Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.
Mit dem Entlastungspaket II bekommen diese Worte einen finanzpolitisch bedrohlichen Beigeschmack. Es war offensichtlich, dass die Ampel-Partner aus SPD, Grünen und FDP mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen in die Gespräche gegangen sind. Die FDP mit dem Ziel, Autofahrer so schnell wie möglich zu entlasten, dafür stand Christian Lindners „Tankrabatt“, der bei den Koalitionspartnern gar nicht gut ankam. Vor allem nicht bei den Grünen, weil sie ja eigentlich für eine Verteuerung fossiler Energieträger sind, Erleichterungen beim Benzinpreis aus ihrer Sicht also geradezu kontraproduktiv sind (auch wenn natürlich den Grünen die aktuellen Preissprünge zu weit gehen). Und da ist die SPD, die zwar auch „die breite Mitte der Gesellschaft“ entlasten will – ein Ausdruck, den FDP und Union in den vergangenen Tagen erfolgreich in die Debatte eingebracht haben – nur müsse das eben sozial gerecht gestaltet werden. […] Aus diesen Unterschieden ist in der Tat eine Ergänzung geworden: Anstatt Kompromisse zu schmieden, bei denen jeder auf etwas verzichten muss, ist das Entlastungspaket II zum großen Füllhorn geworden, bei dem für (fast) alle etwas dabei ist. Vor allem aber für die Ampel-Partner selbst, die sich allesamt als Sieger fühlen können. (Hans-Joachim Vieweger, ARD)
Ich zitiere diesen Artikel aus zweierlei Gründen. Einerseits, weil er einmal mehr das dämliche Narrativ von den angeblich so grünen Öffentlich-Rechtlichen Lügen straft; was das angeht, sind die stockkonservativ (was ja auch meine Dauerthese ist: die Progressiven haben die Debatte auf manchen Feldern gewonnen, die Konservativen auf anderen). Das was Vieweger hier sagt könnte ich in jede CDU-Wirtschaftsflügel- oder FDP-Rede schreiben. Sind die Öffentlich-Rechtlichen deswegen MEINUNGSMACHE!!elf1!! oder dergleichen? Nein, die haben halt solche und solche Meinungen.
Rein inhaltlich wird es die geneigten Lesenden überraschen, dass ich die Position wenig sinnvoll finde. Klar, jede Partei kriegt irgendwas, aber, Newsflash, das ist Politik. Darüber kann man sich natürlich beschweren, aber das sind wie diese Dauerbrenner-Artikel von „Partei XY total zerstritten!“ weil tatsächlich mal zwei Optionen zur Wahl stehen. Ohne solche Kompromisse funktioniert Demokratie nicht.
Davon abgesehen bin auch dieses Narrativ satt, nach dem keine Opfer gebracht werden würden. Jede der Ampel-Parteien hat bereits schwere Opfer gebracht. Die SPD hat ihre Opposition zum 2%-Ziel, bewaffneten Drohnen und nuklearer Teilhabe aufgegeben, über die sie sich seit Jahren agonisiert hat. Die Grünen haben in der Energiepolitik bittere Kröten schlucken müssen und auch beim 2%-Ziel. Und die FDP musste ihre haushaltspolitischen Wunschvorstellungen begraben. Alle drei Parteien sind über ihren Schatten gesprungen wie seit der Agenda2010 nicht mehr, und was sie kriegen ist dieses arrogante Genöle eines Vieweger. Ich find das widerwärtig.
2) „Ich musste das einfach mal aufschreiben“ (Interview mit Ulrike Guérot)
WELT: In Ihrem Buch schreiben Sie von einer „Gleichschaltung“ der Medien in Sachen Covid-Berichterstattung. Der Begriff ist historisch vorbelastet. Er beschreibt, wie Adolf Hitler ab 1933 alle Institutionen auf den Nationalsozialismus ausrichtete. Bedarf es solcher abstrusen Vergleiche, um einen gewissen Mainstream in der Covid-Diskussion zu kritisieren?
Guérot: Ich vergleiche das nicht, und den Zusammenhang haben Sie mit Ihrer Frage erst hergestellt. „Gleichschaltung“ findet sich ohne Einschränkung als Eintrag im Duden. Aber ich bin gerne bereit, den Begriff zurückzunehmen. Jeder macht Fehler. Ich habe auch eigentlich keine Lust, meinen ganzen Essay an diesem Begriff festzumachen. Ich habe den Text in drei Wochen am Stück geschrieben, und nur mit grünem Tee. Ich musste das einfach mal aufschreiben. Vielleicht war der Begriff übergriffig oder überschüssig, das konzediere ich Ihnen gerne. Aber ich habe ja auch einschränkend gesagt, dass die Gesellschaft in einen Modus der Panik eingestiegen ist, der sich verselbstständigt hat. Das gilt auch für die Medien, weil man dort natürlich Drama besser verkaufen kann als gute Nachrichten. […]
WELT: Im letzten Teil Ihres Essays entwickeln Sie eine Art Utopie für eine künftige Gesellschaft. Ihre Formulierungen klingen seltsam aufwiegelnd. „Wir überantworten die Verantwortlichen dem Internationalen Strafgerichtshof“ heißt es da zum Beispiel. Ist das ihre Fantasie? Etwa Karl Lauterbach nach Den Haag zu überstellen?
Guérot: Nein. Ich finde interessant, was Menschen in diesen Zeilen lesen, was dort aber gar nicht steht. Manchmal sagt das, glaube ich mehr, mehr über sie selbst und ihre Fantasien, als über die der Autorin. Und manchmal sind die Dinge auch banaler, als man denkt. Dieses Kapitel habe ich zwischen 2 und 7 Uhr morgens geschrieben. Das war in mir und ich habe es einfach runtergeschrieben. (Jörg Wimalasena, Welt)
Ich habe die Cause Guérot nicht von Anfang an verfolgt, würde sie aber spontan in die gleiche Schublade einordnen wie Stefan Homburg oder Christof Kuhbander (der, wie könnte es anders sein, auf die Kritik mit dem Vorwurf der Cancel Culture reagiert; es ist nur noch lächerlich). Aber dieses ständige Gerieren als Opfer ist eine widerliche Tendenz in diesen Kreisen. Natürlich schimpft sie auch auf Twitter, gleiche charakterlose Chose wie Prien auch abgezogen hat.
Was Guérot sagt ist auch extrem wütend machend: dieses weinerliche „ich hab den Text nachts geschrieben“ ist Guttenberg-Level an Ausflüchten, genauso das „ich hab den Text in drei Wochen am Stück geschrieben“. Als ob sie ihren Studierenden durchgehen lassen würde, eine rotzige Hausarbeit mit dem Argument abzugeben, dass sie sie halt in drei Wochen am Stück und nachts geschrieben hätten! Es ist dieser typische Kubicki-Liberalismus: Regeln für dich, aber nicht für mich. Das kann echt weg. Aber wahrscheinlich cancele ich sie mit dieser Kritik jetzt wieder.
3) Putin’s useful German idiots
Slowly but surely, it’s begun to dawn on Germans that Merkel’s soft-shoe approach to Russia — which reached its zenith with the 2015 decision to greenlight the Nord Stream 2 pipeline despite Russia’s annexation of Crimea and its role in the separatist war in eastern Ukraine — didn’t just open the door for Putin to go further, it effectively encouraged him to do so. Russia’s invasion of Ukraine is not just a repudiation of Merkel’s chancellorship, however, but of a whole generation of German politicians from across the spectrum blinded by nostalgia for Ostpolitik and Wandel durch Handel, the 1970s-era détente policies championed by Chancellor Willy Brandt that according to German legend led to the end of the Cold War. […] Having been wrong about Russia and Putin every step of the way, Germany’s politicians have resorted to the “who knew?” card. […] Even as allies welcome Berlin’s Zeitenwende, they aren’t fooled by its foxhole conversion. (Mathew Karnitschig, Politico)
Ich teile die Kritik völlig. Es ist glaube ich meine große Gemeinsamkeit mit Stefan Pietsch, dass wir hier im Blog schon seit langem die Russland-Falken waren. Bernd Rheinberg hat bei den Salonkolumnisten eine ähnliche Generalkritik unter dem Titel „Sie müssen reden“ aufgemacht und fordert eine Aufarbeitung dieser Haltung bei den betroffenen Parteien. Er nennt spezifisch SPD und CDU, und ich denke, das kommt weitgehend hin. Zwar unterstützt etwa Armin Laschet gerade lautstark den Kurs der Regierung, aber das sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass er ein ebenso starker Verfechter von Nordstream 2 war wie Manuela Schwesig und dass Gerhard Schröder ihn über seinen „Parteifreund“ Olaf Scholz als Kanzler empfohlen hat, was Armin Laschet damals, im entfernten 2021, noch gerne annahm. Die beiden ehemaligen Volksparteien haben da noch massenhaft Altlasten. FDP und Grüne stehen wesentlich besser da, während die LINKE und AfD schon fast hoffnungslose Fälle sind. Das Ausmaß der Verstrickung der deutschen Politik in russische Energiepolitik ist jedenfalls beachtenswert und sollte nicht unter den Teppich gekehrt werden.
4) G7-Staaten lehnen laut Habeck Energiezahlung in Rubel ab
Für die unmittelbare Finanzierung des russischen Kriegs gegen die Ukraine seien die Zahlungen aus dem Westen für Energielieferungen nicht maßgeblich. Die Armee finanzieren, Soldaten versorgen, Treibstoffe für Panzer liefern oder Kriegswaffen bauen könne Putin weitgehend im eigenen Land. »Dazu braucht er Rubel. Die Rubel kann er drucken«, sagte Habeck. »Solange die russischen Arbeiterinnen und Arbeiter die Rubel als Zahlungsmittel akzeptieren, kann er den Krieg aus der eigenen Kraft heraus finanzieren.« Allerdings sei der Tausch von Rubel in Fremdwährungen wegen Sanktionen gegen die Zentralbank extrem erschwert, sagte Habeck. Zudem müsse man sich unabhängig machen von Gas, Kohle und Öl aus Russland, um die russische Regierung nicht zu stärken oder am Leben zu erhalten. Russland sei »ein unzuverlässiger Lieferant« und habe mit seinem Feldzug »maßgeblich zu einer globalen Störung von Frieden und Ordnung« beigetragen. (dpa, SpiegelOnline)
Ich bin ja so froh über das Personal, das wir in dieser Regierung haben. Habeck und Baerbock sind und bleiben die größten positiven Überraschungen; die beiden liefern eine starke Leistung nach der anderen ab – im Gegensatz zur SPD, deren Wahl von Lamprecht sich als genau der Rohrkrepierer erweist, den Kritiker*innen von Anfang an an die Wand malten; mea culpa, da war ich zu optimistisch. Und auch Scholz bedeckt sich nicht gerade mit Ruhm. Aber zurück zum obigen Ausschnitt: Allein, dass es bemerkenswert ist, dass Habeck grundsätzliche finanzpolitische Zusammenhänge versteht, lässt tief blicken. Ja, Putin kann Rubel drucken. Dem geht das Geld nicht aus, solange es um den russischen Binnenmarkt geht. Da können wir uns auf den Kopf stellen. Ich finde auch Habecks offene Haltung, dieses deliberierende Für und Wider, das er zur Schau stellt, und die Ehrlichkeit und Transparenz dahinter, einen so tollen neuen Stil, ich hoffe, dass sich das durchsetzt. Sein Auftritt bei Lanz ist da nur ein Beispiel.
5) Wähler von AfD und Linke haben starken Hang zum Narzissmus
«Die AfD-Wähler sind sehr von sich überzeugt», sagt Elmar Brähler von der Abteilung für Medizinische Psychologie und Soziologie der Universität Leipzig der Deutschen Presse-Agentur. Er ist einer der Autoren einer Studie mit dem Titel «Die Parteien und das Wählerherz 2018», für die zwischen November 2017 und Februar 2018 bundesweit rund 2100 Wahlberechtigte nach ihren Parteipräferenzen und ihrem Selbstbild befragt worden waren. «Relativ hohe Narzissmus-Werte haben wir auch bei den Wählern der Linken gefunden. Allerdings waren diese dort – anders als bei den AfD-Wählern – nicht verknüpft mit einem Hang zum Autoritären» […] Auf der Narzissmus-Skala der Forscher erreichten die AfD-Wähler den höchsten Wert. Die Anhänger der Linkspartei lagen dahinter. Den geringsten Hang zum Narzissmus attestieren die Autoren den Wählern von FDP und SPD. Im Mittelfeld lagen die Anhänger der Grünen und der Unionsparteien. […] «Die AfD-Wähler sind sehr von sich überzeugt. Viele von ihnen denken, dass sie den Durchblick haben und etwas Besonderes sind», sagt Brähler. Wer so denke, habe oft eine starke Neigung zu Verschwörungstheorien. Die Zustimmung zu dem Satz «Ich habe es verdient, als große Persönlichkeit angesehen zu werden» war bei den Anhängern der Linken allerdings noch ein wenig höher als unter den AfD-Wählern. […] Dem Satz «Menschen sollten wichtige Entscheidungen in der Gesellschaft Führungspersonen überlassen» stimmten den Angaben zufolge besonders viele AfD-Wähler zu. Die geringste Zustimmung fand diese Aussage bei den Anhängern der Grünen. Auch die meisten Wähler der Linken konnten dieser Idee wenig abgewinnen. (dpa, ZEIT)
Kein einziges dieser Ergebnisse ist irgendwie überraschend. Als ehemaliger Linker kann ich nur bestätigen, wie identitätsstiftend es immer wahr, im Besitz der Wahrheit zu sein, die von den bösen Mächten der Welt nur unterdrückt wird – und wie unglaublich wütend machend, dass so viele andere das Licht nicht sehen. Mit wenig habe ich auf der Linken so wenig Geduld wie mit „wenn die Millionen alle nur verstehen würden, was ich verstanden habe, dann würden sie links wählen“ und dessen kleinen Bruder, das „sie wählen gegen ihre Interessen“. Narzissmus trifft es ziemlich gut, und dass der selbst den der AfD übertrifft glaube ich sofort.
Gleichzeitig sehen wir aber auch, bei aller Liebe zum Hufeisen, weiterhin Unterschiede zwischen der radikalen Linken und radikalen Rechten. Denn gerade der starke Unterschied bei der Haltung zu Führungsfiguren trennt die beiden Lager deutlich; gleiches gälte, wäre es abgefragt worden, für Haltungen zu Nationalismus, Grenzen, Umgang mit Menschen aus anderen Ländern und Kulturkreisen. Das sollte man nicht vergessen. Der Unterschied ist akademisch, wenn sie Gewalt ausüben, das ist klar, aber gerade diese Ablehnung von Autorität ist gleichzeitig die größte Schwäche der radikalen Linken. Die sind hauptsächlich ein Fall für die Kriminalpolizei oder gegebenenfalls die Terrorbekämpfung; die Demokratie bedrohen sie, anders als die AfD, nicht. Danken wir auf Knien der eigenen Blödheit dieser Bewegung.
6) Chris Wallace’s stark admission about Tucker Carlson shames Fox News
Nicole Hemmer, the author of an excellent history of conservative media, notes the larger context: After Jan. 6, Fox appears to have felt serious pressure from more extreme right-wing news sources, such as Newsmax, which offered even more egregious whitewashing of the insurrection. „Fox News has to compete with those other right-wing sources,” Hemmer told me. She added that when Fox got “too far out to the left, like when they acknowledged Joe Biden won the 2020 election, they found their audience was beginning to revolt.” In the weeks after the 2020 election, Hemmer noted, right-wing protests that attacked the “liberal media” for its coverage of the election’s aftermath also attacked Fox. As Hemmer put it, a key driver of Fox’s support for Carlson’s Jan. 6 propaganda is the network’s need to “shore up and continue to do maintenance on its reputation with MAGA people.” What that says about Fox as a journalistic organization is bad enough. What it says about Fox’s low opinion of its audience’s incapacity for exposure to the truth might be even worse. (Greg Sargent, Washington Post)
Wie unglaublich abgedriftet die ganze amerikanische Rechte mittlerweile ist kann man exemplarisch hier sehen. Wenn es als „left-wing“ gilt, den Wahlsieg Joe Bidens anzuerkennen, dann bist du einfach aus dem demokratischen Spektrum raus. Ich hab null Sympathie für FOX News, aber dass die sich mit ihrer Radikalisierung selbst in eine Ecke geschoben haben, aus der sie nicht mehr herauskommen, weil ihr Publikum mittlerweile so mit radikalisiert wurde, dass es jede Abweichung hart sanktioniert, ist extrem besorgniserregend, schon alleine deswegen, weil FOX News ja Konkurrenz rechts von sich hat – wenn sie nicht weiter den proto-faschistischen Kurs fahren, gehen die Leute eben zu OAN. Den Schaden tragen wir alle.
7) The British Empire Was Much Worse Than You Realize
As the sole imperial power that remained a liberal democracy throughout the twentieth century, Britain claimed to be distinct from Europe’s colonial powers in its commitment to bringing rule of law, enlightened principles, and social progress to its colonies. Elkins contends that Britain’s use of systematic violence was no better than that of its rivals. The British were simply more skilled at hiding it. […] Indeed, the main reason that the British Empire was able to sustain itself for more than two centuries, she maintains, was that the British model of state violence came wrapped in this “velvet glove” of liberal reform. […] Defenders of empire like the historian Niall Ferguson insist that the rule of law proved Britain’s most important gift to its colonies when, in time, they achieved independence. […] The ungainly truth is that liberal thought has been a resource for repression and resistance alike, and theories of imperial power impatient with this ambiguity may not withstand the scrutiny they deserve. (Sulhil Khilnani, New York Magazine)
Ich habe immer mal wieder am Rande erwähnt, dass die Vergangenheitsbewältigung, was die Kolonialgeschichte angeht, gerade in Frankreich und Großbritannien noch sehr viel Luft nach oben hat. Dieser Artikel ist ein super Beispiel dafür. Während ich inhaltlich voll dahinter stehe, lässt die Überschrift mich etwas ratlos zurück. Selbstverständlich war das britische Empire schlimmer als es die Bilder von „gebildeten Europäern in Tropenhelmen“ vermuten lassen. Die Lebenslüge der Briten, man habe ein „liberales Imperium“ gehabt, das irgendwie besser gewesen sei als der Rest, überlebt nicht eine einzige Google-Suche. Da ist noch sehr, sehr viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Von den Restitutionen einmal ganz zu schweigen.
8) Chartbook #105: Heat pumps for energy sovereignty – Europe’s options in the face of Putin’s War
Finding these efficiency gains and then training the skilled labour to actually carry out the program will require huge parts of European society to become much more savvy and expert in all things energy. It is akin to the revolutions implied by motorization or digitization. We need the entire chain of energy production, distribution and use to be brought out of the black box and opened up to massive collective experimentation and implementation. To achieve the targets now set for Europe’s renewable energy capacity by 2030 – to get from 350 to 900 GW within 8 years – will require, as the Agora team point out a “true European industry project”. The rate of annual new installation needs to surge at a spectacular rate. […] If you look at the recent trajectory of solar installation in the EU it becomes clear that what is needed is a dramatic turnaround. Since the highpoint of 2011 it has been heading in the wrong direction. […] In the long-run using less energy saves money. The Agora team estimate that currting 1200 TWh reduction in gas consumption by 2027 would save an estimated 127– 318 billion euros and generate additional savings going forward. The savings would be even larger if prices were to settle at the hugely elevated levels we have seen recently. But, getting those savings will require investment. The Agora team suggest that their measures would need to be flanked by a new EU Energy Sovereignty Fund, modelled on NextGenEU and equipped with 100 bn EUR until 2027. This figure is not the cost of investment, which will be far higher. It is the public support necessary to make renewable projects investible and to stabilise their revenue streams. How much subsidy is actually needed will vary depending on how expensive fossil fuels become (the more expensive the better from this point of view) and Agora suggests a bandwith from 30 billion to 285 billion euros, in the event that fossil fuel prices were to plunge. (Adam Tooze, Chartbook)
Die Darstellung hier in nackten Zahlen finde ich vor allem deswegen bemerkenswert, weil sie zeigt, vor welcher Herausforderung wir stehen – nicht nur außenpolitisch in Reaktion auf Putins verbrecherischen Angriffskrieg, sondern auch in unserer Reaktion auf den Klimawandel. Diese gigantischen Herausforderungen lassen sich nicht dadurch bewältigen, dass man an den Erfindergeist der Wirtschaft appelliert. Die Zahlen sind so gigantisch, dass ohne massive Investitionen niemals die nötigen Skalen in dem notwendigen Zeitrahmen erreichbar sind. Wir brauchen eine Transformation, die sich nicht im Rahmen von fünf oder sechs Jahrzehnten vollzieht, sondern in weniger als der Hälfte dieser Zeit. Es ist völlig naive Traumtänzerei anzunehmen, das sei anders möglich. Wir brauchen eine realistische Klimapolitik.
9) Wie der Krieg gegen die Ukraine überholte Männlichkeitsbilder wieder hochspült
Der Diskurs brutalisiert sich, auch in Deutschland. Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt schreibt zum Beispiel, dass die deutsche Gesellschaft aufgrund ihrer moralischen Gewissheit und ihrer Schwäche für jemanden wie Putin einfach ein Frühstück sei. Und weiter heißt es: „Die Freiheit wird nicht am Tampon-Behälter in der Männer-Toilette verteidigt. (..) Unser medial und kulturell dominierendes Menschenbild und auch – ja – das Männerbild sind ein Ausdruck feigen Appeasements gegenüber dem Zeitgeist.“ Ein Ruf nach toxischer Männlichkeit: Männer dürfen keine Schwäche zeigen, sondern müssen hart sein. Sie müssen ihre Gefühle wieder unterdrücken, und den Konflikt im Ernstfall durch Gewalt lösen. Eine Position, für die AfD-Politiker Björn Höcke 2016 noch scharf kritisiert wurde, scheint gerade zum gesellschaftlichen Konsens zu werden. Damals rief Höcke: „Wir müssen unsere Männlichkeit wiederentdecken. Denn nur, wenn wir mannhaft werden, werden wir wehrhaft und wir müssen wehrhaft werden!“ […] Klar. Staubsauger und Gendersternchen zersetzen die Kriegsmoral! Diese Diskursverschiebung zu mehr Männlichkeit hat politische Folgen. Wir müssen aufrüsten, stark werden, sagt auch der heldenhafte, deutsche Kriegsreporter Paul Ronzheimer im Bild-Talk: „Ich glaube tatsächlich, dass wir zu schwach waren in den vergangenen Jahren und dass wir gewissermaßen auch jetzt noch zu schwach sind in unserer Antwort.“ […] Es schmerzt, dass Konservative den Krieg für ihre Agenda missbrauchen und Feminismus und Progressivität diskreditieren. Und dass die alten Männlichkeitsbilder, egal ob heldenhafter Kämpfer, tapferer Kriegsreporter oder der junge Patriot, wieder hochgespült werden. Umso wichtiger, dass es Menschen gibt, die darauf hinweisen, dass schreckliche Fernsehbilder und ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg noch keine Gründe dafür sein müssen, Männer darauf vorzubereiten, für nationalstaatliche Interessen zu töten und zu sterben. (Ferdinand Meyen, BR)
Diese Machohaltung, wie sie gerade Poschardt und andere gerade aus den sicheren, warmen Redaktionsstuben heraushängen, ist ebenso lächerlich wie ärgerlich. Ronzheimer begibt sich ja wenigstens ins Kriegsgebiet und riskiert was. Aber mein Punkt ist ein anderer, der vom obigen Artikel nicht angesprochen wird: Es gibt diesen konstruierten Widerspruch zwischen Krieg und progressiven Werten einfach nicht. Man kann auch für die Freiheit des Gendersterns in den Krieg ziehen. Warum sollte jemand, der geschlechtergerechte Sprache verwenden, weniger „hart“ sein als jemand, der ihn wie die Springer-Journalist*innen ablehnt? Das hat doch nicht das geringste miteinander zu tun! Dasselbe gilt für feministische Werte. Und so weiter. Dieser ganze Gegensatz ist kompletter Unfug; da nutzen Leute wie Poschardt die furchtbare Lage in der Ukraine für ihre identitätspolitischen Schlachten. Das ist genauso verachtenswert wie wenn andere Leute jetzt die Ukrainekrise für ihre bevorzugten Politiken oder kulturkämpferischen Episoden hernehmen.
10) Die Linke und Putins Krieg
In allen zentralen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen der vergangenen Jahre hat sie es nicht mehr geschafft zu vermitteln, wofür sie eigentlich steht – egal ob es um Flucht und Migration, die Klimapolitik, Minderheitsschutzrechte, Corona oder nun den Ukrainekrieg geht. Angeführt von Sahra Wagenknecht gab und gibt es stets einen höchst öffentlichkeitswirksamen Flügel, der Parteibeschlüsse konterkariert und damit de facto belanglos gemacht hat. […] Die alte und die neue Parteiführung haben es zugelassen, dass Kronzeug:innen aus den eigenen Reihen fälschlich, aber systematisch behauptet haben, die Linkspartei sei eine Ansammlung von „Lifestyle-Linken“, die sich nicht mehr für die „einfachen Leute“, für Arbeiter:innen und Rentner:innen, interessierten. Sie haben es zugelassen, dass Wagenknecht & Co demagogisch die soziale gegen die ökologische und die bürgerrechtliche Frage ausspielen. So verlor und verliert die Linkspartei nach allen Seiten. Und jetzt kommt auch noch die Friedensfrage dazu, auf die die alten Antworten nicht mehr gegeben werden können. […] Um eine Grundsatzdiskussion über ihre Friedenspolitik wird die Linkspartei nicht herumkommen können. In der Vergangenheit mündete der Zoff auf Parteitagen allerdings stets in windigen Formelkompromissen. Und wenn gar nichts mehr ging, wurden halt irgendwelche Sätze aus dem Erfurter Grundsatzprogramm von 2011 recycelt. Das wird nach dem Überfall auf die Ukraine nicht mehr reichen. Die Welt hat sich verändert. Die Linkspartei muss es auch tun. (Pascal Beucker/Stefan Reinecke/Anna Lehmann, taz)
Die ausführliche Analyse der LINKEn, die ich in ihrer gänzlichen Lektüre nur ans Herz legen will, ist völlig zutreffend. Die Partei hat sich völlig verrannt. Ich habe das auch in den letzten Jahren und besonders vor der Bundestagswahl immer wieder betont: die außenpolitische Haltung der Partei macht eine Koalition auf Bundesebene unmöglich. Dieser Versuch seitens der CDU und FDP, das Gespenst einer rot-rot-grünen Koalition an die Wand zu malen, war von Anfang an absurd, nicht einmal die SPD war so blöd, sich darauf einzulassen. Vielleicht kann die LINKE diesen Konflikt lösen und sich neu aufstellen. Wahrscheinlicher scheint mir, dass sie das zerreißt. Good riddance.
Ich habe zum Artikel aber noch eine kleine stilistische Kritik: Gibt es eigentlich überhaupt noch eine Partei, die es geschafft hat, „zu vermitteln, wofür sie eigentlich steht“ oder ist das nur noch eine belanglose Phrase? Ich frage das ernsthaft. Es ist so ein Satz, den man ständig liest, in den verschiedensten Kontexten (in letzter Zeit war es meistens die CDU), und auch in Umfragen sagen die Leute ständig, dass sie nicht wüssten, wofür die Parteien stehen würden, aber mein Gefühl ist, dass das nur noch ein Klischee ist.
Resterampe
a) Sehr nützlich ist dieser (englischsprachige) Glossar militärischer Fachbegriffe mit Praxisbeispielen aus dem Ukrainekonflikt.
b) Großartiges Beispiel dafür, wie zersetzend der Bothsiderismus ist.
c) Dieses ausführliche Porträt von Putins Regentschaft ist sehr lesenswert, gerade für die frühen, hoffnungsvolleren Jahre.
d) Während Scholz Waffenlieferung an die Ukraine blockiert, ist es Habecks Wirtschaftsministerium, das jetzt ermöglicht hat, dass die Ukraine Waffen direkt bei den Herstellern kauft.
e) Interessante Übersicht über die Ablehnung französischer Präsidentschaftskandidat*innen. Macron ist quasi der Olaf Scholz Frankreichs.
f) Die Geschwindigkeit mit der Julian Reichelt völlig abdreht ist bemerkenswert. Dass der Mann die größte Zeitung Deutschlands jahrelang geleitet hat, macht echt Angst.
g) Ein absolut faszinierender Blick in den Prozess der Entwicklung von Sozialwohnungen.
h) Übermedien hat was zu der Überlappung rechtskonservativen Feuilletons à la Welt und Faz, Poschardt und Reichelt, mit Putin, von dem Tini, Ariane und ich ja auch im Podcast sprachen.
i) Da sie die Homo-Ehe nicht angreifen können, spielen Republicans jetzt über Bande und versuchen Sprachverbote zu institutionalisieren.
j) Wo wir gerade dabei sind: auf FOX News drohen sie explizit damit, im Falle eines Wahlsiegs Disney das Copyright für ihre Werke zu entziehen und den Staatsapparat gegen sie einzusetzen, weil ihnen die politische Meinungsäußerung nicht passt. So viel zu dem Thema. Das ist Putin-Level.
k) Christina Schröder rutscht immer weiter ins Extrem ab. Leider sehr vorhersehbar.
l) Merz wird selbst in der FAZ für seine Herabwürdigung von Baerbock kritisiert. Told you so.
m) Ich habe kein einzelnes Zitat für diesen großen Artikel zum „neuen Eisernen Vorhang“ von Jeremy Cliffe, daher einfach der Link.
n) Nochmal Friedrich Merz: der bezeichnet die Bundeswehr als „dysfunktionale Armee“ und die Leute, die bei von der Leyen und AKK ganz laut aufgeschrieen haben, sind merkwürdig still ob dieses Generalverdachts.
o) Falls mal wieder jemand einen Beweis für illegale Pushbacks bei Frontex braucht, oder dass es bei der Eurodebatte nie um das Einhalten von Verträgen ging.
„bin auch dieses Narrativ satt, nach dem keine Opfer gebracht werden würden“
Gilt nicht nur für die Ampel. Das Narrativ, bezogen auf die Wirtschaftsordnung vertritt ja nach wie vor die Partei, die in der Ampel gleich mit zwei Hunden wedelt. Begriffe wie „Verhaltensänderungen“ oder gar „Verzicht“ meiden sie wie der Teufel das Weihwasser.
Klar ist: die Transformation lässt sich nicht mit Geld allein schaffen. Deshalb ist die Diskussion über die Staatsverschuldung nur ein Nebenschauplatz. Schon ohne Boykott oder Sperre gibt es nicht genug Firmen, Arbeitskräfte, Materialen. Die Solarbranche hat Lieferzeiten von drei Jahren. Aber immer noch wird stolz Zeug produziert, das dafür unbrauchbar oder kontraproduktiv ist, z. B. tonnenschwere E-Superschlitten.
Bringen die „Marktkräfte“ Unternehmen dazu, ganz schnell Rotoren, Kollektoren, Speicher, Steuersoftware zu produzieren statt Wohlstandsmüll?
Bringen die „Marktkräfte“ Unternehmen dazu, ganz schnell Rotoren, Kollektoren, Speicher, Steuersoftware zu produzieren statt Wohlstandsmüll?
Jederzeit – wenn die Marktbedingungen dafür günstig sind (also Nachfrage besteht).
Die sind nur nicht günstig, weil Gesetzeslage, Planungsbedingungen und Planungsresourcen sowie Ausbau-Infratruktur (Spezialschiffe) jede Beschleunigung alternativer Energieerzeugung illusorisch machen. Und die Nachfrage deshalb nach Beurteilung der Marktteilnehmer gar nicht existiert bz. in naher Zukunft existieren wird.
Wie soll´s auch sonst gehen – mit einem 5 Jahre-Plan und nachfolgendem Befehl an (ausländische) Hersteller: Ihr produziert ab morgen monatlich X Turbinen?
Gruss,
Thorsten Haupts
@ CitizenK 4. April 2022, 08:42
Das Narrativ, bezogen auf die Wirtschaftsordnung vertritt ja nach wie vor die Partei, die in der Ampel gleich mit zwei Hunden wedelt. Begriffe wie „Verhaltensänderungen“ oder gar „Verzicht“ meiden sie wie der Teufel das Weihwasser.
Oh Citizen … 🙂
Und die Linken wollen den Reichen den Besitz wegsteuern, so dass am Schluss alle gleich arm sind.
Bietet jemand mehr?
Ach Erwin, immer dieser Tunnelblick. Verhaltensänderungen (Energie sparen) betreffen doch alle, Reiche wie Arme, wenn auch in unterschiedlichem Maße.
@ CitizenK 4. April 2022, 21:28
Mein Kommentar bezog sich auf „… die Partei, die in der Ampel gleich mit zwei Hunden wedelt.“
Es ist doch in einer Koalition aus drei Parteien normal, dass jeder das eine oder andere Stück Identitätspolitik durchsetzt, und die anderen an der Stelle Kompromisse eingehen. Wenn Du bei jedem Entgegenkommen einer Partei davon ausgehst, dass die gerade vom Schwanz gewedelt werden, ist das nicht gerade konstruktiv.
Was immer Du von dem nicht eingeführten Tempolimit halten magst – die FDP ist im Gegenzug über eigene Schatten gesprungen, die größer waren. Da muss man nicht zu solch einer abwertenden Kommentierung greifen.
zu 4) Sehe das völlig anders. Du kannst nicht beliebig Geld drucken. Irgendwann landen so Währungen in der Hyperinflation. Aus Rußland hört man, dass die Endverbraucher-Preise auf dem hohen Niveau bleiben, auch wenn der Rubel gegenüber dem Dollar/Euro augewertet hat. Der Wechselkurs ist deshalb so hoch, weil die russische Zentralbank den Rubel mit Aufkäufen aus ihrem verfügbaren Devisen-Bestand gestützt hat und massive Einschränkungen für den Verkauf von Devisen eingezogen hat.
Mit den Devisen aus den Öl/Gasgeschäften können sie direkt im Ausland einkaufen. Ansonsten wären sie auf Kredite angewiesen. Rußland hat eine Außenhandelsquote (Außenhandel / BIP) von 46%. Das ist für ein großes Land relativ viel. Die USA hat 28%, Deutschland hat 84%, wovon der größte Teil der Handel mit anderen EU Ländern ausmacht. Die EU-27 wie Rußland 46%. Die Russen können diesen Handel mit Devisen, Gold oder Krediten bezahlen. Der Preisaufschlag wg Länderrisiko für Kredite sollte gewaltig sein.
Wenn denen jetzt plötzlich wg Einkaufstopp von Kohle/Öl/Gas 20% der Devisen-Einnahmen wegbrechen, haben die ein gewaltiges Problem. Timing ist hier alles.
Rußland hat eine Außenhandelsquote (Außenhandel / BIP) von 46%. Das ist für ein großes Land relativ viel.
Ansolute Zahlen sind wenig aussagekräftig. Wichtig ist, woher kommen die Güter des alltäglichen Bedarfs? Wenn sie im Inland produziert werden, ist die Preisentwicklung durch die Notenbank steuerbar, sind es Importe, ist der Wechselkurs entscheidend.
2) „Ich musste das einfach mal aufschreiben“ (Interview mit Ulrike Guérot)
… „ich hab den Text nachts geschrieben“ ist Guttenberg-Level an Ausflüchten, …
Ja. Wer um diese Uhrzeit was Seriöses schreibt, sollte nach einer Mütze Schlaf noch mal drüberlesen.
Aber wahrscheinlich cancele ich sie mit dieser Kritik jetzt wieder.
Als ob es darum ginge. Dieses ständige Gerieren als Opfer ….
3) Putin’s useful German idiots
4) G7-Staaten lehnen laut Habeck Energiezahlung in Rubel ab
5) Wähler von AfD und Linke haben starken Hang zum Narzissmus
Zustimmung!
8) Chartbook #105: Heat pumps for energy sovereignty – Europe’s options in the face of Putin’s War
Diese gigantischen Herausforderungen lassen sich nicht dadurch bewältigen, dass man an den Erfindergeist der Wirtschaft appelliert.
Das ist schon wieder so eine Verdrehung.
Niemand war der Meinung, dass ein „nun erfindet mal schön“ ALLEIN das Klima rettet. Aber NUR Verbote retten es halt auch nicht. Und wenn man klimarettende Erfindungen und Konzepte fördert, wird die Sache auch rund.
9) Wie der Krieg gegen die Ukraine überholte Männlichkeitsbilder wieder hochspült
Ein Ruf nach toxischer Männlichkeit: Männer dürfen keine Schwäche zeigen, sondern müssen hart sein. Sie müssen ihre Gefühle wieder unterdrücken, und den Konflikt im Ernstfall durch Gewalt lösen.
Ferdinand Mayen ist offensichtlich ein Spinner; das ist nicht, was Poschardt (gelegentlich auch ein Spinner) schrieb, sondern das, was Mayen hineininterpretiert. Sollte er voneinander trennen können.
Damals rief Höcke: „Wir müssen unsere Männlichkeit wiederentdecken. Denn nur, wenn wir mannhaft werden, werden wir wehrhaft und wir müssen wehrhaft werden!“ […]
Ein noch größerer Spinner …
Aber wieso packt Mayen Poschardt und Höcke in den gleichen Sack? Schwachsinn …
Es gibt diesen konstruierten Widerspruch zwischen Krieg und progressiven Werten einfach nicht. Man kann auch für die Freiheit des Gendersterns in den Krieg ziehen. Warum sollte jemand, der geschlechtergerechte Sprache verwenden, weniger „hart“ sein als jemand, der ihn wie die Springer-Journalist*innen ablehnt?
Hier nähern wir uns (finde ich ich) dem eigentlichen Thema.
Was ich schon wahrnehme, ist, dass Gendern und andere Themen sich schon auch grundsätzlich gegen „das Männliche“ (bitte frag mich jetzt nicht nach einer kurzen, klaren Definition) richten; nicht dadurch, dass man das anstrebt, sondern wie man es tut.
Mein Eindruck ist, dass das Ideal des heutigen Mannes sich dadurch gut umschreiben lässt, dass er der ‚aufgeklärten‘ Frau zu gefallen hat, was konzeptionell nicht mehr ist als eine Spiegelung des früheren Konzepts, dass Frau in erster Linie dem Mann zu gefallen hat.
Drei Kreuze, dass ich alters- und beziehungsmäßig aus der Nummer raus bin.
Was ich schon wahrnehme, ist, dass Gendern und andere Themen sich schon auch grundsätzlich gegen „das Männliche“ (bitte frag mich jetzt nicht nach einer kurzen, klaren Definition) richten …
Ja, tun sie. Aggressivität, Risikobereitschaft, Selbstkontrolle und Rationalität stehen unter Männlichkeitsverdacht, und das wirklich sehr deutlich und seit Jahrzehnten. Die deutsche Verachtung alles Militärischen gehört dazu. Das ist der Tenor aller „liberalen“ Medien, in Deutschland ungefähr 90% der Medienlandschaft. Das ist zwar albern, aber wirksam – und ein weiterer der vielen Bausteine, die Rechtspopulismus bei Männern so attraktiv macht(e).
Gruss,
Thorsten Haupts
Drei Kreuze, dass ich alters- und beziehungsmäßig aus der Nummer raus bin.
Gar nicht nötig! Bitte nicht Berichterstattung/Meinungen und reales Leben verwechseln. Bei der relevanten Altersgruppe (15 bis 25jährige Mädels) stehen völlig unabhängig von kulturellen Moden dieselben Männer hoch im Kurs, wie 1980 – konventionell gutaussehend, muskulös, wagemutig, ein bisschen verrückt. Das ist IMHO evolutionär und deshalb weit stärker als jede kulturelle Prägung.
Gruss,
Thorsten Haupts
@ Thorsten Haupts 4. April 2022, 12:22
i>Gar nicht nötig! Bitte nicht Berichterstattung/Meinungen und reales Leben verwechseln.
🙂 Vermutlich richtig. Ich kenne halt auch ein paar Mädels, die eben unter „Partnerschaft mit einem modernen, sensiblen Mann“ verstehen, dass der in allem auf sie eingeht. Klappt genauso wenig wie bei den meist langweiligen Kerlen, die nach einer Frau suchen, die wie Mutti ist, nur 15 Jahre knackiger als sie selbst.
Funktioniert einfach nicht, wenn man nicht bereit ist, den Preis für seine Beziehung zu bezahlen.
Die Verachtung des Militärischen in Deutschland hat nichts mit Genderbildern zu tun, das ist ein verzerrtes Geschichtsbild.
Selbstkontrolle und Rationalität hätte ich weniger mit Männlichkeit verbunden, sondern geschlechterübergreifend als Zeichen dafür, dass jemand erwachsen ist.
Zugegeben, auch das ist gerade eher nicht „in“.
3) Sag ich ja, total ätzend.
8) Das ist auch eine Verdrehung: niemand fordert NUR Verbote. Ich habe hier diverse Artikel geschrieben, in denen ich einen Ansatz von „everything and the kitchen sink“ fordere. DAS ist meine Baseline.
9) Offensichtlich teile ich diese Einschätzung nicht; von meinem eigenen Männlichkeitsbild muss ich Frauen eher überzeugen. 🙂
6 / Chris Wallace
Ich finde ja unglaublich, wie sehr Wallace sich gewandelt hat. Eines meiner Lieblingsstücke ist sein Bill-Clinton-Interview von 2006:
https://www.youtube.com/watch?v=UVqKggHxSLk
Er versucht dort, mit einer Riesenportion Dummheit einen der schlauesten politische Denker der Epoche zu überrumpeln – und erleidet eine totale Niederlage.
Heute wirkt er hingegen fast journalistisch. Chapeau.
Auch nur im Kontrast gegen den Rest des LAdens, fürchte ich.
1) Das große Füllhorn
Die Ampel bestätigt eine alte finanzpolitische Regel: die Freigibigkeit auf der Ausgabenseite steigt mit der zunehmenden Zahl an Parteien, die an der Regierung beteiligt sind. Politische Kompromisse lassen sich bei großen Konflikten eben nur mit Geld finden.
3) Putin’s useful German idiots
Mindestens 20 Jahre deutsche Ost- und Energiepolitik haben sich als fundamental erwiesen. Der Preis dafür sind hohe Zusatzausgaben auf der Finanzseite und drohende Wohlstandsverluste für die Gesellschaft. Die Wähler haben ein Recht darauf, dass diese Phase des Totalversagens politischer Führung parlamentarisch aufgearbeitet wird. Und das heißt nicht erst in den Memoiren ehemaliger Politiker in Regierungsverantwortung.
5) Wähler von AfD und Linke haben starken Hang zum Narzissmus
Ich weiß nicht wieweit solche Betrachtungen etwas bringen. Narzisten, Chaoten, Obrigkeitshörige sind in jeder Gesellschaft anzutreffen. Vor allem sind sie Wähler. Ist die Schlussfolgerung, bestimmten Charakteren keine parteipolitische Alternative mehr anzubieten? Kaum.
8) Chartbook #105: Heat pumps for energy sovereignty – Europe’s options in the face of Putin’s War
Der Grundfehler ist die Annahme, dass eine Gesellschaft (oder auch die Weltgemeinschaft) über unerschöpfliche Ressourcen verfüge. Dem ist nicht so. Der Preis in der Marktwirtschaft ist das Instrument, die Anstrengungen dorthin zu lenken, wo sie den meisten Nutzen stiften. Der Preis ist nicht das Instrument, alles möglich zu machen.
Schon 2019 waren die Kapazitäten der Bauwirtschaft vollständig ausgelastet. Die Firmen der Industrie schieben einen Berg an Aufträgen vor sich her, selbst Uniabsolventen des Bauingenieurwesens sind nur bis exorbitanten Gehältern zu bekommen, nicht selten gleich sechsstellig. Der Staat kann da ohnehin schon nicht mehr mitbieten. Entsprechend sind die Baupreise in den Zehnerjahren rasant gestiegen. Was uns zu oben gesagten geführt: der Preis ist das Signal, dass die Kapazitäten überausgelastet sind.
Das Bundeswirtschaftsministerium kann ja fleißig den Ausbau der Erneuerbaren beschließen. Doch es bedarf weit mehr als einfach Milliardenbeträge in eine Branche zu schütten, die ohnehin schon in Geld schwimmt. Das treibt nur die Preise, mithin die Inflation. Die Menschen (und der Staat) bekommen einfach weniger für ihr Geld.
Die Frage ist doch: wo sollen die zusätzlichen Kapazitäten herkommen? Immerhin will die Bundesregierung jährlich 400.000 Wohnungen bauen, gerne besonders günstig. Wo sollen die Bauingenieure (um nur eine Berufsgruppe zu nennen) abgezogen werden, um den angedachten Ausbau der Erneuerbaren zu stemmen? Immerhin braucht es dafür vergleichbare Kompetenzen wie für den Bau von Wohnungen.
Mit Geld kann man nur Dinge erwerben, die bereits da sind. Einen LPG-Terminal beispielsweise. Oder den Weiterbetrieb von Atommeilern. Dummerweise bedürfte es dazu jedoch auch Weitsicht. Nur ist die leider nicht käuflich erwerbbar.
9) Wie der Krieg gegen die Ukraine überholte Männlichkeitsbilder wieder hochspült
Das Problem: ohne Bereitschaft, notfalls Gewalt auszuüben oder eine Waffe in die Hand zu nehmen, ist man manchmal total hilflos. Bis hin zu tot. Ob man dies nun mit „männlich“ umschreibt oder anders, ist im Grunde egal. Auch Frauen können Härte zeigen, was nicht zuletzt Magaret Thatcher bewies. Oder die britische Innenministerin Priti Patel. Wichtiger als das Geschlecht ist die Haltung, auch wenn gerne beides zusammengeschrieben wird.
zu 3) stimme dir da vollumpfänglich zu 😉
zu 5) Es macht schon Sinn sich Gedanken zu machen, warum Leute so ticken wie sie ticken. Nur gibts in der Linken da viele Strömungen. Hab ich weiter oben näher erörtert.
Hab ja vor etwa 10 Jahren einige linke Venezuela Veranstaltungen besucht und mit vielen Fragen unterhaltsamer gestaltet. Ich blickte da in viele blasierte, überlegen lächelnde Gesichter, die mich für völlig dumm hielten, aber selber keinen blassen Schimmer hatten. In den Pausen und nach der Veranstaltung sprach ich dann mit wirklich interessierten, die sehr wohl ihre Zweifel hatten und mir zuhörten. Irgendwann hab ich da das mit dem Dunning Krüger Effekt entdeckt.
8) Wir hatten ja in den letzten Jahrzehnten in der Energie-Gewinnung große Effizienz-Gewinne. Da ist mir deine Perspektive zu statisch. Allerdings wäre ich angesichts der russischen Bedrohung für staatliche Forschungssubventionen UND längere AKW Laufzeiten UND Fracking im Oberrheingraben/Niedersachsen.
Die Branche schwimmt nicht in Geld. Der deutsche Hersteller von Windkraftanlagen Enercon und Nordex geht es nicht so gut. Laut dem Experten meines Vertrauens in der Branche wurden die jahrelang mit Subventionen hochgepäppelt und konnten nicht umstellen, als die wegfiehlen. Allerdings haben die erfolgreicheren Vesta und ein spanisches Unternehmen in Deutschland kompetente Firmen eingekauft.
9) Auf den Kriegsvideos der ukrainischen Verteidigung sieht man viele Frauen. Da gibts wirklich alles. Von der Infantristin, die ohne Schutzweste aber mit angelegten Maschinengewehr durch einen gerade eroberten Ort latscht bis zur Pilotin eines Kampfjets.
An der Heimatfrond erweisen sich ja wohl Annalena Bärbock und Robert Habeck in Sachen Haltung und Rhetorik als absolut kriegstauglich und diese Verteidigungsministerin und Lars Klingbeil eben nicht.
3) Jetzt muss ich mir Gedanken machen… 😉
5) Muss ich, schon berufsbedingt. Aber es ist mir zugegeben ziemlich egal, ob ein Narzist zur AfD tendiert oder die FDP oder die Grünen wählt. Ein Narzist ist in erster Linie ein Narzist und mag vielleicht die Selbstverliebtheit oder Selbstüberzeugung ohne Zweifel bestimmter Parteien. So what? Ich muss sehen, Charaktere einzugliedern – in die Abteilung, im Freundeskreis, im Umgang miteinander. So haben wir gerade die Netflix-Serie Inventing Anna über die Hochstaplerin Anne Sorokin gesehen. Ein Prachtexemplar einer Narzistin. Und dennoch, alle haben diesen Typus falsch angepackt, ja, sind ihr noch devot hinterhergelaufen.
8) Es geht nicht um die Effizienzgewinne. Aber jedes Windrad muss erstmal aufgestellt werden, jedes Solarpanel verbaut werden. Das kann der Heimwerker nicht.
Unsere Vorstellung ist doch intellektuell armselig und arbeitsmarktpolitisch unfassbar naiv: Kaum gibt es ein Problem, muss nur das notwendige Know-how eingekauft werden. Als würden bestens ausgebildete Menschen nur darauf warten, dass endlich ein Problem daherkommt, dass sie mit viel Einsatz lösen müssten.
Deine Beispiele belegen meine jahrzehntelange berufliche Erfahrung: Subventionen machen schnell träge und behindern Veränderungen. Es.ist.von.Übel.
9) Der von Stefan wenig gemochte Ulf Porschardt hat ja anlässlich des Sturms der Taliban gemeint, es wäre besser gewesen, die Frauen mit Waffen auszustatten als Polizei und Militär. Wer unmittelbar betroffen ist, kämpft härter und mit extremen Engagement. Da ist sicher, mit Blick auf die Ukraine, einiges dran.
8) Chartbook #105: Heat pumps for energy sovereignty – Europe’s options in the face of Putin’s War
Das Bundeswirtschaftsministerium kann ja fleißig den Ausbau der Erneuerbaren beschließen. Doch es bedarf weit mehr als einfach Milliardenbeträge in eine Branche zu schütten, die ohnehin schon in Geld schwimmt. Das treibt nur die Preise, mithin die Inflation. Die Menschen (und der Staat) bekommen einfach weniger für ihr Geld.
Zustimmung. Mein Lamentieren seit Jahren: Zu oft denkt der Staat, dass mit dem bereitstellen von Geld der Kittel geflickt ist. Mitnichten.
Immerhin will die Bundesregierung jährlich 400.000 Wohnungen bauen, gerne besonders günstig.
Hhmmm…
Die letzten Bundesregierungen taten alles dafür, dass Bauen von Wohnungen teurer wird. Sie sollen von den Erbauern und Vertreibern nur günstig vermietet werden.
In die gleiche „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“-Kategorie fällt der aktuelle Beschluss, die CO2-Abgabe in „schlecht“ isolierten Wohnungen hälftig auf den Vermieter zu übertragen. Alte und „schlechte“ Wohnungen sind eben auch günstiger in der Miete.
Na klar kann man renovieren, aber nicht stufenlos. Man muss immer gleich das volle Programm machen (Fassaden, Fenster, Heizungsanlage, ev. Dach), wenn man als Vermieter aus dem Schneider sein will. Das kann sich kein privater Vermieter leisten. Man kann zwar einen Teil der Kosten auf den Mieter umlegen (in der Regel verteuert das die Miete so, dass der aus der günstigen Wohnung raus muss), aber das reicht bei weitem nicht aus, um die Investition abzufangen.
Wo sollen die Bauingenieure (um nur eine Berufsgruppe zu nennen) abgezogen werden, um den angedachten Ausbau der Erneuerbaren zu stemmen?
Geht nicht im heimischen Markt. Bei größeren Projekten werden ausländische Bauunternehmen viele Zuschläge bekommen. Mit Budimex drängt beispielsweise ein großes Bauunternehmen aus Polen auf den deutschen Markt, dass sich vermutlich aus dem Osten Europas versorgen wird.
Mit Geld kann man nur Dinge erwerben, die bereits da sind.
So schlicht, so wahr!!
1) Ja. Aber das zu bejammern ist so ähnlich wie darüber zu meckern, dass Angestellte bezahlt werden oder Unternehmen Profite erzielen wollen.
3) True.
5) Es erklärt eher, warum die bei dieser „Alternative“ landen.
8) Niemand nimmt unerschöpfliche Ressourcen an. Aber da gibt es einiges, was sich mobilisieren ließe, wenn man wöllte. Zeigt ja Russland gerade auch.
9) Ich halte die Bereitschaft, Land und Freiheit zu verteidigen, gerade nicht für männlich, das ist doch der Punkt.
1) Wähler sollten sich dessen bewusst sein.
5) Nein. Es zeigt Tendenzen, teilweise nur vage.
8) Gerade die Ressource Mensch ist begrenzt. Das ist der Punkt.
9). Immer noch weit mehr Männer als Frauen nehmen eine Waffe in die Hand, um das Wichtigste auch mit Gewalt zu verteidigen. Beim Militär, bei der Polizei, bei der Feuerwehr. Hört sich sehr männlich an.
1) Sind sie aber, wie bei so vielem, offensichtlich nicht.
5) Aha? Warum?
8) Klar. Aber mein Punkt ist, erneut, auch nicht, dass es unerschöpflicht ist, sondern dass da viel Potenzial ist.
9) Seufz.
zu 9) Die Invasion in der Ukraine ist ein „Churchill-Moment“. Wir werden damit leben müssen, dass dieser Konflikt die perfekte Folie für eine sich selbst-überhöhende absolut harte Haltung darstellt, sei es in Bezug auf den militärischen Aggressor, sei es in Bezug auf konservatives Lamento über Werteverfall oder Verweichlichung.
Nimms nicht persönlich, Entschuldigung für den Anglizismus, aber DAS IST QUATSCH:
https://www.thedailybeast.com/ukraines-gay-combat-volunteers-are-ready-to-fight-for-their-lives-against-anti-lgbtq-vladimir-putin
https://taskandpurpose.com/news/ukraine-women-military/
Und das ist gut so. Habe ich in meinem Post, in dem ich von der Selbstinszenierung konservativer Härte und Lamento über Verweichlichung sprach, aber auch nicht bestritten.
Einen Euro für jeden Politiker, der glaubt, sich als Churchill inszenieren zu müssen, die Hütte wäre abbezahlt.
1)
Zitat:
„jede Partei kriegt irgendwas, aber, Newsflash, das ist Politik. “
Nu ja, sagen wir mal: Das ist eine bestimmte Art von Politik, nämlich Klientelbedienung. Die Alternative wäre das Gemeinwohlkonzept, welches indes gerne als naiv verlacht und vermutlich auch draußen im Lande nicht gewollt wird.
Deinen Newsflash kann man/frau auch als organisierte Korruption oder Wahlkreuzchen gegen Bezahlung bezeichnen. Ob das jetzt einen eindrucksvollen reifen Demokratiegrad entspricht, könnte noch diskutiert werden^.
Zitat:
„und was sie kriegen ist dieses arrogante Genöle eines Vieweger. Ich find das widerwärtig.“
Klingt heftig deftig^. Pampern in Kriegszeiten wird aber nicht funktionieren. So viele Wohlfühlwindeln gibt es gar nicht. Die etwaige Auffassung „Der Staat hat mich von allen Fährnissen abzuschirmen“ erinnert da wohl eher an Genöle.
Bei Verlusten, die einen REALEN (sprich: in Sachen auszudrückenden) Charakter haben, hilft keine Geld der Welt. Es geht also am Ende des Tages um die Grundsatzfrage der Möglichkeit (nicht der Wünschbarkeit, Wünsch-dir-was funktioniert immer – allerdings nur im Traum) des ewigen Wählerkaufs, ein Problem ALLER Parteien, die seit Jahr und Tag nichts anderes mehr gewohnt sind, was manfrau ihnen indes nicht unbedingt vorwerfen kann. Bürgertum oder eine zu bedienende Kundschaft mit Kaufhausmentalität ? Hmm…..
3)
Es handelt sich um den von dir weiter oben NICHT beanstandeten Wählerkauf. Öl und Gas aus RU per Pipeline heranzuschaffen ist die bei weitem billigste Methode – übrigens auch ökologisch sinnvoller als über die Weltmeere schippern. Das Volk lebt natürlich ziemlich angenehm, wenn die Verteidigung von den Amis bezahlt wird und bei allen Außenwirtschaftsbeziehungen billig, billig, billig der EINZIGE Kriterium ist.
Wer das beanstandet muss auch erklären, wer der geneigten Wählerschaft etwas anderes hätte verkaufen können und gleichwohl auch noch gewählt worden wäre.
Zitat:
„fordert eine Aufarbeitung dieser Haltung bei den betroffenen Parteien.“
Warum eigentlich nicht vom Wahlvolk ?
7)
Alte Hüte, mit Verlaub. Beweist einmal mehr, dass es historisch auf Narrative (wer sind die Guten und wer sind die Bösen?) ankommt und nicht auf Tatsachen.
Die Erzählung ist nu mal gängig: Der imperialistische Kolonialismus war (und ist) – außer gewisse bedauerliche Zwischenfälle^ – irgendwie „gut“, mindestens aber „normal“, was alles heilt. Je weiter zurück, desto besser. Man stelle sich vor, es hätte die Römer am Rhein nicht gegeben, wer oder was oder wie wären dann die Kölschen? ^
Man stelle sich vor, es hätte die Römer am Rhein nicht gegeben …
… dann wären die Deutschen heute ungefähr da, wo die Sub-Sahara-Afrikaner waren, als sie von den europäischen Kolonisten überrolt wurden. Kein schöner Gedanke – aber eine Zivilisation hätte Germanien ohne die Römer aller historischen Wahrscheinlichkeit nach nie entwickelt.
Bin deshalb für die Römer ganz dankbar – das bäuerliche Leben in einem reetgedeckten Clan-Langhaus mit Lagerfeuer und Ziehbrunnen ist nicht so meins.
Gruss,
Thorsten Haupts
aber eine Zivilisation hätte Germanien ohne die Römer aller historischen Wahrscheinlichkeit nach nie entwickelt
Ach, so schlimm ist es in Norwegen oder Schweden gar nicht. Es gibt sogar funktionierendes Internet dort. 🙂
Yup, aber auch deren Zivilisation ist eine Folgewirkung des römischen Imperialismus.
Dabei muss man natürlich bedenken, dass die römische Kultur in der sogenannten Völkerwanderung sehr schnell unterging und Kulturpraktiken verloren gingen.
Im Mittelalter wurde es dann teilweise vermittelt über die arabische Übersetzung antiker Texte wiedererlangt.
„Sehr schnell“ würde ich nicht sagen, das zog sich ja über Jahrhunderte. Da hat Bret Deveraux auch was Gutes dazu: https://acoup.blog/2022/01/14/collections-rome-decline-and-fall-part-i-words/
Im Mittelalter wurde es dann teilweise vermittelt über die arabische Übersetzung antiker Texte wiedererlangt.
Mit DEM Mythos wollte ich mich auch schon lange mal näher beschäftigen. Ich halte das mittlerweile mindestens für eine gewaltige Übertreibung – die wirkliche Transmissionsleistung leisteten christliche Klöster (u.a. dadurch, dass Abschreiben als gottgefällige Tätigkeit galt) – und nicht die im Vergleich dazu geringen Kontakte europäischer mit arabischen Händlern.
Gruss,
Thorsten Haupts
Die antiken Texte kamen ja auch erst in der Renaissance wieder groß raus. Aber ja, die Transmissionsleistung ist von mittelalterlichen Klöstern gemacht worden. Diese Geschichte mit arabisierten Quellen höre ich in dem Ausmaß zum ersten Mal.
Ist im linksliberalen deutschen Bürgertum eine sehr weit verbreitete Geschichte. Wurde im Zuge der muslimischen Masseneinwanderung 2015/2016 praktisch überall in den eher liberalen Medien in verschiedenen Varianten aufgewärmt.
Gruss,
Thorsten Haupts
Nananana, das ist wesentlich überzogen.
Ich meine, ich warte seit längerer Zeit schon auf einen Beleg dafür :-)? Bis dahin – keine zivilisatorische Entwicklung ohne grosse Städte, keine grossen Städte ohne ausreichend ertragreiches Umland und eine hinreichend grosse politische Entität. DAFÜR gibt es Massen an historischen Belegen über Jahrtausende. Für die eigenständige zivilisatorische Entwicklung eines zersplitterten Waldbauernvolkes (z.B. Germanen) dagegen – keine.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich hab mal spontan nen Experten gefragt: https://twitter.com/BretDevereaux/status/1511062610640310272
Merci. Er drückt sich ja bewusst vorsichtig aus:
—
I think the Roman Empire seems clearly to have accelerated state formation in the area that would become Germany – but that state formation would have happened eventually without it.
Just from exposure to the Mediterranean state system.
If we define civilization as ‚having cities‘ – again, accelerated the process, but given that the people there were already agrarian and exposed by trade to the Mediterranean, cities were going to happen sooner or later.
—
„eventually“ heisst hier irgendwann und ist die schwächste Stelle seines Argumentes – es gab Weltgegenden (Subsahara), die über viele Jahrhunderte mit im Vergleich fortgeschritteneren Zivilisationen handelten und trotzdem nichts entwickelten, was einem (mittelalterlichen, also Stadtrepublik oder feudales Fürstentum) „Staat“ auch nur entfernt glich.
Er sagt aber ohnehin selbst, dass ohne die Teil-Einverleibung ins römische Imperium der Prozess länger gedauert hätte, ohne das „länger“ zu spezifizieren.
Ich bleibe bei meinem Argument, das ich historisch leicht massiv unterfüttern kann. Brets implizite Hypothese (früher oder später „auch“ durch Handelskontakte und Wissenstransfer) steht auf sehr dünnen historischen Faktenbeinen …
Gruss,
Thorsten Haupts
Es gab in Afrika auch diverse Staaten, die um 1500 mindestens genauso weit oder auf einigen Gebieten gar weiter waren als die Europäer. Aber klar, die Argumentation ist schwierig, da hast du Recht. Ich will auch eher vor Teleologie warnen.
Ja, interessant. Aber: Kontrafaktische Revisionen im Geiste bringen einfach nichts, IMHO. Die sind so interessant wie unergiebig.
Wenn ich oben sage, dass es historisch auf Narrative ankommt, sag ich ja nicht, dass man das vermeiden sollte. Geht gar nicht, IMHO bzw. Tatsachenpicken allein führt zu keiner Sinnstiftung (Narrativ), was ja eigentlich der Kern der Veranstaltung ist. Die großen Geschichten heißen „Fortschritt“ versus „Rückschritt“ oder jedenfalls „Stillstand“ mit zahlreichen Unterformen. Die schlechte Nachricht: Es besteht keine Aussicht auf ein einheitliches Bild, das jedem gleich gefällt. Trübungen (Mord und Totschlag, Kriege und all so unschöne Dinge) muss man beim „guten“ Kolonialismus, also einem diesbezüglichen Fortschrittsbild, natürlich weglassen oder unter unumgängliche Kosten abbuchen.
Mir geht es darum vorsichtig zu sein mit monokausalen und vor allem teleologischen Zuschreibungen.
1) Das schließt sich ja alles nicht aus.
3) Völlig bei dir.
7) Stimmt schon, aber daraus kann keine Ignoranz abgeleitet werden.
zu 5) Genauer kann man den Narzissmuss der Linken und der AFD Anhänger meist dem Dunning Kruger Effekt zuordnen.
https://www.humanresourcesmanager.de/content/der-dunning-kruger-effekt-was-ist-das/
d.h. gerade inkompetente Menschen halten sich für besonders schlau. Es gibt ja noch die Spielart starker Narzisten, d.h. überdurchschnittlich kompetente Leute, die den Drang haben, sich so zu projizieren, dass andere sie für unfehlbar halten.
10) Mich wundert eigentlich, dass die Linke keinen klaren Schnitt mit ihren Dagdelen, Hunko, Hänsel, Wagenknecht, etc. Entsprechende Stimmen gibt es. Man schaue sich etwa die Rußland-Ukraine-Krieg Berichtserstattung im Neuen Deutschland oder im Analyse & Kritik (akweb.de) an. Die hatten auch nie was mit der fatalen Annäherung durch Handel Fehleinschätzung zu tun.
Die junge welt ist hier anders. Auch das vom ehemaligen wissenschaftlichen Mitarbeiter der ehemaligen Bundestagsabgeordneten Heike Hänsel geleitete telepolis und die Nachdenkseiten.
10) Mich wundert eigentlich, dass die Linke keinen klaren Schnitt mit ihren Dagdelen, Hunko, Hänsel, Wagenknecht, etc.
Mich nicht. NATO- und US-Feindschaft, eine völlig missverstandene Russland-Liebe und ein gespaltenes Verhältnism zu liberalen westlichen Demokratien gehörten immer zur ideologischen Grundausstattung vieler westdeutscher Linker – und bei den SED-Resten im Osten sowieso.
Gruss,
Thorsten Haupts
so pauschal gilt das eben nicht. Ich würde die Linke nie wählen, aber grundsätzlich verdammen wird Teilen von denen nicht gerecht.
Viel nervöser macht mich die SPD. Ich muss mich zwingen nicht an die Verteidigungsministerin zu denken, da ich sonst noch ein Gegenstand durchs Fenster schmeisse. Bei geschlossenem Fenster.
Jepp.
5) Ich bin etwas skeptisch gegenüber DK geworden, der scheint mir etwas überbemüht zu werden. Aber grundsätzlich: ja.
10) Weil die halt in der Partei stark verankert sind. Die LINKE hat schon wenig Wählende; willst die noch halbieren?
Wenn die Linke keinen Neuanfang wagt, geht sie unter. Die von mir genannten sind v.a. untereinander gut vernetzt, erzeugen aber auch viele Anti-Körper. Die wissen doch auch, dass sie mit denen nicht koalitionsfähig sind.
Ja. Aber das Problem der LINKEn ist doch seit zwei Jahrzehnten, dass signifikante Teile der Partei nicht koalieren WOLLEN.
Zu 10): … nicht einmal die SPD war so blöd, sich darauf einzulassen.
Tatsächlich? Wo sitzt noch mal die Masse der Putin-Versteherin der deutschen Politik (inklusive unseres Bundespräsidenten)?
Zu Christina Schröder:
Ach, sie driftet ab? Weil sie legitime UND naheliegende Fragen zur autoritären Ader stellt, die ohne die FDP auch die deutsche Corona-Politik noch immer dominieren würde?
Gruss,
Thorsten Haupts
Nein, weil ihre Rhetorik völlig maßlos ist.
2)
Dieses Kapitel habe ich zwischen 2 und 7 Uhr morgens geschrieben. Das war in mir und ich habe es einfach runtergeschrieben
Klar, normale Leute löschen sowas beschämt am nächsten Tag und sind froh, dass es keiner gesehen hat, andere klagen in der Welt darüber, wieviel Böses das über die Empfänger aussagt. Das ist echt erbärmlich.
3)
Es ist glaube ich meine große Gemeinsamkeit mit Stefan Pietsch, dass wir hier im Blog schon seit langem die Russland-Falken waren.
Ey, ich möchte bitte mitgemeint sein!
Aber ja, eine Aufarbeitung ist dringend nötig. Es ist ja auch nicht nur ein SPD/CDU-Problem, das zieht sich auch in Bevölkerung und Medien durch und gerade darum halte ich das für nötig, Leadership und Verantwortung und so. (zumindest Großteile der Bevölkerung haben zumindest den Stimmungswandel laut neuesten Umfragen eventuell auch schneller vollzogen).
Vielleicht unpopular opinion: Ich persönlich fände es vielleicht sogar ganz gut, statt die immernoch-Putinversteher (bloß nicht) oder die „wir alle haben uns geirrt und täuschen lassen“ lieber Politiker*innen mehr Zeit einzuräumen, die tatsächlich sehr selbstkritisch mit ihrer früheren Position (und/oder die der Partei) umgehen, wie Platzeck, Gysi oder Henning-Wulsow.
Außerdem krieg ich beim nächsten „konnt ja keiner ahnen“ einen Schreikrampf.
Passt auch gut zu 4) und Habeck. Diese erwachsene Ansprache ist sooo anders und erholsam und zeigt ja auch, dass das ankommt und die Wählenden/Zuhörenden gar nicht so einfach gestrickt sind, wie Medien und Politik gerne annehmen. (imo auch aus eigener Faulheit)
9)
Es gibt diesen konstruierten Widerspruch zwischen Krieg und progressiven Werten einfach nicht.
Es ist auch deswegen vollkommen lächerlich, weil die Macho-Männlichkeit hier von russischer Seite präsentiert wird, was in den Redaktionsstuben irgendwie noch gar nicht aufgefallen ist und nebenbei zeigt, warum feministische Außenpolitik eben kein Gedöns ist, das nur verweichlichte Westler wollen. Verwechsel die Länder immer (sorry), aber Skandinavien und das Baltikum sind am weitesten, was feministische/emanzipatorische Außenpolitik angeht und aufgrund ihrer Nähe zu Russland, sind die absolut keine Radikalpazifisten mit Gendersternchen im Haar. Das geht halt auch mit Bumms. (oder pinker Panzerfaust, wie irgendein Scherzbold auf Twitter meinte^^).
Mir scheint eher, dass der Krieg die Männlichkeitsbilder an den Schreibtischen durcheinander bringt, der Spiegel hatte ja auch neulich so einen bekloppten Artikel, dessen Teaser ich hier in all seiner Albernheit mal kopiere:
Der deutsche Großstadtmann kann kochen, trägt gepunktete Socken und hat sich von der Streitkultur seiner Väter verabschiedet. Ihm fehlt die nötige Härte für eine Welt, in der sich nicht jedes Problem wegdiskutieren lässt.
Geht wohl um ein bereits geschriebenes Buch, das jetzt auf die Schnelle noch mit Putin und dem Krieg verknüpft wurde. Ich konnte den ganzen Artikel gelesen und ich sag mal: Guérot mit ihrer Ausflucht wirkt dagegen völlig einleuchtend und rational.
Aber um der Fairness genüge zu tun: Irgendwelche Freaks, die meinen, ein Tempolimit wäre irgendwie eine Art angemessene Antwort auf ein Massaker wie in Bucha oder Irpin, find ich genauso eklig und verrückt. Da braucht man sich dann auch nicht mehr über die LINKE beschweren, wenn einem selbst bei Extremsituationen keine neue Platte einfällt.
2) Charakterlos.
3) Verzeihung!
Sonst auch zu 4) Zustimmung.
9) Schreibtischkrieger, mehr sage ich dazu nicht.
„eine Aufarbeitung ist dringend nötig“
Nochmal die Argumente, die auch ich damals für einleuchtend hielt:
Die Lieferungen aus Russland sind sicher, denn selbst in der Hochphase des Kalten Krieges war Russland immer „vertragstreu“.
Woher wir unsere Energie beziehen, bestimmen wir als souveränder Staat selbst, auch nicht der wichtigste Verbündete (der auch noch sein umweltschädliches Fracking-Gas verkaufen will).
Nicht nur die Politiker, sondern auch die Vorstände und Aufsichtsräte der auf die Importe angewiesenen Unternehmen (Chemie, Stahl, Auto) sahen darin kein Problem. Die Wirtschaftsführer waren auch nicht vorausschauender. Dass Unternehmen wie die BASF alles auf eine Karte setzten, ist im Rückblick einfach unverständlich.
Wer eine neue Pipeline baut, wird doch keinen Krieg planen? We were terribly wrong. Das kann man nicht alles bei Merkel abladen.
Das ist falsch. Auf die Energieversorgung mit Gas zu verzichten bedeutet nicht chemisch produzieren zu können. Außer BASF wäre nicht nur innovativ in seiner Kernkompetenz, sondern auch in der Produktion von Wasserstoff, eine Energiequelle, mit der Unternehmen weltweit bisher nur Verluste produziert haben.
Normalerweise erzeugen jene, die Energie benötigen, diese nicht selbst, sondern werden versorgt. Das ist bei Unternehmen nicht anders als bei Haushalten oder Behörden. Gas ist im energieintensiven Bereich durch Kernenergie oder Kohle zu ersetzen. Die deutsche Politik sagt seit einem Jahrzehnt, das ginge nicht. Wasserstoff ist eine weitere Alternative, nur hat die Versorgung global mit vielen Widerständen und Problemen zu kämpfen. Dies zum Versäumnis eines Unternehmens, einer Branche oder einer Industrie eines Landes zu erklären, ist, vorsichtig ausgedrückt, dämlich, ideologisch und borniert. Vorsichtig ausgedrückt.
Offenbar ins Schwarze getroffen, wie die überaus sachliche und respektvolle Reaktion zeigt.
Die Herren mit den Millionengehältern dürfen sich also verlassen auf Politiker oder gar auf – Beamte? Erstere, weiß doch jeder, denken nur bis zur nächsten Wahl und Letztere – wissen wir dank StefanP – sind komplett unfähig.
Schon im Grundstudium habe ich gelernt, dass Risiken durch Diversifizierung auch auf der Bezugsseite minimiert werden sollten. Lagerhaltung, Eiserne Bestände und so.
Die Unternehmensführungen haben im Lagebericht „… die voraussichtliche Entwicklung mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken zu beurteilen und zu erläutern“ (§ 289 HGB). Haben die seit 2014 keine Zeitung gelesen? Die Warnungen der Amerikaner und der Osteuropäer überhört? Jetzt sind sie darauf angewiesen, dass Putin stillhält und Habeck buckelt – wir wir anderen auch.
In einem ordentlichen Gemeinwesen hat jeder seine Aufgaben – und seine Verantwortungen. Politik und öffentliche Verwaltungen kümmern sich um das Eine, die Wirtschaft um das Andere. So wie ich sage, der Staat kann nicht der bessere Unternehmer sein, so können Unternehmen nicht der bessere Staat sein. Es verwundert, dass gerade Sie dieses Prinzip angreifen.
Für den rechtlichen Rahmen der Energieversorgung ist der Staat zuständig. Dieser beschreibt unter anderem, welche Energiequellen überhaupt genutzt werden dürfen. Die Bürger dürfen dem nicht zuwiderhandeln. Die Wirtschaft und der Markt bestimmen, welche der zulässigen Quellen wirtschaftlich zu geringen Kosten (Erstes Kriterium der Marktwirtschaft!) genutzt werden können. Je einschränkender die Regeln des Staates, desto weniger Alternativen verbleiben.
Die Technik bestimmt, welche Güter überhaupt mit welcher Energie produziert werden können. Die Grenzen der Physik sind da nicht beliebig verschiebbar.
Die Branche der energieerzeugenden Unternehmen stellen die Energie bereit. Die geht zwingend nur zu umlegbaren Kosten. Diese bestimmen sich nicht nach den Gegebenheiten vor Ort, sondern nach dem Weltmarktpreis. Ein Unternehmen, das nur über Markt anbieten kann, scheidet aus. Werden also in Deutschland sämtliche Energieträger verteuert, verschwieden die Unternehmen entweder durch Abwanderung oder Insolvenz.
In den USA können gasabhängige Unternehmen auf Frackinggas ausweichen. Das ist in Deutschland produzierenden Unternehmen nicht möglich. Unternehmen in Spanien produzieren mit Gas aus Marokko. Das ist deutschen Unternehmen nicht möglich, weil die Leitungen von den europäischen Behörden nicht genehmigt wurden.
Und am Ende sind die Wirtschaftsbosse schuld. Is‘ klar.
Jedes Unternehmen unterliegt Risiken. Ist Staatsdienern unbekannt, ich weiß. Es ist nicht möglich, unternehmerische Risiken zu vermeiden, deswegen müssen sie ja im Lagebericht angegeben werden. Das ist der Sinn, nicht, dass sich die Geschäftsleitung informieren kann, was sie zu vermeiden hat. Schauen Sie doch mal in Lageberichte rein. Das stehen eine Menge Risiken, die das jeweilige Unternehmen nicht vermeiden kann, aber sich dessen natürlich bewusst ist.
BASF übrigens ist nicht verantwortlich für den Verkauf aller LNG-Terminals. Das ist letztendlich die Politik, die solche strategischen Verkäufe genehmigen kann oder nicht. Genau deshalb hat der Staat ja so weitreichende Durchgriffsrechte, gegen die sich Ordoliberale übrigens nicht beschweren.
Also, ziemlicher Unsinn Unternehmen vorzuwerfen, sie hätten ihre (Gas-) Energieversorgung Russland ausgeliefert.
Was ich nicht wusste (und auch nicht wissen musste), die Unternehmensleitungen aber sehr wohl: Dass ohne das Gas der Betrieb komplett eingestellt werden muss (mit allen Folgen für nachgelagerte Produktionsprozesse).
„BASF-Chef warnt vor Zerstörung der »gesamten Volkswirtschaft“
Warum aber waren dann Herr Brudermüller & Kollegen nicht schon lange vor Herrn Habeck in Qatar? Ein Konsortium der existenzell betroffenen Unternehmen hätte auch – für alle Fälle – ein LNG-Terminal finanzieren können.
Nein, müssen Sie nicht. Aber Sie können sich fragen, ob die Aufgabentrennung zwischen Staat, Wirtschaft und Haushalten für Sie zählt oder ob Sie eine Durchmischung vorziehen.
Solche Parameter gibt es in vielen Unternehmen. Schauen Sie sich die Pandemie an. Da mussten viele Unternehmen schließen, weil sie nicht vorhergesehen haben, dass der Staat ausgerechnet ihr Geschäftsmodell als toxisch einstufen würde. Shit happens.
Man kauft nicht einfach mal so Gas in Katar ein. Wie soll das nach Deutschland kommen? Wer organisiert den regelmäßigen Transport, Lagerung, Handel? Das ist doch eine absurde Vorstellung. Wenn in Ihrer Gegend mal kein Benzin mehr verkauft wird, macht Ihnen doch auch keiner Vorhaltungen, Sie hätten das beim Kauf Ihres Autos mitberücksichtigen müssen.
Gas ist wie Benzin eine allgemeine Versorgung. In Deutschland wie in anderen Ländern. Es ist unmöglich, das hier ein oder auch ein paar Unternehmen völlig autonom weltstrategische Entscheidungen treffen (können). Selbst in den USA musste der Staat die Voraussetzungen schaffen, Fracking nutzbar zu machen. Das ist die Aufgabe von Staat.
Für diese Sicht (Zusammenarbeit von Staat und Wirtschaft) plädiere ich (und der andere Stefan, wenn ich das richtig sehe) schon immer. Aber hier konnte ich immer wieder lesen: Wirtschaft findet in der Wirtschaft statt, der Staat soll sich raushalten. Ein „Wirtschaftsministerium“ sei eigentlich überflüssig.
Jetzt holt ein Wirtschaftsminister, und auch noch ein Grüner, die Kastanien aus dem Feuer. Das ist weit mehr als „den Rahmen setzen“. Stoff zum Nachdenken.
P.S. Mein Beitrag war eher ein Ausdruck von Verwunderung, Unververständnis. Das fatale Nicht-Sehen-Wollen reichte ja von der politischen Spitze über die Parteien bis runter zu mir einfachem Bürger. Von den Wirtschaftsführern hätte ich aber tatsächlich mehr Weitsicht erwartet.
Jupp, sehe ich genauso. Ich sehe immer ein UND, kein STATT.
Da reden wir völlig aneinander vorbei. Ich schreibe ja ganz deutlich:
Ich streite immer für Aufgabentrennung. So wenig wie ich von privaten Sicherheitsleuten von Billigfirmen am Flughafen kontrolliert werden möchte, so wenig möchte ich den Staat als Aufsicht in Banken oder als „Unternehmer“ in Baufirmen. Beides passt nicht. Und schon gar nicht hat der Staat etwas beim originären Marktinstrument, der Preisbildung, zu suchen. Umgekehrt achtet und respektiert die Wirtschaft das Primat und die Ansagen der Politik. Das war deutlich in der Pandemie und so war es nun bei der Frage, ob Gas aus Russland in Rubel zu bezahlen ist.
Der Wirtschaftsminister reagiert auf katastrophale strategische Fehler der Politik. Nichts sonst. Die Politik kann und hätte auch sagen können: wir garantieren für nix (macht sie ja oft genug), dann hätten Unternehmen wie BASF gesagt, okay, dann produzieren wir zukünftig in den USA (was sie ja auch oft genug tun) und die Politik erklärt der Bevölkerung, warum manche Branchen in Deutschland eben nicht mehr vorhanden sind.
Für Sie sind immer die Unternehmen schuld. Dabei: wir haben Millionen von Unternehmen, mehr als alle Parteien zusammen Mitglieder haben. Da kann niemand sagen die Unternehmen hätten dies oder das tun müssen. Genausowenig, wie man sagen kann, die und die Arbeitslosen hätten halt dies oder das tun müssen. Der Staat bestimmt die Strukturen, die Bürger wie die Unternehmen agieren darin.
Kann man auch nicht. Deswegen ist ja auch eine umfassende Aufarbeitung nötig und kein Exorzismus.
War nicht alles Merkel. SPD war schlimmer. Find das jetzt nicht, aber wurde letztens auf einen älteren Artikel in der Zeit (glaub ich) hingewiesen.
Fast hätte ich beim Lesen den Laptop durch die geschlossene Fensterscheibe geworfen.
Offenbar liessen die sich da auf Freundschaftsreisen mit widerwärtiger Propaganda berieseln. Hielten sich dabei vermutlich für sehr weltoffen.
Wenn ich eins hasse ist das die Selbstüberschätzung von Deutschen bezüglich der Bewertung anderer Gesellschaften. Egal ob die nöhlen oder enthusiastisch alles toll finden. Es ist immer sehr dumm.
Jepp, da war die SPD wirklich schlimmer als die CDU, aber: difference in degree, not in kind.
Dieses denkwürdige Ding ?
https://www.zeit.de/2016/33/spd-reiseservice-russland-moskau
Den Rechner bitte festschrauben.
Reichelt als Teil des Feuilletons zu beschreiben verstehe ich nicht. Der war Chefredakteur der BILD, weniger Feuilleton geht doch gar nicht.
Ja, der Satzbau taugt nichts: das sollte eine Enumeratio werden. Mea culpa.
B) interessante Gedanken der Autorin dazu https://twitter.com/hbottemiller/status/1508419593244577797?s=20&t=7VfSRnl_k7ng7dCi65HCaw
Danke, den hatte ich auch schon gelesen. Sie ist da unschuldig.
Offtopic: Warte stündlich, dass mich die Irische Regierung als Strategie Berater für ihre Rußland-Politik einstellt. Dublin im Frühling ist sicher nicht schlecht. Vielleicht lese ich doch noch Ulysses von James Joice.
Das hier: https://twitter.com/LemmyCaution/status/1511270484519886854
>1100 likes für einen Kommentar ist zumindest populär.
Der Spaß hat einen ernsten Hintergrund. Die Alles-Leugnen-Politik ist sehr anstrengend für die Gegenseite, aber auch extrem lächerlich. Und das können wir ausnützen.
Warum also auf das berechtigte Anliegen der russischen Botschaft nicht mit einer Parodie der absolut bodenlos grauenhaften Reaktion St. Petersburgs auf Bucha antworten?