Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.
Fundstücke
1) Big spending on personal security ignites post-Jan. 6 debate over members‘ budgets
Sixteen days after her vote to impeach then-President Donald Trump, Rep. Liz Cheney’s campaign office logged a $22,000 expense for personal security. Two days before his vote to convict Trump, Sen. Mitt Romney’s campaign team recorded $43,000 spent for his safety. Those massive sums from two of the most high-profile Republicans in Washington is a fraction of the security spending that GOP lawmakers incurred after publicly blaming Trump for inciting January’s insurrection at the Capitol. More than one third of the 17 GOP lawmakers who voted to impeach or convict the former president used campaign funds to install security systems or hire private details within weeks of their votes — for an eye-popping total of nearly $200,000 over the first three months of this year, according to an analysis of filings with the Federal Election Commission this week. […] “We’ve got to be able to do our job, and not feel intimidated or harassed,” she said. “A lot of members who didn’t think about it before Jan. 6 are thinking about it.” […] Those threats weren’t confined to the Capitol, however: Senior and junior lawmakers alike were being chased down at airports or harassed outside their homes or district offices. Threats to harm members or their families were being dialed into many offices on a near-daily basis, with backlogs at Capitol Police headquarters to investigate. (Sarah Ferris/Daniel Payne, Politico)
Ich finde das aus zwei Gründen bemerkenswert. Grund Nummer 1 ist, dass es die amerikanische Politik noch mehr zu einer Oberschichtenveranstaltung macht als sie es ohnehin schon ist, denn nicht nur müssen die Abgeordneten super-teure Wahlkämpfe finanzieren und sich ebenso teure Rechtsbeistände halten, weil die USA alles in Gerichten austragen, sondern nun auch noch persönliche Sicherheitsservices. Das schreckt Durchschnittsmenschen noch mehr ab als ohnehin, sich in der Politik zu versuchen, und leistet der Distanz zwischen Elite und Volk Vorschub.
Der zweite Punkt ist, dass es republikanische Politiker*innen sind, die besonders gefährdet sind – weil ihre eigene Basis sie bedroht! Das ist die logische Konsequenz aus dem „alle Waffen für alle“-Fanatismus und der Vorstellung, dass der Höhepunkt von Freiheit das Herumtragen von Sturmgewehren sei, während andererseits Gewaltdrohungen, Putschversuche und Ähnliches als legitimie politische Meinungsäußerung deklariert werden. Die Geister die ich rief, ich werd sie nicht mehr los.
2) The Boomtown That Shouldn’t Exist
Raso Tate’s true-believing dad soon became a top salesman for Cape Coral’s developer, Gulf American, peddling paradise on layaway, promoting one of the most notorious land scams in Florida’s scammy history. Gulf American unloaded tens of thousands of low-lying Cape Coral lots on dreamseekers all over the world before the authorities cracked down on its frauds and deceptions. It passed off inaccessible mush as prime real estate, sold the same swampy lots to multiple buyers, and used listening devices to spy on its customers. Its hucksters spun a soggy floodplain between the Caloosahatchee River and the Gulf of Mexico as America’s middle-class boomtown of the future, and suckers bought it. The thing is, the hucksters were right, and so were the suckers. Cape Coral is now the largest city in America’s fastest-growing metropolitan area. Its population has soared from fewer than 200 when the Rasos arrived to 180,000 today. Its low-lying swamps have been drained, thanks to an astonishing 400 miles of canals—the most of any city on earth—that serve not only as the city’s stormwater management system but also its defining real estate amenity. Those ditches were an ecological disaster, ravaging wetlands, estuaries and aquifers. Cape Coral was a planning disaster, too, designed without water or sewer pipes, shops or offices, or almost anything but pre-platted residential lots. But people flocked here anyway. […] As the state cleans up after Hurricane Irma, which almost precisely followed Donna’s path through the Keys to Florida’s southwest coast, some Americans are asking what the hell 20 million people are doing in a flood-prone, storm-battered peninsula that was once the nation’s last unpopulated frontier. Federal taxpayers will spend billions of dollars on Irma relief, even though Irma did not turn out to be the ‘big one.’ A slightly different track could have drowned cities like Miami or Tampa, boosting that price tag to hundreds of billions. (Michael Grunwald, Politico)
Auch hier gibt es mehrere auffällige Dimensionen. Einmal ist es die schon fast kulturelle Tradition des land-scam in den USA, die das Land seit seiner Gründung begleitet. Alles an dieser Geschichte ist so typisch amerikanisch, dass es schon fast an Klischee grenzt. Auf der anderen Seite ist es der blanke Wahnsinn, in einer so ungeeigneten Zone solches Land zu entwickeln. Das wird die USA im Speziellen, aber die Welt im Allgemeinen, in den kommenden Jahrzehnten angesichts der Klimakrise noch immer wieder dazu bringen, sich an den Kopf zu fassen und die Frage zu stellen: „Wie konntet ihr nur so leben?“
3) Kanzler Merz wäre diesem Winter nicht gewachsen
Warum greift der CDU-Chef, der sich kürzlich erst über Kinderbücher mokierte, nun schon wieder die Schwächsten an: Flüchtlinge aus der Ukraine? Was steckt dahinter? Manche mutmaßten thematische Testflüge eines heimlichen Neofaschisten: Immerhin ist es erprobte Technik von Rechtspopulisten, die Grenzen des Sagbaren immer weiter zu verschieben, indem man Tabus bricht und sich danach entschuldigt. Damit würde man die CDU zugleich dümmer und klüger machen als sie ist. Ganz rechts ist nämlich eh nichts zu holen. Die CDU müsste von Markus Söders Experimenten gelernt haben, dass man den Rand rechtsaußen nicht übertrumpfen kann. Derartig koordiniertes Kommunikationsverhalten überschätzt zudem maßlos eine Partei, die vor lauter Kulturkampf-Anti-Gender-Layla-Getöse grad nicht mehr weiß, was ihr Markenkern ist. So betonte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident und Laschet-Nachfolger Hendrik Wüst kürzlich, das Konservative sei „nie“ Markenkern der CDU gewesen – und der Abgeordnete Christoph de Vries sagt das exakte Gegenteil: Die CDU sei von Anfang an konservative Partei gewesen und „das gehört bis heute zum Markenkern“. […] Nein, Strategie steht nicht dahinter – sondern eher dieselben zwei Faktoren, die der Union schon im Wahlkampf im Weg standen: kommunikative Rückständigkeit an der Spitze und jede Menge Testosteron. […] Die Ressentiments an der CDU-Spitze stammen aus anderer Zeit: Merz muss seine Vorurteile offenbar stets im Zaum halten wie kleine reaktionäre Frettchen, die ihm im Anzug herumzischen und bei wirklich unpassendster Gelegenheit aus dem Hemdkragen lugen. […] Eine professionelle Alternative ist diese Merz-Union daher nicht. Sie sollte Kanzlerambitionen für die nächsten Jahre streichen und sich der eigenen, auch personellen Entwicklung widmen. Es reicht erst einmal völlig, wenn sie nicht zu sehr im Weg steht. Merz, ein propagandaanfälliger Gestern-Kandidat, wäre diesem Winter eh nicht gewachsen. (Hendrik Wieduwillt, NTV)
Wir haben das Thema „Merz und die CDU“ ja auch im Podcast angesprochen. Ich würde diese Ausrutscher weiterhin nicht überbewerten wollen. Die CDU muss sich erst finden, und die Kommunikation ist nicht leicht: einerseits eine Brandmauer gegen Rechts, andererseits aber so viele Rechtswählende wie möglich demokratisch einbinden. Ohne die Kraft der Milieubindung, auf die sich die Union Jahrzehnte verlassen konnte, ist das bedeutend schwieriger als vorher.
Wo ich wenig Ambivalenz sehe ist in der Frage, wie gut ein Kanzler Merz (oder gar ein Kanzler Laschet) auf die aktuelle Krise reagieren würde. Ich kann nicht sehen, dass eine Jamaika-Koalition (oder eine Große Koalition) die Lage irgendwie besser lösen würde als die Ampel. Nicht, dass die Ampel die Latte sonderlich hoch legen würde, aber die strukturellen Dynamiken der deutschen Politik gelten auch für die CDU, und die Partei ist gerade sehr mit sich selbst beschäftigt – ein Prozess, den die SPD nach „nur“ anderthalb Jahrzehnten mittlerweile hinter sich hat.
4) Liz Truss and the rise of the libertarian right
Even during her student years in Oxford, recalls Marc Stears, Truss prided herself on defying intellectual convention. “Her primary characteristic was a love of controversy, quirkiness and idiosyncrasy… Her thinking was always intriguing and contrarian, if not always fully worked through.” A brief flirtation with the Lib Dems is not entirely inconsistent with right-wing libertarianism (the party’s Orange Book tendency has links with this world too, and as a student Truss was also a member of the Hayek Society). “She definitely sat outside the prevailing social democratic orthodoxy even then,” Stears says. […] Some on the left will read this article, note the apocalyptic market numbers and economic forecasts, and wonder whether it gives Truss too much credit to ponder the ideas, thinkers and institutions influencing her policies. But it is precisely the radicalism – in a reckless, negative sense of the term – that makes understanding this world-view so important. […] It would be foolish blithely to assume that Truss and her government will self-combust. […] The challenge now for Liz Truss’s opponents, both inside the Conservative family and on the left, is to engage with these tensions and use them to expose the contradictions of the great unruly experiment being rolled out from Downing Street. Because to do so is to contest what is really driving it; to have a chance of changing the public debate and building a solid foundation for a different and better national project. Bad ideas make a much more obvious and persuasive target than bad intentions. (Jeremy Cliffe, The New Statesman)
Das hier ist ein sehr langer, ausführlicher Artikel, der die intellektuellen Hintergründe und Netzwerke analysiert. Ich möchte vor allem den Satz Cliffes betonen, dass die Linke nicht erwarten sollte, dass die Tories in sich zusammenbrechen. Alexander Clarkson sieht potenziell schon das Ende der Partei nahen; soweit würde ich sicher nicht gehen. Ein starker Faktor ist hier das britische Wahlsystem: wie in den USA auch ist der Kollaps einer Partei schwer, wenn es effektiv nur zwei Alternativen gibt. Wer sollte denn die Wählenden eines potenziellen Tory-Kollapses auffangen? Die Lib-Dems? Kaum vorstellbar. Die UKIP? Haha. Alles andere sind Regionalparteien (ein ganz eigenes Problem der britischen Politik, by-the-by), aber letztlich gibt es keine echte Alternative für Leute, die sich Labour nicht vorstellen können. Das ist und bleibt der Vorteil eines Verhältniswahlrechts wie dem Deutschen; eine solche Radikalisierung ließe Wählenden Auswahlmöglichkeiten.
Ich bin ansonsten nicht tief genug drin in britischer Politik, um da substanziell etwas beitragen zu können (und möglicherweise ist schon obige Analyse furchtbar daneben, ihr werdet es mich wissen lassen). Aber die aktuellen Umfragezahlen sind schon in einer ganz eigenen Kategorie, dagegen sag Jeremy Corbyn aus wie ein elektorales Zugpferd. Ob die Tories ihren eigenen Corbyn gewählt haben? Durchaus möglich. Man sollte nie die Dummheit einer Parteibasis unterschätzen, ob links oder rechts des Spektrums.
5) Das Märchen von den Rettern und vom «Pull-Faktor»
Kein anderer Vorwurf wird gegenüber privaten Seenotrettern auf der zentralen Mittelmeerroute häufiger erhoben als jener, sie seien ein «Pull-Faktor». Dass NGO-Schiffe wie die Sea-Watch oder die Open Arms vor der libyschen Küste Migranten aus Gummibooten retten und nach Italien bringen, so die Anschuldigung, verleite Flüchtlinge erst recht zum Aufbruch und trage deshalb dazu bei, die Zahl der Überfahrten zu steigern – und dadurch auch die Zahl der Ertrunkenen. […] Laut der italienischen Zeitung «Repubblica» gab es bisher keine so umfassende und systematische Auswertung. Besonders genau untersuchten die Forscher den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 27. Oktober 2019. Sie überprüften Tag für Tag, ob private Rettungsschiffe vor den libyschen Küsten unterwegs waren und wie viele Flüchtlingsboote jeweils die Überfahrt versuchten. Auch hier wieder: Keine Korrelation zwischen NGO-Schiffen und angestrebten Überfahrten. Kein Pull-Faktor. Stark sei hingegen die Korrelation mit dem Wetter. […] Das dürfte sich als Illusion erweisen, passt doch die Pull-Faktor-These in eine der beliebtesten rechten Denkschablonen: jene vom «Gutmenschentum». Gutmenschen sind demnach Moralisten, die in ihrer Naivität das Gute wollen, nämlich, im Falle der Seenotretter, Menschen vor dem Ertrinken zu bewahren. Die aber das Schlechte bewirken, weil ihretwegen die Zahl der Toten steige. Das Argument lässt sich scheinbar auf das Wertesystem der Kritisierten ein, um sie genau dadurch an ihrer empfindlichsten Stelle zu treffen. Es verkehrt das angeblich Gute in sein Gegenteil, und je intensiver die Gutmenschen nach dieser Logik ihre Ziele verfolgen, desto verheerender das Resultat. Um die Anschuldigung zu verschärfen, braucht man bloss den Anteil des angeblich «Gutgemeinten» zu verringern und jenen der kriminellen Energie zu erhöhen. Diese verleite Seenotretter im Namen einer höheren Moral dazu, das Gesetz zu brechen, indem sie etwa widerrechtlich in einen Hafen einlaufen. Oder – eine weitere Verschärfung des Vorwurfs – indem sie direkt mit den Schlepperbanden zusammenarbeiten, womöglich sogar aus finanziellen Interessen. (Sandro Benini, Tagesanzeiger)
Mich überrascht wenig, dass das ersaufen Lassen von Geflüchteten keinen großen Einfluss auf deren Motivation hat. Erstens ist selbst die Idee, dass jedes Frontext-Boot ab sofort anstatt Menschen zu ermorden sie rettet kaum geeignet, um die Chancen einer Überfahrt signifkant zu verbessern; dazu reicht ein Blick auf die Zahlen. Und wer sich ansieht, wie gefährlich die Flucht ist, BEVOR die Leute das Mittelmeer erreichen, der weiß, dass die Überfahrt da nicht mehr schrecken wird.
Stattdessen haben wir es wie bei den Hartz-Sanktionen mit der Lust zu strafen zu tun (ja, Erwin, ich weiß, aber der Titel ist jetzt so), also einer mehr nach innen denn außen gerichteten Maßnahme. Das sterben Lassen beziehungsweise Ermorden von Geflüchteten ist eine der wenigen Möglichkeiten, mit denen die Politik Handlungsfähigkeit demonstrieren kann. Das ist wie eine Razzia in den Shisha-Bars von Berlin: nicht, dass es an der Clan-Kriminalität etwas ändern würde, aber man demonstriert, dass man ETWAS tut. Nur sollte man sich doch bitte zumindest intern nicht darüber belügen, was man da macht und wie effektiv es ist.
6) Shortcomings of German remembrance culture fail in the face of Russia’s war
But today the wrong lessons are being drawn from these experiences. The ghost of Stalingrad haunts German conscience to this day and means that many consider it impossible for Ukraine to win a war against Russia – after all, one´s own ancestors did not manage it. The fight of the Ukrainians is in an absurd twist declared a ´senseless´ fight because according to the own experience, any fighting is wrong and senseless. A German society that hides behind the claim that they too had to be liberated from the Nazis, seemingly has a problem with the reality of a people in a democratic state fighting their just struggle for liberation from an oppressive, authoritarian occupant – and thus achieving what their own ancestors failed to do. […] The explicit promise of „never again“ has become „never again war,“ and in doing so one blatantly ignores the factuality of the brutality of Russia’s genocidal war of aggression against its innocent neighbor. The fact that never again must a war go out from German soil, does not mean that the people of Ukraine should be left defenseless to their fate. If one took seriously the responsibility that follows from the horrors of Babi Yar; if one really cared about the lives of the Holocaust survivors still living in Ukraine today, one would support Ukraine in its armed struggle against the aggressor. A rethinking is needed in the German culture of remembrance and actual actions to protect lives in Ukraine must follow from this. „Death is a master from Germany,“ as Paul Celan wrote, is not an attestation of expertise to guide us to disregard the demands of our partners in Central and Eastern Europe. It is a reminder that we have a collective responsibility that we in Germany must live up to. (Jonas Heins,
Ich weiß nicht, ob mir das zu viel Küchentischpsychologie ist, aber es ist zumindest ein Erklärungsansatz für die Merkwürdigkeiten des deutschen Ukrainekriegdiskurses. Ich finde es generell spannend, wie sehr die deutsche Vergangenheitsbewältigung in den letzten Jahren in die Kritik gerät. In meinen Augen wird dabei über das Ziel hinausgeschossen. Es gibt genug Kritikpunkte und Verbesserungsmöglichkeiten, aber ich lese immer öfter, dass sie schlechter sei als in anderen Ländern, und sorry: das ist einfach etwas, das wir im internationalen Vergleich (wenngleich nach langen Mühen und viel Problemen) sehr viel besser gemacht haben als alle anderen. Das darf man auch mal anerkennen.
7) The Supreme Court Isn’t Listening, and It’s No Secret Why
And yet as the justices prepare to open a new term on Monday, fewer Americans have confidence in the court than ever before recorded. In a Gallup poll taken in June, before the court overturned Roe v. Wade with Dobbs v. Jackson Women’s Health Organization, only 25 percent of respondents said they had a high degree of confidence in the institution. That number is down from 50 percent in 2001 — just months after the court’s hugely controversial 5-to-4 ruling in Bush v. Gore, in which a majority consisting only of Republican appointees effectively decided the result of the 2000 election in favor of the Republicans. This widespread lack of confidence and trust in the nation’s highest court is a crisis, and rebuilding it is more important than the outcome of any single ruling. […] The court’s biggest decisions have always angered one group of people or another. Conservatives were upset, for instance, by the rulings in Brown v. Board of Education, which barred racial segregation in schools, and Obergefell v. Hodges, which established a constitutional right to same-sex marriage. Meanwhile, liberals were infuriated by Bush v. Gore and Citizens United v. Federal Election Commission, which opened the floodgates to dark money in politics. But overall public confidence in the court remained high until recently. […] For most of the court’s history, it was difficult to predict how a case would turn out based on the party of the president who nominated the justices. Even into the 21st century, as the country grew more polarized, the court’s rulings remained largely in line with the views of the average American voter. That is no longer the case. The court’s rulings are now in line with the views of the average Republican voter. (The Editorial Board, Washington Post)
Die Analyse im Artikel ist völlig korrekt, aber sie übersieht die wichtige Kehrseite der Medaille: die Konsolidierung der Democrats. Durch die ganzen 2010er Jahre ließ sich der Trend feststellen, dass das Vertrauen in die Institutionen bei den Republican-leaners deutlich absank und signifikant unter dem der Democrat-leaners lag. Der Beginn dieses Radikalisierungsprozesses lässt sich ziemlich klar mit der Wahl Obamas 2008 verorten. Seit 2017 vollziehen die Democrats diesen Trend nach – kaum überraschend, sind sie seither nicht mehr an der Macht. Unter Obama ließ sich noch gut an die Integrität des Weißen Hauses glauben, aber die Clinton-Kandidatur einerseits und natürlich der Machtverlust an Trump andererseits haben das zerstört.
Dieses Nachvollziehen von Trends ist nichts Ungewöhnliches. I will die on the hill dass die Probleme der CDU gerade spiegelbildlich zu denen der SPD sind, nur zeitverzögert, und genauso enden werden. Die USA haben zehn Jahre eine weitgehend einseitige Polarisierung erlebt; seit 2017 gleicht das rapide an. Das ist alles, aber keine begrüßenswerte Entwicklung.
Innen und außen verschwimmen ineinander. Wer Viktor Orbán in den letzten zwölf Jahren bei der Arbeit zugesehen hat, der weiß, dass man die freiheitlich-demokratische Verfassungsordnung nicht stürzen, nicht von außen überrennen muss, um sie zu zerstören. Viel effizienter ist es, ihre inneren Schwachstellen aufzuspüren und auszunützen, bis sie sich gegen sich selber wendet und zu einem bloßen Werkzeug des Machterhalts der Regierung wird. Als Orbán damit anfing, waren die Extremisten bei Jobbik oder noch weiter draußen. Orbáns Fidesz-Partei repräsentierte die bürgerlich-konservative Mitte. In Deutschland ist die NPD längst sogar zum Verbotenwerden zu unbedeutend. Ihre Stelle hat die AfD eingenommen, die sich mit vor Eifer schwitzigen Händen als die glühendsten Grundgesetz-Fans inszeniert, die die Republik je gesehen hat (ich will da nicht hin verlinken, aber wenn Sie’s nicht glauben und über eine hinreichend robuste Verdauung verfügen, googeln Sie mal „Stephan Brandner Gemeinsam für das Grundgesetz“). […] Die extreme Rechte in Europa hat unterdessen kapiert, welche enorme Chance sich ihr hier gerade bietet: Sie muss nur aufhören, extrem zu sein, und schon eröffnen sich ihr reale Machtchancen. Das fällt ihr nicht besonders schwer, zumal die historischen Grenzmarker zwischen ihnen und den Konservativen mit wachsender zeitlicher Distanz zu den großen nationalen Verbrechen der Vergangenheit für die Positionierung zu aktuellen politischen Fragen an Relevanz verlieren und man jeden gut begründeten Antisemitismusverdacht ja auf das Bequemste zerstreut bekommt, indem man tüchtig Yad Vashem besucht und Israel mitsamt der Besatzung einschränkungslos super findet. Dafür bekommt sie Zugang zu realer Macht, und sie wäre nicht die extreme Rechte, wenn sie nicht alle sich bietenden Möglichkeiten nutzen würde, dieselbe auf strikt verfassungskonforme Weise zu nutzen, sie möglichst nie wieder hergeben zu müssen. (Maximilian Steinbeis, Verfassungsblog)
Steinbeis bläst hier in dasselbe Horn, in das ich seit vielen Jahren stoße: die Radikalen können nur dann an die Macht kommen, wenn sie sich auf Bajonette stützen oder Hilfe aus dem Establishment haben. Ob die ganzen kommunistischen Diktaturen von Che über Pol Pot zu Gomulka, ohne die Bajonette wären sie erledigt. Mir wäre spontan keine linksradikale Bewegung bekannt, die durch das Establishment ins Amt gehievt wurde, aber das verwundert nicht: wer das System zerstören will, kriegt selten Hilfe vom System.
Die radikale Rechte umgekehrt hat dann Erfolg, wenn sie entweder Hilfe von den Konservativen bekommt (man denke an von Papen) oder wenn sie sich selbst als Wolf im Schafspelz zu tarnen weiß. Ich habe das 2018 unter der Überschrift „die loyale Opposition“ am Positivbeispiel der französischen Konservativen deutlich gemacht, die trotz Wahlniederlage loyal zur Demokratie blieben und Le Pen nicht unterstützten. Ihr Erfolg dieses Jahr ist eher auf eine Kreidefresserei zurückzuführen.
Das Problem ist, dass die Demokratien dagegen bislang keine Abwehrstrategie entwickelt haben. Weil die getarnten Rechtsextremen langsam vorgehen und den Rechtsstaat Stück für Stück zerstören, statt in Springerstiefeln aufzutreten, ist jede einzelne Kritik eigentlich immer hysterisch und übertrieben, weil es nie die eine große Maßnahme à la Ermächtigungsgesetz gibt. Zudem sind viele dieser Maßnahmen ja unbestreitbar populär. Die Überlebensfähigkeit der Demokratien wird davon abhängen, eine Lösung für dieses Problem zu finden.
9) The United States of Confederate America
Several years ago, I was driving on a rural road when I came up behind a pickup truck with a Confederate-flag sticker on the back window. This isn’t such an unusual sight in some parts of the United States, but this instance surprised me: The truck had Pennsylvania plates, and the road was in Gettysburg, where an invading force of tens of thousands of Confederates, formed to defend Black slavery, arrived in summer 1863 on a pillaging expedition. […] Where things get interesting is when the survey measures support for reforms, whether destruction of these markers or removal to a museum: Across race, party, and education levels, numbers diverge, but views about reform are nearly identical in the South and in the rest of the country. Nearly identical portions of southerners and Americans elsewhere (22 percent versus 25 percent) back reform, and nearly identical portions oppose it (17 percent versus 20 percent). The remainder are split between leaning one way or another, again closely mirrored. In other words, non-southerners feel the same way about Confederate monuments that southerners do. […] One product of this southernification is that you can now find rebel flags hanging in states like Michigan (which lost 13,000 sons in service of the Union cause), Ohio (31,000), Wisconsin (11,000), and Pennsylvania (27,000). […] As the political scientist Ashley Jardina has noted, the election of Barack Obama, the first Black president, helped birth a wave of what she calls “white identity politics.” Trump, in turn, harnessed that wave to sweep himself into office. […] This nationalization doesn’t apply just to rural Americans; urban Americans are also more similar to their urban peers halfway across the country than to those who live only a few miles out of town. I’ve written before on the tensions between conservative state governments and progressive local populations in cities across the South. Where regional gradations once existed within the parties, white voters in southern urban centers are more likely to hold political views that parallel those of white urban voters elsewhere in the country. (David A. Graham, The Atlantic)
Grahams Artikel ist wesentlich länger als der obige Ausschnitt und bietet sich zur ganzen Lektüre an. Ich finde besonders relevant, was er zum Thema „Nationalisierung“ schreibt: die US-Politik ist mittlerweile fast komplett auf die nationale Politikebene eingenordet (ein Prozess, den wir in allen Demokratien beobachten können; man denke nur an den relativen Bedeutungsverlust der Landtagswahlen). Dasselbe gilt daher für kulturelle Marker. Die Stars and Bars sind von ihrer historischen Bedeutung praktisch völlig losgelöst; wie russische oder reichsdeutsche Flaggen bei Querdenker-Demos kennzeichnen sie vor allem ein großes „Dagegen“ und eine Zugehörigkeit zu der „white identity politics„, die Graham anspricht. Daher besteht auch kein Widerspruch darin, als „Yankee“ eine Dixie-Flagge zu schwenken. Sie hat ihren eigentlichen Kontext völlig verloren.
10) „Dieser Modus, den ich immer habe: Attacke“ (Interview mit Carlo Masala)
Viele Soldat*innen, die aus Afghanistan heimkehrten, beklagten, dass die Mission, die sie erfüllen sollten, Menschenrechte durchzusetzen beispielsweise, durch den Rückzug aus dem Hindukusch verraten wurde. Die das sagten, sind politisch superempfindsame Männer und Frauen.
Die Bundeswehr hat einen langen Weg hinter sich. Noch vor wenigen Jahren hat man sich um die Soldat*innen, die mit einer posttraumatischen Belastungsstörung versehrt zurückkamen, kaum gekümmert. Man dachte, so wie einst, ach, diese Erschütterungen, die geben sich. Nein, wir haben gelernt, dass die nicht einfach weggehen. Über 20 Jahre wurden 60.000 Soldat*innen nach Afghanistan geschickt – aber wir haben keine Erinnerungskultur für sie und ihren Einsatz geschaffen. Wir haben über diesen Einsatz geschwiegen. […]
In den Niederlanden, in Israel werben die Armeen auf CSD-Paraden für sich – mit dem Selbstbewusstsein, Angehörige von Armeen der Diversität zu sein.
Ja, das ist erschütternd, dass das bei uns nach wie vor kein offensiver Punkt ist. Bundeswehr mit mächtigem Auftritt auf CSDs oder auf queeren Straßenfeste? Ist nicht der Fall. Das ist sehr schade, und es schadet der Bundeswehr, denn sie bringt sich um Chancen und um Personal, das sie dort werben könnte. […]
Woher holt die Bundeswehr auf leerer werdenden Arbeitsmärkten ihr Personal?
Ich bin dafür, dass diejenigen, die hier geboren wurden, aber keine deutsche Staatsbürgerschaft haben, rekrutiert werden können. So eine Art Modell wie in den USA. Verpflichte dich für x Jahre, und du gehst raus mit deutschem Pass. Das ist der richtige Weg. Wir würden die Bundeswehr zu einer wesentlich größeren Integrationsmaschine machen, als sie ist. (Jan Feddersen, taz)
Das Interview mit Masala berührt viele verschiedene Themen, unter anderem auch den Ukrainekrieg, und ist in seiner Gänze lesenswert. Ich habe hier nur drei Themen herausgegriffen, die ich kurz kommentieren will. Da wäre zum Einen die Wertschätzung der Soldat*innen. Ich habe bereits 2009, als ich noch auf der Hardcore-Links-Pazifismus-Schiene war, gesagt, dass wenn wir eine Bundeswehr haben und diese Bundeswehr in Auslandseinsätze schicken, wir uns auch um die Soldat*innen kümmern müssen. Denn bereits damals war in der Diskussion, wie alleingelassen die Leute nach ihrer Rückkehr sind, wie wenig zur Behandlung und Anerkennung von PTSD getan wird, etc. Deutschland nutzt seine Soldat*innen und kotzt sie danach regelrecht aus dem System raus, das kann man kaum anders sagen. Wesentlich gebessert hat sich das nicht.
Der zweite Faktor ist letztlich eine Vertiefung der Diskussion aus dem letzten Vermischten; Masala spricht ja gerne darüber, dass eine woke Bundeswehr eine bessere Bundeswehr ist und erklärt hier etwas ausführlicher seine Denke zum Thema. Ich halte ja deswegen von der Leyens Initiative zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Bundeswehr immer noch für goldrichtig, und der Pushback vor allem konservativer Kreise trägt nicht eben dazu bei, diese Probleme anzugehen.
Der letzte Punkt betrifft die Frage der Rekrutierung. Ich bin auch schon seit vielen Jahren für dieses Staatsbürgerschaftsmodell. Das größte Gegenargument, das mir bekannt ist, fürchtet eine Art militärische Parallelgesellschaft, analog zur Römischen Armee. Aber gerade hier ist die von Masala geforderte Diversität und Integrationsfunktion wichtig: ein demokratisch-freiheitliches Militär kann tatsächlich eine Integrationsmaschine sein, und wenn man sich Geschichten wie die von Narinam Hammoutki-Reinke ansieht, deren Buch „Ich diene Deutschland“ ich hier besprochen habe, dann kann man sehen, wohin diese Reise gehen könnte. Das US-Militär jedenfalls ist ziemlich stabil demokratisch; an keiner Institution hat sich Trump so sehr die Zähne ausgebissen wie an dieser.
Resterampe
a) Dass Mark Hamill als Sonderbotschafter der Ukraine ernannt wurde und jetzt Star-Wars-gefärbte Propaganda für die Ukraine raushaut, ist zwar nur ein kurioser Nebenschauplatz. Aber es zeigt eine Sache glaube ich ziemlich gut: die global dominierende Rolle der USA im Kulturbereich (USA erklärt hat das immer positiv gemeint als „Kulturimperialismus“ bezeichnet) sorgt dafür, dass wenn du gegen die USA stehst du auch gegen die globale Popkultur stehst. Wenn du ein russischer Star-Wars-Fan bist, ist es nicht angenehm. Genauso das Verschwinden von McDonalds. Das ist alles nicht kriegsentscheidend, klar, aber es zeigt subtil eine Ausgrenzung Russlands aus der Welt.
b) Überrascht es irgendwen, dass Richard David Precht ungenehme Meinungen zu canceln versucht? Diejenigen, die am lautesten über Cancel Culture schreien, canceln auch selber gerne. Sie beschweren sich darüber, dass sie den Gegenwind kriegen, nicht, dass es Gegenwind gibt. Sie wollen die Bläser sein.
c) Sehr guter dänischer Werbespot für den ÖPVN.
d) Die Rolle Alabamas für das Wahlrecht in den USA.
e) Raul Krauthausen schreibt zum Differenzierungs-Desaster sehr anregende Gedanken.
f) Joscha Falck wettert gegen Fortbildungen. Er hat zwar grundsätzlich einen Punkt, aber er denkt in meinen Augen zu sehr aus der Bubble der kleinen Gruppe Lehrkräfte, die sich aktiv mit dem Kram beschäftigt. Die allermeisten sind Lichtjahre dahinter.
g) Gute Erklärung zu nuklearer Abschreckung im Spiegel der Spieltheorie.
h) Ich gaube, Karl Lauterbach hat gerade seine erste gute Handlung als Gesundheitsminister gemacht.
i) Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll. Ich hab volles Mitleid mit den Leuten, die ihren Namen auf den Report haben schreiben müssen. Das muss denen abgrundtief peinlich sein.
j) Die Midterms im Senat werden anhand von vier Senatssitzen entschieden. Vier.
k) Ich werde mich glaube ich nie daran gewöhnen, dass mein Gesundheitsminister wie ein Oppositioneller twittert.
l) Kurzer Thread zu Rut Brandt. Zwei Gedanken: die meisten Ehefrauen von Spitzenpolitikern hatten es echt hart, schon alleine wegen dem Job. Fragt mal, wie glücklich Hannelore Kohl war. Und zweitens: das Anforderungsprofil dieses Spitzenjobs hilft echt nicht, gute Eheleute hervorzubringen. Brandt war berühmt-berüchtigt für seinen Alkoholkonsum und seine Affären und mit Sicherheit kein sonderlich angenehmer Mensch. Kohl war ein Bully. Schröder sehen wir täglich. Ich glaube der einzige, der seine Frau halbwegs ordentlich behandelt hat, war Helmut Schmidt, aber ich bin kein Experte (über Adenauer, Erhard und Kiesinger weiß ich auf dem Feld gar nichts, aber zu der Zeit fanden Frauen ja einfach generell nicht statt, das lässt sich eh nicht vergleichen).
m) Das Neue Deutschland erklärt, dass „Privateigentum keine Selbstverständlichkeit mehr“ ist, und ich komm aus dem Lachen nicht raus. Klar, die breite gesellschaftliche Debatte für und wider Privateigentum, wer hat sie nicht mitbekommen!
n) BrandEins hat einen netten Überblick über Managmenttheorien von damals bis heute.
o) Mal wieder der periodische Hinweis, dass China massiv in Erneuerbare investiert.
p) Liz Cheney tut das einzig Richtige und steigt in meinem Ansehen deutlich. Das ist die Konsequenz, die viel zu wenige Trump-Gegner*innen in der GOP ziehen.
q) Schöner Überblick über Leute, die sich zur Prime-Time in ihrer eigenen Sendung darüber beschweren, dass sie nichts mehr sagen dürfen.
r) Es ist kaum überraschend, dass Elon Musk Starlink nicht kostenlos an die Ukraine zur Verfügung gestellt hat, wie er behauptete, sondern dass die US-Regierung dahintersteckt. Der Typ ist so ein Sack heißer Luft. Jedes Mal, wenn man genau hinsieht, sieht man Subventionsmilliarden. Ohne massive staatliche Hilfe gäbe es sein ganzes Firmenimperium nicht.
s) Unvorstellbar, wenn solche Bereicherungen des öffentlichen Diskurses nicht auf Twitter wären.
3) „Die CDU muss sich erst finden, und die Kommunikation ist nicht leicht: einerseits eine Brandmauer gegen Rechts, andererseits aber so viele Rechtswählende wie möglich demokratisch einbinden. Ohne die Kraft der Milieubindung, auf die sich die Union Jahrzehnte verlassen konnte, ist das bedeutend schwieriger als vorher.“
Da ist es natürlich ein schlechtes Omen, daß die CDU in Niedersachsen sowohl an die Grünen wie auch an die AfD verloren hat:
https://www.tagesschau.de/inland/waehlerwanderung-interaktiv-niedersachsen-101.html
Jepp. Wir reden im aktuellen Podcast auch drüber, ich denke, das ist weitgehend unvermeidbar aktuell.
b) Das habe ich anderswo so analysiert:
„Es wirkt auf mich so, als ob diese beiden [i.e. Precht und Welzer], nachdem sie lange vom Medienbetrieb mit Auftrittsmöglichkeiten verwöhnt wurden, auf einmal im Gegenwind stehen und die Schuld dafür nicht bei sich selbst, sondern bei den Spielregeln des Systems vermuten, von dem sie so lange profitiert haben.
Und anstatt jene Empirik zu betreiben, die sich für sich reklamieren, sind sie mit einem Buch vorgeprescht, dessen Schwachstellen nun auseinandergenommen werden. Bezeichenderweise erzählen sie ja zu Beginn des ersten Podcasts [„Geyer & Niesmann“; 24.09.2022], daß es beim Verfassen fast keine Meinungsverschiedenheiten zwischen ihnen gegeben habe. Aber eine Blase ist nicht besser, wenn sie sich auf gedrucktem Buchpapier offenbart anstatt in dem von ihnen geschmähten Twitter.“
Wenn du es noch nicht mitbekommen hast – hier ist eine angemessene Würdigung der Lanz-Sendung als Transkript:
https://twitter.com/AnneRabe2/status/1575839104394489857
Danke!
Stefan Sasse
5) Das Märchen von den Rettern und vom «Pull-Faktor»
Mich überrascht wenig, dass das Ersaufen Lassen von Geflüchteten keinen großen Einfluss auf deren Motivation hat.
Zum Thema „Seenot-Rettung“: Wenn vor meinen Augen jemand angefahren wird, versuche ich natürlich zu helfen. Schaue ich nur zu, ist das unterlassene Hilfeleistung. Bleibe ich daheim und jemand wird angefahren, dem ich nicht helfe, ist das keine unterlassene Hilfeleistung. Und nur weil Tausende Leute mit verbundenen Augen den Versuch wagen, im Berufsverkehr über die Autobahn zu laufen, lasse ich niemanden sterben, weil ich an meinem Schreibtisch oder auf dem Sofa sitzen bleibe, statt mich an die Autobahn zu stellen und sie davon abzuhalten.
Um Thema „Pull-Faktor“: Kein Element der Flüchtlings-Auslöser-Kette ist so ausschlaggebend wie die materielle Versorgung, die die Flüchtlinge hier in Deutschland erwartet. Die Reise selbst wird aufgrund einzelner Erschwernisse nicht unterlassen, da stimme ich Dir ein Stückweit zu.
Erstens ist selbst die Idee, dass jedes Frontext-Boot ab sofort, anstatt Menschen zu ermorden sie rettet kaum geeignet, um die Chancen einer Überfahrt signifikant zu verbessern; dazu reicht ein Blick auf die Zahlen.
Die Zahlen sagen, dass es 2015 über eine Million waren, 2019 über knapp 120.000, 2020 knapp unter 90.000. Das entspricht in etwa der Zahl an Flüchtlingen, die in Deutschland in den jeweiligen Jahren aufgeschlagen sind.
Stattdessen haben wir es wie bei den Hartz-Sanktionen mit der Lust zu strafen zu tun (ja, Erwin, ich weiß, aber der Titel ist jetzt so), …
Und Du solltest inzwischen verstanden haben, dass dieser Titel ein Griff ins Klo war, der auch durch Wiederholungen nicht besser wird.
Was, denkst Du, ist den deutschen Politikern (oder Menschen wie mir) wohl lieber: Dass sich Jahr für Jahr zwei Millionen Menschen auf einen langen, gefährlichen Weg machen, von denen wir vielleicht jeden Achten (auch noch „lustvoll“) absaufen lassen, während wir die anderen aufnehmen, versorgen zu Lasten der eigenen Bevölkerung, um das Risiko, dass hier Rechtsextreme ans Ruder kommen? Oder dass die Leute sich nicht auf den Weg machen, nicht sterben, eingesperrt, ausgenutzt, vergewaltigt o.ä. werden?
Ich finde Deine Formulierungen einfach nur grenzwertig, eklig, und genau so unverschämt wie der Vorwurf, man wolle Obdachlose verhungern lassen.
Das Schlimme daran: Du weißt genau, dass wir bei weitem nicht jeden, nicht jede aufnehmen können, der oder die hier leben will, u.a. auch deswegen, weil unser soziales Netz so straff gespannt und üppig gepolstert ist, dass wir die rechtlichen Ansprüche, die sich aus einem Aufenthalt hier ergeben, bei weitem nicht für alle erfüllen können. Da möchte ich von jemandem mit Deiner Intelligenz nicht immer nur das „Aber die armen Menschen“-Gequatsche hören, sondern ein paar sinnvolle Lösungsvorschläge zu Höchstgrenzen, Zwangsverteilung samt Zwangsverbleib in den jeweiligen EU-Ländern etc.
Zu wissen, dass wir nicht alle aufnehmen können und es letztendlich trotzdem immer wieder zu fordern, ist einfach nur unredlich.
Du bist ja in deinem Beispiel auch nicht Polizist. Wenn du als Frontex mit dem Boot rumschipperst und vor dir ertrinken Leute, und du lässt die absaufen, dann ist das schon ein Verstoß gegen so ziemlich alle Seefahrtsregeln und Menschenrechte, da führt nichts drumrum.
Zahlen: das ist ja genau mein Punkt. Wie viele von diesen Leuten könnte Frontex aufsammeln, selbst wenn sie es versuchen würden? Das Risiko der Mittelmeerüberfahrt ändert sich dadurch nur marginal.
Ich will auch über den Titel nicht mehr diskutieren, aber wenn ich auf den Artikel verlinke, komme ich da irgendwie kaum rum?
Ich fordere nicht, alle aufzunehmen. Mir das zu unterstellen ist – unredlich.
@ Stefan Sasse
Ich fordere nicht, alle aufzunehmen. Mir das zu unterstellen ist – unredlich.
In der Tat, das hast Du meines Wissens noch nie explizit gefordert. Du hast bislang nur jede einzelne Maßnahme abgelehnt, die eine Einwanderung in unsere stark beanspruchten Sozialsysteme einschränken könnte, und hast Dich bislang ausschließlich für Maßnahmen und Methoden ausgesprochen, die auf eine unbegrenzte Einwanderung hinauslaufen. Da ist „fordern“ sicherlich zu hart formuliert ^^
Ich gönne wie Du keinem Menschen auf der Welt ein Leben in Elend, in Not, oder unter Gewalt. Ich möchte aber auch keine Verantwortung aufgezwungen bekommen für die, denen solch ein Schicksal nicht erspart geblieben ist.
Du vermutlich auch nicht, aber alles, was Du schreibst, läuft darauf hinaus.
Ich habe sehr konkret vorgeschlagen, was man für ein System machen könnte. https://www.deliberationdaily.de/2017/08/pfad-zur-staatsbuergerschaft/
Wie gesagt: unredlich.
@ Stefan Sasse 11. Oktober 2022, 12:13
Ich habe sehr konkret vorgeschlagen, was man für ein System machen könnte. …
Wie gesagt: unredlich.
Wie gesagt: ausschließlich Maßnahmen und Methoden, die auf eine unbegrenzte Einwanderung hinauslaufen. Dass man den Arbeitswilligen den Pfad in eine dauerhafte Bleibe bzw. Staatsbürgerschaft öffnet – geschenkt, da bin ich auch für. Aber das ist nicht das Thema gewesen.
Ich glaube, da brauchen wir auch nicht weiterdiskutieren. Es läuft darauf hinaus, dass ich nach Maßnahmen frage, um arbeitsfähige Langzeitarbeitslose aus Hartz IV zu bekommen, und die Frage kriege, ob ich Obdachlose verhungern lassen möchte. Diesmal ist es halt die Lust am Ersaufen lassen.
Wieso beziehst du das auf dich? Ich spreche direkt von Leuten, die aktiv gegen geltendes Recht handeln. Wie das halt leider dokumentierterweise bei FRONTEX der Fall ist.
Das von Dir vorgeschlagene System enthält überhaupt keine Schwellen für Einwanderung mehr, belohnt illegale Einwanderung mit der deutschen Staatsbürgerschaft und verstärkt die internationale Sogwirkung des deutschen Sozialsystems dadurch, dass hier geborene Kinder automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten und damit ihre Eltern automatisch vor Abschiebung geschützt werden
Ich habe selten etwas Unredlicheres gesehen, als den Verkauf ausgerechnet dieses Systems als „ich bin doch auch nicht für unbegrenzte Zuwanderung“. Doch, eindeutig und dokumentiert!
Gruss,
Thorsten Haupts
Das ist kein System. Das ist ein einseitiger Fahrplan zur Erlangung eines dauerhaften Aufenthaltstatus. Das ist immer ein Teil der Geschichte und sicher derzeit nicht so unbedeutend. Die Vorstellungen der Ampelkoalition gehen weit darüber hinaus, was zur Folge hätte, dass Du sie wenn nicht ablehnst, so doch kritisch gegenüber stehst. Eine solche Positionierung ist bei Dir nicht erkennbar.
Der Aufhänger bildet der Fall Bivsi. Wie dargestellt hielten sich ihre Eltern schon Jahre illegal im Land auf, ohne abgeschoben werden zu können – was möglich gewesen wäre. Erwin fragt an der Stelle: Wie soll so etwas zukünftig verhindert werden? Bisher fehlt dazu jede Antwort.
Dein Vorschlag definiert eine bestimmte Lohngrenze zum Verbleib. Vor allem soll, so die Idee, Lohndumping verhindert werden. Das ist sowohl migrationspolitisch als auch marktwirtschaftlich ein absurder Gedanke. Migranten bewegen sich meistenteils am unteren Ende der Lohnskala.
Das zeigt sich umso mehr, je segmentierter die Betrachtung vorgenommen wird. Selbst ein Bilanzbuchhalter wird in einem anderen Land und erst recht in einem anderen Kultur- und Wirtschaftskreis ein vergleichsweise niedriges Einkommen beziehen, da ihm zum einen Sprachkenntnisse, aber vor allem spezifische Fachkenntnisse fehlen. Auch Buchhaltung besteht nicht einfach aus von links nach rechts zu schreiben. In Deiner Diktion würden solche Zuwanderer aber Lohndumping ausüben, da sie niedriger als die bisherigen Arbeitskräfte entlohnt würden. Allerdings ist das eine sehr statische Betrachtung, wie die heutige Situation in Deutschland zeigt. Was beweist: Die Einkommenschancen hängen auch wesentlich von der allgemeinen Wirtschaftslage ab.
Migranten sind in der ersten Generation ein Verlustgeschäft. Das zeigt sich ja auch am Fall Bivsi. Während ihre Eltern im prekären Bereich arbeiten und leben, sind ihre Chancen auf ein überdurchschnittliches Lebenseinkommen wesentlich höher. Die Frage, die ebenfalls unbeantwortet bleibt: Bei welchen Zuwanderern wollen wir als Gesellschaft ins Obligo gehen und bei welchen nicht? Und wie soll verhindert werden, dass sich Migranten ins System zwingen, der Gesellschaft aufzwingen, in sie zu investieren?
Das Erwerbsrisiko ist bei jeder Einwanderergruppe deutlich erhöht. Mit anderen Worten: viele werden es nie schaffen, ohne gesellschaftliche Unterstützung auszukommen. Die Linken malen über diese gesicherte Erkenntnis nicht nur aus klassischen Einwanderungsländern, sondern eben auch in Deutschland ein Bild aus farbenfrohen Kolorit. Doch das ist eine gesellschaftspolitische Lüge.
Die derzeitige Migrationspolitik der Ampelparteien zielt darauf ab, den Begriff der illegalen Migration abzuschaffen. Wer es nach Deutschland schafft, soll bleiben. Alle anderen Aspekte spielen keine Rolle. Das Problem von Erwin, Thorsten und mir ist: etwas anderes haben wir auch von Dir, CitizenK, Ariane nicht gelesen.
Zu 7)Die USA haben zehn Jahre eine weitgehend einseitige Polarisierung erlebt; seit 2017 gleicht das rapide an.
Das „einseitig“ ist ein Witz. Was man wissen könnte, wenn man sich z.B. mal mit den rechtsstaatlich unsäglichen (und vor Gerichten auch regelmässig heftig sanktionierten) „Title IX“ Regeln zu sexueller Belästigung an amerikanischen Universitäten (allen!) beschäftigt hat. Das reicht weit vor 2017 zurück.
Die Radikalisierung kam immer von beiden Seiten, nur galt (und gilt) die linke als das Mainstream-Normal. Was sie definitiv nicht war.
Zu 8)
Es könnte helfen, bestimmte politische Auffassungen in linksliberalen Massenmedien (in Deutschland einschliesslich ÖRR) nicht mehr automatisch in die Extremistenecke zu schieben. Nationalismus z.B. kann man für unappetitlich halten, aber es ist eine verfassungsrechtlich absolut zulässige politische Ausrichtung. Je eher Linksliberale (die heute die veröffentlichte politische „Mitte“ darstellen) begreifen, dass ihre absolute
Meinungshoheit unwiderruflich vorbei ist, umso besser wird es gelingen, harten politischen Streit zu unterscheiden vom notwendigen Kampf gegen politischen Extremismus und die Unterhöhlung des Rechtsstaates.
Zu 10)
Ich bin nach einem Blick in die Historie ganz sicher, dass der (nach Abschaffung der Wehrpflicht vorhersagbare) Umbau der Bundeswehr in eine Söldnerarmee Deutschlands Sicherheit stärken wird … Es ist übrigens auch ethisch sehr interessant, dass man die Verantwortung und das Risiko für das eigene Wohlergehen auf eine kleine Gruppe von „Freiwilligen“ abschiebt, denen die Gesamtgesellschaft in Deutschland auch noch ablehnend bis gleichgültig (das ist der beste Fall) gegenübersteht. Viel Spass damit.
Gruss,
Thorsten Haupts
8) Genau die gleiche Forderung kann ich in deine Richtung erheben.
10) Das sehen wir in keinem anderen westlichen Land. Warum also hier?
Zu 8)
Kannst Du – nur hatte „meine“ Richtung in den letzten 30 Jahren nicht die absolute und unbestrittene Medienhoheit, von daher wäre die Forderung einfach Unsinn.
Zu 10)
Nur Deutschland post WW 2 verachtet oder ignoriert sein Militär. Und mir sind jetzt nicht so viele Staaten bekannt, die über Militärdienst die Staatsbürgerschaft vergeben? Frankreichs Fremdenlegion zählt nicht – die wurde als separate (zahlenmässig kleine) Söldnertruppe auch genauso behandelt (mit den dann üblichen, wirklich horrenden, Verlusten).
Gruss,
Thorsten Haupts
8) Das ist halt leider Unfug, aber dieses Hineinimaginieren in eine Opferrolle ist leider gerade sehr in.
10) Die USA machen das doch auch, oder?
@ S Sasse & 10:
Not exactly. Service in the US military MAY advance/expedite your path to US citizenship and MAY waive some requirements such as having to have held a green card for a number of years but the process is not automatic. Far from it.
@9:
First, from the category „no nit to small to pick“: The flag on the sticker on that pick up truck or the flags the author of the article and you are referring to is/are almost certainly not the Stars and Bars (which I am sure over 90% of all Americans would not recognize) but the Confederate war flag – a blue saltire with white stars on it on a red field. Also known as the rebel flag which brings me to the article itself and the boat load of tropes, generalities and common BS it conveys. It’s all in the byline under the title: Of course attachment to the „South“ follows race and religion, duh. I have a hard time imagining black people in the South identifying with the Confederation and its symbols. Same with religion – of course most if not all Lost Cause wingnuts are Christian and not, say Jewish or Muslim. And people move which apparently is new to the author. If someone originally from the South ends up in Ohio or Wisconsin and happens to be proud of their Southern origins they might display a rebel flag or other Southern paraphernalia. The fact that a flag called the rebel flag is used by people that see themselves as rebels (against whatever) is also not exactly shocking, its other connotations notwithstanding.
Finally, not sure what a Walmart or dollar store have to do with rebel flags, Southern pride or „nationalization“ of US politics – as if those didn’t exist in the heart of Democrat strongholds just the same. That, together with a couple of sneers against country music and pick up trucks, is just some classist BS.
10) Thanks, I’m not well into the details. But this is something that could be emulated here as well.
9) Yeah, I don’t see much to argue here, although the number of people moving is much lower in comparison to natives taking up the symbol.
8)
Reines Opfernarrativ. Fake News.
Die Wahrheit hingegen ist doch, dass die Deutungshoheit der alten weißen Männer gerade langsam und mühsam aufgebrochen wird. Und ekelhaftes wie die Radikalisierung von Fox News, Tucker Carlson, Danisch, Tichys, Nuhr, AFD, Putinfans, etc. pp. kein Herausfordern der Deutungshoheit anderer ist, sondern die reaktionäre Antwort auf den Verlust der eigenen Hegemonialstellung.
Na, das ist dann ja wirklich supereinfach:
Bitte den letzten der häufigen ÖRR-Kommentare in einer der Hauptnachrichtensendungen (heute und Tagesschau) benennen, der ein konservatives Thema (z.B. Nation, Militär, traditionelle Familie, organisiertes Christentum, Heimat) positiv bespricht?
Ansonsten ist Ihre Antwort eh BS – die „Weissen“ stellen in einer seit Jahrtausenden überwiegend „weissen“ Gesellschaft nun mal die Mehrheit und besetzen dem folgend auch die Mehrheit der Medienpositionen. Und mich ekelt Ihre Einführung der „Rasse“ (weisse Männer) durch die Hintertür in die Diskussion ziemlich an – sind Sie eigentlich Neonazi?
Gruss,
Thorsten Haupts
Herr Haupts,
die engstirnige Fokussierung auf die „Medienhoheit“ ist ein bisschen borniert, oder nicht?
Auch die antrainierte Erwiderung jemand vermeintlich ‚linkes‘ mit seinen persiflierten eigenen Waffen zu schlagen, geschenkt.
Eine ernsthafte Frage:
Glauben Sie an eine progressive Weltlage seit jahrzehnten, wenn Sie allein Dinge wie #metoo sehen? Dass Frauen jahrzehntelang nicht an die Öffentlichkeit traten, weil die Täter alle, mehr oder weniger, unangreifbar waren? Oder die Schwierigkeiten bei der Aufarbeitung von Polizeigewalt? Rechtsextreme in der Bundeswehr? Diskriminierung von Migranten in allen Lebenslagen, z.B. bei der Job- oder Wohnungssuche? Etc. Dinge, die erst so langsam Themen der Öffentlichkeit werden.
Aber natürlich, wenn man gefühlt überall Dinge lesen muss die einem nicht ins Weltbild passen, da kann ich den Frust verstehen und man fühlt sich schnell verfolgt.
Nur, die Tatsachen sind ein anderes.
Tatsächlich ist #MeToo eines der besten Beispiele für eine Verschiebung der Wahrnehmung nach links. Noch vor 15 Jahren wäre das nicht diskutiert worden. Es ist das Paradox, dass sich die Zustände soweit verbessert haben, dass das überhaupt ansprechbar und sichtbar wurde.
… die engstirnige Fokussierung auf die „Medienhoheit“ ist ein bisschen borniert, oder nicht?
Seltsames Argument. Sie existiert entweder oder sie existiert nicht – und ich glaube problemlos nachweisen zu können, dass sie existiert und das schon seit mehr als 30 Jahren.
Auch die antrainierte Erwiderung …
ROFL. Da musste ich mir nichts antrainieren – wer vorwiegend in Rassen denkt, ist Rassist, völlig unabhängig davon, wo er/sie sich selbst verortet.
Dass Frauen jahrzehntelang nicht an die Öffentlichkeit traten, weil die Täter alle, mehr oder weniger, unangreifbar waren?
Wo genau ist da der Widerspruch zu der These, dass die Medien überwiegend linksliberal bis links ticken? Der verachtenswerte Machtmissbrauch gegenüber Frauen ist ja kein „rechtes“ Ding. Zumindest ausweislich der an die Öffentlichkeit gelangten UND halbwegs belegten Übergriffe scheint die zu fast 100% linke Kultur-/Film-/Musikszene da ein weit grösseres Problem zu haben, als bspw. die in den Führungsetagen eher „rechten“ Industrieunternehmen?
Aber natürlich, wenn man gefühlt überall Dinge lesen muss die einem nicht ins Weltbild passen …
Ich habe weder mit Me Too noch mit der Aufklärung rechtsextremer Umtriebe in Staatsorganisationen irgendein Problem – und Sie werden in meiner mehr als 20jährigen Publikationshistorie im Internet auch nichts entsprechendes finden. Das ist nämlich völlig unabhängig von der Frage, wer in Deutschlands „Qualitäts“-Medienlandschaft (inklusive ÖRR) in den letzten 30 Jahren die unbestrittene Dominanz hatte.
Gruss,
Thorsten Haupts
„Seltsames Argument. Sie existiert entweder oder sie existiert nicht – und ich glaube problemlos nachweisen zu können, dass sie existiert und das schon seit mehr als 30 Jahren.“
Naja, die entscheidende Frage warum ist das der Fokus? Deswegen Opfernarrativ.
„ROFL. Da musste ich mir nichts antrainieren – wer vorwiegend in Rassen denkt, ist Rassist, völlig unabhängig davon, wo er/sie sich selbst verortet.“
Wer es nicht verstehen will…
„Wo genau ist da der Widerspruch zu der These, dass die Medien überwiegend linksliberal bis links ticken? Der verachtenswerte Machtmissbrauch gegenüber Frauen ist ja kein „rechtes“ Ding. Zumindest ausweislich der an die Öffentlichkeit gelangten UND halbwegs belegten Übergriffe scheint die zu fast 100% linke Kultur-/Film-/Musikszene da ein weit grösseres Problem zu haben, als bspw. die in den Führungsetagen eher „rechten“ Industrieunternehmen?“
Die Sichtbarmachung von Marginalisierten ist ein linkes und kein rechtes Thema.
„Ich habe weder mit Me Too noch mit der Aufklärung rechtsextremer Umtriebe in Staatsorganisationen irgendein Problem – und Sie werden in meiner mehr als 20jährigen Publikationshistorie im Internet auch nichts entsprechendes finden. Das ist nämlich völlig unabhängig von der Frage, wer in Deutschlands „Qualitäts“-Medienlandschaft (inklusive ÖRR) in den letzten 30 Jahren die unbestrittene Dominanz hatte.“
Ich stelle mal die gewagte These auf, nach Reichelt und so, dass die Bild, als gesichert rechtspopulistische Publikation, z.B. eher Interesse daran hätte diverse Vergehen von z.B. Asyltouristen, Linksextremisten, etc. aufzudecken. 🙂
Na ja, wenn die BILD für Sie zu den deutschen Qualitätsmedien gehört, fehlt uns da wohl überhaupt eine Diskussionsgrundlage.
Ihr take: „Medienhoheit.“ Nicht „Qualitätsmedien“
Merken Sie, dass Sie damit ihre Position weiter schwächen? Allein auf den kleinen Ausschnitt „Medienhoheit“ zu beharren ist schon mit Blick auf die Gesamtgesellschaft schwach.
Ihn noch weiter zu begrenzen auf „Qualitätsmedien“ macht das ganze noch opfernarrativiger.
Und natürlich fehlt uns die Diskussionsgrundlage, Sie wollen nicht mal verstehen, was es mit dem Begriff „alte weiße Männer“ eigentlich auf sich hat, sondern flüchten sich auch dort in die Opferrolle.
Ihr take: „Medienhoheit.“
Schenke ich Ihnen. Ändert nämlich absolut nichts am Gesamtbild – gegen die ÖRR ist die BILD ein Furz.
… flüchten sich auch dort in die Opferrolle.
Ohne ad hominem geht´s bei Ihnen nicht, nein? Zur Kenntnis genommen.
Ich würde es etwas komplizierter sehen: beides ist wahr. Auf der einen Seite gab es definitiv eine Linksverschiebung in manchen Themen des Diskurses, aber die Hysterie bezüglich Cancel Culture und Linksrutsch und Kram ist völlig überzogen. Zudem wird die parallele Rechtsverschiebung auf anderen Diskursfeldern standhaft ausgeblendet.
Zudem wird die parallele Rechtsverschiebung …
Auf welchen Themenfeldern finde ich die in Artikeln oder Sendungen von ÖRR, SPIEGEL, ZEIT und SZ?
Gruss,
Thorsten Haupts
@ mr opferino 12. Oktober 2022, 14:22
8)
Die Wahrheit hingegen ist doch, dass die Deutungshoheit der alten weißen Männer gerade langsam und mühsam aufgebrochen wird.
Das mag ja sein, dass es das gab, und dass diese Deutungshoheit gerade aufgebrochen wird. Aber alte, weiße Männer gab und gibt es in jedem politischen Lager. Der von Thorsten angesprochene Punkt, dass es seit Jahrzehnten eine mediale Grundausrichtung nach links gibt, hat damit nichts zu tun, und wird von Dir auch nicht widerlegt.
Und ekelhaftes wie die Radikalisierung von Fox News, Tucker Carlson, Danisch, Tichys, Nuhr, AFD, Putinfans, etc. pp. kein Herausfordern der Deutungshoheit anderer ist, sondern die reaktionäre Antwort auf den Verlust der eigenen Hegemonialstellung.
Wenn überhaupt, ist „ekelhaft“, dass Du den einzigen Nicht-Linken Kabarettisten von Rang und Namen in Deutschland, Dieter Nuhr, mit der AfD in den gleichen Topf schmeißt. Denen haut er doch auch regelmäßig vor den Latz. Der mag ja (NACH der Verschiebung der gesellschaftlichen Mitte in Richtung links) inzwischen als konservativ gelten, aber von den rechtsextremen politischen Positionen á la AfD oder Fox News und selbst von rechtskonservativen Plattformen wie Tichy oder der „Achse des Guten“ ist er doch weit entfernt.
Ein Wort noch zur „Hegemonialstellung“: Die der „weißen, alten Männer“ bekämpft und verachtet man. Immerhin, sie war ein Stück weit durch die gewachsenen gesellschaftlichen Zustände und die große Zahl der Baby Boomer gerechtfertigt; es gibt halt mehr Menschen, die über 50 Jahre alt sind, als jüngere. Nun versucht man von anderer Seite (und hat das auch weitgehend geschafft), das Gleiche aufzuziehen, und vergisst dabei alle Argumente, die man früher ins Feld geführt hat.
… mediale Grundausrichtung nach links gibt, hat damit nichts zu tun, und wird von Dir auch nicht widerlegt.
Bei der Behauptung zucken viele links der Mitte, sind seltsamerweise nur nie in der Lage, ihren Widerspruch zu unterfüttern. mr opferino operiert da sogar ein bisschen intelligenter – er führt das Ablenkungsgefecht von „Warum ist Dir das wichtig?“, weil er weiss, dass er das andere nicht gewinnen kann.
Es gibt verdammt gute Gründe, warum sich die Unterstützung des deutschen ÖRR Modells immer stärker links der Mitte konzentriert – und die haben mit „Rettet die Demokratie“ überhaupt nichts zu tun.
Gruss,
Thorsten Haupts
@ Thorsten Haupts 14. Oktober 2022, 09:04
er schreibt ja:
Die Sichtbarmachung von Marginalisierten ist ein linkes und kein rechtes Thema.
Das ist irgendwie konfus. Der Grundtenor des ÖRR links der Mitte – soll heißen, so extrem wie z.B. Fox News sind sie natürlich nicht. Aber keinesfalls geht es um die „Sichtbarmachung der Marginalisierten“. Ginge es um die, hätten viele Kleinstparteien eine bessere Sichtbarkeit, würden Minderheiten wie Leugner des Klimawandels, der Gefährdung durch Corona etc. positiver dargestellt.
Hier geht es nicht um eine Sichtbarmachung von Marginalisierten, sondern um eine Sichtbarmachung von Opfern nach linker Wahrnehmung. Ist also auch ein für die Diskussion untaugliches Argument, eher eine weitere Bestätigung Deiner Aussage.
Ich würde dir zustimmen, dass Sichtbarmachung von Marginalisierten sich schon eher auf die klassischen linken Opfergruppen bezieht. Aber den Coronaleugnern hat es jetzt wahrlich nicht an Sichtbarkeit gemangelt, oder? Und Klimakrisenleugner brauchen keine Sichtbarkeit, das wäre höchste Fahrlässigkeit, sorry. Was die Kleinstparteien angeht: sobald die eine gewisse Größe erreichen, werden sie schon dargestellt. Aber es macht halt wenig Sinn, viel Zeit an Vox zu verschwenden.
@ Stefan Sasse 14. Oktober 2022, 12:00
Ich würde dir zustimmen, dass Sichtbarmachung von Marginalisierten sich schon eher auf die klassischen linken Opfergruppen bezieht.
Besser auf den Punk als von mir. Hätte gereicht, das so zu formulieren.
Aber den Coronaleugnern hat es jetzt wahrlich nicht an Sichtbarkeit gemangelt, oder?
Hm, wahrscheinlich habe ich das verwechselt mit den Versuchen der ÖRRs, die zu marginalisieren 🙂
Das wurde doch in den Talkshows auch hoch und runter diskutiert. Es mangelte nun wahrlich nicht an Sichtbarkeit für die.
„Sichtbarmachung der Marginalisierten“. Ginge es um die, hätten viele Kleinstparteien eine bessere Sichtbarkeit, würden Minderheiten wie Leugner des Klimawandels, der Gefährdung durch Corona etc. positiver dargestellt.
Hm ja, da vertauschst Du etwas, nicht jede Minderheit ist marginalisiert. Und jetzt erzähl mir bitte nicht, dass Coronaleugner und Klimawandelleugner verfolgt oder unterdrückt wären.
@ mr opferino 14. Oktober 2022, 18:40
Hm ja, da vertauschst Du etwas, nicht jede Minderheit ist marginalisiert.
Nicht ganz falsch. Aber es wird auch nicht jede marginale Minderheit sichtbar gemacht, da unterschreibe ich schon eher bei Stefan Sasse.
Ich denke, dass Du schon durch eine ziemlich linke Brille auf die Welt schaust.
Was ja fair ist. Jede*r hat eine Brille. Man sollte sich dessen nur bewusst sein.
Beides schließt sich nicht aus.
„Das mag ja sein, dass es das gab, und dass diese Deutungshoheit gerade aufgebrochen wird. Aber alte, weiße Männer gab und gibt es in jedem politischen Lager. Der von Thorsten angesprochene Punkt, dass es seit Jahrzehnten eine mediale Grundausrichtung nach links gibt, hat damit nichts zu tun, und wird von Dir auch nicht widerlegt.“
Da ist die Frage: warum wird das ins Feld geführt?
=> Um sich als Opfer zu fühlen, weil die bösen Medien dem alten weißen Mann so zusetzen, was irgendwie lächerlich ist, wenn man anschaut wie er sich so betragen hat. Falls man denn Interesse hat, sich zu informieren.
“
Wenn überhaupt, ist „ekelhaft“, dass Du den einzigen Nicht-Linken Kabarettisten von Rang und Namen in Deutschland, Dieter Nuhr, mit der AfD in den gleichen Topf schmeißt. Denen haut er doch auch regelmäßig vor den Latz. Der mag ja (NACH der Verschiebung der gesellschaftlichen Mitte in Richtung links) inzwischen als konservativ gelten, aber von den rechtsextremen politischen Positionen á la AfD oder Fox News und selbst von rechtskonservativen Plattformen wie Tichy oder der „Achse des Guten“ ist er doch weit entfernt.“
Mal etwas zu ekelhaft: Ich habe das Interview von Thilo Jung mit Dieter Nuhr gesehen. Dieser Mensch ist ziemlich ekelhaft und zwar auf die ganz besonders weiße alte Männer Art. Muss man nicht verstehen, könnte man aber.
Dass er beim Vergiften nicht so radikal ist wie andere, meinetwegen.
“
Ein Wort noch zur „Hegemonialstellung“: Die der „weißen, alten Männer“ bekämpft und verachtet man. Immerhin, sie war ein Stück weit durch die gewachsenen gesellschaftlichen Zustände und die große Zahl der Baby Boomer gerechtfertigt; es gibt halt mehr Menschen, die über 50 Jahre alt sind, als jüngere. Nun versucht man von anderer Seite (und hat das auch weitgehend geschafft), das Gleiche aufzuziehen, und vergisst dabei alle Argumente, die man früher ins Feld geführt hat.“
Auch Du hast den Begriff alte weiße Männer nicht verstanden.
Interessant ist, dass Herr Haupts sich über die Rasse diskriminiert fühlt und du über das Alter.
Interessant ist, dass Herr Haupts sich über die Rasse diskriminiert fühlt …
Nur zur Klarstellung – ich fühle mich nicht diskriminiert, weil irgendein überheblicher Trottel „Boomer“ oder „alter weisser Mann“ rauspustet.
Ich hab nur ein paar klitzekleine Einwände, wenn die Rasse über die „Diskriminierung“-Hintertür wieder in den politischen Diskurs eingeführt wird, das ist alles.
„Muss man nicht verstehen …“
Ein sehr wahres Wort :-). Wokies verbinden Dummheit, intellektuelle Leere und Überheblichkeit zu einem wirklich wunderbaren Gesamtkunstwerk. Würdige Nachfolger der Anti-Imps der achtziger.
Amüsierten Gruss,
Thorsten Haupts
@ 10:
Dunno. I have never liked this particular approach to staffing the military. It reeks a bit of hiring mercenaries. Citizenship should be open to anyone who, after a fair and unbiased process, deserves it. Why complicate the matter? In addition, we (the US) are not sure if we want to have this individual as a citizen but we’re happy to give them a gun and extensive training on how to kill or maim people? It seems counterintuitive to me.
@ 9:
I think you’d need a lot more data to draw that conclusion. No doubt there are people (outside of the US as well) that just take up the rebel flag as a sign of protest (or for other reasons). Within the US though there has been constant movement out of the (poorer regions of the) South for decades now to more affluent and economically prosperous regions and states. Not sure how to quantify that in this context.
10: This is of course true. I think the main idea is that the army works as an integrative institution, basically forming new citizens. You’re not sure if you want the person as is, but after military service, you get a guaranteed „citizen product“. I can’t speak for the efficacy of the process, but that seems to be the idea. In the US at least it seems to me that the armed services are an integrative force in regards to democracy etc., and the demand for the Bundeswehr to strengthen that aspect is, I guess, desirable even if we don’t implement a „foreigner scheme“.
9: True enough, but didn’t you yourself talk about the rebel aspect only two comments past? This seems to counteract that. But I have to trust the judgement of people who study this. I don’t know if anyone has so far, so both hypothesis seem possible at the moment.
@ Stefan Sasse 12. Oktober 2022, 08:26
10:
This is of course true. I think the main idea is that the army works as an integrative institution, basically forming new citizens.
… I can’t speak for the efficacy of the process, but that seems to be the idea. In the US at least it seems to me that the armed services are an integrative force in regards to democracy etc., and the demand for the Bundeswehr to strengthen that aspect is, I guess, desirable even if we don’t implement a „foreigner scheme“.
One difference to Germany is that in the USA pride in one’s own country is not demonized and soldiers are shown respect; here they are all too often treated with contempt. You, too, have already written that (before the Russian attack on Ukraine) you found soldiers in uniform somehow disturbing or inappropriate.
If the military in the USA can form new citizens, the German Bundeswehr cannot. The missing element is the respect Germans should have for their Bundeswehr.
Yup.
@ Erwin:
Don’t overestimate the respect that US military personnel is shown in the US. You may be aware that respect for the US military reached a low point in the 70’s mainly due to the aftermath of Vietnam and then gradually recovered in the 80’s and 90’s. It remained high and maybe even increased in the early 2000’s because of Afghanistan and Iraq but may have waned somewhat in recent years, due again to the aftermath of lost campaigns (in Afghanistan and Iraq) and reports of atrocities.
What is true is that there is a fairly close connection between the US military and civilian life in that a (successful) stint in the military is often a career boost in civilian life.
Sure, it gets overemphasized, but it’s fair to say it’s much larger than in most European countries, no?
Agreed. But I think there’s a seachange underway right now.
@ 10:
„You’re not sure if you want the person as is, but after military service, you get a guaranteed „citizen product“.“
Of course that’s the idea as you state, but what makes you so sure it’s actually working as intended? And why would only the military be able to do this but not, say, the police or a (civilian) branch of the government? Add to that the fact that these potential citizens might be stationed overseas and out of the country for extended periods of time during their service. To me it’s just an odd way to acquire new citizens.
@9:
I am still talking about that „rebel aspect“. Please read my post again. I am saying that I am not aware of any data within the US that differentiates your proud ex-Southerner from your self proclaimed rebel. Simple geographic location won’t do it. And I don’t know if anyone is „studying“ this as in generating that data.
10: It is. No argument here. And my own proposal would include all sorts of pathways like that, not just the military. I just think the military could be one option for people so inclined.
9: Ah, then we mean the same thing. That was my point: I doubt it’s mainly or only south-north migrants but that a lot of northeners pick up on the rebel aspect, and that there’s not data to be sure.