Bohrleute 19: Die große deutsche Friedensnabelschau

Die Absurditäten der deutschen Ukrainepolitik bewegen sich zwischen den Polen von Unsinn redenden SPD-Funktionären und die Ukraine angreifender Ostermarschbewegung, aber sie sind bei weitem nicht darauf beschränkt. Zusammen mit Ariane Sophie spricht Stefan Sasse über die mangelnde deutsche strategische Weitsicht und die verschiedenen Hintergründe, die dazu führen.

Shownotes:

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{ 20 comments… add one }
  • CitizenK 21. April 2022, 14:33

    Eure Argumentation funktioniert nur, wenn die Ukraine – mit unserer Waffenhilfe – die Russen wieder aus dem Land treibt. Mir fehlt dieser Glaube. „Putin braucht diesen Sieg“ – schrieb die FAZ schon zu Beginn des Krieges. Die Eurasien-Phantasie mal beiseite, wird der alles tun, aus der Ukraine ein zweites Belarus zu machen. Eine Niederlage „kann er sich nicht leisten“, lese ich immer wieder. Was bedeutet das?

    Mit ein paar Schützenpanzern aus Deutschland wird er sich nicht abhalten lassen. Bahnlinien, Stromversorgung, Telekommunikation sind noch weitgehend intakt, obwohl die Russen sie mit zielgenauen Raketen zerstören könnten, wie die Angriffe bei Lwiw und den Bahnhof Kramatorsk zeigen. Weil sie sich sicher sind, das Land zu „übernehmen“.

    Natürlich weiß ich auch keine Lösung, wie auch. Die Bedenken bei deutschen Waffenlieferungen sollte man dennoch nicht so verächtlich machen, wie auch ihr das tut. Warum diese so in aller Öffentlichkeit verhandelt werden, erschließt sich mir auch nicht.

  • Lemmy Caution 21. April 2022, 14:56

    Ich sehe die Friedensbewegung der Anfang-80er als so eine Art Ausläufer der 68er. Bemerkenswert war die breite Unterstützung: evangelische Kirche, Jusos, Gewerkschaften, viele Lehrer v.a. Physik, Sport und Geschichte/Politik, berühmte Künstler wie Joseph Beus und Heinrich Böll.
    Damals manifestierte sich ja der Ost-West Konflikt vor allem in Stellvertreter Kriegen in der damals so genannten Dritten Welt. Nicaragua Solidarität war ein Thema. Mitte der 80er besuchte unsere Stammkneipe auch ein fast 10 Jahre älterer, irgendwie hängengebliebener Typ, der seinen Urlaub mit Kaffeepflücken in Nicaragua verbrachte. Ernst genommen haben wir das nicht, weil wir den Eindruck hatten, er ließe sich von den Sandinisten ausbeuten. Damals gabs auch noch mehr Leute, die unsympathisch autoritär auftraten. Dagegen richtete sich das auch. Ronald Reagan als US Präsident wirkte auf viele Deutsche als Kulturschock.
    Zur großen Demo in Bonn nahm mich die Mutter eines Kumpels mit. Wir waren in einer Gruppe der Evangelischen Kirche. Meine Mutter meinte später, dass sie meine ‚beseelten Augen‘ erschreckt hätte, wobei für meine Mutter im Grunde jedes politische Engagement letztlich auf eine Art von Massen-Psychose zurückzuführen ist.
    Ein lustiges Video aus der Zeit für den vibe ist das hier: https://www.youtube.com/watch?v=DQ1_ALxGbGk
    Etwas später hatte der US Film „Der Tag danach“ eine ziemliche Bedeutung. https://de.wikipedia.org/wiki/The_Day_After_%E2%80%93_Der_Tag_danach . Sowas hat man sich so um 1986 auch in der Schule angeschaut. Es gab bei uns allerdings keine Atom-Übungen für Zivilisten. Nach dem Reykjavik Gipfel von Gorbachow – Reagan im Herbst 1986 standen die Zeiten dann deutlich auf Abrüstung.

    Der vibe fühlte sich sehr anders an als zwanghafte Manipulierer wie Wagenknecht heute.
    Die Aktivitäten der USA im Kalten Krieg wirkten oft wirklich eindeutig rücksichtslos.
    Die UdSSR war völlig anders als Russland heute ein konservatives Gebilde mit einer hoffnungslos veralteten Riege an der Macht. In Polen griffen sie noch einmal durch, aber mit weniger Entschlossenheit als in der Tschecheslowakei oder Ungarn in den Jahrzehnten vorher. Afghanistan wurde natürlich auch als widerwärtige Machtpolitik wahrgenommen, war aber sehr weit weg.

    • Tim 21. April 2022, 18:01

      Ich sehe die Friedensbewegung der Anfang-80er als so eine Art Ausläufer der 68er. Bemerkenswert war die breite Unterstützung: evangelische Kirche, Jusos, Gewerkschaften, viele Lehrer v.a. Physik, Sport und Geschichte/Politik, berühmte Künstler wie Joseph Beus und Heinrich Böll.

      Du hast hier noch die engagierte Unterstützung durch KGB und Stasi vergessen. 🙂

      • Lemmy Caution 21. April 2022, 19:52

        Bezüglich der Massenbewegung ist mir da eigentlich nichts bekannt. Würd mich interessieren. Die hielt auch nur weniger als 2 Jahre. Ansonsten gabs natürlich massive Ost-Kontakte vieler radikaler Linken… mit Geld. Vieles dann durch die Öffnung der Archive des dann ehemaligen Ostblocks belegt worden. Vielleicht öffnen sich solche Archive nach einer Niederlage Vlads nochmal.

        • Thorsten Haupts 1. Mai 2022, 16:12

          Der Koordinierungsausschuss der Friedensbewegung, gegründet 1981 (?) zur Koordination der bundesweiten Friuedensinitiativen, hatte in den Reihen seines dreiköpfigen (?) Vorstandes mindestens ein Mitglied, das vom Ministerium der Staatssicherheit in der DDR operativ geführt wurde. Kam natürlich erst nach der Wende heraus, vermutet wurde das von Konservativen schon lange vorher.

          Gruss,
          Thorsten Haupts

          • Stefan Sasse 1. Mai 2022, 19:39

            Die Friedensbewegung war heftig von der Stasi unterwandert, genauso wie die westlichen Geheimdienste die östlichen Demokratiebewegungen unterwandert hatten. Das gehörte seit 1950 zum Spiel…

    • Stefan Sasse 22. April 2022, 09:07

      Ich sehe keine Verbindung von 1968 zu 1980, schon gar nicht als Ausläufer. Die 68er waren letztlich eine winzige Minderheit. Die Ostermärsche waren eine breite, weit ins Bürgertum hineinragende Bewegung.

      • Lemmy Caution 22. April 2022, 09:49

        Was wir 1981 sahen war v.a. auch ein Ergebnis des Erfolgs der 68er.
        Viele der Ideen der kleinen, lautstarken und radikalen Minderheit haben einen Teil der Mehrheitsgesellschaft erreicht.
        Von der Stimmung hatte das viel von Woodstock. Dann wars eine thematisch neue Linke (Frauenbewegung, Dritte Welt, Umwelt, Anti-Amerikanismus), nicht Bendorfer Arbeiter Schalmeien-Kapelle. Das dann aber in einer gewaltlosen familien-kompatiblen Version. Die action lief zeitgleich an der Startbahn West des Frankfurt Flughafens.

        • Stefan Sasse 22. April 2022, 14:01

          Ich sehe diese klare Verbindung nicht. Ich meine, klar, die 68er haben die Gesellschaft beeinflusst, aber insgesamt wird ihr Erfolg und Einfluss weit übertrieben. Er ist eine Facette der Liberalisierung der deutschen Gesellschaft, die ein langfristiger Trend ist – ein Trend seit den 1950er Jahren, der immer noch keinen Abschluss gefunden hat.

          • pannaKraweel 22. April 2022, 15:08

            „Ich meine, klar, die 68er haben die Gesellschaft beeinflusst, aber insgesamt wird ihr Erfolg und Einfluss weit übertrieben. Er ist eine Facette der Liberalisierung der deutschen Gesellschaft, die ein langfristiger Trend ist – ein Trend seit den 1950er Jahren, der immer noch keinen Abschluss gefunden hat.“

            Bitte nicht meinen Onkeln verraten – die würden sich sonst um einen Teil ihrer Lebensleistung gebracht fühlen ;-).

            • Stefan Sasse 22. April 2022, 17:04

              Genau das ist es ja; die haben das völlig übertrieben. Und ihre Gegner*innen auch. ^^

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