Es ist dieser Tage (hoffentlich) allgemein bekannt, dass die Menschheit durch die Emission von CO2 die Erdatmosphäre aufwärmt und dass diese Entwicklung so bedrohliche Ausmaße angenommen hat, dass Gegenmaßnahmen notwendig sind. Allein, an dieser Stelle hört die Einigkeit auf. Welche Gegenmaßnahmen dies sind, in welchem Umfang und in welcher Geschwindigkeit sie zu erfolgen haben und wer die Kosten dafür trägt, all das ist Gegenstand heftigster politischer Auseinandersetzungen. In den westlichen Ländern hat sich die grundsätzliche Sicht durchgesetzt, CO2 als ein Gut zu betrachten, das künstlich verknappt werden muss, um auf diese Art und Weise die Gesamtemissionen zu reduzieren. Dabei werden vor allem drei Möglichkeiten diskutiert: das Verbot bestimmter CO2-Emissionen (etwa Zulassung neuer Verbrenner, Einbau neuer Gasheizungen, etc.); die Bepreisung von CO2-Emissionen (entweder direkt über eine CO2-Steuer oder über den Umweg sich stets verknappender, gehandelter Zertifikate); und zuletzt die Rationierung, also eine Zuweisung von Emissionszertifikaten. Natürlich gibt es keinen dieser drei Ansätze in Reinkultur und werden kombiniert. Aber es ist nützlich, diese drei Bahnen als Denkrichtungen zu unterscheiden, weil sie jeweils ihre eigenen Logiken und Konsequenzen mit sich bringen.
Auffällig ist auch die Gemeinsamkeit aller drei Ansätze: sie sehen kein direktes, selbstverantwortliches Handeln des Einzelnen voraus. Die Zeit der Freiwilligkeit ist vorbei. Angesichts der bisherigen Erfahrungen mit Plädoyers für „Selbstverantwortung“ und der Größe der Herausforderung ist das auch kein Wunder. Gleichwohl wird die Klimakrise – und ihre Bekämpfung – noch immer viel in individuellen und moralisierenden Framings diskutiert. Wie Simon Sahner in seinem großartigen Essay zu Nikolaj Schultz schreibt:
Hier zeigt sich noch einmal das grundsätzlich das Paradox: Die Klimakrise muss individuell bekämpft werden und sie kann nicht individuell bekämpft werden. Das bedeutet gleichzeitig, dass die meisten Menschen in Europa schuldig und unschuldig an der Klimakrise sind. In dieser Erkenntnis verbergen sich sowohl Sorge als auch Erleichterung. Vielleicht ist genau das die größte Herausforderung im Umgang mit dieser Krise: Die Gegensätze zu akzeptieren und mit ihnen zu leben ist unumgänglich, denn für die meisten Menschen, die diesen Text lesen, wird die Klimakrise für den Rest ihres Lebens Realität sein – egal, ob wir es schaffen, sie zu bremsen oder nicht. Das heißt, dass wir es schaffen müssen, die Klimakrise als gegeben zu akzeptieren, während wir sie bekämpfen. Die Klimakrise muss Alltag werden und darf es gleichzeitig nicht werden. Wer bei jedem Moment der Bewusstwerdung der Klimakrise in Panik verfällt und sich wie Schultz in Pariser Tropennächten von Schuldgefühlen geplagt im Bett wälzt, wird sich gelähmt fühlen. Wer sich an jedem sonnig warmen Tag zwischen November und März verzweifelt zurückzieht und sich in Schuldgefühlen ergeht, wird der Klimakrise ebenso wenig etwas entgegenzusetzen haben, wie derjenige, der sich nie bewusst macht, worauf diese Tage verweisen. Eben weil die Bekämpfung dieser Krise kein Sprint, sondern ein Marathonlauf ist, muss man mit seinen Kräften haushalten.
Ich gehe davon aus, dass die „Veralltäglichung“ der Klimakrise ohnehin kommen wird, ob wir das wollen oder nicht. Es lässt sich überhaupt nicht vermieden. In dem Ausmaß, in dem ihre Auswirkungen bei uns ankommen – ob mittelbar durch Geflüchtete, Lieferkettenstörungen und Ähnliche wirtschaftliche Verwerfungen oder unmittelbar durch Naturkatastrophen -, desto mehr wird sie ein permanenter Bezugsrahmen werden. Das wird auch Änderungen in den moralischen Kodices, nach denen wir leben, zur Folge haben. Die Scham, die manche möglicherweise bereits jetzt ob besonders emissionslastigem Konsumverhalten verspüren mögen, wird mit viel mehr Druck gesellschaftlich durchgesetzt werden, je mehr Menschen davon ausgeschlossen sind. Emissionen werden ein Luxus der Reichen werden, wobei die Frage, wer als „reich“ gelten darf, die eine oder andere Person überraschen dürfte, weil sie sinnvoll nur im globalen Maßstab gewertet werden kann. Branko Milanovic versucht sich in seinem Artikel „Climate change, covid and global inequality“ an einer Quantifizierung:
Who are the rich, viz. the global top decile? About 450 million people from Western countries, or the entire upper half of Western countries’ income distributions; some 30-35 million people from both Eastern Europe and Latin America, that is respectively about 10% and 5% of their total populations; about 160 million people from Asia or 5% of its population; and a very small number of people from Africa.
Und da haben wir die Crux. Rund die Hälfte der westlichen Bevölkerung gehört im globalen Maßstab zu den Reichen und wird am direktesten von der Einschränkung der Freiheit, CO2 emittieren zu können, betroffen sein. Da reich aber immer nur die anderen sind und Einschränkungen des eigenen Lebensstils immer unzumutbar sind, stehen hier massive politische Probleme ins Haus. Genau auf diese zielen die drei skizzierten grundsätzlichen Möglichkeiten ab; sie versuchen, dieses politische Dilemma zu adressieren.
Verbote haben den großen Vorteil ihrer Universalität und Fassbarkeit. Sie sind unmittelbar erlebbar und begreifbar und gelten für alle gleich. Genau das ist natürlich auch ihre große Schwäche: Sie sind in ihrer Urheberschaft direkt zuweisbar, sie sind in ihrer Wirkung empirisch überprüfbar und stellen wie ein Blitzableiter einen Fokuspunkt von Protest und Widerstand dar. Auf der Policy-Seite sind sowohl im Soll- als auch im Habenbereich ihre große Durchschlagskraft zu nennen: was verboten wurde, ist am Stichtag nicht mehr erlaubt und damit verbannt. Das garantiert einen hohen Wirkungsgrad, doch kann sich dieser schnell ins Gegenteil verkehren, wenn Alternativen nicht oder nicht hinreichend vorhanden sind oder wenn unvorhergesehene Sekundäreffekte eintreten (der klassische Fall dürfte die Entstehung organisierter Verbrechenskartelle in der Prohibition sein).
Bepreisungen haben den großen Vorteil, auf wirtschaftliche Mechanismen zurückgreifen zu können. Diese sind für die Verteilung knapper Güter – und genau als solches muss CO2 gesehen werden – prädestiniert und haben sich gegenüber allen anderen Methoden bewährt. Sie erfordern keine aktive Steuerung des Staates und diffundieren die Verantwortung komplett auf die Marktteilnehmenden, jedenfalls in dem Ausmaß, wie die Bepreisung unabhängig vom gesetzten Rahmen verläuft. Die Höhe einer CO2-Steuer oder die Menge verfügbarer CO2-Zertifikate bleibt ja staatlich festgelegt und muss auch staatlich nachgehalten werden, was einen wesentlich höheren Repressionsgrad voraussetzt, als Befürwortende gerne bedenken. Zudem hat eine Verteilung über Geld zwar den klaren Vorteil, die rationale Effizienz von Preismechanismen nutzen zu können; wie jeder Preismechanismus ist sie aber vollkommen blind gegenüber sozialen Härten, die wiederum entweder ignoriert oder von der Politik ausgeglichen müssen würden.
Rationierungen schließlich werden in westlichen Ländern bisher fast gar nicht diskutiert, weil sie mit der realsozialistischen Diktatur einerseits und den Härten des Kriegsalltags andererseits verknüpft sind. Sie haben den Vorteil, ähnlich wie Bepreisungen der harten binären Logik von Verboten (entweder komplett erlaubt oder komplett verboten) zu entgehen und durch künstliche Verknappung Effizienz in der Verteilung zu gewährleisten. Sie bringen allerdings eine wesentlich schwerere Hand des Staates mit sich, eine klarere Wahrnehmung von Verantwortlichkeiten und behandeln alle gleich – was man mit Blick auf die soziale Ausgestaltung als Vorteil sehen kann, was allerdings natürlich einiges der Effizienzvorteile von Bepreisungen nimmt.
Es mag etwas verwundern, Rationierung als dritte Option diskutiert zu sehen. Üblicherweise läuft die Debatte in Deutschland eher zwischen den Polen von Verboten oder Bepreisungen. Ich halte sie aber für ein unterdiskutiertes Mittel, das deutliches Potenzial hat. Wir im Westen sehen es als eine radikale, sogar extreme Maßnahme, weil sie mit Bezugsscheinen des Krieges verbunden ist und für uns die Überwindung der Rationierungssysteme zwischen 1945 und 1955 als so markanter psychologischer Einschnitt existiert. Gleichzeitig besteht natürlich wie auch bei Verboten die Gefahr der Umgehung dieser Maßnahmen. Branko Milanovic schreibt dazu:
Clearly, there may be a black market for gas or meat, but the overall limits will be observed simply because they are given by the total availability of coupons. Some people might think that rationing is extraordinary, and I agree with them. But it has been done in a number of countries under wartime, and at times even during peacetime conditions, and it has worked. If indeed we face an emergency of such “terminal” proportions as the advocates of climate change claim, I do not see any reason why we should not resort to extreme measures.
Er hat hier sicher einen Punkt: wenn die Herausforderung extrem ist – und das ist sie in meinen Augen – dann müssen auch entsprechend umfangreiche Gegenmaßnahmen diskutiert werden. Die Crux liegt in der Größe dieser Beschneidung. Denn daran scheitern ja die bisherigen Versuche, über moralische Appelle und Anpassungen des individuellen Verhaltens Fortschritte zu erzielen: der Veggieday, das Tempolimit, das Böllerverbot oder das 49-Euro-Ticket liefern zwar Beiträge zur Bekämpfung der Klimakrise, sie sind aber in Relation zur Größe der Aufgabe lächerlich klein, während sie gleichzeitig massive Widerstände hervorrufen. Dabei wären wesentlich drastischere Einschnitte notwendig; Milanovic skizziert in seinem Artikel etwa eine Reduzierung des Flugverkehrs um mehr als 60%.
Der Punkt, der mir dabei zu betonen wichtig ist: diese massive Reduzierung ist Gegenstand ALLER Ansätze. Es ist diese Stelle, an der mich die Diskussion ungemein frustriert. Ob wir verbieten, bepreisen oder rationieren ist für das Endergebnis egal: es steht dort eine deutliche Reduzierung. Unterschiedlich ist nur der Weg dorthin und die Konsequenzen für den Alltag. Um kurz beim Flugverkehr zu bleiben: ob ich alle Kurzstreckenflüge verbiete, die Flüge durch Bepreisung von Emissionen deutlich verteuere oder einfach eine Verknappung ansetze und die verbliebenen Flüge als Zertifikate in der Bevölkerung verteile (die dann wieder handelbar sein könnten…) spielt keine Rolle: am Ende gibt es weniger Flüge. Gerade Befürwortende von Bepreisungsansätzen erwecken aber gerne den Eindruck, als würde genau das nicht passieren; die ansgesprochene Verantwortungsdiffusion spielt hier eine zentrale Rolle.
Wenig überraschend argumentieren Ökonom*innen überwiegend für die Bepreisungsansätze. Diese decken sich schließlich mit der Funktionsweise der restlichen Weltwirtschaft. Ihr offensichtlicher Problem aber ist die soziale Ungerechtigkeit. Es kann daher kaum überraschen, dass die Bepreisungsmechanismen in der Bevölkerung wesentlich unbeliebter sind als Verbote, wie jede Meinungsumfrage zuverlässig ausspuckt (aus offensichtlichen Gründen). Denn zwar wird kaum jemand widersprechen wollen, dass Preise ein recht effizientes Steuerungsmittel sind; gleichzeitig wird aber auch kaum jemand widersprechen, dass sie soziale Schlagseiten deutlich verstärken. Bereits jetzt ist die moralische Frage, ob man einen Langstreckenflug auf die Malediven buchen sollte, für mindestens die Hälfte der deutschen Bevölkerung keine relevante: sie können es sich eh nicht leisten.
Das für mich eindrücklichste Praxisbeispiel dieser Ansätze habe ich jüngst in China erlebt. Die Millionenmetropolen Beijing und Shanghai haben beide das Problem aller Millionenmetropolen: hohe Bevölkerungsdichte und ein Bedürfnis nach Mobilität, das in uneingeschränktem Zugang zu Individualverkehr den Kollaps der Verkehrswege zur Folge hätte: zu viele Autos auf (zwangsläufig) zu wenig Straßen. Beide Städte haben daher die Policy, die Zahl der Autos zu deckeln, verwenden aber unterschiedliche Ansätze.
Beijing setzt (als Zentrum der kommunistischen Diktatur wenig überraschend) auf Rationierung: die Menge der Zulassungen pro Monat ist stark begrenzt (auf gerade einmal 6000) und wird unter den über 22 Millionen Einwohnenden einfach verlost. Die meisten Zulassungen gibt es ohnehin nur noch für Elektrofahrzeuge; auf diese Art ist der Anteil der eMobilität wesentlich höher als hierzulande. Die künstliche Verknappung wirkt entsprechend; der Zufallsfaktor macht das Ganze „fair“.
Shanghai dagegen fußt seine Politik (als Zentrum der wirtschaftlichen Öffnung und kapitalistische Mustermetropole ebensowenig überraschend) auf Bepreisung: die Zulassungen werden auch hier gedeckelt, in einem Beijing vergleichbaren Ausmaß, aber schlicht versteigert. Auf diese Art kosten Zulassungen oftmals mehr als das Auto selbst (Beträge von 7000 bis 8000 Euro sind die Norm, fünfstellige Beträge nicht ungewöhnlich). Für zahlreiche Menschen sind Autos daher überhaupt keine Option; Besitzer*innen eines Nummernschilds sind von der Sozialhilfe ausgeschlossen, das gleich wie ein Aktiendepot als Vermögen gehandelt wird. Es sollte nicht überraschen, dass dies von der Bevölkerung nicht besonders gemocht wird; die Stadt steht auf dem Standpunkt, dass es das Säckel füllt, was wiederum für den massiven Ausbau des öffentlichen Verkehrssystems genutzt werden könne (inwieweit das tatsächlich so funktioniert, konnte ich nicht sicher nachvollziehen).
Solche Deckelungen sind für Deutschland bisher völlig unvorstellbar. Wenn man bedenkt, welchen Aufschrei schon die Idee eines Tempolimits oder des Gasheizungsverbots ausgelöst hat, ist eine solche Reduzierung schlechterdings irreal. Allerdings ist sie eine logische Konsequenz aus diesen Ansätzen. Einen ersten Vorgeschmack davon werden wir 2027 bekommen, wenn die CO2-Bepreisung erstmals Zähne bekommt. Einige besonders schlaue Leute, die noch schnell eine Gasheizung verbauen ließen, werden dann ganz schön dumm schauen – und natürlich auf die Politik schimpfen. Im Sinne von Sahners eingangs zitiertem Essay würde diese wohl gut daran tun, sich hier ehrlich zu machen: egal welchen Ansatz wir wählen, so oder so ist die klare Konsequenz ein „weniger“. Wie viel weniger, für wen dieses „weniger“ in welchem Lebensbereich zutrifft und wie durchdringend das wird, liegt im Ermessens- und Entscheidungsspielraum der Politik. Sicher ist aber: je früher wir diese Debatten führen und je früher wir die Maßnahmen ergreifen, desto weniger durchreifend müssen sie sein und desto mehr Partizipationsspielraum besteht für uns.
Ich stimme dem Artikel im wesentlichen und insofern zu, als er die drei Ansätze zur CO2-Reduktion beschreibt und einige Wirkungen diskutiert.
Was ich dagegen nicht verstehe (das gilt für die ganze veröffentlichte Klimadiskussion): Warum nimmt man ein ganzes Bündel von (wirksamen) Massnahmen zur Bekämpfung der Klimakrise willkürlich aus der Diskussion, nämlich Geo-Engineering? Nach den (wenigen) Ansätzen, die ich als Laie und bescheiden Interessierter kenne, könnte Geo-Engineering wesentlich preisgünstiger sein, als alle anderen Massnahmen. Und uns die Jahre Zeit verschaffen, die die Umstellung des menschlichen Wirtschaftes dauern wird! Denn selbst, wenn Deutschland morgen CO2 neutral werden sollte, wird sich das auf die Welt praktisch nicht auswirken. Da steigt die Erzeugung (hoffentlich) alleine dadurch, dass es mehr Menschen besser geht. Es gibt, ausser einem globalen Krieg, keine Möglichkeit, das zu verhindern.
Gruss,
Thorsten Haupts
Sehr gute Frage. Mein sehr eingeschränkter Wissensstand ist, dass Geo-Engineering
a) Aktuell und für die relevanten Zeiträume unplausibel ist und
b) zu unwägbar.
Aber erneut, mir fehlt jede Fachkenntnis, um das beurteilen zu können.
Habe mit hier:
https://en.wikipedia.org/wiki/Climate_engineering
mal einen ersten Überblick verschafft.
Unplausibel ist da wenig (das sind alles aktuell verfügbare Techniken). Und das mit dem „unwägbar“ ist eine abstrakte Gefahr, die mir nicht einleuchtet, wenn denn die Klimaerwärmung eine so grosse Bedrohung darstellt, wie aktuell im Modell berechnet.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich denke, das wird so oder so auch Teil des Mixes werden. Ein Argument, das grundsätzlich auch häufig genannt wird ist, dass das Vermeiden von Emissionen viel billiger ist als Geoengineering.
könnte Geo-Engineering wesentlich preisgünstiger sein, als alle anderen Massnahmen.
Gibt es eine Maßnahme, die als machbar, sicher und wirksam genug gilt? Ich habe nicht den Eindruck, dass es irgendwo auch nur annähernd so etwas wie Konsens gibt, dass Geo-Engineering im großen Maßstab funktionieren kann.
Am realistischsten scheint mir CO2-Abscheidung zu sein. Für kleine und gut gebündelte CO2-Mengen scheint es schon bezahlbare Lösungen zu geben, aber sicher nicht für die global rund 40 Mrd. Tonnen CO2, die oft extrem dezentral entstehen. Aus meiner Sicht ist heute völlig unklar, wie hoch die Tonnenpreise sein werden.
Schade, dass es keinen globalen Emissionsrechtehandel gibt, CO2-Abscheidung würde ja super dazu passen.
Geoengineering ist ja hauptsächlich ein Schlagwort, dahinter sind sehr unterschiedliche Techniken:
1) Dämpfung der Sonneneinstrahlung (z.B. durch Aerosole) – wird von Klimaforschern sehr kritisch gesehen (sie fordern ein Moratorium), weil die Auswirkungen kaum erforscht sind und die Gefahr besteht zu „übersteuern“. Außerdem ist es reines Symptomkurieren, das CO2 ist immer noch in der Atmosphäre, beim Aussetzen der Maßnahme kann das Klima dann sprunghaft reagieren.
2) CO2 Abscheiden und Einlagern „an der Quelle“ Wird gemacht, erhöht allerdings den Rohstoffverbrauch deutlich (25-40%). Das Eingelagerte CO2 kann irgendwann wieder ausgasen was nicht nur den Aufwand konterkariert, sondern auch zu lokalen Katastrophen führen kann (Wenn es Sie interessiert, informieren Sie sich mal über die Nyos-See Katastrophe, wo es zu einer natürlichen CO2 Ausgasung gekommen ist)
3) Abscheiden von CO2 und Einlagern. Funktioniert wie 2) nur nicht lokal sondern mit dem bestehenden Material in der Atmosphäre. Lohnt sich nicht nur finanziell nicht sondern auch energetisch. Ich habe mal die Zahl gelesen, dass es das 6-fache an Energie braucht, die bei der Verbrennung, die das CO2 in die Atmosphäre gebracht hat, gewonnen wurde.
4) Landschaftsveränderung. Wiederaufforstung, Bodenvernässung, Schwammstädte etc haben auf das regionale (und auch globale) Klima positive Auswirkungen. Wird in Afrika und China in großem Ausmaß vetrieben (vor allem um Wüstenwachstum aufzuhalten). Deutschland geht einen umgekehrten Weg, es versiegelt immer mehr Fläche und passt seine Waldbestände nicht den veränderten Bedingungen an.
Danke für die ausführliche Darstellung der drei Ansätze.
Der wichtigste Aspekt fehlt meiner Meinung: Wir können das Problem nur global lösen, und es gibt tatsächlich nur einen Mechanismus, der dem globalen Süden einen überwältigenden Anreiz gibt, bei dem ganzen Spaß überhaupt mitzumachen: den Emissionsrechtehandel. Dieser wirkt global zudem wie eine gigantische Umverteilungsmaßnahme. National müsste die Sozialpolitik die erheblichen wirtschaftlichen Folgen natürlich abfedern.
Ohne den Geldstrom durch Emissionsrechtehandel wird die globale Energiewende nicht gelingen. Der Klimawandel ist im globalen Süden eine Thema von sehr untergeordneter Relevanz, Verbote und Rationierungen haben es dort noch sehr viel schwerer als bei uns.
Für mich die große Unbekannte ist: der Emissionsrechtehandel basiert auf einem völlig künstlichen Limit. Du verkaufst ja nichts real existierendes; der funktioniert nur, wenn niemand mehr emittiert als Zertifikate gekauft wurden. Es gilt ja dasselbe Problem wie immer: wie kriegst du die Leute dazu, sich diesem Regime zu unterwerfen?
Ja, es ist ein Verbot, wie auch alle anderen genannten Ansätze. Wenn Du nicht daran glaubst, dass Verbote durchgesetzt werden können, glaubst Du an keine Lösung.
Genau, das meine ich. Gerade das ist ja mein Punkt: funktional unterscheidet sich das nicht, nur in der Herangehensweise.
Also glaubst Du, die Energiewende ist grundsätzlich nicht machbar. Ist ja auch ein Ergebnis.
Klar ist die machbar.
Aber Du hast doch angedeutet, dass Du nicht glaubst, dass Leute sich an Regelungen halten. Kann die Energiewende Deiner Meinung nach also nur maximal neoliberal als völlig freiwilliges Projekt aller Menschen auf dem Planeten funktionieren?
Ich verstehe Deine Position einfach nicht.
Merkwürdigerweise bringst Du das Argument mit der geringen Regelungsakzeptanz übrigens auch immer nur, wenn es um den Emissionsrechtehandel geht. Dabei ist das der Ansatz, bei dem die Menschen den größten individuellen Anreiz hätten mitzumachen.
Nein, ich denke, wir werden einen Maßnahmenmix haben und dass der Druck der Umstände für Umsetzungen sorgen wird.
Es ist auch ein einmaliges Unterfangen.
Dann verstehe ich Deinen argumentativen Umweg nicht, dass Leute das alles nicht akzeptieren.
Ich komme mir hier gerade vor, als müsste ich einen Wackelpudding festnageln.
Meine Sorge ist nicht die Bevölkerung. Die kann ja gegen den Preismechanismus gar nichts tun. Meine Sorge ist, wie du andere Länder dazu bringen willst, ehrlich mitzumachen. Das ist bei allen Maßnahmen das Problem, natürlich! Ich verstehe nur nicht, warum das stets als Argument gegen alle möglichen Maßnahmen („wer sich zuerst bewegt, verliert“) ins Feld geführt wird, hier aber nicht.
Was erwartest Du konkret von einer Maßnahme in Deutschland? Die Relationen: Deutschland emittiert 670 Millionen Tonnen. Weltweit sind es 37000 Millionen.
Wie gelingt es, dass Deutschland „ehrlich“ mitmacht?
Meine Sorge ist, wie du andere Länder dazu bringen willst, ehrlich mitzumachen.
Sie würden letztlich Hunderte Milliarden Euro bekommen. Und zu Deinem Punkt „ehrlich“: Es ist vergleichsweise leicht, fossile Energieträger zu kontrollieren. Man muss ja nicht den einzelnen Autofahrer oder Kohleverbraucher kontrollieren, sondern z.B. nur den Importhafen.
Ich habe keine genauen Zahlen, aber in Deutschland dürften es wohl nur ein paar Dutzend Stellen sein, die man kontrollieren muss (kann man sicher irgendwo im EU-ETS-Umfeld recherchieren). Extrapoliere auf die Welt. Ein Witz angesichts der finanziellen Größenordnung, um die es geht.
Ok, danke!
Welches künstliche Limit? Das Ziel ist, im Energiesektor 2045 auf Null Emissionen zu kommen. Dafür wird die Menge an Zertifikaten im Abstand von zwei Jahren regelmäßig abgeschmolzen, bis eben Null im Jahr 2045 erreicht ist. Die heute gehandelte Menge an Zertifikaten liegt exakt auf dieser Linie.
Das ist nicht künstlich. Das Ziel Null Emissionen soll ja nicht 2026, 2035 oder 2043 erreicht werden, sondern exakt im Jahr 20245.
Deutschland hat einen völkerrechtlichen Vertrag abgeschlossen, da steht das Ziel der Klimaneutralität drin. Allerdings nicht für 2045, nicht einmal 2050. Nur wollen wir als Gutmenschen mehr machen, als das, wofür wir uns verpflichtet haben. Im Himmel bekommen wir dafür sicher einen Lehnstuhl. Du fragst, wie man die Leute dazu bekommt, sich an Verträge zu halten. Gute Frage, wenn man meist die Einhaltung von Verträgen für eine verhandelbare Konvention hält…
Ach Stefan, versuch mal, weniger zu moralisieren. Ich argumentiere weder für eine Missachtung der Verträge noch gegen den Zertifikathandel. Wir haben aber etabliert, dass der globale Süden a) entscheidend ist und b) einen Grund zur Beteiligung braucht. Und das Limit ist deswegen künstlich, weil die Zertifikate kein real knappes Gut sind. Ich kann nur die Äpfel verkaufen, die existieren, aber Zertifikate kann ich beliebig viele erschaffen – oder ihre Existenz schlicht ignorieren. Die Menge der Emissionen ist nicht real an Zertifikate gekoppelt, sondern nur solange sich die Akteure daran halten. Wie viel Vertrauen hast du, Russland in das Zertifikathandelssystem einzubinden? Saudi-Arabien? Selbst China? Nigeria?
Es geht mir nicht um Moralisieren. Ich nehme Deine Haltungen auf. Zu den EU-Verträgen sagst Du immer, sie könnten von vielen Ländern nicht eingehalten werden, deswegen sei es okay sie zu missachten. So ungefähr.
Zivile Gesellschaften sind Rechts- und Vertragsgemeinschaften. Der Kern dieser Gemeinschaften ist, dass sie sich unbedingt an Gesetze und Verträge halten. Das ist nicht verhandelbar. Wer das aufgibt, gibt eben die Rechts- und Vertragsgemeinschaften auf.
Auf EU-ETS gewendet bedeutet das, die Mitgliedsländer der EU und ihre Bürger akzeptieren die gemeinsam beschlossenen Regeln und Beschränkungen. Das ist so willkürlich oder regelbasiert wie Dein Arbeitsvertrag. Und genau deswegen, Stefan, müssen in solchen Gemeinschaften elementare Verstöße gegen die Regeln hart geahndet werden. Das ist die Basis.
Wie gesagt, der Klimaschutz ist ein spieltheoretisches Phänomen. Wenn sich einige nicht an das gemeinsame Ziel halten, wird das Ziel nicht erreicht. Diejenigen aber, die Anstrengungen unternehmen, verlieren gegenüber jenen, die nicht mitspielen.
Auf Dauer wirst Du in Nordamerika und Europa keine Wohltstandsverluste mit dem Ziel durchsetzen können, den Klimawandel zu begrenzen, wenn die größten Verursacher nicht mitmachen. Das war schon bei der UN-Weltklimakonferenz 2009 in Kopenhagen der Grundkonflikt und der Grund, warum relativ überraschend das Kyotoprotokoll damals keine Fortsetzung erfuhr.
Es ist Zeit uns ehrlich zu machen und mit dem Selbstbetrug aufzuhören. Denn das macht mich kirre.
Die klare Konsequenz aus Ihrer Analyse wäre, dass wir schlicht nichts tun können/sollen, weil wichtige Player global nicht mitziehen. Also lautet Ihr Rezept „Abwarten und Tee trinken“?
Wenn nicht, wie wollen Sie die Staaten zum Mitmachen bekommen, die das – nebenbei aus sehr guten Gründen – heute verweigern?
Gruss,
Thorsten Haupts
Die Position besitzt zumindest Logik.
Bei spieltheoretischen Situationen sind die Beteiligten vom Verhalten der anderen abhängig. Beim Klimawandel ist es so, dass das vereinbarte Ziel nur gemeinsam oder gar nicht erreicht werden kann. Mehr noch: wenn sich nur ein paar bewegen, verlieren sie massiv. Sie gewinnen nicht. Hier glauben jedoch einige, man könne zumindest ein gutes Gewissen gewinnen. Da ist der Gang in die Kirche effektiver.
Vor knapp einem Jahr schrieb ich:
Genau so ist es seit 2010 gekommen. Die EU verringerte ihre Emissionen um 800 Millionen Tonnen, die USA um 700 Millionen Tonnen, während global die Treibhausgase um 3800 Millionen Tonnen zunahmen. Der Rest der Welt hat den Globus also mit einem Zuwachs von 5,3 Milliarden Tonnen pro Jahr (!) aufgeheizt. Das sind nebenbei bemerkt mehr als die gesamten Emissionen der USA.
Die Menschen spüren, dass eine solche Klimapolitik ihren Sinn verfehlt. Und die Politiker verlieren die Menschen, wenn sie ihnen unter großen Verzichtspredigten Maßnahmen abverlangen, die an der globalen Situation nicht das Geringste ändern. Der französische Präsident Emanuel Macron, im früheren Beruf übrigens Ökonom, hat dieses Dilemma erkannt und der europäischen Politik ein Moratorium angeraten.
https://www.deliberationdaily.de/2023/05/wie-sich-die-deutsche-klimapolitik-selbst-diskreditiert/
Das zeigt das Dilemma überdeutlich, was bereits vor vielen Jahren Hans-Werner Sinn im „Das grüne Paradoxon“ prägnant beschrieb. An den Zahlen sehen wir es überdeutlich. Und noch eins: Wenn Europa und die USA ihre Emissionen weiter reduzieren, die anderen aber im Ausstoß wachsen, sinkt das Gewicht des Westens in Verhandlungen.
Der Fokus der Klimapolitik muss deutlich weg vom nationalen Fokus hin auf diplomatische Parkett. Leider ist Deutschland da weit schlechter aufgestellt als beim Moralisieren.
@ Stefan Pietsch 22. April 2024, 22:37
Beim Klimawandel ist es so, dass das vereinbarte Ziel nur gemeinsam oder gar nicht erreicht werden kann. Mehr noch: wenn sich nur ein paar bewegen, verlieren sie massiv. Sie gewinnen nicht.
Deine Betrachtung ist zwar destruktiv, aber durchaus realistisch: Wer sich zuerst bewegt, verliert.
Situationsangemessen. Das ist nicht destruktiv. Du kannst nur Erfolg haben, wenn Du einen möglichst realitätsnahen Bezug zur Lage eines Problems entwickelst.
Ich verfolge, studiere und engagiere mich nun seit über 30 Jahren in der Klimapolitik. In dieser langen Zeit gab es nichts erfolgloseres als unser nationaler, regulatorischer Ansatz, während Konzepte internationaler Kooperation messbare Einsparungen erbrachten. Warum sollte ich da die moralisierende deutsche Politik unterstützen??
Na ja. Auch ne Antwort. Denn das diplomatische Parkett lohnt ja – Ihrer Logik folgend – auch nur dann, wenn andere die Bereitschaft zur Bewegung haben. Haben sie die nicht, fällt Klimaschutz halt aus, weil wir uns erst bewegen, wenn Verhandlungen mit (vielen) anderen Erfolg haben. Ich kann die Basislogik durchaus nachvollziehen und sie ist allemal überzeugender, als das „Prinzip Hoffnung“ von anderen.
Unabhängig davon sind wir allerdings bereits Verpflichtungen eingegangen, denen wir zur Zeit schlicht nicht nachkommen. Was in Ihren Rants immer fehlt 🙂 .
Gruss,
Thorsten Haupts
Das Wesen spieltheoretischer Situationen ist, dass man etwas zum Verhandeln hat, um damit Einfluss auf andere ausüben zu können. Gehen Sie nie in Verhandlungen, wenn Sie nichts anzubieten haben!
Ich habe in meinen diesbezüglichen Artikeln detailliert aufgezeigt, was Deutschland anzubieten hat. Spoiler: Es ist nicht unsere moralische Überlegenheit.
Ja, Klimaschutz ergibt nur dann Sinn, wenn alle wesentlichen Player mitziehen. Sonst können wir es sein lassen. In Mitteleuropa sind wir ohnehin eher Profiteure der Entwicklung – weniger Kältetote, angenehmeres, stabileres Klima. Damit konnten Südeuropäer sich über Jahrhunderte besser entwickeln. Was hätten die Germanen unter den klimatischen Bedingungen Roms erreichen können?
Welche Verpflichtungen meinen Sie konkret? Aus dem Pariser Klimaschutzabkommen von 2015 hat sich Deutschland im Klimaabkommen 2050 zu konkreten Zielen verpflichtet. Diese Vereinbarung umfasst Sektorenziele, was in dieser Form kein anderes Land gemacht hat. Entscheidend ist für die Einhaltung der Verpflichtungen aber nicht das Detail, sondern die Summe der Emissionsminderungen.
Hier verpflichtete sich Deutschland, seine Emissionen bis zum Jahr 2030 auf 562 Millionen Tonnen CO2 zu reduzieren. 2023 emittierten wir 674 Millionen Tonnen, ein Minus von 76 Millionen Tonnen. Da kann man schon sagen, dass wir uns ordentlich entlang des Zielpfades bewegen.
Das sind so Artikel, die mich langsam kirre machen, denn sie zeigen zweierlei: Wir Deutschen haben nichts gelernt und nichts verstanden. Und: Die veröffentlichte Meinung ist nicht in der Lage, das Problem adäquat zu erfassen und zu vermitteln.
Der Klimawandel ist ein globales Problem. Das sagen hier im Blog nicht nur die Neoliberalen, das sagen vor allem Klimaforscher. Deswegen veranstaltet die Weltgemeinschaft UN seit nunmehr 30 Jahren Weltklimakonferenzen, zu denen engagierte Klimaschützer regelmäßig mit einem unfassbar großen CO2-Fußabdruck hindüsen.
Die restliche Welt emittiert heute rund 6 Milliarden Tonnen mehr klimaschädliche Gase als die Nordamerikaner und EU-Bürger einsparen konnten, obwohl sie weniger als 1 Milliarde der Weltbevölkerung stellen. 70 Prozent der in Bau befindlichen Kohlekraftwerke entstehen in China, andere Drittländer folgen in großen Schritten. Währenddessen legen die einzigen Länder, die sich seit 30 Jahren an die Abkommen gebunden fühlen, mehrere Billionenschwere Programme auf, die angeblich den Klimawandel begrenzen sollen. Sie ruinieren damit die Basis ihres Wohlstandes, mit dem – China, Indien und Brasilien zeigen es – überhaupt eine Chance besteht, die Emissionen sehr stark zu reduzieren.
So geht es nicht. Statt aber im linksökologischen Politikspektrum innezuhalten und nachzudenken, wird immer mehr vom gleichen Ruinösen und Sinnlosen gefordert. Gleichzeitig leben sie wie Gott in Frankreich. In den Achtzigerjahren ist man zur Abschlussklassenfahrt nach Berlin und zum Schüleraustausch nach England gefahren. Heute düsen klimabewegte Schüler um den halben Erdball nach China, ohne sich eine Sekunde über das Gedanken zu machen, was sie da verursachen – und was sie damit der Welt mitteilen. Wie viele Austauschschüler aus Namibia fliegen mal kurz in die USA?
Fakt ist, noch weniger als die Älteren haben die Jüngeren Lust, Wohlstandsverluste hinzunehmen. Da können noch so viele Klimademos in Hamburg oder Berlin hinwegtäuschen. Die Vorstellung, den Klimawandel nach den Ideen der Grünen wie ihrer Vorfeldorganisationen zu bekämpfen, würde den Westen auf das Niveau von Drittweltländern zurückballern. Es war ja bezeichnend, dass ausgerechnet die Grünen am lautesten gegen das von der FDP angekündigte Fahrverbot zur Einhaltung der nationalen Klimaziele aufschrien. Homöopathische Einsparungen nur ein allgemeines Tempolimit ja, sehr effektive Fahrverbote nein – irre. Das kann man sich nicht ausdenken.
Verbote haben den großen Vorteil ihrer Universalität und Fassbarkeit. (..) Auf der Policy-Seite sind sowohl im Soll- als auch im Habenbereich ihre große Durchschlagskraft zu nennen: was verboten wurde, ist am Stichtag nicht mehr erlaubt und damit verbannt.
Genau deswegen sind Verbote auch das ineffektivste Instrument. Klar, was verboten ist, machen die Leute nicht. Deswegen werden auch keine Regenwälder abgefakelt und in der Pandemie blieben alle brav zuhause, während der Wohlstand den Bach runterging. Verbote sind nur in Deutschland und wenigen EU-Ländern beliebt. Warum sonst hätte sich die EU als zentrales Klimaschutzprogramm ausgerechnet für ein marktwirtschaftliches Instrument entschieden?
Bepreisungen haben den großen Vorteil, auf wirtschaftliche Mechanismen zurückgreifen zu können. (..) Die Höhe einer CO2-Steuer oder die Menge verfügbarer CO2-Zertifikate bleibt ja staatlich festgelegt und muss auch staatlich nachgehalten werden, was einen wesentlich höheren Repressionsgrad voraussetzt, als Befürwortende gerne bedenken. Zudem hat eine Verteilung über Geld zwar den klaren Vorteil, die rationale Effizienz von Preismechanismen nutzen zu können; wie jeder Preismechanismus ist sie aber vollkommen blind gegenüber sozialen Härten, die wiederum entweder ignoriert oder von der Politik ausgeglichen müssen würden.
Wie falsch. Der Sinn von Markt ist immer, dass der Einzelne in seinem Handeln eben nicht bewusst beeinflusst wird. Er nimmt die Preissignale auf, die sich durch Knappheiten ergeben. Überall auf der Welt funktioniert das, nur die deutschen Staatsgläubigen haben nicht auszuräumende Bedenken. Die sagen allerdings gleichzeitig, ärmere Menschen hätten einen wesentlich kleinen CO2-Abdruck, weshalb höhere Preise schon deswegen bei ihnen weniger zuschlagen – ähnlich wie bei der progressiven Einkommensbesteuerung in Deutschland, die dazu geführt hat, dass praktisch nur die obere Hälfte noch Steuern zahlt. Irgendwo ist da ein Bug in der Argumentation. Zudem sollen die Einnahmen – eine Besonderheit des Marktes gegenüber Verboten – direkt wieder an die Bürger zurückgegeben werden – pro Kopf. Wer das verhindert hat? Die angeblich um das Soziale so bemühten Parteien Grüne und SPD.
Rationierungen schließlich werden in westlichen Ländern bisher fast gar nicht diskutiert, (..). Sie haben den Vorteil, ähnlich wie Bepreisungen der harten binären Logik von Verboten (entweder komplett erlaubt oder komplett verboten) zu entgehen und durch künstliche Verknappung Effizienz in der Verteilung zu gewährleisten. Sie bringen allerdings eine wesentlich schwerere Hand des Staates mit sich, eine klarere Wahrnehmung von Verantwortlichkeiten und behandeln alle gleich – was man mit Blick auf die soziale Ausgestaltung als Vorteil sehen kann, was allerdings natürlich einiges der Effizienzvorteile von Bepreisungen nimmt.
Als geschichtsbewusster Mensch wundert man sich, dass dies im Jahr 2024 noch behauptet wird. Wenn ein Land umfangreiche historische Erfahrungen mit Rationierungen besitzt, dann Deutschland. Das Resultat von Rationierungen ist immer, dass sich unterhalb des offiziellen staatlichen Rahmens Eliten aufgrund ihres Zugangs zu Ressourcen und Erlaubnisscheinen herausbilden, und weitgehend ein illegaler Schwarzmarkt entsteht. Rationierungen führen zu breiten Kriminalisierungen der Bevölkerungen.
So langsam lassen die Linken in diesem Land ihre Maske fallen.
Wie man auf die Idee kommen kann, dass eine Preissteigerung im Bereich von hunderten Prozent nicht bewusst wäre, ist mir schleierhaft. Dass der Markt Knappheiten über Preis regelt, schreibe ich ja auch. Nur warum genau sollten die Leute das freudiger annehmen als Verbote oder Rationierungen? Noch einmal: ich argumentiere hier NICHT unter Effizienzgesichtspunkten!
Von welchen 100 Prozent sprichst Du? Ja, auch der Markt kann exogene und endogene Schocks nicht auffangen. Das kann kein System der Welt. Aber die großen Zertifikatesysteme in den USA (SO2) und EU (EU-ETS) haben über eine lange Reihe der kontinuierlichen Reduzierung der Erlaubnisrechte die angepeilten Umweltziele exakt erreicht. Wie war das bisher möglich?
Vor 15 Jahren kostete ein Zertifikat weniger als 40 Euro. Heute sind es zwischen 80 und 90 Euro, je nach Wirtschaftslage. Es gibt Sachen, die in den letzten 15 Jahren größere Preissprünge verzeichneten. Das sind die Fakten. Natürlich, wenn die Politik sich entschließen sollte, den Zyklus deutlich zu verkürzen und deswegen die Erlaubnisrechte schneller zu verknappen, wird es zu Schocks führen. Nur hat das mit dem Instrument rein gar nichts zu tun. Bei Verboten oder Rationierungen wäre der Effekt mindestens genauso.
Ich habe das immer wieder, auch beim Heizungsgesetz (remember?), geschrieben: Die Menschen brauchen eine längere Anpassungszeit. Dann kommt es aber auch nicht zu großen Preissprüngen – siehe SO2-Handel in den USA.
Wofür argumentierst Du eigentlich? Welches Instrument geeignet sein könnte? Das, welches nicht nur in der Theorie erfolgreich ist, würde ich meinen.
Nur warum genau sollten die Leute das freudiger annehmen als Verbote oder Rationierungen?
Weil
1) es ein Irrglaube von Planungsfetischisten ist, Preissignale wirkten wie Verbote oder Rationierungen. Preissignale werden zuerst von Unternehmen verarbeitet – und die haben mehrere Möglichkeiten der Reaktion: Preiserhöhung, Ersatz, Vermeidung, Mengenminderung. D.h., lässt man den markt arbeiten, kommt bei den Bürgern – sicher – weniger Schmerz an, als wenn man mit Verboten oder gar Rationierung arbeitet
2) Verbote oder Rationierungen keine Technikschübe (Suche nach Alternativen oder Verringerung der Mengen etc.) auslösen können
3) Verbraucher- und Anbieterverhalten im Wechselspiel sehr viel genauer widergeben, was Verbreaucher wirklich priorisieren, als dass die Einführer von Rationierungen oder Verboten jemals könnten. U.a. wegen Informationsmangel. Nicht über das, was Leute SAGEN, sondern über das, was sie TUN
4) Rationierungen werden ganz nebenbei überhaupt nicht angenommen. Sie werden von denen hingenommen, die keine Möglichkeiten haben und von den anderen, meist mit Hilfe Schwerkrimineller, schlicht unterlaufen. Und nein, sie wirken nicht exakt wie Verbote und sind sehr, sehr viel schwerer zu kontrollieren. Eine, sorry, Schafscheissoption reiner Theoretiker
Denkübung: Deklinieren Sie „Rationierung“ am Beispiel von Flügen kurz durch und überlegen Sie sämtliche Ausweich- und Vermeidungsreaktionen, eine nationale Regelung vorausgesetzt (wer davon träumt, ganz Europa würde freiwillig und nicht im Krieg rationieren, hat den Schuss nicht gehört).
Gruss,
Thorsten Haupts
„…keine Technikschübe“
Katalysator? FCKW? Wärmepumpe? Glühbirne? SO2-Filter?
Abgas-Grenzwerte sind auch eine Art Verbot – der geringere Verbrauch durch sparsamere Motoren wurde halt über-kompensiert.
Das ist doch arg euphemistisch gedacht.
Katalysator. Sie selbst haben häufig darauf hingewiesen, dass die USA ein Jahrzehnt früher eine Katalysator-Pficht durchsetzten. Den „Technikschub“ müssten Sie wirkich erläutern. Tatsächlich war die Modernisierung der Abgasreinigung eher ein zäher Prozess.
FCKW. Anfang der Neunzigerjahre wurde die Verwendung des ozonzerstörenden Gases von Verbrauchern kritisch gesehen. Einen wesentlichen Beitrag dazu lieferten Berichte über das Anwachsen des Ozonloches. Dennoch zögerte die Politik lange mit der Durchsetzung eines Verbots, während Unternehmen Alternativen entwickelten. Erst als diese ihre Marktreife bestanden hatten, erfolgte tatsächlich ein Verbot. Ganz eindeutig: Das Verbot folgte der technischen Entwicklung, es initiierte sie nicht.
Wärmepumpe. Das Konzept der Wärmepumpe gibt es seit Ende des 19. Jahrhunderts. Genausogut ließe sich argumentieren, die Bildungsrevolution der Siebzigerjahre habe den Boom der Druckmaschinenbranche befördert.
Glühbirne. Habe ich etwas nicht mitbekommen? Das Glühbirnenverbot sorgte zum einen dafür, dass die EU-Bürger die Altprodukte über Jahre horteten. Erinnert sei hier an Kuba. Zum anderen verlief danach die technische Entwicklung eher zäh (siehe oben). Warum sollten Unternehmen auch Kapital, Investitionen und Ressourcen in ein angestammtes Produkt lenken, das die Leute ohnehin kaufen müssen, weil die Alternativen fehlen? Die DDR hatte viele Verbote. Es ist nicht überliefert, dass diese die Innovationskraft des Sozialismus befördert hätten.
Abgas-Grenzwerte. Eines meiner Lieblingsthemen. Die EU doktert seit rund 40 Jahren mit Grenzwerten an dem Schadstoffausstoß des Individualverkehrs herum. Seit 30 Jahren richten sich die Anstrengungen auf eine Verminderung der CO2-Emissionen. Daran gemessen ist das Verbot maximal erfolglos, im Unterschied zu anderen Bereichen vollziehen sich die Emissionsreduzierungen bei PKWs im Schneckentempo. Eigentore der Regulierer leisten dabei ihren Beitrag.
Vor rund 10 Jahren sorgen die neuen Vorgaben dafür, dass die Massenhersteller die Entwicklung von Kleinstwagen einstellten. Fiat 500, Opel Adam, VW Up und andere verschwanden vom Markt, weil sich Investitionen in die aufwendige Verbrennungstechnologie nicht mehr lohnten und vom Markt nicht bezahlt wurden. Der Fiat 500 ist zwar zurück, aber als Lifestyle-Produkt für besser zahlende Großstädter, nicht für Leute mit schmalem Portemonnaie, für die er Jahrzehnte gedacht war.
Das nennt man den Knieschuss: Ein Großteil der Autofahrer – eben jene, die sich keine Autos über 20.000 Euro leisten können – werden auf größere Gebrauchtwagen mit veralteter Verbrennungstechnologie gedrängt. Smart geht anders.
Falls es Ihnen nicht aufgefallen ist – alle Ihre Beispiele sind entweder
– Stoffverbote (FCKW) mit industriell nutzbaren und bekannten chemischen Alternativen. Wollen Sie ernsthaft ein CO 2 Verbot?
– Grenzwertsenkungen (Katalysator)
oder
– Verbote zu einem Zeitpunkt, als die Alternative bekannt, industriell produzierbar und marktreif war (Glühbirnen)
Nur die Grenzwertsenkungen, die zum Katalysator führten, sind auf die von Stefan S angestossene Diskussion anwendbar. Und zu dieser Grenzwertsenkung ist der CO2-Emissionshandel bei jährlich sinkenden Mengen funktionsgleich.
Gruss,
Thorsten Haupts
SO2 (Großfeuerungsanlagen), nicht CO2.
„Technikschub“ verstehe ich nicht wirtschaftlich, nicht ingenieurtechnisch. Also auch, wenn einer Alternative zum Durchbruch verholfen wird. Mittel- bis langfristig gedacht.
Dass Glühbirnen gehortet wurden (wie jetzt Gasheizungen), spricht nicht dagegen.
Abgas-Grenzwerte haben zu sparsameren und weniger schädlichen Motoren geführt. Die hätte es sonst nicht so gegeben (c. p. Ölpreis).
Die Diskussion Verbote vs. Marktmechanismen betrifft ja nicht nur das Klima. Zum Beispiel auch das Nitratproblem in den Niederlanden und im norddeutschen Schweingürtel.
Ja, das ist reine Ideologie.
Ich sehe deine Argumente überwiegend und betone einmal mehr, dass ich kein grundsätzliches Problem mit Bepreisungen habe. Ich denke nur, dass sie nicht immer und in allen Situationen das beste Mittel sind. Bleiben wir bei meinem Beispiel der Kfz-Zulassungen: für private Pkw ist da in meinen Augen die Rationierung die bessere Herangehensweise. Dasselbe mag für touristische Flüge gelten. Bei geschäftlichem ist es schon wieder so, dass Marktmechanismen vermutlich besser funktionieren.
Die Befürworter von Regulierungen müssen sich doch mal kritisch mit der Erfolgsbilanz auseinandersetzen. Das fehlt mir völlig. Gerade die Vorgaben für die Automobilindustrie zeigen und der Output in Form von CO2-Einsparungen zeigen doch, dass der Staat mit Verboten völlig am Ziel vorbeisteuert.
Rationierungen von Zulassungen? Wie soll das in einem demokratisch regierten Rechtsstaat gehen? Der Kauf und die Nutzung von Autos ist durch 2-3 Grundrechte geschützt. Das braucht eine Diktatur nicht zu scheren, einen Rechtsstaat sehr wohl.
Flüge: Das Beispiel zeigt par excellence die Unsinnigkeit von Rationierungen. Wer bestimmt, wie oft geflogen werden darf? Das kann – siehe oben – kein Beamter, das muss per Gesetz erfolgen. Wie werben Parteien da im Wahlkampf? „Nur ein Malle-Flug im Jahr!“ Wird ganz sicher ein Schlager. Wie wird unterschieden und wie wird kontrolliert? Ich bin über die letzten Jahrzehnte sehr häufig in Berlin gewesen. Dort gilt eine Touristenabgabe für Hotels. Ich bin immer geschäftlich in der Stadt. Immer. 🙂
Wenn Touristen aus Großbritannien, China oder den USA nach Deutschland reisen, lassen wir sie nicht mehr ausreisen, wenn sie bereits zum zweiten Mal die kulturellen Städte von Ludwigshafen besichtigen wollen? Es ist klar, wohin Rationierungen ziemlich schnell führen: In die Diktatur. Und dahin wollen im Grunde die meisten Klimaaktivisten. Weil, sie sind ja (selbsternannte) Elite. Sie wären, siehe Luisa Neubauer, von Einschränkungen nicht betroffen.
Bleiben wir bei meinem Beispiel der Kfz-Zulassungen: für private Pkw ist da in meinen Augen die Rationierung die bessere Herangehensweise.
Au ja, erklär uns doch mal bitte, Stichworte reichen, wie die Rationierung praktisch umgesetzt werden soll (erwartungsvoll händereib). Du darfst dabei gerne von der politischen Umsetzbarkeit absehen, ich bin heute grosszügig gestimmt.
Na 🙂 ?
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich klinke mich mal halbernst in die Diskussion ein. 🙂
Wenn man es an Zulassungen festmacht, wird es schwierig, aber wenn man bei den konkreten Fahrten ansetzt, gibt es zumindest rein technisch-organisatorisch kein grundsätzliches Problem.
Ab Zeitpunkt X sind Privatfahrten allgemein verboten. Erlaubt sind Privatfahrten nur noch über Car-Sharing-ähnliche Anbieter, die vorher gebucht und entsprechend kontingentiert werden.
Rechtlich und politisch sicher keine kleine Herausforderung, aber technisch relativ banal. 🙂
Viel Spaß bei einer grundgesetzkonformen Umsetzung.
Dass wir uns totreguliert haben, ist ja nun wahrlich kein Geheimnis.
Das hat doch keinen Bezug zu Tims Punkt.
Ab Zeitpunkt X sind Privatfahrten allgemein verboten.
(Lach) Ah, ein Arbeits-, Einkaufs- und Berufsverbot für 50% der deutschen Erwachsenen. Yup, relativ leicht umsetzbar.
Wie schon gesagt, politisch wohl wirklich nicht allzu leicht vermittelbar. 🙂
Aber deutsche Erwachsene dürfen schon heute nicht mit dem Panzer durch die Gegend fahren. Kontingente jederweder Art sind „nur“ eine politische Frage und nicht grundsätzlich unmöglich.
Exakt.
Wie gesagt: Zahl festlegen, Lotterie, fertig. Wir machen das seit Jahrzehnten (!) bei Studienplätzen, nur mal als ein Beispiel.
(Lach) Ah, ein Arbeits-, Einkaufs- und Berufsverbot für 50% der deutschen Erwachsenen. Yup, relativ leicht umsetzbar.
Ich denke, wir bräuchten wahrscheinlich einen hybriden Ansatz aller drei Ansätze. Es gibt Dinge, da tun es Verbote besser als die Marktwirtschaft (vor allem, wenn etwas schnell gehen muss) und Rationierungen mögen auch gelegentlich besser aufgenommen werden und zielgenauer sein. Die drei Ansätze müssten sich gegenseitig unterstützen und flankieren. Sie haben am Ende aber alle doch eins gemeinsam: in unserer Demokratie müssen sie gesellschaftlich kommunizierbar und unterstützt werden. Etwas was den Chinesen egal sein kann, uns aber nicht. Und ausgerechnet da sind wir grottenschlecht.
Nehmen wir allein schon die Aufzählung von Maßnahmen wie Tempolimit und 49-Euro-Ticket unter „erzeugen massiven Widerstand“. Das 49-Euro-Ticket wurde letztlich von der Bevölkerung insgesamt gut aufgenommen. Ich kenne jedenfalls keinen, der sich drüber aufregt, auch in den Social Media hab ich das nicht beobachten können. Gegenwind kommt hier eher von jenen, die die Geldtöpfe verwalten. Das ist aber kein massiver gesellschaftlicher Widerstand.
Das Tempolimit…Umfragen zeigen regelmäßig eine Mehrheit dafür. Kein Wunder, fährt statistisch gesehen letztlich „nur“ etwa die Hälfte der Bevölkerung tatsächlich Auto und von denen wiederum absolvieren die meisten die meisten Fahrten innerstädtisch. Es wäre also – statistisch gesehen – nur eine Minderheit vom Tempolimit auf Autobahnen betroffen und von diesen wiederum dürften nicht restlos alle dagegen sein. Der sogenannte „Aufschrei“ ist vor allem eine medial aufgeblähte Blase einer Minderheit, die sich unbedingt Potent fühlen will am Steuer, aus welchen Gründen auch immer – ich mein das als reine Feststellung. So betrachtet fällt das „massiv“ in „massiver Widerstand“ eigentlich ziemlich in sich zusammen. „Widerstand“ ja, aber nicht „massiv“. Und dass das nicht kommuniziert werden kann in der Diskussion, ist ein Versagen in dieser Gesellschaft. Wo wir übrigens dann ja immer an die Lösungen in anderen Ländern schauen: Tempolimits gibt’s da fast überall und nirgends ist das Autofahrer-Abendland untergegangen. Die Amis haben sogar marktwirtschaftlich orientierte Lösungen dafür gefunden (gebührenpflichtige Spuren für höhere Geschwindigkeit und dergleichen…zugegeben: Die haben auch mehr Spuren, was mehr Beton bedeutet…aber in abgespeckter Version bei uns vielleicht?).
Diese kommunikativen Defizite ziehen sich quer durch die ganze Debatte hierzulande, aber auch global. Schon seit einigen Jahren sehe ich sehr klar folgende Punkte:
1. Aufhören mit dem Moral-Argument. Damit hat man noch nie nachhaltig irgendein systemisches Problem gelöst. Das FCKW-Verbot in den 1980er Jahren kam nicht wegen eines Moralarguments zustande. Die Moral-Ebene kann jeder für sich persönlich gerne haben, wenn es ihm oder ihr hilft, klimapolitisch richtige, aber persönlich schwierige Entscheidungen zu treffen. Aber bitte nicht als Hauptargument für die politische Gestaltung der Frage. Denn daraus erwuchs in der Vergangenheit nur, den Handlungsdruck auf den einzelnen Konsumenten abzuwälzen, was vor allem nur einer Fraktion nutzte: Den Konzernen, die Hauptverursacher der Emissionen war. Nicht umsonst zielte eine Campagne der Erdöllobby genau in diese Richtung (der Klima-Fußabdruck wurde nicht von Greenpeace erfunden, sondern von BP…darf jeder selber mal drüber nachdenken). Nichts hat der Verschleppung des Klimaschutzes so sehr genutzt wie diese Moralargumentation. Und die Klimaschützer sind darauf auch noch reingefallen. Scheiße man.
2. Es muss eine systemische Lösung her. Das Problem ist systemisch und global. Es entstand nicht, weil jemand sich 1970 sagte „Ich mach ne Spritztour um möglichst viel CO2 rauszupusten“, sondern durch die Gesamtgegebenheiten unserer Wirtschafts-und Gesellschaftssysteme. Diese Größenordnung lässt sich dann auch nur systemisch lösen. Also auf der Ebene der Regierungen und globalen Organisationen, auf der Ebene der GROSSEN Player auf dem globalen Markt. Letztlich ist es so, dass von dieser Ebene kommende Vorgaben letztlich in aller Regel, sofern sozial abgefedert, mehr oder weniger von den vielen Einzelnen angenommen werden. Es gab auch keinen Terrorismus für mehr FCKW-Kühlschränke, salop gesagt. Wenn das Fleisch systemisch bedingt teurer wird, werden die Leute murren – solange sie aber insgesamt noch vielfältige Lebensmittel zur Wahl haben, wird sich das schnell überleben. Nach 10 Jahren ist’s normal.
3. Der Zeitfaktor. Wären marktorientierte Lösungen besser? Wahrscheinlich, zumindest manchmal. Aber sie sind, nun ja, etwas träge. Um im Emissionsreduktionsplan zu bleiben hätte man schon in den 90ern mit allerhand anfangen müssen und das wurde verpennt – auch aufgrund höchst unintelligenter und rein giergetriebener Entscheidungen großer Marktteilnehmer wie den Auto-und Ölkonzernen. Manche haben dabei ganz vorsätzlich das Wohl von Milliarden für ein bischen mehr Rendite aufs Spiel gesetzt. Worüber künftige Generationen vielleicht sagen werden: Das gehört auf die Liste der Menschheitsverbrechen. (Grüße an Exxon). Aber das ist hier nicht der Punkt. Der Punkt ist: Der Markt und seine Mechanismen haben sich in der Sache nicht mit Ruhm bekleckert. Wir haben Zeit verloren. Es schließt sich das Zeitfenster, in dem wir die Maßnahmen gegen weitere Klimaveränderungen und für die Anpassungen an die Veränderungen die schon jetzt unabwendbar sind, noch gestalten können. In dem wir noch sagen können, hier lieber mit dem Markt, dort lieber mit Rationierung arbeiten. In dem wir elegantere Lösungen finden können. Dieses Zeitfenster schließt sich. Je mehr es sich schließt, umso mehr wird die Politik es mit überstürzten, fahrig kommunizierten Gesetzen im Hauruckverfahren versuchen, die erst recht zu Unruhe führen. Das hab ich vor etwa 10 Jahren erstmals vorausgesehen und in den letzten 2 Jahren ist genau das eingetreten. Die Heizungsgesetzgebung ist ein gutes Beispiel dafür. Davon werden wir aufgrund der verlorenen Zeit noch mehr erleben, verlasst euch drauf. Doof nur: Wenn die Zeit abgelaufen ist, dann werden wir uns mit Sehnsucht nach solchen Gesetzen zurücksehnen. Wenn die Zeit abgelaufen ist, dann werden uns die Umstände bestimmte Dinge einfach aufzwingen. Und dann wird’s häßlich.
4. Bitte keine Weltuntergänge mehr. Die Welt wird nicht untergehen, jedenfalls nicht in für uns als Spezies auch nur ansatzweise absehbarer Zeit, wie ich als gelernter Geologe/Paläontologe versichern kann (außer natürlich, wir helfen selber mit Atombomben nach). Die Erde wird sich weiterdrehen. Jede klimatische Veränderung, die wir verursachen wird nicht die erste und nicht die letzte sein. Der Punkt ist aber: Es wird ungemütlicher für uns werden, weil wir unsere Lebensbedingungen ins ungünstige verändern. Und wir erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass wir als Spezies aussterben könnten (eine Grundwahrscheinlichkeit besteht dafür im Grunde fast immer, in unserem Falle ist sie in den letzten Jahrtausenden fast lächerlich gering geworden, aber die Sache mit dem Klimawandel, lässt das wieder steigen – bitte Wahrscheinlichkeit nicht mit einem „Wird auf jeden Fall so kommen“ verwechseln; wir Menschen sind ja einfallsreich). Mindestens werden wir Wohlstand so oder so verlieren, wenn der Klimawandel voll zuschlägt. Die goldenen Jahre sind sozusagen vorbei. Aber das ist kein Weltuntergang. Selbst wenn wir uns dadurch selbst ausrotten nicht – dem Planeten ist egal, ob wir leben oder nicht.
Klimaforscher sind sich weitgehend einig, dass sich der Klimawandel in den nächsten 70-100 Jahren nicht mehr aufhalten lässt. D.h., das Problem ist sehr langfristiger Natur. Wenn selbst ein Full-Stop über Jahrzehnte keinen messbaren Effekt erbringt, dann sind selbst nach Ihren Kriterien („vor allem, wenn etwas schnell gehen muss“) Verbote das falsche Mittel. Generell.
Verhaltensänderungen brauchen Zeit. Länder wie Dänemark haben sich allein für die Umstellung ihrer Heizgewohnheiten 30-40 Jahre Zeit genommen. Deutschland als drittgrößte Volkswirtschaft der Erde unternimmt billionenschwere Anstrengungen, um ein paar hundert Millionen Tonnen CO2 einzusparen, wo der globale Output bei 37000 Millionen Tonnen liegt. Normalerweise wird gefragt Cui bono? Da ist man sich weitgehend einig: denjenigen, denen es heute schon nicht so gut geht. Trotzdem sind wir im wohlhabenden Teil bereit, massive Einschränkungen in Kauf zu nehmen, ohne von den anderen etwas abzuverlangen. Das hat bei mir schon in der Erziehung nicht funktioniert.
Das 49-Euro-Ticket wurde letztlich von der Bevölkerung insgesamt gut aufgenommen. Ich kenne jedenfalls keinen, der sich drüber aufregt, auch in den Social Media hab ich das nicht beobachten können. (..).
Das Tempolimit…Umfragen zeigen regelmäßig eine Mehrheit dafür.
Das 49-Euro-Ticket wird hauptsächlich von Städtern nachgefragt. Auf dem Land nutzt es wenig bis nichts. Warum sollte sich aber jemand darüber aufregen? Die Politik sagt ja nicht: Alle müssen jetzt 10 Euro mehr Steuern zahlen, damit das Deutschland-Ticket für die Menschen in Berlin, München und Frankfurt bezahlt werden kann. Dann könnten Sie schon mit Protesten rechnen, denke ich.
Ich frage mich immer, was ein Tempolimit für den Klimaschutz bringen soll. Die Einsparung hier beliefe sich auf so 3 Millionen Tonnen bei einem Problem von 670 Millionen Tonnen. Lösungsansätze sehen irgendwie anders aus. Das gilt aber nur unter zwei Prämissen, die aus irgendwelchen Gründen als gegeben genommen werden: Die Leute halten sich sklavisch an die Regeln, es gibt keine Überschreitungen mehr (fahren Sie mal in Dänemark Autobahn mit einem offiziellen Tempolimit von 130. Da halten sich nur wenige dran). Und: Wir fahren weiterhin alle Verbrenner. Soweit ich weiß ist das genau nicht beabsichtigt. Damit aber können die 3 Millionen Einsparungen als Luftbuchung behandelt werden. So verärgert man Menschen.
Um im Emissionsreduktionsplan zu bleiben hätte man schon in den 90ern mit allerhand anfangen müssen und das wurde verpennt – auch aufgrund höchst unintelligenter und rein giergetriebener Entscheidungen großer Marktteilnehmer wie den Auto-und Ölkonzernen.
Da geht irgendetwas mit Ihnen durch. Die Hauptemittenten von CO2 sind nicht im Individualverkehr angesiedelt. Und vor allem: Deutschland liegt mit seinen Reduktionszielen im Plan der internationalen Vereinbarungen. Ich weiß nicht wo das herkommt, wir wären so weit hintendran.
Wenn die Zeit abgelaufen ist, dann werden uns die Umstände bestimmte Dinge einfach aufzwingen.
Bitte seien Sie mir nicht böse: das ist ausgemachter Blödsinn. Die Klimaforscher reden hauptsächlich von den Lebensverhältnissen im Jahr 2100. Da sind alle heute aktiv Lebenden tot. Die, die dann leben, besitzen kein Erinnerungsvermögen an die Zeit des Jahres 2000. Sie leben in einer anderen Welt, in die sie geboren wurden und sich vom ersten Tage an angepasst haben. Auch heute leben Menschen in Sibirien und in der Sahara. Sie können das, weil sie mit ihrer Umwelt verbunden und angepasst sind.
Wonach soll sich ein Mensch in Sibirien sehnen? Dass er lieber am Mittelmeer leben würde? Und Menschen im Kongo haben Sehnsucht nach Finnland.
Was auffällt ist, beide deiner „chinesischen“ Beispiele sind keine typischen Rationierungen, wie sie aus Kriegszeiten (*) bekannt sind (Alle erhalten nur eine begrenzte Menge), sondern Zugangsbeschränkungen (Wenige erhalten Zugang). Dieses Verfahren ist natürlich notorisch korruptionsanfällig und bedarf einer Toleranz für inhärente Ungerechtigkeit, die ich in unserer demokratischen Gesellschaft nicht sehe – namentlich wenn Sie mit einer generellen Verschlechterung der gesamten Wirtschaftsbedingungen einhergeht.
(*) Der Verdacht hinter der Parallele liegt nahe; die Bevölkerung soll auch hier Ressourcen einsparen, die das Militär „benötigt“.
Na, das würde ich gar nicht so sehen. Die MÜSSEN das regulieren, weil die Städte so absurd dicht besiedelt sind, dass unsere Levels von KfZ-Zulassungen nicht gehen.
Städte wie Stockholm und London regeln das über den Preis. Wieso gibst Du von Behörden vergebenen Erlaubnisscheinen den Vorzug?
Für PRIVATE KfZ finde ich es das fairere System.
Prima, Firmenwagen gelten nicht als private Kfz. Da sind viele fein raus. Ich bin dafür!! 🙂
Ich freue mich schon auf deinen Artikel der mir erklärt, warum das kein Privileg, sondern dein gottgegebenes Recht ist 😉
Ich habe so viele gottgebene Rechte, welches meinst Du? 😉
Deine präsentierte Abgrenzung nimmt Firmenwagen von der Rationierung aus. Wie bei jeder Rationierung lässt sich die Einschränkung von den Eliten, den Cleveren, den gut Vernetzten leicht umgehen und zu ihrem Vorteil wenden.
Das ist das, was die Klimaaktivisten im Grunde wollen, weil sie sich zu diesen Eliten zugehörig fühlen. Und das ist Deine Absicht, so muss ich unterstellen. Wie gesagt, wir haben so viele Erfahrungen mit Rationierungen, da muss man langsam wissen, wohin das führt.
Keine Regel ohne Nachteile.
Was du immer weißt, was deine Feindbilder alles Übles wollen….
Ausnahmen so groß wie ein Scheunentor.
Klimabewusste verhalten sich überdurchschnittlich klimaschädlich. Psychologisch wird das als „Kreditdenken“ eingeordnet. Wer schon so viel für die Umwelt tut, kann auch mal sündigen. Prominente Fälle wie Luisa Neubauer und Carla Reemtsma stehen da nur exemplarisch, die um die Welt jetten als gäb’s kein Morgen.
Baerbock gelobte vor Amtsantritt, als Außenministerin öfter Linie zu fliegen – nur um die Flugbereitschaft exzessiv zu nutzen. Da tourt sie schon mal für die Medienvertreter kurz mit dem Bus durch den mittleren Westen der USA, während die Regierungsmaschine hinterherfliegt. Und vor kurzem beorderte sie einen zweiten Regierungsjet zusätzlich nach Kopenhagen, um 1 1/2 Stunden früher nach Berlin zu kommen.
Klar ist man so begünstigt für Rationierungen. Für andere…
[citation needed]
Für welche Aussage? Den psychologischen Aspekt oder für die genannten Fälle von Baerbock?
Klimabewusste verhalten sich überdurchschnittlich klimaschädlich.
Auf die Schnelle habe ich nicht die Studie gefunden, auf die ich mich eigentlich bezogen habe. Dafür muss es diese aus der Schweiz tun:
Obwohl ein Grossteil der Bevölkerung eine verzerrte Wahrnehmung des eigenen CO₂-Ausstosses hat, besteht laut Sotomo ein starker Zusammenhang zwischen Einschätzung und tatsächlichem Verhalten. Personen, die das eigene Verhalten als klimafreundlicher einschätzen, haben tatsächlich einen kleineren CO₂-Fussabdruck.
Die Gruppe, die ihr Verhalten als sehr klimafreundlich einschätzt, fällt hingegen aus der Reihe. Diese Gruppe weist beim Konsum einen tiefen Wert aus, nicht aber beim Fliegen und der weiteren Mobilität.
https://www.srf.ch/news/schweiz/umfrage-zum-klimaverhalten-schweizer-sind-weniger-klimafreundlich-als-sie-denken
Wie Du sehen kannst, hat die Gruppe derjenigen, die sich als besonders vorbildlich ansieht, einen größeren CO2-Fußabdruck als jene, die sich als klimabewusst und diejenigen, die sich nur als durchschnittlich klimabewusst einstufen. In der eigentlichen Studie wurde das mit dem Kreditverhalten begründet: Wer sich als besonders klimabewusst (oder sonst sozial vorbildlich) ansieht, meint, dass er sich wegen seines ja sonst so prima Verhaltens auch etwas leisten könne.
Es ist der gleiche psychologische Effekt, den wir aus der Geschichte bei besonders gläubigen Menschen kennen. Wer immer besonders gottesfürchtig lebt, darf ja auch mal über die Stränge schlagen.
In kleinerem Maß haben wir auch ein ähnliches Problem gehabt, da der Schadstoffausstoß des Autoverkehrs für die Atemluft in manchen Städten zu hoch wurde. Auf welche Art wurde das Problem gelöst? Mit „Umweltzonen“ die nur noch für bestimmte Fahrzeuge erlaubt waren. Das Kriterium welche das sind, war ein rein technisch am Problem orientiert, ohne Willkür oder „Zugangskauf“.
Das muss man nicht so sehen. Die höchsten Feinstaubbelastungen wurden während der Pandemie gemessen, als der Autoverkehr gering war. Wer Lust auf extrem hohe Konzentrationen hat, geht am besten an die U-Bahn-Station seiner Wahl und atmet heftig ein.
Das mit den Umweltzonen war auch eine prima Sache. Nach Einführung der Plaketten durften fast alle Autos weiterhin in die Innenstädte – gegen einen kleinen zusätzlichen Obolus an die Staatskasse. Ausgesperrt blieben die Schrottkarren der Geringverdiener, die sich in den letzten 10 Jahren keinen Gebrauchtwagen mehr zugelegt hatten.
Das ungefähr beschreibt das Problem mit den Rationierungen. Diktatorisch, unsozial, Grundrechte missachtend und Beamte mit zusätzlicher Macht ausstattend. Es verwundert mich kein bisschen, dass Beamte und Staatsgläubige die Idee faszinierend finden.
Mit dem Thema „unsozial“ haben Sie einen neuralgischen Punkt getroffen. Beobachtung hierzu: Während die „Schrottkarren der Geringverdiener“ ausgesperrt wurden, bekamen die „Schrottkarren der Besserverdiener“ (Oldtimer mit H-Kennzeichen) eine Sondergenehmigung.
Darum ging es mir nicht wirklich. Der Punkt ist die Schönmalerei beim Thema Rationierungen. Es gibt immer einen Unterschied zwischen Theorie und Praxis.
Da sind wir (indirekt) sehr nah beieinander. Ich wollte das deutsche Verfahren der „Rationierung“ als Positivbeispiel für ‚an einem rationalen Kriterium ausgerichtet‘ anführen (Schönfärberei). Aber Ihr Einwurf hat mich die praktische Umsetzung hinter der Theorie nochmal hinterfragen lassen.
Völlig fair! Aber das ist ein Verbot.
Mein Punkt. Ein selektives Zuteilungsverfahren ist konzeptionell „unfairer“ als ein allgemeines Verbot oder gleiche „Rationen“ für alle. In der Praxis (s.o.) wird das dann womöglich unterlaufen, aber das ist eine andere Geschichte.
Genau, deswegen sage ich ja, man muss alle Tools des Werkzeugkastens nutzen. Und unterlaufen werden können alle Systeme.