Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.
Fundstücke
1) Mit Lisa Paus ins Kafka-Jahr
Josefine K., eine alleinerziehende Mutter, die kürzlich ihren Job verloren hat und eine Umschulung macht, muss mit insgesamt acht verschiedenen Behörden Kontakt aufnehmen, um die staatliche Unterstützung zu erhalten, die ihr zusteht. Diese Behörden umfassen die Familienkasse für Kindergeld und Kinderzuschlag, die Wohngeldstelle für Mietzuschüsse, die Bundesagentur für Arbeit für Arbeitslosengeld und das Jugendamt für einen Unterhaltsvorschuss für ihre Tochter. Zusätzlich muss sie sich mit dem Finanzamt wegen Kinderbetreuungskosten und dem Alleinerziehendenfreibetrag auseinandersetzen sowie mit dem Sozialamt für Sozialhilfe und Pflegehilfe für ihren Vater. Darüber hinaus hat sie auch mit der gesetzlichen Krankenkasse und der Pflegeversicherung zu tun. Dieser bürokratische Prozess, der zwölf verschiedene Leistungen umfasst, kann monatlich erneuert werden und erfordert eine umfangreiche Einzelfallberechnung aufgrund seiner hohen Komplexität. Trotz der Herausforderungen wird nur ein Bruchteil der berechtigten Personen die vollen Leistungen beantragen, was zeigt, dass die Bürokratie oft abschreckend wirkt. Die Bundesfamilienministerin Lisa Paus schlägt vor, dieses Problem mit einer neuen Behörde namens „Familiencenter“ zu lösen, was jedoch zu noch mehr bürokratischem Aufwand führen könnte. (Alexander Neubacher, Spiegel)
Eine deutlich gehaltvollere Analyse der Details der Gesetzgebung für Policy-Wonks findet sich hier. Das Drama um die Kindergrundsicherung ist irgendwie typisch für die Prozesse in der Ampel im Speziellen und der Politik im Allgemeinen. Letzteres zuerst: Dass Institutionen, wie Florian Diekmann wortreich beklagt, ihre eigenen Kompetenzen erweitern und keinesfalls welche einbüßen wollen, ist nun wahrlich kein Geheimnis. Wenn man ernsthaft dagegen vorgehen wöllte, so bräuchte es eine entsprechende Initiative, die politisches Kapital verbrennt. Das heißt, vor allem Olaf Scholz müsste sich engagieren (an der Stelle einmal ernsthaft lachen) und die drei Parteien müssten sich einigen, ihren jeweiligen Fachministerien Federn zu rupfen. Das ist schon unter harmonischen Bedingungen eine tall order. Dass neue Bürokratie geschaffen wird, ist genauso wenig überraschend. Man sieht das Ganze wunderbar und in noch viel größerem Ausmaß als bei der Kindergrundsicherung bei der Bezahlkarte für Geflüchtete, aber da es da gegen Geflüchtete geht, ist das kein Problem.
Damit kommen wir zu den Spezifika des Falles. Der oft wiederholte Vorwurf an Paus ist, dass sie schuld am aktuellen Dilemma sei, weil sie 12 Milliarden gefordert hätte, wo Lindner nur 2 Milliarden geben wollte. Nur: das ist ein sinnloser Vorwurf. Wer das Projekt der Kindergrundsicherung für sinnvoll hält, aber mangels diktatorischer Fähigkeiten nicht die anderen Ministerien beschneiden kann, wird zwangsläufig bei neuen Strukturen und Mehrausgaben rauskommen. Es ist völlig abwegig zu sagen, dass man die Kindergrundsicherung für eine tolle Idee hält, sie aber nicht finanzieren will. Lindner hält wenig von der Idee, weswegen er das Geld nicht bereitstellt (anders als bei Ideen, die er mag, wie dem Tankrabatt). Aber so zu tun, als hätte Paus sich einfach nur auf den Rücken drehen und die Gliedmaßen wegstrecken müssen und alles wäre super funktioniert halt nur, wenn man verlangt, dass sie ihre Ziele aufgibt. Das kann man natürlich mit Blick auf die Machtverhältnisse in der Ampel tun, nur muss man sich dann entsprechend ehrlich machen. Siehe dazu auch hier.
Ein letzter Gedanke: mir scheint das einmal mehr eine der verpassten Chancen der Fortschrittskoalition zu sein. Gerade hier hätte die FDP genuin Bürokratieabbau betreiben können, wäre ein schmerzhafter Kompromiss für alle Seiten möglich gewesen, um etwas fundamental Neues und Besseres zu schaffen. Stattdessen haben ideologische Scheuklappen und Ressorteitelkeiten alles überstimmt.
2) Do Voters Care About Policy Even a Little?
Die Idee, dass politische Erfolge die Wählergunst steigern, wird durch das Beispiel der Senkung von Arzneimittelpreisen in Frage gestellt. Obwohl das Senken der Preise für verschreibungspflichtige Medikamente eine breite Unterstützung genießt, hat Präsident Biden trotz der Verabschiedung entsprechender Gesetze wenig Anerkennung erhalten. Die Kosten für Medikamente sind in den USA im Vergleich zu anderen Ländern hoch, und die Einführung der Möglichkeit für Medicare, Preise mit Arzneimittelherstellern zu verhandeln, könnte die Ausgaben drastisch senken. Trotzdem bleibt Bidens Zustimmungsrating niedrig, und viele Wähler sind sich nicht bewusst, was seine Regierung erreicht hat. Die begrenzte mediale Aufmerksamkeit für diese populären Maßnahmen und das Fehlen dramatischer Konflikte könnten dazu beitragen. Obwohl Biden das Problem adressiert hat, bleiben Zweifel, ob politische Erfolge die Wähler beeinflussen können. (Rogé Karma, The Atlantic)
Die Frage aus der Überschrift lässt sich leicht beantworten: nein, Wählende interessieren sich nicht für Policy. Dass Biden auf zahllosen Gebieten das Leben der allermeisten Amerikaner*innen wesentlich besser gemacht hat, ist letztlich beinahe irrelevant: zum einen wissen die Wählenden es nicht, und zum anderen gouttieren sie es nicht. Identitätspolitik schlägt alles, selbst unter politisch interessierten Zeitgenoss*innen. Aber: das bedeutet nicht, dass Policy irrelevant ist. Denn sie hat eine große Langzeitwirkung. Dafür nur zwei Beispiele: als die Democrats in den 1990er Jahren die Macht übernahmen (oder Labour und die SPD) bauten sie alle auf Policys ihrer konservativen Vorgängerregierungen auf. Diese waren völliger Standard geworden und hatten das gesamte politische System verändert. Umgekehrt sehen wir gerade, dass Obamacare mittlerweile überwältigende Zustimmung in der Bevölkerung genießt und alle republikanischen Abschaffungsversuche gescheitert sind. Ob die Idee des Sondervermögens wieder aus dem deutschen politischen Diskurs verschwinden wird, bleibt ebenfalls abzuwarten, und so weiter. Anders ausgedrückt: mit Policy gewinnt man nicht die nächsten Wahlen, aber man bestimmt die übernächsten.
Der Artikel untersucht die Widersprüche im Umgang mit Rechtsextremismus und Faschismus in der politischen Landschaft, insbesondere im Kontext von Donald Trump und der AfD. Er kritisiert die Neigung vieler, den Begriff des Faschismus locker zu verwenden, während sie gleichzeitig rechtsextreme Tendenzen nicht ernsthaft bekämpfen. Die Autoren betonen, dass Trump und die AfD zwar oft als faschistisch bezeichnet werden, aber ihre Ideologien und Methoden nicht vollständig den historischen Faschismen entsprechen. Sie argumentieren, dass eine zu oberflächliche Verwendung des Faschismusbegriffs dazu führen kann, die spezifischen Gefahren des gegenwärtigen Rechtsextremismus zu unterschätzen. Darüber hinaus wird die Tendenz kritisiert, Trump und die AfD als Einzelfälle darzustellen, anstatt strukturelle Probleme in der Gesellschaft anzuerkennen, die ihr Aufkommen begünstigen. Die Autoren plädieren dafür, sich auf die konkreten Auswirkungen rechtsextremer Politik auf die Demokratie zu konzentrieren und gleichzeitig die historische Dimension des Faschismus nicht zu vernachlässigen. Sie fordern eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema, die sowohl die spezifischen Merkmale rechtsextremer Bewegungen als auch ihre potenzielle Gefahr für demokratische Gesellschaften berücksichtigt. (Nils Markwardt, ZEIT)
Dieser fulminante Großessay ist unbedingt in seiner Gänze lesenswert und wohl eine der besten Beobachtungen zum Aufstieg der Rechten und ihrer ideologischen Grundlagen sowie ihrer Verbindungen zum Faschismus, die es in der letzten Zeit zu lesen gab. Für alle, die sich für den Aufstieg der AfD interessieren (und wer hier tut das nicht?) sollte das Ding ganz oben auf der Lektüreliste stehen. Ich will an der Stelle vor allem den Gedanken der Bewegung und Energie hervorheben, den Markwardt formuliert: das auf die Zukunft gerichtete geht unserer Politik schließlich gerade wirklich komplett ab. Die Merkel-Ära war bestimmt davon, und Scholz ist wahrlich nicht der Mann, den Anspruch der Ampel auf „Fortschritt“ Wirklichkeit werden zu lassen. Da diese Entwicklung aber nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern vor sich geht, ist das kein deutsch-spezifisches Problem.
4) Schule und Gesundheit: Lasst die Jugendlichen länger schlafen!
Viele Jugendliche leiden unter einem chronischen Schlafmangel, der durch den frühen Unterrichtsbeginn an den meisten Schulen verursacht wird. Trotz umfangreicher Bemühungen, den Schulbeginn nach hinten zu verschieben, bleiben die meisten Schulen bei einem frühen Start. Dies führt zu gesundheitlichen Problemen wie Konzentrationsschwierigkeiten, Übergewicht, Diabetes, Herzerkrankungen und Depressionen bei den Jugendlichen. Studien zeigen, dass ein späterer Unterrichtsbeginn nicht nur zu besseren schulischen Leistungen, sondern auch zu einer gesünderen Lebensweise führen kann. Bereits eine Verzögerung des Unterrichts um 20 Minuten hat positive Auswirkungen gezeigt. Eine gesetzliche Regelung, die den Schulbeginn auf eine bestimmte Uhrzeit festlegt, könnte Abhilfe schaffen, wie es bereits in Kalifornien geschehen ist. Bis dahin könnten Schulen auf Basis der vorliegenden Forschungsergebnisse eigenständig entscheiden, den Unterricht später beginnen zu lassen, um den Bedürfnissen der Jugendlichen gerecht zu werden. (Veronika Hackenbroch, Spiegel)
Alle Jahre wieder bestätigt eine Studie, was wir seit Jahrzehnten wissen. Ja, die Schule in Deutschland startet zu früh. Ja, die Studienlage ist eindeutig. Nein, das wird sich nicht ändern. Unsere Strukturen sind komplett darauf ausgelegt, dass die Eltern morgens ihren Arbeitstag früh beginnen und die Kinder dann ebenfalls aus dem Bett werfen. Sie müssen das tun, weil die Arbeitswelt ebenfalls so früh beginnt. Man hätte einen Schulbeginn gegen 8.30 Uhr oder 9.00 Uhr, wie er etwa in Großbritannien üblich ist, durchsetzen können, als der Alleinverdienerhaushalt noch die Regel war. Vielleicht. Aber in Deutschland ist der frühe Arbeits- und Schulbeginn beinahe ein religiöses Bekenntnis, und keine noch so empirische Studienlage wird daran etwas ändern, ganz egal, wie schlecht es für die Lernprozesse ist. Man sieht das übrigens auch an den Stundenplänen: die „unwichtigen“ Fächer werden wo möglich immer in die Randstunden verfrachtet, während Mathe eigentlich immer priorisiert in die Slots der 3/4 und 5/6 Stunde geschoben wird, wo die Lernleistung am besten ist. Arme Kunstlehrkräfte.
5) Gute Muslime, schlechte Muslime
Die CDU hat ihr Grundsatzprogramm überarbeitet, insbesondere die Formulierung bezüglich des Islam. Die neue Aussage, „Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland“, stößt jedoch erneut auf Kontroversen. Obwohl betont wird, dass Muslime Teil der Gesellschaft sind, kritisieren einige die Implikationen dieser Aussage. Die Diskussion über die Rolle des Islam in Deutschland ist langwierig und in der Union seit Jahren im Wandel. Frühere Äußerungen von Politikern wie „Der Islam gehört zu Deutschland“ oder „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ zeigen die Uneinigkeit in der Partei. Friedrich Merz, der sich von der Politik Merkels abgrenzen möchte, lehnt den Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ ab und präsentiert eine neue Formulierung. Trotzdem ist zu erwarten, dass die Diskussion über dieses Thema in der Union weitergeht. (Florian Gathmann/Anna Reimann, Spiegel)
Die ganze Diskussion in der CDU leidet darunter, dass sie fundamental unehrlich ist. Viele Leute in der Partei wollen grundsätzlich nicht akzeptieren, dass der Islam zu Deutschland gehören könnte, kein Islam, jemals. Ob reformiert und liberal oder nicht. Der ständige Versuch, anderen Leuten vorschreiben zu wollen, wie sie zu leben und zu glauben hätten und die Muslime unter Generalverdacht zu stellen, ist eine dauernde Nadel im Fleisch der deutschen Einwanderungs- und Integrationspolitik. Er formuliert niemals einen positiven Zustand, macht eine Akzeptanz unmöglich. Das ist ein Problem, weil es definitiv auch die andere Seite gibt (die dann gerne in progressiven Kreisen übersehen wird), in der eine Untergruppe nicht bereit ist, grundlegende Verfassungswerte zu akzeptieren. Aber in der CDU bleibt das Argument vorgeschoben: die Bereitschaft zur Akzeptanz von Muslimen, auch wenn sie unsere Werte (welche auch immer das sein sollen) teilen und die freiheitliche Gesellschaft akzeptieren, ist schlicht nicht da, und diese fehlende Bereitschaft ist nicht eben sonderlich gut versteckt.
Resterampe
a) Gewalt durch Sitzblockaden.
b) Für die Militärgeschichtsfans.
c) Die 2000er sind da und wollen ihre dummen Features zurück.
d) Sehr guter Punkt zur Bildungspolitik.
e) Die indische Demokratie ist auch massiv gefährdet 🙁
f) Guter Punkt zur MINT-Diskussion.
g) Karl-Theodor zu Guttenberg: Ex-Minister spricht über Depression nach Rücktritt. Glaub ich sofort; es ist ein unerbittliches System.
h) Exzegese von Scholz‘ Chinabesuch.
i) Wenig überraschend: Claudia Pechstein muss nach CDU-Auftritt in Uniform Geldbuße zahlen.
l) Wie die „freie Meinungsäußerung“-Partei AfD gegen politische Gegner*innen vorgeht.
m) Die Bestimmungen der Stadt München zum Gendern. Was für ein Clusterfuck. Das kommt halt raus, wenn du aus populistischem Blödsinn heraus solche Gesetze raushaust. Siehe auch die rechtliche Lage in Hessen: Abitur: Gender-Sonderzeichen als notenrelevante Fehler – ohne gültige Rechtsgrundlage?
o) Sehr, sehr lesenswerter Artikel über „Pink Slime“ im Journalismus.
p) Sehr guter Beitrag von Sebastian Schmidt zur Reform des Schulsystems.
q) First AI came for the grunts…. Sehr guter Punkt.
r) Wie irgendjemand Schäuble glauben kann, er habe nicht gewusst, dass die schwarzen Kassen illegal sind, ist mir auch unbegreiflich. Völlig lachhaft.
s) Ziemlicher Verriss von Söders Chinareise.
Fertiggestellt am 21.04.2024
(f – Guter Punkt zur MINT-Diskussion)
Sehr merkwürdiges Argument. Man muss eine Geisteswissenschaft studiert haben, um eine moralische Position zu den Fragen unserer Zeit haben zu können?
Ich glaube eher, da hat jemand weder die Geisteswissenschaften noch die MINT-Fächer verstanden.
Ja, an der Stelle habe ich kurz laut gelacht. Als befähigte (nur) eine geisteswissenschaftliche Ausbildung dazu, ethische Fragen betrachten zu können. Hybris und Selbstüberschätzung galore.
Vor allem, wenn man bedenkt, wie kritisch Themen wie AI oder digitale Überwachung schon vor Jahrzehnten von technisch orientierten Menschen betrachtet wurden – lange bevor viele andere wussten, dass es diese Themen gibt.
Auch nicht mehr Hybris als zu glauben, ausschließlich MINT könnte die Welt retten.
Von ausschliesslich hat niemand gesprochen. Strohmann.
Es spricht auch niemand davon, dass nur Geisteswissenschaften ethische Argumente bringen können. Strohmann.
Ach, dann betrachtest Du das verlinkte Posting unter f) als falsch? Gut, sag das doch gleich. Es macht (indirekt) genau dieses Argument.
Das steht doch da gar nicht?
„Lotta reasons to look askance at STEM (namely as a defense contractor/big pharma employer pipeline) but de-emphasizing humanities is actually bad when we face so many ethical questions in our current milieu from state secrets to AI and information accumulating at unforeseen rates“
Wo liest du da, dass NUR die Geisteswissenschaften diese Fragen beantworten könnten?
… but de-emphasizing humanities is actually bad when we face so many ethical questions…
impliziert, dass die MINTler die damit verbundenen ethischen Fragen ohne ihre Kollegen aus den Geisteswissenschaften nicht beantworten können. Und das ist schlicht BS.
Das lese ich da nicht. Aber es sollte wohl unstrittig sein, dass ethische Fragen bei den GW wesentlich mehr diskutiert werden und dass diverse Inputs besser sind…?
Der Tweet deutet an, dass Geisteswissenschaftler ethische Fragen besser beantworten können als MINT-Absolventen, was ich für hanebüchen – oder sagen wir: stark erklärungsbedürftig – halte.
Naja, im Schnitt ist das glaube ich schon zutreffend – die einen beschäftigten sich da qua Beruf damit, die anderen nicht.
Germanisten und Historiker befassen sich nicht mit den moralischen Implikationen von AIs, andere Geisteswissenschaftler auch nicht. Sie haben auch gar nicht den methodischen Werkzeugkasten dafür.
Bleiben die Philosophen, bevorzugt die Philosophen mit einem fachlichen Schwerpunkt auf Ethik. Die kennen natürlich eine Reihe von methodischen Heransgehensweisen, aber befähigt sie das, sinnvollere Dinge über AI-Ethik zu sagen? Ich bezweifle es. Im Gegensatz zu ihrem Namen hat die Philosophie selbst nach Tausenden von Jahren noch keine großen Wahrheiten hervorgebracht. Bzw. dort, wo sie es getan hat, sind sogleich Einzelwissenschaften aus ihr hervorgegangen. Darum wirkt die Philosophie ja so seltsam abgehängt, wenn es um die spannenden Fragen der Zeit geht.
Ich halte das für eine ziemlich hybrisbeladene Pauschalisierung, ehrlich gesagt. Aber drehen wir das mal um: die KI-Spezialist*innen haben den Werkzeugkasten ja erst Recht nicht. Mein Punkt ist ja, dass wir BEIDES brauchen. Die Synthese wäre anzustreben, nicht Superioritätsdenken.
Ich habe selbst Philosophie studiert, zufälligerweise mit einem Schwerpunkt auf Ethik. Ein bisschen kenne ich mich aus.
Logiker haben nicht per se logischere Argumente, Ethiker nicht per se moralischere, Ästhetiker nicht ästherischere usw. Analog zur Volkswirtschaft könnte man die Philosophie vielleicht „the dismal study“ nennen. 🙂
MINT-Leute sind in meiner Erfahrung extrem gut darin, sich schnell in etwas einzuarbeiten. Die paar methodischen Überlegungen, die man für eine systematische ethische Betrachtung vielleicht noch braucht, sind in 10 Minuten vermittelt. Das fachliche Rüstzeug, um AI zu verstehen, dauert … etwas länger.
Die Synthese wäre anzustreben, nicht Superioritätsdenken.
Die Synthese würde bedeuten, dass sich ausgerechnet Geisteswissenschaftler ziemlich tief in Technik einarbeiten müssten. Ich bezweifle aus langjähriger Erfahrung wie Beobachtung sowohl die Fähigkeit als auch die Bereitschaft dazu. Und Leute, die sich oberflächlich „ethisch“ zu AI äussern, gibt´s wie Sand am Meer.
Die Notwendigkeit sehe ich nicht. Ich kann die ethischen Dimensionen der Atombombe auch ohne Kenntnisse der Kernphysik diskutieren. Die Funktionsweise ist für die Ethik ziemlich egal, das Resultat zählt dafür.
@ Stefan Sasse
Falls es Dich interessiert – hier ein schöner Text über Philosophie als Storytelling:
https://aeon.co/essays/philosophical-theories-are-like-good-stories-margaret-macdonald
Danke!
Die Mediziner-Ausbildung hat lange Zeit gänzlich ohne Ethik-Lehreinheiten stattgefunden. Gut, dass ich das ändert. Gilt auch (vielleicht noch mehr) für die Biologie.
Wer für eine solches Fach brennt, ist doch überzeugt, dass alles gut ist, was man machen kann. Bedenkenträger halten aus ihrer Sicht doch nur den Fortschritt auf.
Frage: Wenn man Ethik-Vorlesungen/-Seminare für sinnvoll hält – wer soll die leiten? Fachwissenschaftler oder vielleicht doch eher jemand mit philosophischem Hintergrund?
Tschuldigung, aber Ethik ist im Kern nichts anderes als Axiome plus stringenter Logik. Warum, glauben Sie, sind dafür Philosophen besser qualifiziert, als Biologen oder Informatiker?
ist es nicht viel anmaßender, zu glauben, dass philosophie so ein lächerliches ‚laberfach‘ sei, bei dem man auch als unqualifizierter einfach auf augenhöhe mitreden kann.
MINTler die das tun, sind vielleicht nur das äquivalent von irgendwelchen flat earth spinnern oder sonstigen, die denken sie haben in der garage den neuesten naturwissenschaftlichen durchbruch errungen.
Fast alle grossen Philosophen Europas haben niemals oder nur als Nebenfach Philosophie studiert. Das „Laberfach“ stammt von Ihnen – dank dafür – und Ihre unqualifizierte Meinung zu MINTlern haben Sie jetzt demonstriert, Glückwunsch dazu.
man muss sich nur fragen, ob die mintler diesen schlages quasi a priori glauben, zu allem befähigt zu sein, oder ob es eine erworbene deformation professionelle ist.
dass es viele von ihnen gibt, steht dagegen außer frage.
Gibt wahrhaft genügend „MINTler“, die in der Philosophie auch aktuell signifikante Beiträge liefern: Richard Dawkins, Murray Gell-Mann, Lynn Margulis, Marvin Minsky,….
In die andere Richtung (naturwissenschaftlich ‚ambitionierte‘ Geisteswissenschaftler) hingegen landet man sehr schnell bei Leuten, die einem quantenschwingende Resonanz-Heilkristalle aufschwätzen wollen.
Oder Max Tegmark, eigentlich Physiker, mir aber vor allem bekannt als Mitorganisator eines beeindruckenden Denkrahmens zu AI-Fragen.
angenommen das stimme, macht das den habitus der hoffart unter den mintlern auch nicht weniger verbreitet.
besonders ironisch ist, da richard dawkings zu nehmen, der für niemanden ein beispiel der mäßigung ist.
unter dem strich heißt es also: nein, nein. mintler liefern selbst zu geisteswissenschaftlichen fragen erhebliche beiträge, während der umgekehrte fall bloßer humbug ist.
da beißt sich die katze in den schwanz, könnte man meinen.
aber in einem punkt gebe ich absolut recht: alles was mit ökonomie zu tun hat, verschafft der geisteswissenschaft einen enorm schlechten leumund. zuviele kasper.
Ökonomie ist keine Geisteswissenschaft, sondern ein Sozialwissenschaft.
Auf jeden Fall aber keine Naturwissenschaft 🙂
1) Mit Lisa Paus ins Kafka-Jahr
Die Vorwürfe an Lisa Paus sind, dass sie die Absichten der Ampel und die Vorgaben des Koalitionsvertrages nicht umsetzen will. Dort steht:
In einem Neustart der Familienförderung wollen wir bisherige finanzielle Unterstützungen – wie Kindergeld, Leistungen aus SGB II/XII für Kinder, Teile des Bildungs- und Teilhabepakets, sowie den Kinderzuschlag – in einer einfachen, automatisiert berechnet und ausgezahlten Förderleistung bündeln.
https://www.fdp.de/sites/default/files/2021-11/Koalitionsvertrag%202021-2025_0.pdf
Ganz klar: Es war keine Ausweitung des Sozialstaates mit der Kindergrundsicherung gemeint, sondern eine zielgerichtetere Adressierung der bisher bestehenden Leistungen. Die Familienministerin hat das umgekehrt.
Die erklärte Fachfrau für Finanzfragen weigerte sich über Monate, ihre Forderung von 12 Milliarden Euro Mehrausgaben gegenüber ihrem formalen Chef Olaf Scholz und dem Finanzminister Lindner zu begründen. Ihre einzige Rechtfertigung: Die Veröffentlichung der Details würde dazu führen, dass der Vorschlag zerredet würde. Eine erbärmliche Begründung in einer Demokratie. Als sie die später die geplanten Mehrausgaben auf die Spannbreite von 3-7 Milliarden Euro reduzierte, folgte das gleiche Spiel. Bis heute weiß die Öffentlichkeit nicht, wie diese Zahlen zustandegekommen sind.
Auch den eigentlichen Ansatz der Kindergrundsicherung verletzt Paus mit ihrem wenig spezifierten Vorschlag. Bürokratieabbau mit mehr Bürokraten betreiben zu wollen, ist ein so eklatanter Widerspruch, der selbst den Linken in ihrer Partei, der Parteichefin Ricarda Lang und der Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge, aufging und sie die Familienministerin öffentlich zurechtwiesen. Jedenfalls, die Fachpolitiker aller (!) Fraktionen im Deutschen Bundestag sind entsetzt, was für ein furchtbares Stückwerk die Berlinerin als Gesetzesentwurf abgeliefert hat.
Die einzige Möglichkeit zum Bürokratieabbau, den die FDP hat, ist, keine neuen Beamtenstellen und Sozialleistungen zu bewilligen. Und den Job macht sie inzwischen. Der Tankrabatt war übrigens ein eng zeitlich befristete Maßnahme, als die Energiepreise durch die Decke schossen. Die Nachgeburt, das Deutschlandticket wie die geplante Kindergrundsicherung, sind auf Dauer angelegte Mehrausgaben des Staates. Äpfel und Birnen.
4) Schule und Gesundheit: Lasst die Jugendlichen länger schlafen!
Nicht nur in Deutschland, in sehr vielen Ländern beginnt die Schule zwischen 7 und 8 Uhr morgens, so z.B. in den USA. Ein späterer Schulbeginn hat dann auch Auswirkungen auf den weiteren Tagesverlauf. Viele Länder haben anders als Deutschland Ganztagsschulen. Um 9 Uhr beginnen und um 12:30 Uhr Mittag machen, kommt vielleicht der Worklife-Balance von Lehrern entgegen, aber kaum dem Schulerfolg.
Das kommt meiner worklifebalance null entgegen. Für mich ist der frühere Schulstart WESENTLICH besser. Aber klar, pflege ruhig weiter deine vorurteile.
Das tue ich, danke. 😉
1) Mit Lisa Paus ins Kafka-Jahr
Josefine K. … muss mit insgesamt acht verschiedenen Behörden Kontakt aufnehmen, um die staatliche Unterstützung zu erhalten, die ihr zusteht.
Das ist das Ergebnis unseres ausufernden Sozialstaats. Jeder flickt irgendetwas dran, jeder legt noch irgendetwas drauf, noch eine „Wohltat“ hier, noch eine „Wohltat da“, und fertig ist das Monster. Ich habe hier (ohne dass es mir von der linken Fraktion geglaubt wurde) schon öfter kundgetan, dass es mir nicht darum geht, Bedürftigen Geld wegzunehmen. Aber wieviel Geld hätte man über, wenn man diese bürokratischen Auswüchse nicht hätte?
Der oft wiederholte Vorwurf an Paus ist, dass sie schuld am aktuellen Dilemma sei, weil sie 12 Milliarden gefordert hätte, wo Lindner nur 2 Milliarden geben wollte.
Ja, ja …
Jeder, der glaubt, dass „mehr Geld“ für was auch immer die Lösung unserer Probleme sein kann, liegt falsch. Und jeder, der die armen Bedürftigen bedauert, weil sie sich mit solch einer Bürokratie auseinander setzen müssen, sollte verstehen, dass die Bürokratie für Unternehmen viel aufwendiger und die Bewältigung viel teurer ist, ohne dass es anschließend Geld vom Staat gibt.
3) Faschisten wollen Future
Sie argumentieren, dass eine zu oberflächliche Verwendung des Faschismusbegriffs dazu führen kann, die spezifischen Gefahren des gegenwärtigen Rechtsextremismus zu unterschätzen.
Zustimmung, und Danke für den Link.
5) Gute Muslime, schlechte Muslime
Nichts gegen Glauben; wer’s braucht… Aber ich lehne Religionen grundsätzlich ab – JEDE!
Während ich noch keine Christen kennengelernt habe, die Straftaten mit ihrem Glauben begründen, sind mir schon einige wenige Muslime begegnet, die da anders tickten, und die glaubten, aus religiösen (und oft damit verbunden, aus rassistischen/kulturellen) Gründen über dem Staat zu stehen; nicht sie als Individuum, sondern sie als Muslim.
Da ich Religion ablehne, ist mir die Zugehörigkeit zu einer Religion weitestgehend schnuppe, solange mir niemand damit vor der Nase herumfuchtelt; das gilt für „unterdrückte“ Muslime genauso wie für „Zeugen Jehovas“ o.ä.
a) Gewalt durch Sitzblockaden.
Gewalt bedeutet nicht zwingend Aktivität – maßgeblich ist, ob körperlich wirkende Macht über eine andere Person ausgeübt wird.
Da kann ich folgen; ob Klimakleber oder neuzeitliche Bauernaufstände
1) Ja, aber das ist ja gar nicht das Thema an der Stelle?
5) Völlig bei dir.
a) Jepp.
@ Stefan Sasse 23. April 2024, 13:23
1) Mit Lisa Paus ins Kafka-Jahr
Ja, aber das ist ja gar nicht das Thema an der Stelle?
ich zitiere:
[Dieser bürokratische Prozess, der zwölf verschiedene Leistungen umfasst, kann monatlich erneuert werden und erfordert eine umfangreiche Einzelfallberechnung aufgrund seiner hohen Komplexität. Trotz der Herausforderungen wird nur ein Bruchteil der berechtigten Personen die vollen Leistungen beantragen, was zeigt, dass die Bürokratie oft abschreckend wirkt. ]
Das ist ein Ergebnis unseres Sozialstaats und des Wettbewerbs unserer Politiker, den „Armen“ etwas „Gutes“ zu tun – sowohl von den Leistungen als auch von den Strukturen her. Hier aufzuräumen, den Empfängern nstaatlicher sozialer Leistungen die Inanspruchnahme zu erleichtern, lässt sich nicht über Geld klären, ob es nun 2 oder 12 Mrd. Euro sind. Das sind nutzlose Diskussionen auf einer tieferen Ebene, das Feilschen um Nachkommastellen, obwohl das Vorzeichen noch nicht geklärt ist.
Ich bin da ja inhaltlich völlig bei dir, nur war das nicht der Punkt meines Beitrags 😀
5) „Während ich noch keine Christen kennengelernt habe, die Straftaten mit ihrem Glauben begründen“ Nicht alle Straftaten sind Terrorakte. Sowohl christliche Kirchenasyl-Aktivisten als auch einen christlichen Totalverweigerer (der aus der DDR) habe ich kennengelernt.
5) Gute Muslime, schlechte Muslime
Wenn Du so darauf beharrst, dass der Islam zu Deutschland gehört, dann sollte auch benannt werden, dass Salafisten, palästinensische Antisemiten, islamistische Terrorzellen, Ehrenmorde und arabische Clans zu Deutschland gehören. Das wäre konsequent. Die große Mehrheit sieht das wenig überraschend anders, weshalb gerade eine bürgerliche Partei sich schwer tut, Muslimen einen Blankoscheck auszustellen. Denn auch in der CDU weiß man: Ein Viertel der in Westeuropa beheimateten Muslime fremdelt mit der liberalen Ordnung und lehnt den Rechtsstaat als letzte Instanz ab.
Wenn Du so darauf beharrst, dass der Islam zu Deutschland gehört, dann sollte auch benannt werden, dass Salafisten, palästinensische Antisemiten, islamistische Terrorzellen, Ehrenmorde und arabische Clans zu Deutschland gehören .
Sorry, dass Argument hinkt, denn dann würden auch systematischer Kindesmissbrauch, sexualisierte Gewalt an Kinder und Jugendlichen und Vertuschung schwerster Straftaten auf Basis kirchlicher Regelungen zu Deutschland gehören.
Viele Leute in der Partei wollen grundsätzlich nicht akzeptieren, dass der Islam zu Deutschland gehören könnte, kein Islam, jemals.
Machen wir es konkret: Viele Leute in den OSTDEUTSCHEN Landesverbänden wollen das grundsätzlich nicht akzeptieren. In NRW, Hessen oder Baden-Württemberg ist aus der eigenen Landesgeschichte bedingt, der Widerstand nicht so groß. Im Landesverband NRW gibt es zunehmend Menschen muslimischen Glaubens die Mandate in Kommunen und im Landtag übernehmen und ihren Glauben mit den westlichen Werten in Einklang bringen.
Es wäre ganz einfach gewesen, die Union hätte sich im Grundsatzprogramm gegen jede Form religiösen Extremismus aussprechen können, aber da ist die Furcht vor einer sehr kleinen ultrareligiösen Gruppe, die nach nach wie vor finden, dass Menschen wie Kardinal Woelki einen tollen Job machen würden.
Das ist dann doch ein Stück unter Ihrem Niveau. Sie konstruieren ein „Ätschi-bätsch“ als Verteidigungsaufbau, was schwer zu verteidigen ist. Wir können uns gerne darauf einigen, dass 99 Prozent der Katholiken zu Deutschland gehören, wenn Sie sich darauf einlassen, dass ein Drittel der Muslime nicht zu Deutschland gehört – leider wissen wir nicht welcher Teil.
Welchen religiösen Extremismus meinen Sie? Es gibt hier nur den islamistischen Terrorismus. Dann können Sie das auch so benennen. Kardinal Woelki sieht sich im rechtstaatlichen Sinne als unschuldig. Vor allem basiert seine Rechtfertigung und Verteidigung nicht darauf, dass sein Glaube ihm Taten befohlen habe, die im rechtstaatlichen Sinne ahndungswürdig seien. Darüber hinaus wird er selbst in seiner Gemeinde abgelehnt. Woelki mit den Kölner Katholiken gleichzusetzen wäre so, als hätte ich jahrelang behauptet, auch Thilo Sarrazin gehöre zur SPD – wo doch mehrere Parteiausschlussverfahren und die Stimmung in den Landesverbänden klar zeigte, dass die meisten SPD-Mitglieder die Person wie dessen Thesen ablehnten.
Alle islamistischen Straftäter rechtfertigen ihre Terrortaten mit ihrem Glauben. Die antisemistischen Übergriffe werden fast lückenlos mit der angeblichen Überlegenheit des Islam gerechtfertigt.
Übergriffe auf Kinder sind keine Spezialität der katholischen Kirche. Sie gibt es bis heute in Jugendverbänden, in Gesangvereinen, in Sportclubs, in Schulen und Kindergärten. Bei Entdeckung brüsten sich weder die Täter noch rechtfertigen sie es mit höheren Mächten. Wo passt da der Vergleich mit dem Islam?
Die Begründung, eine bestimmte Religionsgemeinschaft „gehöre“ zu Deutschland ist an sich absurd. Deutschland ist wie sämtliche EU-Mitglieder ein christlich geprägtes Land. Die meisten, ob konfessionell gebunden oder nicht, neigen diesem Glauben zu, wir feiern zahlreiche christliche Feiertage, im Mittelpunkt der meisten Städte stehen immer noch christliche Bauwerke. Warum machen wir uns eigenlich keine Gedanken über die vielen asiatisch-stämmigen Menschen in diesem Land, warum lassen wir deren Glauben unerwähnt und warum fühlen sie sich dennoch nicht weniger integriert?
Warum beschweren sich eigenlich nur Muslime und warum betütteln wir sie so?
„Warum beschweren sich eigen(t)lich nur Muslime…?“
Berechtigte Frage. Tamilen in meinem Umfeld feiern ihre Feste, besuchen ihren Tempel, arbeiten und fallen weiter nicht auf. Kann man, glaube ich, auch für andere Religionen sagen.
Was besagt eigentlich die Formel: „gehört“ zu Deutschland?
Ich konnte damit noch nie wirklich etwas anfangen. Staatsrechtlich gibt es eine klare Definition, die hat aber nichts mit Merkmalen wie der Religion zu tun.
Point Taken. Mir ist die Pauschalisierung aufgestoßen, da sie ein komplexes Problem tendenziös vereinfacht.
Deutschland wandelt sich zunehmend in ein säkulares Land, zumindest was die christlichen Kirchen angeht. Was bleibt sind Feiertage und Folklore und schöne Gebäude. Hier steht uns innen nächsten Jahrzehnten noch ein ganz anderer Wandel isn Haus.
Die Zuschreibung von Religionen zu einem Land baut eher Hindernisse, als das es helfen würde. Es überhöht die Bedeutung von Religion, die diese nicht mehr haben sollte. Ich denke, was Christian Wulf damals sagen wollte ist, dass es auch normal ist, dass es in Deutschlanf relevante Minderheiten gibt, die eine andere religiöse Auffassung haben, aber ansonsten ganz normal wie jeder andere sein Glück machen wollen.
Die Extremformen des legalistischen oder gewalttätigen Islamismus sind mit den Mitteln des Rechtsstaats zu bekämpfen. Präventionsarbeit, Bildung und Arbeit sorgen dafür, dass Extremisten das Wasser abgegraben wird.
Deutschland wandelt sich zunehmend in ein säkulares Land.
Tut es das? Ich bin mir da nicht so sicher. Die Anzahl der registrierten Christen sagt hierzulande wenig über die Verbreitung des Glaubens aus, schließlich ist das Bekenntnis – typisch deutsch – mit einem Preisschild versehen. Man muss es sich leisten können, in der Kirche zu sein – und wollen. In Zeiten, wo die Sparquote steigt, ist es nicht verwunderlich, dass auch die Kirchenaustritte zunehmen.
Als eingefleischter Katholik stand ich tatsächlich in den letzten zwei Jahren auch an dem Punkt, ob ich noch Mitglied sein wollte. Das war, als Benedikt XVI. scheinbar gelogen hatte. Ich verstehe, dass die Missbrauchskandale der katholischen Kirche viele dazu bewegt haben, ihren Austritt zu erklären.
So wenig, wie sich bestreiten lässt, dass die Türkei und die Länder der arabischen Halbinsel stark vom Islam geprägt sind, so wenig lässt sich unsere kulturelle Prägung bestreiten – zu der eben auch unser religiöses Erbe gehört. Migranten entscheiden sich aber sehr nachrangig nach religiösen Gesichtspunkten für oder gegen ein Land. Wie wollen Sie sonst erklären, warum Muslime ausgerechnet Deutschland zum Sehnsuchtsort erwählen, wo wir doch eine enge Verbindung zum Staat Israel pflegen? Und warum fühlen sich die Migranten aus der lateinamerikanischen Welt so stark von den christlichen USA angezogen? Sie finden dort Glaubensbrüder.
Ich denke, was Christian Wulf damals sagen wollte ist, dass es auch normal ist, dass es in Deutschlanf relevante Minderheiten gibt, die eine andere religiöse Auffassung haben, aber ansonsten ganz normal wie jeder andere sein Glück machen wollen.
Wie kommen Sie darauf? Das ist eine sehr freie und eigenwillige Interpretation der Aussage.
Ich überlege, wie der Staat bei mir darauf hingewirkt hat, dass ich kein Extremist wurde. Meine Grundschullehrerin hat bestritten, dass ich für das Gymnasium geeignet sei. Der Direktor meines Gymnasiums fand den Verzicht auf ein Studium auch eine gute Idee. Der Berufsberater bei dem Arbeitsamt war so klug mir zu verkaufen, dass mein Studienwunsch keine Zukunft habe.
Ich finde, solche Präventionsarbeit hat zumindest bei mir hervorragend funktioniert. Nur aufgrund des mäßigenden Einflusses staatlicher Stellen war ich in der Lage, meinen Drang zu zügeln, Behörden abzufakeln und meine mich schikanierende Finanzbeamtin zu erstechen. Dafür bin ich heute noch dankbar.
Nehmen Sie’s mir nicht übel, aus eigener Anschauung bestreite ich, dass unser Staat eine nennenswerte Kompetenz besitzt, gesellschaftliche Fehlentwicklungen überhaupt nur anzugehen. In der Vergangenheit haben sie Extremisten nicht einmal erkannt, wenn sie sie unter Beobachtung hatten.
Warum hat dieser eine – ja ziemlich nebulöse – Satz des Bundespräsideten eine solche Resonanz erfahren? Überschwänglich postitiv auf der einen, ebenso negativ auf der anderen Seite.
Vielleicht kommen wir der Sache näher, wenn wir darauf eine Antwort finden.
Das ist im Kern sehr einfach: Weil das, was die meisten Leute über den Islam wissen oder zu wissen glauben, nicht zu ihrem Bild von Deutschland gehört.
Übrigens ist das eine der Einstellungen, die mit mehr Wissen nicht besser wird. Seitdem ich mir 2014 den vollständigen Koran auf deutsch besorgt habe, ist meine Skepsis gewaltig gewachsen. Das ist ein durch und durch gewalttätiges und menschenfeindliches Pamphlet, als politische Schrift wäre der Koran wegen Volksverhetzung verboten (und die Bibel eben nicht).
De facto beruht das Plädoyer der Progressiven für Akzeptanz des Islam auf der – möglicherweise irrigen – Grundannahme, der würde für die Leut früher oder später keine praktische Rolle mehr spielen. Und davon bin ich a) nicht mehr vollständig überzeugt, b) geht er von der noch zu beweisenden Standfestigkeit einer liberalen Gesellschaft aus und c) wird selbst der Schaden, der in einer Übergangszeit entsteht, erheblich werden.
Gruss,
Thorsten Haupts
„(und die Bibel eben nicht)“ Wenn Sie das glauben, sollten Sie sich auch eine Bibel zulegen (und lesen). Wahrhaft genug gewalttätiges und menschenfeindliches.
Nennen Sie mir doch bitte eine Stelle, die offen zur Gewalt gegen Anders- oder Nichtgläubige aufruft? Oder offen zur Unterdrückung von Frauen? Ich nehme dafür gerne auch das alte Testament, obwohl das für die Hälfte der Christen keine Glaubensgrundlage mehr darstellt.
Ich meine explizit NICHT Darstellungen von irgendwann von irgendwem begangenen Grausamkeiten, die würde ich auch dem Koran nicht übel nehmen.
Also? Muss nach Ihrer Darstellung doch ganz einfach sein?
Gruss,
Thorsten Haupts
Wie wäre es mal für den Anfang mit 5. Mose 13
7 Wenn dich dein Bruder, deiner Mutter Sohn, oder dein Sohn oder deine Tochter oder deine Frau in deinen Armen oder dein Freund, der dir so lieb ist wie dein Leben, heimlich überreden würde und sagen: Lasst uns hingehen und andern Göttern dienen, die du nicht kennst noch deine Väter, 8 von den Göttern der Völker, die um euch her sind, sie seien dir nah oder fern, von einem Ende der Erde bis ans andere, 9 so willige nicht ein und gehorche ihm nicht. Auch soll dein Auge ihn nicht schonen, und du sollst dich seiner nicht erbarmen und seine Schuld nicht verheimlichen, 10 sondern sollst ihn zum Tode bringen. Deine Hand soll die erste wider ihn sein, ihn zu töten, und danach die Hand des ganzen Volks. 11 Du sollst ihn zu Tode steinigen, denn er hat dich abbringen wollen von dem HERRN, deinem Gott, der dich aus Ägyptenland, aus der Knechtschaft, geführt hat,
Selbst diese Stelle ist weit entfernt von einem Gewaltaufruf gegen andere Menschen, nur weil diese Menschen eine andere (oder, horrible dictu, keine anerkannte) Religion haben (!). Denn die zitierte Stelle setzt aktive Missionsarbeit eines sehr nahestehenden Menschen für seine (andere) Religion voraus, erst danach darf/soll man handeln.
Machen Sie gerne weiter, ich führe diese Debatte jetzt schon sporadisch seit mehr als 10 Jahren.
No true scotsman… aber was solls bleiben wir beim Deuteronomium (Diesmal Kap 17):
2 Wenn in deiner Mitte, in einer deiner Städte, die dir der HERR, dein Gott, geben wird, jemand gefunden wird, Mann oder Frau, der da tut, was dem HERRN, deinem Gott, missfällt, dass er seinen Bund übertritt 3 und hingeht und dient andern Göttern und betet sie an, es sei Sonne oder Mond oder das ganze Heer des Himmels, was ich nicht geboten habe, 4 und es wird dir angezeigt und du hörst es, so sollst du gründlich danach forschen. Und wenn du findest, dass es gewiss wahr ist, dass solch ein Gräuel in Israel geschehen ist, 5 so sollst du den Mann oder die Frau, die eine solche Übeltat begangen haben, zum Tor hinausführen und sollst sie zu Tode steinigen.
… und wenn Sie jetzt sagen, da geht es ja nicht um „Meinung“ sondern „Anbetung“, dann wird es echt dämlich.
Will nicht kleinlich sein und darauf hinweisen, dass der Text sich ausdrücklich und expressis verbis auf „Israel“ beschränkt und akzeptiere, dass man auch das alte Testament wegen Volksverhetzung verbieten müsste.
Wird die evangelischen Christen freuen, die sind davon nicht betroffen. Im Neuen Testament gibt es übrigens tatsächlich keine passende Stelle 🙂 .
Ich liste hier mal bei passender Gelegenheit auf, was der Koran seinen Gläubigen (yup, auch den Nicht-Fundamentalisten) so vorschreibt.
Gruss,
Thorsten Haupts
… die Union hätte sich im Grundsatzprogramm gegen jede Form religiösen Extremismus aussprechen können …
Welcher jüdische, christliche oder buddhistische Extremismus in Europa ist Ihnen bekannt, bei dem eindeutig in den grundlegenden Schriften so geäusserte Anordnungen Gottes dazu genutzt werden, Terroranschläge und Mord im Namen der Religion zu verüben? Heute bitte, nicht vor 200 Jahren.
Gehört DAS Christentum zu Deutschland, wo Evangelikale Extremist*innen gemeint sind?
Welche evangelikalen Extremisten, lieber Stefan, sind Dir in Europa begegnet, die im Namen ihrer Religion morden, bomben und brandschatzen?
Nordiren
Anders Breivik war m.W. auch in einer nationalistisch-esoterisch-christlichen Splittergruppe (irgendwas mit Templern?).
Ernstgemeinte Frage: Haben die beiden großen Gruppen Nordirlands überhaupt jemals Bezug auf die jeweilige Religion genommen? Es ist bzw. war ja im Wesentlichen ein Kampf der Unionisten/Monarchisten (historisch bedingt halt Protestanten) gegen die Republikaner (historisch bedingt halt Katholiken).
Für mich war der Nordirland-Konflikt immer der am wenigsten religiöse Konflikt, den es je zwischen zwei unterschiedlichen religiösen Gruppen gegeben hat.
Das gilt für die meisten Islamisten doch auch. Letztlich ist der Bullshit immer nur vorgeschoben.
IRA-Leute haben nie behauptet, einen Gottesstaat errichten zu wollen, was das erklärte Ziel vieler, wenn nicht aller Islamisten ist. Ich kann im Nordirland-Konflikt abgesehen von den bequemen Etiketten „Protestant“ und „Katholik“ wirklich nichts Religiöses erkennen.
Das gilt schon für den 30jährigen Krieg. Ob es für die Religionskriede in Frankreich und Britannien gilt – da bin ich mir nicht sicher.
Jein, im 30jährigen Krieg gab es genug Leute, die die Religion ernstnahmen. Das ist halt verwoben: Machtpolitik UND Religion. Im Zweifel gewann die Macht 😉
Richtig; und was da so behauptet und nicht behauptet wird ist eher wurscht. Beruht eh auf Lügen, was namentlich im „Religiösen“ üblich ist. Bei säkularen Ideologien, die die Nachfolge der Konfessionen angetreten haben, ist das indes nicht wesentlich anders. Im Kern steht ggf. die affektive Kriegslüsternheit, sodann kommen allerlei Religionen und/oder Ideologien als Ausrede. Es handelt sich Beiwerk der Affekte, um Girlanden.
Der ideologische Salat in der im Thread angesprochenen Irland-Sache dürfte verschiedene Zutaten haben, zu denen auch die altertümliche Konfessionsfrage gehört. Das kann man IMHO nicht einfach rausoperieren im Sinne eines naiv-säkularen Wunschdenkens. Dementsprechend gab es – wie üblich – bei der IRA diverse Spaltungen und Fraktionen; die marxistische Gewürzküche war u.a. auch vertreten. Die „Provisionals“ (ab ’69) mit Sitz in Dublin haben sich jedenfalls kompromisslos als Arm der bestehenden Republik verstanden, die Nordirland-Konstruktion war nach deren Auffassung illegal und damit indiskutabel.
Und was die Republik angeht, kann man in deren Verfassung (1937) das nachlesen:
In the Name of the Most Holy Trinity, from Whom is all authority and to Whom, as our final end, all actions both of men and States must be referred,
We, the people of Éire,
Humbly acknowledging all our obligations to our Divine Lord, Jesus Christ, Who sustained our fathers through centuries of trial,……und so weiter.
Natürlich könnte Quark dieser Art von Protestanten auch unterschrieben werden; die theologischen Differenzen sind eh Pipifax. Jedenfalls hat der Staat dieser Verfassung also mit Gott nichts, aber auch gar nichts zu tun^^.
In der Verfassung waren Abtreibung und Ehescheidung ausdrücklich verboten. Vermutlich ein reiner Zufall, dass das mit traditionellen Auffassungen der Katholen übereinstimmt. Die übelsten gottesstaatlichen Gifte der Republik sind mittlerweile nach säkularen Kulturkämpfen beseitigt worden – nach dem Bürgerkrieg, ist noch nicht so lange her und die Kirche findet das alles andere als gut. Der Begriff Gottesstaat dürfte also nicht völlig absurd sein; mindestens historisch. Aber historisch sind im diesem Falle wenige Jahrzehnte.
In Deutschland gibt es so 1,5 Millionen Evangelikale. Extremismus und Verfassungsfeindlichkeit erkennt der Bundesverfassungsschutz hier jedoch nicht.
Ein paar Fakten:
Über die Hälfte der Muslime weltweit möchte die Scharia statt weltlicher Gesetze und Richter. In Europa liegt der Anteil der Muslime, welche die Scharia über das Gesetz setzen, bei 25-30 Prozent.
70 Prozent der über 65jährigen Frauen islamischen Glaubens tragen das Kopftuch. Sie wollen dabei zu 92 Prozent ihrem Glauben in der Öffentlichkeit frönen und als Muslima erkannt werden. Das schulische Bildungsniveau ist ab dem 16. Lebensjahr schlechter. Über die Hälfte der hier lebenden Muslime lehnt homosexuelle Paarbeziehungen ab. Sonst sind es nur 20-30 Prozent. Nur zwischen 16 und 18 Prozent der muslimischen Frauen sind voll erwerbstätig, bei den Christen sind es fast doppelt so viele. Zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen gibt es nur wenige regelmäßige Kontakte, zwischen 80 und 85 Prozent hat keinen Bezug.
https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Forschung/Forschungsberichte/fb38-muslimisches-leben.html
https://www.sueddeutsche.de/panorama/islam-in-deutschland-was-studien-ueber-muslime-erzaehlen-1.3925342
Der Islam gehört zu Deutschland?
Und irgendwas zwischen 15 und 25% der in Deutschland lebenden Muslime haben in Umfragen angegeben, es gut zu finden, dass man ihre Religion auch (physisch) gewaltsam verbreitet. Das sind bei 20% etwa 1,1 Millionen der hier lebenden Muslime …
Ich widerhole mich – ich möchte diese Leute nicht hier. Und sie gehören auch nicht nach Deutschland.
Aufgrund einer Aussage in einer Umfrage – was folgt daraus, rechtstaatlich? Wegwünschen hilft nicht, man muss mit ihnen umgehen.
Ihr letzter Satz macht mich regelrecht wütend (wofür Sie persönlich nichts können): Ey, wir haben sie gegen Ihren Willen hier eingeschleust, jetzt müssen sie halt mit ihnen umgehen.
Für Salafisten, Wahhabiten und anderes Kroppzeuges habe ich genau eines – (wegen Bloghygiene zensiert).
Gruss,
Thorsten Haupts
„Die Ergebnisse der Analysen zeigen, dass sich Musliminnen und Muslime im Hinblick auf die betrachteten Integrationsindikatoren kaum von Personen unterscheiden, die ebenfalls einen Migrationshintergrund aus den berücksichtigten muslimisch geprägten Herkunftsländern haben, die aber einer anderen Religion angehören.“
c) Die 2000er sind da und wollen ihre dummen Features zurück.
Inzwischen gibt es ja viele Youtube-Dokumentationen, wie viel Geld eine Familie im Bürgergeldbezug über Monate sparen kann. Da kommen schon schöne Tausenderbeträge zusammen.
m) Die Bestimmungen der Stadt München zum Gendern. Was für ein Clusterfuck. Das kommt halt raus, wenn du aus populistischem Blödsinn heraus solche Gesetze raushaust. Siehe auch die rechtliche Lage in Hessen: Abitur: Gender-Sonderzeichen als notenrelevante Fehler – ohne gültige Rechtsgrundlage?
Als Du vor einiger Zeit mit Beispielen konfrontiert wurdest, in denen das Nicht-Gendern zu Punktabzügen in Klausuren führte, rechtfertigtest Du das mit dem Hinweis, dass es immer üblich war, das Durchbrechen von Schreibregeln an der Uni zu ahnden. Jetzt geht es um die Einhaltung der Duden-Schreibweisen, und da ist der Punktabzug nicht in Ordnung.
Du bist eben ein großer Fan des Genderns.
Ich will an der Stelle vor allem den Gedanken der Bewegung und Energie hervorheben, den Markwardt formuliert: das auf die Zukunft gerichtete geht unserer Politik schließlich gerade wirklich komplett ab.
Weil die Zukunftserzählung von Verzicht und Einbußen geprägt ist. Es holen uns nun Themen ein, die Jahrzehntelang geschoben wurden und nicht mehr aufgeschoben werden können, da sich als Verteilungkämpfe bemerkbar machen werden: Die Herausforderungen sind vielfach wie auch fundamental: Rente und Pflege, Sicherheit und Verteidigung, beschleunigter Strukturwandel infolge der Digitalisierung und KI, Klimawandel und Artensterben. Die Ultra-Rechte verspricht ein Weiterso ohne lästige Einschränkungen und den etablierten Parteien fehlt das Vertrauen der Menschen zu echten Lösungen, weil sie viel zu lange aus Bequemlichkeit die VErschleppungstaktik mitgemacht machen.
Insofern brauchen die Parteien mutiges Personal die sich aufmachen, die HErausforderungen anzugehen und auch ideologische Grenzen überwinden. Wie gut das gehen kann sieht man z.B. in NRW und auch in Schleswig Holstein.
Zu 1)
Der oft wiederholte Vorwurf an Paus ist, dass sie schuld am aktuellen Dilemma sei, weil sie 12 Milliarden gefordert hätte, wo Lindner nur 2 Milliarden geben wollte. Nur: das ist ein sinnloser Vorwurf.
Nope, das ist nach dem Koalitionsvertrag ein absolut berechtigter Vorwurf. Die Kindergrundsicherung sollte (nur) bestehende Leistungen bündeln, deren Beantragung vereinfachen und die Bewilligung automatisieren. Das kann initial (einmal) Geld für die Anpassung der IT- und Organisationsstrukturen kosten, aber kaum 12 Milliarden jedes Jahr in Preisen von 2022 zusätzlich.
Darüberhinaus war Paus entweder ausserstande oder unwillig (ich vermute ersteres), ihre willkürlich in den öffentlichen Raum geblasenen Zahlen jemals zu begründen, zu detailieren oder sonstwie plausibel zu unterfüttern. Seltsamerweise haben die Ihr zugeneigten Medien (alle linksliberalen plus der ÖRR) darüber niemals berichtet …
Nach meinem inzwischen verfestigten Eindruck ist die gute Frau schlicht als Ministerin unfähig und sollte dringend abgelöst werden. Shit happens.
Gruss,
Thorsten Haupts
Darüberhinaus war Paus entweder ausserstande oder unwillig (ich vermute ersteres)
Wenn man vor der Beurteilung steht: Unfähigkeit oder böser Wille? … ist es tatsächlich sehr oft Unfähigkeit. 🙂
a) Das ist gar nicht Thema meines Kommentars.
b) Auch Lindners Zahl ist unbegründet, die passt dir politisch nur besser.
c) Das gleiche könnte ich über wissing sagen.
@ Stefan Sasse 23. April 2024, 13:28
Auch Lindners Zahl ist unbegründet, die passt dir politisch nur besser.
Mag sein, dass diese Zahl ebenfalls unbegründet ist, aber sie wurde direkt (als Summe) oder indirekt (über das vereinbarte Projekt und dazugehörige Kostenrahmen) vereinbart. Frau Paus agiert völlig losgelöst von jeglicher Vereinbarung.
Mag sein, dafür kenn ich mich mit dem Vertrag zu wenig aus.
Zu 3)
… das auf die Zukunft gerichtete geht unserer Politik schließlich gerade wirklich komplett ab.
Und das auf der Basis einer wirklich weitverbreiteten Desinformation unter Jüngeren über Gegenwart und Vergangenheit.
2 Kollegen meiner Altersgruppe und ich hatten vor einigen Monaten das „Vergnügen“, eine ganze Kohorte sehr junger Kolleginnen und Kollegen im Office darüber aufzuklären, unter welchen Bedingungen wir grosswurden und was es u.a. in den siebzigern und achtzigern Familien kostete (Einschränkungen ihrer Lebensqualität), Hauseigentum zu erwerben. Die jungen Leute standen (alle!) unter dem Eindruck, ihnen ginge es deutlich schlechter, als Vorgängergenerationen … Wir hatten richtig Arbeit, die Legenden und Mythen zu korrigieren. Vermutlich nicht nachhaltig, weil in deren Zirkeln diese Mythen und Legenden als „Fakten“ kursieren.
Gruss,
Thorsten Haupts
Richtig, ja.
Zu 5)
Viele Leute in der Partei wollen grundsätzlich nicht akzeptieren, dass der Islam zu Deutschland gehören könnte, kein Islam, jemals. Ob reformiert und liberal oder nicht.
Yup, einfach mal ne Behauptung raushauen. Hast Du dafür seriöse Belege?
Der ständige Versuch, anderen Leuten vorschreiben zu wollen, wie sie zu leben und zu glauben hätten …
kommt in Deutschland inzwischen vorwiegend von fundamentalistischen Interpreten des Islam inklusive des saudischen Wahhabismus und ist eine grosse, akute und wachsende Gefahr für unsere liberale Demokratie. Genau deshab will ich diese Leute nicht bei uns haben.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich werde mit Sicherheit nicht für den fundamentalistischen Islam argumentieren. Das Problem – und nur darüber schreibe ich – ist die Gleichsetzung von „der Islam“ mit „fundamentalistischer Islam“.
Dann hat das neue CDU-Programm das ja richtig gemacht 🙂 .
r) Stephan Lamby:
„Spätestens 1999/2000, als Helmut Kohl behauptete, illegal Geld von anonymen Spendern angenommen zu haben, hätte Schäuble sein Wissen über Kohls schwarze Kassen offenlegen müssen (erst 2015 hat er mir gg.über in einer ARD-Doku Andeutungen gemacht). Schäuble kann die Frage, warum er sein Wissen so lange für sich behalten hat, nicht mehr beantworten. Aber von Angela Merkel, 1999 CDU-Generalsekretärin, würde ich gerne wissen, ob ihr Kohls Machenschaften damals ebenfalls bekannt waren und wenn ja, warum sie und Schäuble während der Spendenaffäre das System der schwarzen Kassen in der CDU nicht aufgedeckt haben…“
https://threadreaderapp.com/thread/1777248810428670216.html
4) Schueler laenger schlafen lassen fuehrt nur dazu, dass sie spaeter ins Bett gehen und genauso unausgeruht am naechsten Morgen sind. Das wird ja jeden Winter gemacht. Waehrend die Winterzeit gilt, darf jeder morgens eine Stunde spaeter aufstehen. Machts einen Unterschied?
4) Was dabei gar nicht beachtet wird, ist, dass die Schultage durch späteren Beginn nicht kürzer werden (sollten). Das heißt, dass die Zeit am Ende wieder hineingeholt werden müsste. Und auch nach 16 Uhr fällt die Konzentration rapide ab.
5) Bei der (berechtigten) Entrüstung gegenüber islamischen Gewaltexzessen wird die „Buchhaltung des Todes“ gern übersehen: Betrachten wir jedoch nüchtern eine Bilanz des 21. Jahrhunderts bisher, so wurden mehr Muslime (lies Personen in muslimisch geprägten Ländern) durch Christen (Personen aus christlich geprägten Ländern) getötet als umgekehrt – dank einer Serie christlich-kapitalistischer Religionskriege von Afghanistan bis Syrien.
a) Der Artikel ist eine Replik auf diesen Beitrag:
https://verfassungsblog.de/sitzen-ist-keine-gewalt/
Ich bin der Ansicht, dass Gewalt „gegen Abläufe“ eine Fehlkategorie. Hat der Lieferwagenfahrer, der morgens die Straßenbahngleise blockiert und bei mir eine Verzögerung verursacht hat gegen mich Nötigung/Gewalt betrieben ? Der Bahnmanager, dessen Entscheidungen „meinen“ Zug an einem Niemandslandsbahnhof umkehren lassen (Pofalla-Wende)? Wäre beides auch in dieser Kategorie anzusiedeln.
f) Es ist doch bemerkenswert, dass die kritischen Stimmen zu den im Post erwähnten Themen „State secrets“ , „AI“ , „information accumulation“ eher aus MINT-Kreisen kommt (Beispiel: CCC) als aus den humanities, deren Aktivismus eher in andere Richtungen geht.
l) politische SLAPP-Klagen sind eine Unsitte; Schade dass du das nur bei der AfD und nicht auch bei einer FDP-Politikerin einsiehst.
m) Meinst du mit „Das kommt halt raus, wenn du aus populistischem Blödsinn heraus solche Gesetze raushaust.“ die allgemeinen Geschäftsanweisungen der Stadt München? Zitat: „Im dienstlichen Sprachgebrauch sind Texte aller Art, auch städtische Bekanntmachungen, Publikationen und Veröffentlichungen so zu formulieren, dass das Gleichstellungsgebot der Geschlechter sprachlich erfüllt ist und gemäß den Vorgaben des AGG keine Diskriminierung erfolgt. In der internen und externen Kommunikation ist auf einen geschlechterdifferenzierten Umgang und ggf. auf eine zielgruppenspezifische Ansprache zu achten.“
… christlich-kapitalistischer Religionskriege …
wurden nur auf der Flat Earth ausgetragen, auf der die Mondlandung im Studio stattfand.
Auf welchem Planeten hat dann George W. Bush einen „crusade“ ausgerufen, in einer Rede, wo mehrfach „God’s Grace“, „The Lord“ etc angesprochen wurde ?
Auf welchem Planeten existieren „christlich-kapitalistische“ Kreuzzüge und auf welchem Planeten hat ein US-Präsident das Mandat, solche zu erklären? Sie bewerten hier Kriegspropaganda in einem Ausmass über, das mich bei einem intelligenten Mitbürger wirklich erstaunt.
Es ist genau wie bei den Nordiren weiter oben, dem dreißigjährigen Krieg oder den Original-Kreuzzügen. Religion „nur“ ist ein identitätsstiftender Deckmantel, der dazu dient die machtpolitischen Gründe zu verdecken, die der eigentliche Kriegsgrund sind.
Und ja, Kapitalismus und „christlich-abendländische“ Identität bildeten in diesem Zusammenhang eine Ideologie-Allianz. Wenn Ihnen der Begriff Occidentalismus besser gefällt, kann ich auch diesen verwenden.
Wichtiger ist aber, dass in großen Teilen vom Rest der Welt die Kriegspropaganda genau so verstanden wurde, wie ich sie beschrieben habe – was negative Folgen für „unsere“ Glaubwürdigkeit bis heute hat.
… Religion „nur“ ist ein identitätsstiftender Deckmantel …
Erstens halte ich die Behauptung für ausgemachten Blödsinn – Religion spielte für lange historische Zeiträume eine echte und grosse Rolle im Denken und Handeln der Menschen. Und zweitens halte ich es für noch grösseren Blödsinn, ausgerechnet im Irak-Krieg hätte Religion identitätsstiftend gewirkt. Verkauft wurde der Krieg auch innerhalb der USA mit der Furcht vor chemischen oder atomaren Massenvernichtungswaffen in den Händen des Irak. Und nach meiner Kenntnis spricht einiges dafür, dass auch G.W. Bush an diese Begründung glaubte, weil er von seinem eigenen Geheimdienszt hinter die Fichte geführt wurde, genauso wie sein damaliger Aussenminister.
Die ganze Kreuzzugsrhetorik von Kriegsgegnern, beruhend auf sehr wenigen Einzeläusserungen hier und da, ist ausgemachter Quatsch. Es gab nie eine identifizierbare Kreuzzugskampagne der Kriegsbefürworter und es gab im Krieg selbst nie Anzeichen dafür, dass der Krieg als „Kreuzzug“ geführt wurde.
Gruss,
Thorsten Haupts
4) Korrekt. Aber bei einer Ganztagesschule könntest du eine kürzere Mittagspause haben. – Davon abgesehen gibt es ohnehin viel zu viele Unterrichtsstunden, aber das ist ein andres Thema.
f) Jepp.
l) FDP-Politikerin?
m) Ich meine das Verbot, weil es halt zu einem Kuddelmuddel und massiver Unsicherheit führt.
4) Fragt sich nur in welchen Fächern (siehe f), denn wie ich von verschiedenen Lehrern bestätigt bekommen habe: Jedes Fach ist das wichtigste.
l) Du hattest vor ein paar Monaten hier einen Artikel gepostet, der beschrieb, wie Strack-Zimmermann am Fließband Anzeigen wegen Beleidigung raushaut.
m) gebieten — verbieten. Schuld sind immer die anderen…
4) Ja, schrecklich.
l) Das ist doch ein völlig anderes Thema!
m) Meine Position ist: weder verbieten noch gebieten. Aber das ist den meisten wohl viel zu liberal.
Zu k)
… gegen rechts-israel, das die hamas als feind braucht, und gegen die hamas, die das enthemmte rechts-israel als feind braucht.
Entscheidende Korrektur dieses Schwachfugs: Für die Hamas ist völlig wurscht, wer in Israel regiert. Sie braucht kein „enthemmtes rechts-Israel“ als Feind, Israel alleine reicht. Die Hamas-Charta wurde entwickelt, als Israel von einer grossen Koalition aus Konservativen und Sozialdemokraten regiert wurde. Das macht Lindners tweet faktisch zu einer glatten Lüge.
Dieser Selbstbetrug auf der politischen Linken – man muss einem Gegner nur lange genug die eigene Wange zum Schlagen anbieten, dann wird der von selber friedlich – wird auf dieser Erde (wie von Realisten vorhergesagt) jetzt in hoher Geschwindigkeit tödlich.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ja, und verkompliziert wird das noch durch die Idioten auf der israelischen Rechten (ich sag nur Mord an Rabin…).
Zu a)
Nötigung ist strafbar, weil jemand einem anderen seinen Willen aufzwingt – körperlich durch Gewalt oder geistig durch Drohung.
Danke für diese Erinnerung an eine Selbstverständlichkeit. Nicht für Linke natürlich, aber die stellen in dieser Frage eine sogar verschwindend kleine Minderheit in Deutschland dar.
Zu c)
Man kann das – wohlwollend, wie hier ja schon öfter mal gefordert – auch als (etwas hilflosen, aber immerhin) Versuch lesen, sich wenigstens für einen kurzen Zeitraum mal in die materielle Lage eines anderen zu versetzen. Besser als nichts ist es allemal.
Zu h)
Kreml-Astrologie, China-Variante.
Zu m)
Kein Mitleid. Das hat man halt davon, wenn Mitglieder der eigenen Sekte eigenmächtig versuchen, Genderschreibweisen verbindlich in Fachbereichen deutscher Universitäten und deutschen Behörden (meine derzetige Stadt Bonn!) durchzusetzen. Wenn man dafür nicht mal ne überzeugend grosse, politische, Minderheit zusammenhat, schlägt die Mehrheit irgendwann zurück. Völlig zu Recht.
Gruss,
Thorsten Haupts
h) Jepp.
zu q)
Lustigerweise ist die Debatte nicht mal neu. Sie wurde schon vor Jahren geführt für die Sachbearbeiterebene grosser US-Anwaltskanzleien, wo für Basisleistungen, die man tatsächlich „relativ“ einfach automatisieren kann (Zusammenstellung von Akten, Zusammenstellung von Präzedenzfällen etc., also kopieren, lochen, abheften) absurde Stundensätze aufgerufen wurden (damals war von 400 US-Dollar die Rede).
Das sind natürlich die Bereiche, die als erstes wegfallen, genauso wie in der Produktion, wo als erstes rein repetitive, mechanische und „relativ“ einfache Arbeiten (Schweisspunke an immer denselben Stellen) an Roboter übergeben wurden. Das ist ja gerade das Versprechen der Automatisierung – die Erlösung des Menschen aus Arbeiten, für die er fast immer überqualifiziert ist.
Man kann das natürlich auch als Drohung betrachten, aber das hat mich noch nie überzeugt. Der Moment, in dem der Mensch für seinen Lebensunterhalt (und den Erhalt seiner heute weitgehend technischen Umwelt) nicht mehr arbeiten muss, sollte gefeiert und nicht verteufelt werden. Schritte dahin können soziale Verwerfungen auslösen (und fürchterliche Verteilungskämpfe), aber da muss die Menschheit durch.
Gruss,
Thorsten Haupts
Sehe ich ähnlcih.