Netflix verkündet einen Marshallplan für die Digitalisierung deutscher Schulen und lässt sich von Ron deSantis helfen – Vermischtes 02.05.2022

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.

Fundstücke

1) Chartbook #115: The Marshall Plan Revisited

But was that aid essential to support reconstruction? To test this proposition Milward conducted a counterfactual exercise in which he imagined levels of food consumption and food import in Europe being frozen at their 1947 levels. According to his estimates, assuming this level of austerity, all the Marshall Plan recipients excepting France and the Netherlands would have been able to pay for their imports of machinery and raw materials. On that basis Milward declares the Marshall Plan not to have been economically necessary. But, as Milward himself concludes, all this means is that we have to shift the argument from strictly economic concerns, to the terrain of political economy. Not freezing the level of consumption at the diminished level of 1947 was precisely the point. Imposing such austerity in Italy would, given the strength of the Italian Communist Party, have been very dangerous. And as even Milward must concede the Marshall Plan really did matter in France. It could not have realized its ambitious investment goals without American assistance, even if it had frozen consumption at 1947 levels. But if the Marshall Plan mattered in France, then it mattered for Europe as a whole. Why? Because, France was pivotal to the project of European integration. It was not the sheer scale of the Marshall Plan that was crucial but its role in breaking bottlenecks – both economic and political. […] Above all the Marshall Plan was a tool for driving European integration. American influence was crucial in cajoling the French into abandoning the original anti-German vision of the first drafts of the Monnet Plan in favor, in 1950 of proposal for the European Coal and Steel Community. […] In invoking the Marshall Plan at this moment as an answer to the crisis of Ukraine that broader conclusion should be born in mind. Beyond the myth, a Marshall Plan is not a magic bullet! To be successful it must be part of a broader strategy. And given Ukraine’s needs it will need to be on a huge scale. (Adam Tooze, Chartbook)

Angesichts einerseits der Mythen, die sich um den Marshallplan ranken, und andererseits der ständigen Forderung nach einem Marshallplan für X (Griechenland, Ukraine, Green New Deal, whatever) ist es absolut sinnvoll, sich damit auseinanderzusetzen, wie der historische Marshallplan eigentlich aufgebaut war und wirkte. Ich empfehle für diese Diskussion auch noch meine Rezension von Benn Steills großartigem Buch zum Thema. Toozes Verweis darauf, dass der Plan in seinem Umfang bei weitem nicht so groß war, wie gemeinhin angenommen wird, ist unter Historiker*innen und einschlägig interessierten Personen ohne großen Neuigkeitswert, aber immer wieder wichtig festzustellen.

Relevanter erscheint mir hier aber die Analyse, ob der Plan wirtschaftlich notwendig war. Es ist bemerkenswert, dass die Antwort hier „nein“ lautet und dass die notwendigen Mittel für die Industrie auch über Austerität hätten erreicht werden können – es ist nur angesichts der Realitäten weitgehend irrelevant, denn wie Tooze hier korrekt zusammenfasst, war die Problematik eine politische. Die Befürchtung, dass Europa dem Sozialismus anheim fallen könnte, war eine reale, die im Kreml genauso geteilt wurde wie in London und Washington. Es war die Stabilisierung der Lebensverhältnisse und damit die Rettung des Liberalismus, die der eigentliche Verdienst des Marshallplans waren.

In diesem Kontext wichtig ist daher auch das Ende des oben zitierten Ausschnitts, nämlich die Strategie dahinter. Der Marshallplan hatte eine Strategie, die weit über „Stabilisierung der Lebensverhältnisse“ und damit eine Zahlung von Transferleistungen durch die USA hinausging (siehe dazu auch meine Rezension). Eine solche strategische Vision war etwas, das in der Eurokrise komplett fehlte – sei es durch das aufgezwungene Austeritätsprogramm, sei es in den Forderungen eines „Marshallplans für Griechenland/die Eurozone“. Der Verweis auf die Ukraine ist wichtig. Es ist meine Befürchtung und Prognose, dass die westliche Unterstützung mit Ende des Krieges ihr Ende finden wird, und dass die teure Arbeit des Wiederaufbaus weitgehend ohne unsere Hilfe stattfinden werden muss. Das alllerdings wäre verheerend für die Stabilität der Region. Darüber sollte man sich bereits jetzt Gedanken machen.

2) Wieso, weshalb, warum – wer wischt bleibt dumm!?

Am 19.04. erschien in der ZEIT ein Artikel der Lehrerin Isabell Rhein mit dem Titel „Tablets bitte erst ab Klasse 7“. Isabell Rhein schreibt unter Pseudonym, sie ist Ende 40 und Lehrerin an einem Gymnasium und bedient in ihrem Text quasi jedes Vorurteil, Klischee und Schwarz-Weiß Denken, das mir in den letzten Jahren im beruflichen Umfeld begegnet ist. […] Müssen wir uns entscheiden, ob wir analog oder digital arbeiten wollen? Müssen wir uns entscheiden, ob Kinder auf Bäume klettern oder vor dem Tablet sitzen sollen? Ich sage: Nein, das müssen wir nicht. Unterricht ist nicht entweder analog ODER digital. So wie das Leben auch nicht analog ODER digital ist. Ein solches Schwarz-Weiß-Denken hilft nicht weiter. Selten ist etwas nur gut oder schlecht. Aber Schwarz-Weiß-Denken ist einfach, alles hat seine Ordnung und seinen Platz. Schwarz gegen weiß, wischen gegen denken, jung gegen alt, analog gegen digital, Pädagogik gegen Technik. Die Liste ließe sich weiterführen. […] Digitale Möglichkeiten im Unterricht zu nutzen bedeutet sicherlich nicht, bewegungslos „im PC-Raum“ zu sitzen. Es bedeutet auch nicht, alles was bisher analog gemacht wurde, nun mit allen Mitteln 1:1 ins Digitale zu übertragen. Natürlich sollen die Kinder weiterhin Pflanzen sammeln, mit Wasserfarben malen und im naturwissenschaftlichen Unterricht Experimente planen und durchführen. […] Die Nutzung digitaler Möglichkeiten bedeutet also nicht, Analoges abzuschaffen oder zu ersetzen. Es bedeutet, digitale Medien in den Unterricht zu integrieren – da wo es Sinn macht. Es geht also um eine ausgewogene Mischung aus analog und digital, nicht um ein Entweder-Oder. (Verena Knoblauch, Kölner Abendblatt)

Der Originalartikel war genau jede billige Polemik, die das Feuilleton im Dutzend billiger produziert, wie ich im Podcast mit Christina Dongowski und Ariane beklagt habe. Auf diesem Niveau ist die Diskussion leider allzu oft, und wie Knoblauch richtig beschreibt muss man sich von diesem Schwarz-Weiß-Trugschluss lösen. Über digitale Didaktik zu sprechen macht erst Sinn, wenn man sich klarmacht, dass es nicht einfach nur um eine Ersetzung bisheriger Methoden gehen kann, sondern dass ein umfassendes Konzept vorliegen muss. Ich möchte an dieser Stelle besonders Bob Blumes neues Buch für digitale Deutsch-Didaktik nennen, das ich aktuell lese und bald hier rezensieren werden.

3) Ron DeSantis should be in prison.

I am not always a big fan of Ian Millhiser, who writes about legal issues for Vox. He tends to sound the alarm over practically every Supreme Court decision, declaring it not just obviously wrong but perhaps the most dangerous ruling this century. After a while you tend to shut out this kind of thing. But God knows he’s right about the way Florida has treated Disney over Disney’s opposition to its „Don’t Say Gay“ law. By explicitly punishing Disney for its public opinion, it is using official state power to crush free speech: […] Oddly enough, this is a case where I think Millhiser is being too cool headed. This is an exceptionally dangerous action by DeSantis and the Florida legislature and I hope Disney fights it in court. It should certainly be an easy victory. Even a stone conservative Trump appointed judge should rule Florida’s action illegal with barely a second thought. The response of the conservative community, as usual, has been disappointing. There have been a few conservatives who oppose DeSantis’s action, but their opposition has mostly been pretty tepid. Meanwhile, most conservatives have stayed quiet in hopes of avoiding having to take any stand at all. This is mind boggling no matter what you think of the Florida law and no matter what you think of Disney’s public response. A state has used its official power to take revenge against a company that expressed an opinion it disliked. It’s flabbergasting. It’s the behavior of an autocrat. It’s blatantly illegal. Ron DeSantis ought to be in prison for abuse of power over his role in all this. (Kevin Drum)

Ich bin und bleibe kein Fan von Gefängnisdrohungen für Politiker*innen. Die potenzielle Gefahr, die daraus hervorgeht, dass sich die Lager gegenseitig mit krimineller Verfolgung bedrohen, ist immens und in meinen Augen höher als die Straflosigkeit für Abschaum wie Trump, Bushs Folterknechte oder deSantis. Dass diese Proto-Faschisten aufgehalten werden müssen, ist demgegenüber unbenommen. DeSantis im Besonderen ist ein gutes Beispiel für die Gefahren, die aktuell aus dem rechten Lager drohen. Aber das Strafrecht ist der falsche Weg dafür.

4) Political Correctness Is Losing

The third, and largest, factor curtailing political correctness was the 2020 elections. The defeat of Donald Trump removed an accelerant in the discourse. By rubbing the country’s face in his unapologetic racism, and posing as a transparently disingenuous critic of “cancel culture” (who was, in reality, trying to cancel his critics all the time), Trump did more to encourage PC excess than a thousand Robin DiAngelos could have. The Democrats’ middling performances in 2020 and the 2021 off-year elections, and the lessons they might contain for the upcoming midterms, have brought elected Democrats face-to-face with the consequences of allowing the most militant members of the progressive movement to bully their party into adopting maximalist stances on issues like school closings, immigration enforcement, and crime. It’s now much harder for progressives to depict, say, support for enforcing immigration law or opposition to defunding the police as inherently racist when it’s clear the communities supposedly offended by those positions support them. There is an old saying that politics is downstream from culture, but in this case, culture is downstream from politics. When Democratic elected officials openly blamed their troubles on purity tests imposed by social activists, it gave permission for liberals elsewhere to resist tactics to which they had previously submitted. It turns out that democracy itself has been the corrective factor. The passions of the past half-decade have shown that, for all its faults, the Democratic Party, with its multiracial coalition that is accountable to the public, is the institution in American life that is best equipped to beat back illiberalism. The Republican Party succumbed completely to fanaticism long ago. (Jonathan Chait, New York Magazine)

Ich habe in den letzten Wochen eine Teilrevision meiner bisherigen Haltung hier hingelegt, weil ich mich aufgrund der Kritik hier im Blog etwas tiefer damit beschäftigt habe. Das Problem der radikalen Linken und ihrer illiberalen Haltung existiert, und es muss angegangen werden. Es ist leichter, den Anfängen zu wehren, als sich dann wie bei der GOP mit Faschisten im Amt herumschlagen zu müssen. Es ist nur wichtig, keine Gleichwertigkeit aufzubauen: die Gefahr durch linken Meinungsterror ist ebenso wesentlich geringer wie bei „normalem“ Terrorismus auch; nur ist das natürlich kein Grund, sie für irrelevant zu erklären, wie ich es früher gerne getan habe. Daher an dieser Stelle mea culpa und danke für die Einordnungen.

Zum eigentlichen Artikel: ich halte das Framing für falsch. Die Political Correctness hat gewonnen. Wir nehmen heute wesentlich mehr Rücksicht als noch vor kurzer Zeit, bemühen uns im Großen und Ganzen, inklusiv und tolerant zu sein. Was verliert, sind ihre radikalen Ausläufer. Wichtig ist aber der Hinweis, dass diese radikalen Ausläufer deswegen verlieren, weil die Democrats mit demokratischen Mitteln dagegen vorgehen und sie mit politischer Hygiene einhegen – was ihre rechte Konkurrenz nicht geschafft hat. Sie sind eben die Guten.

5) Der Anfang vom Ende

Das ist kleingeistig und dumm. Denn der Rücktritt bedeutet nicht nur kurz vor den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen eine weitere Schwächung der angeschlagenen Partei. Er legt auch offen, in welchem desolaten Zustand sich die Linke befindet. Drei Gründe sprechen dafür, dass dies der Anfang vom Ende sein könnte: 1.  Die Westausdehnung der Partei ist gescheitert. […] Nichts spricht dafür, dass sie diesen Absturz aufhalten kann. Auch bei den anstehenden Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen hat sie – setzt sich der Trend der Umfragen fort – keine Chance auf einen Wiedereinzug. 2. Die Linke hat keine starke Führung mehr. Lange hielten Oskar Lafontaine und Gregor Gysi Partei und Fraktion zusammen. Beide wurden in den eigenen Reihen verehrt, aber auch gehasst. Doch sie brachten die Strahlkraft und die Stärke mit, die Partei notfalls mit massivem Druck wieder auf Kurs zu zwingen und die vielen Irrlichter am Ende wieder einzufangen. Während Gysi den eher leisen Rückzug aus der Führung gewählt hat, hat Oskar Lafontaine es am Ende unter Absingen schmutziger Lieder getan – und gleich den saarländischen Landesverband, der seine Schöpfung war, mit in die Tonne getreten. […] 3. Die Partei hat keine Zukunftsidee. In ihren Anfängen vermochte es die Linke, das Vakuum, das durch den Agenda-Reformkurs der SPD am linken Rand bis in Teile der Mitte hinein entstanden war, zu besetzen. Es gelang ihr außerdem, die Utopie eines rot-rot-grünen Zukunftsbündnisses als Versprechen einer sozial gerechteren Gesellschaft zu entwerfen. Doch schnell wurde klar, dass die radikalen Kräfte in der Partei daran kein Interesse hatten. (Miriam Hollstein, T-Online)

Ich bin nicht zuversichtlich genug, eine sichere Prognose darüber abzugeben, ob die LINKE tatsächlich als politische Kraft auf Bundesebene zerbrechen wird. Ich hoffe es zwar, aber garantiert erscheint es mir nicht, vor allem, wenn uns jetzt wegen der Lieferkettenstörungen durch Corona und den Ukrainekrieg schwere soziale Härten ins Haus stehen, die wie immer von den unteren 50% getragen werden müssen. Vielleicht kommt da so eine Art Revival, wie nach der Einführung der Agenda2010-Reformen seinerzeit, who knows.

Die Gründe, die Hollstein hier nennt, halte ich aber für stichhaltig. Die Westausdehnung ist in der Tat völlig kollabiert, die LINKE mittlerweile auf dem Niveau der alten PDS. Und das war ja auch nicht eben eine sichere Bank für den Einzug in den Bundestag, ein prekäres Herumschnüffeln an der 5%-Hürde. Woran das genau liegt ist schwer zu sagen. Ich würde vermuten, dass der große Konsens der Merkel-Ära einerseits und die Konkurrenz im Protestmilieu von rechts andererseits die Partei schwer angegriffen haben. Für Deutschland ist eine rechte Protestpartei ohnehin die natürlichere Alternative als eine linke.

Was die Führung angeht bin ich unsicher, inwieweit das gerade Protestwählende sonderlich interessiert hat, der Faktor scheint mir mehr nach innen denn nach außen zu gehen. Das ständige Chaos und die Richtungsstreits innerhalb der Partei mögen für Außenstehende arkan und irrelevant wirken, aber sie banden eben wahnsinnigviel Kraft und Aufmerksamkeit und trugen direkt zu Punkt drei bei, nämlich dem Fehlen einer wirklichen gemeinsamen Idee. Ich habe immer kein Problem zu wissen, wogegen die LINKE ist, aber wofür? Das ist schwerer zu beantworten.

6) Kretschmann fordert: Lehrerinnen sollen länger arbeiten – Kritik von der Gewerkschaft

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat längere Arbeitszeiten für Lehrkräfte ins Gespräch gebracht, um eine bessere Bildung im Land zu gewährleisten. „Vielleicht müssen wir auch mehr arbeiten“, gab Kretschmann am Montagabend bei einer Podiumsdiskussion der „Stuttgarter Zeitung“ zu bedenken. Zum Beispiel seien sehr viele Lehrkräfte Frauen und viele von ihnen arbeiteten in Teilzeit. „Wenn die alle eine Stunde mehr arbeiten würden, eine Stunde, hätte ich 1.000 Lehrer mehr, die ich dringend brauche“, erklärte der Grünen-Politiker. „Auch das wird vielleicht ein Thema sein.“ Die Schule habe eine zentrale Rolle beim Kampf gegen den Fachkräftemangel, der schon jetzt ein großes Problem in Baden-Württemberg sei. „Da müssen wir mehr reinstecken.“ Monika Stein, Landeschefin der Bildungsgewerkschaft GEW, zeigte sich empört über Kretschmanns Vorschlag. „Das ist total daneben“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. „Die Teilzeit-Lehrkräfte arbeiten nicht deshalb weniger, weil es Spaß macht, weniger Geld zu verdienen, sondern weil es für sie notwendig ist Teilzeit zu arbeiten, damit sie ihren Beruf gut ausüben können.“ (SWR)

Es überrascht vermutlich niemanden hier, dass ich von Kretschmanns Idee vergleichsweise wenig halte. Erstens ist seine Schuldzuschreibung unreflektiert, denn die Teilzeitarbeit ist ja oft genug dem Problem geschuldet, das Teilzeitarbeit überall zugrundeliegt: eine Ungleichverteilung der Care-Arbeit, die Frauen in die Teilzeit zwingt (wo sie dann ausgebeutet werden, weil sie meist mehr arbeiten müssen als die vereinbarte Leistung sagt).

Dazu kommt, dass Kretschmann hier deutlich der Heuchelei bezichtigt werden muss. Noch immer werden zahlreiche Lehrkräfte über die Sommerferien nicht bezahlt, von befristeter KV-Stelle zu befristeter KV-Stelle hin- und hergeschoben, sind die Einstellungsbedingungen katastrophal. Die Landesregierung könnte dem Problem durchaus auch abhelfen, indem sie mehr Leute einstellte. Aber das kostete dann Geld, anstatt dass man das auf dem Rücken der Beschäftigten austrägt.

Zuletzt ist Kretschmanns grandiose Idee der weiteren Ausbeutung der Teilzeitkräfte nicht der einzige fadenscheinige Vorschlag, den die Landesregierung hier macht. Auch eine Verschärfung der Bedingungen des Referendariats ist im Gespräch und sehr wahrscheinlich; die Rede ist von einer weiteren Wochenstunde (selbstverständlich unbezahlter) Arbeit, was eine zehnprozentige Arbeitsnormerhöhung bedeutet. Das war übrigens der Grund für den Aufstand vom 17. Juni. Das, nachdem das Referendariat bereits vor rund 15 Jahren um ein Viertel verkürzt wurde (was man durch ein unbezahltes Pflichtpraktikum ausglich) und die Stundenbelastung von damals acht auf zehn Stunden erhöhte. Aber dann Debatten drüber führen wollen, warum immer weniger Menschen ein Lehramtsstudium anfangen und wie man dem Lehrkräftemangel Herr werden könnte.

7) The Awful Advent of Reactionary Chic

Of course, not just that era. The dynamic Brock described — extremist one-upmanship meant to scandalize hated left-wing persecutors — is a major driver of right-wing cultural innovation. That’s why stories about the American New Right (also called the dissident right, national conservatism and neo-reaction) seem so familiar, even if the movement’s ideology is a departure from mainstream conservatism. […] According to Pogue, the movement “has become quietly edgy and cool in new tech outposts like Miami and Austin, and in downtown Manhattan, where New Right-ish politics are in, and signifiers like a demure cross necklace have become markers of a transgressive chic.” This might be an overstatement, but it’s pretty clear that there’s cultural energy in the opposition to the progressive norms and taboos that are derisively called “wokeness.” […] This vibe shift was predictable; when the left becomes grimly censorious, it incubates its own opposition. The internet makes things worse, giving the whole world a taste of the type of irritating progressive sanctimony Brock had to go to Berkeley to find. […] I suspect this can last only so long as the right isn’t in power nationally. Eventually, an avant-garde flirtation with reaction will collide with the brutish, philistine reality of conservative rule. (As Brock would discover, being a gay man in a deeply homophobic movement was not cheeky fun.) (Michelle Goldberg, New York Times)

Ich halte die hier beschriebene Dynamik für weiterhin reichlich untererforscht. Diese 4chan-crowd ist ein großer Treiber hinter der Radikalisierung der Rechten (genauso wie die #Gamergate-Leute und andere solche Gruppen), aber sie bleiben gegenüber den „üblichen Verdächtigen“, etwa sozialen Verlier*innen oder der abstiegsbedrohten unteren Mittelschicht praktisch unbeachtet. Auch der Schlusspunkt des Artikels ist bedenkenswert. Die Radikalisierung „for the lulz“ verfolgt bei den meisten gerade keine konkreten politischen Ziele (man denke nur an Milo, der damit eine Bewegung aufbaute), aber es endet häufig genug in der Übernahme durch Profis mit wesentlich sinistreren Absichten.

8) Whatever happens, the Netflix effect is here to stay

The big change that Netflix represents is cultural: a really good television programme can’t force me to rearrange my schedule to watch it, and I no longer have to tolerate the viewing habits of others. I now expect a steady diet of art house films, disposable Star Wars knock-offs and workplace comedies without having to wade through, or compromise with, anyone else’s interests. Politics is downstream from culture, and the fact that consumer expectations are now increasingly geared towards personalisation has big implications. Whether in reconciling different social perspectives within movements based around economic interests, or uniting clashing economic interests within movements constructed around cultural desires, successful political parties win by persuading their voters to shut up and watch the same programme at the same time. […] In countries with winner-takes-all electoral systems, the growing difficulty of forming cohesive blocs has meant even the triumphant feel defeated. […] Nations with proportional systems have been able to outsource their problem to the voters. It is not yet clear, however, whether such political arrangements are capable of enduring policy achievement. Meeting the political ambitions of voters used to “on-demand” services might prove even more challenging than stewarding a streaming company through an era of squeezed incomes. (Stephen Bush, Financial Times)

Der Vergleich zwischen der Revolution des Fernsehens durch Netflix‘ Entkopplung von Program und festen Sendezeiten und den breit angelegten Wahlprogrammen und Kommunikationsmitteln der Parteien ist ein interessanter. Im Gegensatz zum Fernsehprogramm aber sehe ich diese Fragmentierung eher mit gemischten Gefühlen. Es ist ja gut, dass wir nicht länger gezwungen sind, um 20.15 Uhr dieselben Programme zu konsumieren, aber meine Lieblingsserie soll halt auch nicht das Land regieren. Da ist eine gewisse Breitenbasis schon wünschenswert.

9) „Krieg gilt in Deutschland als eine Art Unglück oder Zufall“ (Interview mit Maximilian Teerhalle)

WELT: Es war ein Deutscher, Carl von Clausewitz, der Anfang des 19. Jahrhunderts mit seinem Buch „Vom Kriege“ einen zentralen Beitrag zur Entwicklung des strategischen wissenschaftlichen Denkens geleistet hat. Warum wird diese Disziplin hierzulande heute so vernachlässigt, Herr Terhalle?

Maximilian Terhalle: Das liegt daran, dass sich das universitäre Milieu in Deutschland Denkschulen verschrieben hat, die Krieg als Mittel staatlicher Politik ausschließen. Während strategische Fragen ganz selbstverständlich in angelsächsischen Ländern, aber auch in Frankreich, Polen, Russland und China breite Beachtung finden, sieht der Mainstream in der Forschung zu internationalen Beziehungen bei uns Kooperation und Kompromiss als zentrale, unumstößliche Elemente. Dass Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln und damit integraler Bestandteil internationaler Politik ist, diesem Satz von Clausewitz verweigert sich die Politikwissenschaft in Deutschland schlichtweg. Dass Staaten andere Staaten militärisch angreifen können und deshalb Militär eine Rolle spielen muss, wird mit großer akademischer Freiheit ignoriert – folgenschwer, denn die öffentlichen Debatten leiden dramatisch darunter, dass es kaum Protagonisten gibt, die sich reflektierend zu Wort melden könnten.

WELT: Was wäre jetzt eine Strategie, die den Interessen Deutschlands diente?

Terhalle: Dafür müsste man zunächst eine politische Konzeption haben: Welche Zukunft der internationalen Ordnung, hier der europäischen Sicherheitsordnung, stellen wir uns vor? Wenn die Zukunftsvision Europa mit Putin heißt, dann könnte man das, was die Regierung gegenwärtig tut, mit gutem Willen als Strategie bewerten: nämlich nicht zu viel und nicht zu wenig, um zu versuchen, den Status quo irgendwie zu erhalten. Damit betrachtete man Putin allerdings weiterhin als zukünftigen Gesprächspartner und müsste bereit sein zu glauben, dass ein Kriegsgewinner Putin saturiert wäre. Ansonsten muss man darüber nachdenken: Wie ist ein Europa ohne Putin zu erreichen? Wie kann man Putin von außen so schwächen, dass er in Zukunft nicht mehr als Verhandlungspartner am Tisch sitzt? (Thorsten Jungholt, Welt)

Die Polemik Terhalles ist durchaus berechtigt. Ich habe darüber ja auch schon im Podcast gesprochen; das institutionelle Wissen ist weitgehend verloren gegangen. Die Wissenschaft beschäftigt sich praktisch nicht damit – es gibt in Deutschland eine Professur für Militärgeschichte, die vom Rest der Profession belächelt wird, und wie Terhalle schon sagt sieht es bei den Politikwissenschaften nicht besser aus. Auch wenn darüber aktuell niemand redet, so erstreckt sich das auch auf die Ökonomie. Die Wirtschaftswissenschaften in Deutschland sind auch völlig unstrategisch; Wirtschaftspolitik wird einzig als Standortpolitik verstanden. Darüber wäre vielleicht auch einmal zu reden.

In der Schule setzt sich das dann alles fort. Strategie wird auch hier nie gelehrt; es geht um Institutionenkunde und Urteilskompetenz (Politikunterricht) und um Urteilskompetenz und Analysefähigkeit (Geschichte), aber in beiden kommen Konflikte vor allem in der Ursachenanalyse vor. Wir erfahren zwar, welche Probleme es weltweit gibt (Terrorismus, Krieg, etc.) und erarbeiten, wie es dazu kommt und ob die Bundeswehr eine Rolle darin haben sollte, nicht aber, wie so etwas tatsächlich ausgefochten wird. Ähnlich in Geschichte, wo man zwar lernt, welche Außenpolitik Hitler betrieb und dass der Zweite Weltkrieg ein Vernichtungskrieg war, nie aber das Wort „Logistik“ fällt. Das sind blinde Flecken, die uns teuer zu stehen kommen.

10) The Netflix Bubble Is Finally Bursting

Ten years ago, Netflix started offering its subscribers exclusive TV shows (we all, of course, remember the hit series Lilyhammer). An approach that at first seemed like a fad quickly yielded a handful of awards juggernauts—and then became a model for the entire TV streaming industry. For the past decade, the company has spent freely to fatten its library, eventually making hundreds of shows and movies a year, with the goal of staying ahead of its many online rivals. During this seemingly never-ending era of “peak TV,” the questions about the company’s future have been the same: When will the torrent of offerings slow down? And just how disappointed will viewers be when it does? The answer to the first question appears to be soon, if not now. Last week, Netflix announced that, in the first quarter of this year, paid subscribers declined for the first time in more than a decade. It also predicted a drop of 2 million more during the second quarter and said the company would begin exploring a lower-priced, ad-supported version. The ensuing stock tumble erased more than $54 billion in value in a single day, along with the image of invincibility Netflix has always projected. The company had likely promised investors that all the money spent on original programming would lead to subscriber growth for many, many years ahead. Netflix has nearly 222 million subscribers around the world, more than any other streaming company, and just last month it was forecasting eventually growing to half a billion. Now the arrow is pointing in the opposite direction. (David Sims, The Atlantic)

Noch einmal Netflix, dieses Mal aber nicht als Metapher, sondern das reale Unternehmen. Es ist spannend zu sehen, wie sich das Streaming in den letzten Jahren verändert hat. Die Einführung der Technologie und der verbundenen Plattformen war eine massive Disruption eines seit Jahrzehnten saturierten Marktes, ähnlich der Einführung der MP3 für den Musikmarkt, und viele Anbieter haben sich (wie die Plattenfirmen) schwer damit getan, hier zu konkurrieren. Das Schema war auch dasselbe; illegales Teilen der Inhalte mangels legalen Angebots, dann wird die Lücke ausgenutzt und mittlerweile kann man sich gar nichts mehr anderes vorstellen. Beeindruckend.

Bedenkt man, wie schlecht Netflix‘ Angebot überwiegend ist, verwundert kaum, dass die Abonnentenzahlen einbrechen. Zudem gibt es viele konkurrierende Dienste, und praktisch niemand will alle abonnieren. Es verwundert daher kaum, dass Netflix Probleme bekommt. Mehr Qualität hätte vielleicht helfen können, aber das war leider nie das Geschäftsmodell.

Resterampe

a) Sascha Lobo hat am gleichen Tag, an dem Ariane und ich unseren Podcast zum Thema hatten, gewohnt eloquent einen Artikel zum selben Thema verfasst und einen super Begriff gefunden, auf den ich richtig neidisch bin: Lumpen-Pazifismus.

b) Eine Sammlung aller Abscheulichkeiten Xavier Nadoos.

c) Gute Bemerkung zum deutschen Ukrainediskurs.

d) Interessante Studie zum Gendern (Zusammenfassung).

e) Frauenfeindliche Attacken auf Baerbock sind nicht auf das konservative Spektrum beschränkt.

f) Republikanisch dominierte Gerichte verhindern in Ohio die Einführung fairer Wahlkreisaufteilungen – über den Kopf des State Supreme Court hinweg. State’s Rights! Die mag man natürlich nur, wenn man damit eigene Ziele durchsetzen kann. Wie immer.

g) Interessanter Thread zu der Wählendenverteilung in Frankreich.

h) Der französische Alkoholkonsum ist seit den 1960er Jahren massiv gesunken. Im Gegensatz zu dem in Großbritannien, der seit den 1980er Jahren massiv steigt. Ich habe so meine Vermutung, woran das liegt.

i) Dieser Artikel von 2017 kann heute genauso wieder gepostet werden.

j) Typisches Beispiel für mediale Doppelstandards bei free spech.

k) Angesichts der Masse an bayrischen Gesetzen, die als verfassungswidrig kassiert werden, könnte man glatt die Frage stellen, ob die CSU es mit dem Grundgesetz nicht so hat.

l) Warum vertrauen „die Amerikaner*innen“ den Experten nicht mehr? Michael Lewis hat eine Antwort, Kevin Drum eine ergänzende.

m) „Die jungen Menschen heute arbeiten nicht mehr gerne“ ist zwar eine gerne verbreitete Behauptung von älteren Menschen (Nebeneinanderstellung ist sooooo witzig), aber nur eine Legende. Die Daten sprechen auch schwer dagegen, aber mit denen beschäftigen sich Kulturpessimist*innen ja nie gerne.

n) Guter Thread von Christina Dongowski zu dem Thema „Rückkehr der Politik“ aus dem letzten Vermischten.

o) Stichwort Doppelstandards. Und noch mehr Kontext.

p) Ein letzte Woche viel gelobtes Beispiel von Habecks Krisenkommunikation, als Ergänzung zum Eintrag im letzten Vermischten.

q) Zu der Debatte um Atomwaffen für die Bundeswehr finde ich diesen Artikel von 2016 immer noch definitiv.

r) Wer einen Eindruck haben möchte, wie der Krieg in ukrainischen Städten aussieht, dürfte mit dieser Doku von 1995 über die Maikop-Brigade bedient werden.

s) In den letzten 25 Jahren null Todesopfer durch linksextreme Gewalt, über 200 durch rechtsextreme. Mehr als doppelt so viele Körperverletzungen durch rechte wie linke. Es ist einfach keine Äquivalenz. Die größere Gefahr kommt von rechts.

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  • Thorsten Haupts 2. Mai 2022, 09:09

    Zu 7):
    Das mit der Unerforschtheit von 4 und 8chan stimmt seit Angela Nagles „Kill all normies“ nur bedingt. Und zu gamergate würde ich wetten, dass Stefan Sasse ausschliesslich die Darstellung in linksliberalen Leit- und Nischenmedien kennt (die in diesem Fall die FAZ schlicht übernommen hat), weshalb ich empfehlen würde, sich besser zu informieren:

    https://scribe.rip/arc-digital/almost-everything-you-know-about-gamergate-is-wrong-c4a50a3515fb

    Zu 9):
    Korrekt. Die Beschäftigung mit Militärgeschichte und -strategie macht einen in nahezu allen akademisch gebildeten Kreisen (unabhängig von der politischen Ausrichtung) zu einem skeptisch beäugten Aussenseiter. Völlig falsche Lektion aus den beiden Weltkriegen, würde ich meinen.

    Zu q):
    Sorry, überzeugt mich nicht. Kern der Ablehnung deutscher Atomwaffen im Artikel sind die angenommenen politischen Wirkungen imaginierter Befürchtungen von Nachbarnationen Deutschlands. Und das ist zwar ein ernstzunehmendes Argument, aber wenn man das anders gewichtet, hat der Artikel kein weiteres Gegenargument in petto. Er ist schwach argumentiert, was ich beim deutschen „Panzer-Drosten“ (danke Ariane) auch nicht anders erwartet habe. Dass Masala die deutsche sicherheitspolitische Debatte anführt, ist nur ein Zeichen für deren Zustand (siehe 9).

    Zu s):
    Kein Widerspruch. Solange man ernsthaft anerkennt, dass es auch eine von links gibt. Und wir reagieren darauf schon seit Ewigkeiten – im medialen wie politischen Diskurs Deutschlands wird man ausgegrenzt, wenn man auch nur den Verdacht einer rechtsradikalen Grundeinstellung erweckt. Linke dagegen gelten auch dann noch als lupenreine Demokraten, wenn sie eklige Diktaturen im Ausland bewundern, Terrororganisationen (z.B. Hamas) unterstützen und jedes Übel auf der Welt für sie irgendwie US-amerikanische (pssst, Wall Street, reiche Juden und so) Wurzeln hat.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 2. Mai 2022, 10:05

      7) Dass sich jemand damit beschäftigt hat – keine Frage. Aber ich finde es in der ganzen Debatte wesentlich unterbeleuchtet. Unterbetont? Wären vermutlich bessere Begriffe als „untererforscht“, da hast du Recht.
      Bezüglich Gamergate leidest du eher unter dem Syndrom zu glauben, was ich (oder eine hypothetische Blase) dafür halten. Was in dem von dir verlinkten Artikel steht ist nichts Neues.

      q) Die bestehenden Verträge sind noch ein ziemlich starkes Argument, und die weiter Proliferation. Auf beides gehst du nicht ein.

      s) Korrekt, und erkenne ich ernsthaft an.

    • CitizenK 2. Mai 2022, 20:09

      zu s) Auf den Punkt gebracht.

      • Thorsten Haupts 2. Mai 2022, 22:17

        Zu s):

        Noch eine Ergänzung: Gesetzlich vorgeschrieben wird jede Gewalttat – automatisch – als „rechtsextrem“ verbucht, wenn der Täter rechtsextreme Gesinnung demonstriert(e), unabhängig vom konkreten Fallgeschehen. Für linksextreme Gewalttaten gilt eine um Grössenordnungen höhere Tatzuschreibungsschwelle – es muss klare Anhaltspunkte dafür geben, dass die konkrete Tat aus linksextremen Motiven begangen wurde.

        So kommt man bei faktisch gleichen Fallzahlen automatisch zu weit geringeren „linken“ Straftaten. Dafür gibt es in den Fällen aus politischen Gründen Ermordeter keine Anhaltspunkte, aber wissen sollte man das.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Stefan Sasse 3. Mai 2022, 13:08

          Aha? Warum sollte da ein gesetzlich vorgeschriebener Doppelstandard gelten? Das wäre mir neu. Kannst du das belegen? Beziehungsweise näher ausführen?

          • Derwaechter 3. Mai 2022, 14:56

            Der Vorwurf ist doch eher umgekehrt, rechtsextreme Taten würden oft fälschlicherweise nicht als solche registriert

            „Die Behörden stehen in der Kritik, viele Fälle fälschlicherweise nicht als politische Gewalt einzustufen, sondern beispielsweise als private Rache“
            https://www.dw.com/de/chronologie-rechte-gewalt-in-deutschland/a-49251032

          • Thorsten Haupts 3. Mai 2022, 15:04

            https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/264158/straf-und-gewalttaten-von-rechts-wie-entstehen-die-offiziellen-statistiken/

            Der Täter muss also nicht mehr einer geschlossenen Ideologie anhängen, sondern es genügt, wenn sich diffuse Vorurteile ausmachen lassen. Seitdem wird deshalb nicht mehr von „rechtsextremistischen“ Taten gesprochen, sondern von „politisch motivierter Kriminalität-rechts“.

            Gilt NUR für rechts.

            • Stefan Sasse 3. Mai 2022, 18:38

              Das geht doch daraus nicht hervor…? Diffuse Vorurteile können sich doch auch nach links ausmachen lassen. Einmal ACAB an die Wand gesprüht, politisch motivierte Kriminalität – links.

              • Thorsten Haupts 3. Mai 2022, 21:22

                https://www.polizei-beratung.de/themen-und-tipps/extremismus/linksextremismus/straftaten/#panel-16793-3

                Lesen Sie bitte selbst nach, worin sich die Definition „rechter“ und „linker“ Straftaten fundamental unterscheiden.

                Politisch motivierter Kriminalität -rechts- werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie einer „rechten“ Orientierung zuzurechnen sind, ohne dass die Tat bereits die Außerkraftsetzung oder Abschaffung eines Elementes der freiheitlich demokratischen Grundordnung (Extremismus) zum Ziel haben muss.

                Genau diese Würdigung gibt es bei linksextremen Straftaten NICHT.

                Gruss,
                Thorsten Haupts

                • derwaechter 3. Mai 2022, 23:28

                  Willst du uns verarschen? Die Definition für Links und Rechts ist wortgleich.

                  „Der PMK -links- werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie nach verständiger Betrachtung einer „linken“ Orientierung zuzurechnen sind, ohne dass die Tat bereits die Außerkraftsetzung oder Abschaffung eines Elementes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (Extremismus) zum Ziel haben muss.“

                  https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Deliktsbereiche/PMK/PMKlinks/PMKlinks_node.html

                  Vs

                  „Der PMK -rechts- werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie nach verständiger Betrachtung einer „rechten“ Orientierung zuzurechnen sind, ohne dass die Tat bereits die Außerkraftsetzung oder Abschaffung eines Elementes der freiheitlichen demokratischen Grundordnung (Extremismus) zum Ziel haben muss.“

                  https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Deliktsbereiche/PMK/PMKrechts/PMKrechts_node.html

                  • derwaechter 4. Mai 2022, 22:09

                    Nichts?

                  • derwaechter 5. Mai 2022, 09:12

                    Kann mir jemand erklären, warum man so etwas macht?

                    Mit viel Mühe (Links, Zitaten), Überheblichkeit ( „Lesen Sie bitte selbst nach“, „wissen sollte man das.“) und Großbuchstaben (NICHT, NUR) ungefragt Behauptungen aufzustellen, die bereits zweifelhaft klingen und bei genauem Hinsehen eindeutig widerlegt werden können.

                    Damit verspielt man doch nur seine Glaubwürdigkeit.

                    • cimourdain 5. Mai 2022, 14:37

                      Simpler Irrtum plus Bestätigungsfehler: Mir ist auch oft genug passiert, dass ich hundertprozentig sicher war, mich an eine Tatsache, die meine Argumentation stützt, erinnern zu können – nur um hinterher festzustellen, dass ich genau falsch lag.

                    • derwaechter 5. Mai 2022, 16:11

                      Man kann sich ja gerne falsch an etwas erinnern. Aber Thorsten hat hier, trotz mehrfacher kritischer Nachfrage, weiter gemacht, angebliche Belege dazu geliefert, und seinen Ton verschärft.
                      Außerdem hat er es von Anfang als Tatsache, dargestellt, anstatt es als Erinnerung o.ä. einzuschränken.

                      Außerdem kann man sich auch fragen wo diese „Erinnerung“, herkommen soll? Es gibt doch für die Aussage soweit ich das überblicken kann überhaupt keinen Beleg oder Anhaltspunkt. Den Link zur bundeszentrale für politische Bildung den er geteilt hat, gibt es genauso auch für linke Straftaten.
                      Um zu behaupten „Genau diese Würdigung gibt es bei linksextremen Straftaten NICHT.“, sollte man doch stark annehmen, das er die Definition für ebendiese Straftaten gelesen hat. Und spätestens da merken, dass die wortgleich (!) sind.

                      Es fällt mir schwer da noch an ein Versehen zu glauben.

                    • Stefan Sasse 5. Mai 2022, 18:09

                      Mir kam das von Anfang an auch so komisch vor, deswegen habe ich immer nachgefragt, und die Belege haben es nie hergegeben. Danke für das Raussuchen der Quellen.

                    • derwaechter 6. Mai 2022, 00:03

                      Ungerne. Ich ärgere mich im Nachhinein immer dafür Zeit geopfert zu haben.
                      Pietsch ignoriere ich aus dem Grund mittlerweile völlig. Sollte ich bei Haupts einfach genauso handhaben.

                    • Thorsten Haupts 7. Mai 2022, 18:17

                      Kann nur für meinen Irrtum um Verzeihung bitten – die von mir verlinkten Quellen besagten etwas anderes.

                      Ich werde auf das Thema trotzdem noch einmal zurückkommen – die Ungleichbehandlung ist nämlich vielleicht grösser, als ich ursprünglich angenommen hatte, nur aus anderen Gründen.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • derwaechter 9. Mai 2022, 10:32

                      Die verlinkten Quellen belegten das eigentlich nicht.
                      Aber so kanns gehen. Bin gespannt auf die nächste Runde 🙂

  • Thorsten Haupts 2. Mai 2022, 14:05

    Zu 7):

    … was ich (oder eine hypothetische Blase) dafür halten.

    Akzeptiert, mea culpa. Dann allerdings macht die Bemerkung aus Ihrer Artikelbewertung „Diese 4chan-crowd ist ein großer Treiber hinter der Radikalisierung der Rechten (genauso wie die #Gamergate-Leute und andere solche Gruppen)“ wenig Sinn, oder? Gamergate hat bei der Radikalisierung der Rechten eine sehr geringe Rolle gespielt (ausser der Instrumentalisierung durch Milo Y et al.).

    Zu q):

    Verträge kann man kündigen und der Nicht-Proliferation hat der verbrecherische nukleare Wissenstransfer durch pakistanische Nuklearwissenschaftler vor vielen Jahren de facto den Todesstoss ebenso versetzt, wie die Irakinvasion, das Ergebnis des Kosovo-Krieges und das völlig sinnbefreite Eingreifen der NATO in Libyen. Jetzt weiss jede/r, dass Schutz vor Angriffskriegen überlegener Gegner NUR durch Atomwaffen hergestellt werden kann. Das ehemals gültige Argument ist einfach keines mehr.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 2. Mai 2022, 14:54

      7) Jein, das ist diffiziler. Gamergate war kein in der rechten Blase entstandenes Ding, und wie der von dir verlinkte Artikel zurecht erklärt überhaupt kein einzelnes Ding (zum Beispiel war Zoe Quinn für mich nie relevant). Aber dann ist Zoe Quinn halt auch für Gamergate ungefähr das, was Gavrilo Princip für den Ersten Weltkrieg ist: der inciting incident, aber sicherlich nicht die Ursache. Nur mit dem Attentat vom Julia 1914 kann ich den Krieg nicht erklären, und nur mit Zoe Quinn kann ich Gamergate nicht erklären. Auch hier hat dein Artikel völlig Recht, wenn er konstatiert, dass das Gefühl der Abwehr progressiver Entwicklungen in der Gamesindustrie ein treibender Faktor war. Gamergate war halt wahnsinnig anschlussfähig nach rechts, und zwar in die alt-right (weder mit klassischen Republicans noch Springerstiefeln noch den klassischen Rechten à la KKK hatten die ja irgendwas am Hut). Das war etwas Neues, ein Amalgam. So in aller Kürze.

      q) Ich glaube trotzdem nicht dass es sinnvoll ist, wenn wir all diesen Leuten die Rechtfertigung dafür geben, den ersten Schritt zu gehen. Das gegebenenfalls nachvollziehen, vielleicht (wobei ich immer skeptisch bin, dass das sinnvoll wäre wenngleich offen für Umstimmung).

      • Thorsten Haupts 2. Mai 2022, 15:57

        … Abwehr progressiver Entwicklungen in der Gamesindustrie ein treibender Faktor war …

        Nein. Einfach nein. In der kurzen Zeit, wo ich mich da mal selbst auf meine alten Tage spät beteiligen wollte, war das Gefühl ein etwas anderes. Kurz zusammengefasst:

        „Boah, dieselben Tanten und Luschis, die Gamer für die letzten 25 Jahre ohne jede Ahnung zu sozialgestörten, sexistischen Halbidioten erklärten, kommen JETZT aus dem Busch und verlangen weitreichende Änderungen an Spielen, die sie selbst weder spielen noch verstehen. Geht ja gar nicht.“

        Nach meiner Beobachtung – ich habe mich dann aus Gründen doch nicht beteiligt – war das ein Hauptmotiv einer sehr grossen Gruppe, die weder vor- noch nachher irgendein Problem damit hatten, dass auch Frauen spielen. Die waren in den meisten Spiele-Communities immer willkommen (alle Spieler waren das)! Hier ging´s weniger um „progressiv“ als um die Einmischung einer den Spielern bis dahin eindeutig abwertend bis feindlich gesinnten Gruppe.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Stefan Sasse 2. Mai 2022, 18:13

          Oh, mit Sicherheit. Ich bilde mir ein, die Gamergater recht gut verstehen zu können. Ich habe ja lange genauso getickt, und ich bin in dem Milieu aufgewachsen. Aber wie gesagt, das ist komplexer als ich hier in den Kommentaren werden kann (ggf. Podcast-Thema? :)).

          • Thorsten Haupts 3. Mai 2022, 21:23

            Wenn das auf Interesse stösst? Ist eher ein Nischenthema :-).

            • Stefan Sasse 4. Mai 2022, 11:41

              Wir sind ein Nischenpodcast. 😉 Ich schreib dir mal ne Mail.

      • CitizenK 2. Mai 2022, 20:12

        q) Der Geist ist aus der Flasche, aber mehr Staaten mit Atomwaffen bringen der Welt nicht mehr Sicherheit, sondern weniger.

        • Thorsten Haupts 2. Mai 2022, 21:57

          Der Welt wahrscheinlich weniger, dem Einzelstaat wahrscheinlich mehr. Und mich interessiert erst einmal und vor allen anderen „mein“ Staat.

          Gruss,
          Thorsten Haupts

        • Stefan Sasse 3. Mai 2022, 13:06

          Würde ich tatsächlich so pauschal auch nicht mehr unterschreiben wollen…

        • Erwin Gabriel 3. Mai 2022, 13:40

          @CitizenK 2. Mai 2022, 20:12

          q) Der Geist ist aus der Flasche, aber mehr Staaten mit Atomwaffen bringen der Welt nicht mehr Sicherheit, sondern weniger.

          Zustimmung: Je mehr Länder Atomwaffen haben, um so größer ist die Chance, dass irgendein Idiot auf den Knopf drückt.

          Aber ich bin bei Thorsten: Für jedes Land, das Atomwaffen hat, sinkt das Risiko erheblich, angegriffen zu werden, da im Falle eines erfolgreichen Angriffes die nukleare Retourkutsche droht.

          • CitizenK 3. Mai 2022, 15:32

            Deshalb wollen immer mehr dabei sein und damit sinkt auch die Sicherheit für jeden einzelnen, auch für meinen.
            Das gegenwärtige Gerede über einen Atomkrieg ist doch gruselig. Haben die Leute vergessen, was das bedeutet?

            • Thorsten Haupts 3. Mai 2022, 16:53

              … und damit sinkt auch die Sicherheit für jeden einzelnen …

              Erst einmal steigt sie – nachgewiesenermassen. Möglicherweise sinkt sie im weiteren Verlauf – aber das ist bestenfalls eine Vermutung.

              Ganz offen gesagt war der Atomwaffensperrvertrag immer der Versuch einer sehr kleinen „Elite“ von Staaten, ihre auf sie begrenzte Unverwundbarkeit in Völkerrecht zu giessen. Wir haben uns daran gewöhnt, weil es bisher in dem Sinne funktioniert hat, dass die Atomwaffenbesitzer die Waffen nach Hiroshima nie einsetzten.

              Aber es gibt keine ethische. legale oder sonstige Grundlage dafür, warum nur eine Handvoll Staaten weltweit sicher vor jedem Angriffskrieg sein sollen. Und einige der Atomwaffenbesitzer haben halt dafür gesorgt, dass dieses offenkundige Ungleichgewicht nunmehr die notwendige Aufmerksamkeit bekam (plus immer mehr Staaten über die notwendigen technischen Grundlagen verfügen, solche Waffen selbst zu produzieren). Ich persönlich glaube, wir werden in den nächsten 20 jahren weitere Nuklearwaffenbesitzer sehen. Und wenn das soweit ist, sollte aus meiner Sicht Deutschland dazu gehören.

              Gruss,
              Thorsten Haupts

              • Stefan Sasse 3. Mai 2022, 18:42

                Die Logik hinter dem Atomwaffensperrvertrag war ziemlich dicht. Diese Waffen sollten in möglichst gar keinen Händen sein, aber wenn es sich schon nicht vermeiden lässt, dann nur in wenigen. Und diese Logik gilt auch weiterhin. Ich wäre eher für ein Revival von Rüstungskontrolle als für eine Aufrüstung mit Atomwaffen, aber ich sehe natürlich die Probleme der Umsetzung, vor allem aktuell…

                • Thorsten Haupts 7. Mai 2022, 23:17

                  Die Logik hinter dem Feudalismus war ziemlich dicht. Macht sollte möglichst in gar keinen Händen sein, aber wenn es sich schon nicht vermeiden lässt, dann nur in wenigen ….

                  • Stefan Sasse 8. Mai 2022, 10:48

                    Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich. Und es ist nicht mal richtig.

                    • Thorsten Haupts 8. Mai 2022, 13:16

                      Zweimal stimmt. Gilt auch für Ihre sonnige Lesart des Atomwaffensperrvertrages.

          • Stefan Sasse 3. Mai 2022, 18:35

            Ganz schlechte Incentives sind das…

  • derwaechter 2. Mai 2022, 14:51

    m)
    Ich werde so etwas um allerletzten Mal kommentieren und in Zukunft einfach nicht mehr lesen. Es nervt mich so sehr.

    Twitter verkürzt nicht nur sondern verfälscht auch zu oft.

    Das ist wieder ein typischer Tweet, in dem jemand Screenshot(s) von Überschriften o.ä. teilt, um einen Punkt zu machen, der in den dazugehörigen Artikeln oft schlicht nicht steht.

    Im Forbes Artikel von 2015 geht es nicht darum, dass junge Menschen nicht gerne arbeiten, sondern anders (besser):

    „They don’t buy into the concept of sitting at a cluttered desk ten hours a day trying to look busy for a boss. They see a bigger picture, leveraged by technology. This means the ability to add meaningful value from anywhere at anytime.“

    „The new workforce is interested in working together to make the world a better place“

    Der Vox Artikel aus diesem Jahr sagt:
    „The reality is much more complicated. American workers across various ages, industries, and income brackets have experienced heightened levels of fatigue, burnout, and general dissatisfaction toward their jobs since the pandemic’s start. The difference is, more young people are airing these indignations and jaded attitudes on the internet, often to viral acclaim.“

    „Carson doesn’t think that most zoomers are actually anti-work, at least from a political perspective. In fact, she said, she thinks it’s the opposite: “

    Auch der Generation X Artikel aus Time Magazine ist zumindest differenziert: “
    „That resignation leaves them no illusions to shatter, no false expectations to deflate. In the long run, even with their fits and starts, they may accomplish more of their goals than past generations did“

    Das letzte Fundstück ist überhaupt kein Artikel sondern scheint mir indirekte Rede einer Frau zu sein, die von ihrem Arbeitsalltag als Switchboard Operator erzählt.
    Wenn sie sagt, „We have a couple that sit on the phone half of the day, take time out“ dann ist die Zeit am Telefon nicht Freizeit (wie der Tweetende meint) sondern Arbeitszeit.

    Zeigt also auch, dass derjenige offenbar keine Ahnung hat, was er da eigentlich teilt

  • derwaechter 2. Mai 2022, 19:49

    O)
    Warum Doppelstandards? Brockschmidts Buch wurde im Deutschlandfunk positiv besprochen, der von Dir genannte Vorwurf würde ihr dort nicht gemacht. Auch Interviews mit Annika Brockschmidt kann man beim Deutschlandfunk finden.

    • derwaechter 3. Mai 2022, 23:46

      Hätte mich wirklich interessiert. Beide werden im Deutschlandfunk (und deren Interview mit ihm war Ausgangspunkt der Behauptung) als Experten betrachtet und interviewt.
      Wo liegt da der Doppelstandard?

  • sol1 2. Mai 2022, 20:57

    e) Nicht nur das.

    Jutta Ditfurth hat ja zeit ihres Lebens Gott und der Welt antisemitische Denkmuster vorgeworfen. Und nun begibt sie sich selbst in das Kielwasser eines solchen:

    https://twitter.com/robertandreasch/status/1508418243152781314

  • sol1 2. Mai 2022, 23:46

    5) „Für Deutschland ist eine rechte Protestpartei ohnehin die natürlichere Alternative als eine linke.“

    Daran würde ich Zweifel anmelden. Die AfD ist die erste rechte Protestpartei, die sich behauptet, während das vor ihr zwei linken gelungen ist.

    Und welchen Unterschied eine populäre Führungsfigur machen kann, sieht man in Thüringen, wo sogar 24 % der CDU-Wähler und 18 % der FDP-Wähler sich für Ramelow als Ministerpräsidenten entscheiden würden:

    https://i.redd.it/7bagy4gsoyt81.png

    Ein Blick auf die Karte der letzten BTW zeigt, wie schlecht es um die Zukunftsaussichten der Linken bestellt ist:

    https://www.viewsoftheworld.net/?p=5833

    In den ländlichen Gebieten Westdeutschlands konnte sie noch nie etwas reißen. In den westdeutschen Städten geht es bergab, in den ostdeutschen Städten stellen die Grünen eine immer größere Konkurrenz dar, und die AfD-Protestwähler in den ländlichen Gebieten Ostdeutschlands sind wohl dauerhaft verloren.

  • cimourdain 3. Mai 2022, 09:18

    1) Ein wesentlicher Punkt ist immer auch die Psychologie: Mit einem ‚Marshallplan‘ macht sich der (staatliche) Investor öffentlich zum Stakeholder. Damit signalisiert er anderen sein Vertrauen in das Projekt.

    2) Es ist bemerkenswert, dass all die Beispiele, die Frau Knoblauch anführt ‚digitale‘ Produkte hervorbringen. Ich denke, genau das ist es, was viele der Entweder-Oder Kommentatoren umtreibt: Dass ins digitale viele Wege hineinführen, aber keiner mehr heraus.

    3) Das eigentlich interessante ist doch die extrem privilegierte Sonderwirtschaftszone, die Disney errichten durfte. Und da stellt sich die Frage, ob es nicht ein im Endeffekt gutes Werk wäre, diese abzuschaffen, selbst wenn das aus den Trollmotiven deSantis‘ geschieht.

    4) Gegenthese: Gerade im ‚die Guten‘ Milieu Juste hat sich eine massiv diskriminierende Sprache gegenüber Andersdenkenden eingeschlichen. Beweisstück A: Dein Fundstück a) weiter unten. Beweisstück B: Die Zitatesammlung „ich habe mitgemacht“ zur Coronapolitik (Das meiste ist zwar überzogene Empfindlichkeit, aber manches ist echt eklig)

    6) und 9) Ab 1914 gab es an vielen Schulen „Kriegskundeunterricht“ , der aus Besprechen des Frontverlaufs, Erklärung von Wehrtechnik , Absingen patriotischer Lieder etc. bestand. Dafür sollte doch eine Extrastunde Lehrzeit drin sein, oder wollt ihr Lehrer dieses westpatriotische Opfer nicht bringen?

    7) Ich sehe da die gleiche Pressedynamik am Werk wie bei den ‚Killerspiel‘-Debatten. Eine Subkultur, zu der die Journalisten wenig Zugang haben wird für ein Negativphänomen verantwortlich gemacht, ohne die Hintergründe zu kennen (Danke Thorsten Haupts für den Hintergrund)

    10) Die durchschnittliche Qualtiät der meisten Produkte bei Netflix ist dem Gemischtwareneffekt zuzuschreiben. Wenn du in einer Buchhandlung oder beim Zeitschriftenstand blindlings zugreifst wirst du sehr wahrscheinlich einen Heimatkrimi oder ein Klatschblatt bekommen. (Was beim ‚blinden‘ Einschalten des Fernsehers zu einer beliebigen Tageszeit herauskommt, ist noch schlimmer). Sind deswegen die Bücher und Zeitschriften alle Mist?

    a) Der Begriff ‚Lump‘ ist für Lobos Sprachgebrauch sehr veraltet aber ganz typisch für das frühe 20. Jahrhundert. Gut möglich, dass der ‚Lumpenpazifist‘ aus einer der toxischen Quellen dieser Zeit (z.B. einer ‚Dolchstoßpublikation‘) entstammt.

    e) Warum Frauenfeindlich? Simplifizierend und die falsche Verschwörungstheorie ja, aber Frauenfeindlich?

    g) und i) zeigen deutlich, dass der politische Kompass sich immer mehr von Links-Rechts zu technokratisch-populistisch verschiebt. Und entgegen aller Hufeisenwerfer wählen immer noch die populistisch Linken lieber mit zugehaltener Nase den neoliberalen Kandidaten als die Rechtspopulistin.

    h) Wenn du eine Vermutung hast, äußere sich doch bitte auch.

    k) Nur weil der bayerische Landtag mit der CSU-Mehrheit schon 1949 das GG abgeleht hat ….

    • Stefan Sasse 3. Mai 2022, 13:13

      1) Good point.

      2) Wie meinen?

      3) Es ist gut, die privilegierte Stellung der Großkonzerne zu beschneiden, aber es ist schlecht, wenn das auf diese Art aus diesen Motiven geschieht. Schafft sehr schlechte Präzedenzfälle, so sehr ich das Ergebnis gutheißen würde.

      4) Zitatesammlung „Ich habe mitgemacht“?

      6/9) Ich rede nicht von Propaganda. Trollst du nur?

      7) Ja, der Vergleich passt.

      10) Jein, Netflix produziert ja einen großen Teil seines Contents selbst. Und was sie produzieren ist fast durch die Bank Mist.

      a) Ich glaube, da spielt er bewusst drauf an.

      e) Wegen dieser Angriffslinie von „ehrgeizig“.

      g/i) Ja, das alte links-rechts-Spektrum löst sich auf.

      h) Sorry, ich dachte das sei recht klar: Wende des Thatcherismus und der damit verbundene soziale Abstieg.

      k) 😀 😀 😀

      • derwaechter 3. Mai 2022, 14:12

        e) Weil es den Vorwurf beim Männern nicht gibt? Google mal Ehrgeizling, oder überehrgeizig.
        Gerne kombiniert mit profilierten männlichen Außenministern, wie z.B. Fischer oder Westerwelle.

        • cimourdain 3. Mai 2022, 21:38

          Das habe ich mal ausprobiert: Ich habe in meine Suchmaschine „ehrgeizige Frau“ und „ehrgeiziger Mann“ eingegeben. Erstere hatte fast doppelt so viele Ergebnisse gebracht. Das kann bedeutet, dass tatsächlich eine Konnotation zwischen „Frau“ und „ehrgeizig“ besteht. Da aber viele meiner Ergebnisse Stellengesuche waren, könnte es auch eine Rolle spielen, dass für Frauen das Attribut „ehrgeizig“ inzwischen weniger negativ besetzt ist (zumindest im Beruf).

          • derwaechter 3. Mai 2022, 23:40

            Ich habe bewusst Ehrgeizling bzw überehrgeizig vorgeschlagen, weil dann Ehrgeiz definitv negativ besetzt ist. Ersterer dürfte sogar ein exklusiv männlicher Begriff sein.

            Die Verbindung zu z.B. Westerwelle habe ich bewusst vorgeschlagen, weil ich mich erinnern kann, dass er so ein Typ war und weil er, wie Bærbock, eben auch ein profilierter Aussenminister war. Bei meiner kurzen Suche wurde dies auch Stoiber, Gabriel, Rösler uvm vorgeworfen. Es ist also ein gängiger Vorwurf an Politiker.

            Es kann durchaus sein, dass Frauen Ehrgeiz öfter negativ ausgelegt wird als Männern. Aber aus einem Satz in der einer Politikerin Ehrgeiz vorgeworfen wird, Frauenfeindlichkeit zu machen ist Blödsinn. Das ist das Gegenteil von Gleichberechtigung.

            • Stefan Sasse 4. Mai 2022, 11:43

              Ich verstehe was du meinst, und das Problem existiert sicherlich. Aber: wenn ich eine dogwhistle nicht mehr benennen kann, weil es ja sein KÖNNTE, dass sie unschuldig war, haben wir ein Problem, weil dog whistles sich ja genau diese Ambivalenz zunutze machen.

              • derwaechter 4. Mai 2022, 13:46

                (Über) Ehrgeiz ist ein gängiger Vorwurf an ambitionierte und profilierte Politiker (und andere).
                Wer da ohne weitere Anhaltspunkte und ohne jegliche Einschränkungen das ganz große Kaliber „Frauenfeindlichkeit“ auspackt schießt m.E. weit übers Ziel hinaus.

                Wenn weibliche Politiker nicht genauso (fair oder unfair) behandelt werden können wie männliche, weil etwas vielleicht als Dogwhistle aufgefasst werden könnte, haben wir das Gegenteil von Gleichberechtigung.

                Auch wenn dein Hammer Frauenfeindlichkeit mehr als berechtigt ist, besteht die Welt nicht ausschließlich aus Nägeln.

              • sol1 4. Mai 2022, 13:54

                Man sieht jedenfalls in den Drukos, daß die Hunde in Massen angelaufen kommen:

                https://twitter.com/jutta_ditfurth/status/1517566584289644546

                • derwaechter 4. Mai 2022, 14:36

                  „Man sieht jedenfalls in den Drukos, daß die Hunde in Massen angelaufen kommen:“

                  In den Abgrund werde ich nicht noch weiter steigen. Das ist ja schon nach kurzem Scrollen furchtbar. Aber ich habe in der kurzen Zeit keine frauenfeindlichen Kommentare gesehen. Hauptsächlich WEF-Verschwörung, Antiamerikanismus, Antisemitismus usw.
                  Gleich mehrere (nicht nett gemeinte) Vergleiche zu Joschka Fischer findet man auch. Sie wird offenbar nicht (oder wenig) als Frau, sondern als Verräter an der linken Sache angegangen.

                  Genauso kritisiert Ditfurth übrigens auch Habeck oder Hofreiter. Auch das spricht dagegen, dass Ditfurth von Frauenfeindlichkeit getrieben sei.
                  Aber mir reicht das jetzt, ich finde sie dermaßen unangenehm, dass ich mich jetzt erst Mal erholen muss.

                  • Stefan Sasse 4. Mai 2022, 18:41

                    Jo, da hast du vermutlich recht. Thanks for the vigilance.

                    • derwaechter 4. Mai 2022, 19:29

                      🙂

                  • sol1 4. Mai 2022, 23:05

                    „Genauso kritisiert Ditfurth übrigens auch Habeck oder Hofreiter.“

                    Spekuliert sie bei denen darüber, „wer sie schulte und berät“?

                    • derwaechter 5. Mai 2022, 00:18

                      Wahrscheinlich auch das WEF, die Transatlantiker oder andere finstere Mächte. Ich meinen Habeck bezeichnete sie auch Mal als grünen Nationalist und Ernst Jünger Fan. Wie gesagt, ich möchte da ganz ungern weiter eintauchen.

              • derwaechter 4. Mai 2022, 13:58

                Abgesehen davon sprechen die äußeren Umstände doch sogar eher gegen als für eine Dogwhistle. Jutta Ditfurth ist doch, bei allem was man ihr sonst so zu Recht vorwerfen kann, eine Feministin, oder?

      • Erwin Gabriel 7. Mai 2022, 07:25

        @ Stefan Sasse 3. Mai 2022, 13:13

        e) Wegen dieser Angriffslinie von „ehrgeizig“.

        Ehrgeizig und eitel war (ist?) und Hardlinerin Jutta von Ditfurth stets selbst gewesen. Vielleicht spielt das eine Rolle, da Frau Ditfurth nicht annähernd das erreicht hat, was Annalena Baerbock erreicht.

        • Stefan Sasse 7. Mai 2022, 09:54

          Ich meine: in die Spitzenpolitik kommt niemand, der nicht Ehrgeiz hat. Das ist so ein sinnloser Vorwurf…

  • Thorsten Haupts 3. Mai 2022, 17:07
  • cimourdain 3. Mai 2022, 17:21

    2) Nimm den Taschenrechner: Ab dem Moment, wo der zugelassen ist, sind auch die Aufgaben darauf zugeschnitten und er wird damit unentbehrlich. Das befürchten die Digitalgegner – und Knoblauch liefert dazu ungewollt Munition, indem Sie lauter Digital – unentbehrlich Aufgabenstellungen anführt.

    4) https://ich-habe-mitgemacht.de/index.php?option=com_content&view=category&layout=blog&id=27&Itemid=235

    6/9) Hauptsächlich Frusttrollen, aber mit zwei ernsten Kernen:
    6) Natürlich werden jetzt alle möglichen Verschlechterungen mit ‚dem Krieg‘ begründet werden. Dazu werden auch Arbeitsbedingungen gehören.
    9) Die Grenzen zur Propaganda sind in meinen Augen fliessend. Und wer Unterrichtsinhalte fordert, fordert immer auch Werbung für seine Sichtweise zu den Unterrichtsinhalten.

    10) Deswegen sage ich ja: Schau nicht auf die Masse, sondern die Dinge die beachtenswert sind. Und in der Spitze räumt Netflix auch bei den Entertainment-Preisen ab und findet auch sonst zumindest Interesse (Stichwort Squid-Game, wo wir die gleiche Diskussion schon mal hatten)

    e) Verstehe… aber du schaust bei einem mit so grober Kelle hingeknallten One-Liner noch auf solche Nuancen?

    h) klingt plausibel, aber vielleicht spielen Gesetzesänderungen (Stichwort Sperrstunde) eine Rolle. Die Sprünge, die die Statistik UK nach oben macht, deuten darauf hin.

    • cimourdain 3. Mai 2022, 18:19

      Sollten eingentlich Antworten auf Stefan Sasses Antworten auf mich sein.

    • Stefan Sasse 3. Mai 2022, 18:47

      2) Hah! Das ist eher ein Grund für digital als alles andere 😀

      4) lol, kannte ich gar nicht. „Archiv für Corona-Unrecht“. Für die Zeit nach der Revolution, vermutlich.

      6) Ja, das ist zu erwarten. Muss man ja nicht zwingend mitgehen.

      9) Danke, aber es ist nicht meine Sichtweise, Militärpropaganda und blinden Gehorsam und Vaterlandsliebe zu propagieren. Und ich mach das auch weiterhin nicht. Das hat halt nichts miteinander zu tun, sorry.

      10) Ich hab schon lange nichts mehr Interessantes bei Netflix gefunden leider 🙁 Es sei denn du zählst die Fortsetzungen von Last Kingdom und Better Call Saul.

      e) Das ist nicht eben der Zweck von One-Linern 😉

      h) Wäre spannend, dem mal auf den Grund zu gehen. Die Statistik ist ja erschreckend.

  • cimourdain 3. Mai 2022, 17:28

    9) Zum Lehrstuhl für Militärgeschichte:
    a) Warum unterhält die Bundeswehr eigentlich keinen an ihren beiden Universitäten? Sie hat ein Forschungsinstitut und das beste Archiv, nur mit der Lehre haperts. Das klingt widersinnig.

    b) Der Lehrstuhlinhaber war bis letztes Jahr inhaltlich zumindest umstritten:
    https://www.fr.de/kultur/literatur/soenke-neitzel-deutsche-krieger-kaempfen-toeten-sterben-90199088.html
    Heute ist er wahrscheinlich schon fast Mainstream. Tempora mutantur et nos mutamur in illis.

    • Thorsten Haupts 3. Mai 2022, 18:24

      Ein Artikel in der völlig bedeutungslosen FR macht niemanden „umstritten“.

      • Stefan Sasse 3. Mai 2022, 18:50

        Das geht schon über die FR raus, aber mein Gott, wer ist nicht umstritten? 😀

    • Stefan Sasse 3. Mai 2022, 18:49

      Sönke Neitzel ist umstritten, ja. Ich hab sein Buch nicht gelesen, kann nichts dazu sagen. Aber: gegebenenfalls ist das ja gerade ein Grund, diese Gebiete nicht den Krieger-Fans zu überlassen, nein?

      • cimourdain 4. Mai 2022, 12:57

        Ich bin mir nicht sicher, ob er nicht eher als Überbringer schlechter Nachrichten in die Schusslinie geraten ist, weil seine Analyse (was immer wieder etwas anderes ist als Bewertung) des Soldatenbildes nicht mit dem übereinstimmt, wie die Öffentlichkeit es gerne hätte. Darauf deutet hin, dass sein erstes Buch über Wehrmachtsprotokolle („Soldaten“ mit Harald Welzer) sehr positiven Anklang fand. So gesehen würde ich auch das neue Buch nicht von vornherein ausschließen.

        • Stefan Sasse 4. Mai 2022, 13:37

          Tu ich auch nicht, ich hab’s nur nicht gelesen 😀 Ich habe überhaupt keine Meinung zu Neizel. Ich glaube, mal ein Buch von ihm zum Ersten Weltkrieg gelesen zu haben? Aber ich bin schlicht völlig agnostisch. Ich weiß nur, dass er recht umstritten ist. Bauchgefühl ist aber tatsächlich, dass er eher Überbringer schlechter Nachrichten ist.

          • Thorsten Haupts 4. Mai 2022, 15:06

            Ich glaube, mal ein Buch von ihm zum Ersten Weltkrieg gelesen zu haben?

            Ja. Das war eindeutig eine „Jugend“arbeit in dem Sinne, dass er sich streng darauf beschränkte, den Stand der historischen Forschung (in Deutschland) ohne eigene Duftnoten in Kurzform zusammenzufassen. 08/15 im besten wie im schlechtesten Sinne.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

            • Stefan Sasse 4. Mai 2022, 17:55

              Ich hab keinerlei Erinnerungen daran, was sehr für deine These spricht 😀
              Ich kenne Neizel ansonsten noch aus seinem Auftritt bei „Military History Visualized“, das kennst du vermutlich auch?

  • Ariane 4. Mai 2022, 11:00

    4) Es ist nur wichtig, keine Gleichwertigkeit aufzubauen: die Gefahr durch linken Meinungsterror ist ebenso wesentlich geringer wie bei „normalem“ Terrorismus auch; nur ist das natürlich kein Grund, sie für irrelevant zu erklären

    Ja, ich denke der Grad der Radikalisierung bzw die Unterschiedlichkeit darf hier nicht verwischen. Sonst landet man zwangsläufig bei „alle doof“, was eine Seite dann verharmlost.

    Gerade für die linke Seite (bzw kenne ich nur die was pc angeht) plädiere ich da allerdings immer für mehr Gelassenheit und auch die Anerkennung, dass der Stand der Auseinandersetzung sehr unterschiedlich ist. Während die woke-Bubble diskutiert, ob „Frau“ oder „verrückt“ schon diskriminierend ist (ich finde btw dass man iwann auch die Kirche im Dorf lassen sollte), haben Ottonormalmenschen noch nie gehört, dass Blackfacing problematisch ist. Gerade auf Twitter hab ich da schon absurde Shitstorms miterlebt.

    7) Als Ergänzung zu Gamergate und der 4chan-crowd würde ich auch noch die Verzahnung von Incels mit rechter Radikalisierung nennen. Das ist ja ähnlich wie „for the lulz“, ein Thema, das eigentlich total unpolitisch ist, wird plötzlich rechtsradikalisiert. War bei Gamergate ähnlich, das Ausgangsthema hat vermutlich niemanden von uns besonders interessiert (ich wurde btw auch erst durch Sarkeesian drauf aufmerksam), bekommt dann eine krass misogyne Schlagseite und die verbliebenen radikalen Elemente sind dann stramm rechtsradikal.

    Eine Weile lang wurde das mal näher beleuchtet, zb auch was die amerikanische Pick-Up-Szene angeht, ist aber schon länger wieder aus der Öffentlichkeit verschwunden.

    10)
    Der Verlust vieler Netflix-Abos kam wohl auch durch die Sperrung russischer und belarussischer Accounts, aber ja Zustimmung. Netflix hat krass abgebaut und ich hab das Abo eigentlich nur noch wegen Accountsharing und weil mein komischer Fernseher nicht direkt Disney+ abspielt. Oo Hab das Disney-Abo mal wieder an (on-off-Beziehung^^) und bin echt begeistert, was die alles nachgelegt haben.
    Auch durch Zukäufe, Netflix ist da ja fast ausgestiegen und die Eigenproduktionen finde ich fast durch die Bank echt mies. Mal abgesehen davon, dass mich mein Netflix-Abo auch noch 10€ mehr als Disney kostet.

    • Stefan Sasse 4. Mai 2022, 11:48

      4) Jepp.

      7) Interessant in dem Zusammenhang: Arne Hoffmann war seiner Zeit hier auch weit voraus. Er hat schon 2006 über Incels geschrieben, wenngleich nicht unter dem Begriff. Und die Connection zum Rechtsradikalismus war damals auch noch nicht da. Aber das war sie beim Maskulismus ja auch nicht. Das hat sich alles nur als sehr, sehr anschlussfähig erwiesen, weil es einen natürlichen Resonanzraum für Kritik an progressiven Geschlechterverhältnissen schafft, die durch aggressive identity politics zum Markenkern der Rechten wurden.

      10) Völlige Zustimmung. Bin auch immer wieder beeindruckt, dass es Leute gibt, die nicht accounts sharen 😀

    • Erwin Gabriel 7. Mai 2022, 07:31

      @ Ariane 4. Mai 2022, 11:00

      7) … und die verbliebenen radikalen Elemente sind dann stramm rechtsradikal.

      Das finde ich einen überzeugend Punkt: Je krasser es wird, um so mehr steigen aus dem Thema aus, die nicht so krass unterwegs sind. Übrig bleibt dann nur noch Schlacke

  • Thorsten Haupts 4. Mai 2022, 15:16

    … weil es einen natürlichen Resonanzraum für Kritik an progressiven Geschlechterverhältnissen schafft

    Ja. Und weil es das Bewusstsein dafür eröffnet, dass die Leitmedien da eben eine absolute Minderheitenposition unkritisch in den Vordergrund schoben. Man hatte auf einmal für Kritik, die man aus Angst öffentlich (in den sozialen Medien) nicht formulierte, plötzlich eine sehr ordentliche Anzahl an Mitstreitern.

    In genau dem Sinne ist gamergate gar nicht zu überschätzen – es war das absolut erste Mal, dass sich eine sehr grosse Gruppe von Menschen auch gegen Übergriffigkeiten der WokoHaram erfolgreich, lautstark und öffentlich wehrten. Und damit das Bewusstsein dafür schufen, dass man mit Kritik eben nicht zu einer kleinen Gruppe retardierter Ewiggestriger gehörte. War wohl für viele wichtig (mir persönlich ist es egal, wie viele Leute mir zustimmen).

    Gruss,
    Thorsten Haupts

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