Wir brauchen mehr Realismus im Klimaschutz


Es ist außerhalb der AfD glücklicherweise Konsens im politischen Deutschland, dass der menschengemachte Klimawandel eine gewaltige Herausforderung darstellt und dass dringend Maßnahmen ergriffen werden müssen, um ihn einzudämmen, wenn wir nicht in den kommenden Jahrzehnten mit katastrophalen Folgen zu leben haben wollen. Der Dissens besteht immer in der Frage, wie das gehen soll. Kanzlerin Merkel erklärte jüngst, sie wolle beim Klimaschutz „realistisch bleiben„.

»Wir müssen auch immer an unsere industrielle Kraft denken«, betonte die Kanzlerin mit Blick auf Maschinenbau und Autoindustrie. Nach der Pandemie stehe Europa vor einem großen Wettbewerb. Die EU dürfe die Industrie daher nicht »vor eine Transformation stellen, die gar nicht zu bewältigen ist, sondern es muss auch machbar sein«.

Da bin ich ganz bei Frau Merkel. Realistisch bleiben beim Klimaschutz ist ungeheuer wichtig. Nur, Frau Merkel ist nicht realistisch. Sie ist vielmehr völlig unrealistisch. Das ist ein Problem, das sie mit einem großen Teil des politischen Deutschland teilt.

In Wirklichkeit handelt es sich bei der Forderung einer „realistischen“ oder „rationalen“ Klimapolitik nicht um die Frage dessen, was realistisch ist. Stattdessen geht es um die Frage, was in den aktuellen Institutionen, mit den aktuellen Zielsetzungen und mit der aktuellen Ressourcenverteilung erreichbar ist. Das klingt ähnlich, ist aber nicht dasselbe. Denn dahinter verbirgt sich eine fundamental konservative Idee: So wenig zu ändern wie möglich. Und in den meisten Fällen macht das, von einem konservativen Standpunkt aus gesehen, auch Sinn.

Schließlich geht es dem Konservatismus darum, Änderungen mit Bedacht und nach reiflicher Überlegung und Prüfung inkrementell durchzuführen. Langsam und organisch. Wer das ablehnt, ist auch nicht konservativ (weswegen die amerikanischen Republicans auch keine konservative Partei sein können, genauso wenig wie die deutsche AfD, die ungarische Fidesz oder die polnische PiS). Das ist die eine Dimension.

Auf der anderen Seite fahren diejenigen, die für „Realismus“ in diesem Sinne argumentieren, eine sehr unternehmendennahe Politik. Ich sage hier absichtlich nicht „wirtschaftsnah“, aus Gründen, die wir später noch sehen werden. In dieser Nähe liegt aber der Grund, warum die Rhetorik des „Realismus“ bei Klimaschutzmaßnahmen so problemlos Anknüpfungspunkte ins liberale und reaktionäre Spektrum findet.

Ein Beispiel dafür ist die Ingenieurs-Romantik, die anlässlich des Erfolgs der #FridaysForFuture-Bewegung plötzlich en vogue wurde. Angela Merkel betonte im Eingangszitat die Bedeutung von Automobil- und Maschinenbauindustrie. Peter Altmaier erklärte im Spiegel-Interview, er vertraue „auf die Genialität unserer Ingenieure“. Und Christian Lindner erklärte per Meme, „Ingenieure, nicht Politologen oder Theologen, sollen entscheiden, wie der Klimawandel zu bewältigen ist.“

Das ist aus mehreren Gründen völlig fehlgeleitet. Am offensichtlichsten ist das in Lindners Fall, der es nicht dabei bewenden kann, im Altmaier’schen Stil die deutschen Ingenieure zu loben und sich damit aus der Affäre zu ziehen. Stattdessen übergibt er ihnen gleich die „Entscheidung“, die in Demokratien immer noch bei den gewählten VolksvertrerInnen liegt, was man bei der FDP vergessen zu haben scheint.

Aber auch Altmaier setzt hier auf das falsche Pferd. Die „deutschen Ingenieure“ arbeiten ja nicht in irgendwelchen Garagen im Stil eines Bill Gates der 1970er Jahre, sondern sind in Unternehmen beschäftigt; in sehr großen Unternehmen, überwiegend. Angela Merkels Kommentar erkennt das implizit an, denn die Maschinen- und Autobauer sind jetzt nicht eben dafür bekannt, Startup-Klitschen oder kleine Familienunternehmen zu sein. Die „deutschen Ingenieure“ arbeiten ja nicht an irgendwelchen persönlichen Erfindungen wie eine Batterie von Daniel Düsentriebs, sondern sind in verflochtene Teams eingebunden, deren Zielsetzungen auf der Managment-Ebene vorgegeben werden.

Die Institutionen sind für genau diese Ingenieure ausgelegt. Sie fördern sie, schieben sie in bestimmte Richtungen, blockieren bestimmte Wege. Das Investitionsschutzabkommen etwa erweist sich als massiver Stolperstein jeglicher realistischer Klimapolitik.

Es gibt derzeit schlicht wenig Gründe für die Automobil- und Maschinenbauer, ihre deutschen Ingenieure ins Blaue hinein Grundlagenforschung für die Bekämpfung des Klimawandels betreiben zu lassen. Denn für Produkte, die dabei herauskommen könnten, gibt es einfach keinen Markt.

Nehmen wir an, es würde eine Maschine erfunden, die CO2 aus der Atmosphäre saugt. Wer kauft die? Sicherlich keine Privatleute. Andere Unternehmen aber auch nicht. Die einzigen Abnehmer wären Staaten.

Nehmen wir an, bestehende Produkte werden CO2-effizienter gemacht. Das verschafft zumindest aktuell keinen Marktvorteil, weil Kaufentscheidungen auf dieser Basis nicht getroffen werden.

Warum also genau ist es „realistisch“, darauf zu vertrauen, dass diese grundsätzlichen Profiterwägungen plötzlich hinten angestellt werden?

Der Vergleich mit dem Corona-Impfstoff ist instruktiv. Hier war die geradezu frenetische Grundlagenforschung mehr als verständlich, denn es war völlig klar, dass der Markt existiert. Wer als erstes ein zugelassenes Medikament auf den Markt bekommt, macht den großen Reibach. Wer als erstes eine CO2-Vernichtungsmaschine erfindet…ist darauf angewiesen, dass Staaten sich massiv verschulden, um diese in gigantischen Mengen einzukaufen.

Es ist dieser Kontext, der es völlig verständlich macht, wenn der Wirtschaftswissenschaftler Christian Odendahl Merkels Signal an die deficit hawks als „völlig irre“ bezeichnet, oder wenn Olaf Scholz‘ Stolz auf den niedrigen Schuldenstand Deutschlands bei mir zu Haare raufen führt. Das liegt nicht daran, dass ich eine Vorliebe für Staatsschulden hätte oder diese als begehrenswertes Gut ansehen würde. Vielmehr stört mich, wie ungemein unrealistisch diese Leute agieren, wie wenig sie sich um die Zukunft scheren. Im letzten Vermischten wurde das als „Zukunftsvergessenheit“ beschrieben; der Artikel sei noch einmal zur Lektüre anempfohlen. Sie zeichnet die gesamte Merkel-Kanzlerschaft aus.

Realistisch ist Greta Thunberg, wenn sie in ihren berühmten Worten ruft: „Ich will, dass ihr in Panik geratet!“ Das ständige Bekenntnis zu angeblichem „Realismus“, „Pragmatismus“ oder „Rationalität“ ist in Wirklichkeit weder realistisch, noch pragmatisch, noch rational. Es bewahrt lediglich so gut wie möglich den Status Quo. Das aber ist keine zukunftsgewandte Politik. Das hat nichts mit Marktwirtschaft zu tun. Die Rettung wird nämlich aktuell zwar einerseits nicht aus der Entwicklungsabteilung von Bosch kommen, aber sicherlich auch nicht aus dem Planungsstab des Umweltministeriums. Es sind marktwirtschaftliche Kräfte, die uns die Rettung bringen können, die den notwendigen Wettbewerb anheizen können. Aber losgelassen werden müssen sie dafür.

Sicher, das Vertrauen auf die deutschen Ingenieure und sonst behäbiges Drehen der eigenen Daumen ist kurzfristig sicherlich die beste Politik, will man an den aktuellen Verhältnissen so wenig ändern wie möglich. Sie ist aber nicht „wirtschaftsnah“, wie das manchmal behauptet wird. Stattdessen ist sie illusorisch. Illusionen gibt es viele. Die AfD etwa schwadroniert im Bundestag, dass das „Weltklima nur in den Köpfen der Klimaideologen existiert“ und der Mensch „die Welttemperatur nicht messbar beeinflusst“. Solche Illusionen haben, das sei klargestellt, weder FDP noch CDU.

Hier herrscht stattdessen die verquere Vorstellung von Realismus vor. Altmaier etwa verkündete jüngst: „Klimaschutz wird nur dann funktionieren, wenn unser Wohlstand dadurch nicht gefährdet wird.“ Das ist eine zirkuläre Logik. Kurzfristig hat er sicher Recht; keine Politik, die den Wohlstand gefährdet, wird sich aktuell durchsetzen lassen. Altmaier sitzt nur der Illusion auf, dass das das Klima interessiert. Einen ähnlichen Fehler machen diverse Leute in der Pandemie, die glauben, das Virus mache zwischen Weihnachten und Neujahr auch Pause, wenn wir uns das nur ganz doll wünschen. Bedauerlicherweise wird mittel- und langfristig umgekehrt ein Schuh draus: Wohlstand wird nur dann funktionieren, wenn unser Klima dadurch nicht gefährdet wird. Eine Mad-Max-Zukunft hat auch keine funktionierende Marktwirtschaft.

Illusionen sind auch nicht auf die rechte Seite des Parteienspektrums beschränkt. Auch die Grünen haben keine realistische Klimaschutzpolitik. Niemand hat aktuell eine.

Denn das Problem einer realistischen Klimaschutzpolitik ist, dass sie notwendigerweise radikal ist. Und jedes politische System ist, aus gutem Grund, zur Abwehr radikaler Veränderungen gebaut. Dasselbe gilt für jede Institution; es hat seinen Grund, warum sich etablierte Großunternehmen nicht eben als Hort der Innovation hervortun, egal, um was es geht. Aber das Ausmaß der Aufgabe, das Ausmaß der möglichen Katastrophe und die Kürze des Zeitrahmens, der uns noch zur Bewältigung bereit steht, ist zwar intellektuell weitgehend verstanden. Jahreszahlen wie 2030, 2035 oder gar 2050 werden in den Raum geworfen. Aber Konsequenzen werden daraus nicht gezogen. Ein Fahrzeug, das auf einen Abgrund zurast, nicht anzuhalten, weil man ja noch ein wenig vom Absturz entfernt ist, ist aber nicht realistisch, sondern im höchsten Maße: unrealistisch.

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  • Sebastian 9. Dezember 2020, 08:59

    Nehmen wir an, es würde eine Maschine erfunden, die CO2 aus der Atmosphäre saugt. Wer kauft die? Sicherlich keine Privatleute. Andere Unternehmen aber auch nicht. Die einzigen Abnehmer wären Staaten.

    Wenn der Staat den Unternehmen Emissionen strenger regulieren, oder Emissionen mit höhreren Preisen belegen würde, würden Unternehmen diese Technologie gewiss nachfragen.
    Möglicherweise ist die Diskussion in diesem Aspekt auch schon weiter, als Du glaubst: Artikel 21 bis 23 hier.

    • Stefan Sasse 9. Dezember 2020, 09:04

      Ja, aber das ist ja genau mein Punkt. Dafür braucht es staatliche Regulierung. Und die Ingenieursromantiker lehnen eben diese ja ab! Ich WILL ja, dass der Markt seine Macht entfalten kann. Was mich wahnsinnig macht ist dass diese IdeologInnen genau das verhindern, während sie ostentativ „realistisch“ dem Markt das Wort zu reden glauben.

  • Ariane 9. Dezember 2020, 09:30

    Danke für den Artikel. Was für eine Schlagzahl du aktuell wieder an den Tag legst, Respekt!

    Diesen Versuch, Nichtstun immer als rational, realistisch und pragmatisch zu bezeichnen und jeden, der irgendwas anders machen will als hypermoralisierendes Träumerlein geht mir ja mordsmäßig auf den Keks. Und wie du auch schreibst, auf einen deus ex machina zu hoffen ist jetzt echt nicht hyperrational, sondern das Gegenteil.

    Ich würde zwei Sachen ergänzen:

    Zum Einen (und da hat Merkel ganz erheblichen Anteil daran) gibt es mittlerweile eine Negierung der Lenkungskraft von Politik. Allerdings ist die SPD da auch Expertin für. Das ist alles reine Verwaltungs-Sachbearbeitung und dass man als Politik auch die Aufgabe hat, eben langfristig lenkend einzugreifen, wird nicht mehr wahrgenommen. Obwohl übrigens gerade dafür die Langlebigkeit von Staaten und Parteien wichtig ist.

    Stattdessen ringt man die Hände und setzt jetzt zb bei der Pandemie auf Eigenverantwortung und ringt wieder die Hände, wenn das total in die Hose geht. Beim Klimawandel ist es ja ähnlich, das wird auch auf die individuelle Ebene verlagert, wodurch das ganze übrigens einer wohlhabenden Elite überlassen wird, die sich ein E-Auto, Bioläden, etc leisten können. (aber logischerweise nicht genug Marktmacht entfalten, um das wirtschaftlich auf breiter Ebene profitabel zu machen, dafür braucht man nämlich die Massen)

    Das zweite ist – was du auch gestreift hast – dass man dazu auf eine kleinere Ebene müsste, während dummerweise die großen Player gemeinsam mit der Politik auf einem Status Quo sitzen. Siehe die Ingenieure der Automobilindustrie, die lieber eine Betrugssoftware erdacht haben als (moderate!) Schadstoffwerte einzuhalten, ähnliches gilt ja auch für die Lobbyarbeit.

    Aber siehe auch die Hilfen in der Coronazeit, Tui und die Lufthansa haben bestimmt mittlerweile 10 Milliarden bekommen (hauptsächlich für klimaschädliche Aktivitäten), während die Bahn oder der Fahhradtourismus, die ebenfalls große Wirtschaftszweige (und damit Arbeitsplätze) eher vor sich hindarben. Auch die Subventionspolitik zb in der Landwirtschaft spielt hier eine Rolle, die hauptsächlich an Größe gekoppelt ist.

    Mal abgesehen davon, dass das weder für den Klimawandel noch überhaupt irgendeinen Wandel und Innovation förderlich ist, sollte man angesichts diesen Jahres auch bedenken, dass man sich so in immer mehr Abhängigkeiten begibt. Ich habe da eben auch die Sorge, dass man da einfach ungebremst und unvorbereitet in eine Krise läuft. Es ist ja durchaus möglich, dass wir zb in der Automobilindustrie so ein Siechtum erhalten, wie die letzten 30 Jahre mit der Kohle (an der wir immer noch herumoperieren)

    • Stefan Sasse 9. Dezember 2020, 09:52

      Absolute Zustimmung. Ich finde besonders deinen Punkt mit Merkel und der Großen Koalition im Allgemeinen als Politikverhinderungsmaschine bemerkenswert. Nicht, dass die nichts täten; die GroKos haben ja eine geradezu beeindruckende Schlagzahl (wenn ich das Wort hier mal klauen darf) an Zeug, was sie machen, und das meiste ist auch handwerklich gut gemacht; gut gemeint ist das alles sowieso. Aber das Negieren der Gestaltungsmacht von Politik an sich, dieses sich-darauf-beschränken alles nur vor sich hin zu reparieren und zu verwalten, das ist ein echtes Problem. In dieser Verweigerung von großen Ideen stecken so viele Probleme…

      • Ariane 9. Dezember 2020, 12:00

        Ja, da passt vielleicht auch diese Fixierung auf Staatsschulden mit rein. Das hat etwas sehr buchhalterisches, hauptsache die Kasse stimmt. Das ist aber eben nicht der Kern der Politik.

        Und es ist/war ja ziemlich egal, wie die Kasse aussieht. Vor einem Jahr war alles paletti und man war trotzdem darauf fokussiert. Dazu passt auch, dass man zb die Mindestrente einführt, sich mit sowas wie Leih/Werkverträgen in Fleischereibetrieben so schwer tut, dass fraglich ist, ob das überhaupt nennenswert was ändert. Und das ist nun wirklich was eher Kleines, dazu noch mit einer gewissen Dringlichkeit wegen der Pandemie.

    • Erwin Gabriel 10. Dezember 2020, 14:41

      @ Ariane 9. Dezember 2020, 09:30

      Überraschenderweise (= für mich) durchgängig Zustimmung!

      Viele Grüße 🙂
      E.G.

  • Marc 9. Dezember 2020, 10:05

    Mich treibt auch die Unvernunft der Ökonomie um.

    Es gibt derzeit schlicht wenig Gründe für die Automobil- und Maschinenbauer, ihre deutschen Ingenieure ins Blaue hinein Grundlagenforschung für die Bekämpfung des Klimawandels betreiben zu lassen. Denn für Produkte, die dabei herauskommen könnten, gibt es einfach keinen Markt.

    Die Spielregeln eines Marktes bestimmt immer die Gemeinschaft und das ist in der Regel der Staat. Diese Erkenntnis widerspricht nur der derzeit vorherrschenden Ideologie der Ökonomie.

    Nehmen wir an, es würde eine Maschine erfunden, die CO2 aus der Atmosphäre saugt. Wer kauft die? Sicherlich keine Privatleute. Andere Unternehmen aber auch nicht. Die einzigen Abnehmer wären Staaten.

    Das ist so nicht richtig, bei entsprechender staatlicher Regulierung z.B. über Grenzwerte oder CO2-Zertifikate oder Steuern sind die Abnehmer Unternehmer und auch Privatleute, wenn sie z.B. aufgrun von Vorgaben die Heizungsanlagen renovieren müssen.

    Hier herrscht stattdessen die verquere Vorstellung von Realismus vor.

    Sie basiert im wesentlichen auf den falschen ideologischen Konzepten der Ökonomie. Sie suggerieren, dass der Status quo des freien Marktes die effizienteste Strategie sei. Das ist für Generation Merkel vielleicht noch richtig, aber für unsere Kinder nicht. Hier wird auch ein Generationenkonflikt verschleiert, der durch Greta Thunberg aufbricht.
    Die größte ökonomische Lüge allerdings ist, dass der freie Markt immer besser sei. Es gibt Ausnahmen und eine davon ist die Bewältigung des menschengemachten Klimawandels. Wäre die Ökonomie eine Wissenschaft, müsste sie diese Tatsache anerkennen. Das tut sie aber nicht. Die präsentiert nur ideologiekonforme Lösungen, wie CO2-Zertifikate, die aber eines nicht sind: wirkungsvoll.

    Der Klimawandel ist auch ein ökonomisches Problem und die Gleichung ist einfach: Je später die Maßnahmen greifen, desto teurer wird es. Eine vernunftsbasierte Ökonomie müsste einen New Green Deal und einen strikten, staatlich regulierten Umbau der Wirtschaft fordern, weil es angesichts der Größe des Problems keine Alternativen mehr gibt.

  • Dimitri 9. Dezember 2020, 13:25

    Naja, ausser technischem und ökonomischen Realismus gibt auch den politischen Realismus. Leider sind Massnahmen, die notwenidg wären, um die diegesetzten Ziele zu erreichen, derzeit weder technisch, noch ökonomisch, noch politisch realistisch. (Am ehesten noch ökonomisch).
    Praktische Läsungen müssen ausserdem alle drei Ebenen ausbalancieren.

    Im Falle des Corona-Impfstoffs waren alle drei Voraussetzungen gegeben.

    Du hast sicher den letzten Beitrag von Matt Yglesias auf Slow Boring dazu gelesen.

    Greta und FFF können noch so in Panik geraten, das wird aber nicht helfen irgendwelche Fantasieziele, zu erreichen.

    Viele Massnahmen die z.B. auf der technischen und ökonomischen Ebene ansetzen (Cap&Trade, carbon-tax etc.) scheitern ja politisch oft daran, dass sie manchen nicht radikal genug sind. Im Ergebnis passiert dann nichts oder viel zu wenig.

    • Stefan Sasse 9. Dezember 2020, 14:34

      Ja. Ich habe in meinem Artikel bewusst nicht über politische Machbarkeiten gesprochen. Das Paradoxe ist ja gerade, dass das, was realistische Maßnahmen wären, POLITISCH völlig unrealistisch ist. Aber was hilft das?

      • Dimitri 9. Dezember 2020, 18:04

        Aber warum muss man das Politische ausklammern, wenn es den Realismuss einer Massnahme mitentscheidet?

  • Marc 9. Dezember 2020, 13:37

    Greta und FFF können noch so in Panik geraten, das wird aber nicht helfen irgendwelche Fantasieziele, zu erreichen.

    Es geht um vertraglich vereinbarte Ziele im Pariser Abkommen.

    Viele Massnahmen die z.B. auf der technischen und ökonomischen Ebene ansetzen (Cap&Trade, carbon-tax etc.) scheitern ja politisch oft daran, dass sie manchen nicht radikal genug sind. Im Ergebnis passiert dann nichts oder viel zu wenig.

    Nein, sie scheitern daran, dass sie nicht wirkungsvoll sind.

    • Dimitri 9. Dezember 2020, 18:27

      Das ist ja gerade der Punkt. Papier ist geduldig und allein davon, dass irgendwelche Ziele vereinbart wurden, ist noch nichts passiert. Ausser dass sich alle ganz toll fühlen und stolz sind.

      Sicher einzelne Massnahmen sind nicht wirklungsvoll genug. Aber im Ergebnis passiert nichts, bzw. viel zu wenig weil manche Dinge nicht gemacht werden.

      Es sind viele kleinere und grössere Schritte notwendig, jeder mit speziellen technsichen, wirtschaftlichen und politischen Hürden.

      Eine „ganz oder gar nicht“-Mentalität ist hier eben der falsche Weg.

  • Juri Nello 9. Dezember 2020, 14:37

    Weder der Staat, noch die Staaten, weder Ihr, noch Eure Kinder und Verwandten, weder die Firmen und erst recht nicht die Konzerne, werden genügend dazu beisteuern können (oder wollen), um die Klimaziele (und damit verbunden auch andere ökologische Notwendigkeiten) ansatzweise zu erreichen. Was bleibt, ist die Hoffnung bei Musk rechtzeitig den Flieger zum Mars zu erwischen und die Hoffnung, dass die billigste Schadensbegrenzung doch noch etwas mehr Zeit verschafft, bis der Mensch nicht mehr auf dem Planeten leben kann. Beides ist eher trügerisch.
    Es wäre noch eine dritte Variante denkbar. Die Eskalation der negativen Effekte. Das wäre dann die Hoffnung, durch genügend Knalleffekte eine stärkere Motivation und Innovation (nach dem Motto: „Hunger ist ein guter Lehrmeister“) zu erzielen, die zur Lösung der Probleme (in Kombination mit einem glücklichen Zufall) führt. Diese Hoffnung wäre indes eher absurd.

    • Stefan Sasse 9. Dezember 2020, 17:04

      So negativ will ich das ehrlich gesagt nicht sehen.

      • Juri Nello 10. Dezember 2020, 15:56

        Ich schon. 40 Jahre sind ein langer Zeitraum, um geeignete Maßnahmen zu treffen. Das Gegenteil davon hat man getan, es sei denn, es hat nix (bis wenig) gekostet.
        Man sollte sich also mit den Konsequenzen, die sich aus der Realität ergeben, abfinden. Die sind zwar nicht alternativlos, aber unabänderlich.

  • CitizenK 9. Dezember 2020, 16:35

    Warum so Schwarz-Weiß, Ingenieure vs. Greta. Notwendig ist ein policy-mix – und die Einsicht, dass Deutschland allein die Welt nicht retten kann, wenn es noch so viel Energie spart und dämmt.

    Dass auch Ingenieure in Konzernen etwas dazu beitragen können, lassen Entwicklungen z. B. bei Heidelberger Zement hoffen. Zementherstellung erzeugt weltweit so viel CO2 wie ein kleiner Staat. Es kann schon am Kamin aufgefangen und zu Produkten verarbeitet werden.

    Andere Beispiele: Holzbau auch bei großen Gebäuden. Spart Beton und damit CO2. Auch das weltweit wirksam. Oder Kochen in Afrika mit Solaröfen statt mit Holz. Die Wald- und Steppenbrände in Australien, Kalifornien, Sibirien und Brasilien blasen vermutlich das X-Fache in die Luft, das wir in D mit noch so großen Anstrengungen einsparen könnten. Unabänderlich?

    • Stefan Sasse 9. Dezember 2020, 17:11

      Weiß ich nicht, genau deinen Punkt mach ich ja im Artikel. Ich will den Mix. Ich will die Entfesselung von Marktkräften und „deutschen Ingenieuren“. Ich glaube nur nicht daran, dass das von alleine passiert, weil es ohne staatliche Nachfragesteuerung (durch künstliche Begrenzung/Verteuerung von Emissionen) keinen Markt dafür gibt.

    • Juri Nello 10. Dezember 2020, 16:03

      Heidelberg Zement? Das Zementkartell der frühen Jahre als Planetenretter?
      Ernsthaft? Wie wäre es mit Amazon oder Tesla…? Ach ich vergaß, die stehen da ja schon hoch im Kurs. Evtl. noch Facebook als Debattenkultur etablieren oder so…

      • CitizenK 10. Dezember 2020, 20:18

        Der Atmosphäre ist das egal.

      • CitizenK 10. Dezember 2020, 22:56

        Dort ansetzen, wo es am meisten bringt. Zementherstellung macht 8 Prozent der weltweiten Emissionen aus, mehr als der gesamte Flugverkehr.
        https://www.tagesspiegel.de/wissen/die-klimaschaedliche-gier-nach-zement-klimakiller-beton/25033772.html

        • Juri Nello 11. Dezember 2020, 10:33

          Ja, aber was willst Du da machen? Bauförderung stoppen? Subventionen minimieren? Andere Bauformen etablieren? Wir reden hier von einem Kartell mit über 50 Jahren Korruptionserfahrung zum Schaden des Staates und der Allgemeinheit. Als das Kartellamt noch halbwegs funktionierte, war das das Erste, was das Scheitern des Staates ähnlich zementierte, wie NSA und NSU später. Wer sollte da also etwas ändern? Da wird nichts passieren!

    • Juri Nello 11. Dezember 2020, 11:08

      „Notwendig ist ein policy-mix – und die Einsicht, dass Deutschland allein die Welt nicht retten kann, wenn es noch so viel Energie spart und dämmt.“

      Corona dürfte gezeigt haben, dass nicht mal die einzelnen Bundesländer und Gemeinden bei einer generellen Problematik, trotz vorhandenen Konzepten, zusammenfinden. Was soll also europaweit oder gar weltweit da bei brenzligeren Problemen passieren? Nix.
      Was treibt die Menschen an? Dominanz, Luxus, Sex.
      Damit sich da schnell was Positives entwickeln kann, bräuchte es also den neuen Menschen und ein neues System. Beides ist nicht in Sicht.
      Wir werden den Artikel (so wie er o. a. ist) also noch 2040 lesen können, nur dass sich dann schon die Umstände unter denen Menschen auf dem Planeten leben müssen, spürbar verändert haben werden.

      • CitizenK 11. Dezember 2020, 11:25

        @ Pirat
        beschreibt das ganz richtig. Ich setze auf einen Paradigmenwechsel.
        Für’s Phrasenschwein: Wer nicht kämpft, hat schon verloren.

        • Juri Nello 12. Dezember 2020, 00:56

          Wer kämpft und auf der falschen Seite steht erst recht.

  • Stefan Pietsch 9. Dezember 2020, 17:07

    Wunderbar! Jetzt müssen wir nur noch die richtigen Politiker wählen und die Sache mit dem Klimawandel ist gewuppt!

    Doch darin könnte ein Problem liegen. Ich weiß ehrlich nicht, woher diese Staatsgläubigkeit kommt, die jüngere Geschichte gibt es nicht her. Es war diese Politik, die – übrigens in höchst bunten Zusammensetzungen und mit wechselnden Regierungschefs – die Energiewende in den Sand setzte. Erst förderte man wie verrückt die Entstehung von Solarfirmen, die dann ebenso schnell verblühten wie sie entstanden waren. Dann schaltete man hektisch alle Atomkraftwerke ab, obwohl der Weg zur CO2-freien Energieerzeugung damit weit länger wurde. Schließlich killte man die Kohlmeiler, wobei es egal erschien, dass in Asien inzwischen 77% der globalen Kohleemissionen durch solche Kraftwerke entstehen.

    In der Corona-Pandemie zeigte die hiesige Politik nur, dass sie eben auch nur wie brave Lemminge den Trends nachschreiten kann ohne Trends zu verändern oder gar brechen zu können. Die Aussagen der Bundesregierung haben inzwischen die Laufzeit einer Eieruhr. Kurze Wellenbrecher wollte man Anfang November einführen, anderer Begriff für zeitlich befristete Lockdowns. Aus diesen kurzfristigen harschen Eingriffen ist längst ein Dauerzustand geworden, wo sich die Politik unfähig gibt überhaupt nur noch Perspektiven zu formulieren.

    Tja, wer soll CO2-Vernichter kaufen? Eine solche Frage zeigt schon die ganze Ahnungslosigkeit über marktwirtschaftlicher Vorgänge, ja, überhaupt die Unwilligkeit, Entwicklungen zur Kenntnis zu nehmen. Die erste Frage lautet nicht, wer soll sie kaufen, sondern, wer soll sie entwickeln? Wirtschaftlich denkende Menschen tun etwas nicht ohne ökonomisches Einkommensziel. Nun werden solche „Maschinen“ ja längst entwickelt, Unternehmer sehen also einen Markt.

    Es ist einfache Mathematik: die Klimaziele des Pariser Abkommens werden sich kaum noch erreichen lassen, wenn es nicht gelingt, nennenswerte Mengen Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu nehmen. Selbst wenn der Staat nicht handelt, wird dies – wenn die Szenarien stimmen – zur Verteuerung klimaschädlicher Produktionsweisen und zur Ächtung besonders schädlicher Verhaltensweisen führen. Wer in solchen Märkten tätig ist, wer Tourismus anbietet, wird darauf angewiesen sein, dem in seiner Produktionsweise entgegenzuwirken.

    Besser wäre natürlich, die Politik zeigte sich in der Lage ihren Job zu machen und Marktbedingungen zu organisieren. Hilfreich wäre, wenn dies global geschehen würde, denn schließlich findet der Klimawandel weltweit statt und nicht auf Deutschland bezogen.

    Die Ingenieure und der Glaube an die großen Konzerne. Du beschreibst genau das, was wir nicht brauchen. Auf der anderen Seite fehlt Dir jedes Out of the Box-Denken. Du kannst Dir Lösungen nicht in den gegenwärtigen Grenzen vorstellen, vorhandene Unternehmen, vorhandenes Wissen, vorhandene Politiker. Dabei weiß man in der Wirtschaftswissenschaft: Neue Lösungen entstehen durch neue Unternehmen. Und solche Unternehmen werden nicht von verzweifelten Haushaltskräften gegründet, sondern weit überdurchschnittlich von jungen Menschen mit einer überragenden Bildung. Nein, das sind nicht typischerweise Geschichtswissenschaftler und Politologen. Es sind Ökonomen, Ingenieure und Naturwissenschaftler.

    Die Zeichnung, bestens ausgebildete Ingenieure hätten allein das Begehren, „Top-Managern“ zu Willen zu sein, lässt mich kopfschüttelnd zurück. Was für ein verqueres Menschenbild!

    • Marc 9. Dezember 2020, 17:41

      Dabei weiß man in der Wirtschaftswissenschaft: Neue Lösungen entstehen durch neue Unternehmen. Und solche Unternehmen werden nicht von verzweifelten Haushaltskräften gegründet, sondern weit überdurchschnittlich von jungen Menschen mit einer überragenden Bildung. Nein, das sind nicht typischerweise Geschichtswissenschaftler und Politologen. Es sind Ökonomen, Ingenieure und Naturwissenschaftler.

      Die Marktwirtschaft gibt es schon etwas länger, die Technologie zur CO2 Abscheidung ist auch nicht gerade modern, junge Menschen mit ökonomischer und naturwissenschaftlicher Bildung haben wir auch nicht erst seit gestern, aber immer noch haben wir keinen funktionierenden Markt für CO2 Abscheider. Warum? Es ist doch nach ihrer Ideologie alles da! Wie lange sollen wir noch warten? Können wir das am Vogelflug ablesen? Im Horoskop lesen? Einen Produktivitätstanz aufführen? Den Marktgöttern ein Opfer bringen?

    • FS 13. Dezember 2020, 12:50

      „Dabei weiß man in der Wirtschaftswissenschaft: Neue Lösungen entstehen durch neue Unternehmen. Und solche Unternehmen werden nicht von verzweifelten Haushaltskräften gegründet, sondern weit überdurchschnittlich von jungen Menschen mit einer überragenden Bildung.“

      Auch hier wäre es mal wieder schön, einen Beleg dafür zu bekommen, wo in „der Wirtschaftswissenschaft“ man das denn so weiß?
      Warum neue Lösungen durch neue Unternehmen entstehen sollen, und nicht bspw. auch in alten, arrivierten entstehen können, ist mir etwas unklar, immerhin haben die alten Unternehmen ja schon einiges an „organizational learning“ hinter sich. In der Tat kann man sich fragen, wie nach ihrer Ansicht überhaupt Firmen alt werden können, die würden doch alle in ein paar Jahren verschwiinden, wenn sie keine Innovationen bereitstellen können, um mit den neuen Firmen mitzuhalten?
      Ihre Aussage ist nebenbei auch fragwürdig, als „die Wirtschaftswissenschaft“ festgestellt hat, dass erfolgreiche Unternehmen (ich unterstelle mal, dass die erfolgreichen auch irgendwie innovativ sein dürften), eher von nicht ganz so jungen Menschen gegründet werden:
      https://hbr.org/2018/07/research-the-average-age-of-a-successful-startup-founder-is-45

  • Kning4711 9. Dezember 2020, 18:00

    Besser wäre natürlich, die Politik zeigte sich in der Lage ihren Job zu machen und Marktbedingungen zu organisieren. Hilfreich wäre, wenn dies global geschehen würde, denn schließlich findet der Klimawandel weltweit statt und nicht auf Deutschland bezogen.

    Genau hier liegt aber ein Knackpunkt – eine globale Regelung für den CO2 Preis ist aktuell außerhalb des möglichen – wichtige Player wie USA, Australien, China oder Indien machen wenig anstalten sich auf solche Ziele, die zum Nachteil Ihrer Wettbewerbsfähigkeit führen würden einzulassen.
    Insofern müsste sich Deutschland darauf konzentrieren in der EU eine gemeinsame Linie zu finden die auf Vorgaben hinausliefen, die automatisch zu Handelshindernissen werden. Wenn nämlich die CO2 Reduktion gelingen soll, müsste es entsprechende Sanktionen für diejenigen Produkte geben die nicht die Regeln erfüllen. Das aber trifft unsere insb. auf Export ausgerichtete Industrie. Solange also Deutschland sein Geschäftsmodell nicht ändert, werden wir aus dieser Falle nicht herauskommen. Aktuell scheint mir eher, dass kein politisch verantwortlicher eine Vision oder Plan hat, wie eben dieses geänderte Geschäftsmodell aussehen könnte.

    • Stefan Sasse 9. Dezember 2020, 18:51

      Die deutsche Politik gehört da doch wegen der Hörigkeit zur Autoindustrie zu den größten Bremsern!

    • Stefan Pietsch 9. Dezember 2020, 19:44

      Alle wesentlichen Player haben Erfahrung mit nationalen wie internationalen Cap-&-Trade-Systemen. Es geht darum, ein globales System zu schmieden, was im Grunde die konsequente Weiterentwicklung von Kyoto und Paris wäre.

      Das ist Aufgabe von Politik. Und nicht, ob man vielleicht dann doch einen neuen Grenzwert für Verbrennungsmotoren einführt oder ob eine CO2-Abgabe für die Zementindustrie bei 25 oder doch besser bei 30 Euro liegen sollte.

      Ich kann immer meine Kritik an der heutigen Politik wiederholen: Wenn die Politik sich auf das konzentrieren würde, was ihre Aufgabe ist und sich aus dem Klein-Klein heraushalten würde, wäre viel gewonnen. Doch unsere Regierung bekommt es nicht einmal hin, über 5 (!) Monate ein Ranking für das Impfen der Bevölkerung zu erstellen. Was kann man von solch politischer Führung eigentlich erwarten?

  • cimourdain 9. Dezember 2020, 18:30

    Bei „Nehmen wir an, es würde eine Maschine erfunden, die CO2 aus der Atmosphäre saugt.“ musste ich an den Biochemischen Atmosphären-Umwandler Molekularreaktor denken, ein Gerät das auch von Privatpersonen angeschafft werden kann und für das die Mindestabstandsregelung sehr moderat ist. Es darf nur nach Ablauf der Betriebslaufzeit nicht thermisch entsorgt werden.

  • Pirat 11. Dezember 2020, 09:55

    Was mich immer stört ist diese Markt-Regelungs-Debatte wie sie in diesem Zusammenhang geführt wird. Mal so gesagt: Den völlig freien Markt gibt es doch gar nicht. Es gibt immer Rahmenbedingungen, die irgendjemand aus irgendeinem Grund vorgegeben hat und die den Spielraum des Marktes mal mehr, mal weniger begrenzen. Das gilt selbst in den vorgeblich ultra-marktliberalsten Wirtschaften (z.B. Chile oder USA) – nur sind die Rahmenbedingungen da halt so gestrickt, dass sie die Reicheren bevorzugen. Z.B. bei den Steuerstrukturen etc. Deswegen ist das so ein Quatsch, wenn aus Reihen der FDP oder Union Wortmeldungen kommen, der Staat könne nicht einfach in den Markt eingreifen. Natürlich kann er das. Er tut das andauernd. Der Markt kann tatsächlich helfen, den Klimawandel zu verhindern – wenn man ihm denn die richtigen Rahmenbedingungen mitgibt. Derzeit sind die Rahmenbedingungen so wie im Artikel beschrieben auf Konservierung bestehender Verhältnisse, vor allem bestehender Unternehmensverhältnisse, ausgelegt. Wenn man diese Rahmenbedingungen dahin ändert, dass diese Verhältnisse sich endlich dem Problem entsprechend ändern, dann kann der Markt auch entsprechend wirken. Ein Beispiel wäre das Problem der Massentierhaltung, auch gesehen vor den CO2-Emissionen. Es ist wohl unrealistisch anzunehmen, dass dieses Problem wirklich an der Ladentheke gelöst wird. Die Unternehmen dahinter werden den Teufel tun und ihre eigenen Produkte unattraktiver für die Kunden machen. Und eine Änderung der Einstellung der Kunden auf diesem Sektor in einem ausreichenden Maße wird nicht schnell genug gehen. Die Rahmenbedingungen wie sie sind, verhindern hier, dass der Markt in die richtige Richtung steuern kann. Da braucht man neue Rahmenbedingungen. Z.B. Wegfall von EU-Subventionen für entsprechende Agrarbetriebe mit entsprechender Tierhaltung. Gleichzeitig schlicht Verbot industrieller Tierhaltung. Mit diesen neuen Rahmenbedingungen lässt man den Rest den Markt regeln. Es wird ja weiter Fleisch geben, nur eben nicht mehr aus Massentierhaltung. Natürlich wird das weniger sein (dafür – hoffentlich – besseres). Natürlich wird das teurer sein. Die Menschen werden natürlich erst ein wenig murren, dann aber eben doch ihr Nahrungsverhalten ganz organisch umstellen. Eben nicht mehr jeden zweiten Tag Burger, sondern nur noch alle ein, zwei Monate einen besonderen Braten (überspitzt gesagt). Welche Firmen sich dabei besser aufstellen, mit Rind, Schwein oder sonstwas, kann der Markt dann wunderbar regeln. Einige Firmen werden dann vielleicht sogar verstärkt die Option von im Labor gezüchteten Fleisch (jüngst ja in Singapur zum Verkauf genehmigt, hier kaum wahrgenommene Schlagzeile) interessant finden. Der Markt steuert in eine andere Richtung, aufgrund veränderter Rahmenbedingungen. ….und das ist nur ein Beispiel. Was fehlt ist politischer Wille, bei Regierenden wie Regierten. Nun, was soll ich sagen, als ausgebildeter Geologe-Paläontologe kann ich jedem versichern: Wenn wir es nicht hinkriegen, wird uns das System Erde die Änderungen einfach aufzwingen, mit der Beharrlichkeit und Unaufhaltsamkeit der Naturgesetze und-kräfte, mit der vollen Gleichgültigkeit des Universums für unsere Befindlichkeiten. Das wird häßlich.

    • Juri Nello 12. Dezember 2020, 00:59

      Du kannst Dich darauf verlassen, dass es hässlich wird. Schlimmer wird es noch für Deine Kinder.

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