemanden überzeugen und grundsätzlich schwächer sind als Emotionen, stimmt aus meiner Sicht nicht. Es ist nur so, dass sich unterschiedliche Gruppen von Menschen – und oft hat das mit dem Bildungshintergrund und der Art des Berufs zu tun – von unterschiedlichen Argumentationsmustern angezogen fühlen. Während des Peaks der Covid19-Pandemie explodierte z.B. nicht nur die Zahl der Verschwörungsgläubigen, sondern parallel wuchs auch die Hörerschaft von Christian Drostens Qualitätspodcast „Das Coronavirus Update“ exponentiell, was den Podcast zum meistgehörtesten Podcast Deutschlands und den zuvor obskuren Virologen zum gefeierten Superstar machte.
Und Bildung ist absolut das beste Mittel gegen Rechtsextremismus. Egal wo man hinschaut – Donald Trump, Brexit, AfD – stets sind es die Geringgebildeten und Bildungsfernen, die als Gruppe verstärkt rechtsextrem wählen. Bildungsstatus ist z.B. ein deutlich besserer Predictor dafür, ob jemand 2016 in den USA Trump gewählt hat als Geschlecht, Einkommen oder Parteizugehörigkeit. Das Problem mit dem Bildungsargument ist nicht, dass Bildung nicht gegen Rechtsextremismus helfen würde, sondern dass Bildung eben nur sehr langfristig wirkt (-> die Effekte sehen wir in der nächsten Generation) und dass kein plausibles Szenario existiert, wie man den Skinhead in Dresden oder den radikalisierten Wutbürger in Mannheim denn nun „bilden“ sollte, jetzt wo das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist.
Und noch ein Punkt zur Bildung: Bildung meint nicht das Auswendiglernen von Formeln, Vokabeln und Jahreszahlen, sondern die Fähigkeit dieselbigen zu verstehen, anzuwenden und einzuordnen. Gerade das wird insbesondere im bürgerlichen Spektrum oft sehr missverstanden, wo es als Auszeichnung gilt, wenn jemand weiß, wer in welchem Jahr welche Schlacht im Mittelalter gewonnen hat. Mit solchem Wissen gewinnt man möglicherweise einen Preis in Günther Jauchs Quizsendung (gibt’s die noch?), aber man wird so nicht zu einem selbständigen, kritischen Bürger. Wer hingegen in der Schule und später auch im Beruf argumentativ herausgefordert wird und lernt Fakten einzuordnen und zu interpretieren, mit Fakten zu argumentieren und Auseinandersetzungen auf der Basis von Fakten zu gewinnen bzw. zu verlieren, der weiß auch im Lebensalltag Fakten zu schätzen. Zumindest würde ich das behaupten. Ziel sollte es also sein, genau diese Fähigkeiten früh aufzubauen und während des gesamten Berufslebens zu erhalten und zu stärken – gerade in einer Informationsgesellschaft.
Die Alternative, die ich aus Deinem Statement herauslese, nämlich zu kapitulieren und in der öffentlichen Debatte Fakten durch Emotionen zu ersetzen – natürlich nur für den guten Zweck – ist ein Irrweg. Die Demokratiefeinde und Populisten, die Verschwörungsgläubigen und Rechtsstaatsgegner werden immer die emotionaleren Argumente haben als die anständigen Bürger, die versuchen unser freiheitliches politisches System zu erhalten. Wenn der öffentliche Diskurs von Emotionen geleitet wird, können wir als Gesellschaft nur verlieren.
Du missverstehst meinen Punkt. Bildung ist definitiv ein super Mittel gegen Rechtsextremismus, keine Frage. Da bin ich total bei dir. Aber die Idee, dass Fakten per se überzeugen würden, ist einfach nicht richtig. Das Problem an Fakten ist ihre Objektivität, so merkwürdig das klingt. Ohne Kontext sind sie irrelevant. Nimm die Tempolimit-Debatte. Es ist ein Fakt, dass durch ein Tempolimit der CO2-Ausstoß sinkt. Nur, ist das genug Grund für die Einführung? Das geht aus dem Fakt nicht hervor. Reasonable people may disagree. Das Fakt an sich ist bedeutungslos und wird Stefan mit dessen Wertargument – 220 auf der Autobahn ist Ausdruck meiner persönlichen Freiheit – nicht trumpfen.
Ich verstehe Deine Argumentation nicht so ganz. Dein Beispiel für ein Werteargument (“Tempolimits schränken die Freiheit der Autofahrer ein”) ist doch ebenfalls ein Fakt.
Letztlich ist die zentrale Frage, ob beide Diskussionsteilnehmer dasselbe Ziel teilen (z.B. das Pariser Klimaziel). Die Anhänger von Tempolimits möchten dann, dass der Verkehrssektor einen signifikanten Anteil dazu leistet. Gegner hingegen möchten, dass stattdessen andere Bereiche, z.B. die Industrie, viel drastischer in die Verantwortung genommen werden, um mehr Spielraum beim Fahren auf der Autobahn zu haben. Also zumindest theoretisch, wenn wir – wie gesagt – voraussetzen, dass beide Diskussionspartner dieselben Ziele teilen.
In der Praxis tun sie das natürlich nicht und die Gegner von Tempolimits schlagen de facto vor die Klimaprobleme mittels irgendwelcher, nicht näher spezifizierter, irgendwann in der Zukunft zu entwickelnden Super-Technologie zu lösen. Also mit anderen Worten mit Magie. Und genau da liegt dann das Problem: Eine Seite argumentiert mit Fakten, die andere mit Magie. Und das Dilemma lässt sich kaum lösen, wenn statt nur einer Seite sich nun auch die andere Seite auf Magie als präferierte Lösung festlegt, weil man mit Magie eher an das Wunschdenken der Geringgebildeten appellieren kann.
Ah, da kommt unser Dissens her. Nein, das ist kein Fakt, das ist ein Wert. Fakten sind objetiv überprüfbar. Wenn jemand das Tempolimit nicht als Freiheitseinschränkung empfindet (bzw. diese Einschränkung als nicht relevant), ist das ein anderer Wert. Wir verwenden den Begriff „Fakten“ unterschiedlich.
In der Sache stimme ich dir völlig zu.
„Warum sollen mit Steuern und Sozialabgaben arbeitsfähige Menschen unterstützt werden, die schlicht nicht arbeiten wollen?“
Antworten im Grundgesetz: Art. 1, Art. 12 und Art. 20 Abs. 1. Menschenwürde, Sozialstaatsgebot und Verbot von Zwangsarbeit.
Und bei Ariane 😉 Der Vergleich mit dem Strafrecht trägt. Sanktionen erschweren ihnen ihr Tun, aber halten sie nicht ab.
Und bei Heiner Geißler: „Sie sind krank“, hat er einem solchen Menschen entgegnet. Psychische Gesundheit ist die Fähigkeit zu lieben und zu arbeiten (Freud).
Hinter der Frage steht ja eigentlich das moralische Verdikt: Die leben ohne zu arbeiten. Wie reiche Erben?
[ „Warum sollen mit Steuern und Sozialabgaben arbeitsfähige Menschen unterstützt werden, die schlicht nicht arbeiten wollen?“]
Antworten im Grundgesetz: Art. 1, Art. 12 und Art. 20 Abs. 1. Menschenwürde, Sozialstaatsgebot und Verbot von Zwangsarbeit.
Das steht da eben nicht. Das Sozialstaatsgebot gilt für jene, die nicht können. Das ist der Unterschied. Oder wollen Sie ernsthaft behaupten, nur in Deutschland würde die Würde des Menschen (eingeschränkt) geachtet, gäbe es so etwas wie einen Sozialstaat und das Verbot von Zwangsarbeit? CitizenK, CitizenK, Sie leben schon wieder die deutsche Hybris. Am deutschen Wesen …. Nur wir Deutschen haben es echt drauf und so weiter. Das nervt mich ohne Ende und ich finde es nur abstoßend.
Das zeigt wieder mal schön, warum diese GG-Artikel-Werferei zu wenig führt. Das ist ein Wertekonflikt. Stefan, Thorsten und Erwin vertreten hier andere Werte als Ariane, CitizenK und ich. Das ist okay. Beide Seiten sind völlig berechtigt. Und wir streiten politisch, um die Debatte in unserem Sinne zu beeinflussen. Pluralismus!
Die genannten Grundrechte sind in der sogenannten Menschenrechtskonvention von 1948 aufgeführt, zu der sich fast alle Länder der Welt verpflichtet haben. Streichen wir mal einige weg, so bleiben doch die Mitgliedsländer der Europäischen Union, die dem Verfassungsvertrag von Lissabon unterliegen sowie die assoziierten Mitglieder Schweiz und Norwegen. Nehmen wir noch die angelsächsischen Länder hinzu, dann haben wir ein ganz gutes Bild, wie Menschenwürde, Sozialstaat und Zwangsarbeit zu bestimmen sind. Und da ist das von CitizenK präsentierte Verständnis doch eher ein extremistisches. Zulässig, sicher. Aber wenn dann aus einer solch extremen Position noch moralische Vorwürfe kommen, ist’s dann die Umdrehung zuviel.
„Selbst Prostitution ist heute juristisch ein normaler Job, weshalb die Ansicht durchaus zulässig ist, eine solche Arbeit sei für Erwerbslose zumutbar.“
Keine weiteren Fragen.
@Ariane
Na wenn sie einen Antrag auf HartzIV stellen, brauchen sie ja zweifellos Hilfe
Bisher ist ein Antrag eine Anfrage: Hey, nach meinem Empfinden könnte ich in Bezug des Gesetzes bedürftig / berechtigt sein, bitte prüft das mal.
Ein Antrag ist kein Beweis, dass jemand bedürftig ist, sondern bedürftig sein könnte. Das ist ein gravierender Unterschied. Bedürftig ist jemand – da können sich alle hinter versammeln – wenn jemand nicht arbeiten kann oder zu wenig verdient als das er sich Existenzsicherndes leisten kann. Du, Stefan, CitizenK erweitert das und sagt: Jemand ist auch dann bedürftig, wenn er nicht arbeiten will. Das aber habt Ihr Euch aus den Fingern gesogen, denn dafür gibt es nirgends eine Rechtsgrundlage, weder in Deutschland noch international.
Jeder Mensch hat ein Recht auf Leben. Aber wir können es kaum verhindern, wenn Menschen sich selbst umbringen wollen. Im Gegenteil, wir führen seit langem verfassungsrechtliche Fragen, ob es ein Recht auf Sterben gibt. Mit anderen Worten: wenn jemand nicht für seinen Lebensunterhalt aufkommen will, keine Frage, Anspruch auf Hilfe. An der Stelle endet aber der Rechtsanspruch.
Dann verfällst Du wieder ins Extrem. Denn wer in Deutschland bedürftig ist, weil er nicht arbeiten kann, erfährt die notwendige Unterstützung. Das wird eben durch Antrag geprüft. Wer aber nicht will, wird sich das Nicht-Wollen spätestens dann überlegen, wenn der Magen knurrt. Ansonsten gilt: Wir als Gesellschaft können es nicht verhindern, wenn jemand sich vorsätzlich selbst schädigen will. Damit ist eigentlich alles gesagt.
Eure Position ist, die Hartz-IV-Empfänger arbeiten nicht, weil sie nicht können und vielleicht auch einige nicht wollen. Alles in Ordnung, kein Problem. Dabei, und das scheint Ihr vorsätzlich zu tun (Verweigerung), wollt Ihr nicht über die Fakten diskutieren. Alles soll sich in einem faktenlosen Raum abspielen.
1. Knapp 500.000 der 5,5 Millionen Hartz-IV-Empfänger (davon viele nicht erwerbsfähig) sind laut einer Bundestagsanfrage seit über 14 Jahren im Bezug. 20% sind seit über 10 Jahren im Bezug.
2. Von denjenigen, die den Bezug beenden konnten (sprich: einen Job fanden), kehrten bereits 25% nach 3 Monaten wieder zurück.
3. Über die Hälfte der Hartz-IV-Bezieher hat einen Migrationshintergrund. Deine Argumentation: die können nicht verdienen.
4. Ein Langzeitarbeitsloser benötigt häufig einen Durchschnittsverdienst als Äquivalent, damit sich Arbeit für ihn lohnt.
Wir müssen über diese Fakten reden. Vor allem: wie kann es geändert werden. Aber Ihr debattiert faktenlos und mit Theorien.
Außerhalb Deutschlands ist es anerkannt, dass Langzeitarbeitslosigkeit das soziale und arbeitsmarktpolitische Kernproblem ist. Wer länger als 1 Jahr arbeitslos ist, erleidet nicht wieder gutzumachende Schäden bezüglich seines Lebenseinkommens und seiner Arbeitsmarktchancen.
Ihr ignoriert das soziale Problem. Und unser Problem mit Euch ist schlicht, dass es Euch egal zu sein scheint, dass manche Menschen nie arbeiten und damit keine Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe, persönliche Anerkennung und Wertschätzung, auf soziale Kontakte haben. Und das finde ich höchst erstaunlich bei Leuten, die sich doch so viel geben auf ihr soziales Empfinden.
Zu Deinem letzten Punkt: Wenn es ein Durchschnittseinkommen braucht, damit Arbeit sich für einen Interessierten lohnt, dann ist definitiv nicht das Lohnniveau das Problem, sondern die soziale Sicherheit. Das deutsche Einkommensniveau wie die Löhne und Gehälter zählen zu den höchsten der Welt, da ist offensichtlich kein Spiel mehr nach oben. Und genau darüber wollen wir mit Euch diskutieren. Wenn Ihr Euch der Diskussion nicht dauernd faktenlos entziehen würdet.
@Erwin Garbriel
Hier zeigt sich das unterschiedliche Denken von Sozialisten (Ariane), Konservativen (Erwin) und Liberalen (mir) überdeutlich. Die Sozialistin will Menschen vor allem betütteln. Der Konservative fragt nach der Moral. Und der Liberale führt das alles auf den regelbasierten Staat zurück.
Es ist weder Aufgabe des Staates, die Motive seiner Bürger zu ergründen noch sie zu werten. Der Bürger ist frei in seinem Tun. Und so steht es dem Bürger frei, durch Arbeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen oder nicht.
Ihr beschäftigt Euch mit moralischen Fragen. Ist jemand faul, wie bemessen wir wieviele Stunden jemand arbeiten kann, gibt es zumutbare Arbeit und wenn ja wie viele?
Das interessiert mich überhaupt nicht. Außer in Fällen von Krankheit und Alter sind Menschen grundsätzlich erwerbsfähig. Krankheit kann bescheinigt werden. Menschen können grundsätzlich ihren Lebensunterhalt selbst verdienen – und wollen es meist. Es ist das System, das den Charakter verdirbt. Das zeigt sich bei der Migration. In die fernen Wohlstandsländer schaffen es vor allem diejenigen, die besonders zäh und ehrgeizig sind. Ariane sieht in ihnen jedoch Menschen, die an die Hand genommen und umsorgt werden müssen. Du siehst im Zweifel in ihnen welche, die die Großzügigkeit des Sozialsystems sehen. Und ich frage nach dem Systemfehler, der dazu führt, dass die meisten dieser Zähen und Ehrgeizigen in der Sozialhilfe landen.
Warum arbeiten viele nicht, obwohl sie es könnten? Faul ist die Charakterfrage, die Konservative und Sozialisten interessiert. Die Regeln ist das, was den Liberalen interessiert. In dem Moment, wo etwas keinen Vorteil mehr für einen Menschen bietet, wird es unterlassen. Es sei denn man hat einen ganz eigenen Charakter. Die Charakterfrage eben. Was dagegen macht es mit Menschen, die arbeiten wollen, mit viel Mühe eine Stelle finden und dann sehen, dass sie keinen Cent mehr in der Tasche haben?
Es hat seinen Grund, warum Ariane, Stefan und CitizenK sich nicht auf diese Debatte einlassen. Denn die Motivlage existiert für Sozialisten nicht. Die Menschen wollen, also tun sie. Wenn sie nicht tun, können sie nicht. Der Mensch wird nicht durch niedere monetäre Ziele geführt, sondern durch höhere Ideale. Und deswegen können sie auch gut damit leben, wenn einige nicht „mitziehen“. Bei den Lehnsesselsozialisten hat der Verdienst als zentrales Motiv der Erwerbsarbeit etwas Anrüchiges. Erst recht, wenn Menschen wohlhabend werden wollen, mehr haben wollen, als sie zum Leben brauchen. Das zeigt sich ja auch stets in ihren Äußerungen.
Daher ist das Zusammenspiel von Steuer- und Sozialsystem kein echtes Hindernis. Das Hindernis kann nur in der Benachteiligung der deklarierten Bedürftigen liegen, nicht in den monetären (Fehl-) Anreizen.
10)
“ was mich davon abhält, mich mit der Partei zu identifizieren.“
Ist das eine Aussage ohne Konsequenzen?
Oder würde es einen substanziellen Unterschied machen, wenn Du dich mit der Partei identifizieren würdest?
Nein, ich halte es schon für einen Unterschied ob man sich zu einer Partei bekennt oder nicht. Ich verspüre keine Loyalität gegenüber den Grünen, betrachte mich selbst nicht als Grünen und engagiere mich nicht parteipolitisch. Das macht in meinen Augen schon einen wesentlichen Unterschied…?
Du würdest dich ansonsten bei den Grünen parteipolitisch engagieren und lässt dich nur wegen der Position einiger zu Hömeöpathie und ein paar Esoterikern davon abhalten?
Vielleicht sind deine Ansprüche an eine Partei zu hoch?
Nein, ich bin glaube ich generell kein Parteimensch. Ich betone das nur, weil mir gerne vorgeworfen wird, mindestens verkapptes Parteimitglied zu sein.
Das meinte ich mit ohne Konsequenzen. Es würde sich faktisch nichts ändern. Du würdest nicht aktiv werden oder so. Und wenn ich das richtig verstehe, hält es dich ja nicht davon ab, sie einfach nur zu wählen.
Das wäre ja auch merkwürdig, oder?
Ich finde es auch so schon merkwürdig, aber nicht so sehr.
Dein einziges Argument gegen die Grünen ist ihr Faible für Alternativmedizin. Das ist doch nichts Grundsätzliches. Und das ist es auch nicht für Dich. Keine andere Partei ist bei Dir im Urteil der letzten Jahre so gut weggekommen wie die Grünen. Deine Identifikation mit ihren Zielen ist am höchsten. Du brauchst nicht in der Partei zu sein um Grünen-nah durchzugehen.
Nein, ich lehne auch ihre Haltung zur Gentechnik ab. Das sind schon zwei ziemlich große Themen.
Und ja, derzeit identifiziere ich mich am meisten mit den Positionen der Grünen, was Wahlentscheidungen angeht. Aber die Partei selbst und ihr Milieu sind mir ziemlich fremd.
Ein größeres Thema, wobei ich das zumindest für mich nicht zählen würde.
Das ist spannend, wie beschreibst Du das grüne Milieu? Und warum ist dir die Partei selbst fremd? Beim Abgleich Deiner grundsätzlichen Einstellungen mit den Haltungen der Grünen Partei wundert mich das (was nicht bedeutet, dass ich es anzweifle).
Was man als das typische Grünen-Milieu beschreiben würde, würde ich mich auch nicht wohlfühlen. Das gilt aber definitiv auch für das der LINKEN und der AfD. Obwohl die politische Einstellung für mich keine Bedeutung hat, fühle ich mich im bürgerlichen Umfeld am wohlsten.
Ich mag Leute wie Erwin, Jens, Thorsten wegen ihrer Haltung, der gewissen Zurückhaltung ohne Eifer. Ich mag aber auch Dich, CitizenK, cimourdain, Kning4711 oder Hias wegen den gleichen Eigenschaften – Kommentatoren, die einen nicht gleich ins Gesicht springen, wenn man eine andere Position vertritt. Ich würde sie alle eher in meinem Milieu sehen, trotz unterschiedlicher politischer Präferenzen.
Ich kann mit dem ganzen alternativen Kram gar nichts anfangen. Wenn ich so nen Grünen-Parteitag sehe, hab ich soviel Lust da hinzugehen wie auf das Oktoberfest. Und wer mich kennt weiß, dass ich darauf GAR KEINE Lust habe 😀
Was magst Du denn dann? In welchem Umfeld fühlst Du Dich wohl?
Gute Frage. Mir fehlen da ein bisschen die Begriffe. Aber mein Freundeskreis besteht weitgehend aus Mittelschicht mit Nerd-Affinität (aber nicht komplett Nerd, die mag ich auch nicht (mehr)). Eigentlich ziemlich konservativ: Leute mit Job, meist mit Familie oder zumindest verheiratet. Ich kenn niemand näher, der in einer Partei aktiv ist. Hm. Gute Frage…
Ich war das letzte Mal 1999 auf einem grünen Parteitag. Der ist mir gar nicht als so alternativ in Erinnerung. Und ich würde stark vermuten, dass das seit dem noch Mal weniger geworden ist.
Vielleicht tu ich denen Unrecht. Wie gesagt, ich kenn keine Grünen und stecke nicht drin. Selbst wenn ich hier zu Ortsvereinen etc. ginge, wäre das in BaWü – und die sind nicht repräsentativ für die Bundesgrünen.
Wohl nicht. Aber unter Umständen ein Ort an dem man ein bisschen was bewegen kann.
Ja, ich weiß, da komme ich meinen demokratischen Bürgerspflichten nur eingeschränkt nach.