Eine empörter Lindner diskutiert die rechte Zivilgesellschaft im kompetenten Wahlkampf – Vermischtes 16.04.2024

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.

Fundstücke

1) Empörung allein reicht nicht mehr

Der Artikel beschreibt die zunehmende Kritik am israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen, insbesondere nach einem Luftangriff, bei dem sieben Helfer der Organisation World Central Kitchen getötet wurden. Diese Tragödie verdeutlicht ein Muster der Missachtung humanitärer Normen durch das israelische Militär, was nicht nur den Opfern schadet, sondern auch die internationale Gemeinschaft alarmiert. Es wird darauf hingewiesen, dass die fortgesetzte Unterstützung Israels durch westliche Länder wie die USA und Deutschland hinterfragt wird. Die fehlende Konsequenz der Verbündeten, Israel zur Rechenschaft zu ziehen, wird kritisiert, obwohl sie Einflussmöglichkeiten hätten, wie z.B. die Aussetzung von Waffenlieferungen. Es wird betont, dass angesichts der humanitären Krise im Gazastreifen und des fehlenden politischen Willens zur Lösung des Konflikts die internationale Gemeinschaft stärker handeln muss, um Israel zur Verantwortung zu ziehen und die humanitäre Situation zu verbessern. (Thore Schröder, Spiegel)

Ich bemerke bei mir einen Wandel in meiner Haltung zum Krieg in Gaza. Ich war nach dem 7. Oktober völlig auf Israels Seite und hatte – und habe weiterhin – null Geduld mit den Hamas-Apologeten, gerade auf der Linken. Aber es wird immer schwieriger, die Handlungen der Netanyahu-Administration und der IDF zu rechtfertigen. Immer öfter äußern selbst Expert*innen, die jeglicher Sympathie für die Hamas unverdächtig sind, harsche Kritik an den Rules of Engagement, an der generellen Strategie und an der Politik Netanyahus. Ich befürchte, dass die Regierung dem Land gerade massiv Sympathien verspielt (siehe auch: Benjamin Netanjahu hat Israel isoliert), selbst bis in die Kreise der US-Sicherheitspolitik hinein. Israel kann gewiss auf deutsche Militärhilfe verzichten (wenngleich auch das gar nicht ausgemacht scheint, wenn man Toozes U-Boot-Analyse ernstnehmen darf), aber selbst die Finanzhilfen sind nicht eben klein, und die Abhängigkeit des Landes von amerikanischer Militärhilfe ist glaube ich unumstritten.

2) Lässt Christian Lindner jetzt die Ampel platzen?

Der Artikel beschreibt das politische Manövrieren von Christian Lindner und der FDP im Kontext der laufenden Koalitionsregierung. Lindner droht mit dem Platzen der Ampelkoalition, insbesondere im Zusammenhang mit der Aufstellung des nächsten Haushalts. Er betont die Notwendigkeit von Sparmaßnahmen und stellt provokante Forderungen zur Diskussion, die auf Differenzen mit den Koalitionspartnern SPD und Grüne abzielen. Die FDP fordert eine „Wirtschaftswende“ mit Steuersenkungen und der Abschaffung des Solidaritätszuschlags, um die Wirtschaft anzukurbeln. Lindner setzt auf strategische Unklarheit, um Druck auf seine Partner auszuüben und Zugeständnisse zu erhalten. Die mögliche Auflösung der Koalition bleibt ein Thema, doch die Dynamik zwischen den Parteien und die Entscheidungen des Kanzlers spielen eine entscheidende Rolle in dieser angespannten Situation. (Severin Weiland, Spiegel)

Zu den Hintergründen der FDP-Forderungen und -Positionierungen siehe dieser Bericht vom FDP-Leitantrag. Das größte Problem für Lindner scheint mir zu sein, dass ein Platzenlassen der Koalition anders als 1982 nicht in einen Regierungswechsel münden kann: es gibt keine Mehrheit für sie im Bundestag, die nicht die Grünen oder SPD mit einschließen würde. Warum genau diese einen solchen Koalitionswechsel mittragen sollen, ist gelinde gesagt unklar. Blieben Neuwahlen, die für die FDP (milde ausgedrückt) gerade wenig ratsam sind, oder der Gang in die Opposition, gegebenenfalls außerparlamentarisch. Mein Problem ist, dass ich zu wenig kulturellen Bezug zur FDP habe um das alles irgendwie einschätzen zu können. Bei der SPD weiß ich, dass die staatsmännische Verantwortung über alles stellen. Die Grünen? Auch keine Ahnung.

3) Konservativ ist nicht rechts

Der Autor drückt seine Besorgnis über eine zunehmende Bereitschaft aus, Rechtsextreme zu verteidigen, und betont die Notwendigkeit für die CDU, ihre Distanz zu ihnen zu wahren. Er reflektiert seine eigene konservative Erziehung und die traditionelle Haltung der CDU gegenüber Extremismus. Kritisiert wird die jüngste Verteidigung einer Schülerin mit Neonazi-Verbindungen sowie die Umdeutung rechtsextremer Aktivitäten als Meinungsfreiheit. Historische Bezüge zur Konservativen Partei, wie Strauß‘ Ablehnung rechtsextremer Positionen, werden herangezogen, um die aktuelle Situation zu beleuchten. Der Autor warnt vor der Verschiebung politischer Markierungen und dem Aufstieg von Rechtspopulismus. Er fordert eine klare Ablehnung von Extremismus durch die CDU, selbst wenn dies bedeuten könnte, dass die AfD in einigen Bundesländern an die Macht kommt. (Peter Huth, Welt)

Ich habe null Verständnis oder Geduld mit den Linken, die die CDU/CSU (oder selbst die Freien Wähler) mit der AfD oder gar Neonazis in einen Topf werfen wollen, wie es leider gerade bei den Demos gegen Rechts oft genug geschehen ist. Auf der anderen Seite aber ist es natürlich wenig hilfreich, wenn Konservative dasselbe Geschäft begreifen und sich reflexhaft in eine Pose der Verteidigenden von Rechtsradikalen begeben, wie es gerade im Umfeld der Demos gegen Rechts der Fall war. Entweder gilt, dass „konservativ nicht rechts“ ist; dann darf man sich aber mit „rechts“ auch nicht angesprochen fühlen. Oder aber wir machen – wofür ich sehr plädieren würde – eine Unterscheidung zwischen „rechts“ und „rechtsradikal“ und „rechtsextremistisch“, aber dann kommen die Leute auf der Rechten auch nicht umhin, dieses Label zu nehmen und mit (demokratischem) Leben zu füllen. Ich kriege das selbst auch nicht konsistent hin, und das scheint mir ein sehr deutsches Problem zu sein – angelsächsische Länder oder Frankreich jedenfalls haben mit dem Begriff kein Problem, und ich nehme an, viele andere auch nicht.

4) Zivilgesellschaft – was genau soll das sein?

Der Autor hinterfragt die gängige positive Konnotation von „Zivilgesellschaft“ und betont, dass diese nicht automatisch demokratisch oder positiv ist. Er erklärt den historischen Ursprung des Begriffs und seine Entwicklung im Zusammenhang mit politischen Institutionen. Anhand der Weimarer Republik zeigt er, wie die Zivilgesellschaft auch nationalistische und republikfeindliche Bewegungen unterstützte. Die NSDAP habe sogar einen Teil ihrer Kader aus diesen Organisationen rekrutiert. Der Autor warnt davor, die Zivilgesellschaft unkritisch zu glorifizieren und betont die Bedeutung starker politischer Institutionen für eine stabile Demokratie. Die Politik sollte nicht von der Zivilgesellschaft dominiert werden, sondern ihre eigenen Handlungsweisen und Regeln beibehalten. (Thomas Schmid, Welt)

Schmid macht hier einen sehr guten Punkt. Zivilgesellschaftliches Engagement trägt sehr positive Konnotationen mit sich; man hat Bilder von Friedensdemos im Kopf, FridaysForFuture, Widerspruch gegen rassistische Sprüche in der Bahn, solchen Kram. Aber natürlich ist auch die Wehrsportgruppe Hoffmann erstmal zivilgesellschaftliches Engagement, die Letzte Generation, die Antifa, die Hausbesetzenden und so weiter. Schmids Punkt mit der großen Bedeutung starker staatlicher Regelungen ist ein sehr wichtiger. Mir kommt da das Beispiel der Meldeportale in den Kopf, das wir letzthin diskutiert haben: wie viel besser ist es, wenn solche Dinge in einem kontrollierten, transparenten und verantwortlichen Rahmen ablaufen als wenn das „zivilgesellschaftlich“ passiert, außerhalb jeder Kontrolle und Verantwortung? Von den anderen Beispielen ganz zu schweigen.

5) Inside the Terrifyingly Competent Trump 2024 Campaign

Donald Trumps Präsidentschaftswahlkampf für 2024 nimmt eine dramatische Wendung, als er rechtlichen Gefahren ausgesetzt ist und eine Rolle als Möchtegern-Diktator annimmt, der nach Rache strebt. Trumps Bild des Widerstands während einer möglichen Festnahme wird zu einem prägenden Symbol für sowohl seine Unterstützer als auch Kritiker. Trotz rechtlicher Herausforderungen sammelt Trumps Kampagne Millionen und gewinnt an Fahrt, indem sie eine disziplinierte und fokussierte Operation präsentiert. Mit einem überfüllten GOP-Primärkandidatenfeld und anhaltenden rechtlichen Ablenkungen wächst Trumps Vorsprung, da er seinen Status als politischer Märtyrer ausnutzt. Spekulationen über potenzielle Ernennungen in einer zweiten Trump-Regierung werden laut, wobei Loyalität als wichtigstes Kriterium gilt. Von Trump vorgeschlagene Politiken, darunter Massenabschiebungen und das Zielen auf politische Feinde, deuten auf eine möglicherweise extreme Agenda hin. Mit der Festigung von Trumps Dominanz wachsen die Bedenken hinsichtlich des Erosions demokratischer Normen und der Möglichkeit autoritärer Herrschaft. (Gabriel Sherman, Vanity Fair)

Ich habe an dieser Stelle schon öfter über die alles andere als erbaulichen Aussichten eines Trump-Siegs geschrieben und will das gar nicht endlos wiederholen. Ich verweise an dieser Stelle nur einmal mehr auf den Kontrast zwischen dem totalen Chaos seiner ersten Präsidentschaft (siehe hier) und dem Project25. Was ich an dieser Stelle hervorheben will ist aber etwas anderes: nicht Trump ist kompetenter geworden, sondern die Leute um ihn herum. Anders als 2016 hat die republikanische Partei sich vollständig hinter ihn gestellt. Trump IST die republikanische Partei, die demokratische Elemente weitgehend gesäubert hat. Niemand sollte darauf bauen, dass wie 2017-2021 schon irgendwelche halbwegs normal denkenden Leute seine schlimmsten Impulse abfangen werden, oder dass seine Kandidat*innen solche abseitigen Clowns sind, dass sie keinen Schaden anrichten können. Die Profis haben die Kontrolle übernommen, und ihr Projekt ist, was Orban eine illiberale Demokratie nannte. Da ist viel zu wenig Sorge und Bewusstsein vorhanden.

Resterampe

a) Diese Frühgeschichte Amazons zeigt gut, wie Monopolismus funktioniert.

b) Wenn das stimmt, war Stoiber echt ganz schön illusionär unterwegs.

c) Kamala Harris ist bei weitem kein so negativer Punkt, wie gerne behauptet wird.

d) Dieser Test ist angesichts der Empirie auch schon lange überfällig.

e) Verriss von Schröters neuem Buch.

f) Analyse Teslas aktueller wirtschaftlicher Lage.


Fertiggestellt am 07.04.2024

{ 105 comments… add one }
  • VD 16. April 2024, 08:48

    2) Lässt Christian Lindner jetzt die Ampel platzen?

    „Es gibt keine Mehrheit für sie im Bundestag, die nicht die Grünen oder SPD mit einschließen würde. Warum genau diese einen solchen Koalitionswechsel mittragen sollen, ist gelinde gesagt unklar. Blieben Neuwahlen, die für die FDP (milde ausgedrückt) gerade wenig ratsam sind, oder der Gang in die Opposition, gegebenenfalls außerparlamentarisch.

    Mein Problem ist, dass ich zu wenig kulturellen Bezug zur FDP habe um das alles irgendwie einschätzen zu können. “

    Soll ich mal aus dem Nähkästchen plaudern? 😉 Da ich seit 1985 in der FDP bin und auch in der Gründungsphase der Jungen Liberalen mitmachen durfte erlaube ich mir eine gewisse Ahnung zur FDP zu haben.

    In kurzen Stichpunkten:
    Meine Partei besteht aus sehr vielen Individualisten und leider gibt es da immer einige, die eine gewisse „reine Lehre“ über die Erfordernisse der Realität stellen. Das mündete jüngst in einer sattsam bekannten Mitgliederbefragung. Diese „reine Lehre“ ist allerdings (meiner Meinung nach) nur eine sture Ablehnung von Tatsachen (wie z. B. dass die FDP relativ selten in Gefahr kommt, auf Bundesebene die absolute Mehrheit zu erreichen.

    Ein zweites Problem der Partei ist, das die Wahl der FDP bei den potenziellen Wählern zu großen Teilen eine Kopfentscheidung ist und keine Entscheidung des Herzens; will sagen: viele Wähler – aber auch Mitglieder – wählen oder unterstützen die Partei nicht deswegen weil sie den Liberalismus stärken wollen sondern weil sie irgendetwas erreichen oder verhindern wollen. Dieser (größere Teil) der Unterstützer ist dann schnell enttäuscht, wenn Kompromisse gemacht werden müssen wie das in der aktuellen Regierung aktuell häufig der Fall ist. Diese nicht zu verlieren bzw. sogar neue zu gewinnen ist sehr schwer.

    Das alles nur mal ganz kurz, da könnte man seitenweise dazu was schreiben.

    • Thorsten Haupts 16. April 2024, 12:44

      In Kurzform: Echte Liberale sind auch im Westen eher selten und dass wir tatsächlich liberale, freie, rechtsstaatliche, Gesellschaften haben, grenzt ob dieser beobachtbaren Tatsache an ein Wunder 🙂 .

      • VD 16. April 2024, 13:08

        ür den „Westen“ kann ich das nicht verifizieren, für Derutschland ist das leider so.

    • CitizenK 16. April 2024, 16:16

      Was hält man im Nähkästchen von Wissings „Drohung“ mit Fahrverboten? Seriös? Konstruktiv?

      • cimourdain 16. April 2024, 17:08

        Wird nicht kommen. Er hat dafür zu wenige Schilder.

      • Stefan Pietsch 16. April 2024, 17:38

        Seit wann haben Linksgrüne eine Problem mit Fahrverboten und halten sie für unseriös? Ansonsten wollte ich ohnehin noch mehr dazu schreiben: Fahrverbote? Ja bitte!

      • VD 17. April 2024, 08:02

        Ein Bundesminister muss Bundesgesetze vollziehen, er wäre – hätten sich die Kolaitionspartner nicht bewegt – das bestehende Recht ausführen müssen, also z. B. die angesprochenen Fahrverbote verhängen.
        Mittlerweile haben dann – vor allem die Grünen – dann bemerkt, was ihre früheren Gesetzesinitiativen so anrichten können.

  • Tim 16. April 2024, 08:54

    (1 – Israel)

    Ich befürchte, dass die Regierung dem Land gerade massiv Sympathien verspielt

    Die Welt konnte gerade eine offene militärische Kooperation zwischen Israel, den USA, Jordanien und Saudi-Arabien gegen Iran beobachten. Wenn sich das zu einem gemeinsamen Schutzschild ausweitet, ist das ein Gamechanger.

    Im Vergleich zur Zeit vor 50 oder 60 Jahren schwimmt Israel geradezu in einem Meer aus Sympathie. Es wird immer deutlicher, wie unsinnig der Hamas-Angriff aus strategischer Sicht war. Und der iranische Angriff war auch nicht gerade eine brillante Idee. Diese Fanatiker sind und bleiben Kretins.

    • Erwin Gabriel 16. April 2024, 14:21

      @ Tim 16. April 2024, 08:54

      1) Empörung allein reicht nicht mehr

      Die Welt konnte gerade eine offene militärische Kooperation zwischen Israel, den USA, Jordanien und Saudi-Arabien gegen Iran beobachten.

      Ich denke, dass da mehr Eigennutz dabei ist als Sympathie, und dass diese Länder bei einem neuen Krieg um Israel viel zu verlieren hätten. Aber einige arabische Länder werden sicherlich nicht vergessen, dass der Iran sie dazu genötigt hat, aktiv Israel zu unterstützen.

      Es wird immer deutlicher, wie unsinnig der Hamas-Angriff aus strategischer Sicht war. Und der iranische Angriff war auch nicht gerade eine brillante Idee.

      Die Hamas hat zumindest das Ziel erreicht, den schleichenden Friedensprozess mit der arabischen Welt aufzuhalten und die Bevölkerung in den arabischen Ländern mit neuem Hass gegen Israel aufzuladen. Und je schlimmer Israel im Gaza-Streifen wütet, umso größer wird der Nachschub Terroristen.

      Der iranische Angriff wiederum scheint mir auf den ersten Blick sehr geschickt gemacht. Aufwendig genug, um die Fernsehbilder auf der ganzen Welt zu bestimmen und nach außen und besonders nach innen klarzumachen, dass man sich Angriffe wie auf die iranische Botschaft nicht gefallen lassen wird. Andererseits so ausgeführt, dass in Israel kein großer Schaden entstand, so dass Israel sich nicht automatisch gezwungen sieht, umgehend und so hart zurückzuschlagen, dass ein großflächiger Krieg unvermeidlich geworden wäre. Netanjahu profitiert sogar davon: Diesmal konnte er sein Land schützen, er kann daher erstmal gelassen reagieren.

      Diese Fanatiker sind und bleiben Kretins.

      Da will ich widersprechen. Das sind hochintelligente Leute, die halt „nur“ einen vollkommen anderen Mindset haben.

      • Tim 17. April 2024, 12:48

        Da will ich widersprechen. Das sind hochintelligente Leute, die halt „nur“ einen vollkommen anderen Mindset haben.

        Naja. Es gibt immerhin einen Aspekt am iranischen Angriff, der tatsächlich auf so etwas wie Intelligenz schließen lässt: Sie haben bewusst Dimona nicht angegriffen, wenn die Information stimmt. Das hätte ggf. bedeutet, dass Israel beim nächsten Mal die größtmögliche Antwort geben muss.

        Insgesamt war der Angriff eine Werbeaktion für das Militärbündnis Israel – Saudi-Arabien. Haben sie gut gemacht, die Mullahs.

    • Erwin Gabriel 16. April 2024, 14:26

      @ Tim 16. April 2024, 08:54

      1) Empörung allein reicht nicht mehr

      Ergänzung:
      Ich halte die Härte, mit der Israel gegen die palästinensische Bevölkerung im Gaza-Streifen vorgeht, für falsch und nicht zielführend. So verständlich eine derart brutale Reaktion auch sein mag, trifft sie nicht nur die Hamas-Kämpfer, sondern – absichtsvoll, billigend in Kauf nehmend – auch Zivilisten. Und für mich sind Soldaten, die Zivilisten töten, Mörder.

      Und nein, ich habe keine Lösung, wie man die Situation optimal lösen könnte.

      • CitizenK 16. April 2024, 16:33

        „… Mörder“
        Wenn sie das wirklich absichtlich tun, ja. Aber was sind Menschen, die „absichtsvoll, billigend in Kaufnehmend“ Zehntausende ihrer eigenen Leute ihrem Hass opfern? Das Massaker vom 7. Oktober zielte doch genau darauf. Die Hamas könnte den Krieg innerhalb einer Stunde beenden, wenn sie denn wollte. Bekanntlich tragen ihre Kämpfer keine Uniform. Dass Israelis eigene Leute (Geiseln) versehentlich erschossen, zeigt die Unübersichtlichkeit der Lage. Ich traue mir kein Urteil über die Verhältnismäßigkeit zu.

        • Erwin Gabriel 16. April 2024, 19:13

          @ CitizenK 16. April 2024, 16:33

          Wenn sie das wirklich absichtlich tun, ja. Aber was sind Menschen, die „absichtsvoll, billigend in Kauf nehmend“ Zehntausende ihrer eigenen Leute ihrem Hass opfern?

          Ist diese Frage – an mich – ernst gemeint? Du vergleichst nach dem Motto „die sind (noch) nicht so schlimm wie die anderen“?

          Ich glaube, dass wir eine sehr hohe Einigkeit darüber haben, was die Hamas oder die Hisbollah ist, was sie tat und was sie tut. Ihre Begründung war und ist stets „… aber die anderen „. Nicht, dass ich diese Argumentation teile – es gibt Dinge, die tut man einfach nicht, wenn man sich als Mensch versteht,

          Das Massaker vom 7. Oktober zielte doch genau darauf. Die Hamas könnte den Krieg innerhalb einer Stunde beenden, wenn sie denn wollte.

          Ja. Tun Sie nicht, sie bieten den Israelis ihre Zivilisten auf dem Silbertablett als Opfergabe dar. Und Netanyahu nimmt dankbar an.
          Ich kann den Krieg, den die Israelis in Gaza führen, gut verstehen; wie sie ihn führen, verstehe ich nicht (bzw. verstehe ihn dahingehend, dass Netanyahu die vielen zivilen palästinensischen Opfer in Kauf nimmt, um Rache zu üben).

          Ich traue mir kein Urteil über die Verhältnismäßigkeit zu.

          Ich habe auch keine Lösung. Mich stört auch nicht, dass die israelische Armee gegen Hamas- und Hisbollah-Kämpfer vorgeht. Aber mir wird regelrecht übel, wenn ich auf die Zivilisten i Gaza schaue.

          • Thorsten Haupts 17. April 2024, 08:22

            Ich kann den Krieg, den die Israelis in Gaza führen, gut verstehen; wie sie ihn führen, verstehe ich nicht …

            Ja. Nur gibt es militärisch keine Möglichkeit, einen Krieg in einer dicht besiedelten Region zu führen, ohne Zivilisten – haufenweise – zu treffen. Absolut keine.

            Ich verstehe das Sentiment, die Sympathie, gegenüber der Zivilbevölkerung. Aber da hat sich meine Sichtweise seit einigen Jahren deutlich gewandelt:

            Jeder Zivilist, der brav seinen Job ausführt, hilft dem Regime, dem er untersteht. Völlig egal, ob er das will und völlig egal, wie er zu dem Regime steht. Ohne dieses Funktionieren kann das Regime seine Verbrechen nicht begehen, das galt im Zweiten WK und das gilt auch heute.

            Und ich habe die Bilder jubelnder Massen nicht vergessen, als Leichen nackter Frauen auf Pickups als „Beweis“ für Hamas Fähigkeit zur unmenschlichen Grausamkeit im Gazastreifen „paradiert“ wurden.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

            • Tim 17. April 2024, 09:17

              Jeder Zivilist, der brav seinen Job ausführt, hilft dem Regime, dem er untersteht.

              Ja, das würde ich inzwischen auch so sehen. Als Zivilist unter einem verbrecherischen Regime hat man allerdings (meist) nur schlechte Optionen.

              Die Palästinenser im Gaza-Streifen hätten spätestens dann protestieren müssen, als die Hamas plötzlich keine Wahlen mehr abhielt.

      • Tim 16. April 2024, 16:41

        Die Bevölkerung im Gaza-Streifen hatte Zeit genug, der Hamas in den Hintern zu treten. Irgendwann muss ein Volk die Verantwortung für die Entscheidungen tragen, die es getroffen oder eben nicht getroffen hat (übrigens auch das iranische!). Das ist nicht schön, aber die Vernichtung der deutschen Städte im Zweiten Weltkrieg war auch nicht schön. Das ist die Rechnung, wenn sich eine Gesellschaft von Verrückten kapern lässt.

        Mein Mitleid hält sich sehr in Grenzen. Israel sieht sich einem Feind mit Vernichtungsabsicht gegenüber. Seine Beschwichtigungspolitik hat sich über Jahrzehnte als unwirksam erwiesen.

        • Erwin Gabriel 16. April 2024, 19:27

          @ Tim 16. April 2024, 16:41

          Die Bevölkerung im Gaza-Streifen hatte Zeit genug, der Hamas in den Hintern zu treten.

          Wann gab es die letzte freie Wahl im Gaza-Streifen? Wann in Russland? In Syrien?

          Du musst nur ein paar Jahr zurück in unsere eigene Geschichte gehen. Die DDR war für die wenigsten Bewohner ein Hort der Glückseligkeit. Es gab einige kranke Gesetze, es gab Willkür, aber alles in allem ging es dort deutlich entspannter zu als im Gaza-Streifen. Dennoch haben unsere ostdeutschen Mitmenschen Jahrzehnte gebraucht, um sich frei zu machen, und hatten das Glück, dass die damalige DDR-Regierung zum Schluss die Hosen zu voll hatte, um ohne die Unterstützung vom großen russischen Bruder auf die eigenen Leute zu schießen.
          In Gaza sieht das ein bisschen anders aus, und deren großer Bruder, der Iran, will Krawall um jeden Preis; er interessiert sich einen Scheiß für die Situation der Palästinenser.

          … aber die Vernichtung der deutschen Städte im Zweiten Weltkrieg war auch nicht schön.

          Den gezielten Versuch (auch diesen), Zivilisten zu ermorden, betrachte ich als Kriegsverbrechen.

          Das ist die Rechnung, wenn sich eine Gesellschaft von Verrückten kapern lässt.

          Nicht bös sein, wenn ich deutlich werde, aber da spuckst Du große Töne. Mit der gleichen Brgründung zieht Putin in der Ukraine vom Leder. Das ist mir zu billig.

          Mein Mitleid hält sich sehr in Grenzen.
          Meines nicht. Die Vorstellung, dort als Vater von kindern nicht in der lage zu sein, die eigene familie schützen und ernähren zu können, ist fürchterlich.

          Israel sieht sich einem Feind mit Vernichtungsabsicht gegenüber. Seine Beschwichtigungspolitik hat sich über Jahrzehnte als unwirksam erwiesen.

          Keine Einwände. Aber ist Dir das ein ausreichenden Grund für dieses unendliche Sterben? Mir nicht.

          • Tim 17. April 2024, 09:43

            Wann gab es die letzte freie Wahl im Gaza-Streifen? Wann in Russland? In Syrien?

            Spätestens dann muss eine Gesellschaft aufstehen. Tut sie es nicht, stützt sie de facto das Regime. Was auch sonst?

            Übrigens befinden wir uns in Europa gerade in einer ganz ähnlichen Situationen. Können wir uns dazu durchringen, Putin wirksam entgegenzutreten? Wenn nicht, tragen wir als Gesellschaft eine Verantwortung für die Folgen. Wer auch sonst?

            Die Vorstellung, dort als Vater von kindern nicht in der lage zu sein, die eigene familie schützen und ernähren zu können, ist fürchterlich.

            Die Vorstellung ist in der Tat fürchterlich.

            • Stefan Pietsch 17. April 2024, 11:39

              Jan Fleischhauer hat über die Unterstützung der Hamas durch die Palästinenser erschreckende Fakten genannt:

              134 Menschen befinden sich nach wie vor in Geiselhaft. Es sind übrigens nicht nur die Schergen der Hamas, die über sie wachen. Vor wenigen Tagen las ich von einem israelischen Elternpaar, das mit seinen zwei kleinen Kindern von einer palästinensischen Familie im Keller deren Hauses in Gaza gefangen gehalten worden war. Hin und wieder warfen die Hausbesitzer ein paar Abfälle die Kellertreppe herunter.

              Kann man sich vorstellen, dass sich die Geschichte mit vertauschten Rollen zugetragen hätte? Dass eine israelische Familie in Aschkelon oder Haifa ihre Nachbarn in Geiselhaft hält, um sich daran zu ergötzen, wie diese langsam vor Hunger um den Verstand kommen? Ich nicht. (..)

              59,3 Prozent der Bewohner des Gazastreifens erklärten in einer Umfrage des PEW-Instituts, dass sie den Überfall vom 7. Oktober sehr unterstützen, 15,7 Prozent tun das zumindest zum Teil. Nur 7,3 Prozent sagten, dass sie die Massaker ablehnen, weitere 5,3 Prozent immerhin irgendwie.

              Das heißt, lediglich 13 Prozent äußern Vorbehalte dagegen, Kinder zu enthaupten, Babys bei lebendigem Leib zu verbrennen und Frauen zu verstümmeln, während man sie vergewaltigt. Umfragen sind mit Vorsicht zu genießen, zumal aus Kriegsgebieten. Eine kürzlich erfolgte Erhebung des Meinungsforschers Shakaki kommt allerdings zu einem ähnlichen Ergebnis.
              https://www.focus.de/politik/meinung/focus-kolumne-von-jan-fleischhauer-die-schoenen-augen-von-mahmud-abbas_id_259823828.html

              Es fällt schwer, angesichts solcher Umstände nicht davon zu sprechen, dass die meisten Palästinenser in Gaza Bestien seien, denen zivile Verhaltensweisen abhold sind. Es gibt den Spruch, alle in einen Sack zu stecken, man würde immer den Richtigen treffen. Angesichts solch unglaublich hoher Zustimmungswerte für die schlimmsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit bin ich geneigt dem zuzustimmen.

    • moin 20. April 2024, 02:28

      absoluter west-boomertake.
      jedem der halbwegs verstand hat, war von anfang an klar, dass israel immer mehr sympathien einbüssen wird. was auch passiert ist und passiert, weltweit.
      und je jünger, umso krasser, denn die haben keinen mainstreamfilter, der die kranken videos der idf zurückhält.

  • Thorsten Haupts 16. April 2024, 10:13

    Zu a)
    Ich musste mich beim Lesen dieses vor Empörung platzenden Artikels mehrfach vom lauten Lachen abhalten.

    Es ist KEINE gute Idee, seine Kundendaten und Preise einem (potentiellen) Konkurrenten anzuvertrauen? Ach was. Amazon nutzt jeden legalen Trick, um Steuerregelungen zu seinem Vorteil auszunutzen? Nein sowas aber auch.

    Der Artilel behauptet mehrfach – ohne jeden handfesten Beleg, inklusive überzeugende Gerichtsurteile – Amazon hätte eindeutig illegale Geschäftsmethoden angewandt. Sorry, aber Beweis durch Behauptung überzeugt mich nicht.

    Ein Unternehmen wächst also kontinuierlich, nutzt dabei Kreativität, Professionalität, Steuersparmöglichkeiten und die abgrundtiefe Dummheit von Kunden und Mitbewerbern, um sich als de facto Monopolist zu etablieren. Schlimm das ganze, im guten Sozialismus wäre das nicht passiert.

    Übrigens hat niemand andere Unternehmen davon abgehalten, rechtzeitig eigene (gemeinsame) Onlineplattformen aufzubauen, als Amazons Marktmacht noch in den Kinderschuhen steckte. Weltweit. Aber wenn man sich faul auf seinen welkenden Lorbeeren ausruht, dann bestraft einen halt die Marktwirtschaft.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Tim 16. April 2024, 10:47

      Ja, dem stimme ich im Großen und Ganzen zu. Gerade Deutschland hatte in den 90ern ja noch eine lebendige Versandhändler-Landschaft. Dass von denen keiner zu einem Amazon geworden ist (selbst Otto ist weit davon entfernt), ist ein echtes Armutszeugnis. Und nicht mal der lokale Einzelhandel nimmt die Bedrohung durch Amazon im Jahr 2024 wirklich ernst. Das Versagen ist kolossal. Zumindest in Deutschland ist unternehmerische Dummheit mindestens ebenso wichtig für Amazons Erfolg wie deren Klugheit.

      Übrigens: Amazon kann sich teure Kämpfe leisten, weil es heute vor allem ein unglaublich erfolgreicher Cloud-Anbieter ist. Wer Amazon angreifen möchte, muss deren Cloud-Geschäft angreifen. IT-Kompetenz ist gefragt. Aber wie ich immer wieder höre und lese, haben wir ja in Deutschland genug MINT-Absolventen, mit den neuen Examenswellen wird das also alles in Ordnung kommen. 🙂

    • schejtan 16. April 2024, 12:09

      Bonuspunkte fuer die Politiker, die die Steuersparmodelle laut kritisieren und nicht die geringsten Anstalten machen, die Schlupfloecher zu schliessen.

      • Stefan Pietsch 16. April 2024, 12:22

        Das typische Steuerschlumpfloch ist meist das Ergebnis von Komplexität des Systems, nicht von Absicht. Ein einfaches System hat selten Ausnahmen. Erstens ist es ein Widerspruch in sich, zweitens ist es sofort zu sehen.

        Die klügsten Köpfe arbeiten nicht in Behörden, sondern Kanzleien. Die Krux ist, dass (linke) Politiker und Beamte sich für schlauer als die Bürger halten.

        • Thorsten Haupts 16. April 2024, 14:30

          Mit dem Steuerschlumpfloch haben Sie mich 🙂 .

  • Thorsten Haupts 16. April 2024, 10:24

    Zu a):
    Der 7. Oktober hat gezeigt, wie die politische Führung des Gazastreifens „Krieg“ führen will. Mit vorsätzlichem Kindermorden, vorsätzlichen brutalen Massenvergewaltigungen, vorsätzlichen Leichenschändungen, vorsätzlichem Massenmord an Zivilisten. Eine so widerwärtige Form der Kriegführung, dass Attila und Tamerlan begeistert wären, lebten sie noch.

    Mein Mitleid mit den Palästinensern im Gazastreifen hält sich also in genauso engen Grenzen wie das mit der deutschen Zivilbevölkerung in den alliierten Stadtbombardierungen 1942 bis 1945. Barbaren werden wie Barbaren behandelt, case closed.

    Strategisch und politisch mag das Vorgehen Israels sich trotzdem als Fehler erweisen, aber das ist eine andere Diskussion.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • CitizenK 16. April 2024, 13:04

      Kann man das wirklich ganz trennen? Bomber-Harris/Dresden wirkt immer noch nach. Es ist also jenseits der Moral auch politisch/strategisch klug, dass/wenn sich Israel an das Völkerrecht hält. Auch wenn das von den notorischen Israel-/Juden-Hassern nicht honoriert wird.

      • Tim 17. April 2024, 12:42

        Israel hat es noch nie etwas gebracht, wenn es sich besonders human oder vorbildlich verhalten hat. Der arabische Mob steigert seinen Hass eher noch, wenn er seine moralische Unterlegenheit gespiegelt bekommt. Die arabischen – sagen wir ruhig mal – Alliierten (aktuell eben ganz deutlich Jordanien und Saudi-Arabien) sind vor allem an einer wirksamen Allianz gegen Iran interessiert. Und auf die Meinung der Wohlstandsbeobachter auf friedlichen europäischen Sofas gibt Israel sowieso keinen Cent.

        Wenn Israel seine Strategie im Gaza-Streifen ändert, dann ausschließlich aus innenpolitischen Gründen.

        • CitizenK 17. April 2024, 16:46

          Aber auf die Wähler in USA, Canada und UK muss es etwas geben. Was ist/wäre ohne deren Unterstützung?

          • Tim 17. April 2024, 17:39

            Biden wird in Sonntagsreden zur Wählerberuhigung Israel kritisieren, aber die Unterstützung natürlich trotzdem beibehalten.

    • Erwin Gabriel 16. April 2024, 14:44

      @ Thorsten Haupts 16. April 2024, 10:24

      1) Empörung allein reicht nicht mehr

      Der 7. Oktober hat gezeigt, wie die politische Führung des Gazastreifens „Krieg“ führen will. Mit vorsätzlichem Kindermorden, vorsätzlichen brutalen Massenvergewaltigungen, vorsätzlichen Leichenschändungen, vorsätzlichem Massenmord an Zivilisten.

      Eindeutig ja. Ich halte es auch für legitim, diese politische Führung aus dem Spiel zu nehmen, mit welchen Mitteln auch immer.

      Mein Mitleid mit den Palästinensern im Gazastreifen hält sich also in genauso engen Grenzen wie das mit der deutschen Zivilbevölkerung in den alliierten Stadtbombardierungen 1942 bis 1945. Barbaren werden wie Barbaren behandelt, case closed.

      In beiden Fällen kann ich mein Mitgefühl nicht abschalten. Meiner Einschätzung nach hat die deutsche Bevölkerung weder de n durch Hitler angezettelten Krieg noch die Kriegsverbrechen noch die Judenvernichtung angestrebt. Mag sein, dass ein Teil das toll fand, andere eben nicht. Aber ich möchte weder für Verbrechen meines Bruders, meiner Eltern, meines Arbeitgebers oder meines Regierungschefs in Haftung genommen werden; erst recht nicht in der Form, dass man mich und meine Familie zerbombt, verbrennt, verhungern oder verdursten lässt. Verhält sich die Hamas so, nennen wir es Terror. Wo ist der Unterschied dazu, wenn Soldaten in Uniform Vergleichbares tun? Man kann wohl schwerlich behaupten, dass die israelische Armee es „nur“ auf Hamas-Kämpfer abgesehen hat.

      Ich unterstütze das Lebensrecht und das Selbstverteidigungsrecht des Staates Israel und seiner Bevölkerung, und finde auch eine militärische Antwort auf den Hamas-Terror mehr als angebracht. Aber dieses Wüten nimmt viele zivile Opfer billigend in Kauf.

      Strategisch und politisch mag das Vorgehen Israels sich trotzdem als Fehler erweisen, aber das ist eine andere Diskussion.

      Zustimmung.

      • Erwin Gabriel 16. April 2024, 19:30

        @ Stefan Pietsch

        Darf ich Dich bitten, mein fehlerhaftes Steuerzeichen zu korrigieren? Sollte nicht alles fett sein …

        Merci

    • Kning4711 16. April 2024, 16:46

      Ich halte es hier mit Batman der auf den Vorwurf, dass sein Mitgefühl / Menschlichkeit ein Fehler sei, den seine Gegner nicht teilen würden antwortete, dass sie genau deswegen so wichtig sei, weil es ihn von denen unterscheiden würde.

      Israel ist ein demokratischer Rechtsstaat und die IDF gehört zu einer der professionellsten Armeen der Welt. Genau deswegen muss diese Armee und die Regierung anders agieren, als die Totschläger der Hamas.
      Man liest abenteuerliches: So soll die IDF inzwischen für die Zielauswahl eine KI einsetzen und deren Empfehlung allzu leichtfertig und fahrlössig übernehmen, was die Zahl der Toten unnötig in die Höhe treibt.
      Dieser Furor schadet der israelischen Position zunehmend und es wäre an der Zeit inne zu halten.

      • Thorsten Haupts 17. April 2024, 09:44

        Israel ist ein demokratischer Rechtsstaat und die IDF gehört zu einer der professionellsten Armeen der Welt.

        Auch die professionellste Armee der Welt ist völlig ausserstande, bei Kriegführung in einem dichtbesiedelten Gebiet zivile Opfer zu vermeiden. Das ist ein schlichter militärischer Fakt und durch keine Rhetorik der Welt ausser Kraft zu setzen.

        Genau deswegen muss diese Armee und die Regierung anders agieren, als die Totschläger der Hamas.

        Das tut sie bereits. Mir ist jedenfalls nicht bekannt, dass die IDF gezielt Frauen auf der Gegenseite vergewaltigt oder vorsätzlich Kinder und alte Leute schlachtet.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

  • cimourdain 16. April 2024, 10:34

    1) Zu deinem Satz: Israel kann gewiss auf deutsche Militärhilfe verzichten […]aber selbst die Finanzhilfen sind nicht eben klein […]. Es ist umgekehrt: Israel bekommt keine Finanzhilfe aus Deutschland (und kommt auch gut ohne aus). Anders sieht es bei Waffenimporten aus. Da bezieht laut SIPRI Israel 69% seiner Importe aus den USA und 30% aus Deutschland. Der Rest der Welt spielt keine Rolle.
    Ansonsten mein ceterum censeo: Verabschiede dich von der naiven Vorstellung irgendeines ‚saubereren‘ oder ‚gerechten‘ Krieges.

    2) Um des purem Widerspruchs willen: Den Satz „es gibt keine Mehrheit für sie [die FDP] im Bundestag, die nicht die Grünen oder SPD mit einschließen würde.“ müsstest du durch ein „realistische“ relativieren, die FDP könnte mit CDU/CSU, AfD und entweder Linke oder BSW zusammen diese Mehrheit erreichen.

    3) Die „Welt“ hat mir erst vor kurzem mit dem grauenvollen TV-Duell Thüringen das Gegenteil belegt. Da hat der konservative Voigt genau die gleiche gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit (für mich das entscheidende Kriterium für „rechts“) gezeigt, wie der rechtsextreme Höcke.

    4) Weil du bei deinen Negativbeispielen vieles in einen Topf geworfen hast, möchte ich mal Abgrenzungskriterien vorschlagen. Zivilgesellschaft grenzt sich durch subjektives(!) Gemeinwohl, fehlende Gewinnorientierung und strukturelle Organisation von Wirtschaft bzw. Privathandeln ab. Außerdem würde ich sie auch von direkten (macht)politischen Gruppen wie Parteien abgrenzen. Was aber diskussionswürdig ist, ist dass viele Organisationen der Zivilgesellschaft faktisch abhängig von staatlicher Finanzierung sind und damit nicht unabhängig agieren können.

    b) Das war wohl eher eine Sache von nachgetragenen verletzten Eitelkeiten. Merkel hat Stoiber 2002 beim „Wolfratshausener Frühstück“ die Kanzlerkandidatur abgeschwatzt und ihm 2005 bei der Regierungsbildung kein Superministeriumzugeschnitten. Kurz darauf (2007) wurde Stoiber von seiner eigenen Partei aus dem Ministerpräsidentenamt zurückgetreten und nach Europa abgeschoben. Natürlich hat er all das nachgetragen und die CSU zum innerfraktionellen opponieren (was die eh am besten kann) ermutigt.
    Andererseits ist Schäuble auch kein zuverlässiger Zeitzeuge, auch er ist wahrhaft eitel genug, dass er sich selber besser darstellt, indem er Konkurrenten kleinredet.

    • Ralf 16. April 2024, 23:09

      Kurz darauf (2007) wurde Stoiber von seiner eigenen Partei aus dem Ministerpräsidentenamt zurückgetreten

      Naja, aber wenigstens hat ihm die Partei noch den Sieg geschenkt, dass in München der Transrapid gebaut wird.

      • cimourdain 17. April 2024, 09:46

        Na wenigstens ist München da nicht allein. Von den Transrapid-Projekten weltweit ist er nur in Shanghai realisiert worden.
        Ich meine gelesen zu haben, dass 2023 in Südkorea eine (mit anderem System laufende) Maglev Flughafen Verbindung stillgelegt wurde. Diese Systeme scheinen sich nicht zu rentieren. Schade.

        • Thorsten Haupts 17. April 2024, 13:27

          Diese Systeme scheinen sich nicht zu rentieren. Schade.

          Das ist ein häufig unterschätztes Problem: Wenn man für eine neue Technik die gesamte bisherige, über viele Jahrzehnte aufgebaute, Infrastruktur in die Tonne treten und eine komplett neue aufbauen muss, dann muss der Vorteil der neuen Technik wirklich überwältigend sein. Ein Quantensprung. Und genau das gilt für den Transrapid eben nicht – seine Vorteile sind graduell und mitnichten überwältigend gegenüber dem System, das er ablösen sollte, der schienengebundenen Eisenbahn.

          Bei einer isolierten Einzel-Infrastruktur, betrieblich vollständig getrennt von der sonst vorherrschenden Infrastruktur, wird ein dauerhaft wirtschaftlicher Betrieb eben schwierig.

          Gruss,
          Thorsten Haupts

    • Thorsten Haupts 17. April 2024, 15:14

      Ansonsten mein ceterum censeo: Verabschiede dich von der naiven Vorstellung irgendeines ‚saubereren‘ oder ‚gerechten‘ Krieges.

      Das erste richtig, das zweite leider falsch. Selbstverständlich existier(t)en gerechte bzw. ausreichend gerechtfertigte Kriege. Wer das kategorisch verneint, stellt bspw. die Alliierten des zweiten Weltkrieges auf dieselbe Stufe wie die damaligen Aggressoren Deutschland und Japan.

  • Thorsten Haupts 16. April 2024, 10:43

    Zu 4)
    Mir kommt da das Beispiel der Meldeportale in den Kopf, das wir letzthin diskutiert haben: wie viel besser ist es, wenn solche Dinge in einem kontrollierten, transparenten und verantwortlichen Rahmen ablaufen …

    Oh, noch weit besser wäre es, so was würde gar nicht ablaufen. Aber wenn ich vor die Wahl gestellt werde, ob ich Denunziationsportale haben will, hinter denen die gesammelte Staatsmacht steht, oder solche, hinter denen ein irrelevanter Verein steckt, nehme ich die des Vereins jederzeit.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

  • Stefan Pietsch 16. April 2024, 10:45

    2) Lässt Christian Lindner jetzt die Ampel platzen?

    Es ist einer dieser wenig klugen, im grünen Geist der SPIEGEL-Redaktion geschriebenen Meinungsartikel. Als ich ihn beim Warten in einer Biblothek gelesen habe, kam ich aus dem Kopfschütteln nicht heraus.

    Der Autor pladiert darin ernsthaft, das 49-Euro-Ticket und die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts offensiv als Erfolge der FDP zu bewerben. Das ähnelt dem Versuch von Guido Westerwelle, nach dem Rekordergebnis von 2009 die Erhöhung des Kindergeldes und die Abschaffung der Praxisgebühr als große Verhandlungserfolge seiner Partei zu verkaufen.

    Kommunikation ist eben nicht alles. Das Deutschland-Ticket ist klar als Sozialleistung konzipiert, abgestimmt auf eine Klientel, die eher selten die FDP wählt. Es handelt sich vor allem um eine Subvention, da die Leistung nicht kostendeckend erfolgt. Was daran (Wirtschafts-) Liberale toll finden sollen, erschließt sich da nicht.

    Natürlich haben Liberale nicht ein so strenges Verhältnis zur Blut- und Schicksalsgemeinschaft der Nation wie Konservative. Sie sind auch absolut offen für umfangreiche Arbeitsmigration. Doch die Reformen der Einwanderungsgesetze und des Staatsbürgerschaftsrechts haben eine, wohlwollend ausgedrückt, humanitäre Stoßrichtung. Und das zeigt sich eben auch an den Ergebnissen in unseren Arbeitsmärkten und bei der inneren Sicherheit. Wenn zwischen 70 und 90 Prozent der Zuwanderer im sozialen Netz und im prekären Beschäftigungsbereich landen, lässt sich nicht glaubwürdig behaupten, die Migration von qualifizierten Fachkräften sei das eigentliche Ziel.

    Das Argument, die FDP müsse Neuwahlen fürchten, galt 2023. Heute ist es die Option zwischen Pest und Cholera. Die Ampel hat bestenfalls noch 10 Monate des produktiven Regierens, so sich davon überhaupt sprechen lässt. Dann beginnt der Wahlkampf. Doch die Sollbruchstelle liegt wesentlich früher. Im Sommer müssen die Eckdaten des Haushalts 2025 stehen, danach geht es in die Beratungen. Die Vorstellungen der Koalitionspartner stehen diametral entgegen.

    Führende Vertreter von SPD und Grünen erklären die Schuldenbremse für obsolet. Sie sind nicht bereit, diese Grundbedingung für den nächsten Bundeshaushalt gelten zu lassen und verlangen ziemlich unverhohlen von Lindner ein weiteres Mal die Aussetzung der im Grundgesetz verankerten Regel. Doch wenn der Finanzminister darauf eingeht, ist das parlamentarische Aus der Liberalen beschlossene Sache.

    Es gibt kein denkbares Szenario, nachdem die FDP mit einer Koalitionsaussage in den Wahlkampf gehen kann, welche die Grünen einschließt. Die Grünen werden inzwischen von 70-75 Prozent der Wähler grundsätzlich abgelehnt. Das sind Werte, welche sonst nur die AfD erreicht. Dreiviertel der Deutschen wollen definitiv nicht von den Grünen regiert werden, was Bündnisse mit der Partei toxisch machen.

    Führten die Liberalen aus der Ampel heraus den nächsten Bundestagswahlkampf, wäre das ein schwerer Malus. Das Platzen der Regierung würde immerhin die Chance der Distanzierung bieten. So oder so: Die nächste Koalition, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von der Union angeführt wird, wird nur unter besonderen Konstellationen auf die FDP angewiesen sein. Die Partei Lindners wird entweder in der Opposition landen oder Mehrheitsbeschafferin für eine Deutschland-Koalition sein.

    Seit den Berliner Wahlen haben die Liberalen den Modus im Umgang mit den „Partnern“ umgestellt. In der ersten Phase der Ampel machte man sehr stark gemeinsame Sache zu im Kern antibürgerlichen Gesetzen. Im Ergebnis flog die FDP aus zahlreichen Landesparlamenten mit meist halbierten Stimmanteilen. Seit einem Jahr ist eine Konsolidierung auf niedrigem Niveau eingetreten. Es gibt also kein Argument, die Ampel fortzusetzen.

    • sol1 16. April 2024, 16:43

      „Die Grünen werden inzwischen von 70-75 Prozent der Wähler grundsätzlich abgelehnt. Das sind Werte, welche sonst nur die AfD erreicht.“

      Hör auf zu lügen!

      https://www.insa-consulere.de/wp-content/uploads/2024/04/MT_08-04-2024_Praesentation_Potentialanalyse.jpg

      • Stefan Pietsch 16. April 2024, 17:46

        Die Grünen haben einer Umfrage zufolge in den vergangenen fünf Jahren viele Sympathien verloren. Die Zahl der Befragten, denen sie „gar nicht“ gefallen, stieg seit 2019 von 25 auf 56 Prozent. Die Zahl derer, die sie gut finden, halbierte sich von 18 auf 8 Prozent, wie die repräsentative Erhebung des Instituts für Demoskopie Allensbach für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ ergab. 27 Prozent gaben an, die Partei gefalle ihnen teilweise (2019: 41 Prozent). (..)

        Die Grünen werden den Daten zufolge in mehrerlei Hinsicht negativ wahrgenommen. So stimmten 67 Prozent der Befragten etwa der Aussage zu, dass die Partei den Bürgern zu viele Vorschriften machen wolle. 63 Prozent bejahten den Satz, dass die Grünen oft an den wirklichen Sorgen der Bevölkerung vorbeiredeten. Und 51 Prozent stimmten zu, dass die Grünen einige Politiker hätten, die „ausgesprochen unsympathisch sind“.
        https://www.welt.de/politik/deutschland/article250671349/Allensbach-Umfrage-Gruene-haben-in-den-vergangenen-fuenf-Jahren-viele-Sympathien-verloren.html

        Irgendjemand muss Ihnen endlich richtig aufs Maul hauen. So, dass es richtig weh tut.

        • sol1 17. April 2024, 00:48

          Das hier war also glatt gelogen, denn diese Zahlen sind in dem von dir verlinkten Artikel nicht zu finden:

          „Die Grünen werden inzwischen von 70-75 Prozent der Wähler grundsätzlich abgelehnt. Das sind Werte, welche sonst nur die AfD erreicht. Dreiviertel der Deutschen wollen definitiv nicht von den Grünen regiert werden, was Bündnisse mit der Partei toxisch machen.“

          Und das hier ist genau die Form „roher Bürgerlichkeit“, die mich bei dir nicht im geringsten überrascht:

          „Irgendjemand muss Ihnen endlich richtig aufs Maul hauen. So, dass es richtig weh tut.“

          Ich bin mal gespannt, wie Stefan Sasse das bewertet, wenn er hier mal wieder reinschaut.

          • cimourdain 17. April 2024, 10:16

            @sol1, Stefan Pietsch
            Ihr klingt endgültig wie ein Schulhofstreit
            „Hör auf zu lügen!“
            „Jemand soll dir aufs Mauls hauen!“
            „Warte bis Herr Sasse wiederkommt und das sieht !“
            Jetzt fehlt nur noch „Aber er hat angefangen!“

            • Thorsten Haupts 17. April 2024, 10:32

              Jo. Eine Übertreibung als „Lüge“ zu bezeichnen, ist vorsätzliche Eskalation. Und das mit dem „aufs Maul hauen“ kann/wird man als Erwachsener schon mal denken, hat aber im verbalen Streit absolut nichts zu suchen. Kindergarten!

              • sol1 17. April 2024, 18:16

                Wer Falschinformation absichtlich oder grob fahrlässig verbreitet, darf sich nicht beschweren, wenn man ihn einen Lügner nennt.

                • Thorsten Haupts 17. April 2024, 21:13

                  Eine Übertreibung/Überspitzung ist keine Lüge – und das wissen Sie auch. Die politische Ablehnung der Grünen in der deutschen Bevölkerungsmehrheit ist in neueren Umfragen mehrfach dokumentiert.

            • sol1 17. April 2024, 10:38

              „Jemand soll dir aufs Mauls hauen!“

              So etwas würde Pietsch nie schreiben – er muß bei seinen Gewaltfantasien natürlich siezen:

              „Irgendjemand muss Ihnen endlich richtig aufs Maul hauen. So, dass es richtig weh tut.“

    • Kning4711 16. April 2024, 17:11

      Ich würde dem Zustimmen: Schon jetzt ist der Bruch ja absehbar. Das Sondervermögen Bundeswehr ist ausgegeben, wesentliche sicherheitspolitische Zusagen (z.B. Stationierung der Bundeswehr in Litauen) sind nicht finanziert und wird allein ein Loch von rund 9 Mrd EUR reißen.

      Letztlich will Lindner die Koalition dazu drängen die Sozialleistungen zu Gunsten der anderen Ausgabenpositionen zu reduzieren. Ich halte das im Kern für richtig, aber es sorgt eben für wenig Applaus. Er bringt damit die SPD (die gar nicht anders kann) und große Teile der Grünen gegen sich auf. Sein Fehler ist, dass er sich mit dieser Konsequenz einmauert auf ein gewagtes Vabanquespiel einlässt, da er nur als der Blockierer wahrgenommen wird. Die FDP sollte Bereitschaft signalisieren die Schuldenbremse zu lockern, um dringendste Verpflichtungen wie Aufrüstung und Infrastrukturerneuerung möglich werden zu lassen. Sie kann damit staatspolitische VEranwortung signalisieren ohne soziale Wohltaten weiter anwachsen zu lassen. Das kann auch den Wählern verkauft werden.

      • Stefan Pietsch 16. April 2024, 17:55

        Ich verstehe das Argument nicht, sorry.

        Gerade die Grünen durften sich in dieser Koalition nach Lust und Laune austoben. Zuletzt bekamen sie dieses Selbstbestimmungsgesetz, die Freigabe von Cannabis und das ultraliberale Staatsbürgerschaftsrecht, mit der Grüne nun in arabischen Ländern werben. Alles an den Empfehlungen der großen Mehrheit – manchmal sogar aller – vorbei. Gegen den Mehrheitswillen der Bevölkerung. Den § 218 wollen sie jetzt obendrauf legen.

        Die FDP hat dafür so wenig bekommen, dass selbst dem SPIEGEL die Aufzählung schwer fällt. Die große Mehrheit der Wähler ist gegen ein Aufweichen der Schuldenbremse. Und nun argumentieren Sie, aus Gründen der Staatsraison sollten die Liberalen von der Position zurücktreten, die sie überhaupt noch über der 5-Prozent-Marke hält. Anscheinend meinen Sie: Die FDP sollte sich umbringen. Dann hat die Ampel noch ihr Gutes.

        Das Sondervermögen Bundeswehr reicht bis 2026 / 2027. Das ist keine akute Frage des Bundeshaushalts 2025. D.h., darüber kann durchaus eine neue Regierung befinden. Auch sonstige Infrastrukturmaßnahmen sind bis 2025 gesichert. Kein Problem. Allerdings haben grüne und sozialdemokratische Minister (Parteivertreter ohnehin) noch weitere Sonderbedarfe angemeldet, vulgo ein paar weitere und neue Sozialleistungen. Da sagt Lindner: Sorry, Leute, dafür ist kein Geld da.

        Und Grüne und SPD sagen: Dann muss die Schuldenbremse ausgesetzt werden. Häh? Wer ist hier der Halodri?

        • Kning4711 17. April 2024, 10:17

          Nochmal: Keine Aussetzung der Schuldenbremse für Sozialgeschenke, aber auch die FDP muss zu Kenntnis nehmen, dass Deutschland das schwächste Wirtschaftswachstum aller Industrieländer hat. Insofern können Stimuli in Infrastruktur belebend wirken und defacto sind diese eine Investition für den Standort Deutschland. Das kann man ganz unselbstmörderrisch verkaufen. Denn die Wähler jammern gleichzeitig auch über verrottende Straßen, Brücken, Schienen, Stromnetze, etc. – alles eine Frage der Kommunikation und da halte ich Lindner eigentlich am stärksten in dieser Regierung.

          Der Einsatz in Litauen ist aktuell nicht gedeckt, da er kein Bestandteil des Sondervermögens bzw. der Haushaltsmittel BMVg ist. 9 Mrd Eur fehlen bereits für 2025. Ich glaube nicht, dass man das mit Sozialkürzungen kompensieren kann.

          Die FDP kann aus der Blockade nicht gewinnen – sie geht entweder gemeinsam mit der Ampel 2025 unter oder man lastet ihr den Bruch der Regierung im Herbst 2024 an, wenn die Haushaltsberatungen platzen. Einzige Chance wäre sich als wirtschaftspolitischer Stimulus mit einer krassen Reformagenda zu profilieren, die aber über den üblichen FDP Duktus: Steuersenkungen für Reiche und Unternehmen klar hinausgeht. Eine Chancen-Agenda, die diejenigen in den Blick nimmt die arbeiten, egal ob als Arbeiter / angestellter oder Unternehmer.

          Die Union ist in den drängendsten Fragen (Außen und Sicherheitspolitik) näher den Grünen, als der SPD. Wenn Trump im Herbst gewählt wird, wird es sehr ungemütlich in Europa und die Sicherheitspolitik wird ganz nach oben auf die Agenda gelangen. Hier ist die SPD blank, so dass ich kein Szenario sehe, dass die Union hier andocken würde – ich würde daher als FDP nicht auf ein Szenario setzen wollen, Mehrheitsbeschaffer einer Deutschland-Koalition zu sein.

          Last but not least:
          Diese Diskussion um den §218 ist meines Wissens kein Werk der Grünen, sondern ein gemeinsamer Beschluss der Regierungsfraktionen, die eine Kommission eingesetzt haben. Abseits der Grünen Jugend treten die Grünen auch bei der Umsetzung auf die Bremse -wohlwissend, dass das Thema alles andere als sichere gesellschaftliche Mehrheiten hat. Es wäre an den Fraktionsspitzen das Thema erstmal in der Versenkung verschwinden zu lassen. FDP und Grüne scheinen hier weiter zu sein, als die SPD.

          • Stefan Pietsch 17. April 2024, 11:08

            Ihre Erwiderung hat eine politische und eine makroökonomische Komponente. Beide sind für mich jedoch kaum nachvollziehbar.

            Die Politische: Der Kanzler, seine Partei und die Grünen haben nicht das geringste Interesse an einer Reformagenda. Die Bedingung fällt also weg.

            Die FDP steht heute bei fünf Prozent, ungefähr so viele wie vor einem Jahr nach der Berlin-Wahl. Sie hat zwar seit der Bundestagswahl mehr als die Hälfte ihrer Wähler verloren, aber das war hauptsächlich am Anfang. Die verbliebenen Anhänger der Partei goutieren offensichtlich den Kurs der koalitionsinternen Opposition. Wahr ist auch, dass die Liberalen selbst nach der desaströsen Regierungsperformance 2009-2013 kaum weniger Zustimmung genossen.

            80 Prozent der FDP-Wähler standen von Beginn an der Ampel kritisch bis ablehnend gegenüber. Sie hatten ihre Gründe. Die meisten haben sich inzwischen verabschiedet, anscheinend fühlten sie sich in den ersten beiden Jahren in ihrer Skepsis bestätigt. Die Partei hat unter 40.000 Mitglieder, bei der Bundestagswahl 2021 erhielt sie 5,3 Millionen Stimmen. D.h., heute würden noch 2,5 Millionen Deutsche ihre Stimme der FDP geben. Die Summe der FDP-Mitglieder scheint da ein guter Querschnitt der Wählerbasis. Und die hat vor wenigen Monaten mit knapp der Hälfte für die Beendigung der Ampel gestimmt.

            Was will ich damit sagen? Ich denke, der parteipolitische Schaden für die FDP wäre bei einem Ende der Koalition überschaubar. Voraussetzung: Sie hat einen guten Grund. Ein solcher wäre, wenn die anderen Regierungsfraktionen ultimativ die Aussetzung der Schuldenbremse fordern würden. Ich sehe jedenfalls nicht, inwieweit ein rosiges Konjunkturprogramm den Liberalen aufhelfen könnte.

            Ich teile den Kommentar der besseren Lesbarkeit wegen. Weiter geht es unten.

            • VD 18. April 2024, 08:01

              „80 Prozent der FDP-Wähler standen von Beginn an der Ampel kritisch bis ablehnend gegenüber. … Die Partei hat unter 40.000 Mitglieder …“

              Wie kommen sie auf „unter 40.000 Mitglieder“ ? Letzter Stand ist 76100 Ende 2022, neuere Zahlen gibt es nicht. (siehe https://www.fdp.de/media/5203/download?inline, Seite 57)

              • Stefan Pietsch 18. April 2024, 09:55

                Das ist richtig. Ich weiß nicht, warum ich aus dem Kopf fälschlicherweise die AfD-Zahl gegriffen habe, die ich vor kurzem in eine Diskussion eingebracht habe.

          • Stefan Pietsch 17. April 2024, 11:31

            Die makroökonomische Komponente: Das Konzept der Stimuli habe ich schon in den ersten VWL-Vorlesungen verstanden. Aber: Sind die Bedingungen gegeben?

            Die Wirksamkeit eines konjunkturpolitischen Stimulus hängt von der Auslastung der Kapazitäten ab. Nun hat Deutschlands Wirtschaft ein Problem nicht, nämlich ein Auslastungsproblem. Der Mangel an Fachkräften und die hohen Produktionskosten des Standorts verhindern einen höheren volkswirtschaftlichen Output. In der Situation einen Stimulus zu setzen, führt nach der Konjunkturtheorie Keynes‘ zu steigenden Preisen, aber nicht zu einer höheren Produktion.

            Dazu kommt: Immer mehr Unternehmen bauen Kapazitäten in Deutschland ab. Die Gründe sind vielfältig, die enorm hohe Abgabenlast, die Bürokratie und die Energiekosten sind wesentliche Faktoren. Der Staat könnte hier einiges bewirken, aber er will es nicht.

            Investieren tun Unternehmen mit hoher Eigenkapitalquote. Die Ertragskraft und damit der Cash Flow sind maßgeblich für die Investitionsausgaben – nicht, wie viele das fälschlich meinen der Stand der Auftragsbücher. Ein exogener Stimulus verändert nicht die Eigenkapitalquote. Die deutsche Wirtschaftspolitik hatte das ja auch selten im Sinn, weshalb die hiesigen Kapitalgesellschaften im internationalen Vergleich unterkapitalisiert sind.

            Eigenkapital entsteht durch den Einbehalt früherer Gewinne und Einlagen von Investoren. Für beide Faktoren ist die Besteuerungshöhe ein entscheidender Regler. Die meisten Bundesregierungen verfolgten einen entgegengesetzten Ansatz, den Habeck nun auf die Spitze treibt: Nur Unternehmen, die sich im Sinne des Staates vorbildlich verhalten, haben Aussicht, genügend Kapital zu erhalten. Alle anderen erhalten einen Malus, der in einer solchen Welt häufig existenzgefährdend sein kann.

            Warum sollte die FDP eine solche Politik unterstützen? Sie wird von ihren Wählern rundherum abgelehnt. In ihren Hochphasen wurde die Partei in Berlin, Rhein-Main, Köln / Düsseldorf und München von Start-up-Unternehmern gewählt, die sich mit Sicherheit nicht vor allem staatliche Zuschüsse und Aufträge für ihre Existenzgründungen erhoffen. Ganz sicher nicht.

            Noch zum § 218: Anne Spiegel, die schnell gescheiterte grüne Familienministerin, kündigte in einem ihrer ersten Interview (ich glaube es war bei Lanz) an, eine Kommission zur Reform des Paragrafen einzusetzen. Ihre Nachfolgerin blieb dann am Ball. Für die Kommission federführend war das Familienministerium. Die Grünen haben ein wahltaktisches Interesse, das Thema auf die Agenda zu heben. Ihr Verhalten ist dabei spiegelbildlich zu dem der Republikaner in den USA. Eine befriedete Situation soll aufgebrochen werden. Ich habe vor einigen Wochen geschrieben, die Ampel habe das Land angezündet. Dabei bleibe ich, die Grünen führen einen Kulturkampf gegen die Mehrheit der Gesellschaft.

            • sol1 17. April 2024, 12:03

              „…Kulturkampf gegen die Mehrheit der Gesellschaft…“

              Ach was!

              „Mehr als 80 Prozent der deutschen Bevölkerung halten es für falsch, dass ein Schwangerschaftsabbruch, zu dem eine ungewollt Schwangere sich nach einer Beratung entscheidet, rechtswidrig ist. (…) Selbst bei der Union, die eine Legalisierung von Abtreibungen ablehnt, sind es 77,5 Prozent, bei der AfD 67,4 Prozent. 93,9 Prozent der Linken-WählerInnen und 92,4 Prozent der Grünen-WählerInnen halten die Rechtswidrigkeit für falsch, unter SPD-WählerInnen sind es 87,5 Prozent.“

              https://taz.de/Umfrage-zu-Abtreibungen-in-Deutschland/!6004352/

              • Stefan Pietsch 17. April 2024, 12:37

                Eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung spricht sich dafür aus, den Abtreibungs-Paragraf 218 des Strafgesetzbuches (StGB) beizubehalten. Dies geht aus einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag von ZDF frontal hervor (Ende Mai 2023).
                Demnach sprechen sich 54 Prozent der Befragten dafür aus, dass ein Schwangerschaftsabbruch weiterhin als Straftat gilt, die unter bestimmten Voraussetzungen aber nicht geahndet wird. 36 Prozent plädieren für die Abschaffung des Paragrafen. Drei Prozent fordern, Schwangerschaftsabbrüche ohne Ausnahmen zu verbieten.

                https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/schwangerschaft-abbruch-abtreibung-umfrage-paragraf-218-100.html

                Wie gesagt, so sieht Kulturkampf aus. Sie würden jetzt schreien „Hör‘ auf zu lügen!“. Ich bleibe halt bei meiner Standardformulierung, Sie kennen sie ja zur Genüge. 🙂

                • sol1 17. April 2024, 18:14

                  Das ist allerdings eine ziemlich merkwürdig formulierte Umfrage.

                  Hier eine weitere aktuelle:

                  „72 Prozent der Deutschen sprechen sich dafür aus, Abtreibungen künftig innerhalb der ersten zwölf Schwangerschaftswochen ohne Einschränkungen zu erlauben. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag von ntv. 23 Prozent fänden eine solche Legalisierung demnach nicht richtig.“

                  https://www.n-tv.de/panorama/Grosse-Mehrheit-will-liberaleres-Abtreibungsrecht-article24874215.html

                  • Stefan Pietsch 17. April 2024, 18:44

                    Klar, binnen Monaten ändert sich das Wertesystem der Mehrheit („aktuelle“ Umfrage)

                    • sol1 17. April 2024, 23:22

                      Ich habe zwei aktuelle Umfragen verlinkt, du eine vom letzten Jahr mit einer komischen Fragestellung.

                      Aber zum Glück entspricht *dein* „Wertesystem“ („aufs Maul hauen“) nicht dem der Mehrheit.

            • Thorsten Haupts 17. April 2024, 12:59

              Dabei bleibe ich, die Grünen führen einen Kulturkampf gegen die Mehrheit der Gesellschaft.

              Aber nicht in der Abtreibungsfrage. Hier ist – wie inzwischen in allen westlichen Staaten – eine sehr stabile UND sehr grosse Mehrheit für eine (zeitlich begrenzte) Freigabe der Abtreibung (ganz grob für das erste Quartal). Eine zahlenmässig eigentlich sehr kleine Minderheit versucht, aus ihrer konsequenten Ablehnung einen Kulturkampf zu konstruieren, aber das überzeugt mich nicht mehr.

              Anders ausgedrückt – hier sprechen die GRÜNEN für die Mehrheit der Gesellschaft. Den Kulturkampf führen die selbsternannten Lebensschützer.

              Gruss,
              Thorsten Haupts

              • Stefan Pietsch 17. April 2024, 13:28

                Das ist so nicht richtig. Richtig ist, dass in den von Ihnen pauschal genannten Ländern eine Mehrheit für eine limitierte Freigabe unter (engen) Umständen ist. Also sehr eingeschränkt. Ich habe mir dazu mal die USA gezogen.

                Dort sind 51 Prozent für eben diese eng begrenzte Freigabe, nicht aber „Under any circumstances“.
                https://news.gallup.com/poll/321143/americans-stand-abortion.aspx

                Das ist in Deutschland seit 30 Jahren die geltende Rechtslage. In den letzten 10 Jahren gab es nach einen Fall, in dem eine Frau angeklagt wurde – bei durchschnittlich 120.000 Abtreibungen jährlich. Wo ist das Problem? Es gibt keins.

                Das Bundesverfassungsgericht hat 1994 frühere Urteile bestätigend festgestellt, dass auch das Ungeborene nach Artikel 1 ein Recht auf Leben hat. Abtreibung bedeutet danach die Tötung eines Menschen. Das bleibt es auch, wenn diese Tötung unter bestimmten Umständen straffrei bleibt.

                Die Liberalisierungsanhänger wollen eine Änderung dieser Sichtweise. Sie wollen den Wegfall der Konfliktberatung und der Wartezeit. Eine zur Abtreibung entschlossene Frau soll unverzüglich den Abbruch vornehmen lassen können. Wo findet sich da der Gedanke, dass Abtreibung die Tötung eines werdenden Menschen bedeutet?

                Es ist absolut garantiert, dass die Abschaffung von 218 vor dem Bundesverfassungsgericht landen würde. Und das ist der Kulturkampf. Wir haben eine befriedete gesellschaftliche Situation, wir haben nicht das geringste strafrechtliche Problem und einen generationenübergreifenden Kompromiss gefunden. Und das wollen die Grünen ändern.

                • Thorsten Haupts 17. April 2024, 14:42

                  Das Bundesverfassungsgericht hat 1994 frühere Urteile bestätigend festgestellt, dass auch das Ungeborene nach Artikel 1 ein Recht auf Leben hat.

                  Weiss ich, danke. Und diese Sichtweise beruhte auf dem Axiom eines „Menschen von der Empfängnis an“ – kein wissenschaftliches, sondern ein religiöses Axiom. Und genau dieses Axiom kann man überdenken und verwerfen. Wenn man das tut, kann man aber Abtreibung in den ersten Schwangerschaftswochen nicht mehr prinzipiell strafbar machen und nur gnädig von der Strafverfolgung absehen.

                  … wir haben nicht das geringste strafrechtliche Problem …

                  Genau das sehen eine ganze Reihe von Frauen meines Bekanntenkreises anders, obwohl auch sie die Abtreibung zeitlich nicht ausweiten wollen. Und ich verstehe das durchaus, „strafbar aber von Strafverfolgung nach Beratung absehen“ ist etwas (völlig) anderes als „straffrei“.

                  Nein, der Kulturkampf kommt hier von den Lebensschützern, die unbedingt daran festhalten wollen, dass Leben mit der Empfängnis beginnt. Dieses Festhalten ermöglicht nämlich, das Recht auf Abtreibung jederzeit einfach wieder einschränken bzw. wegnehmen zu können. Man hat ja die grundsätzliche Strafbarkeit bereits festgeschrieben. Und um das auch mal klar zu sagen – hätten die Lebensschützer eine Chance auf parlamentarische Mehrheiten, würden sie den Kompromiss bedenkenlos kündigen, ohne auch nur drüber nachzudenken. Soviel hat mich die US-Erfahrung gelehrt.

                  … generationenübergreifenden Kompromiss …
                  Einen Kompromiss muss ich nur mit einem in etwa gleichstarken Opponenten schliessen. Nicht aber mit einem deutlich unterlegenen. Und das ist heute gesellschaftlich der Fall. Warum sollten die Abtreibungsbefürworter also an einem für sie ungünstigen Kompromiss festhalten?

                  Gruss,
                  Thorsten Haupts

                • Stefan Pietsch 17. April 2024, 15:13

                  … weil die große Mehrheit dies befürwortet. Dazu sind die Umfragen ja eindeutig. Das ist der Punkt.

                  Sie und ich haben die Debatten früherer Jahre miterlebt. Ich sehe nicht, dass sich ein wesentlicher Mentalitätswandel ergeben hätte, wie Sie das anscheinend sehen. Die typische abtreibungswillige Frau ist übrigens nicht 20, sondern über 30. Da sind Schwangerschaften kein Unfall.

                  Biologisch betrachtet entsteht Leben mit der Geburt. Hinter dieser Definition kann sich jedoch nur eine sehr marginale Minderheit versammeln. Daher bleibt es eine Frage der Werte einer Gesellschaft.

                  Es gibt einige Bereiche, in denen sich der Bürger zwangsläufig in Grauzonen des (Straf-) Rechts bewegen muss. So kann das Gesetz nicht exakt definieren, wann ein Unternehmen insolvent ist, der Geschäftsführer also den Insolvenzantrag stellen muss. In der Grauzone kann sich ein Bürger strafbar machen. Warum erlegen wir bei einer solchen relativen Lapallie den Bürgern die Gefahr der Strafbarkeit auf, aber wollen sie definitiv nicht bei der Abwägung von Leben?

                  Ich habe jetzt keine Zahlen griffbereit, aber der Anteil von Schwangeren, die es sich nach einer Beratung und Bedenkzeit überlegt haben, soll signifikant sein. Wird die Pflichtberatung gekappt, wäre der Schaden größer. Denn was Sie unterschlagen, sind jene Frauen, die unter einer voreiligen Entscheidung jahrelang leiden.

                  Ich kenne kaum jemanden, der Frauen bestreitet, letztendlich die Entscheidung treffen zu müssen. Aber: Die meisten Menschen haben große Schwierigkeiten, überhaupt Entscheidungen zu treffen. Es fällt unheimlich schwer, Vor- und Nachteile angemessen abzuwägen. Und dann gibt es noch jene Frauen, die von ihrem Umfeld zur Abtreibung gedrängt werden. Das ist und muss eindeutig strafbar bleiben. Doch wie soll so etwas identifiziert werden ohne Pflichtberatung?

                  • Thorsten Haupts 17. April 2024, 15:43

                    Lieber Herr Pietsch,

                    auch Sie haben sich erkennbar auf „menschliches Leben ab Empfängnis“ festgelegt. Sonst macht Ihre Argumentation wenig Sinn.

                    Denn Und dann gibt es noch jene Frauen, die von ihrem Umfeld zur Abtreibung gedrängt werden. Das ist und muss eindeutig strafbar bleiben. ich wüsste echt nicht, warum es strafbar bleiben sollte, einen Menschen zur Entfernung eines Zellklumpens zu drängen (meine Sichtweise auf den Embryo in einem frühen Stadium)? Das Drängen ist da sicher unhöflich, aber strafbar?

                    Die ganze Strafbarkeit hängt eben an dem Axiom „menschliches Leben ab Empfängnis“. Und genau dieses Axiom wird von einer Mehrheit der Gesellschaft nicht mehr geteilt und akzeptiert. Damit ist es nur konsequent, wenn die daran – ausschliesslich daran – hängende Strafbarkeit entfällt. Case closed.

                    Gruss,
                    Thorsten Haupts

                    • Stefan Pietsch 17. April 2024, 20:08

                      auch Sie haben sich erkennbar auf „menschliches Leben ab Empfängnis“ festgelegt.

                      Nein. Das ist eine Annahme von Ihnen, aber keine Aussage von mir. Sie unterstellen mir eine fundamentalistisch-christliche Position. Da stehe ich aber nicht. Ich habe kein Problem mit der „Pille danach“. Aber es ist eben ein Unterschied, ob wir von einem ein paar Tage alten „Zellklumpen“ oder von einem 10-Monate alten Embryo sprechen. Sie lehnen die bisherige Definition ab, verbrähmen sie gar, liefern dann aber nur selbst eine willkürliche Definition. So geht das nicht.

                      Die Nötigung eines anderen Menschen – also etwas zu tun, was seinem freien Willen widerspricht – ist generell eine strafbare Handlung. Fragen Sie mal nach bei den Jungs und Mädels der Allerletzten Generation. Die Strafe steigt nach dem gewaltsamen Eingriff. Jeder Eingriff in den Körper ist eine Körperverletzung, so ist unsere juristische Definition. Jemanden zu veranlassen, eine Abtreibung an sich vornehmen zu lassen, ist eine schwere Nötigung. Das sollte eigentlich auch juristischen Laien verständlich sein.

                      Nochmal: Ich kann nicht erkennen, dass sich die gesellschaftliche Position in der Frage in den letzten 30 Jahren spürbar verändert hätte. Die verlinkte Umfrage bestätigt das. Die hätte meiner Erinnerung nach auch von 1994 sein können, ist aber von 2023.

                    • Thorsten Haupts 17. April 2024, 21:24

                      Wenn „Menschliches Leben von Empfängnis an“ nicht Ihre Position ist – okay – dann war es die Position des BVerfG bei seinem damaligen Urteil. Und eine solche Position kann sich a) im Zeitablauf ändern und b) war sie schon damals restriktiver, als die Bundestagsmehrheit – das BVerfG hob eine liberalere (!) Regelung auf, die die Politik vorher geschaffen hatte.

                      Deshalb finde ich es weder unvernünftig noch kulturkämpferisch, wenn die Politik einen neuen Anlauf macht, ihre eigene damalige Regelung modifiziert erneut zum Gesetz zu machen. Ob das BVerfG dem erneut in den Arm fällt, bleibt abzuwarten.

                      Das damalige Urteil beendete mitnichten einen Kulturkampf, sondern beschränkte schon damals die seitdem weitgehend konsistente Bevölkerungsmehrheit pro Abtreibung im ersten Quartal. Es war nämlich KEIN Kompromiss im klassischen Sinne, sondern nur die notwendig gewordene Berücksichtigung eines Urteils des höchsten deutschen Gerichtes.

                      Wenn es (annähernd) eine 50/50 Bevölkerungsteilung zwischen Abtreibungsverbot und Abtreibungsfreiheit (in den ersten 12 Wochen) gäbe, würde auch ich wegen eines befürchteten Kulturmapfes die derzeitige Regelung nicht antasten. Nur haben wir die schlicht nicht, die Abtreibungsgegner sind in einer ebenso deutlichen wie konsistenten Minderheit.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Stefan Pietsch 17. April 2024, 21:25

                      Aber es ist eben ein Unterschied, ob wir von einem ein paar Tage alten „Zellklumpen“ oder von einem 10-Wochen alten Embryo sprechen.

                    • Kning4711 18. April 2024, 15:58

                      Ich denke die große Sorge derjenigen, die für die Beibehaltung des §218 eintreten ist, dass bei der ersten Schleifung, wir die nächste Diskussion erleben werden, dass wir das Ganze noch liberaler fassen könnten.

                      Äußerungen der Kommissionsmitglieder bei der Vorstellung wiesen ja auch bereits in diese Richtung. vgl. https://www.spiegel.de/politik/deutschland/abtreibungen-was-sie-ueber-die-vorschlaege-zur-reform-des-abtreibungsrechts-wissen-muessen-a-bb930956-8b29-4bf3-8aaf-fa8778fb2e90

                      In den Niederlanden etwa sind Abtreibungen bis zur 24. Schwangerschaftswoche möglich.

                  • Tim 17. April 2024, 17:03

                    @ Stefan Pietsch

                    Biologisch betrachtet entsteht Leben mit der Geburt.

                    Dies ist die eine extreme Definition von „Leben“. Die andere lässt Leben erst mit der Geburt entstehen; diese Position wird und wurde aber natürlich von niemandem vertreten.

                    Für mich plausibel als Grenze zwischen Straffreiheit und Strafbarkeit war immer die volle Anlage von Gehirn & Rückenmark im Fötus. Ab hier kann man – rein biologisch betrachtet – langsam von einem eigenständigen Leben sprechen, das nicht mehr bloß Teil der Mutter ist.

                    • Tim 17. April 2024, 17:43

                      Oha, ignorieren Sie bitte den unsinnigen Beitrag. 🙂 Ich hatte den zitierten Satz völlig falsch gelesen.

  • Stefan Pietsch 16. April 2024, 10:56

    3) Konservativ ist nicht rechts

    In den letzten Wochen gab es bei Springer und Burda viele Artikel, in denen erklärt wurde, warum anständige Menschen die AfD nicht wählen könnten. Die einzigen Parteien, die eine Brandmauer zu radikalen und extremen Kräften intern vereinbart haben, sind die CDU und die FDP. Dennoch werden sie seit Jahren von führenden Vertretern der politischen Konkurrenz attackiert, gemeinsame Sache mit der AfD machen zu wollen.

    Natürlich sind Konservative „rechts“. Ein demokratisches Parlament besteht aus einem rechten und einem linken Teil. Konservative Parteien sitzen traditionell auf der rechten Seite. Deswegen sind sie „rechts“. Die Positionierung dieser Milieus ergibt sich aber auch aus der Distanz zu anderen Parteien. So lehnt ein Großteil der konservativen Anhänger ein Bündnis mit der linken Partei Die Grünen ab. Um so mehr gilt das für Koalitionen mit der Linkspartei. Vor der letzten Bundestagswahl erklärte die Hälfte der CDU-Anhänger, eine bürgerlich-rechte Partei zu wählen, wenn es diese denn gäbe. Die AfD wurde ausgeschlossen.

    • Erwin Gabriel 16. April 2024, 14:55

      @ Stefan Pietsch 16. April 2024, 10:56

      3) Konservativ ist nicht rechts

      volle Zustimmung.

    • Michael 17. April 2024, 08:48

      Konservativ mag ja nicht rechts sein, aber der Peitsch ist nicht konservativ, sondern ein Rechtsextremer im bürgerlichen Schafspelz. Und Konservative als Steigbügelhalter für Rechtsextreme beim Griff zur Macht haben in Deutschland ja leider Tradition.

      • Michael 17. April 2024, 09:30

        Natürlich wird der erwischte Rechtsextreme aufjaulen, aber mit seinen Gewaltfantasien gegenüber den Grünen hat er sich selbst entlarvt. Für den Konservativen ist Gewalt kein legitimes Mittel in der politischen Auseinandersetzung, für den Rechtsextremen schon.

        • Thorsten Haupts 17. April 2024, 15:15

          Trottel 🙂 .

  • Stefan Pietsch 16. April 2024, 11:02

    c) Kamala Harris ist bei weitem kein so negativer Punkt, wie gerne behauptet wird.

    Da ist offensichtlich der Wunsch Vater des Gedankens. Die Approval Werte von Harris sind mit um die 35 Prozent desaströs und damit noch schlechter als die ihres Chefs. Selbst Trumps Vize Mike Pence hatte in der Endphase zwischen 5 und 8 Prozentpunkte höhere Werte. Harris verstärkt das Profil von Biden in nicht wahlentscheidenden Milieus statt ihm weitere zu erschließen. So etwas ist politisch ein Mühlstein.

  • sol1 16. April 2024, 12:43
  • sol1 16. April 2024, 12:49

    3) Der neue AfD-Star Maximilian Krah hat sein antidemokratisches Manifest „Politik von rechts“ genannt und bekennt offen, die klassische Christdemokratie zerstören zu wollen:

    /// Den Begriff „konservativ“ habe ich nicht alleine, er ist wertlos und langweilig geworden. Armin Laschet ist auch konservativ, wohnt aber auf einem anderen Stern als ich. Der Begriff „rechts“ hat zwar ein schlechtes Image, aber ein gewisses Potenzial, da sich keiner um ihn streitet. ///

    https://www.welt.de/politik/deutschland/plus250591216/AfD-Spitzenkandidat-Moechte-dass-das-oeffentliche-Leben-in-Deutschland-massgeblich-durch-die-deutsche-Kultur-gepraegt-ist.html

    • Dennis 17. April 2024, 12:19

      Zitat Krah:
      „Der Begriff „rechts“ hat zwar ein schlechtes Image, aber ein gewisses Potenzial, da sich keiner um ihn streitet.“

      Dieser Gedanke ist politisch-operativ nicht dumm. „Rechts“ war ab Nachkriegszeit bei der parteipolitischen Rechten, also bei den Unionsparteien verpönt und wurde streng vermieden. „Konservativ“ wurde – wenngleich weniger streng – desgleichen auch eher vermieden, jedenfalls versteckt. Das war zu damaliger Zeit durchaus klug, denn mit niedrigem ideologischen Profil, Wischi-waschi und ganz viel „Mitte“ wurden Wahlen gewonnen. Was so genannte Programme, schriftlich, weitschweifig und ellenlang fixiert, angeht, war man unionsseitig ganz richtig der Auffassung, dass dergleichen draußen im Lande eh keine Sau interessiert.

      Das goldene Zeitalter der verschwommenen und unscharfen Profile scheint aber erstmal vorbei zu sein. Programmarbeit – früher belächelt als Marotte der doofen, in Spiegelstriche verliebten Linken, die damit Zeit und unnötig Papier verschwenden – ist offenbar auch bei den Unionschristen nunmehr wichtig und es rächt sich, dass man „rechts“ begrifflich weiland wie ein verdorbenes Lebensmittel mit entsprechend üblen Geruch beiseite gelegt hatte. Frisch auf den Tisch kann das jetzt die AfD mit Alleinstellungsmerkmal servieren. Und es ist jetzt schwierig für die Unionschristen etwa so zu kontern: „Wir sind die anständige, saubere Rechte, denn anders als die AfD verfassungstreu, gemäßigt etc.“ , denn „rechts“ wird halt nicht auf der grundsätzlich gleichen Ebene behandelt wie „links“ – und das nicht zuletzt wegen entsprechender jahrelanger früherer Übung der Unionisten, die vom Mitte-Nimbus gut leben konnten.

      Was die Ausgangsfrage konservativ versus rechts angeht, würd ich IMHO mal so sagen: Bei „konservativ“ bewegt man sich eher philosophisch in weltanschaulich luftiger Höhe, bei „rechtslinks“ eher operativ und in den Niederungen der Tagespolitik. Das ist kategorial IMHO durchaus ein Unterschied. Ferner gehen bei links und rechts die Themen im Laufe der Zeit durchaus auf Wanderschaft. Zum Beispiel: Die allgemeine Wehrpflicht war mal politisch links. Kern des Vendée-Aufstandes – ein beliebter Topos der politischen Rechten in F, um der Linken vor Augen zu führen, wie böse die doch „eigentlich“ ist – war im Wesentlichen massenhafte Wehrdienstverweigerung sowie Desertionen, die an der Tagesordnung waren. Dergleichen wird heutzutage von der politischen Rechten eher nitt so befürwortet^, in diesem Fall – historisch – aber schon. Und „Nation“ und „Patriotismus“ war begrifflich übrigens auch mal linksgestrickt. Das geht auf rechts aber anscheinend auch.

      Und hier nochmal der unappetitliche Herr Krah zum fluiden, themenabhängigen LinksRechtsSchema^.

      Zitat:
      „Ich bin ganz beim Bundeskanzler, wenn er die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern ablehnt. Wenn ich nicht bei der AfD wäre, würde ich aus diesem Grunde entweder Wagenknecht oder SPD wählen.“

      Wendig, wendig.

  • Dennis 17. April 2024, 08:46

    4)
    Was dem einen das Volk, ist dem anderen die Zivilgesellschaft. Gemeint ist jeweils dasselbe, nämlich die Guten da draußen – nur halt aus jeweils unterschiedlicher ideologischer Sicht.

    Links und fortschrittlich will man heutzutage nicht mehr „Volk“ sagen, giltet als irgendwie ähh-bähh und von rechts beschmuddelt, obschon „le peuple“ mal angeblich der Träger des Fortschritts war, aber diese Faszination ist offenbar historisch verbrannt. Wenn jemand heutzutage mit den „Interessen des Volkes“ (unausgesprochen mitgedacht: Im Gegensatz zu denen da oben) daherkommt, ist da Sache klar: rechts, igitt. Wenn man linkerseits eigentlich dasselbe ausdrücken will, nur halt andersrum gedreht, irgendwie fortschrittlich, ist es also erforderlich, dass begrifflich eine andere Duftmarke verbreitet wird und da bietet sich halt neusprechmäßig „Zivilgesellschaft“ an, also unsere Guten da unten aus eher linker Lifestylesicht, damit nicht jemand womöglich die identitären Schubladen verwechselt.

    Leider sind solche Platzanweisungen für das Gute nicht haltbar 🙁 und die Zivilgesellschaft ist am Ende des Tages auch nichts Besseres als das „Volk“.

    • cimourdain 17. April 2024, 10:07

      Der Unterschied zwischen „Volk“ und „Zivilgesellschaft“ ist in meinen Augen, dass letztere sich zielgerichtet organisiert. Und das ist die gute Nachricht dabei, dass „die Bevölkerung“ auch andere Gründe hat, Dinge zu organisieren als Machtstreben „die Politik“ und Bereicherung „die Wirtschaft“. Wenn du das berücksichtigst, ist die „Zivilgesellschaft“ ein gewaltiger Fortschritt gegenüber dem traditionellen Gegenpol zu „dem Staat“, nämlich „der Kirche“, deren Rolle sie an vielen Punkten übernommen hat (z.B. Armenspeisung).

      • Dennis 17. April 2024, 19:41

        Okay, einverstanden, so kann man das auch sehen. Die Zivilgesellschaft stünde dann also außerhalb der politischen Institutionen. So ungefähr argumentiert ja auch Thomas Schmid mit Zustimmung von Stefan Sasse und beide sehen das kritisch; gut so. Das Z-Wort wäre dann IMHO im Grunde eine Art höhere Sponti-Theorie bezüglich derer, die prinzipiell nicht im politischen Geschäft sind, indem das Fehlen eines Institutionalismus, das politisch Nichtoffizielle das Wesen der „Zivilgesellschaft“ sei. Damit wird immerhin implizit anerkannt, dass es eine abgrenzbare politische Klasse überhaupt gibt, denn sonst würde die Unterscheidung zwischen den Institutionalisten einerseits und den Zivilgesellschaftlern da draußen andererseits ja keinen Sinn machen. Traditionell sind Zivilisten ja Nichtmilitärangehörige und so ähnlich muss man sich das dann wohl auch hier vorstellen, also als Nichtpolitiker, die der politischen Klasse – in Abhängigkeit von passenden ideologischen Mustern – aber nicht generell unwillkommen sind; mit einer Art Gaststatus. Nur dürfen die nicht zu frech werden. Und „rechts“ und „Zivilgesellschaft“ geht schon mal gar nicht.

        Liefe am Ende des Tages auf ein aristokratisches Politikverständnis hinaus, was ja durchaus nicht unrealistisch gedacht sein mag. Und über die Problematik, die sog. Zivilgesellschaft für das Gute im Menschen reservieren zu wollen, hat der Thomas Schmid sich ja auch kritisch geäußert; übrigens damals ein 68er von der ganz harten Sorte. Das hohe Lied auf die Institutionen hat der damals noch nicht gesungen^.

        • cimourdain 18. April 2024, 10:09

          z.T. Thomas Schmid ein 68er von der ganz harten Sorte:
          Die allergrößten Elche waren früher Kritiker derselbigen .
          Reimt sich nicht, bestätigt sich aber immer wieder.

  • Thorsten Haupts 17. April 2024, 10:25

    … traditionellen Gegenpol zu „dem Staat“, nämlich „der Kirche“ …

    ?????? Die Kirche war über lange Zeiträume ein treuer Helfer des Staates, insbesondere bei der Aufrechterhaltung und Rechtfertigung des generationenübergreifenden sozialen Status Quo.

    • cimourdain 17. April 2024, 14:13

      Ihre Beobachtung ist fraglos richtig, aber das schließt sich überhaupt nicht aus. Ich würde das Verhältnis als Koop-Konkurrenz bezeichnen, Zusammenarbeit mit gelegentlichem (Investiturstreit, Kulturkampf) Konflikt um die Deutungshoheit.
      Und eine systemstabilisierende (positiv wie negativ zu lesen) Wirkung ist etwas, was ich auch der „Zivilgesellschaft“ zuschreibe, da sie dabei hilft, an kritischen Punkten Unzulänglichkeiten der Gesellschaft abzumildern.

      • Tim 17. April 2024, 17:17

        @ Thorsten Haupts

        Die Kirche war in Europa durchaus der erste Gegenpol zum staatlichen Gewaltmonopol. Ich finde sogar, das ist ihr größter positiver Beitrag zur Moderne. Und zwar nicht nur speziell zum Gedanken der Gewaltenteilung, sondern allgemein auch zur (juristischen) Öffentlichkeit. Die Kirche hat den Staat relativiert. All die Debatten und Gutachten, wer wann wen einsetzt und wer welche Rolle hat … Da hat sich über die Kloster-Expansion im 10./11. Jahrhundert über Luther etwas herausgebildet, was dann später via Thomasius in die Epoche der Aufklärung mündete.

        Ich würde fast sagen, diese Entwicklung ist ganz spezifisch für Europa.

        • Thorsten Haupts 19. April 2024, 09:36

          Die Kirche war nicht der erste Gegenpol zum Staat, sondern sie versuchte über wenige Jahrhunderte, sich zum Oberherren aller Staaten zu machen. Dass Europa damals nicht in einer Theokratie versank, ist nur dem Behauptungswillen und der Arroganz seines Hochadels zu verdanken.

  • Thorsten Haupts 17. April 2024, 13:17

    Zu e)
    Das ist kein verriss, sondern der gezielte, vorsätzliche, Versuch, die Autorin zur Rechtsextremistin umzudeuten und damit aus dem Diskurs auszuschliessen.

    Ziel dieser „woken Agenda“ sei die „Gleichschaltung der öffentlichen Debatte“ …
    „Gleichschaltung“ bezeichnet in der Wissenschaft eigentlich, wie unter nationalsozialistischer Herrschaft ab 1933 Parteien, Verbände, Gewerkschaften und Medien auf Linie der Ziele der Nazis ausgerichtet wurden. Diese Aussagen könnten also geschichtsrevisionistisch interpretiert werden.

    Das ist schon unterirdisch widerwärtig. Dieser Begriff dürfte von sehr vielen Menschen in seiner ursprünglichen, selbsterklärenden, Bedeutung benutzt werden, ohne dass diese den Bezug zum Nationalsozialismus überhaupt kennen. Unabhängig davon beschreibt Schröter etwas, was ich den Wokies auch unterstelle und jederzeit mit einer Vielzahl von twitter-Zitaten belegen könnte.

    Wissenschaftler:innen, wie Aladin El-Mafaalani und Naika Foroutan, unterstellt sie, dass sie das „rechtsidentitäre Narrativ einer angeblichen Umvolkung“ aufgreifen und es als „linke Utopie“ vertreten würden. Dass es sich bei den wissenschaftlichen Konzepten der beiden um deskriptive handelt …

    Das ist glatt gelogen. Die Haltung von Foroutan zu Massenmigration ist ausweislich ihres twitter-Feeds eine empathisch positive, bejahende. Da ist nichts „deskriptiv“.

    Wer erzählt, dass es sogenannten Woken gelungen ist, in großen Bereichen „der Wissenschaft, der Medien und des Kultur- und Bildungsbereichs die Diskurshoheit zu erlangen“ und dass eine Minderheit dadurch die Mehrheit dominiere, der vertritt – so ließe es sich interpretieren – im Endeffekt die nationalsozialistische Verschwörungserzählung des sogenannten Kulturmarxismus.

    Jou. Erst schiebe ich jemandem, den ich nicht leiden kann, einen Begriff unter, den derjenige nie benutzt hat, um über diesen (von mir selbst unterstellten) Begriff die Verbindung zu den Nazis herzustellen.

    Wenn man dies tut, dann kann man zu dem Schluss kommen, dass es sich bei „Der neue Kulturkampf“ um ein zumindest in Teilen rechtsextremes Buch handelt.

    Wenn m an zuviel mieses Zeugs geraucht oder einen abgrundtief miesen Character hat, wird man das tun. Ist bei den Wokies ja der Goldstandard für ungeliebte Kritik. Das passd scho …

    Das, Ladies and Gentlemen, sind die heutigen Progressiven in einer Nusschale. Das sind übrigens genau die, die uns vor Fake News und Hassrede „schützen“ wollen. Bah.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Thorsten Haupts 17. April 2024, 16:59

      Ausweislich seines twitter-Profils ist der Mensch, der die „Rezension“ geschrieben hat, ein klassischer Wokie, selbsterklärter Aktivist, Befürworter von Massenmigration etc.

      So jemanden lässt also die FR eine Buchrezension einer politischen Gegnerin schreiben. Aha. Danke FR.

    • CitizenK 18. April 2024, 09:14

      „Dieser Begriff dürfte….“

      … zu dürftig als Begründung für einen solchen Rant. Die Gleichschaltung im NS ist ein wichtiger Punkt im Geschichts-/Gemeinschaftsunterricht und jedem in dieser Bedeutung geläufig, der in den letzten Jahrzehnten hierzulande eine Schule besucht hat.

      • cimourdain 18. April 2024, 10:01

        Gerade wenn ein Begriff vermeintlich geläufig ist, sollte man vorsichtig und misstrauisch sein. Ich traue mich wetten, dass den wenigsten, die „in den letzten Jahrzehnten hierzulande eine Schule besucht“ haben, bekannt ist, dass der Begriff „Gleichschaltung“ ursprünglich die Aufhebung der Souveränität der Länder mit Auflösung und Neubesetzung der Landtage, Einsetzung von Reichsstatthaltern und Ersetzen von Landesbeamten durch Reichsbeamte bezeichnet hatte. Möglicherweise wurde er in diesem Sinn sogar schon in der Endphase der Weimarer Republik (Preußenschlag) verwendet.

      • Thorsten Haupts 18. April 2024, 10:24

        Okay. Haben Sie einen besseren, griffigen, Begriff für die (subjektiv wahrgenommene) Verengung eines „zulässigen“ Meinungskorridors in Leitmedien als Ersatz? Ich habe ihn nicht und würde daher „Gleichschaltung“ durchaus verwenden.

        • CitizenK 19. April 2024, 09:01

          Nennen wir es doch einfach so: „Verengung….“. Da diese so griffig nicht ist, braucht es mMn auch keinen solchen Begriff.

          • Thorsten Haupts 19. April 2024, 13:43

            „Verengung des zulässigen Meinungskorridors in Leitmedien“ ist sicher die seriösere und abgewogenere Variante. Bedauerlicherweise damit gleichzeitig die wirkungslosere und die Formulierung, die sich an eine weit geringere Zahl von Menschen richtet. „Gleichschaltung der Medien“ ist plakativer, knalliger und wirkungsvoller. Und damit die richtige Formulierung für einen politischen Essay, den die Frau namens Schröter da geschrieben hat.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

  • cimourdain 18. April 2024, 10:23

    lose zu 3) eine kleine Beobachtung: Bis 2021 war im Bundestag die FDP gesäßgeographisch rechts von der CDU. Nach der Wahl wollten die Liberalen nicht neben der AfD sitzen und haben sich (mit Unterstützung der Koalitionspartner) in die Mitte positioniert und damit die CDU in die „halbrechte“ Position geschoben.

  • Lemmy Caution 21. April 2024, 10:40

    Argentinien in Zalen
    Das Schockprogramm läuft. Die monatliche Inflationsrate wird im April wohl erstmals seit Monaten wieder unter 10% fallen. Allerdings extrapoliert eine 10% monatliche Inflation auf 314% im Jahr. Die extrem harte Rezession wird sich aber weiter dämpfend auf die Preise auswirken. Historisch zeigten sich solche Rezessionsstrategien aber ab einem gewissen Punkt unfähig, die Inflation auf einen wirklich nachhaltigen Wert von 4% im Jahr zu senken. Daran ist u.a. auch die erste Generation der Chicago Boys in Chile 1975 bis 1982 gescheitert.
    Die sozialen Kosten sind gewaltig. Der Realwertverlust der Renten hat nun wohl die Talsohle erreicht, nach einer Senkung von 35% (!) seit Amtsantritt Milei. Dahin werden sich auch die Reallöhne bewegen. Der Wert von Lebensmittelkäufen sinkt nach wie vor um über 10% im Monat. Der Absatz von Medikamenten hat sich in den letzten 12 Monaten um 50% reduziert.
    Angesichts dieser Daten erstaunt es sehr, dass der „Löwe“ seine Zustimmung hält. Eine Mehrheit der Argentinier ist wohl offensichtlich tatsächlich bereit, Opfer in Kauf zu nehmen, damit ein grundsätzlicher Wandel in der Wirtschaftsverfassung des Landes möglich wird.
    Nach der 50% Abwertung des offiziellem Wechselkurses bewegt sich dieser feste Wechselkurs massiv Richtung Überbewertung. Agentinier kaufen inzwischen viel in den Nachbarländern ein. Die Dollarpreise vieler Güter sind in Argentinien inzwischen höher als in Europa oder den USA. Eine zweite Abwertung kann also für den Südwinter nicht ausgeschlossen werden.
    Wie ich bereits zur Wahl angemerkt hatte, war dieses Gequatsche von Dollarisierung völliger Blödsinn. Denen fehlen dafür einfach die Dollar. Die Devisenbestände in der Zentralbank verbessern sich etwas, sind aber nach wie vor extrem niedrig. Es ist nicht einmal absehbar, wann die Kapitalverkehrskontrollen aufgehoben werden können. An diese Aufhebung ist die Hoffnung auf einem Aufschwung der Wirtschaft geknüpft. Erst dann werden Ausländer in die argentinische Realwirtschaft investieren.
    Die Finanzmärkte vertrauen Milien. Aktienkurse laufen erstaunlich gut.
    Gute Journalisten auf Deutsch sind:
    – Der ausgewiesene aber nicht betonköpfige Linke Jürgen Voigt in der Taz: https://taz.de/Juergen-Vogt/!a141/
    – Carl Moses auf twitter, wenn er nicht gerade über Juan Grabois schreibt: https://twitter.com/CarlMoses60
    Andere Auslandskorrespondenten bewerben sich nach wie vor um den Walter Duranty Pokal für tendenziöse Auslandsberichterstattung.

    • Stefan Pietsch 21. April 2024, 12:04

      Danke Lemmy für den Bericht!

    • Thorsten Haupts 21. April 2024, 14:19

      Merci. Offenbar war der argentinische Leidensdruck (vor Milei) wirklich gewaltig.

      • Lemmy Caution 21. April 2024, 21:26

        de rien.
        Das ist die total verrückte Welt der jahrelang angehäuften Makro-ökonomischen Ungleichgewichte. Milei hat allein aus fehlenden Mehrheiten im Kongress im Grunde nicht viel Spielraum, aber die makroökomische Ungleichgewichte beschränken ihn viel mehr. In den letzten Monaten sammelte er Dollar ein, um Staats-Schulden zu bezahlen.
        Man hofft nun zur Erntezeit auf große Einnahmen aus den Exportsteuern für Soja und Mais. Milei lehnt diese Steuern ab, aber er kann sie nicht abschaffen.
        Das ganze Gerede über Anarchokapitalist war Fehl am Platz. Selbst wenn er unkonventionelle Politiken einführen wollte, kann er das aktuell überhaupt nicht, weil die kurz- und mittelfristigen Auswirkungen zu einer Katastrophe führen könnten.
        Die meisten Lateinamerikanischen Staaten haben einen freien Wechselkurs. In Argentinien setzt die regierungskontrollierte Zentralbank diesen Wechselkurs fest und verteidigt ihn mit Kapitalverkehrskontrollen. Wenn er den Wechselkurs und die Kapitalverkehrskontrollen freigeben würde, würde sich der Wert des Dollars verdoppeln und das könnte wiederum die Inflation befeuern.
        Aktuell fährt Argentinien ein sehr orthodoxes Austeritätsprogramm. Das Problem ist, dass der Rückhalt in der Bevölkerung irgendwann brechen könnte.

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