Kubicki verhandelt mit McConnell über Ökoterrorismus und die Kompetenz von Autokraten – Vermischtes 06.10.2021

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) Was erlauben Sie sich eigentlich, Herr Kubicki?

In einem einstündigen Interview für Bild TV wetterte Kubicki vor wenigen Tagen allerdings gegen alles Mögliche. Er beleidigte Karl Lauterbach mit Worten, die man hier besser erst gar nicht wiederholt. Und prahlte damit, er habe die Corona-Regeln gebrochen, um in eine Kneipe zu gehen. Das erste ist eine Frage des Anstands und betrübt mich deshalb. Das zweite macht mich wirklich wütend. […] Täglich fühlten wir Frustration, Verzweiflung und Einsamkeit. Ich überwinterte in einem 14 Quadratmeter kleinen Zimmer mit Nordfenster in einer Stadt, in der ich niemanden kannte. Und trotzdem will ich überhaupt nicht klagen. Es ging mir besser als vielen anderen. Etwa Menschen mit Depressionen. Oder Frauen, die zu Hause gewalttätige Partner fürchten mussten. Aber Wolfgang Kubicki saß frohgemut in seiner Stammkneipe. Und ist auch noch stolz darauf. Hätte man ihn erwischt, hätte er einfach die „Was weiß ich? 250 Euro Bußgeld?“ gezahlt, erzählte er. Der Regelbruch sei ja nur sein „Recht auf autonomes Handeln“ gewesen. Ein Politiker, der eigentlich Vorbild sein soll, entschied also im Alleingang: Die Maßnahmen finde ich unsinnig, also muss ich sie nicht befolgen. […] Aber ich will dann doch erwähnen, dass ich nach 250 Euro Bußgeld für einen Barbesuch meine Miete nicht hätte zahlen können. […] Im Verhalten von Millionen anderen Menschen und mir sieht Wolfgang Kubicki aber offenbar keinen Akt der Solidarität. Es waren für ihn wohl nur Handlungen von Menschen, die nicht „autonom“ genug waren, um die Regeln zu brechen. So wie er es getan hat. Daraus spricht, ich muss das so deutlich formulieren, eine Verachtung gegenüber seinen Mitmenschen. […] Es würde ihm wahrscheinlich guttun, sich eine ganz banale Sache zu merken. Eine demokratische Gesellschaft funktioniert nur, wenn es Regeln gibt. Und zwar Regeln, die für alle in gleichem Umfang gelten. (Titus Blome, T-Online)

Zugegebenermaßen ist dieser Sturm im Wasserglas schon eine Weile vorbei, aber ich kam aus verschiedenen Gründen länger nicht dazu, ein Vermischtes zu schreiben. Diese Episode verkörpert für mich das, was am Liberalismus der FDP schlecht ist: es ist eine Vulgärfreiheit, die sich durch ein reines „Ich will“ abzeichnet, in der Regeln nur für andere gelten, aber nich für die eigene Person. Es ist Egoismus, getarnt als Liberalismus. Als kleines Nebendetail zu der Affäre noch: die Beleidigung Lauterbachs als „Spacken“ kann man getrost als Fake News abhandeln. Das alte Problem mit Verkürzungen in Überschriften.

Ich halte mal die Augen offen nach Praxisbeispielen für das, was ich das Beste am Liberalismus finde, und beiden Gegenstücken für das progressive Lager. Wenn jemand über eines stolpert, gerne her damit. Schreibt mir ne Mail oder mentioned mich auf Twitter.

2) FDR Needed Two Global Crises to Reshape the Economy. Will Biden?

Like the pushback against FDR in his second term, the current centrist-Democrat revolt comes partly in response to the shifting winds of public opinion. Despite the near-universality of the child tax credit — one of its major selling points — a poll this summer showed that a majority don’t want to make it permanent. And though voters are generally favorable toward Biden’s plan overall, there is also support for Manchin’s heel-dragging. Similarly, voters worried that FDR’s New Deal was doing too much. But there’s one major difference between this Democratic revolt and the one against FDR. The latter came in the President’s second term, when the New Deal had already unleashed major transformations on the American economy, including Social Security, unemployment insurance, financial regulation, labor law and rural electrification. If Biden’s agenda is halted, it will be in his first term. A Covid relief bill and a bipartisan infrastructure package, while very welcome, will not yet add up to a major transformation of the economy. […] Of course, there’s another important historical factor that made FDR’s policies so transformative — World War 2. Without the further economic transformation that FDR carried out in order to fight the war, his legacy would likely be more modest. Ultimately it took not one, but two world-shattering crises to force a conservative and cautious American populace to accept needed changes. Let’s hope it doesn’t take a war this time around. (Noah Smith, Bloomberg)

Es ist völlig korrekt darauf hinzuweisen, dass der New Deal eine Menge Zeit brauchte, um zu wirken – und einen Weltkrieg. Gerne unterschlagen wird übrigens auch Trumans Amtzeit, die essenziell in der Weiterentwicklung und Festigung der Ergebnisse war. Biden aber wird diese Zeit nicht haben. Er hat eine hauchdünne Mehrheit im Kongress, die beinahe sicher 2024 passè sein wird, und eine Opposition, die nicht einmal vor dem Staatsstreich zurückschreckt, um wieder an die Macht zu kommen.

3) Entspannt mit den Rechten plauschen

Nicht mal eine Stunde nach der Veröffentlichung des Wahlkampfspots wurde bekannt, dass am Wochenende in Idar-Oberstein ein 20-jähriger Student von einem Coronaleugner erschossen wurde, nachdem er diesen bei seinem Job an einer Tankstelle auf die Maskenpflicht hingewiesen hatte. Das konnte Laschet noch nicht wissen, als die Wahlwerbung online ging. Wohl aber musste er wissen, wer Thomas Brauner ist. […] Über die Rolle Brauners ist mehrfach berichtet worden, nachdem sich Laschet bei der CDU-Wahlkampfkundgebung in Erfurt zum freundlichen Plausch mit Brauner bereit fand. Der Kanzlerkandidat wollte sich als souverän inszenieren, wohl auch in diesem Sinne hat die Szene Eingang in den Wahlkampfspot gefunden. Ex­per­t:in­nen wie die Buchautorin Heike Kleffner warnen schon seit langem vor „Hetze, die zum,Abschuss‘ freigibt“. Im Buch „Fehlender Mindestabstand“, das der Autor dieses Textes mitherausgegeben hat, beschrieb Kleffner im Frühjahr, dass die rechtsterroristischen Anschläge in Hanau, Halle und Istha bei Kassel, die Tätertypen und Beweggründe, exemplarisch sein könnten für zukünftige politisch motivierte Gewalttaten, legitimiert durch die Hetzkampagnen der Coronaleugner-Bewegung. Dass die Coronaprotestler vielerorts den Schulterschluss mit der rechtsextremen Szene suchen, ist dokumentiert. (Matthias Meisner, taz)

Merz stieß natürlich in dasselbe Horn. Mittlerweile ist die Wahl vorbei. Nach wie vor ist es schwierig zu sagen, welchen Effekt solche Eskapaden hatten (oder überhaupt einen). Gewann das Anbiedern an das rechtsradikale und querdenkende Milieu der CDU Stimmen? Verlor es ihr welche? Meine These wäre, dass das Ereignis an sich unbedeutend ist; es ist die Masse der Kommunikation, die einen Eindruck erschafft. Und mein Eindruck der letzten Jahre ist, dass die CDU ein Problem mit ihrer rechten Flanke hat. Von der verhaltenen Reaktion auf den Mord an Lübcke über die Relativierungen von rechtsextremer Gewalt im Osten zum weitgehenden Schweigen bezüglich dieses Mordes hilft die CDU eine Atmosphäre schaffen, in der Gewalt schleichend legitimiert wird – ähnlich wie in den 1970er Jahren, als die Linke in ihrem kollektiven Hirnfurz gegenüber den RAF-Vulgärrevolutionären ständig Gründe fand, warum die Gewalt zwar schon irgendwie schlecht, aber doch gegenüber den Schandtaten der anderen Seite auch irgendwie verständlich sei. Das ist fatal. Meine Hoffnung ist, dass größere Teile des Bürgertums das auch so sehen und angewidert ihr Kreuz woanders machten.

4) „Mangelnde Kompromiss­bereitschaft“ (Interview mit René Wilke)

Was sehen Sie in Ihrer Partei, die an einer Regierung teilhaben möchte?

Ganz ehrlich? Ich könnte es keiner anderen Partei empfehlen, mit meiner Partei nach der Bundestagswahl zu koalieren. Es gibt viel zu viele innere Gräben in der Partei – man ist sich für die konkrete Verantwortungsübernahme viel zu uneins – selbst in der einfacheren Rolle als Opposition. Das ist keine gute Basis für notwendige Verlässlichkeit.

Welche wäre denn eine?

Und da sind wir beim eigentlichen Punkt. Und der ist eine demokratische Haltungsfrage: Ich sehe mangelnde Kompromissbereitschaft. In einer Demokratie hat man natürlich eine politische Position. Aber man muss sich immer klarmachen, dass die eigene Sicht nur eine von vielen ist. Die andere Seite könnte auch recht haben.

Wirklich?

Man darf sich nicht so überhöhen. Niemand hat allein die Weisheit mit Löffeln gefressen. Man muss immer den Mut haben, die eigene Position in den kritischen, insbesondere auch selbstkritischen Diskurs zu geben. Bei uns gibt es noch viele, die sich im Besitz der reinen Lehre wähnen. Und das ist auch ein gesellschaftliches Problem. Es gibt ein zunehmendes Schwarz-Weiß-Denken. Wer eine andere Auffassung hat, ist heute sehr schnell ein Gegner oder Feind anstatt jemand mit einer anderen Auffassung, der ich womöglich sogar mit Neugierde begegnen könnte. (Jan Feddersen, taz)

Genau deswegen war ich mir von Anfang an sicher: es wird es kein R2G geben. Es gibt diese Vertrauensbasis zwischen SPD und Grünen, aber es gibt sie nicht zwischen der LINKEn und SPD oder Grünen. Die Reaktionen der LINKEn auf ihre Wahlniederlage, die ich gestern analysierte, zeigen auch deutlich, dass diese Skepsis gerechtfertigt war. Das Nicht-Ausschließen von R2G war von Anfang an eine Strategie Scholz‘ und Baerbocks, um ihre Verhandlungsmacht in dem Fall zu erhöhen, dass das Bündnis rechnerisch möglich sein könnte. Wie irgendjemand angesichts der offensichtlichen Präferenzen für Ampel und Jamaika in der Partei anderer Meinung sein konnte, bleibt mir völlig schleierhaft.

5) Vorsicht mit den Vorwürfen

Wie bereits geschrieben: Man muss zwei Dinge grundlegend unterscheiden. Erstens: Ist Anna-Lena Baerbock Opfer von Sexismus? Selbstverständlich. Zweitens: Sind ihre Umfragewerte und die ihrer Partei maßgeblich darauf zurückzuführen? Nein. Die gleiche Dynamik hatten wir bei Hillary Clinton 2016. Auch sie war klar Opfer massiver Frauenfeindlichkeit, aber das war nicht der Grund, dass sie verloren hat. Das macht es aber nicht weniger real.

Und natürlich ist es wichtig, dass man den Vorwurf nicht unreflektiert durch die Gegend wirft, um Angriffe abzublocken. Das ist ein schwierig zu bewandernder Grat: auf den Sexismus aufmerksam zu machen, dem die eigene Kandidatin ausgesetzt ist, ohne zu sagen, dass man deswegen verliert. Letzteres muss für die Grünen eine große Versuchung darstellen. Aber das macht es nicht richtiger.

6) Democrats are governing like Republicans

Democrats find themselves in a position similar to Republicans in recent years: Their majorities are small by historical standards, but more ideologically homogeneous than before. They have a faction that is so intent on ensuring purity that they are willing to sink legislation, assuming the Congressional Progressive Caucus is truly willing to use its leverage in a Freedom Caucus-like manner. And because majorities are so small, the moderates remain a faction that can disrupt all the carefully laid plans (even if they normally cave). The political conditions facing Nancy Pelosi are not all that dissimilar from those of John Boehner, the man who tearfully handed her the gavel the first time she became speaker. Time will tell whether Democrats have more to show for their majorities in the end. (W. James Antle III., The Week)

Ich halte den Vergleich für überzogen. Ja, die Parteilinke ist wesentlich stärker als zuvor – the Freedom Caucus, it is not. Aber die grundsätzliche Dynamik, die Antle hier beschreibt, ist natürlich korrekt. Wegen der hauchdünnen Mehrheiten Bidens (siehe Fundstück 2) besitzt JEDE Parteigruppierung eine große Blockademacht. Der Vergleich mit dem Freedom Caucus wäre aber wenn eher für die Zentristen in der Partei zutreffend: diese drohen aus ein ideologischen Gründen, alles platzen zu lassen und gefährden die Stabilität. Allerdings ist auch hier anzunehmen, dass sich das einvernehmlich regeln wird und nicht zu Boehner-kompatiblen Desastern führen wird.

7) Democrats are committing political suicide

Still, it is morbidly fascinating to watch a political party implode in real time. In the summer of 2017, congressional Republicans tried repeatedly to overturn the Affordable Care Act even as their poll numbers tanked. At the time, 55 percent of Americans supported the ACA, which gained support as President Trump, already deeply unpopular, vowed to destroy it. When a handful of Senate moderates, including Susan Collins (R-Maine), John McCain (R-Ariz.), and Lisa Murkowski (R-Ark.) put the kibosh on the ill-considered push to take health care away from millions of people, they were preventing their comrades from making a colossal misstep that would have all but ensured midterm losses in both the House and Senate. There is no such silver lining here for Democrats. The party’s dueling left and right flanks are standing in the way of good legislation, which is supported by public supermajorities. […] Manchin wants to hit the „strategic pause“ button on his party’s agenda, but it is not clear what he would want to focus on instead, or what anyone on Team Blue could possibly do or say to spur him to action on anything at all. […] Manchin and Sinema bear a disproportionate share of the blame for how Democrats got here in the first place. Their delusional fealty to the Senate’s filibuster rule, which requires 60 votes to pass legislation outside of the reconciliation process, is why Biden hasn’t already racked up a long series of what his predecessor liked to call „wins.“ […] Time is running out to change public perception of this do-nothing Congress, and Democrats will have no one to blame but themselves if they fail. (David Faris, The Week)

Inzwischen sieht die Lage wieder wesentlich besser aus – Nancy Pelosi zeigte einmal mehr ihre Qualitäten als Parlamentarierin und schmiedete einen Kompromiss – aber so kurz vor einem legisaltiven Desaster war die Partei schon lange nicht mehr. Das passt auch generell ins Bild des Endes der Flitterwochen für die Democrats: Die miese Entwicklung von Bidens approval rating ist da ebenfalls ein guter Indikator. Die Partei muss schwer aufpassen, dass sie nicht komplett kentert; bedenkliche Schlagseite hat sie bereits.

8) Wie weit darf Wut gehen?

Die Emissionen der Autoindustrie gefährdeten Eigentum, Leib und Leben in Deutschland. Der Staat als Polizist versage in seiner Aufgabe. Also dürfe man sich wehren. „Es ist nicht die symbolische Zerstörung einiger Autos, die die enthemmte Gewalt darstellt. Die enthemmte Gewalt ist es, dass wir das Klima zum Kippen bringen. Die Deutschen verhalten sich wie Ökovandalen, die weltweit verbrannte Erde hinterlassen.“ Seine Inhalte, sein Ton, sein Auftreten – im sonst wohltemperierten München stehend, wirkt Müller wie ein wild loderndes Feuer, und ich merke, wie verführerisch seine Argumente auch klingen, wie da ein Funken überspringen könnte.  […] Der Humanökologe Andreas Malm von der Universität Lund hat damit der Wut kürzlich ein Manifest geschrieben, das einige Aufmerksamkeit bekommen hat. Seine These: Martin Luther King, Mahatma Gandhi und andere – sie alle seien auch deshalb erfolgreich gewesen, weil es gewaltbereite Akteure an ihrer Seite gab. „Theorie der radikalen Flanke“ nennt er das.  […] Wo doch so verdammt viel in Gefahr ist: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sagen aufgrund der Klimakrise nicht nur das Aussterben von 95 Prozent aller anderen Arten voraus, sondern auch Hungersnöte, Kriege und letztlich den Zusammenbruch der menschlichen Zivilisation. Malms Argumente arbeiten in mir: Man müsse auch mal Dinge kaputtmachen, um etwas zu bewahren – ich spüre ein inneres Kopfnicken.  […] Die Klimakrise eskaliert. Schon jetzt. Und es ist nicht unwahrscheinlich, dass sie weiter eskalieren wird, dass die Entscheiderinnen und Entscheider aus Politik und Wirtschaft sie weiter eskalieren lassen. Und deshalb ist es nicht meine Wut, die falsch ist, im Gegenteil: Um den Wandel einzuleiten, wird es noch viel mehr davon brauchen. Doch wenn wir in zehn, zwanzig, dreißig Jahren auf diese Tage zurückblicken werden und die Sache gut ausgegangen ist, dann werden die zentralen Akteure wohl keinen Baseballschläger in der Hand gehalten haben, sondern eher – metaphorisch oder tatsächlich – die Hand einer anderen Person, die ebenfalls die Erde bewahren will. (Raphael Thelen, ZEIT)

Ich kann die von Thelen ausgedrückten Gefühle völlig nachvollziehen. Eine ähnliche Wut verspüre ich auch. Nur lande ich bei der gleichen Schlussfolgerung: Gewalt kann keinesfalls legitim sein. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber (siehe Fundstück 3) das ist es leider nicht. Man muss nur zu den Vollidioten von Extinction Rebellion und wie sie alle heißen schauen, um das zu sehen. Die Thematik des Artikels erinnert mich an Kim Stanley Robinsons „Ministry of the Future“ (Besprechung hier), der hier reichlich ambivalent blieb. Ich befürchte, dass Ökoterrorismus etwas ist, das uns in Zukunft noch mehr beschäftigen wird.

9) The unimportance of Trump’s incompetence

The most talked-about essay of the past week is undoubtedly Robert Kagan’s „Our constitutional crisis is already here“ in The Washington Post, a long, gripping examination of the very serious danger that Donald Trump poses to American democracy as the country approaches the 2024 presidential election. But that doesn’t mean everyone is convinced. Ross Douthat of The New York Times finds the argument unpersuasive because Kagan (like, Douthat thinks, most liberal Trump worriers) fails to take into account Trump’s incompetence. What we learned from Trump’s time in the White House, according to Douthat, is that he had barely any idea how government functions or how to get it to do his bidding even on ordinary issues of policy, let alone in launching a successful coup. Hence Douthat concludes that anyone who insists that „Trump is personally going to organize his way to a constitutional crisis without any of the powers he enjoyed in 2020 needs to deal with the reality of how incompetently he used all those powers from ’16 to ’20.“ […] The outcome won’t be worse because Trump is some kind of genius at controlling the institutions of American democracy, which would of course be much more difficult for him to do from the outside looking in than it was with him fuming in the Oval Office last winter. The outcome will be worse because of the one political talent Trump does possess, which is the demagogic manipulation of public opinion — precisely the same skill he wielded in 2016, first to take over the GOP and then to win his narrow victory over Hillary Clinton. It is this skill that has persuaded two thirds of Republicans that the 2020 election was stolen. It’s this skill that has inspired a series of Republican-dominated states to replace election officials with Trump loyalists. And it’s this skill that keeps most Republicans in Congress from speaking out against Trump’s civically corrosive lies. (Damon Linker, The Week)

Ich bin völlig bei Linker. Es ist nicht eben beruhigend, dass der Staatsstreich und/oder die außenpolitische Katastrophe vor allem deswegen ausblieben, weil Trump zu blöd war – oder zu feige – den Abzug zu ziehen. Die eigentliche Gefahr ist nicht eine einzelne Person. Die Konzentration auf Trump ist geradezu obsessiv. Er ist nicht das Hauptproblem. Das Hauptproblem ist eine Partei, die bereit ist, die Demokratie aufzugeben – ob für einen Hobbyautokraten wie Trump oder für eine*n seiner Nachfolger*innen ist dabei sehr sekundär.

10) Why Denmark beat COVID and the U.S. didn’t

Denmark is beating COVID. The Danish government recently announced the virus is no longer a „critical threat“ there, and lifted its vaccination and mask requirements for indoor activities. Denmark’s death toll per million citizens over the course of the pandemic is just 22 percent of the U.S.’s, and daily deaths there have fallen to under 10. Our deaths are again running at more than 2,000 a day. Why the huge difference? Trust. A survey by researchers Michael Bang Petersen and Alexander Bor found that more than 90 percent of Danes trust their national health authorities and public decision makers, The Washington Post reported this week. As a result, 86 percent of eligible Danes have been vaccinated. In the U.S., trust in expertise, government, the media, and institutions has collapsed. Vaccinations are lagging below 50 percent in many states, and we may add another 100,000 deaths this fall and winter to our grim total of 675,000. The pandemic still casts a deep shadow over our lives. A society cannot function without a basic level of trust. […] Meanwhile, in Denmark, crowds are flocking to concerts and bars to celebrate their freedom. Divided, we fall. (William Falk, The Week)

Den Artikel könnte man so auch über Deutschland schreiben. Das Vertrauen in die Wissenschaft einerseits und die staatlichen Maßnahmen andererseits korreliert viel zu auffällig mit den Infektionsraten, als dass man das beiseitewischen könnte. Gleiches gilt übrigens auch für Asien, wo die Raten von Maskenverweigernden, Coronaleugnenden und Impfgegner*innen wesentlich geringer sind als hierzulande.

Das soll im Übrigen nicht heißen, dass Deutschland eine Vollkatastrophe wäre; wir sind insgesamt vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen. Es ist nur Luft nach oben.

11) The Experts Somehow Overlooked Authoritarians on the Left

An ambitious new study on the subject by the Emory University researcher Thomas H. Costello and five colleagues should settle the question. It proposes a rigorous new measure of antidemocratic attitudes on the left. And, by drawing on a survey of 7,258 adults, Costello’s team firmly establishes that such attitudes exist on both sides of the American electorate. (One co-author on the paper, I should note, was Costello’s adviser, the late Scott Lilienfeld—with whom I wrote a 2013 book and numerous articles.) Intriguingly, the researchers found some common traits between left-wing and right-wing authoritarians, including a “preference for social uniformity, prejudice towards different others, willingness to wield group authority to coerce behavior, cognitive rigidity, aggression and punitiveness towards perceived enemies, outsized concern for hierarchy, and moral absolutism.” […] But one reason left-wing authoritarianism barely shows up in social-psychology research is that most academic experts in the field are based at institutions where prevailing attitudes are far to the left of society as a whole. Scholars who personally support the left’s social vision—such as redistributing income, countering racism, and more—may simply be slow to identify authoritarianism among people with similar goals. (Sally Satel, The Atlantic)

Sicherlich spielt der Aspekt des langsamen Identifizierens eigener Übeltäter*innen eine große Rolle, aber der zentrale Punkt ist meines Erachtens nach ein anderer: Das Verhalten der Parteien selbst. Solange seitens der Parteien oberhalb des Ortsvereins unmissverständlich klar ist, dass es keine Toleranz gegenüber diesen ideologischen Ausreißern gibt, ist es weitgehend irrelevant, ob Autokratie-Fans in der eigenen Partei sind, ob links oder rechts. Ich mache mir zum Beispiel wenig Sorgen über einzelne autokratie-affine Mitglieder der CDU, solange die Partei deutlich macht, dass sie das nicht duldet (und genau das hat mir bei Maaßen gefehlt). Aber insgesamt ist ziemlich klar, dass Autoritäre in der CDU keine echte Chance haben – eine Gewissheit, die man bei der ÖVP beileibe nicht haben kann.

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  • Stefan Pietsch 6. Oktober 2021, 11:27

    1) Was erlauben Sie sich eigentlich, Herr Kubicki?

    Ich greife zwei Aussagen heraus, die zeigen, wie verquer unser Verständnis ist:

    Im Verhalten von Millionen anderen Menschen und mir sieht Wolfgang Kubicki aber offenbar keinen Akt der Solidarität.

    Und von Dir:
    Diese Episode verkörpert für mich das, was am Liberalismus der FDP schlecht ist: es ist eine Vulgärfreiheit, die sich durch ein reines „Ich will“ abzeichnet, in der Regeln nur für andere gelten, aber nich für die eigene Person. Es ist Egoismus, getarnt als Liberalismus.

    Ich schlage vor, wer so etwas schreibt, sollte sich ein paar Minuten Zeit für das Studium der ersten 20 Artikel unserer Verfassung nehmen. Dabei sollte man anstreichen, wie oft das Wort „Solidarität“ oder damit assoziierte Begriffe vorkommen. Parallel bitte die Worte anstreichen, die mit Individuum oder dem verbrämten Wort „Egoismus“ kon­no­tiert werden können.

    Dabei wird sich Erstaunliches feststellen lassen, nämlich ein krasses Übergewicht zugunsten des Egoismus. Das Grundgesetz betrachtet das Verhältnis zwischen Bürger und Staat aus der Perspektive des Individuums. Diejenigen jedoch, die solche Aussagen wie die zitierten tätigen, betrachten es aus der Rolle des Staates.

    Kubicki hat richtig gehandelt. Ob es vernünftig war, ist eine Frage, die ich hier nicht bewerten will. Aber der Staat ist nicht der Oberlehrer des Bürgers. Das Grundgesetz grenzt genau ab, die Sphäre des Bürgers (Individuums / Egoisten) und die Sphäre des Staates. In der Pandemie hat der Staat sehr tief in die Sphäre des Bürgers eingegriffen. Das darf er nicht einfach und schon gar nicht auf Dauer. Es ist wie Hausfriedensbruch. Zur Abwehr einer Gefahr unter engen Bedingungen erlaubt, aber wenn der Eindringling sich festsetzen will, ist der Rausschmiss auch mit rabiaten bis gewalttätigen Mitteln erlaubt.

    Im April 2020 habe ich hier geschrieben, dass meine Einverständnis mit den Lockdownmaßnahmen des Staates ein genau terminiertes Ablaufdatum haben: der 4. Mai 2020. Bis dahin war ich friedlich, habe alle Einschränkungen ertragen, weil es galt, eine unmittelbare Gefahr abzuwehren. Diese Unmittelbarkeit war danach nicht mehr gegeben. Vor allem versäumte der Staat es, mit geeigneten und verhältnismäßigen Mitteln der Pandemie zu begegnen. Es zeichnet das gestörte Verständnis der Bundeskanzlerin aus, dass sie trotz schwerwiegender Staatseingriffe in die Freiheitsrechte des Bürgers diese Essentials staatlichen Handelns in 18 Monaten nur ein einziges Mal öffentlich genannt hat. Stattdessen ließ sie sich von NoCovid-Enthusiasten treiben, die vielleicht in Teilen Ahnung von Viren haben, nicht jedoch von einer freiheitlichen Grundordnung.

    Ich bin vor kurzem gefragt worden, ob ich ernsthaft meine, gegen Regeln verstoßen zu dürfen. Einfache Antwort: ja. Einfach weil der Staat übergriffig handelt, wenn er versucht Regeln in Bereichen zu setzen, die ihn nichts angehen.

    Mein Haus, meine Ehe, meine Familie, meine Sachen, meine Kirche, meine Freunde, mein Arbeitgeber. Im Grundgesetz steht vor diesen Bereichen immer das gedachte „Mein“ davor. In diesem Bereichen ist der Bürger der Regelsetzer. Wer den Abwasch macht, wieviele Stunden an welchem Ort in welcher Beschäftigung nachgehe, ob ich meinem Jungen lila oder rosa Höschen anziehe, geht den Staat nichts an. Er darf nicht einmal nachschauen, ob da jemand lila Höschen trägt.

    Wenn der Staat hier eingreift, dann nur sehr prononziert und in Abwägung mit anderen Rechten. Er darf das aber nicht in eigener Machtvollkommenheit. Ob er es darf, entscheidet wie bei jedem handfesten Streit mit dem Nachbarn ein Gericht. Schon mal einen gehabt? Wenn die Polizei vorbeikommt, darf sie praktisch nichts tun. Sie darf die Streithähne nur zur Mäßigung anhalten. Sie darf auch ad hoc eingreifen, wenn Gewalt angewendet wird. Den Streit entscheiden darf sie nicht. Das ist Richtern vorbehalten.

    Zivile Gesellschaften haben eine tolle Tradition: die Gewaltenteiligung. Sie beschränkt und kontrolliert die Macht des Staates. Nur, in der Pandemie versagten gleich zwei Ebenen. Die Legislative hatte keine Lust, der Exekutive zu genau auf die Finger zu schauen. Die meisten Parlamente nahmen die Debatten über Grundrechtseinschränkungen einfach von der Tagesordnung. Und die Judikative hatte keine Lust zu entscheiden. Über Grundrechte lässt sich schließlich auch noch später verhandeln.

    Das Bundesverfassungsgericht, das die Angelegenheit zwischen Bürger und Staat eigentlich verhandelt, hat das Arbeiten eingestellt. 18 Monate Grundrechtseinschränkungen in nie gekanntem Ausmaß und Karlsruhe hat bis heute kein Urteil mit Wegweisung gesprochen. Klagen werden entweder nicht angenommen oder zur Entscheidung auf die jahrelange Bank geschoben. Das Nichtstun in Karlsruhe ist ein juristischer Skandal.

    Mit Beginn der Pandemie wurde bei Verfassungsgericht nicht nur ein bekannter CDU-Politiker, sondern gar Duz-Freund der Kanzlerin, Chefin der Exekutive, Präsident. Das kommt schon in normalen Zeiten nicht besonders gut. Doch Bundeskanzeramt und Bundesverfassungsgericht zelebrieren in diesen Monaten geradezu den Anschein, den es normalerweise für jeden Richter zu vermeiden gilt.

    Da feiert man ausgiebig zusammen und erträgt Vorträge von Ministern über die Notwendigkeit ihres Handelns in der Pandemie. Man dinniert ausgiebig mit der Kanzlerin, über deren Eingreifen in einer verfassungsrechtlich höchst sensiblen Frage man auf Klage der AfD in einigen Wochen entscheiden soll. Ich bin sicher, keiner hat Zweifel in die Unabhängigkeit des zuständigen Arbeitsrichters, der zufällig der langjährige Golfspiel-Partner des Arbeitgebers ist, gegen den man gerade auf Kündigungsschutz klagt.

    Ich gestehe, ich habe in den letzten 12 Monaten auch häufiger gegen die Corona-Auflagen verstoßen. An manchen Stellen haben sie mich nicht interessiert. Denn sehr häufig waren und sind sie absurd.

    Der langjährige Präsident des Gerichts, Hans-Jürgen Papier, urteilt knallhart: „Irrational, kopflos – Vertrauen in Handlungsfähigkeit des Staates ist erschüttert“. Umgekehrt gefragt: Muss der Bürger irrationalem und kopflosen Handeln seines Staates Folge leisten? Die Frage bekam schon jeder Grundwehrdienstleistende in den ersten Wochen beantwortet: Nein!

    Epidemien oder andere Katastrophen werden immer schwerwiegende Grundrechtseingriffe des Staates erfordern. Aber es muss wieder klarer werden, dass der gute Zweck in einem freiheitlichen Rechtsstaat nicht jedes Mittel heiligt. „Not kennt kein Gebot“, dieser Satz darf nicht Raum greifen.

    Auch das allgemeine legitime Ziel, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen, rechtfertigt nicht jeden Grundrechtseingriff. Nutzen und Schaden müssen stets in einem angemessenen Verhältnis stehen, und die Beweislast für das Vorliegen der Verhältnismäßigkeit trägt der Staat.

    Schwerwiegende Freiheitsbeschränkungen aus bloßer Vorsorge sollte es künftig nicht mehr geben. Wir müssen uns rechtsstaatlich wappnen – das waren wir diesmal lange Zeit nicht. (..)

    Es wurde nicht generell, aber doch teilweise ziemlich irrational, widersprüchlich, kopflos und im Übermaß reagiert. Manche Entscheidungen waren fast absurd oder schlicht nicht durchsetzbar, nehmen Sie nur die unkontrollierbaren Aufenthaltsbeschränkungen in Privatwohnungen. Wenn das Recht aber nur auf dem Papier steht und gar nicht durchsetzbar ist, ist das Gift für einen freiheitlichen Rechtsstaat.
    Die Mängelliste ist im Übrigen lang, ich nenne beispielhaft nur die Passivität der vom Volk gewählten Parlamente. Die Exekutive erließ Ver- und Gebote, erst gestützt auf die allgemeine seuchenpolizeiliche Generalklausel, dann auf einen Beschluss des Bundestags, der eine epidemische Lage nationalen Ausmaßes feststellte, aber das war eher Symbolpolitik. Letztlich war es weiterhin die Exekutive, die massiv in die Freiheitsrechte der Bürger eingriff. Das geht meines Erachtens bei so wesentlichen Fragen im Verhältnis von Staat und Bürgern nicht.

    https://www.welt.de/politik/deutschland/plus234193236/Hans-Juergen-Papier-Vertrauen-in-Handlungsfaehigkeit-des-Staates-erschuettert.html?source=k325_variationTest_autocurated

    Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

    • Stefan Pietsch 6. Oktober 2021, 11:37

      Dann doch noch etwas, frisch reingekommen:

      Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erklärt die von Bayerns Staatsregierung im März 2020 verhängte Ausgangssperre für unwirksam. Die Richter bescheinigen Söders Regierung ein fragwürdiges Menschenbild. Der Beschluss belegt aber auch eine wünschenswerte Entwicklung.(..)

      Mit anderen Worten: Söder, der sich in der Corona-Krise als Angehöriger des „Team Vorsicht“ eingruppiert hat, hat den Leitsatz einer freiheitlichen Demokratie ignoriert, wonach auch der gute Zweck des Gesundheitsschutzes nicht alle Mittel des Freiheitsentzugs heiligt.

      In den Worten des Gerichts liest sich das so: Die Ausgangsbeschränkung sei „keine notwendige Maßnahme“ im Sinne des Infektionsschutzgesetzes gewesen, auf dessen Generalklausel in Paragraf 28 sie sich stützte. So habe der Verordnungsgeber „die triftigen Gründe, die zum Verlassen der eigenen Wohnung berechtigen, so eng gefasst, dass die Norm im Ergebnis gegen das Übermaßverbot verstößt“. Dem Verordnungsgeber stehe zwar grundsätzlich ein Rechtsetzungsermessen zu, das aber dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unterliege – und damit der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. (..)

      Die Richter zweifeln nicht nur die „Praktikabilität“ und die „Effektivität“ der Ausgangssperre an, sie bescheinigen der bayerischen Staatsregierung auch ein fragwürdiges Menschenbild, indem sie schreiben: „Sollte in dem Verweilen in der Öffentlichkeit eine Gefahr für die Bildung von Ansammlungen gesehen worden sein, weil sich um den Verweilenden sozusagen als Kristallisationspunkt Ansammlungen von Menschen bilden könnten, so unterstellt diese Sichtweise ein rechtswidriges Verhalten der Bürger und setzt dieses sogar voraus.“
      https://www.welt.de/politik/deutschland/plus234231086/Corona-Soeders-Wegsperren-der-Bayern-war-rechtswidrig.html

      Nochmal zurück zur Frage, ob man solchem Blödsinn des Staates Folge leisten muss: Nein!

      • Kirkd 6. Oktober 2021, 14:22

        Ich teile Deine Meinung zur Ausgangssprerre, dennoch muss man dem natürlich Folge leisten, bis es gerichtlich aufgehoben ist.

        Früher war das bürgerlicher Grundkonsens und ein Abgrenzungsmerkmal gegen „linke Chaoten“. Dass das nicht mehr so ist, zeigt die politische Verwahrlosung, die seit einiger Zeit im bürgerlichen Lager um sich greift.

        • Stefan Pietsch 6. Oktober 2021, 14:46

          Ich habe sehr deutlich gemacht, dass der Ausfall gleich zweier Gewalten während dieser Pandemie ein Skandal ist. Die Grünen, die jetzt in Regierungsämter streben, haben sich da auch nicht um das Gemeinwesen verdient gemacht, in dem sie die Opposition gespalten und einer wesentlicher Rechte beraubt haben.

          Der Exekutive wurde nicht für ein paar Wochen, sondern über Monate, in Summe jetzt 1 1/2 Jahre Vollmachten erteilt. Wie Papier richtig sagt: So geht das nicht! Wir erlebten Staatsversagen, nicht Bürgerversagen.

          Der Unterschied zu denen von Ihnen angesprochenen „linken Chaoten“ ist doch klar: Typischerweise greifen sie gewaltsam in die Grundrechte anderer ein und begehren gegen rechtsstaatliche Entscheidungen auf. Bei der Verfügung von Ausgangssperren und Limitierung der Personen in Privatwohnungen handelt es sich aber nicht um rechtsstaatliche Entscheidungen, sondern Verfügungen der Exekutive. Es fehlt die Verabschiedung von Gesetzen durch Parlamente, Einhaltung der dafür vorgesehenen Regeln und der Überprüfung durch die Justiz.

          Politiker wie Angela Merkel und Markus Söder haben die Hand an die rechtsstaatliche Ordnung gelegt. Und Karlsruhe hat die Bürger allein gelassen.

          • Stefan Sasse 6. Oktober 2021, 16:19

            Auch immer das gleiche: wenn das BVerfG nicht im eigenen Sinne entscheidet, begeht es Verrat am Gemeinwesen. *gähn

            • Stefan Pietsch 6. Oktober 2021, 16:24

              Du liest nicht richtig: Wenn das Gericht entscheiden würde, wäre das ja in Ordnung. Was ich kritisiere ist, dass es nicht entscheidet. Ist der Unterschied klar?

              Anmerkung: Ich respektiere alle richterlichen Entscheidungen. Darüber brauchst Du mit mir nicht zu diskutieren.

              • Dennis 6. Oktober 2021, 18:34

                Der Unterschied ist klar aber hier sachlich falsch.

                Das Gericht hat eine Eilentscheidung abgelehnt. Die Hauptsache kommt noch. Das ist eine Entscheidung, die vorläufig gilt.

                https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/bvg21-033.html

                Die entsprechenden Vorschriften sind also bis zur Hauptsache-Entscheidung einzuhalten.

                Gilt natürlich nicht für die Anhänger der 68er-Weisheit illegal ist scheißegal.

                • Stefan Pietsch 6. Oktober 2021, 20:09

                  Darauf hat Papier ja hingewiesen. Der Punkt ist, dass sich das Gericht anscheinend Zeit für Entscheidungen lässt, bis die Pandemie vorbei ist und sie locker ein paar Klapse verteilen können, ohne jemanden noch wirklich zurechtweisen zu müssen. Auch die Entscheidung über Merkels Intervention in Thüringen wird die Bundeskanzlerin nicht mehr im Amt zur Kenntnis nehmen müssen.

                  So lässt sich natürlich auch Recht sprechen. Doch die Achtung des Rechts und der Respekt vor Gerichten hängt damit zusammen, dass sie Entscheidungen treffen und diese nicht aussitzen.

                  Klar sind sie einzuhalten. Nun ja. Wenn ich es nicht tue, dafür ein Ordnungsgeld zahlen muss und die Verordnung in 2 Jahren einkassiert wird, bekomme ich das Geld zurück. Ist übrigens auch so ein Punkt: absurd hohe Geldstrafen für Ordnungswidrigkeiten.

                  Ich werde auch zukünftig mein Auto im Parkverbot abstellen und keinen Parkschein ziehen. Wahrscheinlich werde ich auch weiterhin öfters zu schnell fahren. Ich bin kein Bürger, der immer und jederzeit alle Regeln einhält. Das macht mich allerdings nicht zum Kriminellen, nicht einmal zum Egoisten – wie Stefan das ja bei solchen Delikten meint.

        • Stefan Sasse 6. Oktober 2021, 16:18

          Exactly my point.

      • Erwin Gabriel 7. Oktober 2021, 12:22

        @ Stefan Pietsch

        Ich verstehe Deinen Punkt, teile aber nicht Deine Schlussfolgerung. Wir leben in einem Rechtsstaat, und wer gegen einen Rechtsverstoß – auch gegen einen Rechtsverstoss des Staates – vorgehen will, muss sich an den Rechtsweg halten.

        @ Stefan Sasse

        Kubicki ist ein sehr schräger Typ, so, wie es auch in anderen Parteien schräge Typen gibt. Sein persönliches Fehlverhalten oder seine infantile Freude über seinen Regelverstoß sollte nicht dazu herhalten, liberale Grundsätze schlecht zu machen.

        • Stefan Pietsch 7. Oktober 2021, 12:43

          Da gibt es noch ein Problem: Der Staat hat in diesem Jahr den Rechtsweg für den Bürger bei Verwaltungsentscheidungen ein ganzes Stück abgeschnitten und seine Möglichkeiten damit deutlich eingeschränkt, sich gegen Rechtsakte der Verwaltung zur Wehr zu setzen. Der Bürger soll sich an alle Regeln halten, aber der Staat nimmt ihm die Mittel, sich gegen falsche oder auch nur als ungerecht empfundene Maßnahmen auf rechtlichem Wege zu wehren.

          In Deutschland werden 5,3 Millionen Straftaten begangen. Allein die Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr toppen das bei weitem. Mit anderen Worten: Die Deutschen sind bei stark sinkenden Straftatdelikten keine Kriminellen, aber ordnungsliebend sind sie deswegen noch nicht. Überschlägig begeht jeder vierte bis dritte Deutsche im Jahr eine Ordnungswidrigkeit, die geahndet wird (bei enormer Dunkelziffer).

          Wenn also nur ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung sich absolut regelkonform verhält, warum die Aufregung über ein sehr, sehr kleines Vergehen? Bitte, Kubicki hat niemanden umgebracht, nicht mal Frauen belästigt, er hat keine Steuern hinterzogen oder ist betrunken Auto gefahren. Er hat sich nur mit Freunden zu einem Bier getroffen und das ohne Maske. Wenn wir das bereits kriminalisieren oder gar hier fehlende Vorbildfunktion anmahnen – warum dann nicht generell?

          Warum verteidigt Stefan hier über Monate eine Politikerin, die streng genommen mehrere Straftaten begangen hat, die gegen selbst geforderte Transparenzregeln verstößt und tut dies mit „Lappalien“ ab? Ist das Türken eine Lebenslaufes, der Diebstahl geistigen Eigentums wirklich weniger schlimm als ohne Maske mit ein paar Kumpels zusammenzusitzen? Ey, was sind denn das für absurde Maßstäbe?!

          • Stefan Sasse 7. Oktober 2021, 14:13

            Ich verteidige sie nicht. Ich habe nie geschrieben „Wie toll ist das, dass Baerbock ihren Lebenslauf geschönt hat?“ „Es ist staatsbürgerliche Pflicht, Einkünfte nicht richtig auszuweisen?“ Nur du machst das. Heuchler. Lügner.

            Und ich schreibe das hier bewusst. Ich habe dir nichts getan. Aber in Kommentar nach Kommentar greifst du mich an, machst haltlose Vorwürfe, beleidigst mich, sprichst mir Demokratie- und Rechtsstaatgedanken ab. Du schlägst blindlings und blindwütig um dich. Komm runter!

            • Stefan Pietsch 7. Oktober 2021, 14:34

              Du hast kein einziges Wort über das Fehlverhalten verloren. Wie die offiziellen Verlautbarungen der Grünen wurde es zu „Fehlern“, wo es um Betrügereien ging. Aber Kubickis Verhalten jazzt Du zum Skandal hoch.

              Du hast mit dem Vorwurf der Heuchelei angefangen. Scroll mal durch. Ansonsten greife ich ein Denken an. Du selbst hast bestimmte Verhaltensweisen als Egoismus gebrandmarkt, weil Menschen nicht sklavisch jede Anordnung exakt einhalten. Du hast also den Ton angezogen.

              Ich verstehe Kubicki voll und ganz. Ich verhalte mich in Teilen genauso. Das macht mich noch lange nicht zu einem Egoisten!

              • Erwin Gabriel 9. Oktober 2021, 12:55

                @ Stefan Pietsch 7. Oktober 2021, 14:34

                Du hast kein einziges Wort über das Fehlverhalten verloren.

                Habe ich anders wahrgenommen.

                Ich verstehe Kubicki voll und ganz. Ich verhalte mich in Teilen genauso. Das macht mich noch lange nicht zu einem Egoisten!

                Doch – was denn sonst? 🙂

                PS: Ich verstehe Kubicki auch, ohne mich so zu verhalten.

                Aber das Blöde bei Kubicki ist, dass er nicht geräuscharm einen verzeihlichen Regelverstoß begeht, sondern dass er damit prahlt.

        • Stefan Sasse 7. Oktober 2021, 14:12

          Ich habe auch sehr genau darauf geachtet, EXPLIZIT deutlich zu machen, dass weder die liberalen Grundsätze noch alle Liberalen schlecht sind. Lies bitte noch einmal meinen Originalartikel. Diesen Vorwurf kann ich absolut nicht akzeptieren.

          • Erwin Gabriel 7. Oktober 2021, 23:48

            @ Stefan Sasse 7. Oktober 2021, 14:12

            Ich habe auch sehr genau darauf geachtet, EXPLIZIT deutlich zu machen, dass weder die liberalen Grundsätze noch alle Liberalen schlecht sind. Lies bitte noch einmal meinen Originalartikel. Diesen Vorwurf kann ich absolut nicht akzeptieren.

            Zitat: „Diese Episode verkörpert für mich das, was am Liberalismus der FDP schlecht ist: es ist eine Vulgärfreiheit, die sich durch ein reines „Ich will“ abzeichnet, in der Regeln nur für andere gelten, aber nicht für die eigene Person.“

            Das ist, freundlich formuliert, schon eine Verallgemeinerung eines individuellen Fehlverhaltens.

            • Stefan Sasse 9. Oktober 2021, 10:15

              Nein, eben nicht? Meine Aussage ist doch das genaue Gegenteil. Ich sage, dass Kubicki NICHT repräsentativ für die FDP oder den Liberalismus als Ganzes steht, sondern seine schlechte Seite verkörpert – so wie Idioten im Schwarzen Block oder Extinction Rebellion das Schlechte an SPD, LINKEn, Grünen verkörpern.

              Kubicki steht genauso wenig für die FDP wie Baerbocks Fußnoten für die Grünen als Ganzes. Entscheidend ist der Umgang damit. Wäre Kubicki ein Grüner, würde mich seine Maskengeschichte ggf. nicht davon abhalten, für die Grünen zu stimmen – auch wenn ich es nicht geil fände. Ich hätte auch kein Problem damit, wenn du oder Stefan das für sich und die FDP beschließen. Ich stehe dazu, dass ich Baerbocks Fußnoten nicht wichtig finde, aber ich erkläre sie nicht zum neuen Maßstab für sprachliche Gestaltungstechnik und Transparenz beim Bücherschreiben.

              Womit ich ein Problem habe ist, Kubickis Verhalten zur Tugend zu erklären und allen, die das nicht verstehen, mangelnde Rechtsstaatlichkeit vorzuwerfen. Das ist nicht nur ein Schritt zu weit, sondern ein Sprung über den Rubikon.

              • Erwin Gabriel 9. Oktober 2021, 13:13

                @ Stefan Sasse 9. Oktober 2021, 10:15

                Meine Aussage ist doch das genaue Gegenteil.

                Nein, natürlich nicht.

                Ich sage, dass Kubicki NICHT repräsentativ für die FDP oder den Liberalismus als Ganzes steht, sondern seine schlechte Seite verkörpert.

                Dieser Satz ist mindestens ein halber Widerspruch, da auch die „schlechte“ Seite des Liberalismus zum Liberalismus gekört.

                Aber davon ab: Es hat Tausende Leute gegeben, die sich wie Kubicki verhalten haben. Einige waren Katholiken, Protestanten, Muslime, einige waren blond oder schwarzhaarig, alle waren männlich, weiblich oder divers. Keine(r) hat sich deswegen so verhalten.

                Ob Kubicki in der FDP, in der Union oder bei den Grünen ist, spielt keine Rolle. Und Du versuchst, dass zumindest teilweise zu einer FDP-Sache zu machen.

                Kubicki ist ein Spacko – nicht, weil er in der FDP ist, sondern weil er sich nicht an Vorschriften hält und (aus meiner Sicht das deutlich schlimmere Vergehen) als hochrangiger Vertreter der Gesetzgebung auch noch damit prahlt.

                Ich stehe dazu, dass ich Baerbocks Fußnoten nicht wichtig finde, aber ich erkläre sie nicht zum neuen Maßstab für sprachliche Gestaltungstechnik und Transparenz beim Bücherschreiben.

                Auch hier: Baerbocks Fußnoten- oder Lebenslauf-Verfehlungen sind (wie Kubickis Kneipenbesuch) nicht als solches ein Problem. Aber es steht für etwas in ihrer Persönlichkeit, das nicht gut ist (wobei ich sehr stark vermute, dass sie daraus gelernt hat).

                Womit ich ein Problem habe ist, Kubickis Verhalten zur Tugend zu erklären und allen, die das nicht verstehen, mangelnde Rechtsstaatlichkeit vorzuwerfen.

                Da bin ich bei Dir.

                Man kann darüber trefflich diskutieren, welche Anti-Corona-Maßnahmen sinnvoll waren/sind und welche nicht. Es kann nicht sein, das ein jeder selbst entscheidet, welche Gesetze und Anordnungen auf ihn zutreffen und welche nicht.

                • Stefan Sasse 9. Oktober 2021, 13:38

                  Wir haben da keinen Dissens. Ich glaube, du reibst dich vor allem an der Formulierung, aber wir meinen dasselbe.

                  • Erwin Gabriel 10. Oktober 2021, 12:50

                    @ Stefan Sasse 9. Oktober 2021, 13:38

                    Ich glaube, du reibst dich vor allem an der Formulierung, aber wir meinen dasselbe.

                    Ja, weil sie falsch ist 🙂

                    • Stefan Sasse 10. Oktober 2021, 14:15

                      You can’t leave good enough alone, can’t you? ^^

    • CitizenK 6. Oktober 2021, 14:05

      „Mein Haus, meine Ehe….“
      …meine Gesundheit, mein Leben?

      Auch das steht im Grundgesetz. Was „verhältnismäßig“ ist, wird politisch entschieden. Gilt auch für Gerichte und ehemalige Verfassungsrichter.

      Kubicki zeigt typisches Trotz-Verhalten. Das ist schon bei Kindern kein Zeichen von Reife.
      https://www.zdf.de/nachrichten/politik/afd-thueringen-bundestagswahl-100.html
      Als Vorkämpfer für Freiheitsrechte würde mir diese Nachbarschaft zu denken geben.

      • Stefan Pietsch 6. Oktober 2021, 14:36

        …meine Gesundheit, mein Leben?

        Doch, auch. Aber eben: Auch. Das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit steht neben den anderen Rechten, nicht darüber. Um Ihnen das an einem Beispiel zu illustrieren: Ich darf einen Wohnungsbesetzer durchaus mit Gewaltanwendung aus meiner Wohnung komplimentieren. Eventuell darf ich sogar mit dem Baseballschläger drohen und ihm damit anzeigen, dass ich ihn in seiner körperlichen Unversehrtheit einschränken werde.

        Der Staat darf das nicht. Auch wenn ein Bürger ein Amt besetzt, darf er nicht mit Schusswaffenandrohung die Aufgabe erzwingen. Der Staat ist in Bezug auf seine Handlungsmöglichkeiten gegenüber dem Bürger deutlich beschränkt.

        Deswegen hat Markus Söder auch so eine heftige Ohrfeige kassiert. Sie selbst waren ja auch einer der Enthusiasten, die Ausgangssperren ganz dufte fanden – wenn es denn der Sache dienlich ist. Nein, so ist es nicht. Das ist schon eine Richtung, die da vorgegeben wird. Gibt Ihnen das nicht jetzt, mit Monaten Abstand, zu denken?

        Im Gegenteil, Kubicki zeigt Reife, selbst entscheiden zu können. Im April beging ich meinen Geburtstag, da war die Bundesnotbremse gerade in Kraft, aber die Inzidenzen sanken und alle Länder um uns herum öffneten. Das Handeln des Staates war also mindestens fragwürdig. Es war egal, ob meine Gäste geimpft, getestet oder genesen waren. Mir war es egal. Ihnen war es egal. Jeder kannte die Bedingungen und jeder hat eine eigenverantwortliche Entscheidung getroffen. Das nämlich ist das Menschenbild des Grundgesetzes, nicht das, was Sie präsentieren.

        Was „verhältnismäßig“ ist, wird politisch entschieden.

        Nein, wird es nicht. Ein weiterer Irrtum. Der Staat hat diese Grundsätze zu achten. Er entscheidet aber nicht, was verhältnismäßig ist. Der Bürger hat genau das gleiche Recht zu sagen: Das ist nicht verhältnismäßig. Das Bundesverfassungsgericht ist Schiedsrichter zwischen zwei Streithähnen auf Augenhöhe. Das ist der Unterschied zum Obrigkeitsstaat.

        In Frankfurt wurde im September aufgrund der auf 80 gestiegenen Inzidenzwerte eine Maskenpflicht in allen öffentlichen Kindergärten verhängt. Rechtsgrundlage war die im Frühjahr verabschiedete Bundesnotbremse (bei Inzidenzen von über 100 und einer Impfquote von unter 10%). Die Erzieher – sämtlich geimpft – mussten den gesamten Tag den 1-3jährigen Kindern mit Maske begegnen. Das, Entschuldigung, kann man skandalös nennen. Für niemanden existiert eine messbare, relevante Gefahr, aber der Staat zwingt die Bürger zu einem Schutz, der weder verhältnismäßig noch geeignet ist. Nein, lieber CitizenK, das hat der Staat nicht zu entscheiden!

        • Stefan Sasse 6. Oktober 2021, 16:19

          Genauso wie die Leute im Hambi. Die zeigten die Reife zu entscheiden, ob ihr Protest wichtiger war oder die Eigentumsrechte anderer.
          Mann o Mann, du drehst echt ab.

          • Stefan Pietsch 6. Oktober 2021, 16:26

            Ist gibt nicht nur ein gegenläufiges Recht, es gibt auch eine gegenläufige Entscheidung der Judikative. Mann, Mann, der Rechtsstaat ist für Euch Linke wirklich ein Buch mit sieben Siegeln.

            • CitizenK 7. Oktober 2021, 09:01

              In Gegenteil. Der Rechtsstaat ist eine große zivilisatorische Errungenschaft. Aber wenn man das Politische im Juristischen nicht sehen will, erweist man ihm einen Bärendienst.

              • Stefan Pietsch 7. Oktober 2021, 11:17

                … aber anscheinend wissen Sie nicht, worauf er basiert und wie der funktioniert.

                Der Kern des Rechtsstaates ist die Gewaltenteilung. Die sieht vor, dass die Legislative Gesetze einbringt, berät und beschließt, die Exekutive sie anschließend ausführt und die Judikative sie überwacht.

                Heute bringt die Exekutive das Gros der Gesetze in den Bundestag ein. Das ist eine Verformung, die wir aus praktikablen Erwägungen längst akzeptieren. Aber kein System erträgt beliebig viele Verformungen. Wenn die Legislative der Exekutive quasi Blankoschecks überreicht, die diese zuvor selbst beantragt hat und wenn die Rechtsprechung juristische Entscheidungen einfach verweigert, haben wir ein Systemproblem.

                Das Vertrauen der Bürger und die von Kirkd angemahnte Bürgerlichkeit beruhen darauf, dass der Staat streng nach den Regeln spielt. Das tut er aber nicht, wenn er Kompetenzen des Parlaments einfach auf die Regierung überträgt. Wenn die Bürger sich nicht merh vorrangig allein nach Gesetzen, sondern von der Verwaltung erlassenen Verordnungen richten sollen, braucht sich niemand zu wundern, wenn eine solche Obrigkeitsanordnung genau von eigenverantwortlich denkenden Bürgern in Zweifel gezogen wird. Da legt der Staat die Hand an die Fundamente seiner eigenen Legitimation.

                In der Flüchtlingskrise 2015 basierte sämtliches staatliche Handeln allein auf Verordnungen und Anordnungen. Die Transformation der Gesellschaft wurde ohne einen einzigen Gesetzesbeschluss vollzogen, während die Regierung einzelne Verfassungsvorgaben für nicht anwendbar erklärte. Angela Merkel erklärte zwischen Herbst 2015 und Frühjahr 2016 kein einziges Mal im Bundestag ihre Politik.

                Wenn der Staat seine eigenen Regeln verbiegt und das Agreement rechtsstaatlichen Handelns gegenüber den Bürgern aufkündigt, ist es schwer, noch Begeisterung für dieses System zu finden. Ich halte deswegen eine Kanzlerin Angela Merkel für eine Systemkatastrophe.

            • Erwin Gabriel 7. Oktober 2021, 23:50

              @ Stefan Pietsch 6. Oktober 2021, 16:26

              Mann, Mann, der Rechtsstaat ist für Euch Linke wirklich ein Buch mit sieben Siegeln.

              Ic h finde, Du übertreibst mit Deiner Schwarz -Weiß-Malerei

        • CitizenK 7. Oktober 2021, 08:53

          Gerade im (etwas verfrühten) Rückblick: Einige Regeln waren unlogisch, widersprüchlich, kontraproduktiv und haben damit die Akzeptanz untergraben. Es gab Übereifer von Behörden, dumme Einzelentscheidungen. Keine Frage.

          Aber: Die unterstellten Motive, der „Staat“ wollte aus purer Machtlust die Freiheiten der Bürger einschränken, ist gerade im Rückblick widerlegt. Die „Politik“ war geradezu ängstlich bedacht, möglichst früh zu „lockern“, um eben diesem Vorwurf zu entgehen. Die Kritik hat sicher dazu beigetragen. So weit, so gut.

          Nebenbei: Kubicki und Sie erklären so nebenbei andere demokratische Staaten wie Neuseeland, Australien, aber auch Italien, Portugal, Großbritannien und Frankreich (Aufzählung unvollständig) zu Unrechtstaaten. Es ist wie beim „Faschismus“- Ruf: Wenn der Wolf wirklich kommt, wird man ihm nicht glauben.

          • Stefan Sasse 7. Oktober 2021, 09:13

            Exakt.

          • Dennis 7. Oktober 2021, 10:22

            Klar, und es ist im Übrigen ein Unterschied, ob Otto:line Normaloa angeheitert mit begangenen Ordnungswidrigkeiten prahlt (kann man/frau hinnehmen) oder der Vizepräsident des Bundestages und – notabene – Rechtsanwalt.

            Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO)
            § 43 Allgemeine Berufspflicht:

            „Der Rechtsanwalt hat seinen Beruf gewissenhaft auszuüben. Er hat sich innerhalb und außerhalb des Berufes der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwalts erfordert, würdig zu erweisen.“

            Man/frau beachte das „außerhalb“.

            Sollte Kubicki mal nachlesen.

            • Stefan Pietsch 7. Oktober 2021, 11:03

              Zahlreiche Politiker der Grünen „entdeckten“ in diesem Jahr, das sie gegen Transparenz- und Offenlegungsregeln des Bundestages verstoßen haben, deren Verschärfung sie politisch fordern. Stefan war das in den Monaten keinen Artikel, nicht einmal einen Satz wert.

              Aber etwas anderes ist es für ihn, wenn ein FDP-Politiker gegen eine Anordnung verstößt, für dessen Abschaffung er kämpft. Wer ist der größere Heuchler?

              • Stefan Sasse 7. Oktober 2021, 14:10

                Du. Denn ich habe nicht seitenweise Kommentare geschrieben, in denen ich dieses Verhalten nicht nur verteidigt, sondern sogar noch zur Prinzipiensache geadelt habe.

          • Stefan Pietsch 7. Oktober 2021, 11:00

            Nein. Nein. Nein.

            Der erste Fehler im ersten Satz. Der Staat wollte und will in dieser Pandemie alles kleinteilig regeln, weil man kein Vertrauen in die Bürger hat. Der Bürger ist dumm, handelt unverantwortlich, weiß nicht um die Gefahren und kann sie nicht einschätzen. Deswegen muss auch vorgeschrieben werden, wie er sich in den eigenen Räumen, im Umgang mit der Familie und beim Treffen mit Freunden zu verhalten hat.

            Viele Regeln führen zu Widersprüchen und Überziehungen. Das ist immanent, kein Zufall, kein Versehen. Wollten z.B. Sie das nicht, hätten Sie irgendwann für weniger Regeln, für mehr Eigenverantwortung plädiert. Das haben Sie aber nicht.

            Im Bundestag gibt es seit langem nur eine einzige Partei, die Macht und Eigenverantwortung in die Hände der Bürger legen will und damit Politik und Verwaltung entmachten. Viele Menschen streben nach Macht, das ist absolut natürlich. Umso mehr ist darauf zu achten, dass die Macht des Staates über den Bürger kontrolliert, beschnitten und immer wieder neu vermessen wird.

            Das Beispiel von den Frankfurter Kitas ist aktuell. Das ist nicht von 2020. Es ist Ergebnis einer politischen Lüge. Ihre Darstellung von der angeblichen Lockerung ist neben den Fakten. Sie entstammt dem Jahr 2020. Im Frühjahr diesen Jahres wurde die sogenannte Bundesnotbremse beschlossen und weitreichende Maßnahmen in das Infektionsschutzgesetz aufgenommen. Das geschah zu einer Zeit, als alle Nachbarstaaten und die EU-Mitgliedsländer längst zu weitreichenden Lockerungen übergingen. Da beschloss das Machtzentrum der deutschen Politik noch eine „österliche Ruhe“.

            Diese Politik war und ist grundfalsch, wie der Blick nach Österreich, in die Schweiz, nach Dänemark zeigt. Die Politik behauptet seit Sommer, einen erneuten Lockdown würde es im Herbst / Winter nicht mehr geben. Doch Politiker werden nicht für Appelle gewählt. Ihre Aufgabe besteht darin, Gesetze und Regeln zu erlassen (oder abzuschaffen) und die Verwaltung zu kontrollieren.

            Die Lüge ist: Die Bundesnotbremse, so wie im April beschlossen, ist noch in Kraft. Die Politik hat ohne Not die Voraussetzungen des Infektionsschutzgesetzes, die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, ohne Not weiter verlängert und damit der Exekutive, mithin der Verwaltung, weitreichende Befugnisse übertragen, die eigentlich nur Parlamenten zustehen.

            Auf der Basis des Gesetzes muss beim Übersteigen von Grenzwerten geschlossen werden. Es ist nicht die Aufgabe der Verwaltung, „kulant“ zu handeln. Ich möchte das als Bürger auch nicht! Ich möchte, dass in Frankfurt, in Berchtesgarden, in Schleswig das Recht nach den gleichen Prinzipien vollzogen wird und nicht von dem Willen und der Willkür von Beamten abhängig ist.

            Das, lieber CitizenK, bedeutet Rechtsstaat.

            Australien und Neuseeland haben sich zu Quasi-Militärdiktaturen gewandelt, in denen noch demokratische Wahlen abgehalten werden. Die von Ihnen noch im Frühjahr präferierte NoCovid-Politik ist nicht nur epidemologisch gescheitert, sie hat einstmals besonders freie Staaten korrumpiert. Internierungslager für unbescholtene Bürger, Ausgangssperren, Aus- und Einreiseverbote, Militär in den Straßen, das die Einhaltung der Maßnahmen kontrolliert.

            Inzwischen dämmert den Menschen in Australien und Neuseeland, was sie angerichtet haben, die Regierungen kommen extrem unter Druck, die Opposition legt rasant zu und ändert den Kurs.

            Lieber CitizenK, in den Spiegel schauen und selbstkritisch bewerten, was Sie alles befürwortet haben: Ausgangssperren, obwohl Leute wie ich Ihnen schon vor Monaten gesagt haben, dass das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verfassungswidrig sei. NoCovid, das die freiesten Länder der Welt ihrer Freiheit komplett beraubt hat.

            Sie befürworteten Verfassungsbrüche und regen sich über jemanden auf, der in Abwägung seiner Verantwortung eine Ordnungswidrigkeit begeht. Nun ja…

            • CitizenK 7. Oktober 2021, 20:11

              „nur eine einzige Partei, die Macht und Eigenverantwortung in die Hände der Bürger legen will“, denn
              „Der Bürger ist dumm, handelt unverantwortlich, weiß nicht um die Gefahren und kann sie nicht einschätzen“

              Wie beispielweise bei

              Gurtpflicht (Anschnallpflicht) –
              Verpflichtung zum Abschluss einer Kfz-Haftpflichtversicherung
              die Approbation von Ärzten
              die Sozialversicherung
              Verbot von Kokain und Heroin – Cannabis kommt ja wohl
              Besitz von Sprengstoffen und Kriegswaffen

              Wird diese Super-Partei das alles „in die Hände der Bürger legen“?

              Und wenn der Staat seine Bürger schützen will vor vor einer gefährlichen Infektion, dann haben wir „eine Militärdiktatur, in der Wahlen abgehalten werden“?

              Schöne Neue Freiheit.

              • Stefan Pietsch 7. Oktober 2021, 20:25

                Die Dosis macht das Gift.

                Verpflichtung zum Abschluss einer Kfz-Haftpflichtversicherung

                Sie werden’s nicht glauben, gibt es in vielen OECD-Ländern nicht.

                die Approbation von Ärzten
                Was ist das Problem mit Berufszulassungen? Oder dem Nicht-Vorhandensein? In einigen Ländern muss man selbst zum Taxifahren teure Lizenzen erwerben. In anderen nicht.

                die Sozialversicherung

                Ich dachte nicht, dass Sie so eine Vorliebe für Eigentore haben. Das deutsche Sozialversicherungswesen ist ja nun gerade ein Beleg, dass es der Staat aufwendig schafft, das Vermögen der Bürger um die Ecke zu bringen und sie arm zu halten.

                Verbot von Kokain und Heroin – Cannabis kommt ja wohl

                Das Verbot harter Drogen gilt nicht gerade als Erfolgsstory zur Bekämpfung von Süchten. Immer mehr stellt sich die Frage, was Sie mit dieser Aufstellung eigentlich bezwecken wollen.

                Besitz von Sprengstoffen und Kriegswaffen

                Jauw, ist nicht in allen Ländern so gehandhabt wie in Deutschland. In den USA im Supermarkt problemlos käuflich zu erwerben.

                Sie zählen also ganz schön auf, wo der deutsche Staat die Bürger, teilweise zu deren Schaden (Sozialversicherungen) ihrer Freiheitsrechte beraubt. Der Sinn der Übung erschließt sich mir jedoch nicht.

                Den Begriff der Quasi-Militärdiktatur habe ich allein auf Australien und Neuseeland bezogen. Klar, sie kennen diese Länder nicht, schon gar nicht, wie es in Sydney, Melbourne und Adelaide vor der Pandemie zuging.

                Aber ich sehe, Reue empfinden Sie nicht ob der Verbreitung verfassungsrechtlich fragwürdiger Ansichten.

                • CitizenK 8. Oktober 2021, 10:40

                  Der Sinn der Übung: Corona-Maßnahmen sind vergleichbar mit anderen, längst akzeptierten, zum Schutz der Bürger.

                  Wenn die alle verantwortlich handeln und Gefahren richtig einschätzen könnten, bräuchte man auch keine Promillegrenzen. Aber wer die USA in Sachen für ein Vorbild hält, der ist wohl auch für Freie Trunkenheitsfahrt für Freie Bürger?

                  Zu Kopenhagen: Was Sie immer noch nicht begriffen haben (trotz des anderen Stefans redlichen Bemühens): Dass strengere Maßnahmen ALLEIN das Ziel hatten, dass es auch hier wieder möglichst bald „herrlich“ werden sollte. Hat nicht so geklappt wie dort. Die selbsternannten Freiheitskämpfer hierzulande haben ihren Anteil daran.

                  • Stefan Pietsch 8. Oktober 2021, 11:19

                    Nein, Sie argumentieren „Mask forever!“ Trotz einer Impfquote von 70% haben wir die Rechtslage (nebst Lockdown-Möglichkeiten) wie bei einer Impfquote von 8%. Und das alles natürlich nur zum Schutz des Bürgers. Liberale Menschen, eine seltene Spezies in diesem Land, begreifen das als paternalistisch.

                    Weswegen ich das so angreife – worüber sich Stefan wiederum so aufregt, ohne zu reflektieren – ist: Unsere Verfassung ist kein Schutzgesetz, sondern eine Freiheitsdeklaration. Es geht nicht darum, den Bürger vor sich selbst zu schützen, sondern ihn vor dem Staat zu schützen. Sie dagegen stellen die Intention des Grundgesetzes auf den Kopf. Bedauerlicherweise unterliegen selbst Vulgärliberalen diesem Missverständnis. Dänemark ist heute das bessere Deutschland.

                    Unsere Verfassung ermächtigt den Bürger zu eigenen,freien Entscheidungen, selbst dann, wenn sie dem Gemeinwohlinteresse anscheinend entgegenlaufen. So haben wir seit Jahren eine intensive Debatte über das selbstbestimmte Ableben. Selbstmord ist keine Straftat. Und selbst wenn rechtskräftig verurteilte Kriminelle flüchten, wird dies anders als in anderen Ländern nicht geahndet. Der Gesetzgeber respektiert bereits seit dem 19. Jahrhundert den Freiheitsdrang der Menschen.

                    Mit der Impfung oder anderen Immunisierung stellt der Bürger keine Gefahr mehr für andere dar. Das ist die juristische Wertung und das war sie auch bis zum Sommer auf der politischen Ebene. Staatsgläubigkeit, lieber CitizenK, zeigt sich auch darin, dass Kommentatoren bereitwillig jede Argumentationsschlaufe des Staates nachvollziehen, statt in Opposition zu gehen.

                    sol1 hat eine kluge Frage gestellt, die ich heute nacht nicht mehr passend beantwortet habe. Warum ist es eine Grundrechtsbeschränkung die Maske tragen zu müssen, aber nicht den Sicherheitsgurt? Sie selbst steigen da ja unendlich oft ein.

                    Werden Sie gezwungen, täglich beim Verlassen des Hauses einen Sicherheitsgurt zu tragen? Nein, natürlich nicht. Dagegen würden sich die meisten wehren und es wäre gegen die Selbstbestimmung. Das ist einsichtig.

                    Die Verpflichtung zum Einbau von Sicherheitsgurten trifft nicht den Erwerber eines Autos, sondern den Hersteller. Der Sicherheitsgurt ist damit Teil des Geräts namens Automobil.

                    Alle Geräte, von denen eine Gefahr ausgeht, dürfen nur nach Sicherheitsunterweisung und Anwendung aller vorgeschriebenen Sicherungsmaßnahmen benutzt werden. Das gilt für Säge- und Baumaschinen genauso wie für Gleitschirme.

                    Es ist kein Grundrecht berührt, wenn jemand ein gefährliches Gerät ohne die Sicherheitsmaßnahmen bedienen will. Dann darf er es halt nicht bedienen, wohl aber besitzen (Recht auf Eigentum). Die Ordnungsbehörden ahnden daher bei Verletzung der Gurtpflicht eben nicht das Unterlassen des Selbstschutzes, sondern die nicht ordnungsgemäße Nutzung. Wie bei Autoposern.

                    Die Maske ist nicht an die zweckmäßige Benutzung eines Geräts gebunden. Das „Gerät“ heißt Mensch und ist anders als das Automobil mit eigenen, unveräußerlichen Rechten ausgestattet. Und zu diesen Rechten gehört zu sagen, „ich trage keine Maske“. Dennoch kann man diesen Menschen nicht von anderen Grundrechten wie dem Besuch der Kirche oder dem Treffen in der Kneipe ausschließen, wenn sichergestellt ist, dass von demjenigen keine Gefahr ausgeht.

                    Von Geimpften geht keine Gefahr aus. Das ist die juristische wie politische Begründung.

                    • CitizenK 9. Oktober 2021, 10:31

                      Leider stimmt der letzte Satz nicht. Sie erkranken nicht, jedenfalls meist nicht schwer, aber sie können das Virus weitergeben – an Ungeimpfte.

                      Ich bin nicht doch gar nicht für die weitere Maskenpflicht. Wie kommen Sie bloß darauf? Wenn glaubwürdig nachgwiesen wird, dass man die lästigen Dinger nicht mehr braucht – weg damit, sofort. Die Dänen haben es mit ihrer hohen Impfquote leichter.

                      Überhaupt: Dänemark, mein Referenzland, erinnern Sie sich? Der Erfolg – auch in der Pandemiebkämpfung – beruht mit auf dem Vertrauen in die Institutionen. Ein wesentlicher Faktor auch in anderen Ländern, wie man inzwischen weiß. Daran mangelt es bei uns, leider. Zeigt sich auch beim Datenschutz, der uns zum kontraprodukten Wahn verkommen ist.

                      Aber würde die FDP mittragen, dass jeder Bürger bei der Geburt eine Nummer kriegt, mit der sich sein ganzes Leben lang überall ausweist und einloggt? Eine angesehene FDP-Ministerin ist schon wegen eines viel kleineren staatlichen Eingriffs in die Privatsphäre zurückgetreten.

                      Das Fundament für den funktionierenden Staat in Dänemark wurde von sozialdemokratischen Regierungen gelegt – schon vergessen?

                    • Stefan Pietsch 9. Oktober 2021, 11:37

                      Sicher, vom Namen her und der Parteifamilie schon. Aber ansonsten haben sie mit der sozialdemokratischen Sicht in Deutschland doch wenig zu tun. Ich verweise übrigens auch nicht zur Lobhudelei auf liberale Regierungen wie in den Niederlanden. Das ist Kinderkram.

                      Fakt ist, in Dänemark hat der Staat mehr Vertrauen in die Selbstorganisation des Bürgers. Er unterstützt dort, wo es notwendig und sinnvoll ist, versucht aber nicht, die gesamte Lebensführung vorzugeben. Und wenn Sie auf meine Zwischentöne achten, könnten Sie bemerken, dass ich die SPD immer netter behandele als die Grünen oder die Linkspartei. Ich habe noch nie einen Verriss über die sozialdemokratische Partei geschrieben, über die CDU, über die AfD und über die Grünen sowieso schon. Selbst die FDP ist mal nicht gut weggekommen.

                      Überhaupt: Dänemark, mein Referenzland, erinnern Sie sich?

                      Nein, ich erinnere mich nicht. Ich erinnere mich, dass Sie ein schräges Bild von der Politik des Landes hatten.

                      Als Dänemark sämtliche Beschränkungen (including mask) aufhob, lag die Impfquote bei 75%. In Deutschland liegt sie – Genaues weiß man nicht, weil wir selbst gesetzlich verabreichte Impfungen nicht mehr ordentlich erfassen können – bei etwas über 70%. Das kann’s wohl nicht sein.

                      Ich bin nicht doch gar nicht für die weitere Maskenpflicht. (..) Wenn glaubwürdig nachgwiesen wird, dass man die lästigen Dinger nicht mehr braucht – weg damit, sofort.

                      Was haben Sie an unserem Grundgesetz eigentlich nicht verstanden, dass der Staat in der Nachweispflicht über die Notwendigkeit einer Grundrechtseinschränkung ist? Und damit ist es sehr schlecht bestellt – wenn sich nicht einmal bei einem Superspreader Event wie der Fußball-Europameisterschaft Menschen überproportional infizieren.

                      Aber würde die FDP mittragen, dass jeder Bürger bei der Geburt eine Nummer kriegt, mit der sich sein ganzes Leben lang überall ausweist und einloggt?

                      Keine Ahnung. Das grundsätzliche Problem ist doch nicht, dass das Arbeitsamt nicht wissen darf, was das Finanzamt weiß oder das Sozialamt. Oder das Passamt. Nur müssen diese Daten geschlossen im Kreis Staat verbleiben.

                      Leider arbeiten beim Staat Menschen und Menschen haben Fehler, sind geschwätzig, wichtigtuerisch, betrügerisch. Das Wissen des Staates hat schon oft dazu geführt, dass Bürger, z.B. Prominente, vorgeführt wurden: Klaus Zumwickel, Uli Hoeneß, Jörg Kachelmann, Christoph Metzelder um nur ein paar zu nennen. Der Zugriff auf alle Daten bedeutet auch viel Macht – in der Hand einzelner Menschen, nicht Institutionen. Regeln sind immer dafür da, die Macht von Menschen zu beschneiden. Wenn wir so etwas also einführen, sind die staatlichen Institutionen verpflichtet, noch sorgsamer mit dem ihnen anvertrauten Wissen umzugehen. Und Verstöße gegen Treuepflichten härter zu ahnden.

                    • Dennis 10. Oktober 2021, 20:37

                      Ach ja, Dänemark.

                      Dass da alles so toll ist – was in vielerlei Hinsicht auch stimmt – könnte auch daran liegen, dass die Steuer- und Abgabenquote gemessen am BIP die höchste in der OECD ist (2019) und die Staatsausgabenquote ebenfalls in der Spitzengruppe liegt, jedenfalls um 4 Prozentpunkte höher als in D, nämlich bei ca. 56 % in 2020. Es sind schon ein paar Klimmzüge notwendig, um das mit diesem Satz in Einlang zu bringen:

                      Zitat Stefan Pietsch:
                      „Fakt ist, in Dänemark hat der Staat mehr Vertrauen in die Selbstorganisation des Bürgers.“

                      Okay, der hohe Staatseinfluss könnte der „Selbstorganisation des Bürgers“ nicht unbedingt entgegen stehen, evtl. sogar förderlich sein; das allerdings würde die gängige FDP-Ideologie deutlich destruieren. Hohes Staatsvertrauen, um nicht zu sagen auch ein gewisser sozialer Druck, dem man/frau sich aus Vernunftgründen beugt, könnte mit der außerordentlich hohen Impfquote in DK auch was zu tun haben.

                      Wie dem auch sei, die Sozialdemokraten alleine haben keine parlamentarische Mehrheit momentan. Sie finden Unterstützung durch die „Rot-Grüne Allianz“ (vergleichbar mit dem linken Flügel unserer Grünen), der „Sozialistischen Volkspartei“ (vergleichbar mit unserer Linkspartei) und er „Sozial-Liberalen Partei“ (gibt es in D nicht).

                      Wie gut, dass es solche Regierungen gibt.

                    • Stefan Pietsch 11. Oktober 2021, 11:52

                      Origineller Gedanke, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Staat und Bürger von der Höhe der Steuerzahlungen abhängen soll. Dann wären Spitzensteuerzahler vertrauenswürdiger als Nullzahler.

                      Auch die USA haben großes Zutrauen in die Selbstorganisationskräfte der Bürger. Oder Australien – völlig andere Entwicklung in der Pandemie.

              • Stefan Pietsch 7. Oktober 2021, 20:33

                Ich war vor kurzem in Kopenhagen. Herrlich! Niemand trägt mehr Maske, man kann sich näher kommen. Der Unterschied zu Deutschland: der dänische Staat hat mehr Vertrauen in die Eigenverantwortung der Bürger.

                Und noch etwas: Auf dänischen Autobahnen gilt ein Tempolimit von 130 km/h. Tatsächlich hält sich kaum jemand daran. Wenn die Autobahn frei ist, wird deutlich schneller gefahren. Auf Geschwindigkeitskontrollen verzichtet der Staat aber weitgehend. In Deutschland undenkbar: würde hier ein generelles Tempolimit von 130 km/h eingeführt, hätten wir alle 5 km eine Radarfalle. Man kann den Bürgern nicht trauen.

                Irgendwie mag ich Staaten mehr, die ihre Bürger nicht wie unmündige Kinder behandeln, denen man jeden Tag erklären muss, dass es in der Welt Viren gibt und man sich nach dem Toilettengang die Hände waschen sollte (und auch sonst). Staaten, die es als übergriffig empfinden, ihren Bürgern ernsthaft vorschreiben zu wollen, mit wie vielen Mitmenschen sie sich wo treffen wollen.

                Andere Länder zu besuchen kann wirklich Vorteile haben.

        • Erwin Gabriel 7. Oktober 2021, 12:26

          Solches Verhalten wie von Kubicki ist ein Zeichen von Unreife. Er sollte verhaltenstechnisch die Pubertät inzwischen hinter sich gelassen haben.

    • Stefan Sasse 6. Oktober 2021, 16:17

      Wie ich schon sagte, Kubicki hat gegen das Gesetz verstoßen. Plain and simple. Du würdest das dem Schwarzen Block nicht durchgehen lassen, oder den Hambibesetzenden. Aber hier ist das ok, weil er in der FDP ist und deine Meinung teilt.

      • Stefan Pietsch 6. Oktober 2021, 16:32

        Genau genommen hat er nicht gegen ein Gesetz verstoßen, sondern gegen eine Anordnung. Gesetze werden von Parlamenten beschlossen und verabschiedet (Legislative, Du erinnerst Dich?), Verordnungen von der Verwaltung (Exekutive, etwas anderes als Legislative) herausgebracht. Wenn ich einem eine reinschlage, ist das eine Straftat (Gesetz). Wenn ich mich mit anderen versammle, obwohl ein Ministerpräsident gesagt hat, das dürfe nicht sein, ist das eine Ordnungswidrigkeit – und ohnehin fragwürdig, weil es gegen Grundrechte steht.

        Unterschied klar?

        • Stefan Sasse 6. Oktober 2021, 18:09
          • Stefan Pietsch 6. Oktober 2021, 18:23

            Verstehe ich nicht. Kannst Du auch seriös?

            • Erwin Gabriel 7. Oktober 2021, 14:06

              @ Stefan Pietsch

              Wenn ich aus Bequemlichkeit unberechtigt einen Behindertenparkplatz blockiere, ist es bei der Beurteilung meines Verhaltens egal, ob ich gegen eine Anordnung oder gegen ein Gesetz verstoße.

              Es gehört sich nicht.

              • Stefan Pietsch 7. Oktober 2021, 14:27

                Gutes Beispiel. Nehmen wir Frauenparkplätze. Heute gibt es in vielen Parkhäusern und anderswo vormarkierte, privilegierte Parkplätze für das weibliche Geschlecht. Doch es ist keine Ordnungswidrigkeit, darauf zu parken.

                Aber es gehört sich nicht. Zumindest nicht für nach alter Schule erzogene Menschen.

                Nur: gehört es sich wirklich nicht, ohne Maske mit Freunden einen zu trinken? Nur wenige Kilometer weiter von dem Ort, wo Wolfgang Kubicki wohnt, trägt niemand mehr Masken. In Dänemark und auch einigen unserer Nachbarländer ist man zu der Auffassung gelangt, dass Masken nicht mehr notwendig seien.

                Da erinnere ich an die Worte von Hans-Jürgen Papier:
                Nutzen und Schaden müssen stets in einem angemessenen Verhältnis stehen, und die Beweislast für das Vorliegen der Verhältnismäßigkeit trägt der Staat.

                Unser Staat spart sich aber das Begründen, zumal es der Umstände wegen immer schwieriger wird. Wenn der Staat aber nicht mehr die Grundrechtseingriffe begründen kann – warum sollte ich sie noch akzeptieren?

                • Erwin Gabriel 7. Oktober 2021, 18:44

                  @ Stefan Pietsch

                  Wenn die Vorschriften nicht passen, muss man sie ändern. Bis dahin sind sie einzuhalten.

                  Als an der Gesetzgebung beteiligter Parlamentarier nicht nur gegen Vorschriften zu verstoßen, sondern auch noch mit dieser „Selbstjustiz“ öffentlich zu prahlen, zeigt eine deutliche Arroganz, ein krudes Selbstverständnis und intellektuelle Unreife.

                  • Stefan Pietsch 7. Oktober 2021, 19:04

                    Nochmal: Wie bekommst Du die sehr hohe Zahl von Ordnungswidrigkeiten (nicht berücksichtigt 5,3 Millionen Straftaten) mit Deiner Ansicht zusammen, was einen „ordentlichen“ Bürger ausmacht? Ist man schon dann kein „ordentlicher Bürger“ mehr, wenn man falsch parkt, die Steuererklärung verspätet abgibt, den Müll nicht richtig trennt, ohne Ausweispapiere unterwegs ist? In dieser Kategorie bewegt sich das Weglassen der Maske.

                    • Erwin Gabriel 8. Oktober 2021, 00:08

                      @ Stefan Pietsch

                      Du argumentierst mir da ein wenig zu Schwarzweiß. Natürlich ist Wolfgang Kubicki kein verabscheuungswürdiger Verbrecher, weil er ohne Maske in der Kneipe unterwegs war. Aber er ist auch nicht Mr Perfect, sondern jemand, der sich weigerte sich an bestehende Vorschriften zu halten, und damit prahlt. Mal im Ernst: wie dämlich ist der denn? Oder sollte das ein wohl kalkulierter, populistischer Regelbruch sein? Das macht doch nichts besser.

                      Und um Kubicki zu beurteilen, brauche ich nicht wissen, was Annalena Baerbock im Wahlkampf falsch gemacht hat. Du würdest den Fehler im Lebenslauf auch nicht auf einmal akzeptieren, nur weil Kubicki ohne Maske einen kippen geht.

                      Ist man schon dann kein „ordentlicher Bürger“ mehr, wenn man falsch parkt, die Steuererklärung verspätet abgibt, den Müll nicht richtig trennt, ohne Ausweispapiere unterwegs ist? In dieser Kategorie bewegt sich das Weglassen der Maske.

                      Nein, das Weglassen der Maske ist grundsätzlich auch eine potentielle Gefährdung anderer.

                    • Stefan Pietsch 8. Oktober 2021, 01:04

                      Nein, das Weglassen der Maske ist grundsätzlich auch eine potentielle Gefährdung anderer.

                      Jetzt sind wir an dem Punkt, der mich so maximal wütend macht. Und das ist eine echte emotionale Regung. Wie die meisten Menschen hasse ich es, angelogen zu werden. Erst recht von den Menschen, die Macht über mich ausüben. Denn Lügen machen hilflos.

                      (1) Seit Sommer 2020 erklärte die Bundesregierung, dass Impfungen der Weg zurück zur Normalität seien. Normalität bedeutet inklusiv, auch ohne Maske. Andere Wege, die damals aus anderer Ecke der Wissenschaft angeregt wurden – Streeck – wurden ausgeschlagen.

                      (2) Als der Impfstoff verfügbar wurde, erklärte der Gesundheitsminister, Impfungen würden einen selbst und seine Umgebung schützen. Andere verklären bis heute Impfungen als Akt der Solidarität.

                      (3) Die Bundeskanzlerin erklärte Anfang des Jahres, dass die Pandemie (und damit die Beschränkungen) vorbei sei, wenn allen Bürgern ein Impfangebot gemacht werden könne. Dieser Zeitpunkt war im Spätsommer diesen Jahres erreicht.

                      Je weiter die Impfungen voranschritten, desto mehr wurden die Zusagen einkassiert. Im Spätfrühjahr brachten enge Berater/innen der Bundeskanzlerin wie Viola Priesemann die Weisheit unters Volk, dass auch geimpfte Menschen eine Virenlast tragen könnten.

                      Ach nee! Wo waren diese weisen Menschen eigentlich in der 7. gymnasialen Klasse, als nach den Geschichten mit den Bienchen und Blümchen und Mendels Blattlehre die Geschichte von Bakterien und Viren durchgenommen wurde? Irgendwann gehörte auch die Story dazu, dass Impfungen nur einen begrenzten Schutz vor Infektionen bieten. Uraltes Wissen als neu zu verkaufen und zur Begründung einer politischen Kurswende zu nutzen, ist maximal unehrlich.

                      Die Bundesregierung verlängerte dann im Sommer trotz auf Hochtouren laufender Impfkampagne die epidemische Lage nationaler Tragweite und tat damit so, als wären wir im Jahr 2020. Um die Aufhebung der einschränkenden Maßnahmen kümmerte sich die Regierung Merkel entgegen den Zusagen nur noch in Worten.

                      Inzwischen, mit Dunkelziffer, sind rund 70% der Bevölkerung nach offizieller Lesart geimpft. Es können aber sogar noch mehr sein. Abzüglich der Kinder und Jugendlichen, die bisher nicht geimpft werden konnten und abzüglich derjenigen, die aus gesundheitlichen Gründen ebenfalls nicht in den Schutz einbezogen werden können, bleibt nur noch ein sehr kleiner Kern an widerstandsfähigen Restanten, die offensichtlich Impfungen ablehnen. Die gibt es in jeder Gesellschaft. Wir sind also nach an einer vollständigen Immunisierung.

                      Die geltende Voraussetzung war, dass Impfungen auch Mitmenschen schützen. Deswegen haben viele das Risiko akzeptiert. Ich persönlich hatte als persönliche Kosten zwei Tage Krankheit mit teils hohem Fieber, wie ich es seit rund einem Jahrzehnt nicht mehr erlebt habe (ich habe eine sehr robuste Gesundheit). Aber das war’s mir als Preis für meine Freiheit wert. Ich würde mich auch jederzeit weiterimpfen lassen.

                      Aber ich lasse mich nicht verar….! Der Deal zwischen mir als Bürger und der Regierung war, ich lasse mich impfen und bekomme meine Rechte vollständig zurück. Und jetzt fühle ich mich belogen. Andere Länder waren und sind ehrlich mit ihren Bürgern. Sie haben einen Fahrplan zurück zur Normalität entwickelt – ohne Masken! Dänemark ist dabei.

                      Impfungen gegen Freiheit. So lautete die Vereinbarung. Der Staat muss endlich sein Versprechen einlösen, statt nach Ausflüchten zu suchen, die sich in der Vergangenheit ohnehin nur als vorgeschoben herausgestellt haben. Oder erinnerst Du Dich etwa nicht mehr an die „Superspreader Events“ wie die Fußball-Europameisterschaft? Skandalisiert wurde es, dass Fußballfans im Stadion miteinander feierten. Alles Bullshit. Nirgends gab es mehr größere Auswirkungen in den Inzidenzen, bei Krankheitsverläufen und Toten ohnehin nicht.

                      Also tu‘ mir einen Gefallen, und lass‘ solche Sprüche, die an unserer Rechtskultur schlicht vorbei gehen, siehe oben.

                    • Stefan Pietsch 8. Oktober 2021, 01:14

                      Zur Ordnungswidrigkeit schreibt Wikipedia gut zusammenfassend:

                      Eine Ordnungswidrigkeit ist in Deutschland eine bußgeldbewehrte Verletzung von Ordnungsrecht (Verwaltungsunrecht).

                      Und:
                      Der moderne Gesetzgeber sieht es bei leichten Rechtsverstößen als ausreichend an, nicht mit dem Mittel der Strafe zu reagieren, sondern lediglich ein Verwarnungsgeld oder im Rahmen eines Bußgeldverfahrens eine Geldbuße zu erheben.
                      https://de.wikipedia.org/wiki/Ordnungswidrigkeit

                      Wenn im Sport ein Spieler ein paar Mal die Regeln leicht übertritt und deswegen Freistoß gepfiffen wird, wird dem Spieler auch nicht abgesprochen, ein unfairer Sportsmann zu sagen. Die fairsten Spieler haben Freistöße und gelbe Karten gegen sich bekommen.

                      Also hören wir auf, uns um die Ordnungswidrigkeiten zu kümmern. Das ist kein kriminelles Verhalten! Und es beinhaltet, dass mancher auch bewusst Ordnungswidrigkeiten begeht. Es bleibt dennoch eine lässliche Sache. Wäre es anders, hätte der Gesetzgeber die Möglichkeit, es anders einzustufen.

                      Das Dumme dabei: Die Politik müsste dafür hohe rechtliche und politische Hürden überwinden. Dann macht man das, was in Deutschland so beliebt geworden ist: Was man aus faktischen Gründen nicht verurteilen kann, wird moralisch aufgeladen und als Verhalten skandalisiert.

                      Das ist einer freiheitlichen, rechtsstaatlich organisierten Gesellschaft unwürdig.

                    • Erwin Gabriel 9. Oktober 2021, 13:32

                      @ Stefan Pietsch 8. Oktober 2021, 01:04

                      Seit Sommer 2020 erklärte die Bundesregierung, …

                      Alles, was Du da schreibst, kann ich nachvollziehen. Auch ich bin der Meinung, dass die vielen unterschiedlichen Maßnahmenpakete und das konfuse Agieren der Regierung, höflich formuliert, nicht nur dazu dienten, die Bevölkerung zu schützen.

                      Aber über Kubickis Fehlverhalten zu debattieren ist eine ganz andere Diskussion. Mag sein, dass jeder von uns – ob aus Absicht oder aus Versehen – schon mal zu schnell mit dem Wagen unterwegs war. Aber ein Polizist, der des Nachts mit 70 km/h unfall- und folgenfrei durch eine Ortschaft fährt, sollte anschließend den Ball flachhalten und sich, wenn er ertappt wurde, entschuldigen. Seine Rübe in die Kamera halten und sagen, dass er das aus Überzeugung und Spaß gemacht hat, zeigt, dass er seine Funktion in der Gesellschaft und die möglichen Folgen seines „vorbildlichen“ Verhaltens entweder nicht verstanden hat (dann ist er ein Dummkopf), oder dass ihm das scheißegal ist (dann ist er ein egoistisches Arschloch). Ich mag mich irren, aber ich halte Wolfgang Kubicki NICHT für dumm.

                      Also tu‘ mir einen Gefallen, und lass‘ solche Sprüche, die an unserer Rechtskultur schlicht vorbei gehen, siehe oben.

                      Keine Sprüche. Das Tragen von Masken dient dem Schutz der anderen (wie klein die Risiken auch sein mögen). Das Befolgen solcher Anordnungen sollte staatsbürgerliche Pflicht sein, selbst wenn es sehr, sehr unbequem ist, selbst wenn man nicht nachvollziehen mag, warum diese Anordnung erlassen wurde.

                      Aber Du kennst mich gut genug – das ist bei mir eine sehr grundsätzliche Einstellung.

                      Es grüßt
                      E.G.

                    • Stefan Sasse 9. Oktober 2021, 13:40

                      Genau. Ich HASSE diese Masken. Ich würde behaupten, ich leide mehr unter ihnen als Stefan, weil ich den ganzen Tag in den Dingern reden muss und dazu noch permanent dafür sorgen muss, dass eine Rotte junger Erwachsener sie richtig aufsetzt. Mein Hals ist ständig wund, meine Nase genauso. Aber gerade deswegen ärgert mich ein Arschloch wie Kubicki so.

                    • CitizenK 9. Oktober 2021, 16:31

                      Kurzmeldung von heute: Ein 14jähriger Radfahrer zog sich schwere Gesichtsverletzungen zu, weil ein PKW mit offener Heckklappe auf dem Radweg geparkt war. So viel zu harmlosen Ordnungswidrigkeiten.

                    • Stefan Sasse 9. Oktober 2021, 17:01

                      Wie ich schon so oft gesagt, Deutschland ist Autoland. Diese Sachen werden planmäßig kaum verfolgt.

                    • Stefan Pietsch 9. Oktober 2021, 19:24

                      Ich habe heute wieder dutzende Menschen gesehen, die Ordnungswidrigkeiten begingen. Bei Rot über die Ampel gehen z.B. In zweiter Reihe anhalten. Es gibt so viele Ordnungswidrigkeiten, dass die Verfolgung nicht lohnt.

                      Die Leute sind nur deswegen bei der Ordnungswidrigkeit Maske so sensibel, weil sie wegen der Pandemie so wuschig gemacht wurden.

                    • Stefan Sasse 9. Oktober 2021, 20:29

                      Bei Rot über Ampel gehen ist auch dumm, dass das eine Ordnungswidrigkeit ist. Trotzdem wäre es nicht akzeptabel, wenn Kubicki öffentlich erklärte, dass es der Höhepunkt liberaler Autonomie sei, rote Ampelsignale zu ignorieren.

                      Wenn du bei Rot über die Ampel läufst, wirst im Zweifel du überfahren. Wenn du die Maske nicht trägst, gefährdest du andere. DAS ist der Unterschied.

                    • Stefan Pietsch 9. Oktober 2021, 20:49

                      Ich gefährde andere nicht, wenn ich geimpft bin. So die Definition. Wir sollten uns hier nicht als Virologen beschäftigen, sondern allein uns an die rechtstaatliche Definition und politische Zusage halten.

                    • Stefan Sasse 10. Oktober 2021, 11:19

                      Doch tust du. Sorry, dass man das immer noch erklären muss, aber auch geimpft kannst du Überträger der Krankheit sein.

                    • Stefan Pietsch 10. Oktober 2021, 14:40

                      Du sitzt in einem argumentativen Loch und merkst es nicht.

                      Aus juristischer Sicht sind Geimpfte keine Gefahr. Sonst ergeben Impfungen keinen staatsbürgerlichen Sinn. Das Gegenteil wird sich kaum vor Gericht erklären lassen.

                      Aber auch aus virologischer Sicht ist es falsch. Denn gegen Covid-19 Geimpfte haben keine höhere Virenlast als gegen Masern oder Pocken Geimpfte, echte Plagen der Menschheit. Ein besserer Status lässt sich aus heutiger Sicht nicht erreichen.

                      So kommst Du aus dem argumentativ gebuddelten Loch nur heraus, wenn Du Deine Argumentation aufgibst oder auf eine fiktionale Erlösung wartest. In jedem Fall solltest Du aufhören zu graben.

                  • Stefan Sasse 7. Oktober 2021, 21:52

                    Genau das ist meine Kritik.

                • Thorsten Haupts 11. Oktober 2021, 18:59

                  Alle können sich noch lange gerne über Corona und die Massnahmen streiten. Für mich ist die Geschichte weitgehend durch – und soweit ich am Verhalten der Menschen in der Öffentlichkeit bzw. in privaten Versammlungsräumen (Restaurants) festmachen kann, für die Mehrheit der anderen auch.

                  Mit dem Impfangebot für alle scheitert ein weiterer Lockdown spätestens vor Gericht sehr wahrscheinlich. Und ich traue mich mal als Hellseher und sage voraus, dass in 3 bis 6 Monaten die vollständige Rückkehr zur Normalität stattfinden wird, unabhängig von der dann aktuellen „Inzidenz“ (dass uns die Politik das für Sepember 2021 fest versprochen hat, geschenkt). Und ein weiterer Virus wird der normalen, täglichen Risikolage des Menschen hinzugefügt worden sein.

                  Wir haben also Zeit für die Aufarbeitung vergangener Fehler (die nicht stattfinden wird). Aufregung über Eingriffe in Freiheitsrechte ist in Deutschland eh müssig, das ist das Land, in dem bis zu Prof. Köhlers Intervention frei erfundene Feinstaubgefahren zu Fahrverboten führten, gerichtlich erzwungen.

                  Gruss,
                  Thorsten Haupts

                  • Stefan Pietsch 11. Oktober 2021, 22:18

                    Eben. Es gibt keine sinnvolle Begründung für die weitere Maskenpflicht. Das, was hier präsentiert wurde – „grundsätzlich weiteres Infektionsrisiko“ – ist so allgemeingültig, dass sich damit keine Sondersituation begründen lässt. Das sollte eigentlich auch intelligenten Nicht-Juristen einseitig sein.

                    Allerdings denke ich, es wird anders laufen. Solange es im Bundestag keine neue Regierungsmehrheit gibt, bleibt auch das Infektionsschutzgesetz unverändert. Die epidemische Lage von nationaler Tragweite gilt fort, wird aber nicht verlängert.

                    Bis die neue Regierung steht, sind wir im Winter. Bei höheren Infektionszahlen wird die Maskenpflicht noch nicht fallen, aber im März 2022. Dafür wird schon die FDP sorgen.

                    • Stefan Sasse 12. Oktober 2021, 07:57

                      Wie gesagt, ich sehe die Maskenpflicht bei keiner Partei länger als Frühjahr 2022. Ich würde sogar spekulieren dass die vorher fällt.

                  • Stefan Sasse 12. Oktober 2021, 07:56

                    Ich sehe die Entwicklung ähnlich. Ein weiterer Lockdown ist seit dem Frühjahr ausgeschlossen; warum der in den Fieberträumen der Maßnahmenkritiker*innen ständig auftaucht, ist mir nur durch Projektion erklärbar. Wenn die StiKo endlich mal soweit ist die Impfungen ab 6 freizugeben ist eine weitgehende Aufhebung aller Maßnahmen – vermutlich minus die Testpflicht – eigentlich nur noch Formsache.

                    • Stefan Pietsch 12. Oktober 2021, 08:24

                      Ein weiterer Lockdown ist seit dem Frühjahr ausgeschlossen (..)

                      Wieso? Damals wurden die Möglichkeiten für einen Lockdown erleichtert. Die Rechtslage ist praktisch noch unverändert. Nur weil Politiker das sagen?

                      Frankfurt verhängte im September weitgehende Beschränkungen bei einer Inzidenz von 80. zwei Wochen lang mussten z.B. Erzieherinnen den ganzen Tag über Masken tragen, von denen sie im Sommer befreit waren. Mit 1-3jährigen! Grundlage ist das Infektionsschutzgesetz.

                      Dein Vertrauen in die Politik ist ja echt rührend, aber die hat ein halbes Jahr keinen Finger gerührt. Steigt die Inzidenz im Herbst wieder gen 100, hat die Verwaltung nicht so viel Handlungsspielraum.

                    • Stefan Sasse 12. Oktober 2021, 09:06

                      Das hat nichts mit rührendem Vertrauen in die Politik zu tun, sondern mit meiner Einschätzung der politischen Lage. Der Lockdown Winter 2020/21 war deutlich ineffizienter als die beiden vorhergehenden, von einem offensichtlichen Unwillen der Politik, überhaupt einen dritten zu machen, und einem offensichtlichen und alle Sachfragen überdeckenden Willen, ihn so schnell wie möglich wieder zu beenden, begleitet. (War das eine Hypotaxe :D) Bereits im Herbst 2020 waren alle Parteien sich in einer Sache einig: kein weiterer Lockdown. Sämtliche Maßnahmen waren (meist völlig unangemessen und frei jeder Empirie) stets unter der ausdrücklich genannten Prämisse, keinesfalls einen weiteren Lockdown zu unternehmen. Es hätte einer schwere Katastrophe bedurft, die angesichts der steigenden Impfzahlen (auf die die Politik offensichtlich wettete) eher unwahrscheinlich war, um das nochmal zu ändern.

                      Das alles ist seit nun 9 Monaten so deutlich absehbar, dass es schon eine sehr verzerrte Sicht auf die politischen Realitäten braucht, um das zu ignorieren.

    • Thorsten Haupts 6. Oktober 2021, 16:21

      No Sir. Kubicki hat gegen eine existierende und rechtsstaatlich zustandegekommene Regel verstossen, case closed. Dass die überzogene Aufregung darüber widerliche Heuchelei ist, ändert daran nichts.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

  • Stefan Pietsch 6. Oktober 2021, 11:48

    3) Entspannt mit den Rechten plauschen

    Und mein Eindruck der letzten Jahre ist, dass die CDU ein Problem mit ihrer rechten Flanke hat. Von der verhaltenen Reaktion auf den Mord an Lübcke über die Relativierungen von rechtsextremer Gewalt im Osten zum weitgehenden Schweigen bezüglich dieses Mordes hilft die CDU eine Atmosphäre schaffen, in der Gewalt schleichend legitimiert wird

    Ich frage mich, worauf Du diesen Unsinn stützt. Gerade in diesen Tagen erinnerte der CDU-Parteivorsitzende Armin Laschet erneut an den Mord an Walter Lübcke.

    Der Generalbundesanwalt hatte sofort den Fall übernommen, wie das bei Terroranschlägen immer üblich ist.

    Innenminister Horst Seehofer will gegen den Rechtsextremismus deutlich verstärkt vorgehen und „dem Rechtsstaat mehr Biss geben“. Außerdem will er prüfen, ob Demokratiefeinden Grundrechte entzogen werden können.

    Ruprecht Polenz:
    Walter Lübcke war #CDU-Mitglied. Ich bin stolz, in derselben Partei zu sein. Danke für seine Haltung zu Flüchtlingen, deretwegen er von Rechtsradikalen ermordet wurde.Wir sind es ihm und seinen Angehörigen schuldig,uns für Humanität und gegen völkischen Nationalismus einzusetzen.

    Wer solche Vorwürfe erhebt, ist begründungspflichtig – mit mehr als lappidaren Sätzen.

    Das ist das, was Du mit verhaltener Reaktion beschreibst.

    • Erwin Gabriel 7. Oktober 2021, 14:10

      @Stefan Pietsch

      Volle Zustimmung. So ein verharmlosendes Zeug wie von Ralf Stegner nach den Ausschreitungen zum G20-Gipfel in Hamburg sucht man bei der CDU vergeblich.

  • Stefan Pietsch 6. Oktober 2021, 11:52

    4) „Mangelnde Kompromiss­bereitschaft“ (Interview mit René Wilke)

    Der Punkt war nicht, dass die Parteispitzen von SPD und Grünen die Option R2G immer aus taktischen Motiven offenhielten. Der Punkt war, dass sie damit Tendenzen in ihrer Mitgliederschaft und bei Funktionären befeuerten, das Lieblingsbündnis sei möglich. Welche Dynamiken solche Sperenzchen entfalten können, sieht man in der umgekehrten Richtung in Berlin. Dort will die Wahlsiegerin Franziska Giffey offensichtlich nicht mehr mit den alten Partnern von Grünen und vor allem LINKE. Aber Mitglieder und Funktionäre könnten die SPD-Politikerin genau in das Bündnis treiben, das sei eigentlich nicht will.

  • Stefan Pietsch 6. Oktober 2021, 11:57

    8) Wie weit darf Wut gehen?

    Mich verwundert da Deine Haltung kolossal. Wenn eine politische Maßnahme wie die Corona-Beschränkungen unmittelbar auf das Verhalten des Bürgers Auswirkungen haben (siehe Fundstück 1)), so ist das für Dich kein Grund zu einem so emotionalen Ausbruch wie Wut. Wenn aber eine bestimmte Maßnahme für Dich nur sehr mittelbare Auswirkungen haben kann (Konjunktiv), kann dies zu äußersten Gefühlsregungen Anlass geben.

    Das verstehe wer will.

    • Stefan Sasse 6. Oktober 2021, 16:18

      Alles eine Frage, wo man steht.

      • Stefan Pietsch 6. Oktober 2021, 16:29

        Nein, sondern von „unmittelbarem“ und „mittelbarem“ Einfluss. Eigentlich habe ich genau deswegen die Worte markiert.

        Wenn ich Dir eine runterhaue, hat das mit Sicherheit eine andere Wirkung auf Dich als wenn ich ohne Dein Wissen irgendjemanden erzähle, ich würde auf einem anderen Stern in einer dunklen Nacht dem Stefan S. gerne eine knallen. Das eine ist sehr unmittelbar, das andere sehr weit entfernt mittelbar. Beides gleich zu behandeln, ist grober Unfug. Unterschied klar?

        • derwaechter 7. Oktober 2021, 09:30

          Es geht auch um die (gefühlte oder reale) schwere des Unrechts.

          Coronamaßnahmen sind eine vorübergehende, aus Stefans Sicht sinnvolle, Einschränkung, die teilweise übers Ziel hinaus schiessen und weitestgehend reversibel sind.

          Klimawandel ist aus seiner Sicht eine grundlegende, ireversibele, Gefahr für die Menschheit.

          Es wäre doch eigenartig, wenn ihn das erste wütender als das zweite mache.

          • Stefan Pietsch 7. Oktober 2021, 11:37

            Verstehe ich nicht.

            Tiefe Emotionen wie Hass sind sehr persönlich. Sie zeigen sich bei sehr persönlicher Betroffenheit. Die Generation von Stefan, das habe ich schon früher angemerkt, geht sehr laissez faire mit solchen Begriffen um.

            Bei den Coronamaßnahmen betreffen mich die Auswirkungen unmittelbar. Ob ich eine Maske bei der Begegnung mit anderen tragen muss oder mich ein Fremder anhustet, kann leicht echte Emotionen auslösen. Aber die Aussicht, dass der nächste Sommer wieder deutlich wärmer als der diesjährige wird, ist sehr abstrakt. Abstrakt heißt nicht, dass etwas nicht existiert oder geleugnet wird. Aber es tangiert sehr distanziert.

            Wenn ein Fremder Stefans Frau einen unpassenden Spruch mitgäbe, was sie ihm am Abend erzählen würde, lößte diese (relative) Harmlosigkeit weit stärkere Emotionen bei ihm aus als der gleichzeitige gewaltsame Tod von einigen hundert Menschen im syrischen Bürgerkrieg.

            Da zeigt sich, das Ihr Argument nicht stimmt: die Despektierlichkeit ist vorübergehend, der Tod von Menschen irreversibel. Wir können das noch weiterspinnen und die syrischen Opfer mit den Opfern des Klimawandels im Jahr 2100 vergleichen. Warum lässt uns das Erste vergleichsweise kalt und das andere emotionalisiert uns?

            Weil es eine künstliche Emotion ist. Künstliche Emotionen entstehen aus Emotionsarmut. Wir lassen echte Nähe nicht mehr an uns heran und ersetzen sie durch die „Anteilnahme“ an Fremden. Das macht viele heute zu „Followern“.

            Als Teenager haben wir Ideale, wie wir Beziehungen führen wollen. Nach der ersten Liebe (oder einigen ersten Lieben) lernen wir, dass der Lebensweg nicht gradlinig verläuft. Wer sklavisch an den Idealen seiner Jugend festhält, stirbt einsam. Ein wachsender Teil tut das ja auch tatsächlich. Das ist aber nicht lobenswert, sondern zeigt Lernunfähigkeit. Und Unfähigkeit, sich anzupassen und einzuordnen.

            Die Debatten um den Klimawandel bekommen etwas Hysterisches. Wenn Teens und Tweens in den Hungerstreik treten, ihr Leben opfern wollen, weil sie ernsthaft glauben, die Menschheit würde morgen aussterben, wenn Deutschland seine CO2-Emissionen nicht von jetzt auf gleich auf Null bringt, ist das Zeichen der völligen politischen Überzogenheit.

            Die schlechte Nachricht ist: Die Menschheit wird aussterben, das ist von der Natur beschlossen. Spätestens in 5 bis 7 Milliarden Jahren, wenn die Sonne verglüht. Vielleicht stirbt sie auch in 500 oder 600 Jahren aus. Dann aber nicht wegen den Temperaturveränderungen auf der Erde, sondern der Unfähigkeit, sich an veränderte Umweltbedingungen anzupassen. In jedem Fall wird es aber niemand mehr erleben, der heute geboren ist.

            • Thorsten Haupts 7. Oktober 2021, 17:16

              Yup. Ich habe eine solche Massenhysterie schon einmal selbst miterlebt und war (als Gegendemonstrant) mittendrin – die deutsche Friedensbewegung der achtziger. Da glaubten einige Millionen von Deutschen ernsthaft, tatsächlich und aufrichtig daran, morgen im atomaren Feuer des Dritten Weltkrieges zu verglühen und deshalb zu allen Widerstandaktionen berechtigt zu sein, die keine direkten Menschenleben kosteten. Ich selbst hatte damals mal die Ehre, als verantwortlicher Offizier vom Wachdienst meine wütenden Wehrpflichtigen daran hindern zu müssen, eine Kasernenblockade am Freitagnachmittag eigenhändig aufzulösen.

              Diese Massenhysterie ist seit dem Mittelalter eine schriftlich aufgezeichnete Menschheitskonstante, kann aufgrund jeden beliebigen Anlasses und mit jeder beliebigen Begründung jederzeit ausbrechen und danach auch für Jahrzehnte wieder spurlos verschwinden. Wirklich interessantes historisches Phänomen, ich darf es jetzt das zweite Mal selbst miterleben.

              Gruss,
              Thorsten Haupts

              • Stefan Sasse 7. Oktober 2021, 17:59

                Nie war die Menschheit so nahe am Dritten Weltkrieg wie in den 1980er Jahren. Die Leute hatten durchaus Recht mit der Gefahr. Dass sie nicht eintrat, macht ja die Befürchtung nicht falsch.

                • Stefan Pietsch 7. Oktober 2021, 18:08

                  Das war gefühlt so, nicht wirklich. Tatsächlich hatte man in den Achtzigerjahren große Angst: Alte Männer im Kreml, die man nur von James Bond-Filmen kannte und dann noch einen Kalten Krieger im Weißen Haus. Das konnte ja nicht gut gehen! Dazu galt der Warschauer Pakt militärisch als total überlegen, regelmäßig wurde im Fernsehen gezeigt, wieviel Panzerdivisionen, wieviele Atomraketen Moskau befehligen konnte. Und ein paar Jahre später macht es „blop, blop“ und das Ganze implodiert. Die vielen Raketen waren teilweise nur Schrott und die Panzer hatten keine Ketten. Dumm gelaufen.

                  • Erwin Gabriel 7. Oktober 2021, 18:52

                    @ Stefan Pietsch

                    Wenn ich mich recht erinnere, gab es Anfang der 80er Jahre zur gleichen Zeit zwei große Manöver – in der Ostsee und mit Panzern an Land – dass die Russen missverstanden. Hätte fast geknallt.

                    Zu der Zeit waren gerade die ersten Mittelstreckenraketen (Stichwort „Nachrüstung“) installiert worden.

                  • Stefan Sasse 7. Oktober 2021, 21:51

                    Nein, das war nicht nur gefühlt so. 1983 war super gefährlich, und 1986 auch. Historiker*innen sind da ziemlich einig.

                • Thorsten Haupts 7. Oktober 2021, 21:09

                  Nie war die Menschheit so nahe am Dritten Weltkrieg wie in den 1980er Jahren.

                  Hysterischer und durch nichts belegter Unsinn. Gibt nicht einen seriösen Historiker, der Ihnen zustimmt, geschweige denn, irgendwelche Quellen für diese German Angst.

                  In den sechzigern war die Gefahr um Grössenordnungen höher und es hätte bei mehreren Gelgenheiten (z.B. Kuba Krise) wirklich fast geknallt.

                  Gruss,
                  Thorsten Haupts

                  • Stefan Sasse 7. Oktober 2021, 21:53

                    Nun…ziemlich viele Historiker*innen. Zumindest die, die zum Thema forschen.

                    • Stefan Pietsch 7. Oktober 2021, 22:06

                      Bitte mal so 4, 5 Quellen. Dürfte ja dann kein Problem sein.

                    • Thorsten Haupts 7. Oktober 2021, 23:02

                      Schliesse mich Stefan Pietsch an. Denn mal voran :-).

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 8. Oktober 2021, 07:50
                    • Stefan Pietsch 8. Oktober 2021, 08:53

                      Nicht die Bücher, aber die Autoren. Bisschen Zeit brauche ich allerdings.

                    • Thorsten Haupts 8. Oktober 2021, 09:47

                      Yup. Kaplan ist schon mal kein Historiker. Für Kershaw biete ich (ohne das spezifische Werk gelesen zu haben) eine Flasche guten Weines für den Nachweis, an welcher Stelle er geschrieben hat, die Welt wäre noch nie so dicht an einem dritten Weltkrieg gewesen, wie in den achtzigern. Und Herring werde ich mir zulegen und selber nachlesen. Judt als Antisemiten spare ich mir allerdings.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 8. Oktober 2021, 13:59

                      Judt ist ein Antisemit? Fuck, ich habe den bisher so geschätzt.

                    • Erwin Gabriel 9. Oktober 2021, 13:35
                    • Thorsten Haupts 10. Oktober 2021, 21:34

                      Verehrter Erwin Gabriel, aus der von Ihnen selbst verlinkten „Quelle“:

                      „Der hohe Realitätsgrad, die strenge Geheimhaltung sowie das zu dieser Zeit besonders angespannte Verhältnis zwischen den USA und der Sowjetunion führten im Warschauer Pakt zu dem Verdacht, es handele sich bei der Übung um einen Deckmantel für einen tatsächlich unmittelbar bevorstehenden Nuklearschlag.[2] Im Jahr 2013 veröffentlichte Protokolle der Politbürositzungen bestätigten dies jedoch nicht.“

                      Yup. Der Verdacht war eine Phantasie westlicher Aktivisten.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 11. Oktober 2021, 08:00

                      The exercise attracted public attention after a 1990 President’s Intelligence Advisory Board report on the exercise was declassified and released by the National Security Archive in 2015.[13] Historians such as Thomas Blanton, Director of the National Security Archive, and Tom Nichols, a professor at the Naval War College, have since argued that Able Archer 83 was one of the times when the world has come closest to nuclear war since the Cuban Missile Crisis in 1962.[14][15] The declassification of related documents in 2021 lent additional credence to this notion.[9]

                  • sol1 7. Oktober 2021, 22:01

                    „Am 26. September 1983 stufte er als leitender Offizier in der Kommandozentrale der sowjetischen Satellitenüberwachung einen vom System gemeldeten Angriff der USA mit nuklearen Interkontinentalraketen auf die UdSSR korrekt als Fehlalarm ein. Der Fehlalarm wurde durch einen Satelliten des sowjetischen Frühwarnsystems ausgelöst, der aufgrund fehlerhafter Software einen Sonnenaufgang und Spiegelungen in den Wolken als Raketenstart in den USA interpretierte. Durch Eingreifen und Stoppen vorschneller Reaktionen verhinderte Petrow womöglich das Auslösen eines Atomkriegs, des befürchteten Dritten Weltkriegs.[6]“

                    https://de.wikipedia.org/wiki/Stanislaw_Jewgrafowitsch_Petrow

                    • Thorsten Haupts 7. Oktober 2021, 23:09

                      Yup, danke, kannte ich schon. Hat mit den öffentlich geäusserten Befürchtungen, Vorhersagen und Fake News der damaligen Friedensbewegung eine Schnittmenge von exakt 0. DAS Risiko materialiserte sich während des Kalten Krieges (und vermutlich bis heute anhaltend) mehrmals.

                      Wobei „… verhinderte Petrow womöglich das Auslösen eines Atomkriegs“ maximal dramatisch ist – es gab in den achtzigern wie heute multiple Schichten der Prüfung, um genau das zu verhindern (in den sechzigern gab es das übrigens weit weniger).

                      Sasses Behauptung war ein „höheres als jemals vorher oder nachher“ Risiko während der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts. Bestätigung wird gespannt erwartet.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                  • Hias 8. Oktober 2021, 01:13

                    Hysterischer und durch nichts belegter Unsinn. Gibt nicht einen seriösen Historiker, der Ihnen zustimmt, geschweige denn, irgendwelche Quellen für diese German Angst.

                    Diese Aussage ist aber jetzt auch nicht sachlicher.

                    ME redet ihr aneinander vorbei. Die Gefahr eines dritten Weltkriegs war sowohl in den 1960er als auch in den 1980er groß, da nimmt sich wohl weder die Berlin-Krise noch Able Archer was.
                    Der Unterschied war die in den 1980er Jahren deutlich gesteigerte Fähigkeit den Gegner atomar zu vernichten. Denn ein in den 1960er Jahren ausgebrochener Weltkrieg hätte wohl (aufgrund fehlender ICBM-Reichweiten und Kapazitäten) nicht zwangsläufig zu einer nuklearen Vernichtung des Gegners geführt.
                    Ein in den 1980er Jahren begonnener Weltkrieg dagegen hätte wohl ziemlich sicher in einer gegenseitigen, nuklearen Vernichtung geendet.

                  • Thorsten Haupts 11. Oktober 2021, 09:31

                    Nichols heutige Einschätzung ist hier:

                    https://twitter.com/radiofreetom/status/1363926810208182280

                    Und sie zeigt mehr als deutlich, dass der Mann keine Ahnung von Militär hat. Sein „Beleg“ für „knapp am nuklearen Krieg vorbei geschrammt“ ist:

                    „But here’s the revelation in the new stuff: Soviet units went on alert *just enough* to be able to hit back from a *theater-level* strike. They were hedging their bets against the insane notion that NATO, vastly outnumbered, was going to take them out with nukes.“

                    Aha. Sowjetische Truppen wurden in einen gerade ausreichenden Alarmzustand versetzt, um auf einen Nuklearschlag reagieren zu können. Für Leser ohne Militärerfahrung: Das war im Kalten Krieg vor 1990 Routine und kam (auf beiden Seiten) mehrfach vor. Es bedeutet genau das, was da steht – die Truppen sind in ausreichender Alarmbereitschaft, um auf einen eventuellen gegnerischen Angriff reagieren zu können.

                    Das ist von „unmittelbar drohender Nuklearkrieg“ so weit entfernt, wie die Kuh vom Klavierspielen.

                    Gruss,
                    Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 11. Oktober 2021, 11:08

                      Nichols zu unterstellen, er habe keine Ahnung von Militär, scheint mir eher ein Beleg für seine These aus „The Death of Expertise“ zu sein.

                    • Thorsten Haupts 11. Oktober 2021, 11:53

                      Jo. Der Mann ist ein reiner Akademiker mit Abschlüssen in Politikwissenschaft und „Government Studies“, war ausweislich seiner Biographie nie beim Militär und hat sich dem folgend selbst beigebracht, was er über Militärstrategie weiss. Ich auch, allerdings auf einer Offizierausbildung aufbauend.

                      https://en.wikipedia.org/wiki/Tom_Nichols_(academic)

                      Aber letztlich ist auch das irrelevant – seine eigene Argumentation taugt für seine eigene Behauptung nicht „that we came pretty close to war in 1983“. Nope, Sir, die Versetzung einiger sowjetischer Truppenteile in einen höheren Alarmstatus als üblich ist keine Kriegsvorbereitung.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                • cimourdain 8. Oktober 2021, 00:16

                  „Nie war die Menschheit so nahe am Dritten Weltkrieg wie in den 1980er Jahren.“
                  1984 bis 1988 war die ‚Doomsday Clock‘ auf 3 Minuten vor zwölf, 1991 auf 17 vor 12, seit 2015 sind wir wieder auf dem Wert der 80er und schlimmer (2020 waren es 100 Sekunden vor zwölf)

                  • Stefan Sasse 8. Oktober 2021, 07:57

                    Die Doomsday Clock ist eine Einschätzung zum jeweiligen Zeitpunkt, kein historisches Urteil. Wir wissen das über die 1980er Jahre ja erst seit Öffnung der sowjetischen Archive.

              • Stefan Pietsch 7. Oktober 2021, 18:10

                Ich habe noch das Waldsterben mit dem Sauren Regen anzubieten. Umkippende Flüsse gab’s obendrauf, Endzeit. Irgendwann habe ich mich gewundert, dass ich noch lebe. Und vom Friedensengel Nikole hörte man nichts mehr.

                • Stefan Sasse 7. Oktober 2021, 21:52

                  Man hat halt auch Maßnahmen ergriffen. Katalystoren etwa. Oder denk ans Ozonloch. Man hat schnell FCKW verboten (VERBOTEN! DER SCHOCK! VERBOTEN! FREIHEITSBERAUBUNG!) und das Ozonloch hat sich seither regeneriert.

                  • Stefan Pietsch 7. Oktober 2021, 22:05

                    Leute, Ihr gleitet in Fundamentalismus ab.

                    Ihr meint ernsthaft weitreichende Grundrechtseinschränkungen mit dem Verweis auf FCKW-Verboten, Anschnallpflichten und Schusswaffenverboten rechtfertigen zu können. Irgendwie habt Ihr das Thema nicht verstanden.

                    Grundrechtseinschränkungen: Verbot sich zu versammeln, Maske zu tragen, Beschränkung des Zugangs zu Familienangehörigen. So etwas in der Art.

                    FCKW-Verbot: keine Grundrechtseinschränkung.
                    Schusswaffenverbot: keine Grundrechtseinschränkung.
                    Anschnallpflicht: keine Grundrechtseinschränkung.

                    Sobald Du oder CitizenK den Unterschied im Groben verstanden habt, könnt Ihr Euch wieder melden. Mit Kindern jedenfalls machen solche Debatten keinen Spaß.

                    • sol1 8. Oktober 2021, 01:11

                      Was ist an der Maskenpflicht schlimmer als an der Gurtpflicht?

                    • Stefan Pietsch 8. Oktober 2021, 01:26

                      Die Maskenpflicht zwingt mich als Individuum, im Privaten etwas zu tragen, was ich nicht tragen will. Hier sind gleich mehrere Grundrechte berührt: Koalitionsfreiheit, Religionsfreiheit, Recht am Eigentum, Unverletztlichkeit der Wohnung, Grundrecht auf Selbstbestimmung.

                      Die Gurtpflicht verletzt diese Rechte so wenig wie Sanitärauflagen in Labors und Kliniken.

                      Um es noch klar zu machen: Lade ich jemanden in meine Wohnung oder mein Geschäft ein, steht es mir völlig frei, meinen Gästen / Kunden zu erlauben, was sie anziehen (oder nicht anziehen). Im Arbeitsrecht haben wir inzwischen ja sogar den Streit, ob der Arbeitgeber überhaupt eine bestimmte Arbeitskleidung anordnen darf. Eben weil es in Grundrechte des anderen eingreift. Natürlich greift das Masketragen in mein Grundrecht der Selbstbestimmung ein. Das gilt so nicht zwingend für die Gurtpflicht.

                    • sol1 8. Oktober 2021, 12:35

                      „…im Privaten…“

                      Die Maskenpflicht gilt in geschlossenen *öffentlichen* Räumen.

                    • Stefan Pietsch 8. Oktober 2021, 12:51

                      Eine Gaststätte ist nicht automatisch ein öffentlicher Raum. Ebenso wenig wie private Unternehmen. Sie stehen im Privatbesitz und der Betreiber / Besitzer hat das Hausrecht. Dies steht auch dem Staat gegenüber. Die Räumlichkeiten dürfen nur auf richterliche Anordnung durchsucht werden.

                      Flughäfen und Bahnhöfe sind dagegen echte öffentliche Räume.

                    • sol1 8. Oktober 2021, 20:32

                      Wenn für Gaststätten ein Rauchverbot verhängt werden kann, warum dann nicht auch ein Maskengebot?

                    • CitizenK 9. Oktober 2021, 17:40

                      „Mit Kindern jedenfalls machen solche Debatten keinen Spaß.“

                      Arroganz ist kommunikativ nicht zielführend. Zumal wenn sie sich wie hier als argumentatives Schlupfloch erweist.

                      Es ging nicht nur um Grundrechte, sondern um die grundsätzliche Frage, wie weit der Staat in die Privatsphäre eingreifen soll, um Bürger vor anderen Bürgern und sich selbst zu schützen.

                      Das gilt für die Maskenpflicht genau wie für die Gurtpflicht und das Rauchverbot in öffentlichen Räumen. Hinzu kommt, dass letztlich die Solidargemeinschaft für die Folgen aufkommen muss (für FDPler: auch die Steuerzahler).

                    • Stefan Pietsch 9. Oktober 2021, 19:13

                      Es ging wiederholt um die Unterstellung, wer für den Schutz der Grundrechte eintrete, sei gegen Verbote und befürworte gar die Abschaffung des Staates. An der Stelle diskutiere ich nicht mehr weiter, das ist zu borniert.

                      Es ging nicht nur um Grundrechte, sondern um die grundsätzliche Frage, wie weit der Staat in die Privatsphäre eingreifen soll, um Bürger vor anderen Bürgern und sich selbst zu schützen.

                      Merken Sie den Fehler? In dem Moment, wo der Staat in die Privatsphäre des Bürgers eindringt, geht es um Grundrechte. Dabei gilt grundsätzlich die Achtung vor den privaten Vereinbarungen und Regeln. So haben grundsätzlich privatrechtliche Regeln Vorrang vor allgemeinen staatlichen Vorgaben. Beispiel Ehevertrag: Eheleute können per Vertrag auf Unterhaltsleistungen und Interessenausgleich verzichten. (Lassen wir hier weg, dass dies an Grenzen stößt). Wenn also fünf Menschen in privaten Räumen in Kenntnis theoretischer Infektionsgefahren darauf zu verzichten, sich durch Masken voreinander zu schützen, dann ist das in Ordnung. Für den Staat besteht hier kein Regelungsbedarf.

                      Der Vergleich mit der Gurtpflicht ist unstatthaft, weil Unsinn. Warum, habe ich die Tage ausführlich erläutert. Fragen Sie einen Juristen.

                    • Thorsten Haupts 9. Oktober 2021, 21:38

                      Das Rauchverbot in öffentlichen (!) Räumen lässt sich begründen, das Rauchverbot in privaten (Bsp. Gaststätten) nicht. Es ist mit dem GG inkompatibel, auch wenn selbst das BVerfG das anders sieht – Auswirkung des paternalistischen Verständnisses von Staat, das (nicht nur) in Deutschland selbst einer imaginären Gemeinschaft Vorrang vor dem Individuum und staatlichem „Schutz“ Vorrang vor individueller Selbstverantwortung einräumt.

                      Freiheit – auf die das Grundgesetz aufgebaut ist – ist nach meiner nunmehr jahrzehntelangen Beobachtung nicht mehrheitsfähig, wo sie gegen Gruppeninteressen durchgestzt wird, folgt das dem Interesse einer Funktionselite.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 10. Oktober 2021, 11:20

                      Schön zu sehen, dass die Meinung des BVerfG immer dann irrelevant ist, wenn sie sich nicht mit den eigenen Vorstellungen deckt. Ich halte auch die Schuldenbremse nicht mit dem GG kompatibel, auch wenn das BVerfG das anders sieht, so!

                    • sol1 10. Oktober 2021, 14:57

                      „Schön zu sehen, dass die Meinung des BVerfG immer dann irrelevant ist, wenn sie sich nicht mit den eigenen Vorstellungen deckt.“

                      Und dazu noch ein abstruser Freiheitsbegriff, dem sonst kaum einer auf der Welt folgen will.

                      So weit ich sehe, hat Belarus die lascheste Anti-Raucher-Gesetzgebung in Europa.

                    • Dennis 10. Oktober 2021, 15:08

                      „Verfassungswidrig“ oder auch „grundrechtswidrig“ soll sich so anhören, als ob es sich um einen empirisch feststellbaren Tatbestand handeln würde, der einen angeblich objektiven und ferner ganz schrecklichen Befund zum Ausdruck bringt. Tatsächlich handelt es sich um eine MEINUNG. Das ändert sich auch dann nicht, wenn das mit juristischen Sachverstand daher kommt und auch dann nicht, wenn die Meinungsbildung von gerichtlicher Art ist.

                      Das erkennt man/frau insbesondere dadurch, dass Urteile und Beschlüsse des BVerfG häufig nicht einstimmig sind. Wenn angebliche „Verfassungswidrigkeit“ über jeden Zweifel erhaben wäre, würde es Letzteres nicht geben. Dass die Parteien jeweils ihre Leute auf die Richterstühle zu setzen beabsichtigen, wäre gar nicht nötig, wenn hier Objektivität obwalten würde.

                      Nun sind halt Urteile/Beschlüsse des BVerfG in Hinblick auf die Anwendung GÜLTIG und für die Allgemeinheit VERBINDLICH, auch wenn u.a. hochkarätige Jurist:innen (z.B. Verfassungsrichter:innen selbst) anderer MEINUNG sind. Solange sich auf Anfrage der Liebe Gott dazu nicht äußert, muss man/frau damit wohl leben.

                      In der Politsprech haben wir es hier im Übrigen mit einer Art Kampfbegriff zu tun, den man/frau nicht sonderlich ernst nehmen sollte. Die Verrechtlichung als Politikersatz wäre noch ’n Thema für sich^. Lange Geschichte.

                    • Stefan Sasse 11. Oktober 2021, 07:56

                      Genau das.

                    • Thorsten Haupts 10. Oktober 2021, 15:17

                      … Meinung des BVerfG immer dann irrelevant ist …

                      Bullshit. Die Meinung des BVerfG ist höchst relevant, sie verursacht die Gültigkeit oder Ungültigkeit von Rechtsnormen in Deutschland.

                      Darüber hinaus allerdings ist sie so gut oder so schlecht wie die aller halbwegs gebildeten Menschen. Verstehe den Einwurf nicht – irrelevant für das, was ich geschrieben habe.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 11. Oktober 2021, 07:57

                      Relevant für Grundgesetzkonformität sind die Entscheidungen des BVerfG, wenn sie in Frage steht; sonst die Unterschrift des BuPrä.

                    • Thorsten Haupts 11. Oktober 2021, 09:19

                      Danke für die Präzision. Ändert erneut nichts an meiner Einschätzung – gültig, aber falsch.

                      Staatsbürger haben das Recht zu dieser Einschätzung übrigens auch bei jedem Gesetz. Sie müssen sich dran halten, können und dürfen es aber für falsch halten. Sogar öffentlich.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 11. Oktober 2021, 11:08

                      Klaro. Solange du dann nicht umgekehrt argumentierst, wenn unsere Rollen vertauscht sind, ist das ja fair.

                    • Stefan Pietsch 11. Oktober 2021, 09:32

                      Wie das Bundesjustizministerium prüft der Bundespräsident die Verfassungskonformität. Er bestimmt sie nicht. Umso mehr ist das Bundespräsidialamt blamiert, wenn sie grundgesetzwidrige Gesetze durchwirken, gerade wenn Zweifel bestanden, dass sie mit dem Grundgesetz in Einklang zu bringen sind.

                      Starke Präsidenten versuchten in der Vergangenheit diese Peinlichkeit zu vermeiden.

                    • Stefan Sasse 11. Oktober 2021, 11:09

                      Sag ich doch.

  • Thorsten Haupts 6. Oktober 2021, 16:19

    Zu 3:

    Eigentlich lese ich so etwas nicht mehr, seitdem ich in den achtzigern vielfach – in „Qualitäts“medien wie der ZEIT – von oben herab belehrt wurde, dass linksradikale Schriften oder mit Linksradikalen reden (damals Horkheimer, Marcuse oder Galtung) Üüüüüberhaupt nichts mit der Gewalt der RAF et al zu tun hatte. Seitdem sollte die Frage geklärt sein – man darf alles so heftig und unmässig kritisieren, wie man will, solange man nicht direkt zu Mord aufruft, es gibt qua Definition keine geistigen Brandstifter. Den haben Liberale und Linke erst seit dem Lübcke Mord widerentdeckt, denn – Überraschung – jetzt sehen sie sich im Fadenkreuz. Nackter Egoismus statt Grundsatztreue ist zugegeben eine Menschheitskonstante.

    Zu 8:

    Ich kann die von Thelen ausgedrückten Gefühle völlig nachvollziehen.

    Danke für dieses wunderbare Beispiel linker Hegemonie im öffentlichen Raum. Hätte jemand dasselbe Verständnis für rechtsradikale Wut wegen Masseneinwanderung (da gibt´s exakt dasselbe völlig überzogene Bedrohungs- und Ohnmachtsgefühl!) ausgedrückt, wäre er im öffentlichen und halböffentlichen Raum nicht mehr diskutabel. Es ist eben nur Linken erlaubt, in jeder Generation einen je anderen Grund für Gewalt zu suchen (und nur für sich selbst dann – knapp – auszuschliessen) und die Gewalttäter zu „verstehen“.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Hias 8. Oktober 2021, 01:24

      Den haben Liberale und Linke erst seit dem Lübcke Mord widerentdeckt, denn – Überraschung – jetzt sehen sie sich im Fadenkreuz. Nackter Egoismus statt Grundsatztreue ist zugegeben eine Menschheitskonstante.

      Hiermit entschuldige ich mich hochoffiziell dafür, dass ich die RAF nicht verurteilt habe und jetzt erst aus nacktem Egoismus statt Grundsatztreue mich gegen politische Gewalt wende. Ich hoffe, die Tatsache, dass ich zur Zeit des letzten Mordes der RAF noch auf die Grundschule ging, wird mir nicht als billige Ausrede ausgelegt.

      • derwaechter 10. Oktober 2021, 12:11

        „dass ich zur Zeit des letzten Mordes der RAF noch auf die Grundschule ging,“

        Das ist ja wohl die billigste Ausrede die ich je gelesen habe!

  • cimourdain 7. Oktober 2021, 23:18

    Puh, viel zum Thema Staat – Gewalt -Konformität – Ablehnung, schwierige Sachen …

    1) Herr Pietsch hat so gut auf den Rechtsteil hingewiesen, dass ich dazu keine Ergänzungen habe. Interessant ist aber der zweite Teil, dass diese Ordnungswidrigkeit vom Täter öffentlich gemacht wurde. Damit rücken wir (unterstellte Motive beiseite) gedanklich stark in die Kategorie ziviler Ungehorsam, da dadurch der private Akt zum politischen wurde.

    3) Deine Auslassung im Fundstücktext nach „Wohl aber musste er wissen, wer Thomas Brauner ist.“ war wirklich gut. Ich hatte davor noch nie von dieser Person gehört und behaupte, so geht es den meisten hier. Und das einfache assoziative nebeneinandersetzen des Mordes in Idar-Oberstein, eines Querdenkers und der rechten Anschläge vergangener Jahre ist genau das , was auf der anderen Seite als „geschwurbeltes Raunen“ bezeichnet wurde. Oder liegt von diesem Brauner ein *’Mescalero-Pamphlet‘ vor, das mir ebenfalls bisher entgangen ist?

    5) Das Thema hatte ich ja auch schon angeschnitten. Hier mal ein paar psychologische Faktoren, die eine Rolle spielen:
    Zum ersten rufen im Schnitt Frauen stärkere Aggressionshemmung und Beschützerinstinkte hervor. Das ist ein messbarer und getesteter Effekt (z.B. bei Strafurteilen). Verstärkt wird das noch durch die Tatsache, dass Baerbocks Gesicht einem gewissen Kindchenschema genügt (runde Gesichtsform, Stupsnase, Wangengrübchen) .
    Als ‚Kompensation‘ reagieren manche darauf mit einem erhöhten verbalen Vernichtungswillen (die beschriebenen Anzüglichkeiten, ‚Nacktbilder‘). Bei Männern hat das in der Regel mehr Gewaltaspekte, aber manchmal auch eine sexualisierte Komponente („kastrieren sollte man den“)
    Diese Hassbotschaften stossen jedoch diejenigen, die nicht schon vorher erklärte Gegner sind, eher ab und rufen die oben erwähnten Beschützerinstinkte hervor. Diese gehen im Zweifel soweit, dass es zur im Artikel angesprochenen Kritikimmunisierung kommt.
    Und aus dem Grund meine ich, dass Annalena Baerbock von Sexismus mehr Profitiert hat als ihm zum Opfer gefallen zu sein.

    8) Andreas Malms Argumentation ist interessant, weil es eine Tatsache auf der anderen Seite sozusagen symmetrisch reflektiert: Auch ‚das System‘ hält sich unter der zivilisierten Oberfläche die Option der Gewaltausübung vor. was jeder, der mal bei der falschen Demo einen Polizeieinsatz erlebt hat, bestätigen kann.
    Der konkret vorhandene „Ökoterrorismus“ beschränkt sich (bisher) auf Akte der Sabotage und des Vandalismus, etwa Treespiking. Da dies aber Personenschäden billigend in Kauf nimmt, könnte es ein Einstieg auch in die Gewalt gegen Personen sein (ähnich wie die Frankfurter Kaufhausbrände der Anfang der Terrorgewalt der RAF waren)

    11) Da waren wir von den Erkenntnissen her in der Sozialpsychologie der 60er/70er schon weiter. Der „autoritäre Charakter“ war als ein Komplex aus Persönlichkeitsmerkmalen und Grundeinstellungen tief unter der „politischen“ Ebene identifiziert, mit der F-Skala gab es eine Messlatte dafür . und Experimente haben konnten nachweisen, wie stark das Verhalten und Einstellungen durch Konformität geprägt werden. Die autoritäre Persönlichkeit konnte in verschiedenen Ausprägung in allen möglichen Gruppen unabhängig von ideologischer Einstellung nachgewiesen werden. (pass hier bitte auf: ‚autoritärer Charakter‘ sagt nichts darüber aus, wieviel Sympathie ein fremder Autokrat hat, sondern, wie aanfällig jemand für autoritäre Systeme im eigenen Land ist. )
    Und bei der angesprochenen Studie fehlt genau dieser Grundgedanke. Es gibt keine heterogene Vergleichsgruppe oder als dritte Richtung ‚Zentristen‘ / ‚Normalos‘. Stattdessen weren ‚Linke‘ und ‚Rechte‘ verglichen und überraschenderweise gibt es Merkmale, wo sie stärker übereinstimmen und andere, wo sie auseinander liegen. Ob das relevant ist, kann ich nicht sagen, es fehlt ja der Vergleichsmaßstab.

    • sol1 8. Oktober 2021, 01:41

      /// Damit rücken wir (unterstellte Motive beiseite) gedanklich stark in die Kategorie ziviler Ungehorsam, da dadurch der private Akt zum politischen wurde. ///

      Zivilen Ungehorsam wird man hier wohl nicht geltend machen können.

      „In Anlehnung an die Fundierung des zivilen Ungehorsams im individuellen Gerechtigkeitsempfinden durch [Henry David] Thoreau beschreiben John Rawls wie auch Jürgen Habermas Akte zivilen Ungehorsams als kalkulierte Regelverletzungen symbolischen Charakters, die durch ihre Illegalität auf die Dringlichkeit des vertretenen Anliegens hinweisen sollen. (…) Nach Rawls wird er ‚[…] in Situationen ausgeübt, wo man mit Festnahme und Bestrafung rechnet und sie ohne Widerstand hinnimmt. Auf diese Weise zeigt der bürgerliche Ungehorsam, dass er legale Verfahrensweisen respektiert. Der bürgerliche Ungehorsam bringt den Ungehorsam gegenüber dem Gesetz innerhalb der Grenzen der Rechtstreue zum Ausdruck, und dieses Merkmal trägt dazu bei, dass in den Augen der Mehrheit der Eindruck geweckt wird, es handele sich wirklich um eine Sache der Überzeugung und Aufrichtigkeit, die tatsächlich an ihren Gerechtigkeitssinn gerichtet ist.'[22] Auch für Habermas muss der zivile Ungehorsam moralisch begründet und öffentlich sein, damit ausgeschlossen wird, dass Mitglieder der Gesellschaft ihn um eines persönlichen Vorteils willen ausüben. Dazu trage auch bei, dass der zivile Ungehorsam die Verletzung einer oder mehrerer Rechtsnormen beinhalte und diese Verletzung als illegal zu bestrafen sei. Erst nachdem die üblichen Verfahrensweisen in einem demokratischen Rechtsstaat[23] versagt hätten, könne der bürgerliche Ungehorsam eine letzte Zuflucht darstellen und sei damit keine normale politische Handlung.“

      https://de.wikipedia.org/wiki/Ziviler_Ungehorsam

      /// Deine Auslassung im Fundstücktext nach „Wohl aber musste er wissen, wer Thomas Brauner ist.“ war wirklich gut. Ich hatte davor noch nie von dieser Person gehört und behaupte, so geht es den meisten hier. ///

      Laschet hatte ein riesiges Wahlkampfteam, dessen Aufgabe es ist, solche Hintergrundinformationen beizubringen – die ja auch unmittelbar nach dem Auftritt in Erfurt durch die Presse gingen.

      Allerdings neige ich gemäß Hanlons Rasiermesser zu der Ansicht, daß hier schlichte Panik in der Endphase der mißglückten Kampagne dafür verantwortlich war. Bei der verzweifelten Suche nach einer Szene, in der Laschet schlagfertig gewesen ist, war man so froh, dieses Clip hier zu finden, daß der nötige Gegencheck unterblieben ist. Es paßt jedenfalls zur allerletzten Peinlichkeit mit dem falsch gefalteten Wahlzettel.

      • cimourdain 9. Oktober 2021, 09:06

        1) a) Ich weiss nicht, wie wikipedia das Verhalten „Einen Regelverstoss öffentlich bekennen, um die Regel zu kritisieren“ einordnet (‚coming-out‘ kommt nahe dran), aber dass es politisch sein kann, ist an diesem histrischen Beispiel mit echter Relevanz ersichtlich: In den 70ern gab es eine Stern-Titelstory, in der eine große Zahl von Frauen, darunter viele Prominente, bkannten „Wir haben abgetrieben“. Diese Aktion (organisiert von Alice Schwarzer) war ein wichtiger Schritt in der Diskussion um den §218. Auch damals war die Regelverletzung privat motiviert, aber das Bekenntnis öffentlich. Auch damals gab es kein realistisches Strafrisiko durch das Bekenntnis seitens des Staates, aber die Entladung einer nur zu empörungsbereiten Öffentlichkeit.
        b) Was mich interessiert, ist, warum es überhaupt zu seitenweise Diskussionen über die ganze Sache kommt. Die Coronaregeln sind derart wirklichkeitsfremd und unscharf, jeder übertritt sie. Aber wenn jemand das sagt, kommt es zu diesen ‚alles-oder -nichts“ Diskussionen, die wechselseitig von triefender Moral und gegenseitigen Unterstellungen geprägt sind. Also bin ich halt auch einmal ‚all-in‘ gegangen.

        • Stefan Sasse 9. Oktober 2021, 10:18

          b) Sind sie, ja. Aber die konkrete Regel in diesem Fall war weder wirklichkeitsfremd noch unscharf. „Trag eine Maske“ und „keine Menschenansammlungen im Inneren“ ist alles, aber nicht unklar. Es ist leicht einzuhalten. Und es wurde monatelang von der großen Mehrheit unter großen persönlichen Kosten eingehalten. Da ist es umso widerlicher, wenn ein Kubicki dann grinsend verkündet, dass es für ihn nicht gilt – weil das Einhalten durch die anderen ihm die Möglichkeit gibt, dagegen zu verstoßen.

          • cimourdain 10. Oktober 2021, 11:22

            Das ist es, was ich so bemerkenswert finde, dass nicht der angerichtete Schaden oder eine ‚Schwere’des Verstosses, sondern im Gegenteil de Kosen des eigenen Verzichtes zur Messlatte für die Grenzüberschreitung der anderen gemacht werden. Stell dir vor, ein Drogengegner würde damit argumentieren, wie hart es für ihn ist, den Alltag ohne Kiffen durchzustehen und deshalb der Konsum anderer umso härter sanktioniert werden soll.

            • Stefan Sasse 10. Oktober 2021, 14:14

              Das Beispiel ist halt völlig verdreht. Es geht um eine Pandemie. Wir schützen unsere Mitmenschen vor Ansteckung, indem wir Masken tragen. Das Tragen dieser Masken ist nicht eben vergnügungssteuerpflichtig. Wenn also die Mehrheit sich daran hält und ihre Mitmenschen schützt, und einige „freerider“ sind, ist das ein Problem.

        • sol1 9. Oktober 2021, 20:46

          „Auch damals war die Regelverletzung privat motiviert…“

          Das galt nicht für alle Teilnehmerinnen:

          /// Jahre, nachdem die Kampagne im Stern veröffentlicht wurde, räumten einige der beteiligten Frauen ein, dass sie persönlich in Wahrheit gar keinen Schwangerschaftsabbruch durchgeführt hatten – darunter auch Alice Schwarzer selbst: „Aber das spielte keine Rolle. Wir hätten es getan, wenn wir ungewollt schwanger gewesen wären.“[6][7] ///

          https://de.wikipedia.org/wiki/Wir_haben_abgetrieben!

      • Dennis 11. Oktober 2021, 09:02

        Zitat sol1 :
        „Zivilen Ungehorsam wird man hier wohl nicht geltend machen können.“

        Meiner Ansucht nach: Doch, ausrufezeichen.

        Genau das Beschriebene ist es, worauf Kubicki hinaus wollte und was ja auch Herr Peitsch beschreibt. Bewusster Regelverstoß, in diesem Fall bei einer Kleinigkeit, die man/frau eigentlich gleich vergessen könnte, entscheidend ist aber das Prahlen, das Symbolwirkung erzeugen soll.

        Ich hab überhaupt nichts dagegen, ausrufezeichen.

        Erklärungsbedürftig ist dies: Mal ist dergleichen richtig und mal ist das falsch, in Abhängigkeit vom issue. Rechtstreue nach der Rosinenpickmethode. Ferner ist die Verbindung zum ausgeübten Beruf (Rechtsanwalt) sowie dem Staatsamt (Vizepräsident des Bundestages) nicht ohne Bedeutung. Eine Verbindung dieser Art gab es bei der Stern-Geschichte anno 1971 nicht.

        Herr K. sollte sich also mal überlegen, wer oder was er sein will. Man kann nicht alles haben.

        • Stefan Pietsch 11. Oktober 2021, 09:40

          Mir fehlt bei der Kritik jede Unterscheidung zwischen Ordnungswidrigkeit und Straftat. Kubicki prahlte übrigens nicht, sondern erzählte nüchtern.

          Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) hat sich offen dazu bekannt, Corona-Regeln während des Lockdowns missachtet zu haben. In seinem Wohnort Strande in Schleswig-Holstein seien – „wie in jedem Ort, den ich kenne“ – Kneipen trotz Verbots geöffnet gewesen. Und „selbstverständlich“ sei auch er in diesen Kneipen gewesen, räumte er in einem am Mittwoch veröffentlichten Video-Interview mit der „Bild“-Zeitung ein. Die Leute hätten sich an ihren Stammtischen getroffen, „weil sie gesagt haben: Hier ist nichts“, erklärte Kubicki.
          https://www.rtl.de/cms/kubicki-gibt-in-bild-interview-zu-war-waehrend-des-lockdowns-in-der-kneipe-4835455.html

          Würden Sie sich aufregen, wenn Claudia Roth zugeben würde nachts nackt an einem Strand gebadet zu haben, wo das wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verboten ist? Kaum. Wenn Sie das bestreiten, suche ich Beispiele raus, wo linke Politiker mit Gesetzesübertretungen „geprahlt“ haben, bei Einsatz einer Flasche Rotwein. Das ist hier so üblich. :–)

          • Dennis 11. Oktober 2021, 13:54

            Zitat Stefan Pietsch:
            „Mir fehlt bei der Kritik jede Unterscheidung zwischen Ordnungswidrigkeit und Straftat“

            Kleiner Hinweis nebenbei: „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ (Fallbeschreibung Roth^) IST eine Straftat, der von Ihnen beschriebene Sachverhalt trifft das aber gar nicht, denn das wäre tatsächlich eine Ordnungswidrigkeit. § 118 Ordnungswidrigkeitengesetz.

            Und klar, eine Vizepräsidentin des Bundestages sollte in diesem Fall den Mund halten. Falls nackig rumlaufen eine politische Agenda wäre (könnte ja sein^), fiele der beschriebene Regelverstoß womöglich unter „zivilen Ungehorsam“, oben steht ja schon, dass ich das nicht grundsätzlich ablehne. Gilt IMHO nicht aber bei jemanden, der/die Roth’sche Funktion im Staat hat und/oder Rechtsanwalt ist. Man/frau kann nicht „zivil ungehorsam“ gegen eine Rechtsordnung sein, die zu vertreten man/frau sich freiwillig entschieden hat. Könnte natürlich sein, dass Kubicki sich beim fröhlichen Rumerzählen naiv nichts überlegt hat. Das spräche nicht grade für ihn^ und das glaub ich auch nicht.

            Ich trink im Übrigen lieber Weißwein. Da mich das ideologische Sortieren in dieser Sache gar nicht interessiert, fällt das aber leider weg 🙁

            Sie können übrigens nicht – jedenfalls nicht kohärent – einerseits auf die angeblich große Bedeutung des Lockdowns wegen „Grundrechtewidrigkeit“ abstellen und gleichzeitig auf die geringe Bedeutung der Zuwiderhandlung (Ordnungswidrigkeit). Letzteres unter Kleinigkeit abzubuchen ist ja grade NICHT die Absicht demonstrativer Zuwiderhandler. Wenn das mit der Kleinigkeit zutrifft, behält man/frau das für sich und macht keinen Bohei.

        • Stefan Sasse 11. Oktober 2021, 11:07

          Genau mein Punkt. Warum ist Hambi böse, aber Kubicki gut?

          • Stefan Pietsch 11. Oktober 2021, 11:44

            Hambi kriminell, Kubicki Ordnungswidrigkeit. Ist das heute selbst für Lehrer zu schwer zu unterscheiden?

            • Stefan Sasse 11. Oktober 2021, 12:09

              Was ich bei dir echt schätze sind die unterschwelligen pauschalen Beleidigungen, die du in deine Kommentare packst.

              • Stefan Pietsch 11. Oktober 2021, 12:27

                Deine Verständnisfrage wurde gefühlt 20mal beantwortet. Es ist doch eigentlich so, dass man in einer guten Debatte die Argumente und Begründungen des Gegenübers aufnimmt, sie entweder akzeptiert oder anderweitig widerlegt.

                Du fängst mit Deiner Frage immer wieder bei Null an.

    • Stefan Sasse 8. Oktober 2021, 07:53

      1) Das ist der Punkt. Das Politische.

      5) Unfug.

      8) Ja, sehr gut möglich. Deswegen mein Verweis auf die RAF.

      11) Interessant, danke.

    • Stefan Pietsch 8. Oktober 2021, 08:52

      1) Falsch parken, die Steuererklärung verspätet abgeben, ist ziviler Ungehorsam? So billig ist das heute? Dann werde ich am Wochenende mal wieder zivil ungehorsam sein.

      5) Anfang Juni, die Grünen hatten die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt mit einem, vorsichtig ausgedrückt, unsensiblen Interview von Baerbock in den Tagen zuvor verloren, eröffnete Katrin Göring-Eckardt die „Analyse“ in der Runde der Generalsekretäre, in dem sie den Sexismus gegen die Kanzlerkandidatin anprangerte. In Göring-Eckhardts verschwubbelten Worten blieb unklar, ob sie damit den politischen Gegner meinte. Nicht unklar blieb sofort, dass sie die Vorwürfe wegen Betrügereien im Lebenslauf als Sexismus qualifizierte.

      In einem späteren Burda-Interview, inzwischen waren die Plagiatsvorwürfe in der heißen Phase, äußerte Baerbock sich kurz und knapp: sie habe Fehler gemacht, aber sie sei Opfer einer Kampagne, weil sie, noch dazu als Frau, für Veränderungen stehe.

      Baerbock und die Grünen nutzten sehr gezielt das Sexismusargument, um sich politisch zu verteidigen. Die Vorsitzende unterstrich das ja noch einmal selbst in einem Interview mit der New York Times, als sie sich mit Hillary Clinton verglich. Stefan hebt ja selbst auf den Vergleich ab, den man außerhalb der grünen Blase allerdings als absurd abtut.

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