Barcelona prüft im Präsenzunterricht Altmaiers Kenntnisse in der US-Frühgeschichte – Vermischtes 12.01.2020


Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) Trump fails to redraw politics‘ battle lines

Ever since Trump defied expectations in 2016 by winning his party’s nomination with a highly unorthodox message, a wide range of prognosticators, along with some of the party’s elected officials, have suggested that the Republican future involves transforming the GOP into a „workers party.“ Such a party would mix standard Republican positions on taxes, judges, and abortion with defenses of key aspects of the welfare state that benefit the working class, including increased access to affordable medical care. […] Trump’s instincts do seem to point in precisely this direction. But he has proven to be such an atrocious negotiator, so incurious about the details of public policy, and so incapable of learning how to use the levers of power in Washington (beyond tweet-based rabblerousing) that he’s accomplished less than nothing during the four years of his presidency. Instead of dragging his party to embrace an agenda less skewed toward the rich, he has ended up revealing that those who favor a more worker-friendly approach are vastly outnumbered and incredibly weak in the GOP. […] Which means, once again, that Washington’s battle lines have moved very little over the past four years. From here on out, the most sensible path forward for both parties is clear. Democrats will continue to portray themselves as a party of working people on economic issues — and keep trying to placate the cultural left while also working to steer clear of its most extreme excesses. Republicans, meanwhile, will keep attacking the cultural left and using that red meat to portray themselves as aligned with ordinary Americans — while also favoring economic policies that primarily benefit the wealthy and often leave working-class communities in ruins. (Damon Linker, The Week)

Das Phänomen der Koalitionen in den USA ist das, was ich im letzten Vermischten als „unnatürlich“ beschrieben habe. Beide Parteien haben zentrale Elemente in ihren Wahlprogrammen und ihrer ganzen politischen Identität, die insgesamt reichlich unpopulär sind. Sie halten aber ihre jeweilige WählerInnenschaft trotzdem, weil die Aufteilungen erstaunlich stabil sind. Weder Trump noch Bernie Sanders haben in ihren jeweiligen Parteien bisher massive programmatische Änderungen hinterlassen. Es ist wirklich erstaunlich, wie resilient das alles ist. Ich frage mich, ob das bei uns anders ist. Sind deutsche Parteien eher bereit, sich und ihre Programmatik zu ändern? Mein Bauchgefühl wäre „ja“, aber ich bin gespannt was ihr sagt und mit welcher Begründung.

2) Two-way street: how Barcelona is democratising public space

“Empty space here has always been seen as building land and something you can profit from,” Janet Sanz, the deputy mayor, told the Guardian. “Cerdà’s idea was to open the city, to make it more habitable. As a city government, we need to change the mentality that sees the city only in financial terms. What we have in common is public space that belongs to everyone. Up to now its use has been determined by the automobile lobby.” […] The superblock scheme groups together nine city blocks and closes them to through traffic with plant pots and benches, introduces cycle lanes, play areas and green spaces, and eliminates most parking spaces. While cars aren’t banned, the superblocks are car-unfriendly. […] “Before we shopped and socialised in other parts of the barrio,” she said. “There was no life here. But now it’s hard to even get out of the super block because there are so many people who stop and talk. That’s the big change – the way we use the space and getting to know our neighbours. We’ve got three playgrounds and picnic areas where everyone congregates. You get kids doing their homework, elderly people playing Parcheesi, a democratisation of space just through putting in four picnic tables. There’s a real sense of identity with the place.” (Stephen Burgen, The Guardian)

Vor einigen Jahren habe ich in einem Artikel die Voraussage gewagt, dass künftige Generationen sich fragen würden, wie wir so leben konnten. Ich habe dabei etwa solche Dinge im Blick. Großstädte für den Autoverkehr auszulegen ist völliger Irrsinn. Ich sehe ja das Argument, dass man dank jahrzehntelang vernachlässigter ÖPVN-Struktur auf dem Land ohne Auto nicht auskommt. Aber in der Stadt? Die Ansätze sind absolut vernünftig. Es ist ja nicht nur Barcelona, sondern auch auch Paris, andere Städte wie Amsterdam oder Stockholm machen es auch schon länger. Nur Deutschland hinkt wegen seiner völlig hirnverbrannten Vergötterung des Autos weit hintendran und hat lieber ungesunde und hässliche Innenstädte.

3) «Covid-19 ist erst der Anfang» (Interview mit Mike Davis)

Die Vogelgrippe­viren vor fünfzehn Jahren entstanden in Südost­asien. Sars tauchte erstmals in China auf. Das aktuelle Corona­virus auch. Warum eigentlich immer Asien?
Eine Vogelgrippe kann überall entstehen, sogar in subarktischen Regionen. Aber der Grund, weshalb Influenza-Ausbrüche in China gross werden, ist dieses hochproduktive landwirtschaftliche System, das domestizierte Vögel, Schweine sowie zwei Reis­ernten pro Jahr kombiniert und von dem Wildvögel ein natürlicher Teil geworden sind. Und die Massen­zucht von Geflügel erhöht diese Gefahr – egal wo auf der Welt. Auch die Zerstörung von Regenwald im Amazonas, mehrheitlich, um Rindfleisch für amerikanische Hamburger zu produzieren, birgt ähnliche virale Bedrohungen. […] 

Heisst das, wenn wir aufhören, Fleisch und Fisch zu essen, oder wenn wir zumindest anfangen, viel bewusster oder lokaler zu konsumieren, dass dann das Pandemie­problem verschwindet?
Nein. Fast jede Epidemiologin würde wohl dem folgenden Satz zustimmen: Covid-19 ist nur der Anfang und das erste Kapitel einer neuen Ära von Pandemien. Es sei denn, wir können die Grenzen zwischen solchen natürlichen Viren­reservoiren und Menschen kontrollieren und beibehalten. […]

Wenn Nahrungsmittel­produktion und Boden durch Reformen zurück in die Hände von kleinen Produzenten gelangen – stoppen wir so das anbrechende Zeitalter der Pandemien?
Die Macht dieser Konzerne müsste in der Tat zwingend reduziert werden. Und die industrielle Fleisch­produktion ist, wie ich bereits sagte, die Teilchen­beschleunigerin. Sie verstärkt die Möglichkeiten für genetische Veränderungen in Viren. Aber es gibt verschiedenste Schmelz­tiegel, in denen neue Viren­varianten auftauchen und auf den Menschen übertragen werden können.

Zum Beispiel?
Sars-CoV-2 hat man unter Fleder­mäusen gefunden. Es wurde vermutlich über einen Intermediär auf den Menschen übertragen. In der traditionellen chinesischen Medizin beispiels­weise ist der Verzehr verschiedener Arten von Tieren ein integraler Bestandteil der Behandlung – für Potenz­steigerung oder die Heilung von Krankheiten. In China wurde der Konsum von Wildtieren jetzt verboten und damit stark reduziert. Auch das ist ein wichtiger Schritt, um Krankheiten kontrollieren zu können. Wenn das Virus aber mal im Umlauf ist, kommt der Tourismus ins Spiel. Als Sars 2003 ausbrach, verbreitete es sich innerhalb von wenigen Stunden in sieben Ländern. Es trat in einem Hotel in Hongkong auf, voll mit Flug­passagieren. Sie haben die Infektion umgehend weiter­verbreitet. Und so etwas geschieht vor dem Hinter­grund einer steigenden Anfälligkeit für tödliche Krankheiten. (Marie-José Kolly/Daniel Ryser, Republic.ch)

Das ist ein langes und überaus lesenswertes Interview, ich empfehle es in seiner Gänze. Was Davis hier schreibt ist mehr als besorgniserregend. Was ich mich frage ist aber: Was ist die Konsequenz? Weniger Verflechtung? Zurückdrehen der Globalisierung? Klingt alles nicht sonderlich machbar. Davis selbst scheint da ja auch sehr pessimistisch. Aber regelmäßig weltweite Pandemie ist jetzt auch nichts, was eine tragbare Option ist. Das Thema dürfte auf jeden Fall in der künftigen Handelspolitik durchaus eine Rolle spielen….

4) Lernen, nicht vergleichen

Es muss immer noch viel auswendig gelernt, ohne Hilfsmittel und allein gearbeitet werden. Weshalb? Taschenrechner, Übersetzungssoftware oder Informationen stehen mit Smartphones fast allen Schüler:innen, wie auch dem Rest der Welt, ständig zur Verfügung. Austausch und Zusammenarbeit bilden das Fundament für Lösungen in einer immer komplexeren Welt, wie aktuell bei der Pandemie. Das ist kein Plädoyer für eine Abkehr von Grundwissen und -kompetenzen – im Gegenteil. Es gilt jedoch zu prüfen, was davon noch zeitgemäß ist und wie das gelingen kann. Den Zugang zu Informationen, Hilfsmitteln und die Möglichkeit der Zusammenarbeit zu verhindern, funktioniert am besten durch die Kontrolle in Präsenz. Als im März 2020 die Schulen aufgrund von Covid-19 geschlossen wurden, Fernunterricht stattfinden musste und irgendwann auch die Frage nach Leistungserfassungen im Raum stand, wurde deutlich, sehr Prüfungen von präsentischer Kontrolle abhängig sind. Genau hier besteht die Chance, drängende Fragen, die sich in Distanz stellten, auf die Präsenz zu übertragen. Was wäre, wenn bei jedem Test, jeder Arbeit oder Prüfung, Bücher und das Netz genutzt werden könnten, alle Hilfsmittel erlaubt und der Austausch mit anderen gewünscht wäre? Wie müssten solche Leistungserfassungen konzipiert sein? Tatsächlich muss hier auch immer eine zweite Frage zuerst neu gedacht werden: Wofür sollen Leistungen erfasst werden? Bezieht man diese Frage auf den gesellschaftlichen Wandel und die aktuellen und zukünftigen globalen Herausforderungen, muss hier die bisherige Vergleichbarkeit der Befähigung weichen. (Dejan Mihajlovic)

Ich kann mich dieser Kritik nur anschließen. Was mich so wahnsinnig macht ist, dass mir Experimente und Alternativen bewusst verbaut werden, auch jetzt in der Pandemie. Ich MUSS klassische schriftliche Klausuren schreiben; die vielen alternativen Formen der Leistungsmessung, die gerade die pädagogische Forschung in den letzten zwei Jahrzehnten entwickelt hat, kann ich nur ergänzend, nicht aber ersetzend nutzen. Von den Aspekten, die Mihaljovic hier anspricht – Kollaboration, Recherche – ganz zu schweigen. Eine nennenswerte Ausnahme ist hier in BaWü der Seminarkurs, der wie eine Art Vorstudium funktioniert und wissenschaftliche Methode zum Inhalt hat. Es ist echt frustrierend.

5) I’ve been unfairly targeted, says academic at heart of National Trust ‚woke‘ row

The academic at the centre of an escalating row over the National Trust’s efforts to explore links between its properties and colonialism has warned of a “political agenda” to “misrepresent, mischaracterise, malign and intimidate” those involved in the project. Professor Corinne Fowler has drawn comparisons between the vilification of academics, including herself, and attacks by climate-crisis deniers on scientists warning about global heating. She suggested they were a product of social tension. […] The Common Sense Group of more than 50 Tory MPs was angered by a 115-page interim report entitled Connections between Colonialism and Properties now in the Care of the National Trust, Including Links With Historic Slavery, commissioned by the trust and published in September. Co-edited by Fowler, it highlighted that 93 trust properties, including Clandon Park in Surrey and Hare Hill in Cheshire, were linked to wealth from plantations and the slave trade, while others, such as Bateman’s, Rudyard Kipling’s home in Sussex, were important to understanding Britain’s colonial history. Many of the MPs and several rightwing historians and newspaper columnists took exception to the report’s references to Winston Churchill’s role in colonial administration and his opposition to Indian independence. The historian Andrew Roberts accused the trust of “wokery” and of “trying to imply a moral equivalence between colonialism and slavery”. […] But some Tory MPs are uncomfortable with the focus on Britain’s colonial past. Andrew Bridgen told the Times last week that the trust had been “overtaken by divisive Black Lives Matter supporters”. (Jamie Doward, The Guardian)

Einmal mehr ein Beispiel für „Cancel Culture“ aus dem rechten Raum. Die Vorstellung, es handle sich um ein linkes Phänomen, war schon immer albern; ich habe darüber geschrieben. Der Begriff wird gerade im rechten Spektrum mittlerweile so inflationär gebraucht, dass er ähnlich sinnentleert ist wie „neoliberal“. Es gibt da eine gute Aufstellung in Übermedien. Alle darin genannten Opfer publizieren immer noch, einige von ihnen sogar erfolgreicher als zuvor, dem künstlichen Aufruhr sei Dank.

Aber zum Thema des obigen Artikels: Wir haben die gleiche Diskussion derzeit ja auch in Deutschland. Wie umgehen mit dem kolonialen Erbe? Auch hierzulande gibt es eine Reihe von eher links geprägten Debattenteilnehmern, die ein Bekenntnis zur kolonialen Vergangenheit fordern, und eine Reihe eher von rechts, die das als Beschmutzen der Geschichte ansehen (siehe die Debatte um Bismarck-Denkmäler). Die meisten Menschen kriegen davon zumindest bisher zugegebenermaßen nichts mit. Aber unzweifelhaft spielt die koloniale Vergangenheit Deutschlands praktisch keine Rolle; in den aktuellen Bildungsplänen kommt sie praktisch nicht vor.

6) Die Arbeitsverweigerung der Kultusminister

Wie man Vertrauen verspielt, führen die Kultusministerinnen und Kultusminister seit Wochen vor. Da ist der Hamburger Schulsenator, der über eine Forschungsanalyse zu einem Massenausbruch an einer Schule der Hansestadt nicht richtig informierte – offenbar weil das Ergebnis nicht zu der von den Ministern immer wieder ventilierten These passte, Schulen seien keine Pandemietreiber. Aus demselben Grund beschimpften seine Kolleginnen aus Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen die Nationale Wissenschaftsakademie Leopoldina. Bildungsministerinnen und Bildungsminister, die Wissenschaft ignorieren – eine bittere Erfahrung. Zugegebenermaßen ist die Aufgabe nicht einfach. Alle Schwächen des deutschen Schulsystems werden in der Pandemie verstärkt. Die Digitalisierung wurde jahrzehntelang verschlafen, das ist in zehn Monaten nicht aufzuholen. Oder hat jemand ernsthaft geglaubt, in einem Land, in dem auch Privathaushalte wochenlang auf neue Internetanschlüsse warten, würden binnen kurzer Zeit ganze Schulen mit dem Glasfasernetz verbunden? […] Das Versagen der Schulpolitik liegt darin, pragmatische Lösungen zu finden, die den Schulen einen Weg durch die Krise bahnen. Gibt es Lernstoff, auf den verzichtet werden kann, um zusätzliche Kapazitäten für die Kernfächer zu schaffen? Wie fördert man gezielt Schüler, die im ersten Lockdown nicht erreicht wurden? Wie können Eltern entlastet werden, die zu Hause beim Distanzlernen helfen müssen? Wo bleiben FFP2-Masken, Luftfiltergeräte und Schnelltests? Wie werden die Lernplattformen gestärkt, eventuell die Dienste kommerzieller Anbieter genutzt, ohne dass der Datenschutz außen vor bleibt? Die Liste der von der Politik immer noch unbeantworteten Fragen ließe sich lange fortsetzen. (Tillman Warnecke, Tagesspiegel)

Ich frage einfach mal etwas provokant: Welches Vertrauen? Es ist nicht so, als hätten die Kultusministerien einen großen Vorrat davon. Abgesehen vom Verteidigungsministerium gibt es glaube ich wenige Ministerien, die so verlässlich unbeliebte AmtsträgerInnen hervorbringen. Und um fair zu bleiben, in dem Amt kann man es auch praktisch keinem Recht machen. Es ist kein beneidenswerter Job. Aber damit ist das eklatante Versagen der Kultusministerien ebenso wenig zu erklären wie damit ihre Lügen zu entschuldigen wären. Das ganze Bildungssystem leidet unter krasser Unterfinanzierung, seit Jahrzehnten. Solche Versäumnisse können natürlich nicht in acht Monaten aufgeholt werden. Ich meine, wir führen die exakt gleiche Diskussion seit 20 Jahren. Die Schulgebäude sind in einem abartigen Zustand, die technische Ausstattung ist ein Witz, und Funktion folgt Form: die ungenügende Infrastruktur bedingt eine fast unmögliche Reform auf pädagogisch-didaktischem Feld.

Dazu kommen die Lügen und politischen Manöver. So hat das Hamburger Kultusministerium Zitate frei erfunden, eine Studie explizit beauftragt um seine eigene Politik zu bestätigen und vieles mehr an solchem Blödsinn. Welches Vertrauen sollte da also noch verspielt werden? Monatelang haben die Ministerien entgegen jeder Studien behauptet, Schulen seien für das Infektionsgeschehen irrelevant, was hinreichend widerlegt wurde. Wenig überraschen nahm die Infektionsrate von Teenagern genau 14 Tage nach Schulschließungen ab. Und noch immer verschließen die Verantwortlichen die Augen, stecken sich die Finger in die Ohren und rufen laut „lalalalalalala“.

Die aktuelle Spitze ist hier in Baden-Württemberg, um nur ein weiteres willkürliches Beispiel herauszugreifen, ist der Zusammenbruch der Infrastruktur zum Schulbeginn am 11. Januar. Sämtliche Lernplattformen und viele Clouds brachen zusammen, nachdem das Ministerium entgegen des dringenden Rats der Leute, die etwas davon verstehen, auf der Einhaltung der Stundenplan-Taktung bestand. Überraschenderweise brachen Plattformen, die unter besten Umständen eine Klasse pro Schule im Computerraum aushalten, zusammen. Das Kultusministerium behauptete erst, das System funktioniere einwandfrei; inzwischen hat man sich auf die Linie zurückgezogen, alles sei in Butter, weil 80% der Systeme nicht zusammengebrochen sein sollten. Glauben wir Frau Eisenmann das mal für einen Moment, so kann ich mir trotzdem den wütenden Aufschrei kaum verkneifen. Ein FÜNFTEL der Infrastruktur bricht zusammen, und beim Kultusministerium klopft man sich auf die Schulter und gibt das als Erfolg aus? Es ist schon absehbar, wie die Argumentationslinie weitergehen wird. Das Desaster wird dann als Beweis dafür genommen, dass „digital halt nicht funktioniert“ und man zwingt die SchülerInnen schnellstmöglich wieder in den Präsenzunterricht. Die Vorhersagbarkeit dieses Irrsinns ist zum Kotzen.

7) The radical moral implications of luck in human life

How you answer these questions reveals a great deal about your moral worldview. To a first approximation, the more credit/responsibility you believe we are due, the more you will be inclined to accept default (often cruel and inequitable) social and economic outcomes. People basically get what they deserve. The less credit/responsibility you believe we are due, the more you believe our trajectories are shaped by forces outside our control (and sheer chance), the more compassionate you will be toward failure and the more you will expect back from the fortunate. When luck is recognized, softening its harsh effects becomes the basic moral project. […] Child development psychologists tell us that deep and lasting shaping of neural pathways happens in the first hours, days, months, and years of life. Basic dispositions are formed that can last a lifetime. Whether you are held, spoken to, fed, made to feel safe and cared for — you have no choice in any of it, but it more or less forms your emotional skeleton. It determines how sensitive you are to threat, how open you are to new experience, your capacity to exercise empathy. Children aren’t responsible for how they spend their formative years and the permanent imprint it makes upon them. But they’re stuck with it. […] So, then, here you are. You turn 18. You are no longer a child; you are an adult, a moral agent, responsible for who you are and what you do. By that time, your inheritance is enormous. You’ve not only been granted a genetic makeup, an ethnicity and appearance, by accidents of nature and parentage. You’ve also had your latent genetic traits “activated” in a very specific way through a specific upbringing, in a specific environment, with a specific set of experiences. (David Roberts, vox.com)

Die Überlegungen, die Roberts in diesem (langen und lesenswerten) Artikel anstellt, sind fundamental. Denn tatsächlich spielt Glück ja eine unglaublich große Rolle darüber, was im Leben aus uns wird. Die genetische Lotterie auf der einen Seite (körperliche Werte, Intelligenz etc.) und die soziale Lotterie (in was für eine Familie werde ich geboren) sind die mit Abstand größten Faktoren für späteren Erfolg. Wer einmal Spitzenmanager eines Unternehmens wird lässt sich zu guten Teilen bereits bei der Geburt bestimmen – vor allem jedenfalls, wer es nicht wird. Persönliche Leistung spielt da keine sonderlich große Rolle; bekanntlich ist die Elite unglaublich selektiv und abgeschottet und rekrutiert sich beinahe ausschließlich aus sich selbst.

Doch damit nicht genug. Auch viele weitere Einbrüche im Leben sind eine Frage von Glück. Eine Scheidung der Eltern beispielsweise ist in den allermeisten Fällen eine gewaltige Belastung. Unfälle können eine komplette Lebensplanung aus dem Gleichgewicht werfen. Schließt man Studium oder Ausbildung in einer Rezession ab, wird man sein Leben lang Einkommensnachteile haben und Chancen verlieren, die sich nie wieder aufholen lassen. All das hat man nicht in der Hand.

Das hat aber Konsequenzen, weil unsere Gesellschaft immer noch die Illusion aufrecht erhält, dass der Erfolg einer Person irgendwie deren alleiniger oder doch wenigstens hauptsächlicher Verdienst sei, was aber schlicht nicht der Fall ist. Und da sind wir nicht einmal bei bewusst geschaffenen Strukturen, die bestimmte Karrierepfade oder soziale Gruppen aktiv bevorzugen und die Ergebnisse weiter verzerren. Zwar reden sich erfolgreiche Menschen stets ein, ihren Erfolg vor allem ihrer harten Arbeit zu verdanken – und die existiert in den meisten Fällen ja auch zweifelsohne! – aber hart gearbeitet wird in vielen anderen Bereichen auch, ohne dass vergleichbare Belohnungen fließen. Das anzuerkennen wäre ein Beitrag, ohne ideologische Scheuklappen Diskussionen zu führen.

8) What Bernie Sanders Can Teach Alexandria Ocasio-Cortez

Last week, Rep. Alexandria Ocasio-Cortez, champion of the Green New Deal, suffered the humiliation of an overwhelming defeat dealt by her fellow House Democrats for a spot on the House Energy and Commerce Committee. Also last week, Sen. Bernie Sanders led a successful battle to include direct payments for millions of Americans in the pandemic relief. […] Sanders is proving more influential than AOC because he grabbed on to a fresh issue with great political potential, while Ocasio-Cortez has spent the post-election period defending her signature positions even though they proved to be political liabilities. […] So, Sanders wasn’t rigid about the particulars. He identified a popular issue. He leveraged his bully pulpit and power given to individual Senators under the chamber’s rules. He worked with members of the other party who agreed with him and members of both parties who didn’t, to reach a compromise. After nearly 30 years in Congress, Sanders is well practiced at this sort of legislating. He and his supporters have long bragged about being dubbed the “Amendment King” by Rolling Stone, proof that the socialist was also a pragmatist. Ocasio-Cortez has only two years in Congress but hasn’t yet shown an interest in being the Amendment Queen. Her reaction to the final relief bill, which was part of a heavily loaded omnibus bill, was outrage that such a package was being rushed to vote with only hours to review the details. She voted for it, but not before trashing the process on Twitter: “This isn’t governance. It’s hostage-taking.” (Bill Sher, Washington Monthly)

Sicher, AOC hat bisher sehr wenig Einfluss. Ihr Misserfolg darin, einen Ausschussplatz zu bekommen, zeigt deutlich, welchen begrenzten Wirkungsrahmen sie in ihrer Partei hat. Sie ist zwar gut darin, in den Medien vorzukommen, aber ihre politischen Erfolge sind eher überschaubar, weil es dazu eine institutionelle Verflechtung und eine Arbeit mit der Partei braucht. Diese Partei aber kann AOC ziemlich offensichtlich nicht leiden, ein Gefühl, das auf Gegenseitigkeit beruht. Sie ist einmal mehr der Beweis dafür, dass der Wandel nicht von oben kann. Das war schon immer der Fehler hinter der Annahme von Bernie Sanders Präsidentschaftskandidatur. Die Partei muss sich ändern, und dazu braucht es Leute wie AOC, die bereit sind, die entsprechende politische Kärnerarbeit zu machen. Auf der anderen Seite sollte man Sanders‘ Erfolge nicht überbewerten; der Mann hat in den Jahrzehnten im Kongress jetzt nicht eben umwerfende Erfolge erzielt, und eine Linksverschiebung ist erst seit der Kandidatur 2015/16 mit ihm verknüpft. Ich glaube, da gibt es eher einen gesellschaftlichen Wandel in diese Richtung, als dessen Avatar er auftreten konnte, als dass er das initiiert hat.

9) Lies, Damned Lies, and Insane Statistics

The presidential election is all but over now—“all but” because it was so obviously stolen that there is still a chance truth and justice will prevail, with Sen. Josh Hawley (R-MO) yesterday becoming the first senator to announce plans to object to congressional certification, which will force the House and Senate to vote on whether to uphold Biden’s contested victory in the Electoral College. The wokies are beyond ecstatic, humming “Hail to the Chief” whenever they think of Joe Biden—or even Hunter Biden, China Joe’s son, under investigation by the Justice Department since late 2018. The woke media—a media too corrupt to print, during the presidential campaign, stories of the Biden family’s years of corruption—was oh, so uninterested in the statistical disparities in voting that clearly indicated election fraud. They were willing to bear any burden, pay any price, including the traducing of democracy, to get rid of Donald Trump. Let’s face it: everyone who pays attention to politics knows the election was stolen. Here’s how you can tell. (Daniel Oliver, The American Conservative)

Der American Conservative war vor Kurzem noch ein halbwegs rationales Magazin. Jetzt veröffentlichen sie so was. Am gleichen Tag lief eine Riesenstory über Hunter Bidens Laptop. Über die Versuche Trumps und anderer GOP-Abgeordneten, die Wahl zu stehlen, las man im American Conservative dagegen an dem Tag nichts, erst am Folgetag kamen erste Geschichten. Diese Abkopplung von der Realität der gesamten rechten Nachrichtenblase ist der Hauptgrund für die Radikalisierung dieser Gruppierung. Die Tatsache, dass wir in Deutschland (noch) keine solche abgekapselte Nachrichtenblase haben, ist meines Erachtens nach auch der Hauptgrund, warum die AfD nicht durchdringen kann. Die haben das ja auch erkannt und traten 2017 mit dem Ziel der Etablierung eines eigenen Nachrichtenkanals an. Aber anders als in den USA fehlt den Rechtsextremisten in Deutschland ein Milliardär, der ein deutsches FOX News finanziert. Und das ist auch gut so. Man sollte dafür sorgen, dass diese Möglichkeit auch in Zukunft nicht besteht.

10) Nihilism Is Destroying Our Democracy

In Cruz’s telling, he is behaving reasonably, and Democrats are responding with unmerited hysteria. This framing is a political calculation, of course, but it’s also revealing. For Trump’s Republican enablers, cynically contesting the electoral vote is now a normal part of the push-and-pull of politics—so the uproar from Democrats and others concerned about the integrity of the election is out of proportion. Democracy, in this view, is a bargaining chip like any other. Enthusiastic enablers of Trump such as Cruz and Hawley have unmoored themselves from the values that make possible a government by and for the people—what might be called civic virtue. […] There is an obvious irony in someone like Hawley, who has built his career on decrying the cultural corruption and moral emptiness of his Democratic opponents, embracing this sort of nihilism. Hawley has previously argued that the country needs to return to the virtuous roots of the early republic. His evident disdain for the basic principles of democracy means that nobody should have to take his arguments on that score seriously. But his hypocrisy is useful, because it’s a reminder that paeans to the wisdom of the American founding tend to leave a lot out. The civic virtue of the Framers was, after all, the virtue of white men. The United States has existed as a multiracial democracy for only slightly more than 50 years, and the commitment of some Americans to maintaining that new democracy turns out to have been very shallow indeed. (Quinta Jureric, The Atlantic)

Ich betrachte den Nihilismus generell als ein Problem unserer Zeit. Deswegen mag ich auch Sendungen wie die Heute Show oder Serien wie House of Cards nicht. Die Argumentation, dass South Park einer der entscheidenden Wegbereiter für Trump war, ist nicht so abwegig, wie sie sich auf den ersten Blick anhört. Nihilismus ist verbreitet, ein generelles Schimpfen auf „die Politik“, der Gedanke, dass es letztlich egal sei, wer regiere; all das führt zu einer zunehmenden Demokratieskepsis und zu Protestwahlen. Trump konnte damit Werbung machen offen zu sagen, dass er lüge, und Millionen von WählerInnen und tausende von JournalistInnen waren sich nicht zu blöde das als „erfrischend“ wahrzunehmen und zu erklären, dass das wenigstens ehrlich sei. Ob ihr den Schuss nicht gehört habt, frag ich!

Als Nebenbemerkung zu dem Aspekt der „Werte der Gründerväter“: Verweise auf die US-Frühgeschichte werden in den USA mit zunehmender Geschwindigkeit zu nicht mehr als einer dog whistle. Es wird nicht mehr lange dauern, bis Progressive überhaupt nicht mehr auf sie Bezug nehmen und sie nur noch von Rechten benutzt werden, um rassistischen Blödsinn rauszuhauen. Das kriegt man, wenn man Geschichte dermaßen instrumentalisiert und so ahistorischen Blödsinn erzählt.

11) Die Regierung will einfach nicht

Allein die Tatsache, dass in Deutschland weiterhin auf Jahre hinaus ganze Landstriche zerstört werden, um den dreckigsten aller Energieträger aus dem Boden zu graben, ist ein Skandal. Und dann hält das Wirtschaftsministerium mit Steuergeldern finanzierte Erkenntnisse versteckt, die dieses Vorgehen in noch schlechterem Licht erscheinen lassen. Es gibt da eine Parallele zur deutschen Autobranche. Die Tatsache, dass deutsche Konzerne über Jahre technische Betrugssysteme in Millionen Autos eingebaut haben, brachte ihnen aus Berlin nicht viel mehr als ein Stirnrunzeln ein. Die Kungelei mit der Kohlebranche, mit energieintensiven Branchen und mit der Autoindustrie ergeben ein fatales Muster: Anders als immer wieder wortreich behauptet, hat die gegenwärtige Bundesregierung augenscheinlich kein echtes Interesse daran, die absolut fundamentale Umstrukturierung, die Deutschland zwangsläufig und sehr schnell wird durchlaufen müssen, ernsthaft anzugehen. Stattdessen verhätschelt sie mit Hinterzimmerdeals und Gefälligkeiten sterbende Branchen und sterbende Geschäftsmodelle. […] Gut möglich, dass es letztlich darum geht, der Union genügend Verfügungsmasse für Koalitionsverhandlungen mit den Grünen im kommenden Herbst zu verschaffen. Für solche taktischen Spielchen ist aber einfach keine Zeit mehr. Das CO2-Budget, das die Menschheit noch in die Atmosphäre blasen kann, bis das 1,5-Grad-Ziel nicht mehr zu halten ist, reicht noch sieben Jahre. Sieben Jahre. Das sind nicht einmal zwei Legislaturperioden. In Berlin scheint man das immer noch nicht begreifen zu wollen. (Christian Stöcker, SpiegelOnline)

Wie lange Merkels lächerliche Inszenierung als „Klimakanzlerin“ getragen hat ist der blanke Irrsinn. Wir leben seit 20 Jahren von den Früchten von Rot-Grün, und das waren schon keine besonders großen Früchte. Seit spätestens 1990 ist bekannt, wie ernst die Lage ist und wie groß die Herausforderung. Es ist so gut wie nichts passiert. Von den 2010 mit großer Fanfare verkündeten Zielen etwa ist 2020 jedes Einzelne gescheitert. Kein einziges wurde erreicht. Wir haben solche Knallpfeifen im Kabinett wie Peter Altmaier. Glaubt noch irgendjemand, dass in den nächsten Jahren groß etwas passiert? Ich glaube mehr und mehr, wir müssen die Horrorszenarien der Erderwärmung um 2 Grad nicht länger als dystopische Zukunft betrachten, die kommt wenn wir nicht handeln, sondern als etwas, das bereits passiert ist. Wir haben in den letzten 30 Jahren nicht gehandelt. Wir werden auch in den nächsten zehn Jahren nicht handeln. Die Erwärmung wird kommen, und mit ihr all die Katastrophen. Es ist ein trübes Bild.

{ 197 comments… add one }
  • derwaechter 12. Januar 2021, 10:43

    10)
    „Trump konnte damit Werbung machen offen zu sagen, dass er lüge, und Millionen von WählerInnen und tausende von JournalistInnen waren sich nicht zu blöde das als „erfrischend“ wahrzunehmen und zu erklären, dass das wenigstens ehrlich sei.“

    Du hast irgendwie ein ganz anderes Medienbild als ich. Abgesehen von der rechten Medienblase (wo man ernsthaft fragen kann, ob das überhaupt noch Journalismus ist) gab es doch kaum Journalisten die Trump positiv gesehen haben. Zumindest in den englischen und deutschen und skandinavischen Medien, die ich einigermaßen mitbekomme, wirst du nicht annähernd „tausende von JournalistInnen“ finden die Trump als erfrischend oder gar ehrlich bezeichnet haben. Es gab fast keinen.

    Das die klassischen Medien Schwierigkeiten im Umgang mit Trump hatten ist richtig und auch verständlich, hat sich aber m.E. auch massiv gebessert.

  • CitizenK 12. Januar 2021, 10:57

    Was sie noch nicht können (außer Hochdeutsch):
    Moodle-Störungsmeldungen am 11. Januar 2021:
    https://www.netzwelt.de/ist-down/654_2-moodle.html

  • CitizenK 12. Januar 2021, 11:22

    6) Ergänzung: Besagte Kultusministerin in BW will Ministerpräsidentin werden – als Kandidatin ihrer staatstragenden Partei, der CDU. Vom (noch) regierenden grünen Ministerpräsidenten wird sie geschont. In der Landtagsdebatte hat nur die SPD (musste mal wieder sein!) konsequenter Wechsel-Unterricht gefordert.

    • Stefan Sasse 12. Januar 2021, 11:32

      Logischerweise schießt der MP nicht gegen sein eigenes Kabinett. Aber Eisenmann ist unerträglich, das schlägt ja Schavan.

  • Marc 12. Januar 2021, 11:56

    6) Das Schönste ist die Ausrede, die Lernplattformen wurden gehackt. Ist ja klar, Putin wollte sein Deutsch auffrischen und dann klappen bei uns die digitalen Bordsteine hoch. Noch besser ist, dass somit der Aufruf einer Lernplattform in Deutschland ein Hack also ein krimineller Akt ist. Da knallen wirklich alle Satire-Sicherungen durch! Was soll man dazu noch sagen? Außer: Wow, wir bekommen demnächst eine ganze Generation von Profi-Hackern! Wir werden die nächste Cyber-Crime Nation werden! Russland kann einpacken!1!!

    7) Ist die Rolle des Glücks für die wirtschaftliche Situation nicht die perfekte Begründung für das bedingungslose Grundeinkommen?

    10) Für mich hat die Heute Show u.ä. eine Ventilfunktion. Aber es ist richtig, wenn die Kritik an staatlichen Institutionen so ein gefährliches Ausmaß wie derzeit erreicht, kann oder sollte man darauf verzichten.

    11) Das kommt daher, dass nur auf Worte und nicht auf Taten geschaut wird. Ich habe Merkel nie als Klimakanzlerin gesehen. Leider ist die Politik der Grünen auch mehr auf Worte, denn auf Taten fixiert. Tja, wird eine heiße Zukunft.

  • Padde 12. Januar 2021, 13:12

    4) und 6)
    An unserer Schule hat nach einem Tag iserv die Schulleitung entschieden auf Teams umzustellen. Da muss dann aber die SL das so entscheiden. Ich bin froh an der Schule zu sein.

    Unsere Tochter soll nächste Woche wieder in die Grundschule, wo sich die ganzen kranken separierten Kinder dann einmal gegenseitig anstecken können. Zum Glück bin ich Risikopatient und darf sie noch länger Zuhause lassen, wir warten den ersten Ausbruch dann mal ab…

    Ich habe total abgeschaltet, was die MK sagen. Ich mache Online-Klausuren und gehe dabei davon aus, dass die Kids sich austauschen. Ich nutze Teams oder meinetwegen discord, solange es funktioniert.

    Ein Kollegy hat mich heute angeschrieben, wie man in der Zeit jetzt denn Rechtssicherheit bei Anwesenheit haben könnte. Ich denke: die Anwesenheit ist egal, die Schülys sollen was lernen und mir das demonstrieren. Wer im Unterricht ist, kann mir das besser demonstrieren und ich kann ggf nachfragen. Wer nur Aufgaben abgibt, hat halt nur das, was da steht.

    Bei denen ist ja auch Pandemie, und wir müssen da alle durch kommen. Die MK handeln quasi genau anders herum.

    Ganz davon ab, dass die Ausstattung und die didaktischen Vorgaben aus dem letzten Jahrhundert sind.

    • CitizenK 12. Januar 2021, 13:58

      @ Padde

      Welches Bundesland? Hier in BW dürfen die Schulen weder Teams noch Discord nutzen – Datenschutz 🙂

      • Stefan Sasse 12. Januar 2021, 16:43

        Oder Whatsapp.

      • Hias 13. Januar 2021, 10:09

        Welches Bundesland? Hier in BW dürfen die Schulen weder Teams noch Discord nutzen – Datenschutz

        Finde ich immer noch irgendwie lustig. In der Industrie ist, soweit ich das sehe, Microsoft365 (also cloudbasiertes Office und Skype bzw. Teams) größtenteils Standard.

        Wir sind irgendwie schon ein lustiges Land. Wir machen uns Sorgen, dass wir personalisierte Werbung erhalten, aber teilen munter intimste Details über alle möglichen sozialen Kanäle.
        Wir haben Angst, dass der NSA die Noten unserer Kinder mitliest, aber geben praktisch alle wichtigen Dokumente unserer Firmen in die Hände von US-Firmen.

        • CitizenK 13. Januar 2021, 12:29

          Ja, Datenschutz müsste neu gedacht werden. Die Dänen, beispielsweise, schütteln nur den Kopf über die deutschen Bedenken. Sind die weniger freiheitsliebend?

          Bei uns ist das durch die Geschichte bedingt, denke ich. „Stell dir vor, die Gestapo oder die Stasi hätte diese Mittel gehabt…. – oder eine AfD-Regierung….“ Deshalb kommt es darauf an, dass mit allen Mitteln zu verhindern, statt unsinnigen und meist unwirksamen Datenschutzbestimmungen.

          • Hias 14. Januar 2021, 00:50

            Ich glaube eher, dass wir uns gerade in einer extrem konservativen Phase befinden. Eine starke Mehrheit will einfach nicht, dass sich was ändert, egal ob zum Guten oder zum Schlechten, egal ob Sinnvoll oder nicht, es wird die Änderung an sich bekämpft.

            Ja, und für den Datenschutz gibt es gute Gründe und man kann ihn auch vernünftig machen. Nur jetzt gerade diskutieren wir über Regelwerke und Verträge, die umgesetzt werden müssen, die aber völlig widersinnig, teilweise sogar schädlich sind. Und am Ende des Tages endet das dann oft mit einem: „Wir haben das in einem Vertrag geregelt, da passiert nichts.“

            • Stefan Sasse 14. Januar 2021, 07:17

              Deutschland ist ein strukturell konservatives Land, immer schon gewesen.

        • Stefan Sasse 13. Januar 2021, 19:11

          Deutschland:Datenschutz = Waffen:USA

          • Hias 14. Januar 2021, 00:45

            Ne, eigentlich müsste es heißen:
            Deutschland:Autos

            Und Autos bauen können wir immerhin, beim Datenschutz sollten wir dazu besser schweigen.

            • Stefan Sasse 14. Januar 2021, 07:16

              😀

            • CitizenK 14. Januar 2021, 09:13

              Noch. Wenn die Visionen von Tesla und AppleCar Wirklichkeit werden, nicht mehr. Den Datenschutz kannste bei den Datenschleudern dann sowieso vergessen.

    • Stefan Sasse 12. Januar 2021, 16:41

      Onlineklausuren sind verboten leider 🙁

      • Padde 12. Januar 2021, 16:52

        In NDS ist discord auch nicht erlaubt, glaube ich. Teams ist unklare Rechtslage (also gut, dass die SL die Verantwortung übernimmt). WhatsApp ist verboten, aber nutze ich auch nicht.

        Online-Klausuren waren bis Dezember noch rechtsfreier Raum, jetzt sind sie stark beschränkt und eigentlich nicht möglich. Sie klappen aber gut mit meinen Klassen, und ich schreibe die. Im Zweifel berufe ich mich auf die Pandemielage.

        Wenn mir eine andere Infrastruktur geliefert wird, die funktioniert, bitte. Im Moment gibt es bei uns ein großes Geschrei von allen, die versuchen iserv zu nutzen, und Teams klappt und ich kann unterrichten. Fertig.

        • CitizenK 12. Januar 2021, 17:04

          Hier noch totale Zukunftsmusik.
          Wie funktionieren Online-Klausuren rechtssicher wegen „unerlaubter Hilfsmittel“, „Täuschungsabsicht“ und so?

          • Padde 12. Januar 2021, 18:49

            Ich konzipiere Klausuren mit dem Gedanken, dass die Schülys ihr Lehrbuch und Google haben. Und ich streue ein wenig Unsicherheit. Zum Beispiel die letzte Wirtschaftsklausur: die sollen die Merkmale eines vollkommenen Markts erklären, indem sie einen Gütermarkt darauf überprüfen, ob da ein solcher vorliegt. Dazu sollen sie das Gut charakterisieren und am Ende begründet beurteilen, welchen Effekt die Corona-Krise auf diesen Markt hatten.

            Ich habe die Klasse dann in 6 Gruppen geteilt (ohne deren Wissen) und 6 verschiedene Güter genommen, an deren Beispiel sie das prüfen sollen. Die Merkmale können sie ggf nachlesen, die Anwendung muss man dann können.

            Ansonsten arbeite ich auch mit Klausurersatzleistungen: Projektarbeiten, Portfolio.

            In der BES habe ich auch über Forms eine Arbeit bereit gestellt.

            Ich habe der Klasse gesagt, dass sie natürlich googeln können, wenn sie das im Rahmen der Bearbeitungszeit schaffen. Ist dann ja auch eine Kompetenz (die die Wahrscheinlich nicht besitzen).

            Es zeigt sich aber auch, dass die Klassen überwiegend nicht abgucken. Die möchten ja auch zeigen oder wissen, was sie können.

        • Stefan Sasse 12. Januar 2021, 19:36

          Ich benutze auch Teams, aber wir dürfen das als Privatschule. Nur die Onlineklausuren sind No-Go leider. Direkte Ansage von Schulleitung.

          • Padde 12. Januar 2021, 20:16

            Ich bin auch sehr froh über mein Kollegium. 🙂

  • Juri Nello 12. Januar 2021, 13:17

    Ad 1) Wer sollte denn die großen Reformen in Deutschland voranbringen? Scholz, Merkel, Söder, Habeck, Scheuer, Merz oder gar Gauland? Gallionsfiguren bleiben Gallionsfiguren. Sie werden weder zum Kompass noch zum programmatischen Richtwert. In den Juneitet Steht`s hat man das bereits erkannt und lässt das liegen. In Deutschland baut man Strohmänner.

    Ad 2) „Wie kann man nur so leben?“ wird jetzt nicht gefragt und das wird auch für die Zukunft so gelten. Die Lebensart wird unhinterfragt von den Alten übernommen und mit mehr Eigenkomfort ausgestattet, sofern möglich. Die verbohrte, deutsche Mentalität und das verkrampfte Festhalten an der Statussymbolik früherer Jahrhunderte tragen ihr Übriges dazu bei. Eher werden die Städte an den SUV-Betrieb angepasst (was in einigen Fällen schon passiert). Einen Deutschen kannst Du nur mit vorgehaltener Knarre zu etwas anderem zwingen. Diese Knarre könnte indes auch Corona sein. Wenn kein Geld mehr für diese Art Infrastruktur zu Verfügung gestellt werden kann, werden sie es irgendwann merken, dass die Zweieinhalbstundenfahrt zum Kosumtempel (wegen vier Schrauben) nicht nur wirtschaftlicher Unsinn ist, sondern auch der pure Hass.
    Ansonsten wird sich da nichts ändern. Nada!

    Ad 3) „Was ist die Konsequenz? Weniger Verflechtung? Zurückdrehen der Globalisierung? “ Das hätte man halt vorher überlegen müssen und vor allem entsprechend handeln, aber das wurde zugunsten des schnellen Profits verworfen. Das Interview liest sich, wie ein Querschnitt der Feuilletons der späten 80er und frühen 90er, nur mit ökologischerem Anstrich. Erst seit knapp 10 Jahren fällt sogar einigen Deutschen auf, dass sich dank der Globalisierung überall die schlechtesten Standards der Erde durchsetzen (lassen). Dass das entsprechend genutzt wird, konnte ja keiner ahnen. Ach, Gottchen!

    Ad 4) Dank der Wertschätzung der Bildung ist es nur verwunderlich, das sie bislang nur im 19. Jahrhundert feststeckt.

    Ad 6) Siehe Ad 4. Ob ausländische Clouds wirklich ein Allheilmittel sind, halte ich für extrem fraglich. Die Lernsysteme sind jedenfalls ein prima Spionagewerkzeug und betreffen ein Großteil der Bevölkerung. Wenn jetzt noch rauskäme, dass selbst Schüler diese hacken.

    Ad 11) Wen sollte das noch verwundern? Man färbt die Sprache ein, betreibt Think Tanks für’s Greenwashing und bindet die fotogensten Aktivisten in die Altparteien ein, wo sie ein paar Sprüche kloppen können, sofern es nicht weiter auffällt. Ansonsten macht man weiter, wie bisher. Da können sich die Leute noch so an die Bäume ketten. Das funktioniert nicht mehr, wenn der abgesägt wird oder die Brandrodung zuschlägt.

    • Stefan Sasse 12. Januar 2021, 16:43

      2) Ja 🙁

      3) Was hilft das jetzt? Wir haben das Problem trotzdem an der Backe.

      4) Wohl wahr.

      6) Lol, die kriegen doch nicht mal ihren Account eingerichtet.

      • Juri Nello 12. Januar 2021, 17:40

        3) Nein. Wir nicht. Die Verbleibenden schon. Ich würde meinen Kindern ja ungern Pentobarbital hinstellen, nur für den Fall der Fälle. Das Gute: Ich habe gar keine. Was Ihr macht, weiß ich nicht. Was man machen kann: Zeit gewinnen!

        6) Davon würde ich nicht ausgehen. Ein paar Ausflüge ins Darkweb sollten da Erkenntnisse schaffen.

  • R.A. 12. Januar 2021, 17:07

    2.) „Großstädte für den Autoverkehr auszulegen ist völliger Irrsinn.“
    Im Gegenteil: Großstädte NICHT von der Infrastruktur her auszulegen ist völliger Irrsinn.
    Städte basieren (schon immer) in erster Linie auf Mobilität. Ohne Transport von Waren und Menschen sind sie nicht lebensfähig. Die großen Verkehrsachsen bestimmen die Grundstruktur der Städte und bilden sowohl bei natürlich gewachsenen wie bei geplanten Städten die Ausgangsbasis. Erst danach werden die Flächen dazwischen mit Gebäuden etc. gefüllt.

    Wobei diese Mobilitätsinfrastruktur natürlich nicht nur aus Autos bestehen muß, aber die zentrale Rolle von Autos wird noch lange bestehen bleiben.

    Die übliche grüne Autofeindlichkeit führt daher städteplanerisch völlig in die Irre, weil sie Autos nur noch als Störfaktor wahrnimmt und die nötige und positive Rolle der Autos nicht mehr versteht.

    Das heißt nicht, daß man nicht Vieles anders und besser machen kann. Vielleicht sind auch die Ansätze von Barcelona brauchbar – aber bisher hat man nur ganz wenig echte Praxiserfahrung damit und viele enthusiastische Propagandaartikel der verlinkten Art.
    Der Knackpunkt ist, ob sich die Stadtplaner von Barcelona VORHER überlegt haben, wie sie mit dem notwendigen Autoverkehr umgehen wollen. Ich habe noch keinen Artikel gelesen, in dem das beschrieben wurde. Woraus zu vermuten ist, daß sie wie die grünen Stadtplaner in Deutschland einfach nur den Autoverkehr aus den überplanten Stadtvierteln wegdrücken wollen und damit den Verkehrskollaps im übrigen Stadtgebiet produzieren.

    Wenn man sich dagegen mal holländische Musterstädte wie Hasselt anschaut, in denen Radfahren kein moderner Theoriehype ist sondern seit Jahren umgesetzte Verkehrspriorität: Da findet man in erster Linie komplette Umgehungsstraßenringe mit Stichstraßen in die Stadtviertel, so daß der komplette Autoverkehr sehr effizient abgewickelt werden kann (mit großen Umwegen, aber trotzdem schnell), und damit die Wohnviertel frei werden für Radfahrer und Fußgänger.

    3.) Ich halte solche Thesen für unglaubwürdig.
    Man kann jetzt gegen die moderne Fleischproduktion viel vorbringen – aber sie ist viel hygienischer und ungünstiger für Krankheitserreger als die nostalgische Schmodder-Landwirtschaft von früher.
    Daß die Globalisierung und die moderne Mobilität die Verbreitung von positiven und negativen Effekten aller Art beschleunigt ist klar.
    Aber da wäre es ein Irrweg komplett alles zurückzudrehen (dann verschwinden nämlich auch die positiven Effekte). Sondern es würde reichen dann kontrollierend einzugreifen, wenn gerade Krankheitserreger o.ä. auftauchen.
    Das hieße zum Beispiel, daß man im Zweifelsfall Grenzkontrollen macht – auch wenn das in Deutschland seit 2015 Tabuthema ist.

    5.) „Einmal mehr ein Beispiel für „Cancel Culture“ aus dem rechten Raum.“
    Nein. Es geht hier ja NICHT darum, daß die Leute mit der Kolonialismus- oder Churchill-Kritik als Personen fertig gemacht würden und nicht mehr öffentlich auftreten dürfen, wie das bei der linken Cancel Culture üblich ist.
    Sondern es geht darum, daß Politiker über die Aufgaben und Positionen einer öffentlichen Einrichtung diskutieren.

    „Aber unzweifelhaft spielt die koloniale Vergangenheit Deutschlands praktisch keine Rolle“
    Zu Recht. Das war eine kurze und sowohl für Deutschland wie für den Kolonialismus in der Welt völlig randständige Episode. Die englische Geschichte und Gegenwart ist ohne die englischen Kolonialgeschichte nicht zu verstehen. Für die deutsche Geschichte und Gegenwart gilt das nicht. Es wäre absurd für so ein Thema Zeit im Geschichtsunterricht zu opfern, da müssen derzeit schon viele wichtigere Themen zurückstehen.

    „Wer einmal Spitzenmanager eines Unternehmens wird lässt sich zu guten Teilen bereits bei der Geburt bestimmen – vor allem jedenfalls, wer es nicht wird.“
    Jein. Das mit dem „nicht wird“ stimmt. Wenn bestimmte Begabungen fehlen, sind viele Berufsoptionen unmöglich. Umgekehrt sind aber Begabung und Familienhintergrund nur die Basis für einen Berufserfolg, nicht mehr.

    „Persönliche Leistung spielt da keine sonderlich große Rolle;“
    Das ist absolut falsch.
    Für jeden Spitzenmanagerposten gibt es tausende von Leuten, die von Herkunft und Begabung bei Geburt dafür in Frage kommen wären. Aber nur ganz wenige von denen bringen die persönliche Leistung, um überhaupt eine ernsthafte Chance auf so einen Posten zu haben.
    Und zwischen diesen wenigen entscheidet dann wiederum das Glück.

    10.) Grundsätzlich stimme ich schon zu, daß „Nihilismus“ oder generelle Abwertung gegenüber der Politik ein Problem sind.
    Aber: „der Gedanke, dass es letztlich egal sei, wer regiere“
    Dieser Gedanke hat eben einen recht großen wahren Kern. Früher war es nicht egal, ob ein Schwarzer oder ein Roter im Kanzleramt sitzt. Derzeit dagegen kann man eigentlich ziemlich jede Partei wählen, und bekommt am Ende immer dieselbe zeitgeistige Soße serviert.
    Deswegen steigt ja auch die Bereitschaft zur Protestwahl: Egal wie blöde viele Leute die AfD finden – sie wählen sie trotzdem, um überhaupt eine Gegenposition zum „Mainstream“ zu haben.

    Problematisch daher auch, daß es inzwischen völlig unüblich geworden ist daß Politiker wegen Fehlleistungen zurücktreten müssen. Was sich diverse Leute in Berlin inzwischen geleistet haben wäre früher klares Karriereende gewesen. Heute hält die Hauptstadtpresse jeden im Amt.
    Das führt natürlich auch zu einem Gefühl, es wäre völlig egal wer regiert.

    12.) „Wir haben in den letzten 30 Jahren nicht gehandelt.“
    Das ist völlig falsch. Die Politik hat gehandelt, sie hat sogar sehr viel gemacht. Und dabei massiv Wohlstand vernichtet. Mobilität ist teurer geworden, Wohnen ist massiv teurer geworden, Milliarden an Steuern und Abgaben werden für „Klimaschutz“ ausgegeben.
    Aber ja: Das hat fast nichts gebracht.

    Und das liegt schlicht daran, daß die von grünen Propagandisten wie dem Autor dieses Artikels vorgeschlagenen Maßnahmen weitgehend unbrauchbar waren und sind. Es wäre daher keine gute Idee, noch mehr und noch aufwendigere Maßnahmen dieser Art umzusetzen.

    • Juri Nello 12. Januar 2021, 17:55

      Ad 2) Als wenn es um den Lieferverkehr gänge. Der wird auch in den Spaces durchgelassen. Da hat selbst die ADAC Motorwelt in den 70ern mehr Vision gewagt. Bei einer zunehmenden Bevölkerungsdichte, abnehmendem Wohnraum und abnehmendem Sozialraum wird es halt nicht mehr möglich sein, sein eigenes SUV vor dem Konsumtempel von 1-€-Sklaven beladen zu lassen.

    • Stefan Sasse 12. Januar 2021, 19:38

      2) Klar soll man die auf Infrastruktur auslegen! Nur halt nicht für Autos. Gibt ja auch andere Arten von Mobilität. Dass das für dich eins ist halte ich für bedenklich.

      3) Ich sag ja, Zurückdrehen ist keine Option. Deswegen aber quasi Schultern zucken ist auch keine Lösung, das haben wir ja schon beim Klimawandel gemacht.

      10) Ich glaube dass das mit dem Zurücktreten ein weiterer Faktor ist, aber nicht ausschlaggebend.

      • R.A. 12. Januar 2021, 22:33

        2.) „Gibt ja auch andere Arten von Mobilität.“
        Genau deswegen schrieb ich: „Wobei diese Mobilitätsinfrastruktur natürlich nicht nur aus Autos bestehen muß“.
        Natürlich spielen andere Verkehrsmittel eine große Rolle (je größer die Stadt, desto mehr), diese Rolle kann auch noch wachsen.

        Und trotzdem bleibt das Auto für viele Zwecke und viele Bevölkerungsgruppen zentral wichtig und ist kaum zu ersetzen.
        Der komplette innerstädtische Lieferverkehr, der größte Teil des Lieferverkehrs zwischen den Städten, die Handwerker, die Baufahrzeuge, Polizei und Krankenwagen, Behinderte und Kranke, diverse Arten Berufstätige …

        Und was halt schlimm ist wenn diverse Kommunalpolitiker vor lauter Begeisterung über Lasten-E-Bikes komplett vergessen, daß die Stadt ohne Auto-Infrastruktur nicht überlebensfähig ist.

        3.) Schulterzucken propagiere ich ja auch nicht. Sondern wirksame und auf das konkrete Problem zugeschnittene Maßnahmen.

        10.) Ausschlaggebend ist das Versagen der Medien. Die müssen die Bürger so informieren, daß die sich selber ein Bild machen können über Können oder Versagen der Akteure und über die Auswirkungen irgendwelcher Politikvorschläge.
        Aber wenn die Journalisten in erster Linie ihre persönliche Agenda propagieren wollen, dann wird die Politik zum Statisten und nicht mehr ernst genommen.

        • Stefan Sasse 13. Januar 2021, 08:13

          2) Ich meine, es fordert ja auch keiner das von heute auf morgen zu machen. Es geht ja um eine Umgestaltung und einen Prioritätenwechsel, nicht um ein Autoverbot.

          3) Zum Beispiel?

          10) Ich halte nicht „Propaganda“ für das Problem, sondern den Zwang, an ein möglichst breites Publikum zu verkaufen.

        • Hias 14. Januar 2021, 01:00

          Und trotzdem bleibt das Auto für viele Zwecke und viele Bevölkerungsgruppen zentral wichtig und ist kaum zu ersetzen.
          Der komplette innerstädtische Lieferverkehr, der größte Teil des Lieferverkehrs zwischen den Städten, die Handwerker, die Baufahrzeuge, Polizei und Krankenwagen, Behinderte und Kranke, diverse Arten Berufstätige …

          Und was halt schlimm ist wenn diverse Kommunalpolitiker vor lauter Begeisterung über Lasten-E-Bikes komplett vergessen, daß die Stadt ohne Auto-Infrastruktur nicht überlebensfähig ist.

          Moment, das eine ist Erreichbarkeit, das andere ist die Auslegung der Infrastruktur. In der Stadt ist nunmal Platz der knappe Rohstoff, der zunehmend zum Problem wird (Wohnungsmangel!). Und das Auto ist in Bezug auf den Platz das ineffizienteste Verkehrsmittel. Da muss man sich dann schon fragen, welche Straße, insbesondere welche Parkplätze notwendig sind und wenn ja, in welcher Größe.

          Ich bin jetzt aber auch nicht der große Fan dieses Rad-Hypes, ich finde ihn sogar ziemlich kontraproduktiv.
          In meinen Augen müsste man Städte infrastrukturell v.a. auf ÖPNV (Kleinstädte mit Bussen, mittelgroße Städte auf ein Straßenbahnnetz, etc) und Fußgänger auslegen, sowie auf gute Erreichbarkeit durch Individualverkehr bei Gleichberechtigung mit Radfahrern.

          • Ariane 14. Januar 2021, 05:19

            Moment, das eine ist Erreichbarkeit, das andere ist die Auslegung der Infrastruktur. In der Stadt ist nunmal Platz der knappe Rohstoff, der zunehmend zum Problem wird (Wohnungsmangel!)

            Jep, ich denke auch, dass das zwei getrennte Probleme sind. Gerade bei Autos, die nun mal sehr viel Platz wegnehmen, ohne überhaupt genutzt zu werden. Ich meine, das war u.a. auch ein Grund dafür, dass man viele Zentren, ähnliche Dinge dann in die Peripherie verlegt hat, weil man da eben easy riesige Parkflächen hinbauen konnte. Das ist so ein typisches Beispiel, wo man sich vielleicht in einer Generation fragt, warum man sowas gemacht hat. Das merkt man ja jetzt schon, dass gerade diese Ballungen mit Einkaufszentren etc. in der Pandemie extrem unter Druck sind und sich das alles etwas regionalisiert, was für die Mobilität vermutlich übrigens viel effizienter wäre als nur auf den Verkehr zu gucken.

            Eine andere Möglichkeit (aber teuer) wäre eben auch in die Tiefe oder Höhe zu gehen. Das macht man ja jetzt hinter dem Elbtunnel (aus meiner Richtung) in Hamburg und überbaut einen großen Abschnitt der A7 – zu meinem Leidwesen, grässlich zu fahren – aber irgendwann in zig Jahren hat man oben drauf dann eben viel Fläche, um was draufzubauen und die Autobahn ist dazu noch quasi aus dem Weg.

            • Stefan Sasse 14. Januar 2021, 07:18

              Exakt.

            • CitizenK 14. Januar 2021, 09:11

              Vor ein paar Jahren gab es den Vorschlag einer Architekten-Vereinigung: Supermärkte aufstocken und/oder die Parkplätze davor überbauen. Hätte viel Potential. Ist wieder aus der Diskussion verschwunden.

          • Stefan Sasse 14. Januar 2021, 07:17

            Warum findest du Fahrräder kontraproduktiv?

            • Hias 16. Januar 2021, 00:47

              Nicht Fahrräder, sondern den aktuellen Hype darum. Dieser Trend, dass man jetzt überall Pop-Up-Radwege aufbaut und Lastenräder finanziell fördert. Das ist Symbolpolitik für die Latte-Machiatto-Fraktion, die es sich erlauben kann, auch im Winter mitm E-Rad gemütlich um 9 Uhr im Büro aufzutauchen.
              Ich bin nicht dagegen, das Radfahren zu fördern und den Radfahrern mehr Raum zu geben. Aber das muss eben in einem vernünftigen, auch langfristig sinnvollen Gesamtkonzept passen. Und in einem solchen sollte man in den allermeisten Städten eher den ÖPNV fördern als Radfahren, da dies (wenn man es gut macht), mehr Menschen nützt.

              • Stefan Sasse 16. Januar 2021, 12:04

                Nun, ich fahre im Winter mit nicht-e-bike um 6.50 Uhr in die Arbeit und vertrage kein Koffein. Her mit dem Ausbau der Fahrradwege.

                • Hias 17. Januar 2021, 01:23

                  Zunächst mal, mein Beileid, ein Leben ohne Koffein ist vorstellbar, aber nicht erstrebenswert. 😉
                  Und ja, ich kenne auch genügend Arbeitskollegen, die bei jedem Wetter mit dem Rad in die Arbeit fahren. Ich kenne aber noch viel mehr Kollegen, die mit dem Auto in die Arbeit fahren. Will man die Verkehrssituation für alle verbessern, dann sorgt man zuerst mal dafür, dass möglichst viele statt Auto eine andere Alternative nehmen.
                  Und für was werden sich die meisten eher entscheiden, Rad oder ÖPNV?

                  • Stefan Sasse 17. Januar 2021, 09:23

                    Glaub mir, ich habe auf die harte Tour rausgefunden dass kein Koffein für mich besser ist 🙁

                    Klar, ich wollte mich nur gegen das Zerrbild wehren, es sei so ein Lifestyle der linksgrün versifften Elite oder so. Und bei üblem Wetter fahr ich ja auch mit dem Auto…

          • Erwin Gabriel 14. Januar 2021, 17:33

            @ Hias 14. Januar 2021, 01:00

            Moment, das eine ist Erreichbarkeit, das andere ist die Auslegung der Infrastruktur. In der Stadt ist nun mal Platz der knappe Rohstoff, der zunehmend zum Problem wird (Wohnungsmangel!).

            Der empfundene Wohnungsmangel ist auf verschiedene Gründe zurückzuführen; zum einen auf Landflucht, zum anderen fehlt es meist nicht an Wohnraum, sondern an BEZAHLBAREM Wohnraum. Für den zu sorgen ist Aufgabe der Städte; um Bedingungen zu schaffen, die günstigen Wohnraum ermöglichen, ist der Staat zuständig. Und der bewegt sich mit seinem Handeln eher in die andere Richtung.

            Aber grundsätzlich ist die Verkehrsentwicklung auch eine Funktion der Stadtentwicklung. Und da kann man jetzt zwar gut darüber reden, was alles falsch läuft, aber als die Stadt angelegt wurde, herrschten halt andere Bedingungen.

            Und das Auto ist in Bezug auf den Platz das ineffizienteste Verkehrsmittel. Da muss man sich dann schon fragen, welche Straße, insbesondere welche Parkplätze notwendig sind und wenn ja, in welcher Größe.

            Wenn man allein fährt, ja. Wenn nicht, dann nicht. Und Platzbedarf ist nicht natürlich das einzige Kriterium.

            Protz-SUVs, die vor Einkaufstempeln stehen und von Ein-Euro-Ausgebeuteten befüllt werden, sind jedenfalls nicht das Problem.

            • Hias 16. Januar 2021, 00:43

              Der empfundene Wohnungsmangel ist auf verschiedene Gründe zurückzuführen; zum einen auf Landflucht, zum anderen fehlt es meist nicht an Wohnraum, sondern an BEZAHLBAREM Wohnraum. Für den zu sorgen ist Aufgabe der Städte; um Bedingungen zu schaffen, die günstigen Wohnraum ermöglichen, ist der Staat zuständig. Und der bewegt sich mit seinem Handeln eher in die andere Richtung.

              Hier im Südosten der Republik ist nicht nur bezahlbarer Wohnraum ein Problem, sondern tatsächlich Wohnraum. Die Auswirkungen spürst man auch noch in Rosenheim, Donauwörth und Memmingen!

              Aber grundsätzlich ist die Verkehrsentwicklung auch eine Funktion der Stadtentwicklung. Und da kann man jetzt zwar gut darüber reden, was alles falsch läuft, aber als die Stadt angelegt wurde, herrschten halt andere Bedingungen.

              Ja und damals gab es auch noch keine Autos, trotzdem hat man sie für Autos umgebaut. Und das kann man jetzt auch wieder ändern.

              Wenn man allein fährt, ja. Wenn nicht, dann nicht. Und Platzbedarf ist nicht natürlich das einzige Kriterium.

              Die meisten fahren alleine oder mit Familie, denn das ist doch der große Vorteil von Autos (maximale Flexibilität). Und natürlich ist Platzbedarf nicht das einzige Kriterium. Aber in Städten wie Stuttgart oder München, wo der Boden extrem teuer (weil knapp) ist, ist es ein enorm wichtiges Kriterium, deutlich wichtiger als in z.B. in LA. Und dann muss ich mich im Zweifel dafür entscheiden, auf einer Straße den Autos eine Fahrbahn wegzunehmen und stattdessen eine Straßenbahn zu bauen.

              Protz-SUVs, die vor Einkaufstempeln stehen und von Ein-Euro-Ausgebeuteten befüllt werden, sind jedenfalls nicht das Problem.

              Kommt darauf an. Sie sind für die Parkplätze und Parkhäuser in Innenstädten ein Problem. Sie sind vergleichsweise umweltverschmutzend und sie sind aus ästhetischer Sicht ein Problem (Ehrlich, wie sind wir – rein designtechnisch betrachtet – nur von den Straßenkreuzer der 60er Jahre zu diesen hässlichen SUVs gekommen??).
              Aber mir geht es ja auch nicht um Autos vs Tram oder Rad. Mir geht es darum, dass man weg muss, dass man einem Verkehrsmittel Priorität gibt und hin dazu, dass man aus einer gesamtheitlichen Stadtplanung heraus die verkehrlichen Bedürfnisse ermittelt und die dann möglichst effizient versucht zu befriedigen und nicht, wie bisher, wie kommen dann die Leute am schnellsten mitm Auto dorthin.

              • Erwin Gabriel 19. Januar 2021, 11:50

                @ Hias 16. Januar 2021, 00:43

                Hier im Südosten der Republik ist nicht nur bezahlbarer Wohnraum ein Problem, sondern tatsächlich Wohnraum. Die Auswirkungen spürt man auch noch in Rosenheim, Donauwörth und Memmingen!

                Ich weiß; ich habe da mal gewohnt und gearbeitet. Aber auch hier: Die Leute schreien nach Wohnraum, und wenn man baut, wird geschrien, weil man Landschaft kaputtmacht. Wasch mich, aber mach mich nicht nass.

                Ja und damals gab es auch noch keine Autos, trotzdem hat man sie für Autos umgebaut. Und das kann man jetzt auch wieder ändern.

                Dann gab es halt Pferde, Kutschen, Karren etc. Und ja, man kann das ändern – zu horrenden Kosten.

                Denn Straßen sind nicht nur Verkehrsflächen für Autos, sondern die Routen für Kanalisation, Wasser, Gas, Strom, Telefon, Internet etc. – ist der einzige Weg, um Infrastruktur sinnvoll zu verlegen, zu warten und instand zu halten.

                Mal so ein kleines Beispiel: Das Abwassernetz von Dortmund ist über 2.000 km lang und wird mit einem Bestandswert von knapp unter 900 Millionen Euro bewertet. Hast Du eine Vorstellung davon, was es kostet, 5 Prozent davon zu verlegen, um Verkehrsflächen zu Wohnraum umzugestalten?

                Die meisten fahren alleine oder mit Familie, denn das ist doch der große Vorteil von Autos (maximale Flexibilität).

                Unbestritten („allein“ ist ökologisch ineffizient, „mit Familie“ nicht).

                Und dann muss ich mich im Zweifel dafür entscheiden, auf einer Straße den Autos eine Fahrbahn wegzunehmen und stattdessen eine Straßenbahn zu bauen.

                Natürlich nicht. Dann nehme ich U-Bahnen oder Elektrobusse, die die vorhandene Infrastruktur nutzen können.

                Aber mir geht es ja auch nicht um Autos vs Tram oder Rad. Mir geht es darum, dass man wegmuss, dass man einem Verkehrsmittel Priorität gibt und hin dazu, dass man aus einer gesamtheitlichen Stadtplanung heraus die verkehrlichen Bedürfnisse ermittelt und die dann möglichst effizient versucht zu befriedigen und nicht, wie bisher, wie kommen dann die Leute am schnellsten mit dem Auto dorthin.

                Hier treffen wir uns; da stimme ich zu. Vielleicht habe ich Dich vorher falsch verstanden, sorry dann.

                Ich glaube nicht, dass die Städte und Kommunen darauf abzielen, überallhin den schnellsten bzw. einen bequemen Weg mit dem Auto zu ermöglichen; ich sehe eher das Gegenteil. Die Kommunen und Städte und die Politiker dort haben (anders als die Bundespolitik) das Problem erkannt, und es drückt sie schwer. Aber die Autoindustrie ist einerseits wichtig (viele Arbeitsplätze) und stark (exzellente Lobbyarbeit, viele Parteispenden), andererseits sind die Bürger bequem (99 % der Leute, die im Stau stehen, verstehen nicht, dass sie selbst Teil des Problems sind).

                Aber ich habe die letzten 40 Jahre keinen Bundesverkehrsminister mit einem sinnvollen Plan gesehen, und sehe weder bei Grün, gelb, rot, schwarz einen sinnvollen Plan.

                • CitizenK 19. Januar 2021, 12:01

                  Wir starren (nicht ohne Grund) auf die Autoindustrie, weil zentral für Jobs, Steuern, Export.

                  Wenn der Trend anhält, Autos nur bei Bedarf zu nutzen (teilen) und weniger benötigt werden, müsste die Autoindustrie da nicht reagieren und neue Geschäftsfelder erschließen? Das geht ja nicht von heute auf morgen.
                  Der Export wird noch einige Zeit tragen. Es könnte aber auch sein, dass Exportländer diese Phase überspringen (wie die Festnetztechnologie durch Mobilfunk in Afrika).

                • Stefan Sasse 19. Januar 2021, 13:25

                  Ich möchte am Rande darauf verweisen, dass ich beim Waschen gerne nass gemacht werde:
                  http://www.deliberationdaily.de/2015/09/dereguliert-die-aecker/

    • derwaechter 13. Januar 2021, 11:30

      2)
      „Wenn man sich dagegen mal holländische Musterstädte wie Hasselt anschaut, in denen Radfahren kein moderner Theoriehype ist sondern seit Jahren umgesetzte Verkehrspriorität: Da findet man in erster Linie komplette Umgehungsstraßenringe mit Stichstraßen in die Stadtviertel, so daß der komplette Autoverkehr sehr effizient abgewickelt werden kann (mit großen Umwegen, aber trotzdem schnell), und damit die Wohnviertel frei werden für Radfahrer und Fußgänger.“

      Interessanterweise ist der Autoverkehr in den holländischen Städten gar nicht so gering. Das Fahrrad ersetzt oft eher ÖPNV und Fußwege.

      Aber Autoverkehr und Radfahrer werden viel deutlicher getrennt.

      Kann diese Episode vom Radfunk zu dem Thema empfehlen:
      https://www.deutschlandfunk.de/radfunk-der-fahrradpodcast-episode-12-das-gelobte-land.3544.de.html?dram:article_id=486729

      • Stefan Sasse 13. Januar 2021, 19:13

        Danke!

      • Erwin Gabriel 15. Januar 2021, 11:49

        @ derwaechter 13. Januar 2021, 11:30

        Aber Autoverkehr und Radfahrer werden viel deutlicher getrennt.

        Oh, interessanter Aspekt.

  • Stefan Pietsch 12. Januar 2021, 17:10

    1) Trump fails to redraw politics‘ battle lines

    Sind deutsche Parteien eher bereit, sich und ihre Programmatik zu ändern? Mein Bauchgefühl wäre „ja“, aber ich bin gespannt was ihr sagt und mit welcher Begründung.

    Jede Partei hat ihren Kern, weswegen Menschen schließlich in ihnen eintreten. Das ist nicht viel anders als bei Kirchen, Gewerkschaften oder Sportvereinen. Ist das alles nicht mehr gefragt, verschwinden sie in der Bedeutungslosigkeit. So geschehen mit der italienischen Democrazia Cristiana oder gegenwärtig in Frankreich mit der PS. Vielleicht gesellt sich bald die deutsche SPD dazu. Die FDP hat Mitte der Neunzigerjahre ihre letzte Transformation durchlaufen, die Liberalen unter Christian Lindner ist die gleiche, wie sie schon Guido Westerwelle geformt hat.

    Angela Merkel versuchte mit der CDU eine gewaltsam-sanfte Transformation. Ob diese ernsthaft gelungen ist, wird sich möglicherweise am Wochenende ein Stück mehr erweisen. Doch Friedrich Merz gilt als klarer Favorit für die erste Runde, was zeigt, dass viele in der Partei die Transformation nicht mitgemacht haben. Die Grünen haben seit 1990 keine nochmalige ernsthafte Transformation unternommen, was das neue Parteiprogramm beweist, welche die Kernpositionen wiedergibt. Auch das zeigt: Solche Transformationen benötigen eine Reihe günstiger Faktoren, von der Ära über die Bereitschaft potentieller Mitglieder in der Anhängerschaft, diese mitzutragen, bis zu einer starken Person an der Spitze.

    7) The radical moral implications of luck in human life

    Die meisten Reichen sind selbständig und haben ihr eigenes Unternehmen gegründet. Wenn es sonst keinen Beweis für den eigenen Erfolg gibt, dann gibt es keinen, den Du bereit wärst zu akzeptieren. Du zählst die paar hundert Spitzenverdiener in Führungspositionen bei Prime Market-Unternehmen. Das ist eine Kleinigkeit.

    Erfolg misst sich am Markt. Ein Selbständiger, ein Unternehmer, ein Pionier, der nichts verkauft, der dessen Leistungen nicht gefragt sind, ist nicht erfolgreich. Das hat nichts mit Strukturen zu tun. Das ist ein einfacher, kalter Maßstab, nicht interpretierbar. Und ja, solche Leute arbeiten besonders hart, härter als jeder Müllwerker, jede Pflegerin, jeder Lehrer. Denn zu Erfolg gehören Tugenden, die die meisten Menschen nicht mitbringen: ein hohes Maß an Disziplin und die Fähigkeit, die richtigen Entscheidungen treffen zu können.

    • Juri Nello 12. Januar 2021, 18:04

      Ad 1) Qed. Markenkern, ich kann nicht mehr! Was sagt das aus, wenn Marketing die Politik bestimmt? Nur, das Marketing eine Seuche wie Covid ist.

    • Stefan Sasse 12. Januar 2021, 19:39

      1) Der Punkt ist ja aber gerade, dass Leute in den Koalitionen sind, die viele programmatische Punkte ablehnen. Das ist in D nicht so.

      7) Die meisten Reichen haben geerbt. Leg mal die ideologische Brille an und schau auf die Zahlen.

      • Stefan Pietsch 12. Januar 2021, 19:46

        7) Du sitzt einem Vorurteil auf. Nimm‘ die diesbezüglichen Studien von IW, DIW und ließ meinen Artikel.

      • Erwin Gabriel 14. Januar 2021, 17:52

        @ Stefan Sasse 12. Januar 2021, 19:39

        @ 7) The radical moral implications of luck in human life

        Die meisten Reichen haben geerbt.

        Ein jeder hält eine Situation, in der er sich für einen längeren Zeitraum befindet, für „normal“ (halbwegs unabhängig vom Niveau, auf dem er lebt). Etwas zu erben wird da in der Regel nicht als „Erfolg“ betrachtet.

        Leg mal die ideologische Brille an und schau auf die Zahlen.

        Hier ein paar Zahlen 🙂

        Wenn Du die Firmen, die im DAX, im M-Dax und im S-Dax zusammenfasst, kommst Du auf genau 170 Unternehmen. Hier hast Du auf Geschäftsführer- oder Vorstands-Ebene, großzügig gerechnet, vielleicht 5 Leute pro Unternehmen, die zählen. Das sind in Toto nicht mal 1000 entscheidende Führungskräfte.

        Wenn Du nun den Geld-, Wirtschafts- und Industrieadel samt Nachwuchs zählst, hast Du ein Vielfaches an „glücklichen“ und „natürlichen“ Führungskräften; dazu immer wieder welche, die so talentiert sind, dass sie sich durch die gläserne Decke nach oben kämpfen können (Dr. Mathias Döpfner, CEO von Axel Springer SE, sei mal als prominentes Beispiel genannt). Die meisten von ihnen kommen also nicht zum Zuge.

        R.A. hat es sehr treffend zusammengefasst: Der „schlechte Stall“ mag den großen Erfolg und Durchbruch nach oben weitgehend verhindern, aber der „gute Stall“ reicht bei weitem nicht aus.

        • Stefan Sasse 14. Januar 2021, 17:58

          Absolut. Der gute Stall ist notwendige, nicht hinreichende Bedingung.

    • schejtan 12. Januar 2021, 19:52

      Denn zu Erfolg gehören Tugenden, die die meisten Menschen nicht mitbringen: ein hohes Maß an Disziplin und die Fähigkeit, die richtigen Entscheidungen treffen zu können.

      Der Punkt ist ja grad, dass diese Faehigkeiten durch Geburt und Erziehung entstehen und man sie sich nicht bewusst selbst aneignet. Davon ausgehend ist es, streng zu Ende gedacht, tatsaechlich reines Glueck (in der Bedeutung, dass Faktoren, auf die ich keinen Einfluss habe, massgebend sind), wie mein Leben verlaeuft.

      • Stefan Pietsch 12. Januar 2021, 20:38

        Ja und nein. Es ist vor allem nicht das, was Stefan kritisiert hat. Stefan echauffiert sich ja nicht darüber, dass jemand mit Talent aus dem Genpool reich wird, sondern aufgrund von Erbschaft.

        Disziplin und das Erlernen, richtige Entscheidungen treffen zu können, hat einstmals Schule vermittelt. Doch je länger Kinder in der Schule blieben, desto weniger war und ist Schule in der Lage, solches Rüstzeug mitzugeben. Natürlich beurteile ich hier einiges aus der persönlichen Brille, aber das tut ja offensichtlich jeder. Mein Ehrgeiz und meine Bereitschaft, mich zu disziplinieren, wurden durch zwei Faktoren angestachelt, die universell für jeden gelten können: Der Ärger, von anderen unterschätzt worden zu sein und es ihnen zeigen zu wollen und der Wille, mehr haben zu wollen als andere.

        • schejtan 12. Januar 2021, 22:44

          Disziplin und das Erlernen, richtige Entscheidungen treffen zu können, hat einstmals Schule vermittelt.

          Die Frage ist dann ja auch, wie empfaenglich der individuelle Schueler dafuer ist; das ist dann wiederum von Eigenschaften, die sich vor der Schulzeit ausgebildet haben abhaengig.

          Mein Ehrgeiz und meine Bereitschaft, mich zu disziplinieren, wurden durch zwei Faktoren angestachelt, die universell für jeden gelten können: Der Ärger, von anderen unterschätzt worden zu sein und es ihnen zeigen zu wollen und der Wille, mehr haben zu wollen als andere.

          Hier sagen sie letztendlich „Ich habe Eigenschaft A, weil ich Eigenschaft B habe“. Das Spielchen laesst sich natuerlich immer weitertreiben. Bis ich dann halt bei Eigenschaften ankomme, die angeboren und/oder durch fruehkindlich Erlebnissse entstanden sind. Und auf die ich somit keinen Einfluss habe.

          • Stefan Pietsch 12. Januar 2021, 23:08

            Die Frage ist dann ja auch, wie empfaenglich der individuelle Schueler dafuer ist; das ist dann wiederum von Eigenschaften, die sich vor der Schulzeit ausgebildet haben abhaengig.

            Ich widerspreche Ihnen gar nicht. Ja, das Elternhaus ist sehr wichtig und wird heute unterschätzt. Aber das ist praktisch naturgegeben. Ich bin auch sehr dafür, schon im Kleinkindalter Hilfe durch den Staat angedeihen zu lassen, nur bekomme ich für solche Ansichten regelmäßig Haue von links.

            Meine Motivation ist sehr individuell. Bei meiner Tochter hat‘s auch nicht funktioniert. Das ist sicher naturgegeben. Aber, da sind wir eben beim Aspekt „Talent“: Bisher waren wir hier immer der Ansicht, dass Wohlstand, der auf Talent gründet, „verdient“ sei.

            • CitizenK 13. Januar 2021, 06:48

              Teils, teils. Talent ist eine Gabe. Von wem? Egal. Jedenfalls bewundern wir „begabte“ Menschen, weil sie gut singen, malen, Klavier oder Fußball spielen können. Sie „bereichern“ damit nicht nur sich, sondern viele Menschen.
              Manche Begabungen führen auch zu materiellem Reichtum. Auch dieser sollte mit anderen Menschen geteilt werden. Am besten freiwillig. Wenn nicht, nicht.
              Die Geburt in eine bestimmte Familie, ein bestimmtes Land oder in eine bestimmte Zeit ist allerdings keine Gabe, sondern Zufall.

              • Stefan Pietsch 13. Januar 2021, 11:48

                Bemerkenswerterweise zählen Sie drei Talente auf, welche die Menschen unterhalten, aber die wenigsten zu einem nennenswerten Einkommen gelangen. Das hört sich nach dem Motto an, dass Applaus genug Bezahlung ist. Tatsächlich bedarf es weit mehr als Talent, um mit der eigenen Begabung herausragende Leistungen, Einkommen und Vermögen zu erreichen. Nichts zeigt dies so deutlich wie der Bereich des Profifußballs. Talent ist eine notwendige, aber längst nicht hinreichende Bedingung.

                Ich finde seit Beginn an Ihre Haltung bei diesen Prinzipien für inkonsequent. Für die Besteuerung haben Wissenschaft und Politik unterschiedliche Prinzipien herausgebildet. Der libertäre Ansatz zeigt sich wahrscheinlich am ehesten in einem einheitlichen Steuerbeitrag aller Bürger. Dann gibt es den Vorschlag, dass alle Bürger einen einheitlichen prozentualen Beitrag leisten, womit bereits höhere Einkommen höher belastet würden.

                Ralf hat lange das sozialistische Prinzip vorgeschlagen, wonach die Bürger so taxiert werden, dass die Einkommen weitgehend nivelliert würden. In Deutschland heiligen wir dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Die steuerliche Belastung nimmt prozentual mit der Höhe des Einkommens zu, ohne dass das Ziel eine echte Nivellierung der Einkommen erreicht werden soll.

                Doch streng genommen haben wir keine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Wir besteuern nur dann hoch, wenn jemand etwas aus seinem Talent macht. Die Versager, die, welche ihr Talent verschleudern, die werden de facto mit der negativen Taxierung belohnt. Wer von einer Vollzeitbeschäftigung zur Teilzeit zurückgeht, erhält den Einkommensverlust netto zu einem nicht unwesentlichen Teil ausgeglichen. Wer die Produktion oder seinen Einsatz als Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt, Steuerberater, Arzt oder Ingenieur reduziert, wird nicht bestraft, sondern das Müßigtum wird ihm aufgrund der hohen Progression stark erleichtert.

                Sie sind dafür, dass der Staat Bildung kostenlos anbietet. Sie sind auch dafür, dass die Besteuerung bzw. eigentlich die Progression noch verschärft wird, was eben diese Trends verstärkt. Aber sie sehen kein gesellschaftliches Problem, wenn Menschen ihr Talent wegschmeißen nebst Ausbildung, weil es ihnen an den charakterlichen Voraussetzungen mangelt. Damit sind Sie heimlicher Anhänger des Müßiggangs.

                Wir haben das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht nur ausgereizt, sondern ein Stück überdehnt, denn wir haben uns schon sehr dem skizzierten sozialistischen Prinzip angenähert. Es ist dann umso unverschämter, wenn ein Spitzenpolitiker wie Olaf Scholz meint konstatieren zu müssen, die Wohlhabenden würden sich ihrer gesellschaftlichen Pflichten entziehen.

                Der Staat soll sich auch nach meiner Überzeugung bemühen, die Nachteile der Geburtslotterie ein Stück auszugleichen. Talent soll zur Entfaltung kommen. Aber: Wenn der Staat dies tut und finanziert, entfällt ein ganzes Stück der Anspruch, vom Ertrag überproportional bei jenen abzusahnen, die ihre Chancen genutzt haben. Denn das ist dann wirklich eigene Leistung.

                Selbst Zuhälter sind da konsequenter: im Kriminellen werden diejenigen, die ihre Chancen nicht nutzen, bestraft. Irgendwie sympathisch. 🙂

                • R.A. 13. Januar 2021, 12:08

                  Das Problem beim Steuerrecht ist die fehlende Transparenz bzw. das Unvermögen vieler Leute, die Lebensrealität anderer Menschen zu verstehen.

                  Deswegen mache ich zur Steuersystematik gerne den Vergleich zur Praxis in Vereinen. Die stehen ja – letztlich wie der Staat – vor der Aufgabe, diverse Aufgaben durch die Ressourcen der Mitglieder zu erledigen.

                  Dabei gibt es eigentlich nur zwei Varianten, die allgemein als gerecht empfunden und verwendet werden.

                  Zum Einen ist das schlicht das Prinzip, daß jedes Mitglied denselben Beitrag leisten muß (das wäre die libertäre Einheitssteuer wie von Pietsch beschrieben): Entweder in Form eines für alle gleichen finanziellen Beitrags oder in Form eines gleichen Arbeitsbeitrags (z. B. muß jeder reihum mal den Hof fegen. Wie lange er mit seiner persönlichen Leistungsfähigkeit dafür braucht ist seine Sache).

                  Zum Anderen gibt es vor allem bei Arbeitseinsätzen ein Prinzip, daß der flat tax entspricht: Jeder muß eine gewisse Zahl von Arbeitsstunden für den Verein ableisten. Die wirklich abgelieferte Arbeitsleistung korreliert dabei direkt mit der persönlichen Leitungsfähigkeit des Mitglieds: Der Eine kriegt in der vorgeschriebenen Stundenzahl fast nichts hin, der Andere sehr viel.

                  Was aber m. W. noch nie ein Verein gemacht hat (weil ihm sonst die Mitglieder davonlaufen würden), das ist eine „progressive Besteuerung“. Die würde im Verein bedeuten, daß die leistungsfähigen Mitglieder deutlich mehr Arbeitsstunden leisten müssen als die unfähigen.
                  Da wo man die „Besteuerung“ praktisch sieht, da hält jeder ein progressives Modell für krass ungerecht.

                  Aber in der realen Welt sind die Zusammenhänge so intransparent und für viele unverständlich, daß das völlig ungerechte Progressionsmodell plötzlich bei einer Mehrheit für fair gehalten wird.

                  • Stefan Pietsch 13. Januar 2021, 12:42

                    Als Liberaler sympathisiere ich natürlich mit dem Prinzip des prozentual gleichen Beitrags. Als Christ und sozial denkender Mensch sehe ich jedoch die Notwendigkeit des sozialen Ausgleichs. Deshalb habe ich kein prinzipielles Problem mit der progressiven Besteuerung. Aber: weder darf die Gesellschaft davon Wunderdinge erwarten (Einkommen werden bis auf geringe Unterschiede nivelliert) noch darf dies beliebig überzogen werden.

                    Doch seit langem wird es völlig deformiert. Dies zeigt sich bereits darin, dass die Hälfte der Einkommensbezieher überhaupt keine nennenswerten Einkommensteuern zahlt. Es ist aber nicht so, dass in einem der reichsten Länder der Welt die Hälfte der Gesellschaft prinzipiell nicht leistungsfähig ist. Zum anderen widerspricht es dem Besteuerungsprinzip, bei der Finanzierung zusätzlicher Belastungen einen Großteil der Bürger auszunehmen und die Last nur einer kleinen Schicht aufbürden zu wollen. Jeder muss dann anteilsmäßig mehr zum Gemeinwesen beitragen. Sonst deformieren wir das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zum sozialistischen Prinzip, der Besteuerung solange, bis alle das Gleiche haben.

                  • CitizenK 13. Januar 2021, 13:22

                    Was ist, wenn ein Vereinsmitglied einen Unfall hat alt oder krank wird und den Hof nicht mehr fegen kann? Rauswurf?
                    Manche Vereine reduzieren den Beitrag oder verzichten dann darauf – Sozialprinzip. Bei anderen gilt: Kein Beitrag mehr – Streichung aus der Kartei.
                    Der „Verein“ Bundesrepublik Deutschland“ darf das nicht (Sozialstaatsprinzip). Und will das auch nicht. Die Analogie Verein – Staat funktioniert ebenso wenig die die Familie – Staat.

                    • R.A. 13. Januar 2021, 13:36

                      „Was ist, wenn ein Vereinsmitglied einen Unfall hat alt oder krank wird und den Hof nicht mehr fegen kann?“
                      Das ist ein Nebenthema. Wo einer überhaupt nichts beitragen kann erübrigt sich die Frage, wie man die Lasten gerecht verteilt. Denn die Vereinslasten können ja nur auf die verteilt werden, die überhaupt etwas beitragen können.

                      Die meisten Vereine haben Sonderregelungen für solche Fälle. Da können Arbeitsstunden finanziell abgegolten werden. Oder der Beitrag wird reduziert/erlassen. Oft dann auch mit reduzierten Rechten: Wer zu schwach ist den Hof zu fegen kann auch nicht die Sportstätten des Vereins nutzen.

                      Aber wie gesagt: Die wirklich nicht Leistungsfähigen sind nicht das Thema. Die gibt es ja auch in Deutschland gar nicht so viele – wenige Prozent der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter.

                      Es ist absurd das komplette Steuer- und Abgabensystem immer wieder an diesen wenigen Prozent auszurichten.

                    • Stefan Pietsch 13. Januar 2021, 18:33

                      Das ist ein Nebenthema. Wo einer überhaupt nichts beitragen kann erübrigt sich die Frage, wie man die Lasten gerecht verteilt.

                      Eben! Linke tun, als wäre der völlig Zusammenbruch, das Hereinbrechen aller Lebensrisiken über einem der Normalfall und nicht die Ausnahme. Und so ist dann ihr Denken strukturiert. Niemand darf durch Risiken des Lebens Nachteile erleiden.

                      Da sagt der Liberale: Doch, natürlich! Das bedeutet Leben!

                • CitizenK 13. Januar 2021, 12:16

                  Wie wollen Sie die potentielle (virtuelle) Leistungs-Fähigkeit besteuern? Der Ingenieur, der Ranger im Naturschutzgebiet wird oder der Arzt, der statt seiner lukrativen Privatpraxis für „Ärzte ohne Grenzen“ im Jemen Kinder operiert? Die wollen Sie bestrafen? Eine sehr merkwürdige Haltung für einen Liberalen, finde ich. Freie Entfaltung der Persönlichkeit – muss das ein sogenannter Linker ins Bewusstsein rufen? Selbst in den USA ist „persue of happiness“ nicht definiert.

                  Dass der Arzt und der Ingenieur ihr Leben frei gestalten können, ist doch ein Merkmal der „freiheitlichen Gesellschaft“, die Ihnen so am Herzen liegt. Sie dafür zu bestrafen, wäre doch eher sozialistisch gedacht. In der DDR gab es solche Bestrebungen („Die Gesellschaft hat dir die Ausbildung ermöglicht, also…..)

                  Ohne Polemik: Hier stehen Prinzipien gegeneinander. Solche produktiven Spannungsverhältnisse gibt es einer einer liberalen Demokratie. Das eine mehr zu betonen als das andere ist keine Inkonsequenz.

                  • R.A. 13. Januar 2021, 12:29

                    „Wie wollen Sie die potentielle (virtuelle) Leistungs-Fähigkeit besteuern?“
                    Ich habe das nicht so verstanden, daß Pietsch das fordert.
                    Sondern die Bezeichnung „Besteuerung nach Leistungsfähigkeit“ ist halt falsch.

                    Sondern es ist eher eine „Besteuerung, wo der Staat am leichtesten viel abgreifen kann“.

                    Kann man wollen, aber dann ist wenigstens klar, daß das nichts mit Gerechtigkeit zu tun hat (wie das der Spruch mit der Leistungsfähigkeit ja suggerieren soll).

                    • Stefan Pietsch 13. Januar 2021, 12:47

                      Wir sehen traditionell „Leistungsfähigkeit“ rein materiell. Das beißt sich jedoch, wenn wir dann über die vermeintlich ungerechte Verteilung von „Talenten“ schimpfen. Wollen wir Talent besteuern um Gleichheit herbeizuführen (Impetus der Linken), dann gilt dies ungeachtet dessen, was der materielle Output ist.

                      Vergessen wir nicht den Anlass: Stefan schimpfte, dass Reiche meist ungerechtfertigt reich seien, weil sie bei der Lotterie die besseren Karten gezogen hätten. Eine solche Sichtweise erlaubt, jeden, wirklich jeden Ertrag von Arbeit und Talent wegzunehmen, schließlich ist es unverdient und benachteiligt alle anderen.

                  • Stefan Pietsch 13. Januar 2021, 12:35

                    Eine sehr merkwürdige Haltung für einen Liberalen, finde ich.

                    Nein. Ich setze mich mit Ihren dargebrachten Prinzipien auseinander. Das heißt, ich nehme Sie (anders als andere) ernst. Nur sehe ich, dass Sie gegensätzliche Prinzipien miteinander kreuzen und das Ergebnis sind Bastarde, die nicht verständlich sind.

                    Wie wollen Sie die potentielle (virtuelle) Leistungs-Fähigkeit besteuern?

                    Betrachten wir die Vorfinanzierung der Ausbildungskosten als Investment der Gesellschaft, dann liegt es auf der Hand, die Ausbildungskosten zurückzuverlangen, wenn der Student meint, es handele sich einfach um eine großzügige Finanzierung seiner Freizeitinteressen durch die Gemeinschaft. Variante 1. Variante 2: Wir lassen allen Bürgern ungeachtet ihres sozioökonomischen Status, ihres Talents wie ihrer familiären Bindungen kostenlose Bildung angedeihen. Dann kann der Staat aber nicht später daraus ungleichen Nutzen ziehen, sprich die einen hoch besteuern und die anderen davonkommen lassen. Die kostenlose Bildung ist da das Äquivalent zum Bürgergeld, eben ohne dass der Bürger zur Kompensation verpflichtet ist.

                    Beide Varianten besitzen eine sicher überzeugende Logik. Ihr Mischmasch aber nicht. Zu den Ärzten ohne Grenzen: Wenn wir als Gesellschaft meinen, es handele sich dabei um eine nützliche Tätigkeit, dann können wir diese entsprechend vergüten. Das hebt das Prinzip nicht auf, im Gegenteil: das Urteil: was gesellschaftlich nützlich ist und was nicht, bleibt jenen überlassen, welche es am Ende finanzieren. Wie Sie sagen, durch kostenlose Finanzierung einer sehr exquisiten und teuren Ausbildung. Das ist liberal.

                    Liberale, das verstehen Sie als Sozialdemokrat aus Prinzip nicht, sind für die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Aber nicht zur Vollfinanzierung durch die Gemeinschaft.

                    Sie haben umgekehrt meine Kritik nicht verstanden: Wenn es um freie Entfaltung der Persönlichkeit ginge, dann hat das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit oder noch schärfer das sozialistische Besteuerungsprinzip keinen Platz. Denn dann ist es dem Staat egal, ob jemand durch die Entfaltung der Persönlichkeit besonders wohlhabend wird oder arm ist.

                    • CitizenK 13. Januar 2021, 16:47

                      „… das verstehen Sie als Sozialdemokrat aus Prinzip nicht“

                      Der Freiheitsbegriff von genuin Liberalen und Sozialdemokraten ist nicht so unvereinbar, wie Sie das darstellen. Ich nenne nur Friedrich Naumann und John Rawls (meine Beiträge dazu haben Sie bezeichnenderweise nie rezipiert) oder ganz aktuell in der FDP Frau Strack-Zimmermann und Konstantin Kuhle, die aber von Ihrem Idol in der freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit eingeschränkt werden 😉
                      https://www.zeit.de/2020/22/fdp-christian-lindner-kritik-liberalismus/

                    • Stefan Pietsch 13. Januar 2021, 18:19

                      Freiheit und Verantwortung gehören zusammen. Dahinter konnten sich Liberale immer versammeln. Und das gilt mit Sicherheit auch für Rawls, Friedrich Naumann und Straack-Zimmermann.

                      Ich kann mich hinter jedes Ihrer Prinzipien versammeln – aber keinesfalls in der Kombination. Sie bleiben selbst ja auch die Erklärung schuldig. Denn was Sie in der Summe postulieren, ist eben die sozialistische Sichtweise: Der Staat nimmt die Verantwortung für das Ergebnis weg. Wenn aber liberales und sozialistisches Prinzip praktisch identisch sein sollen, stimmt etwas nicht. Das sollte Ihnen die Logik sagen. Es ist übrigens der Grund, weshalb Sozialisten aller Coleur so gerne den Namen Liberalismus vereinnahmen, damit die Bürger nicht merken, dass es sich um reinen Etikettenschwindel handelt.

                      Bitte, erläutern anhand meiner Fragen.

                    • FS 13. Januar 2021, 19:29

                      „Denn was Sie in der Summe postulieren, ist eben die sozialistische Sichtweise: Der Staat nimmt die Verantwortung für das Ergebnis weg. Wenn aber liberales und sozialistisches Prinzip praktisch identisch sein sollen, stimmt etwas nicht.“
                      Naja, manche von diesen Liberalen kommen aber auch echt auf die sonderbarsten Ideen:
                      https://www.oekonomenstimme.org/artikel/2016/05/erben-ist-unliberal/?utm_source=feed&utm_medium=main

                    • Stefan Pietsch 13. Januar 2021, 19:44

                      Ließ!Den!Artikel!
                      http://www.deliberationdaily.de/2017/07/raubritter-auf-der-jagd-nach-erben/

                      Zu Beginn steht das Prinzip. Dabei lässt sich über Prinzipien trefflich streiten, beschreiben sie doch immer auch die eigenen Werte. Nur sollte man eins bei Prinzipien nicht tun, sie nämlich nach Herzenslust brechen. Ein Prinzip ohne jede Konsequenz verfolgt bedeutet Willkür und die passen nicht zu einem Rechtsstaat. Bei der Erbschaftsteuer stehen sich zwei populäre Grundsätze des liberalen Staates gegenüber, wo sich jeder, der sich an der politischen Debatte beteiligt, herauspickt, was er gerne möchte. Überzeugungen geraten da weitgehend unter die Räder und das ist ein schlimmer Vorwurf an alle Beteiligten. Die in diesem Forum bisher zu diesem Thema geäußerten Ideen bilden da keine Ausnahme, doch vor allem im linken Spektrum wird der Staat offensichtlich gerne als moderner Raubritter gesehen, der alles darf, solange es den eigenen Vorurteilen und Präferenzen nützlich ist. Der Autor lehnt solche Einstellungen, die auf Robin Hood-Attitüden, Neid, Missgunst, manchmal regelrechten Hass sowie Wirtschaften in die eigene Tasche zurückzuführen sind, grundsätzlich ab.

                      – Nach dem liberalen Leitbild des freien Bürgers ist das Recht auf Eigentum eines der wichtigsten Güter. Menschen haben qua ein naturgegebenes Privileg, Besitz und Vermögen erwerben und halten zu dürfen. Zu dem Wesen von Eigentum gehört die vollständige Verfügungsgewalt hierüber, was das Veräußern, Vernichten und Übertragen einschließt. Ein einmal erworbenes Gut kann nicht willkürlich vom Staat wieder eingezogen werden. Der hohe Respekt gegenüber diesem Begriff von Eigentum findet seinen Ausdruck in der Verfassung wie in dem über ein Jahrhundert alten Bürgerlichen Gesetzbuch im Kapitel Sachenrecht. Mit seinen Steuern erwirbt der Bürger den Schutz des Staates für seinen Besitz wie die Wahrung seiner Rechte. Diese schließen die Übertragung auf Erben, insbesondere, wenn dies der eigene Nachwuchs ist, mit ein.

                      – Nach moderner liberaler Auffassung hat der Staat zu gewährleisten, dass sich jeder Menschen gemäß seinen Möglichkeiten entwickeln kann. Dazu gehört selbstverständlich auch die Einebnung von Startvorteilen, die aufgrund von Abstammung und Elternhaus naturgegeben sind. Der Staat hat zumindest in der Fiktion für Chancengleichheit zu sorgen, wozu ihm ein breites Instrumentarium an die Hand gegeben ist, vom allgemeinen Bildungsauftrag bis zur Aufsicht durch die Jugendämter. Finanzielle Vor- und Nachteile werden durch das Steuer- und Sozialrecht angeglichen. Von Beruf Sohn ist kein Ideal des Liberalismus. In diesem Sinne hat der Staat dafür zu sorgen, dass nicht einzelne Personen finanziell stark übervorteilt sind.

                      In den jahrzehntealten Debatten zur angemessenen Besteuerung von Vermögen zeigen die Konservativen die konsequenteste Haltung, in dem sie dem Leitmotiv des Eigentumsschutzes den Vorrang einräumen. Sozialdemokraten, umweltbewegte Grüne und Sozialisten stehen dem Eigentum traditionell skeptisch, manchmal ablehnend gegenüber, weshalb sie gerne das zweite liberale Motiv instrumentalisieren bis sich hinbiegen. Denn wer den Menschen die Möglichkeiten einräumen will, nach eigenem Können Einkommen, Vermögen und Reichtum zu erwerben, darf sie nicht schon beim ersten Schritt über Gebühr belasten. Wohlstand entsteht eben nur durch die deutliche Steigerung des eigenen Einkommens und von Gewinnerträgen. Gerade ein hoher Grenzsteuersatz und eine generell hohe Belastung von steigenden Einkünften sind Ausdruck, genau dies verhindern zu wollen. So läuft denn auch die Argumentation: Mit der Erhöhung des Spitzensteuersatzes sollen die Gewinner des Einkommenswettlaufs wieder eingefangen werden. Nur, wer nennenswertes Vermögen aufbauen möchte, benötigt ein Einkommen im jenseits der Schwelle von 60.000 Euro, ab der nach steuerlichen Maßstäben Spitzeneinkommen beginnt. Es ist widersprüchlich, sowohl Einkommen als auch Vermögen hoch besteuern zu wollen.

                    • FS 13. Januar 2021, 20:56

                      Habe Ihren Artikel gelesen. Verstehe nicht so ganz, was Sie mir damit nun sagen wollen: Das es verschiedene Versionen von Liberalismus gibt? Das Ihre Position von Liberalismus die richtige ist und die von Herrn Grossmann und Herrn Kirsch nicht?
                      Zunächst einmal würde ich bzgl. Ihres Textes eigentlich erstmal gerne wissen, was hinter dem qua in diesem Satz:“Menschen haben qua ein naturgegebenes Privileg, Besitz und Vermögen erwerben und halten zu dürfen “ eigentlich stehen soll, der Text hat da so eine merkwürdige Leerstelle, so als wäre Ihnen selbst nicht eingefallen, weswegen er dieses Privileg eigentlich haben soll. Und dabei sollte sich ja gerade nach dem qua des Pudels Kern befinden. Weiterhin unterliegt das Eigentumsrecht wie alle anderen Grundrechte Einschränkungen, die der Staat per Gesetz setzen kann, auch um bei Kollision mit anderen Grundrechten eine abwägende Lösung zu finden. Das Recht auf Eigentum gilt wie andere Grundrechte somit nicht absolut. Und auch die Ausgestaltung meiner eigentumsrechtlichen Verfügungsgewalt über manche Dinge kann eingeschränkt werden. Beispielsweise ist es mir in Deutschland nicht erlaubt, eine Atombombe zu besitzen, oder auch sie zu verkaufen, auszulösen etc. Es könnte mir unter gewissen Auflagen hingegen erlaubt sein, eine Pistole zu besitzen, aber auch hier wäre meine Verfügungsgewalt eingeschränkt. Ergo: Eigentumsrecht ist nicht absolut. Sonst wäre wohl auch kaum irgend eine Besteuerung möglich.
                      Es ist interessant, dass Sie dann mit einem offensichtlichen Gerechtigkeitsargument über die Entwicklung der Talente des Menschen kommen, und das alle die gleichen Chancen haben sollten, dieses Argument würden nämlich einige Liberale, zumal solche der libertären Denkrichtung, explizit verneinen. Grossmann und Kirsch (und die haben immerhin auch einen alten Liberalen, auf den sie sich da berufen) hingegen argumentieren ja ähnlich wie sie, dass den jungen Leuten ein gleicher Anteil an dem Erbfond zufließen soll. Und sie argumentieren auch dass eine solche Form der Besteuerung Platz geben würde dafür, dass sich „Leistung wieder lohnt“. Das war doch auch ihr Credo, wenn ich das richtig verstanden habe.
                      BTW ist es auch interessant bei Ihnen folgendes zu lesen: “ Zum einen werden Steuerklasse und Freibeträge nach Verwandtschaftsgrad bestimmt, zum anderen nach der Höhe des Erbes, bei Steuersätzen zwischen 7% und 50%. Ein solches Steuerrecht ist löchriger wie ein Schweizer Käse und erklärt, warum das Aufkommen vergleichsweise niedrig ausfällt. Tatsächlich müsste die Bemessungsgrundlage (BGL) – so das Steuerdeutsch – deutlich verbreitert werden, um mehr Masse überhaupt zu berücksichtigen.“ Warum ausgerechnet die Bemessungsgrundlage verbreitert werden muss ist mir schleierhaft, wenn man auch die Steuersätze auf einem einheitlichen Niveau ansetzen kann. Ich habe auch nie verstanden, wie in Deutschland ein Steuergesetz bestehen kann, dass seinen Tarif in nicht unwesentlichen Teilen an den Verwandtschaftsgrad bindet.
                      Und über die Betriebsvermögensverschonung verlieren Sie kein Wort? Das wäre doch mal eine Möglichkeit, die „Bemessungsgrundlage“ zu erweitern.

                    • Stefan Pietsch 13. Januar 2021, 23:36

                      Erstmal danke, dass Sie ihn gelesen haben. Er ist ja nicht ganz neu, legt aber meine grundsätzlichen Überzeugungen dar.

                      Meine Position zur Erbschaftsteuer ist open mind. Ich unterbreite Diskussionsangebote. Man kann mit mir hier gut verhandeln, da ich nicht festgelegt bin. Umso überraschter bin ich immer, dass diese ausgeschlagen werden. Linke meinen immer, alles bekommen zu können.

                      Pauschal gesagt ist die Einkommensbelastung in Deutschland im internationalen Maßstab außerordentlich hoch, die Konsumbesteuerung durchschnittlich und die Vermögensbesteuerung tendenziell niedrig. Es bestehen damit Spielräume zur Neustrukturierung der Besteuerungsgrundlagen, nicht jedoch zur Ausweitung der Steuerquote. Ich bin durchaus gesprächsbereit, die Erbschaftsbesteuerung zu erhöhen – als Gegengeschäft für die Senkung der Einkommensteuerbelastung. Ob die Erbschaftsteuer dann bei 30, 50 oder 100 Prozent liegt, ist für mich keine Frage der Ideologie. Aber, der Preis dafür ist klar, die Gegenkompensation über die Einkommensteuer für alle Schichten in prozentualer Weise, da alle Schichten prozentual von Erbschaften profitieren (gemäß IW-Studie).

                      Zunächst einmal würde ich bzgl. Ihres Textes eigentlich erstmal gerne wissen, was hinter dem qua in diesem Satz:“Menschen haben qua ein naturgegebenes Privileg, Besitz und Vermögen erwerben und halten zu dürfen “ eigentlich stehen soll, der Text hat da so eine merkwürdige Leerstelle, so als wäre Ihnen selbst nicht eingefallen, weswegen er dieses Privileg eigentlich haben soll.

                      Das kann ich Ihnen heute nicht mehr genau sagen. Es ist ein natürliches Bestreben nach Eigentum und Besitz. Und so wurde das Recht auf Eigentum zu einem Menschenrecht der UN-Charta.

                      Weiterhin unterliegt das Eigentumsrecht wie alle anderen Grundrechte Einschränkungen, die der Staat per Gesetz setzen kann, auch um bei Kollision mit anderen Grundrechten eine abwägende Lösung zu finden.

                      Ja und nein. Es ist richtig, dass das Recht auf Eigentum im deutschen Verfassungsrecht nicht absolut ist. In der UN-Menschenrechtskonvention ist es das sehr wohl, ebenso im amerikanischen Recht. Die Einschränkungen in Artikel 14 Absatz 2 und 3 waren der historischen Situation im Nachkriegs-Deutschland geschuldet. Aber es ist eine unbestreitbare verfassungsrechtliche Tatsache, dass ein Grundrecht nicht in sein Gegenteil verkehrt werden kann. Der Staat gewährt nicht Grundrechte nach Belieben, diese Debatte ist heute brandaktuell.

                      Es ist nicht die Aufgabe von Exekutive oder Legislative, Grundrechte beispielsweise in einfachen Gesetzen gegeneinander abzuwägen. Das obliegt allein dem Bundesverfassungsgericht, tatsächlich nicht das oberste, sondern ein Sondergericht für Verfassungsfragen. Die Regierung hat nicht die Kompetenz zu sagen, das eine Grundrecht habe nunmal hinter das andere zurückzutreten.

                      Grundrechte gelten absolut. Deswegen sind sie ja Grundrechte. Und deswegen haben die Verfassungsväter auch keine Hierarchie in den ersten 19 Artikeln eingebaut, wenn wir von der Generalnorm des Artikels 1 („Würde des Menschen“) absehen. Aber: einzelne Normen können in Konflikt zu anderen Normen des Grundgesetzes stehen. Daher sind auf dem Rechtswege Möglichkeiten zu suchen, die in Konflikt stehenden Grundrechte möglichst weitgehend bestehen zu lassen.

                      Wenn Sie legal eine Atombombe erworben haben, ist es nicht so einfach, Ihnen das Eigentumsrecht zu bestreiten. Das Problem ist der Erwerb, nicht der Besitz. Beim Besitz müssen Sie sicherstellen, dass von der Atombombe keine Gefahr für andere ausgeht, was deren Grundrechte eben massiv schädigen würde. Dieser Nachweis dürfte sehr schwer zu führen sein.

                      Es ist interessant, dass Sie dann mit einem offensichtlichen Gerechtigkeitsargument über die Entwicklung der Talente des Menschen kommen, und das alle die gleichen Chancen haben sollten, dieses Argument würden nämlich einige Liberale, zumal solche der libertären Denkrichtung, explizit verneinen.

                      Ich habe die Diskussion nicht begonnen, sondern mich darauf eingelassen. In diesem Punkt steht mein christliches Wertegerüst (Gleichnis von den Talenten) übrigens nicht in Konflikt mit meinen liberalen Überzeugungen. Zum anderen bin ich kein Libertärer, ich habe da wenig Anknüpfungspunkte. Daher möchte ich auch nicht mit Libertären verglichen werden.

                      Warum ausgerechnet die Bemessungsgrundlage verbreitert werden muss ist mir schleierhaft, wenn man auch die Steuersätze auf einem einheitlichen Niveau ansetzen kann.

                      Der wesentliche Sinn von Steuern ist es, dem Staat Einnahmen zur Erfüllung seiner Aufgaben zu verschaffen. Eine schmale Bemessungsgrundlage läuft diesem originären Sinn zuwider. Um dem Ziel dennoch nachzukommen, müssen dafür die Steuersätze für die verbliebenen Steuerpflichtigen besonders hoch sein, was Gerechtigkeitsfragen und solche nach den rechtsstaatlichen Grenzen (Verbot prohibitiver Steuern) aufwirft. Ökonomen messen diese Effekte am Steuerertrag und der Steuerergiebigkeit.

                      Und über die Betriebsvermögensverschonung verlieren Sie kein Wort?

                      Schwieriges Thema. Zwar sind in Deutschland immer noch fast 30 Prozent der Unternehmen produzierend, über 70 Prozent sind es aber nicht. Allein die Bilanzen produzierender Unternehmen bestehen zu einem hohen Anteil der Bilanzsumme aus Anlagevermögen und sonstigen leicht veräußerbaren Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens. Das Cash bildet eine verhältnismäßig kleine Größe. Ein gewichtiger Prozentsatz der deutschen Unternehmen ist bilanziell überschuldet, besteht aber fort, weil die Eigentümer Garantien gegeben haben.

                      Unternehmensbewertung ist eine komplizierte Wissenschaft. Der Großteil der Unternehmen ist nicht veräußerbar, weil der eigentliche Wert das Engagement des Firmengründers ist. Aus diesem Grund wird beim Erwerb erfolgreicher Start-ups oft vereinbart, dass die Gründer im Unternehmen verbleiben oder Anteile behalten.

                      Der Staat kann Unternehmen nicht bewerten wie dies in der Wirtschaft passiert. Er muss Regeln finden, die in juristische Normen passen. Das ist, wie der ewige Streit um die Vermögensteuern sowohl national als auch international zeigt, so schwierig, dass viele Staaten darauf verzichten.

                      Nicht erst seit der Jahrtausendwende und dem Sterben vieler Gründer der Nachkriegsära besteht in der Wirtschaft ein Problem mit Betriebsübergängen. Viele Unternehmen stehen zum Verkauf ohne dass sich Käufer finden. In dem eigentümergeführten Unternehmen, in dem ich beschäftigt bin, wird es auch dazu kommen, dass das Unternehmen mit dem Ausscheiden des Gründers entweder stirbt oder zu einem geringfügigen Wert bei einem Konkurrenten aufgeht. Der Eigentümer hat zwar Kinder, diese sind aber zur Leitung nicht befähigt. Es besteht daher keine Intension, ihnen das Unternehmen zu übergeben. Er selbst hat das Unternehmen hoch verschuldet um privates Vermögen zu finanzieren. Es ergibt folglich durchaus Sinn, in ein paar Jahren, wenn er die 60 überquert, die Gesellschaft sterben zu lassen. Zudem, letzter Fakt, liegt die durchschnittliche Lebenserwartung deutscher Unternehmen unter 20 Jahren.

                      Unter Berücksichtigung all dessen muss man sich die Frage stellen: was soll eigentlich taxiert werden? Typischerweise ist es ja nicht Sinn des Staates, dass er selbst Eigentümer wird, sondern an einem Rechtsgeschäft partizipiert. Steuern machen den ohnehin schwierigen Betriebsübergang nicht leichter. Was kein Totschlagsargument gegen Steuern sein soll.

                      Wenn der Wert eines Unternehmens nicht im Anlagevermögen, sondern in dem Know-how der Führung und der Mitarbeiter besteht sowie in den Kundenbeziehungen, dann lässt sich die Erbschaftsteuer relativ leicht durch Unternehmensneugründung umgehen. Der Staat kann schließlich nicht den Übertrag von Arbeitsverträgen und Kundenbeziehungen, die einzig an handelnden Personen hängen, der Erbschaftsteuer unterwerfen. Und Unternehmen, die heute bilanziell überschuldet sind, werden nicht weitergeführt, sondern unter Einbezug der Allgemeinheit abgewickelt.

                      Das ist kein Theoriegerede. Wenn Sie mir eins glauben können, dann, dass ich Unternehmensstrategien kenne. Hier habe ich wirklich viel Expertise.

                      Auf der einen Seite – und das bestreite ich überhaupt nicht (!) – steht das Interesse der Gesellschaft an der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Nur fürchte ich, eine spürbare Erbschaftsteuerbelastung von Unternehmen könnte die staatlichen Ziele in ihr Gegenteil verkehren.

                    • FS 15. Januar 2021, 11:56

                      So, ich versuche das jetzt möglich kurz zu machen, daher können einige Argumente etwas gerafft erscheinen. Zunächst einmal, schön, dass Sie Spielräume zur Neusgestaltung der Besteuerungsgrundlage sehen, dass war zumindest die Richtung, wie ich den Beitrag von Grossmann und Kirsch aufgefasst habe, die wollen ja anscheinend auch nicht den Kommunismus einführen. Ich sehe persönlich zwar kein wirkliches Argument, warum die Steuerquote nicht auch steigen könnte, aber von mir aus. Ihr Argument, dass es eine prozentuale Gegenkompensation geben sollte, kann ich nicht so ganz nachvollziehen, einerseits, welche IW-Studie meinen Sie genau, die das, was Sie ansprechen belegen soll, andererseits allgemeiner Zweifel, da wir hier von Einkommensverteilung und Vermögensverteilung reden, die individuell sehr unterschiedlich ausfallen kann, und auch in der Schichtstruktur nicht kongruent sein muss. Prinzipiell könnte man m.E. den Grundfreibetrag der ESt durch die höheren Erbschaftsteuererträge erhöhen.
                      Als nächstes: Schade, dass sie für das Nach-dem-qua keine Erinnerung mehr haben. Aber aus einem natürlichen Bestreben (ob das so natürlich ist, darüber kann man sich trefflich streiten) ein Recht zu folgern ist vlt. etwas prätentiös – nur weil ich ein „natürliches“ Bestreben nach dem weiblichen Geschlecht habe, habe ich noch lange kein Recht darauf. Dann: Die UN-Charta enthält überhaupt keine Grundrechte, maximal Verweise auf Menschenrechte, die dort aber nicht dargelegt werden. Was Sie eventuell meinen ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR), diese enthält zwar ein Recht auf Eigentum (Art. 17), aber das kann man wohl kaum als absolut bezeichnen, das ist eher weich:
                      1. Everyone has the right to own property alone as well as in association with others.
                      2. No one shall be arbitrarily deprived of his property.
                      Eine „UN-Menschenrechtskonvention“ gibt es nicht. Es gibt die beiden Pakte (über wirtschaftliche, soziale und kulturelle bzw. über bürgerliche und politische Rechte), die aber über das Eigentumsrecht keine Aussage treffen. Gleiches gilt für die Europäische Menschenrechtskonvention. Insofern ist es mit dem Absolutheitsanspruch, den Sie aus internationalen Abkommen herleiten wollen, erstmal nicht weit her. Um Sie aber nicht komplett im Regen stehen zu lassen: Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 17.
                      Nächster Punkt: Ja auch Exekutive und Legislative nehmen Grundrechtsabwägungen vor, was glauben Sie, was die in ihren Verordnungen und Gesetzen aktuell zur Corona-Krise machen. Alle drei Gewalten sind dem Grundgesetz und somit auch den Grundrechten verpflichtet, müssen diese aber, wenn sie sich in Kollision mit anderen Grundrechten oder auch anderen Staatszielen befinden, gegeneinander abwägen. Dass das BVerfG eventuell dieser Abwägung nicht folgt, und eine andere Abwägung vorzieht, heißt nicht, dass Legislative und Exekutive keine Abwägung vornehmen, es heißt nur, dass das BverfG die Abwägung von Legislative und Exekutive außer Kraft setzen kann – und auch hier wäre die Legislative evtl. imstande, durch Änderung des Grundgesetzes auch Entscheidungen des BVerfG zu kippen.
                      Weiter: Grundrechte gelten nicht absolut, auch nicht weil sie Grundrechte heißen. Denn wenn Sie absolut gelten würden, dann wären Kollisionen mit anderen Grundrechten nicht auflösbar, und sie könnten auch nicht durch Gesetze eingeschränkt werden.
                      Nächster Punkt (Bsp. Atombombe): Zunächst mal kann ein Gesetz aus den von Ihnen genannten Gründen (allg. Gefahrenabwehr) offensichtlich mein Recht auf Besitz einschränken. Sehr schön, das war mein Punkt – offensichtlich gilt das Eigentumsrecht dann nicht absolut. Dabei spielt der Erwerb (der natürlich auch, und evtl. separat reguliert werden kann) nur eine Nebenrolle. Denn ich muss einen Gegenstand, der sich in meinem Besitz befindet nicht notwendigerweise erworben haben – ich kann ihn bspw. auch gebaut haben. Außerdem kann die Legislative auch erst im Lauf der Zeit feststellen, dass ein Gegenstand eine Gefahr darstellt, und dann selbst im Falle eines legalen Erwerbs ein Verbot für den Besitz aussprechen (es wäre dann im Regelfall aber eine Entschädigung fällig).
                      Um Ihnen ein weiteres kurzes Beispiel zu nennen, das zeigt, dass trotz legalen Erwerbs auch der Besitz eingeschränkt werden kann: Die Sklavenhalter der amerikanischen Südstaaten durften ihre Sklaven nach der Emancipation Proclamation bzw. dem 13th Amendment auch nicht weiter behalten, obwohl sie diese vorher legal erworben hatten. Was übrigens auch Ihren Punkt erledigt, die Vereinigten Staaten hätten ein absolut gültiges Eigentumsrecht.
                      Zu den letzten beiden Punkten: Mir scheint, dass Ihnen etwas unklar geblieben ist, worauf ich da hinauswollte: Mir ist schon klar, dass eine breite Bemessungsgrundlage prinzipiell ergiebiger ist als eine schmale. Mein Punkt war mehr, dass man vlt. erstmal überlegen sollte, ob die sonderbare Aufteilung der Steuerklassen und Freibeträge im Erschaftssteuerrecht nach Verwandschaftsgraden nicht, wie Grossmann und Kirsch das nennen, einem „feudal-tribalem Denken“ entspringt, das m.E. schon mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes schwer vereinbar ist, denn warum bitteschön darf mich eine Steuer als Erben bevorteilen, nur weil ich Sohn bin, und jemand anderes evtl. nicht. Dabei sollte man auch nicht unterschätzen, dass eine Vereinheitlichung der Klassen und Freibeträge auf einem Niveau auch einen Anreiz bieten würde, Erbschaften breiter zu streuen, was der Vermögenskonzentration stärker entgegenwirken dürfte.
                      Und bezüglich der Vermögensverschonung war meine Frage auch mehr, wie ein System, wie es in §13a ff. ErbStG niedergelegt ist, in Deutschland überhaupt Gesetz sein kann, ein System was den progressiven Belastungen höherer Vermögen, die ansonsten in der Erbschaftsteuer angelegt sind, komplett zuwiderläuft. Wie hier (https://www.oekonomenstimme.org/artikel/2016/06/die-demontage-der-erbschaftsteuer/?utm_source=feed&utm_medium=main) dargelegt (und der Artikel bezieht sich m.W. auf einen Gesetzentwurf, der mit dem was aktuell Gesetz ist, weitestgehend übereinstimmt, aber da lasse ich mich gerne eines besseren belehren), wäre es selbst nach Ansicht konservativer Ökonomen mit Mitteln der Steuerstundung und einem einheitlichen, niedrigeren Erbschaftsteuersatz problemlos möglich, Betriebsvermögen ohne Sonderbehandlung zu besteuern. Und da fragt man sich halt schon, wieso wir weiter an einem System festhalten, dass so was hier möglich macht: https://mmm.verdi.de/medienwirtschaft/aktiengeschenk-doepfners-steuercoup-69089

                    • Stefan Pietsch 15. Januar 2021, 12:51

                      So, ich versuche das jetzt möglich kurz zu machen, daher können einige Argumente etwas gerafft erscheinen.

                      Versuch nicht gelungen. 🙂

                      Ich sehe persönlich zwar kein wirkliches Argument, warum die Steuerquote nicht auch steigen könnte, aber von mir aus.

                      Das Steuerniveau eines Landes ist eine gesellschaftliche Konvention. Es ist das Akzeptanzniveau, dass durch Wahlen bestätigt und durch die Bereitschaft, Steuern zu zahlen akzeptiert wird. Trotz hoher Abgaben ist die Steuerakzeptanz in Skandinavien hoch und die Steuerhinterziehung niedrig, auch ohne umfangreiche Kontrollen. Im Süden Europas ist das Steuerniveau nominal hoch, Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung sehr verbreitet. Amerikaner werden aus heutiger Sicht niemals eine Regierung wählen, welche die Abgabenquote signifikant erhöht. Umgekehrt werden die Deutschen keine Partei mit Mehrheit ausstatten, die für das Gegenteil sorgen würde.

                      Deutschlands Steuer- und Abgabenquote liegt seit fünf Jahrzehnten, wesentlich nur beeinflusst durch Konjunkturverläufe, zwischen 43 und 48 Prozent. Obwohl es politische in die ein wie andere Richtung gab, die Quote deutlich zu verändern, blieben alle Bestrebungen im Versuch stecken. So beschreibt man gemeinhin politische Akzeptanz.

                      Die Studie des IW zeigt, dass Erbschaften bei mittleren und unteren Einkommensbezieher einen stärkeren Einfluss auf ihre Vermögensbildung besitzen als in den oberen Etagen. Erbschaften hoch zu besteuern um der vorhandenen Vermögenskonzentration entgegenzuwirken, kann daher unter Berücksichtigung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung daher kontraproduktiv sein.
                      https://www.iwkoeln.de/fileadmin/user_upload/Studien/Kurzberichte/PDF/2020/IW-Kurzbericht_2020_Erbschaften_und_Schenkungen.pdf

                      Prinzipiell könnte man m.E. den Grundfreibetrag der ESt durch die höheren Erbschaftsteuererträge erhöhen.

                      Nein. Das wäre sachwidrig und verteilungspolitisch ungerecht. Der Grundfreibetrag erfüllt allein den Zweck, das Existenzminimum steuerfrei zu stellen. Das Existenzminimum steigt nicht deswegen, weil der Staat an anderer Stelle neue Einnahmen generiert. Wie die Studie auch zeigt, profitieren die unterschiedlichen Einkommensgruppen einigermaßen proportional von Erbschaften. Belastungen dagegen sollen von höheren Erbschaften stärker geschultert werden. Wenn dann noch obere Einkommen (4/5 dieser Einkommensbezieher zählen auch zu den Vermögensten) weniger bei der Einkommensentlastung berücksichtigt würden, würde man sie zweimal benachteiligen.

                      Vermögen entsteht durch Einkommen. Ein Staat, der an Vermögensbildung seiner Bürger interessiert ist, wird Einkommen deswegen bei der Besteuerung nicht überproportional belasten, auch nicht, wenn diese hoch sind. Wenn wir davon ausgehen, dass Einkommen prinzipiell verdient sind, dann ist auch so entstandenes Vermögen verdient. Für Raubrittertum des Staates gibt es da keine Rechtfertigung.

                      Es stimmt, ich bin da etwas lax in der juristischen Ausdrucksweise, da ich oft dem Variantenreichtum der Sprache den Vorzug gebe, wohlwissend, dass Juristen auf exakte Definitionen wert legen. Das Menschenrecht auf Eigentum ist ja nun wahrlich nicht nennenswert eingeschränkt. Natürlich müssen Enteignungen möglich sein. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung jedoch immer gezeigt, dass die Möglichkeiten dazu außerordentlich beschränkt sind. Es ist eben, wie Juristen es sehen.

                      Ja auch Exekutive und Legislative nehmen Grundrechtsabwägungen vor, was glauben Sie, was die in ihren Verordnungen und Gesetzen aktuell zur Corona-Krise machen. Alle drei Gewalten sind dem Grundgesetz und somit auch den Grundrechten verpflichtet, müssen diese aber, wenn sie sich in Kollision mit anderen Grundrechten oder auch anderen Staatszielen befinden, gegeneinander abwägen.

                      Nein. Nehmen Sie nur das BVerfG-Urteil zum Abschuss von Verkehrsmaschinen im Falle einer Terrordrohung. Unmissverständlich hat Karlsruhe dort klar gemacht, dass der Staat nicht das Recht hat, dass Grundrecht des einen auf Leben gegen das Grundrecht des anderen auf Leben abzuwägen. Und gerade in diesen Tagen kam ein Gutachten, wonach dieses Prinzip auch auf die Impfpriorisierung des Bundes zutrifft. Keine Abwägung. Punkt. Klar und deutlich.

                      Mir ist kein Urteil aus Karlsruhe bekannt, wo die Richter die „Abwägung“ des Gesetzgebers gewürdigt hätten. Die Urteile lauten stets: „In seinem Grundrecht verletzt“ oder „In seinem Grundrecht nicht verletzt“. Wenn Sie da weitere Kenntnisse haben, wäre ich an Belegen interessiert.

                      Um Ihnen ein weiteres kurzes Beispiel zu nennen, das zeigt, dass trotz legalen Erwerbs auch der Besitz eingeschränkt werden kann: Die Sklavenhalter der amerikanischen Südstaaten durften ihre Sklaven nach der Emancipation Proclamation bzw. dem 13th Amendment auch nicht weiter behalten, obwohl sie diese vorher legal erworben hatten.

                      Interessanter Fall, weil so besonders. Den Sklavenhaltern wurde jedoch nicht ihr Eigentumsrecht entzogen. Es wurde festgestellt, dass Menschen keine Sache sind und daher ist der Besitz an ihnen unmöglich. Zudem ist der Gleichheitsgrundsatz verletzt, denn es können nicht die einen Besitz an einer Sache (Sklave) erwerben, die anderen aber nicht. Es hat also keine Enteignung stattgefunden, sondern der Besitz ist verunmöglicht aufgrund der Eigenschaft des Subjekts. Eine Atombombe ist aber zweifellos eine Sache, sie kann besessen werden. Allerdings darf ich mit meinen Grundrechten nicht andere in ihren Grundrechten schäden. Das eben schließt sich aus.

                      Solcher Überlegungen spielten durchaus eine Rolle bei der Frage, ob Tiere eine eigene Rechtspersönlichkeit bekommen sollten. Denn damit wäre der Besitz an ihnen weitgehend verunmöglicht worden. An die Stelle des Besitzes wäre ein Betreuungsverhältnis getreten. Das wollte der Gesetzgeber nach langen und intensiven Beratungen nicht.

                      Die Steuerklassen im Erbschaftsteuerrecht entsprechen der Notwendigkeit nach gesellschaftlicher Akzeptanz. Deswegen ist eine Erbschaftsteuer von 100% auch niemals politisch durchzusetzen. Wir können das bedauern oder begrüßen, es spielt keine Rolle. Seit jeher herrscht die Überzeugung, Omas klein Häuschen muss steuerfrei übertragen werden können. Wenn dann noch die Vorstellung besteht, man könne einen solchen Steuerschlag ohne deutliche gleichmäßige Entlastung in anderen Bereichen durchführen, dann treibt man selbst die Deutschen in die Rebellion.

                      (..) wäre es selbst nach Ansicht konservativer Ökonomen mit Mitteln der Steuerstundung und einem einheitlichen, niedrigeren Erbschaftsteuersatz problemlos möglich, Betriebsvermögen ohne Sonderbehandlung zu besteuern.

                      Nochmal: Sie rennen bei der Frage nach dem Prinzip der Erbschaftsteuer auf Unternehmen nicht gegen Widerstände. Meine Einwände waren materieller Natur der ökonomischen Sinnhaftigkeit. Aber erstens muss ich fragen, warum Erben von Unternehmen überhaupt ein solcher Vorteil eingeräumt werden sollte, die Steuer auf Jahrzehnte zu stunden. Mir ist kein vergleichbarer Fall aus anderen Steuerbereichen bekannt, wo der Staat ein solches Vorgehen zulässt. Das ist absolut begründungspflichtig. Und eine Steuer, die am Ende nicht oder mit großen Abschlägen (schon wegen des Zeithorizonts) gezahlt wird, verliert ihre Bedeutung. Der Staat ist kein Zuhälter.

                    • FS 15. Januar 2021, 23:06

                      Ich habe wieder versucht es kurz zu machen. Hat leider wieder nicht geklappt. 🙂
                      Zunächst: Sie gehen jetzt in mehreren Punkten (Steuerquote, ErbStG) dazu über, aus gesellschaftlichen Konventionen heraus zu begründen. Konventionen an sich sind aber kein Argument, man kann sie auch ändern. Und „Haben wir immer so gemacht“ und „die Deutschen sind halt so“ sind eigentlich eher konservative denn wirklich liberale Standpunkte. Und der Artikel von Grossmann/Kirsch ist m.E. so erfrischend, weil er sich um gegebene Denkkonventionen nicht schert, sondern eine bestimmte liberale Position zu Ende denkt.
                      Weiter: Nichts in der Studie sagt irgend etwas über Einkommensverteilungen aus, die Statistiken sind reine Vermögensstatistiken. Alles weitere was Sie zu einer Einkommenssteuerausgleichung sagen, erübrigt sich dadurch erst mal. Sie sagen zwar, dass 4/5 der oberen Einkommensbezieher zu den Vermögendsten gehören (was in der Studie nicht steht, nebenbei würde mich da auch interessieren, was Sie als obere Einkommen klassifizieren), das sagt aber leider nichts darüber aus, ob sie auch zu den Erben gehören (denn ihr Vermögen kann ja auch erworben sein). Wenn ich mich recht erinnere haben Sie hier in den Kommentaren auch mehrfach darauf hingewiesen, dass das Vermögen von reichen Personen in der Regel nicht ererbt ist. Insofern finde ich den Konnex eine höhere Erbschafsteuerbelastung mit einer Entlastung der höheren Einkommen auszugleichen immer noch fragwürdig.
                      Weiterhin dürfte der nivellierende Effekt aus der Studie (der m.E. auch eher gering ist) auf die Vermögensverteilung sogar steigen, wenn man, wie ich vorgeschlagen habe, die Steuerklassen und Freibeträge stärker aneinander angleicht, da der Anreiz steigt, auch andere als nahe Verwandte zu begünstigen.
                      Bzgl. des Grundfreibetrags: Siehe oben zum konventionellen Denken: Nennen Sie es meinetwegen anders. Es werden dann ja alle Einkommensteuerzahlenden entlastet. Und wenn es darum geht, auch die Vermögensverteilung gleicher zu machen, sollten wir vielleicht beim Vermögensaufbau für die unteren Einkommensgruppen anfangen. Prinzipiell kann man aber auch evtl. eine andere Anpassung wählen, aber wie würden Sie sich denn eine „prozentuale“ Lösung genau vorstellen?
                      Weiter: Die AEMR ist nicht rechtlich bindend, daher dürfte der Schutz, der aus ihr entspringt eher gering sein, und auch die Formulierung mit dem Eigentum „in association with others“ deutet daraufhin, dass auch Kollektiveigentumsformen wie in den damaligen sozialistischen Ländern wahrscheinlich mit der AEMR vereinbar wären. Weiterhin findet man in der AEMR kein Wort über eine Entschädigung bei Enteignung. Und die beiden Pakte, die einen rechtlich bindenden Status haben und von Deutschland auch ratifiziert sind, haben wie gesagt nichts zu Eigentumsrechten. Und bei „Es ist eben, wie Juristen es sehen“ bin ich versucht zu sagen: Überlassen Sie das Denken doch zukünftig einfach ganz dem BVerfG.
                      Womit wir beim angesprochenen BverfG-Urteil wären, dass ich gar nicht so genau kenne. Wenn Ihre Darstellung stimmt, wirft das natürlich einige Fragen auf. Denn wenn der Staat kein Recht hat, das Grundrecht des einen Lebens mit dem Grundrecht des anderen Lebens abzuwägen, dann hat das BVerfG es als staatliche Institution es offensichtlich auch nicht. Was die Frage aufwirft, ob wir es in diesem Fall eigentlich mit einer Grundrechtsabwägung durch das BVerfG zu tun haben, oder ob das BVerfG hier nicht auch eine Grundrechtsabwägung auch durch sich selbst verwirft, und die Abwägung der Legislative somit auch. Das würde meine Ausgangsargumentation auch gar nicht angreifen, dass die Legislative hier in ihrem Gesetz eine Grundrechtsabwägung vorgenommen hat, die das BVerfG aufgehoben hat.
                      Nebenbei frage ich mich hier aber auch, wie das Urteil mit der Gesetzgebung zum „finalen Rettungsschuss“ kompatibel sein soll, die m.W. schon seit einigen Jahren in der Mehrheit der Bundesländer existiert. Auch hier hat der Gesetzgeber offensichtlich eine Grundrechteabwägung in seinen Gesetzen vorgenommen.
                      Aus dem Kopf ist mir auch kein Urteil bekannt,in dem die Abwägung des Gesetzgebers gewürdigt wurde, was damit zu tun hat, dass die Abwägung des Gesetzgebers in der Regel in dem zu prüfenden Gesetz vorliegt. Umgekehrt kann man aber argumentieren, dass die Wesentlichkeitstheorie des BVerfG, die die wesentlichen Grundrechtseingriffe unter Parlamentsvorbehalt stellt, wohl kaum vom BVerfG entwickelt worden sein könnte, wenn das BVerfG nicht auch im Parlament die Fähigkeit sieht, eigenständige Grundrechtsabwägungen zu treffen. Denn ansonsten könnte ja alles der Regierung zur Entscheidung überlassen werden – es landete dann ja eh alles für die letztgültige Entscheidung beim BVerfG.
                      Weiter: Bzgl. der amerikanischen Sklaverei: Ich sprach nicht von Enteignung. Ein Eingriff in das Eigentum ist es aber in jedem Fall gewesen, denn alle Eigentumsrechte, die vorher da waren, sind verfallen und das war der Punkt – ins Recht auf Eigentum kann eingegriffen werden, auch in den USA. Nebenbei gab es vor dem und im Bürgerkrieg Ansätze (auch von Lincoln selbst), die Aufhebung Sklaverei mit einer Entschädigung zu verbinden (https://en.wikipedia.org/wiki/Compensated_emancipation). Und was anderes als eine Enteignung würde diese Entschädigung rechtfertigen?
                      Bzgl. Atombombe: Eben, und darum kann das Parlament ein Gesetz erlassen, das den Besitz einer Atombombe verbietet. Bzgl. Tiere: Ja, aber auch hier heißt Eigentum nicht, dass sie alles mit ihrem Tier machen dürfen. Eigentum kollidiert hier mit Art 20a, was dazu führt, dass ihre Eigentumsrechte auf gesetzlicher Grundlage eingeschränkt werden, sie sind nicht absolut.
                      Zum letzten Punkt: Begründungspflichtig wäre es erst einmal, warum wir dem Erben ganz viel Steuer erlassen sollten, anstatt sie zu stunden, erst danach könnte man sich um die Begründung der Stundung kümmern. Wenn Sie Kreditgeber sind, und ihr Kreditnehmer aktuell nicht alles zahlen kann, würden Sie doch auch eher stunden, anstatt zu sagen: Ach wissen Sie, dass viele Geld, wer braucht das schon, behalten sie es einfach. Wir können natürlich auch die Stundung lassen, die Erbschaftsteuer auch, und eine Vermögensteuer einführen. Dann muss er halt jedes Jahr einen kleineren Beitrag zahlen. Und prinzipiell: Warum sollte der Staat eigentlich nicht auch Teilhaber werden können?

                    • Stefan Pietsch 17. Januar 2021, 13:51

                      Ich habe wieder versucht es kurz zu machen. Hat leider wieder nicht geklappt.

                      Macht nix. Wir scheitern gewöhnlich an den einfachen Aufgaben. 🙂

                      Sie gehen jetzt in mehreren Punkten (Steuerquote, ErbStG) dazu über, aus gesellschaftlichen Konventionen heraus zu begründen. Konventionen an sich sind aber kein Argument, man kann sie auch ändern.

                      Die Möglichkeiten des demokratischen Rechtsstaates sind sehr weit gefasst, das macht ja seine liberale Verfasstheit aus. Umso bedenklicher, wenn manche Vorstellungen selbst die sehr weit gefassten Grenzen streifen oder sogar überschreiten. Ob eine 100%ige Erbschaftsteuer verfassungsrechtlich möglich ist, wage ich zu bezweifeln, selbst wenn ich es als Teil eines politischen Handels für erwägenswert hielte (Konjunktiv).

                      Aber ganz sicher streift ein Staat, der eine Steuer- und Abgabenquote von über 50% dauerhaft erzielt, die Grenzen des Grundgesetzes und testet sie aus. Und natürlich müssen wird die Frage betrachten, ist etwas überhaupt durchsetzbar. Warum sollten wir das wollen? Weder sehe ich dafür eine Begründung, welche sich nicht mit dem heutigen Aufkommen erreichen ließe noch sehe ich dafür eine gesellschaftliche Akzeptanz. Es ist ja nichts dagegen einzuwenden, wenn Linke dafür kämpfen. Da wünsche ich viel Glück. Bisher war es in der Historie des Landes diesen Parteien nicht beschieden. Die SPD hat seit 1982 jede (!) Bundestagswahl verloren, in der Sie explizit höhere Steuern propagierte. Inzwischen ist sie mit ihrer Strategie, sehr linke Themen anzusprechen, bei 13-15 Prozent in den Umfragen gelandet – mehr als ein Viertel weniger als bei der letzten Bundestagswahl. Aber immerhin hat sie einen Kanzlerkandidaten.

                      Sie können von mir als Liberalen aber nicht erwarten, dass ich für etwas streite, was diametral meinen Vorstellungen eines selbstbestimmten Lebens (mit eigenen, selbst verdienten Mitteln) widerspricht.

                      Dass 20% der vermögensten Erben zu den ärmeren Einkommensbezieher in Deutschland zählen (und umgekehrt), darauf bin ich im Rahmen eines Artikels zur Vermögensverteilung vor Jahren gestoßen.
                      http://www.deliberationdaily.de/2017/07/von-legenden-und-fakten-der-vermoegensverteilung/
                      Das Argument habe damals anscheinend nicht aufgenommen. Falls es für unsere Debatte Relevanz besitzt, würde ich es sicher wiederfinden. Aber vielleicht begnügen wir uns einstweilen damit, dass Erbschaften für untere Einkommensbezieher eine wichtigere Rolle für die eigene Vermögensbildung spielen als im Topsegment. Das ist zwar nicht die gleiche, aber in ähnliche Richtung deutende Aussage.

                      Insofern finde ich den Konnex eine höhere Erbschafsteuerbelastung mit einer Entlastung der höheren Einkommen auszugleichen immer noch fragwürdig.

                      Mir fehlt die Begründung, was Ihr Ziel ist. Wollen Sie die Vermögensungleichheit reduzieren? Dann müssen Sie mit dem Instrument der Erbschaftsteuer vorsichtig sein. Wollen Sie die Einkommensungleichheit verringern, dann ist diese Steuer das völlig falsche Instrument. Oder wollen Sie dem Staat einfach mehr Einnahmen zuführen, dann sind Sie dafür begründungspflichtig und sollten einen Blick auf die gesellschaftliche Akzeptanz werfen.

                      Weiterhin dürfte der nivellierende Effekt aus der Studie (..) auf die Vermögensverteilung sogar steigen, wenn man (..) die Steuerklassen und Freibeträge stärker aneinander angleicht, da der Anreiz steigt, auch andere als nahe Verwandte zu begünstigen.

                      Originelles Argument. Doch ich bezweifle, dass sich der Adressatenkreis von Erbschaften sich durch die Steuersätze beeinflussen lässt. Tatsache ist doch, dass fast niemand den für ihn relevanten Steuersatz des ErbStG kennt.

                      Siehe oben zum konventionellen Denken: Nennen Sie es meinetwegen anders.

                      Wieso? In einem Rechtsstaat hat jede Maßnahme ihren Zweck, der dann wieder verfassungsrechtlichen Grenzen genügen muss. Sie können nicht einfach willkürlich eine Gruppe begünstigen und die andere benachteiligen und schon gar nicht können Sie das mit doppeltem Effekt tun.

                      Es werden dann ja alle Einkommensteuerzahlenden entlastet.

                      Pauschal ja, in der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nein. Das ist ja der vom Gesetzgeber eigentlich unbeabsichtigte Effekt des Grundfreibetrages, den Sie zu einem erklärten Ziel machen wollen. Mit der gleichen Begründung könnten Sie einen pauschalen Freibetrag verschenken. Oder eben den Steuertarif senken. Warum wehren Sie sich dagegen?

                      <Und wenn es darum geht, auch die Vermögensverteilung gleicher zu machen, sollten wir vielleicht beim Vermögensaufbau für die unteren Einkommensgruppen anfangen.

                      In keiner Gesellschaft gelingt es, den unteren 20% der Einkommensbezieher ein nennenswertes Vermögen angedeihen zu lassen. Wieso sollte man sich auch darauf fokusieren? Die Deutschen haben generell wenig Vermögen, folglich müsste es Ziel der Politik sein, die Vermögensbildung in der breite zu fördern. Dort anzusetzen, wo die Wahrscheinlichkeit des Gelingens besonders gering sind, ist nicht das, was ich unter einem effizienten Staat verstehe.

                      (..) dass auch Kollektiveigentumsformen wie in den damaligen sozialistischen Ländern wahrscheinlich mit der AEMR vereinbar wären.

                      Sehr, sehr weit hergeholt. Juristen schreiben eine Hierarchie in ihre Normen. An erster Stelle steht das absolut Gewollte, nachrangig unter Absatz 2, 3 und 20 Ergänzungen und Ausnahmen. Hätten die Juristen gewollt, was Sie behaupten, hätten sie das in Absatz 1 aufgenommen.

                      Die Ermächtigung der Streitkräfte, gemäß § 14 Abs. 3 des Luftsicherheitsgesetzes durch unmittelbare Einwirkung mit Waffengewalt ein Luftfahrzeug abzuschießen, das gegen das Leben von Menschen eingesetzt werden soll, ist mit dem Recht auf Leben nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG nicht vereinbar, soweit davon tatunbeteiligte Menschen an Bord des Luftfahrzeugs betroffen werden.

                      Und weiter in der Begründung:
                      Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet das Recht auf Leben als Freiheitsrecht (..). Mit diesem Recht wird die biologisch-physische Existenz jedes Menschen vom Zeitpunkt ihres Entstehens an bis zum Eintritt des Todes unabhängig von den Lebensumständen des Einzelnen, seiner körperlichen und seelischen Befindlichkeit, gegen staatliche Eingriffe geschützt. Jedes menschliche Leben ist als solches gleich wertvoll.
                      https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2006/02/rs20060215_1bvr035705.html

                      Jeder Gesetzeseingriff muss den Wesensgehalt des Grundrechts unangetastet lassen – Standardsatz der Verfassungsrichter.

                      Das Wesen unseres Staates ist, dass sich Bürger und Staat auf Augenhöhe begegnen. Der Staat darf gegen den einzelnen Bürger nur in Abstimmung mit allen (Demokratieprinzip) und vereinbarter, zum Teil unveränderlicher Normen (Rechtsstaatsprinzip) Maßnahmen erlassen. Genau das unterscheidet den demokratischen Rechtsstaat vom Obrigkeitsstaat. Das Bundesverfassungsgericht ist hierbei Wächter über die Einhaltung der Regeln und Schiedsrichter. Ich hoffe, wir haben hier absolut keinen Dissens.

                      Nebenbei frage ich mich hier aber auch, wie das Urteil mit der Gesetzgebung zum „finalen Rettungsschuss“ kompatibel sein soll, die m.W. schon seit einigen Jahren in der Mehrheit der Bundesländer existiert.

                      Allein im Rahmen der Gefahrenabwehr darf der Staat in das Leben eines Tatbeteiligten eingreifen. Hier wird aber eben nicht ein Grundrecht gegen das andere abgewogen, sondern der finale Rettungsschuss bildet das allerletzte Mittel, das Leben eines nicht tatbeteiligten Bürgers zu schützen.

                      [Die Vorschrift] greift in den Schutzbereich des durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten Grundrechts auf Leben sowohl der Besatzung und der Passagiere des von einer Einsatzmaßnahme nach § 14 Abs. 3 LuftSiG betroffenen Luftfahrzeugs als auch derer ein, die dieses im Sinne dieser Vorschrift gegen das Leben von Menschen einsetzen wollen. Die Inanspruchnahme der Ermächtigung zur unmittelbaren Einwirkung mit Waffengewalt auf ein Luftfahrzeug nach § 14 Abs. 3 LuftSiG führt praktisch immer zu dessen Absturz. Dieser wiederum hat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit den Tod, also die Vernichtung des Lebens aller seiner Insassen zur Folge.

                      2. Für diesen Eingriff lässt sich eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung nicht anführen. § 14 Abs. 3 LuftSiG kann in formeller Hinsicht schon nicht auf eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes gestützt werden .

                      (a). Die Vorschrift verstößt darüber hinaus, soweit von ihr nicht nur diejenigen, die das Luftfahrzeug als Waffe missbrauchen wollen, sondern außerdem Personen betroffen werden, welche die Herbeiführung des in § 14 Abs. 3 LuftSiG vorausgesetzten erheblichen Luftzwischenfalls nicht zu verantworten haben, auch materiell gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (b).

                      a) Für die angegriffene Regelung fehlt es an einer Gesetzgebungsbefugnis des Bundes.

                      Weiter:
                      Ein Eingriff in das Eigentum ist es aber in jedem Fall gewesen, denn alle Eigentumsrechte, die vorher da waren, sind verfallen und das war der Punkt – ins Recht auf Eigentum kann eingegriffen werden, auch in den USA.

                      Nein. Wir haben eine Analogie in unserem BGB (Sachenrecht). Nach § 935 kann ein Dritter nicht Eigentümer einer gestohlenen Sache werden, auch wenn er diese in gutem Glauben erworben hat. Sein vermutetes Eigentumsrecht wird zurückgedreht und der Zustand vor Erwerb hergestellt. Ähnlich verhält es sich mit den Sklaveneigentümern. Sie konnten gar nicht Eigentumer werden, sie vermuteten sich irrtümlich als Eigentümer. Denn genauso wie der Erwerber von Diebesgut konnten sie aus dem irrtümlichen Erwerb keine weiteren Ansprüche ableiten.

                      Ja, der Gesetzgeber kann ein Gesetz erlassen, welches den Besitz einer Atombombe verbietet. Doch zum einen hat dies verfassungsrechtlichen Anforderungen zu genügen (keiner darf eine Atombombe besitzen) als auch muss der Staat begründen, warum dieses Verbot notwendig ist. Und er muss alle Atombombenbesitzer in ihrem Eigentum entschädigen. Denn hier lag kein irrtümlicher Erwerb vor.

                      Der Staat ist kein Kreditgeber. Daher ist er auch nicht vergleichbar. Die Stundung von Abgaben ist nur in Ausnahmen zulässig, nicht als generelle Norm.

                      Der Staat kann prinzipiell nicht Teilhaber werden, weil Steuern nur in Geld entrichtet werden können und nicht als Kompensationsgeschäft. Sonst ist es demnächst auch möglich, dass Bauern ihre Verpflichtungen in Kartoffeln erfüllen. 🙂

                    • FS 18. Januar 2021, 20:54

                      Zu 100% Erbschaftsteuer und 50%+ Steuerquote
                      Ich glaube auch nicht, dass eine Erbschaftsteuer von 100% vor dem BVerfG große Chancen hat (zumindest nicht ohne vorherige GG-Änderung) und ich bin auch nicht sicher ob Grossmann/Kirsch das glauben. Aber die Frage, ob es grundsätzlich Argumente für und wieder gibt, die meinetwegen über die Frage der verfassungsrechtlichen Möglichkeit hinausgehen, dass ist es, was ich für erwägenswert halte. Und die Argumente der beiden halte ich grundsätzlich für ziemlich stichhaltig. Und den Halbteilungsgrundsatz hat das BVerfG m.W. inzwischen, wenn nicht aufgegeben, so zumindest stark relativiert. Übrigens auch ein Beispiel, dass man BVerfG-Urteilen und ihren Begründungen nicht komplett kritiklos gegenüberstehen sollte, wenn Verfassungsrichter in das GG Dinge rein lesen, die da so gar nicht drin stehen. Aber wie ich oben schon zur Steuerquote schrieb: Von mir aus. Ich sehe auch keinen Grund warum die Steuerquote zwingend steigen muss.
                      Zu Einkommen, Vermögen, ESt-Belastung und Erbschaftsteuer-Belastung
                      Ihr Argument war, wenn ich Sie richtig verstanden hatte, dass v.a. auch Bezieher höherer Einkommen bei der ESt stärker entlastet werden sollten, weil sie ja andererseits bei der Erbschaftsteuer jetzt stärker belastet würden. Und ich wies darauf hin, dass mir dieser Zusammenhang unklar erschien, weil Statistiken zu Einkommen- und Vermögensverteilungen auf individueller Ebene nicht notwendig korrelieren müssen, und zumal Sie ja immer darauf hingewiesen haben, dass besonders reiche Menschen eher erarbeitetes Vermögen haben. Mein Ziel wäre, ähnlich wie Kirsch/Grossmann, die ererbte Vermögensungleichheit zu reduzieren, und die Erträge entweder wie dort über den Erbfond umzuverteilen oder diese zu nutzen, die Steuerbelastung der Einkommen auf breiter Fläche zu reduzieren, evtl. insbesondere in einem Bereich, der zum Aufbau erworbener Vermögen beiträgt. Dass 20% der untersten Einkommensbezieher kein Vermögen aufbauen können, nehmen Sie erst einmal als unverrückbare Tatsache (wobei ich auch nicht weiß, ob die signifikante ESt-Beiträge entrichten). Aber den 20%-60% der Einkommensbezieher in der Statistik kann man einen Vermögensaufbau sicher zutrauen, denen würde eine ESt-Entlastung dabei evtl. helfen. Sie haben mir leider immer noch nicht mitgeteilt, wie Ihre prozentuale Entlastung denn aussehen sollte. Wenn es sich dabei einfach darum handelte von jeder Progressionsstufe ein paar Prozent abzuknapsen, ok, kann ich mich mit leben. Evtl. könnte man auch eine Verbreiterung der Progression in Erwägung ziehen, so dass die 42% nicht schon so früh eintreten.
                      Zur AEMR: Die Aussage steht in Absatz 1
                      (Echt ey, habe ich oben wortwörtlich zitiert)
                      Zum BVerfG: Ich habe ehrlich gesagt wenig Lust, hier jetzt in eine endlose Diskussion einzutreten. Wie ich schon weiter oben ausgeführt habe: Ja das BVerfG kann Gesetze des Parlaments oder Exekutiventscheidungen aufheben, wenn es zu einer anderen Entscheidung bezüglich der Abwägung von Grundrechten kommt, als Legislative bzw. Exekutive. Dazu müssen aber beide erst einmal eine solche Gesetze oder Exekutiventscheidungen erlassen. Die Legislative kommt in einem Abwägungsprozess, nämlich während der Ausarbeitung des Gesetzes, zu dem Schluss, die Grundrechte nach der im Gesetz festgelegten Art und Weise unter Umständen einzuschränken. Und das BVerfG kann die Gesetze oder Exekutiventscheidungen dann aufheben, wenn es mit diesen Abwägungen nicht übereinstimmt.
                      Zum finalen Rettungsschuss: Schauen Sie am besten nochmal in die Standardformulierungen in den verschiedenen Bundesländern. Zwischen tatbeteiligt und tatunbeteiligt wird hier zunächst überhaupt nicht unterschieden. Und natürlich wird, bzw. wurde schon im Gesetzgebungsprozess hierbei das Grundrecht auf Leben (staatlicher Eingriff ggü. dem Schussopfers) gegen das Grundrecht auf Leben (ja sogar nur der körperlichen Unversehrtheit) abgewogen, denn ansonsten könnte es nicht so im Gesetz stehen. Der Polizist wiederum muss im Fall des Falles abwägen, ob die gegebenen Kriterien vorliegen, sonst handelt er gesetzwidrig. Alle wägen ab.
                      Zur Sklaverei: Nein. Zunächst einmal müssten Sie belegen – und auch belegen, dass das die damalige Auffassung war – dass die ursprüngliche Gefangennahme und Verschiffung der Sklaven ein illegaler Prozess war. Viel Glück. Denn ansonsten hat zumindest alles in den USA nach den dortigen Gesetzen legal stattgefunden – ein Grund für die von mir benannten Versuche der Compensated Emancipation. Weiter: Weder die Emancipation Proclamation, noch das 13th Amendment beziehen sich auf das Zurückdrehen eines vorherigen gesetzlichen Status als nun ungesetzlich. Die Sklaven werden befreit, bzw. die Sklaverei (bis auf bei kriminellen Strafen) verboten. Hätten wir es mit einem Zurückdrehen zu tun, so hätten die Sklaven nicht nur Anspruch auf ihre Freiheit gehabt, sondern auch Anspruch auf Restitution ihrer durch den illegalen Zustand abgepressten Früchte ihrer eigenen Arbeit. Eine Restitution hat es bis heute nicht gegeben. Und eine Analogie zu einem Gesetzbuch aufzumachen, dass es damals noch gar nicht gab?!
                      Atombombe: Das war mein ursprüngliches Argument, selbst das mit der Entschädigung hatte ich weiter oben bereits angemerkt.
                      Zuletzt: Der Staat ist Kreditgeber. Was glauben Sie, was die Bundesbank, Landes- und Förderbanken so machen?! Das Beispiel mit den Kartoffeln ist unpassend, da man diese mittels Marktgeschäft problemlos in kurzer Frist in Geld umwandeln könnte. Teilhabe nicht. Ich glaube, ich weiß, worauf sie hier hinauswolle, nämlich, dass dadurch die Gleichmäßigkeit untergraben würde. OK, die Gefahr besteht sicher. Eine Alternative Möglichkeit wäre eventuell, wie bereits oben einmal angesprochen, die Möglichkeit die Erbschaftsteuer durch eine Vermögensteuer zu ersetzen, und zwar eine, die nur ererbte Vermögen besteuert. Zum Zeitpunkt des Erbes (bzw. der Schenkung) würde eine Bilanz erstellt, und das Vermögen in den folgenden Jahren wie bei der alten Vermögensteuer mit einem geringen jährlichen Satz besteuert. Hätte den Vorteil, dass die Betriebsvermögensverschonung weitgehend vermieden werden könnte. Außerdem könnte man dauerhaft Freibeträge für selbstgenutzte Immobilien (Omas Häuschen) einbauen. Hierbei würde der Staat dann eventuell natürlich andere Steuern vom jeweiligen Erben erlangen, je nachdem, wie sich die Werte seines Erbes entwickeln. An sich muss ich aber sagen, dass ich das sogar etwas fairer finde, als eine Bewertung zu einem ggf. ja ziemlich arbiträren Wert zum Bewertungsstichtag des Erbes. Außerdem würde es den Anreiz zur gestückelten Schenkung aus Steuervermeidungsgründen vermindern.
                      So, zu den Themen war das erstmal mein letzter Post, ich glaube die wesentlichen Argumente sind sowieso ausgetauscht.

                    • Stefan Pietsch 18. Januar 2021, 22:41

                      @FS

                      Danke für die interessante und angenehme Debatte.

    • Ariane 13. Januar 2021, 13:38

      Die meisten Reichen sind selbständig und haben ihr eigenes Unternehmen gegründet.

      Das verkennt allerdings, dass auch Unternehmensgründungen auf Glück beruhen, wenn eine Finanzkrise, Pandemie, Brexit etc dazwischen kommen, heißt das ja nicht, dass die Leute nicht hart und ehrlich gearbeitet haben.
      Oder siehe die heutigen Superreichen, dass man mit etwas zu den Ersten gehörte und daraufhin in der Lage war, eine Monopolstellung aufzubauen.

      • TBeermann 13. Januar 2021, 13:40

        Und oft genug, dass man Ideen anderer „ausgeliehen“ hat und sie besser vermarktete, als die eigentlichen Urheber.

      • Stefan Pietsch 13. Januar 2021, 18:30

        Das verkennt allerdings, dass auch Unternehmensgründungen auf Glück beruhen, wenn eine Finanzkrise, Pandemie, Brexit etc dazwischen kommen, heißt das ja nicht, dass die Leute nicht hart und ehrlich gearbeitet haben.

        Nein. Nein. Nein.

        Du zählst absolut singuläre Ereignisse auf, die innerhalb eines Jahrhunderts einmal vorkommen und so selten sind, dass nicht einmal Versicherungen sie erwarten. Zweitens gehört es gerade zum Wesen von Unternehmertum, sich auf veränderte Umweltbedingungen anpassen zu können. Kapitalgesellschaften müssen in Europa wie den USA einen Risikobericht als Teil des Lageberichts abgeben. Eine typische Bedingung für unternehmensinhärente Risiken ist die Änderung von Gesetzen durch die Politik. Nicht erwähnt sind Pandemien und BREXITs. Wenn der Staat vollständig die Regeln (oft gegen die Verfassung) ändert, dann ist das etwas, wogegen niemand Vorkehrungen treffen kann. Das ist dann eben nahe an der reinen Willkür und die passt eigentlich nicht zu einem Rechtsstaat.

        Ich habe einige Millionäre als Unternehmensgründer kennengelernt. Deren Erfolg wie Misserfolg war kein Zufall. Und wenn sie scheiterten, wussten sie weshalb. Was niemand als Begründung herangeführt hat: die Kunden kauften nicht mehr, andere haben mir alles weggenommen. Das sind die Erklärungen von Versagern, echte Unternehmen wissen um die eigene Verantwortung.

        Bitte hör‘ mir auf mit den Superreichen. Stefans Einlassung bezog sich nicht auf diesen kleinen Kreis und diese werden durch die Besteuerung auch nicht vorrangig getroffen. Nur, schau‘ in die USA und Du wirst erkennen: da ist kein Zufall dahinter, sondern Strategie.

        Übrigens geht es nicht um den Faktor „hart arbeiten“. Niemand bestreitet, dass auch Putzfrauen, Pfleger und Müllmänner hart arbeiten können. Was ihnen jedoch völlig abgeht sind Risikobereitschaft, Entscheidungsstärke und ein beeindruckendes Maß an Selbstdisziplin wie Frusttoleranz. Deswegen sind sie ja auch keine Unternehmer, sondern Putzfrauen, Pfleger und Müllmänner.

        • derwaechter 13. Januar 2021, 21:46

          „Du zählst absolut singuläre Ereignisse auf, die innerhalb eines Jahrhunderts einmal vorkommen und so selten sind, dass nicht einmal Versicherungen sie erwarten.“

          Also in den letzten gut hundert Jahren gab es mehrere internationale Finanzkrisen und noch einige mehr regionale.
          Es gab auch mehrere Pandemien (zugegeben nur 2 diesen Ausmaßes) und immerhin 2 Weltkriege. Ganz so singulär sind sie doch nicht.

          • Stefan Pietsch 13. Januar 2021, 22:34

            Ich habe unzählige Annual Reports gelesen und viele (mit-) erstellt. Im Risikobericht findet sich öfter die Erwähnung von Unruhen als von Pandemien. Vielleicht ändert sich das demnächst, aber das ist Status heute. Ja, Finanzkrisen gab es einige, für die meisten Unternehmen ist ihre Bedeutung entweder untergeordnet, in jedem Fall aber sind sie nicht von jeder betroffen. 2008 hat das Unternehmen, für das ich damals arbeitete, extrem hart getroffen, viele andere, für die ich danach gearbeitet habe, hatte es keinen nennenswerten Impact.

            Es sind keine Erklärungen, warum Unternehmen Erfolg haben und andere nicht.

            • derwaechter 14. Januar 2021, 08:57

              So singulär sind sie halt nicht.
              Sie sind natürlich nicht die Erklärung, aber sicherlich ein Faktor. Es macht doch einen Unterschied für meine Erfolgsaussichten in welchem wirtschaftlichen Umfeld ich ein Unternehmen betreibe.

              • Stefan Pietsch 14. Januar 2021, 09:51

                Keine Frage. Nur eine Erklärung für lebenslangen Misserfolg sind sie nicht. In der Rezession von 2001 – 2005 hat meiner Erinnerung nach ein Unternehmensberater gesagt: Gute Unternehmer können auf Dauer immer Geld verdienen.

                Das fand ich passend.

                • Stefan Sasse 14. Januar 2021, 11:00

                  Es sei denn du hast halt Pech. Ist wie mit Arbeit suchen.

                  • Stefan Pietsch 14. Januar 2021, 11:10

                    In Abwandlung der Weisheit eines großen Fußballphilosophen: Immer Pech ist auch Unvermögen.

                    Pech gibt es nicht dauerhaft. Und ganz persönlich lasse ich das auch nicht gelten. Mein Erfolg ist eben meiner aufgrund meiner Fähigkeiten. Mein Scheitern ist meins, weil ich Dinge nicht richtig angepackt habe, nicht weil die Umstände unglücklich waren oder die Menschen nicht nett zu mir.

                    • Stefan Sasse 14. Januar 2021, 11:55

                      „Gute Unternehmer können auf Dauer immer Geld verdienen.“

                      IMMER. Und da sag ich: nein, es kann auch einfach eine Phase unverschuldeten Pechs geben.

                    • derwaechter 14. Januar 2021, 12:03

                      Ich habe gestern ein interessantes Interview mit Neven Subotic gesehen.

                      Er sagt ganz klar, dass er viel Glück hatte sein Talent anwenden zu können.

                      Wäre seiner Familie nicht erst vor dem Krieg aus Bosnien nach Deutschland gekommen und dann als die Duldung ablief weiter in die USA, hätte er es niemals als Fußballprofi geschafft.

                    • Ariane 14. Januar 2021, 18:31

                      OT: Subotic sowieso einer der ganz Großen abseits des Fußballplatzes. Da gibt es sowieso etliche Beispiele, gerade da viele Profifußballer aus Krisengebieten oder schlechten Verhältnissen stammen.
                      Das gehört eben auch zum Glück, zur richtigen Zeit den richtigen Förderern begegnet zu sein, bzw überhaupt erst aus diesen Krisengebieten herausgekommen zu sein.

                      Und was diese Diskussion recht frustrierend macht: Es sagt doch niemand, dass erfolgreiche Leute nichts können, natürlich haben die auch Talente, einen starken Willen whatever.
                      Es geht dabei doch vornehmlich darum, Leuten die da nicht sind, das nicht einfach alles abzusprechen und zu Versagern zu erklären, weil sie zb nicht reich sind, ein Unternehmen in den Sand gesetzt haben etc.

                      Das gehört nämlich mit zur Demut, auch anzuerkennen, dass man auch Glück zu seinem Erfolg braucht und das eben nicht heißt, dass man besser ist als andere.

                    • Stefan Pietsch 14. Januar 2021, 12:09

                      Lehrer gegen Manager. 🙂

                    • Stefan Pietsch 14. Januar 2021, 12:20

                      Neven Subotic war nicht gerade ein Naturtalent und als Innenverteidiger eher grobmotorig. Dennoch hat er es zum zweimaligen deutschen Meister, Pokalsieger und Champions League Finalisten gebracht. Das gelang ihm eindeutig aufgrund anderer Faktoren als Talent.

                      Die Talentscouts der Proficlubs in den Topligen sind sich sicher, dass heute kein größeres Talent auf der Welt unentdeckt bleibt. Davies hat es als knapp 18jähiger von der völlig unbekannten kanadischen Liga binnen 1 1/2 Jahre bis zum Champions League-Sieger und Weltklassespieler gebracht.

                      Ich glaube aber nicht, dass das die richtigen Maßstäbe sind. Es gilt sicher als unstrittig, dass ein hochtalentierte Menschen in Namibia deutlich schlechtere Chancen hat, sein Talent zu entfalten und zu Wohlstand zu kommen als in den USA. Darüber brauchen wir nicht zu streiten. Ich führe auch nicht den Südafrikaner Elon Musk als Gegenbeispiel an, weil es doch unfair wäre.

                      Umgekehrt bin ich der Ansicht, dass es Talente heute in der westlichen Welt so einfach haben wie noch nie in der Geschichte. Dagegen spricht auch nicht die vermeintliche Schichtenundurchlässigkeit in Deutschland. Denn wahr ist, dass es heute angesichts der weltweiten Konkurrenz zu weit mehr bedarf als Talent und die Voraussetzungen dafür sehr, sehr früh im Leben gelegt werden.

                      Wenn diese These war ist, dann muss die Gesellschaft eben auch viel früher bei Benachteiligten eingreifen, als dies mit Halbtagsunterricht bei Sechsjährigen heute der Fall ist.

                    • derwaechter 14. Januar 2021, 13:31

                      Na klar, wenn man es erst einmal zum Startstrich geschafft hat (also Talent und die Möglichkeit es auszüben) macht der Einzelne den Unterschied.
                      Aber dahin kommen ist Glück.
                      Und auch danach kann mit einer Verletzung alles aus sein.

                      Talentscouts entdecken keine Spieler in Bürgerkriegsgebieten.

                    • Stefan Pietsch 14. Januar 2021, 20:09

                      Erstens: ich habe Menschen nicht zu Versagern erklärt. Zweitens: Als ich Donald Trump zu einem Loser erklärte, bekam ich Zustimmung und keine Zurückweisung. Anscheinend ist es in Ordnung, jemanden, der in seinem Leben etwas aufgebaut hat, aber politisch nicht auf der eigenen Linie liegt, zum Loser zu stempeln, nicht aber pauschal solche Menschen, die in ihrem Leben nichts Sichtbares auf die Kette bekommen lassen.

                      Kannst’e ruhig zum Nachdenken nehmen. 😉

                    • Stefan Pietsch 14. Januar 2021, 20:18

                      Top-gemanagte Spieler legen mit höherer Wahrscheinlichkeit eine Idealkarriere hin als solche, wo es im Hintergrund an Management fehlt. Michael Ballack und Philipp Lahm stehen für ersteres, Ballack hatte nur zum Schluss seiner Karriere Pech.

                      Anderer Fall: Mario Götze galt als größtes Talent in Jahrzehnten. Früh schoß er zudem ein historisches Tor. Dennoch leistete er sich in der eigentlichen Karrierehochphase zwei schlechte Wechsel, solche, von denen professionelle Berater abgeraten hätten. So versandete seine Karriere. Dass er dazwischen natürlich auch Pech mit Verletzungen und Erkrankungen hatte, begleitet das Bild, es dominiert es nicht.

                      In wenigen Bereichen spielen situationsbedingt Glück und Zufall so eine wichtige Rolle wie im Fußball. Und dennoch lässt sich nicht behaupten es wäre Pech, dass der ruhmreiche Hamburger SV Zweitligist ist. Und es ist kein Zufall, dass der 1. FC Köln wieder in höchste Abstiegsnöte schwebt. In den letzten zweieinhalb Jahrzehnten schaffte der Club selten 40 Punkte in einer Saison, die Entscheidungswege sind kompliziert, viele Köche reden mit. Umgekehrt ist auch der Erfolg von RB Leipzig kein bisschen Zufall und ohne zu großes Geld, dafür aber eine kluge Strategie bewerkstelligt. Zufall ist, ob man Zweiter oder Vierter wird, aber nicht, dass man in der Spitzengruppe sich befindet.

                    • Ariane 14. Januar 2021, 20:32

                      Jetzt lasst doch mal den armen HSV^^ Schalke ist doch jetzt die Skandalnudel.

                      Würde als Gegenbeispiel Sebastian Deisler nennen. In kleinerem Maßstab vielleicht auch Reus – glaub der hat noch kein National-Turnier gespielt, weil er immer ungünstig verletzt war.

                    • derwaechter 15. Januar 2021, 09:40

                      Reus durfte 2018 ran 🙂

                    • Ariane 15. Januar 2021, 15:14

                      Das spricht ja fast für mein „Pech-Argument“ 😀

                    • Erwin Gabriel 15. Januar 2021, 12:06

                      @ Ariane 14. Januar 2021, 18:31

                      Und was diese Diskussion recht frustrierend macht: Es sagt doch niemand, dass erfolgreiche Leute nichts können, natürlich haben die auch Talente, einen starken Willen whatever.

                      yep

                      Es geht dabei doch vornehmlich darum, Leuten die da nicht sind, das nicht einfach alles abzusprechen und zu Versagern zu erklären, weil sie zb nicht reich sind, ein Unternehmen in den Sand gesetzt haben etc.

                      Nein, darum geht es nicht. Darum geht es auch Stefan P. nicht.

                      Das gehört nämlich mit zur Demut, auch anzuerkennen, dass man auch Glück zu seinem Erfolg braucht und das eben nicht heißt, dass man besser ist als andere.

                      Zufallsbedingtes Glück (meine Schwester schenkt mir einen ausgefüllten Lottoschein,mit dem ich 20 Millionen gewinne) ist sehr, sehr selten.

                      Im Normalfall ist „Glück“ weitestgehend (privat und beruflich) das individuelle Erkennen und Nutzen von Chancen, die andere vielleicht nicht sehen oder nutzen können.

                      Auch das mag Gründe haben, für die man nichts kann (Intellekt, Bildung, Elternhaus, Umfeld etc.), aber die herrschenden Bedingungen sind stets für eine große Gruppe von Menschen (oder auch Unternehmen) gleich, werden aber unterschiedlich genutzt.

                    • Stefan Sasse 15. Januar 2021, 14:44

                      Ich meine mit Glück auch keinen Lottogewinn oder solche externen Faktoren, sondern das Glück, in strukturelle Privilegien reingeboren zu werden. Elternhaus etc.

                    • Ariane 15. Januar 2021, 15:15

                      Jep, so meinte ich das auch.

                    • Erwin Gabriel 17. Januar 2021, 19:40

                      @ Ariane, Stefan

                      Wenn es Euch nur darum geht, dass man, wenn man in einpriveligiertes Elternhaus hinein geboren wird, Glück hat, hätte man es bei diesem ziemlich schlichten, einseitigen und verallgemeinernden Satz belassen können.Das ist halt „fact of life“, genau so, wie es an einigen Stellen zuviel regnet und an anderen zuwenig, oder die eine mit XX-, der andere mit XY-Chromosomen auf die Welt kommt.

                      Man hat es auch dort nicht immer leicht: Praktisch alle meiner Jugendbekanntschaften, die eine Drogen-Laufbahn einschlugen, politisch in Extreme rutschten oder sich bei allen möglichen Selbstfindungsaktivitäten komplett verloren, stammten aus finanzstarken Haushalten.

                      Aber wie dem auch sei; entweder man macht es sich einfach und sagt, wer mit dem Goldenen Löffel im Mund geboren wurde, ist quasi mit dem ersten Luftholen schon durch, und die anderen schaffen es eh nicht (eine für mich irritierende Ansicht, die ich nicht teile). Oder man gesteht sich ein, dass es auch bei gleichen Voraussetzungen unterschiedliche Entwicklungen, unterschiedliche Umsetzungen von Erfolg gibt.

                      Wenn alles schon so vorbestimmt ist, sind wir nur Aufziehpüppchen. Dann hat eigentlich keiner von uns in diesem Leben irgendetwas verloren.

                    • Stefan Sasse 17. Januar 2021, 23:06

                      Ne, von vorbestimmt redet keiner. Mir geht es wie gesagt eher darum, dass das halt alles massiv einfacher macht. Das ist keine Garantie für Erfolg, genausowenig wie niedrige Ursprungsverhältnisse eine Garantie für Misserfolg sind.

            • Erwin Gabriel 14. Januar 2021, 18:17

              @ Stefan Pietsch 13. Januar 2021, 22:34

              Es sind keine Erklärungen, warum Unternehmen Erfolg haben und andere nicht.

              Das ist der maßgebliche Punkt.

              Ich kenne fast ausschließlich Unternehmer persönlich, die Ihr Geschäft selbst aufgebaut haben. Praktisch allen ist zu eigen, dass sie eine starke Verantwortung für ihr Unternehmen und für ihre Mitarbeiter haben, dass sie einen ausgeprägten eigenen Willen und einen starken Willen haben, und dass sie durchaus gestaltungsfreudig sind.

              Die meisten sehen große Schwierigkeiten als Probleme, und Probleme als Herausforderungen an. Sie verstehen, dass man über schlechte Situationen nicht jammern braucht (fluchen – ja, durchaus; aber nicht jammern), sondern sie lösen muss.

              Diese Eigenschaften schützen nicht vor Fehlentscheidungen, aber die Anlage ist halt da, mit Fehlern konstruktiv umzugehen.

              Es gibt für alle Ausnahmen, aber die maßgeblichen Hauptströmung ist wie von Dir beschrieben.

              • Erwin Gabriel 14. Januar 2021, 18:20

                … dass sie einen ausgeprägten eigenen Willen und einen starken Willen haben, …

                Autsch. Sollte etwa so laufen:

                … dass sie einen ausgeprägten eigenen Willen und eine starke Abneigung gegen Bevormundung haben … haben, …

              • Stefan Pietsch 14. Januar 2021, 20:28

                Ich kenne auch solche, die sich nicht sonderlich um ihre Mitarbeiter geschert haben und ihr Unternehmen als Weihnachtsgans betrachteten.

                Aber eins ist allen gemein: Probleme sind kein Grund zum Verzweifeln, sondern zum Ändern. Das ist allen erfolgreichen Menschen gemein. Frusttoleranz ist dabei eine enorm wichtige Kategorie und um diese ist es bei immer mehr Menschen schlecht bestellt. Wie soll es auch anders sein, wenn selbst Computerspiele so konstruiert sind, dass die Spieler schnell und leicht Erfolgserlebnisse erzielen.

                • Erwin Gabriel 15. Januar 2021, 11:52

                  @Stefan Pietsch 14. Januar 2021, 20:28

                  Ich kenne auch solche, die sich nicht sonderlich um ihre Mitarbeiter geschert haben und ihr Unternehmen als Weihnachtsgans betrachteten.

                  Da sind Deine Erfahrungen zweifellos größer:-)

                  Aber eins ist allen gemein: Probleme sind kein Grund zum Verzweifeln, sondern zum Ändern. Das ist allen erfolgreichen Menschen gemein.

                  So war’s gemeint von mir.

        • Ariane 14. Januar 2021, 05:00

          Du zählst absolut singuläre Ereignisse auf, die innerhalb eines Jahrhunderts einmal vorkommen und so selten sind, dass nicht einmal Versicherungen sie erwarten

          LOL, ich hab drei Ereignisse aufgezählt, die in den letzten 10 Jahren stattgefunden haben! Wie Wächter auch sagt, hätten wir noch etliche andere auswärtige Katastrophen, wenn wir das auf ein Jahrhundert aufziehen.

          Nicht erwähnt sind Pandemien und BREXITs. Wenn der Staat vollständig die Regeln (oft gegen die Verfassung) ändert, dann ist das etwas, wogegen niemand Vorkehrungen treffen kann. Das ist dann eben nahe an der reinen Willkür und die passt eigentlich nicht zu einem Rechtsstaat.

          Ähm ja, ein Volksentscheid und eine Pandemie. Aber immer schön da plötzlich staatliche Willkür und Unrechtsstaat reinrühren. Sorry, das ist echt lächerlich.

          Bitte hör‘ mir auf mit den Superreichen. Stefans Einlassung bezog sich nicht auf diesen kleinen Kreis u

          Stefan hat damit überhaupt nichts zu tun, du meintest den kleinen Kreis von Unternehmensgründern in den Himmel zu loben und zu den einzig Wahren Gesegneten zu ernennen, die nicht auf Glück angewiesen sind, sondern alles aus eigener Leistung erwirtschaftet zu haben, während der Rest halt nicht nur Pech hat, sondern Versager sind, oder Putzfrauen leider zu wenig Risikobereitschaft, Selbstdisziplin und Frusttoleranz haben.
          Das ist ähm eine höchst exklusive Sichtweise, nett gesagt.

          • Stefan Pietsch 14. Januar 2021, 09:18

            Auch wenn es zeitliche Klumpungen gibt, bleiben es singuläre Ereignisse. Wann in Deinem bisherigen Leben hast Du eine Pandemie erlebt? Wie oft in Deinem bisherigen Leben warst Du von einer Finanzkrise betroffen? An wie viele Austritte aus der EU kannst Du Dich erinnern? Niemand kann sein Leben ordentlich aufbauen, wenn er sich in der Erwartung solcher Ereignisse ausrichtet. Das gilt für Unternehmen gleichermaßen.

            Die dotcom-Blase 2001 haben starke Unternehmen mit einem ordentlichen Businessplan und tragfähigem Geschäftsmodell, allen voran Amazon und eBay, problemlos überstanden. Andere sind verschwunden. Auch wenn es manchem nicht gefällt: das ist der Sinn des kapitalistischen Systems. Auch die Finanzkrise hatte dort reinigende Effekte, wo man das System wirken ließ. Andere behaupten, Italien, eigentlich ohne starken Finanzsektor, sei über ein Jahrzehnt später immer noch Opfer dessen, was 9.000 Flugmeilen westlich irgendwann passiert war.

            Der Volksentscheid war eine Laune der Demokratie. Zufällig, im Ergebnis willkürlich und auf der Entscheidungsgrundlage ein Wahnsinn des Wählers. Mit der eigenen Existenzgrundlage spielt man eigentlich nicht. Es sei denn, man wurde vom Hafer gestochen. Ja, die Pandemie. Es gibt Länder, die zeigen, dass man nicht alles ruinieren muss, um die Bevölkerung vor einem zwar gefährlichen, aber keineswegs herausragend lethalen Virus zu schützen. Mit dem steten Staatsversagen ist gerade in Deutschland mit einer anderen Erwartungshaltung nicht unbedingt zu rechnen.

            Stefan hat damit überhaupt nichts zu tun, du meintest den kleinen Kreis von Unternehmensgründern in den Himmel zu loben (..).

            Dieser Kreis der Unternehmensgründer ist zahlenmäßig immer noch ein Mehrfaches größer als die Schicht der Superreichen. Gleichzeitig legst Du eine Verachtung an den Tag gegenüber einem Wirtschaftsbereich, der zur Fortentwicklung absolut existenziell ist.

            Unternehmen scheitern. Das gehört zur Normalität. Doch was Normalität ist, ist für Otto-Normalverbraucher Anlass zu Spott und Häme. Unternehmen und Menschen scheitern, weil sie Trends, Entwicklungen, die eigenen Fähigkeiten falsch eingeschätzt haben oder unorganisiert sind. Doch Scheitern ist nicht das Ende der Geschichte. Zum Erfolg gehört das Scheitern notwendigerweise dazu. Viele verstehen das nicht und bleiben liegen.

            Das ist nicht Pech, das ist eine freiwillige Entscheidung. Mir ist kein Unternehmen und kein Mensch begegnet, wo die Ursache des Scheiterns nicht bei ihm selbst lag. Das schließt mich ein. Kein einziger.

            Kluge Menschen wissen darum und lernen aus ihren Fehlern. Dumme werden trotzig.

            • Ariane 14. Januar 2021, 18:43

              Dieser Kreis der Unternehmensgründer ist zahlenmäßig immer noch ein Mehrfaches größer als die Schicht der Superreichen. Gleichzeitig legst Du eine Verachtung an den Tag gegenüber einem Wirtschaftsbereich, der zur Fortentwicklung absolut existenziell ist.

              Darauf hinzuweisen, dass auch Unternehmertum auf Glück beruht ist nun wirklich keine Verachtung. Jemand, der meint, Putzfrauen hätten keine Frustrationstoleranz und Beamte generell faul sollte da vielleicht sowieso die Füße stillhalten. Ich sehe auch nicht so genau, wo du hier einen Affront konstruierst. Das ist doch eigentlich eine Binse, dass niemand auf der weiten Welt sein Leben rein auf sein eigenes Können (was ja auch irgendwie wieder Glück ist btw) aufbaut, sondern immer auf Umstände, die richtigen Begegnungen und eben Glück angewiesen ist. Und im Gegenzug, die Stefan im Post erwähnt hat, eben immer auch Ereignisse eintreten können, die niemand beeinflussen kann und die das Leben durcheinander würfeln.

              • Stefan Pietsch 14. Januar 2021, 20:05

                Darauf hinzuweisen, dass auch Unternehmertum auf Glück beruht ist nun wirklich keine Verachtung.

                Wenn man das ohne Kenntnis realer Verhältnisse und ohne sonstige Belege behauptet, schon.

                Jemand, der meint, Putzfrauen hätten keine Frustrationstoleranz und Beamte generell faul sollte da vielleicht sowieso die Füße stillhalten.

                Beides wurde so nicht behauptet. Von daher brauche ich auch nicht die Füße stillzuhalten. 🙂

                Das Glück besteht darin, in eines der reichsten Länder geboren zu sein, in stabilen rechtsstaatlichen Verhältnissen zu leben. Alles andere hat wenig mit Glück zu tun. Ich hatte mal mit der Industrie- und Handelskammer gesprochen, die meisten, die Unternehmen gründen wollen, denken an Hausmeisterdienstleistungen u.ä. Es gehört nicht viel Pech dazu, wenn solche Versuche total schief gehen.

                Ich habe wie gesagt (sehr) viele Unternehmen gesehen und für eine ganze Reihe gearbeitet. Meine Erfahrung scheint Euch da jedoch völlig egal. Wenn ich bei Stefan sagen würde, er habe keine Ahnung, wie es an Schulen zugehe, wie würdest Du mich da etikettieren?

                Die meisten Unternehmen durchleben mal Krisen. Der langfristige Erfolg bemisst sich vor allem daran, wie sie diese gemeistert haben, nicht, warum sie da einfach Pech gehabt hätten.

                • Ariane 14. Januar 2021, 20:18

                  Naja, ich arbeite in einem Unternehmen und generell für viele Selbständige und du sprichst mir doch trotzdem jegliche Kenntnis ab? Von daher halte ich die Beschwerde doch recht wohlfeil.
                  Es gibt ja durchaus noch andere Unternehmen als Berliner Start-Ups, man munkelt, es gibt sogar erfolgreiche Hausmeisterunternehmen^^

                  Und wie gesagt, ich hab nie angezweifelt, dass man noch mehr als Glück braucht, das eine schließt das andere doch überhaupt nicht aus.

                  • Stefan Pietsch 14. Januar 2021, 20:32

                    Das ist ja wieder Wahnsinn mit Dir! Ich spreche Dir nicht Kenntnisse ab. Ich habe mich beschwert, dass meine, auch an Beispielen demonstrierte, Erfahrungen schlicht ignoriert werden. Das ist bestenfalls unhöflich.

                    Stefans These ist in seinem Portpourri, dass der Erfolg von reichen Unternehmern vor allem auf Glück beruht. Zeitpunkt verpasst, dagegen Einspruch zu erheben. 🙂

      • Stefan Sasse 13. Januar 2021, 19:14

        Und dass die meisten Unternehmen mit Vermögen gegründet werden, das aus der Familie oder den familiären Connections kommt.

        • Stefan Pietsch 13. Januar 2021, 19:36

          Quatsch. Wir können mal willkürlich ein paar Berliner Start-ups nehmen. Da steckt kein Familienvermögen drin. Nur ein Beispiel: eines der bekanntesten deutschen Start-ups, der Modeversender Zalando, wurde mit dem Kapital der Samwer-Brüder gegründet, die das Kapital wiederum über Beteiligungsgesellschaften eingesammelt haben. Das Modell funktioniert immer gleich: Investoren geben Risikokapital in eine Geschäftsidee (mehr ist es in der Regel nicht) und erhalten dafür Minderheitenanteile. Die Gründer halten typischerweise die Mehrheit und werden Millionäre, wenn die Idee funzt, ihre Kapitalanteile durch Going Public im Wert steigen usw. Nix Familie. So funktioniert das bei zahlreichen Unternehmensgründungen, die ich kennengelernt oder gar begleitet habe. Biontech zeigt übrigens den gleichen Verlauf.

          Das ist übrigens der tiefere Grund, warum wir seit zwei Jahrzehnten von Unternehmenskultur, Risikobereitschaft, Risikokapital und Hot Spots von Start-ups sprechen. Kann sein, dass das an den Lehrern vorbeigeflossen ist.

          • Erwin Gabriel 14. Januar 2021, 18:23

            @ Stefan Pietsch 13. Januar 2021, 19:36

            Wir können mal willkürlich ein paar Berliner Start-ups nehmen. Da steckt kein Familienvermögen drin. …

            Durchgängige Zustimmung, bis auf:

            Kann sein, dass das an den Lehrern vorbeigeflossen ist.

            Du musst nicht immer persönlich werden …

            • Stefan Pietsch 14. Januar 2021, 20:23

              Hätte Stefan auch gemacht, wenn ich so seine Erfahrungen ignorierend über Schulunterricht geschrieben hätte. Da hat er auch keine Manschetten. 😉

              • Erwin Gabriel 15. Januar 2021, 12:08

                @ Stefan Pietsch 14. Januar 2021, 20:23

                Er ist da toleranter und nicht so verbissen wie Du …

          • CitizenK 14. Januar 2021, 21:18
            • Stefan Pietsch 14. Januar 2021, 22:44

              Nein. Das Thema Unternehmenssteuern haben wir nicht einmal gestreift.

              • CitizenK 15. Januar 2021, 07:17

                Indirekt schon. Ihre Argumente waren/sind (sinngemäß):

                Die meisten Reichen haben ihren Reichtum selbst erarbeitet, durch Talent, Mut, Fleiß und Disziplin.

                Eigentum ist ein Menschenrecht und schließt die freie Verfügung und Weitergabe (Erben) ein.

                Die Steuern auf Einkommen in Deutschland sind die höchsten in der OECD, die auf Vermögen im Vergleich niedrig. Eine Vermögensteuer wäre evtl. tolerierbar, müsste aber durch Senkung der Einkommensteuer kompensiert werden.

                Korrekt wiedergegeben?

                Daraus folgt dann: Es darf auf keinen Fall höhere Steuern für Reiche geben. Nun gibt es aber, wie ich gezeigt habe, nicht wenige – auch sehr – reiche Menschen, die sagen: Das Steuersystem ist nicht gerecht, wir zahlen zu wenig Steuern – besteuert uns höher. Das sind nun wirklich keine linken Radikalinskis oder Neidhammel.

                • Stefan Pietsch 15. Januar 2021, 08:51

                  Nein. Weder indirekt noch sinngemäß.

                  Es beginnt mit der Ungenauigkeit, dass die Zuordnung von Steuern in Gruppen nach dem Destinatar erfolgt. So werden Konsumsteuern zwar meist vom Verkäufer erhoben, gemeint ist aber der Konsument, die Haushalte. Die Sozialabgaben sind gespalten, sie sollen zur Hälfte vom Arbeitgeber getragen werden, weshalb sie als Teil der Personalkosten gesehen werden.

                  Die Körperschaftsteuer und die Gewerbeertragsteuer sind Unternehmenssteuern, die Abgeltungsteuer dagegen nicht. Und so sind Erbschaftsteuern eben auch keine Unternehmensteuern, denn sie belasten als Destinatar nicht das Unternehmen, sondern den Erben.

                  Ich habe nicht gegen die Erbschaftsteuer für die Übertragung von Unternehmen argumentiert, sondern ich habe die großen Probleme dargestellt, die dabei heute entstehen. Sie können heute, wenn Sie es wollen (wie z.B. Bürgermeister), irgendwo mit sehr wenig Kapital problemlos Eigentümer eines Unternehmens werden. Das wirkliche Problem dabei: es hat zwar einen juristischen, aber keinen betriebswirtschaftlichen Wert. Besteuert wird jedoch typischerweise der Wert, den Juristen dem Objekt zumessen.

                  Wenn ich – wie übrigens auch die Skandinavier, die ja sonst als Vorbild dienen – gegen hohe Unternehmensteuern bin, dann nicht, weil Wirtschaften im Gegensatz zum normalen Leben ohne Steuerbelastung vollzogen werden sollte, sondern weil bei der hohen Mobilität des Kapitals dieses tendenziell dorthin wandert, wo die Steuern moderat oder sehr niedrig sind. Dadurch entstehen durch eine Steuer hohe gesellschaftliche Schäden, denn ohne Kapital entsteht kein Wohlstand. Und deswegen hatte ich in einem früheren Artikel dafür argumentiert, die steuerliche Belastung von Unternehmen wegzunehmen und sie allein den Eigentümern aufzubürden – denn die sind nicht so mobil.

                  Als Liberaler bin ich in Bezug auf Erbschaftsteuern (nur der Vollständigkeit halber: diese gehören zu den Steuern auf Vermögen) zwiegespalten, ich kann mir sowohl sehr niedrige als auch sehr hohe Abgaben vorstellen. Der Dreh- und Angelpunkt ist die Kompensation. Ich bin überhaupt nicht gegen Belastungen für Wohlhabende, aber diese hat sich im Rahmen der Verfassung und unter Achtung der Verfassung zu vollziehen. Jede Belastung hat in einem Rechtsstaat Grenzen. Gerade der deutsche Staat zeigt, dass die Möglichkeiten, über Steuern Einkommens- und Vermögensdrift aufzuhalten oder gar umzudrehen, begrenzt sind. Dieser hat Ursachen, denen nicht mit den Mitteln des Fiskus befriedigend beizukommen ist.

                  Da jedoch Linke geistig immobil sind, werde ich noch bis an mein Lebensende warten müssen, bis ein Angebot kommt, die Erhöhung der Erbschaftsteuer und der Vermögensteuern durch deutliche Entlastungen der Einkommen zu kompensieren.

                  • Erwin Gabriel 19. Januar 2021, 10:35

                    @Stefan Pietsch

                    Da jedoch Linke geistig immobil sind, …

                    Da würde ich für die meisten widersprechen.
                    Im Rahmen ihrer Parameter sind Linke genauso beweglich wie Liberale, Rechte, Ökos whatever

                    Sie sind nur in anderen Zimmern unterwegs, und finden die Türe in unseren Raum genauso wenig, wie wir den Zugang zu ihrem Raum finden. Aber kaum einer von uns bewegt sich im ganzen Haus.

                    • Stefan Sasse 19. Januar 2021, 13:23

                      Schöne Metapher.

                    • CitizenK 19. Januar 2021, 16:04

                      Schön gesagt. Wir könnten in DD ja eine Hausführung machen.

                    • Stefan Sasse 19. Januar 2021, 19:10

                      Ist DD nicht genau dazu da? 🙂

                    • Stefan Pietsch 19. Januar 2021, 17:21

                      Das sehe ich nicht so. Als Liberale sind wir schon qua Minderheitenposition dazu verdammt, die Mehrheit verstehen zu müssen. Diese Qualen müssen Linke nicht auf sich nehmen, im Zweifel (also immer) gehen sie in die Opposition, gerne auch gegen den eigenen Regierungschef um die wahre Lehre zu wahren.

                      Liberale, da lässt sich kaum widersprechen, sind da weit prakmatischer veranlagt. Ich verstehe Linke sehr gut. Was ich nicht verstehe, ist, wie sie dauernd mit den eigenen Widersprüchen umgehen können. Nur ein Beispiel: Die untersten 20% der Einkommenspyramide kommen lediglich in den Genuss von 32% des Sozialbudgets. Preisfrage: wie lösen wir die Probleme, die angeblich die unteren 20% noch massenhaft betreffen (Altersarmut, Obdachlosigkeit, prekäre Verhältnisse für Kinder)? Antwort: wir brauchen mehr Geld für den Sozialetat.

                      Mal mathematisch überlegt: wenn die unteren 20% nur die Hälfte des Sozialetats bekommen sollen, die Verteilung aber gleich bleibt, dann müssen wir knapp 1,4 Billionen Euro an Soziales überweisen, oder über die Hälfte des BIPs. Anders herum gesagt, kämen wir bei sonstiger Sturrheit (setzt man bei Linken besser immer voraus), würde der Staatsanteil auf 60% steigen.

                      Antwort von Linken: Na und?

                    • Stefan Sasse 19. Januar 2021, 19:11

                      Stefan, ich bin immer wieder beeindruckt von deinem jeglichem Zweifel gegenüber immunem Selbstbewusstsein.

                    • TBeermann 19. Januar 2021, 17:58

                      Lieber nicht regieren, als schlecht regieren? Von wem kam das noch noch?

                      Der Rest ist so eine unglaublich dümmliche Milchmädchenrechnung, dass es einem Grundschüler peinlich sein sollte.

                      Das Sozialbudget enthält unter anderem die Krankenversicherung, Rentenversicherung, Unfallversicherung und Pflegeversicherung. Es gibt keinen Automatismus, dass einer dieser Posten automatisch (geschweige denn im gleichen Umfang) mitwächst, wenn man etwas gegen Armut oder Obdachlosigkeit unternähme.

                      Die Anteile verschiedener Posten am Sozialbudget sind nicht festgeschrieben.

                    • Stefan Pietsch 19. Januar 2021, 20:45

                      @Stefan

                      Für Dich immer noch „Lieber“, also „Lieber Stefan“. Ansonsten bin ich sehr selbstkritisch, vor allem mir selbst gegenüber.

  • cimourdain 12. Januar 2021, 22:12

    2) Hier hast du ein schönes Beispiel für Pfadabhängigkeit. Weil Städte so auf Autoverkehr ausgerichtet sind, ist der ÖPNV nicht in der Lage diesen zu ersetzen – rein des Volumens wegen.

    5)a) Es verwirrt mich immer wieder, wie das Vorhandensein ‚böser‘ rechter CC immer wieder als Rechtfertigung der ‚guten‘ CC herhält.
    b) reduziere Kolonialismus dann aber nicht auf den Kaiserreich-Kolonialismus. Betrachte auch die Kontinuität von Kreuzzügen, Deutschritter-Ostkolonisation, Habsburger-Imperialismus (Karl V, Kaiser des HRR), polnischer Teilungen etc.. davor und Neokolonialismus via Wirtschaft und Militär heute. Und betrachte die innere Kolonialisation, die Unterdrückung der Armen, den Feudalismus, religiöse und ethnische Homogenisierung… die potentielle Liste der Sünden der Vergangenheit ist leider endlos.

    7) Interessant hierzu:
    https://parkaveproject.wordpress.com/2016/02/23/page-5/

    10) Sieh die nur das Vermischte hier an: Wir haben Parteien, die den Bürgern wegen ‚Kang oder Kodos‘ Programme aufdrängen, die sie nicht wollen (1), Politik, die wichtige Themen, bei denen es Gestaltungsmöglichkeiten gäbe, bewusst nicht angehen(2, 6,11) und Parteieliten, die Personen mit Visionen und Charisma ausbremsen(8). Und da fragst du dich, wo der Nihilismus herkommt ?

    • R.A. 12. Januar 2021, 22:43

      „Weil Städte so auf Autoverkehr ausgerichtet sind, ist der ÖPNV nicht in der Lage diesen zu ersetzen“
      Der ÖPNV kann nie „den Autoverkehr“ ersetzen. Er kann maximal einen großen Teil des Personenverkehrs ersetzen, aber auch den nie komplett.
      ÖPNV wird immer dann sinnlos, wenn zu wenige Leute zum selben Zeitpunkt dieselbe Strecke fahren wollen, insbesondere also in Randzeiten und dünn besiedelten Bereichen.
      Ansonsten kann der ÖPNV eine sehr gute Alternative sein, wenn man die richtigen Prioritäten setzt – nämlich auf Qualität und Service und nicht auf billige Fahrpreise. Der Erfolg des ÖPNV hat nur sehr wenig damit zu tun, ob man die Autos schikaniert oder nicht.

      „reduziere Kolonialismus dann aber nicht auf den Kaiserreich-Kolonialismus“
      Kolonialismus ist ein historischer Fachbegriff und meint den Kolonialismus. Der für Deutschland keine Rolle spielt, die eine Beschäftigung im Schulunterricht rechtfertigen würde.
      Die anderen von Dir genannten Themen waren eben kein Kolonialismus, aber manche davon sollten durchaus Schulstoff sein.

      7) „Interessant hierzu:“
      Ziemlich uninteressant. Das ist kein wissenschaftliches Experiment, sondern Fake Science auf Stammtischniveau.

      • cimourdain 13. Januar 2021, 22:48

        5) Hier möchte ich an zwei Punkten widersprechen:
        Zum einen gebietet es schon der Respekt gegenüber den kolonialisierten Völkern, dass man sich damit beschäftigt, auch wenn es für das Mutterland weniger bedeutend scheint. Stellen Sie sich vor, Schweden würde (weil nur kurze Episode) den Feldzug Gustav Adolfs im dreißigjährigen Krieg nicht unterrichten. Das fände ich als Deutscher nicht cool.
        Zum anderen – und deshalb fände ich den Längsschnitt so interessant-, ist der imperialistische Kolonialismus ja kein isoliertes Phänomen. Er hat eine Vorgeschichte, mit Ideen, die vor 1493 begonnen haben und Wirkung bis heute ( Barbados wurde erst letztes Jahr unabhängig)

        7) Selbst, wenn Sie das Problem der sozialpsycholgischen Studien, dass die Erwartungshaltung des Experimentators den Versuchsaufbau bestimmt,hier am Werk sehen, sollten Sie das Experiment selbst nicht so leichtfertig verwerfen. Viel zu viele der beobachteten Verhaltensweisen (Schlechte Gewinner) kann man im Alltag beobachten. Ein gutes ‚Labor‘ für diese Beobachtungen ist übrigens eine Spielbank. Boshafte Bemerkung: Das Experiment lässt sich mit diesem grotesken Produkt simulieren: https://www.spiegel.de/wirtschaft/ms-monopoly-neue-version-des-hasbro-brettspiels-bevorzugt-frauen-a-1286192.html

    • Stefan Sasse 13. Januar 2021, 08:11

      2) Exakt.

      5a) Ich empfehle dir meinen Artikel zum Thema. Ich halte CC überhaupt für eine Erfindung.
      5b) Und…?

  • Ariane 13. Januar 2021, 14:42

    1) Naja, ich denke, das hängt einfach damit zusammen, dass Identitätspolitik und Narrative viel mehr ausmachen als die eigentliche Programmatik (die en detail ja dann eh wieder niemand kennt). Dazu kommt, dass wirklich größere Änderungen sich meist sehr langfristig entwickeln, weil die Beharrungskräfte so groß sind. Daher halte ich AOC zb für sehr viel mächtiger als sie alleine auf parteipolitische Macht oder Erfolge zu reduzieren (siehe Punkt 8)

    3) Ich bin skeptisch, Zoonosen sind zum Einen überhaupt nichts Neues, zum Anderen habe ich auch schon die gegenteilige Theorie gelesen, dass sie eben eher da entstehen, wo die Menschen mit den Tieren noch sehr eng zusammenleben. Erscheint mir zumindest auch logischer, dass sich zb die Vogelgrippe eher an den Menschen anpasst, wo diese eng zusammenleben als in einer Geflügelindustrie, wo eigentlich kein Kontakt zu Menschen besteht.
    Das Problem mit der Globalisierung ist eher, dass man schneller von einer lokalen Epidemie zu einer Pandemie kommt, neben der Gefährlichkeit der Vogelgrippe hat man da ja noch das Problem, dass nicht nur die Menschen, sondern auch die Vögel sehr mobil sind^^

    6) Neben Eisenmann und Gebauer hat sich vor kurzem übrigens auch die Bremer KM hervorgetan (SPD, damit man auch alle Parteien zusammen hat) und die Eltern aufgefordert, ihre Kinder in die Schule zu schicken und sie übernehme auch gerne die Verantwortung dafür.

    https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/politik/kinder-schule-bremen-bogedan-aufruf-corona-100.html

    Dass man das alles mal nicht so aufholen kann und das alles nicht einfach ist, geschenkt, aber diese Denkverweigerung, dann lieber einen eigenen Schwurbelort drauszumachen raubt mir ja wirklich den letzten Nerv. Und ich möchte ja nur nochmal dran erinnern, dass dieser heilige und sichere Ort normalerweise nicht mal Warmwasser und Seife in ausreichenden Mengen zur Verfügung hat.

    • Stefan Sasse 13. Januar 2021, 19:14

      3) Jo, aber Menschen sind insgesamt deutlich mobiler als Vögel.

      6) Oh mann…

  • CitizenK 13. Januar 2021, 18:46

    „Freiheit und Verantwortung gehören immer zusammen“

    Sehen Sie: Schon haben wir eine Übereinstimmung. Auf die Fragen würde ich gern eingehen – ich verstehe sie nur leider nicht. Ein Versuch:
    Der Staat nimmt einem jede Verantwortung ab? Dann hätten wir keine Armut im Land.
    Man muss sich für ein Prinzip entscheiden? Nein. Was Sie „Mischmasch“ nennen, ist für mich Verhältnismäßigkeit und Kompromiss. Grundpfeiler der Demokratie.

  • Stefan Pietsch 13. Januar 2021, 23:46

    Der Staat kann keinen Wohlstand sichern. Das wissen Sie ja selbst.

    Jedes Prinzip besitzt eine zwingende Logik. Naja, zumindest die in der Wissenschaft entwickelten. Jede Ausnahme vom Prinzip durchbricht die Logik, damit die Überzeugungskraft und letztendlich die gesellschaftliche Akzeptanz. Die Staaten, die im öffentlichen Bereich gut funktionieren, haben meist die systematische Logik sehr konsequent übernommen.

    Ich habe Ihnen ein Angebot gemacht, wie die Verbindung von Freiheit und Verantwortung im Besteuerungsbereich herbeigeführt werden kann. Ich habe seit jeher ein großes Problem damit, dass Bildungseinrichtungen, die den erfolgreichen Absolventen ein weit überdurchschnittliches Lebenseinkommen ermöglichen, weitgehend kostenlos sein soll, wir aber in der Progression der Einkommensbesteuerung so scharf differenzieren wie kein anderes OECD-Land. Zwischen dem Eingangssteuersatz von 14% und dem Spitzensteuersatz von 45% (ohne Berücksichtigung des Solis) liegen spitzenmäßige 31%-Punkte!

    • Stefan Sasse 14. Januar 2021, 07:16

      Niemand kann Wohlstand sichern; letztlich ist er immer gefährdet. Aber Wohlstand erfordert letztlich ein Zusammenwirken sämtlicher Kräfte, staatlich wie privatwirtschaftlich.

      • Stefan Pietsch 14. Januar 2021, 08:41

        Die Behauptung war, wenn der Staat alle Verantwortung abnehme, gäbe es keine Armut.

        Und nein. Der Staat hat zur Prosperität freiheitliche Regeln zu setzen, Rechtsstaatlichkeit und die Infrastruktur zu sichern und sich ansonsten aus dem Wirtschaftsgeschehen herauszuhalten. Das würde ich nicht als zusammenwirken bezeichnen, sondern dass der Staat, und dass scheint in modernen Gesellschaften das Wichtigste zu sein, dem steten Drang nach Überdehnung widersteht. Das klappt gerade in Deutschland nicht so gut, in angelsächsischen Ländern umso besser.

        • CitizenK 14. Januar 2021, 09:06

          „…in angelsächsischen Ländern umso besser“…

          …wenn man von den Zeltstädten unter Autobahnbrücken in LA und den Obdachlosen in Waschmaschinenkartons in London mal absieht.

          Entscheidend ist Good Governance. Es gibt eine Reihe von armen Staaten, die mit einer guten Regierung wohlhabend sein könnten: Mexico, Iran, Libanon, Ukraine, Russland. Gaza könnte ein Urlaubsparadies sein.

          • Stefan Sasse 14. Januar 2021, 09:47

            Korrekt.

          • Stefan Pietsch 14. Januar 2021, 09:54

            Sie behaupten eine Situation, die es schon vor der Pandemie gab.

            Es geht nicht um eine gute Regierung, es geht um ein gesundes politisches System. Die Nasen an der Spitze wechseln, doch Wohlstandsaufbau ist eine sehr langfristige Geschichte. Das ist uns in Ostdeutschland trotz Billionen staatlicher Mittel ja auch nicht so gut gelungen.

          • Dennis 14. Januar 2021, 11:10

            Ja, ganz richtig, aber ich nehme an, dass das mit den Zelten und Pappkartons als Wohnung ideologisch irgendwie nicht giltet.

            Und man kann an Superideologen, die behaupten, sie wären das nicht, auch mal die Frage stellen, warum denn die Leut in Skandinavien bei weltmeisterlich hohen Steuern mit ebenso rekordverdächtigen Staatsaktivitäten hohe Zufriedenheitsgrade mit Staat und Gesellschaft zeigen und ferner auch objektiv hohe Wohlstandsgrade haben. In anderen Staaten, z.B. in Frankreich, wo der Staat auch heftig unterwegs ist, ist das wieder anders. Die Gründe liegen also offenbar eher im „gut/schlecht gemacht“ und weniger in weltanschaulichen Kolossalgemälden. Einfach mal vom hohen ideologischen Ross runter und ’n bissle pragmatischer denken 🙂

        • Stefan Sasse 14. Januar 2021, 09:47

          Oh Gott nein, die Behauptung würde ich so ja auch nicht teilen.

  • Ariane 14. Januar 2021, 05:09

    Eine Ergänzung zum Datenschutz-Irrsinn weiter oben:

    Es geht noch schlimmer, Niedersachsen hat sich da irgendwie in ein Dilemma verrannt. Während man jeden Pups eigentlich auf die Kommunen abwälzt, wollte man komischerweise das Anschreibverfahren für die Ü80 lieber selbst machen, bzw an die Post übergeben.
    Die (weil ja Privatunternehmen) dürfen aber nicht auf das Melderegister zugreifen, sondern nur auf die Vermietdatenbank, die nicht so vollständig ist.

    Besonders schön:
    Zusätzlich werden statistische Daten zum Schätzalter auf Vornamensbasis – jedoch ohne Personenbezug – herangezogen, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, die richtigen Empfängerinnen und Empfänger zu erreichen.

    Das wird bestimmt super funktionieren.

    https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/corona-impfprobleme-in-niedersachsen-adressen-von-der-post-a-821fe459-9d56-4d46-bbdf-3942f756cb1e

    Noch generell:
    Was mich ja doch recht erschüttert (vllt auch zu Stefans These von der Krise des Westens passt): Eigentlich hätte ich ja doch gedacht, dass sowas wie mal eben 80 Millionen Menschen impfen, Medizinzeugs verteilen, also klassische bürokratische Organisationsaufgaben gerade hier in Deutschland gut funktionieren. Hey, sowas können wir doch eigentlich. Stattdessen richtet man heilloses Chaos an und das mit so einem Blödsinn.

  • CitizenK 15. Januar 2021, 13:09

    „Vermögen entsteht durch Einkommen“

    Und umgekehrt. Große Vermögen durch hohe Einkommen, hohes Einkommen durch große Vermögen. Nicht immer, aber sehr oft.

    P.S. Die Zuhälter-Vergleiche (einmal zustimmend, einmal ablehnend) verstehe ich nicht. Bitte um Erläuterung.

    • Stefan Pietsch 15. Januar 2021, 16:07

      Das sieht selbst der geliebte Staat anders. Der ordnet an, dass das Vermögen eines Unternehmens auf der linken Seite einzuordnen ist und definiert es als „Mittelverwendung“. Das bedeutet, das Vermögen beschreibt, was ein Unternehmer mit dem ihm zur Verfügung gestellten Mitteln gemacht hat: Grundstücke und Gebäude gekauft, auf Ziel Waren herausgegeben und etwas Geld angelegt.

      Die andere Seite heißt „Mittelherkunft“, wobei egal ist, ob es sich dabei um reine Schulden, Eigenleistungen, Bastelkünste oder eine Geldeinlage handelt. Das ist bilanztechnisch, mithin für den Staat, alles gleich. Bilanztechnisch ist es da schwierig, aus Vermögen Einkommen zu zaubern. Eher das Gegenteil. Die Kapitalflussrechnung behauptet nämlich, dass je geringer das Vermögen einer Gesellschaft ist, desto mehr Cash bleibt in der Kasse. So ungefähr. Das ist das glatte Gegenteil Ihrer Behauptung.

      Einkommen (und später Vermögen) entsteht, indem das Wirtschaftssubjekt das zur Verfügung stehende Kapital (Kredite, bereitgestellte Sachen und Dienstleistungen, Spareinlagen) so einsetzt, dass am Ende des Tages das, was man den Finanziers des Unternehmens zu erstatten hat, geringer ist als die gesamten geschaffenen Vermögenswerte. Das funktioniert nur mit positiven Einkommen (die zwingende Bedingungen) und scheitert bei Verlusten. Einkommen ist damit die entscheidende Größe.

      Steuern haben den Zweck, heute die staatlichen Aufgaben zu finanzieren. Deswegen sind Steuern immer sofort fällig und sind immer kurzfristig. Der Bürger steht nicht in der Schuld des Staates (schon gar nicht längerfristig) und der Staat hat keine über einen festgelegten Betrag hinausgehenden Zahlungsanspruch. Zuhälter bürden ihren Nutten nicht genannte Schulden auf und zwingen sie so, auf ewig für sie zu arbeiten.

      Eine Steuerschuld, die im Heute durch ein einmaliges Rechtsgeschäft entstanden ist, kann nach diesem Verständnis nicht bis ultimo vorgetragen werden, während der Staat immer den Daumen auf dem Steuerschuldner hat.

      Die Bewertung von Unternehmen zur Festlegung der Erbschaftsteuer ist eine Wette. Der Staat behauptet, das Wirtschaftsgut habe einen bestimmten Wert, den er willkürlich festlegt. Willkürlich, weil alle bisherigen Festlegungen gezeigt haben, dass der objektive Wert sich kaum durch Rechtsnormen bestimmen lässt. Wenn der Erbe sagt, die Steuerschuld ist nicht tragbar, weil sie nicht durch Veräußerung von Vermögensgegenständen (soweit sie nicht die generelle Fähigkeit des Unternehmens gefährden, Zahlungsmittel zu erwirtschaften) oder Gewinne in einem überschaubaren Zeitraum erwirtschaftet werden können, hat der Staat die Wette verloren. Im Zweifel muss er eine Gesellschaft übernehmen, die er nicht will, weil es seinem Zweck zuwiderläuft. In diesem Fall war die Steuer eindeutig konfiskatorisch, was wiederum grundgesetzwidrig ist.

      Ich denke, es gibt klügere Lösungen. So könnte ich mir vorstellen, dass die Erben natürlich die Möglichkeit haben, die festgelegte Steuerschuld, die sich anhand des vorhandenen Eigenkapitals bemessen sollte, sofort zu bezahlen. Die zweite Option besteht darin, dieses abzulehnen. Dann erhält der Staat eine stille Beteiligung in Höhe von bis zu 10% des EK, maximal jedoch in Höhe von 20%. Stimmberechtigt sind diese jedoch nicht, mit Ausnahme der Veräußerung von Unternehmensanteilen und ähnlicher Rechtsgeschäfte.

      Der Staat partizipiert auf die Art für die Dauer von maximal 7 Jahren an den Erträgen des Unternehmens, muss aber auch kostspielige Sanierungsmaßnahmen wie z.B. Restrukturierungen finanziell mittragen. Innerhalb der 7-Jahresfrist kann der Fiskus seine Anteile zum Verkauf anbieten, wobei den Erben ein Vorkaufsrecht zusteht. Dieses kann auch ausgeübt werden, wenn ein potentieller Käufer ein Angebot vorlegt. Der Ablösebetrag liegt dann in Höhe des Angebots.

      Gelingt es dem Staat nicht, innerhalb von 7 Jahren seine stille Beteiligung zu veräußern, verfällt diese. Die Beteiligung besaß offensichtlich keinen wirtschaftlichen Wert, weshalb auf einen Wert von 0 Euro auch keine Steuer fällig werden kann. Ich hielte eine solche Methode für fair, da die Interessen von Staat und Bürger auf einer Grundlage austariert würden, die objektiv nachvollziehbar ist.

      • CitizenK 15. Januar 2021, 16:20

        „Das ist das glatte Gegenteil Ihrer Behauptung.“

        Hier liegt ein Missverständnis vor. Ich meinte das natürlich nicht bilanztechnisch, sondern alltagstauglich: Frau Klatten (oder Herr Schwarz oder Hopp) hat mehr Vermögen als ich und kann DARAUS ein wesentlich höheres Einkommen generieren, aus dem dann wieder mehr Vermögen resultiert – and so on.

        Ihre Ausführungen zur Bewertung von Unternehmen bei der Erbschaftssteuer finde ich interessant. Zeigen Sie doch, dass das Problem nicht unlösbar ist. Allerdings verstehe ich nicht, warum die Stundung oder Streckung (als Alternative?) über viele Jahre (früheres Post) ein Problem darstellt.

        • Stefan Pietsch 15. Januar 2021, 17:13

          Auch das stimmt nicht. Es ist eine betriebswirtschaftliche Überlegung, die staatlicherseits nach Kräften gefördert wird, Unternehmen mit möglichst wenig Eigenkapital zu betreiben. Wer wenig Eigenmittel einbringt, kann auch wenig verlieren. Zudem führt die Hebelwirkung durch einen hohen Anteil Fremdfinanzierung dazu, dass die Verzinsung des Eigenkapitals steigt. Glauben Sie mir: Eigentümer haben kein vorrangiges Interesse, Eigenkapital einzulegen. Das Ding muss sich selbst finanzieren.

          Ich habe zwei Beispiele genannt, an denen Sie das studieren können: Zalando / Biontech. Die Mehrheitsgesellschafter sind eins nicht: mit einem großen Vermögen gestartet.

          Ich habe nicht gesagt, dass das Problem unlösbar sei. Ich habe die Position, dass die Mittel des Steuerstaates dies nicht hergeben und übrigens dies nicht durchsetzbar wäre. Denn was Fiskalpolitiker und Kämmerer am wenigsten wollen, das bietet mein Modell in Hülle und Fülle: Risiken für die öffentlichen Kassen und Unbestimmtheit.

          Kein Unternehmer weiß, was sein Unternehmen in 10 oder 12 Jahren wert ist. Schon ein 5-Jahres-Zeitraum ist kaum überblickbar, dafür brauch‘ es keine Pandemie. Unternehmensbewertungen gehen typischerweise auch kaum weiter. Ob eine Steuerlast, die zu einem Zeitpunkt 0 nicht tragbar erscheint, in 10 Jahren angemessen ist, wird keiner einschätzen können. Doch das ist die wesentliche verfassungsrechtliche Voraussetzung einer jeden Steuer: sie muss tragbar sein und darf nicht konfiskatorisch wirken.

          Auch eine Vermögensabgabe ist unmittelbar zahlbar. Wenn wir sie heute nicht als zumutbar erachten, warum dann in 10 Jahren? Der Staat kennt als wesentliche Verfallsfristen 7 und 10 Jahre. Diese gelten deswegen, weil längere Zeiträume den Schuldner einseitig belasten. Ohne Berücksichtigung von Besonderheiten werden Schuldner nach 7 Jahren von ihrer Last befreit. Das ist eine gesellschaftliche Konvention über die Werthaltigkeit von Forderungen.

  • CitizenK 15. Januar 2021, 15:22

    „Glück“ ist auch: Nicht krank werden, keinen Unfall haben, nicht auf Betrüger treffen….

    • Stefan Pietsch 15. Januar 2021, 15:39

      Die meisten Menschen sind gesund. Nur ein Promillebereich erlebt einen nennenswerten Unfall. Gegen Betrüger hilft ein gesundes Maß an Vorsicht. Wenn das bereits Lebensglück sein soll, möchte ich mir nicht vorstellen, was für Sie Pech ist. Das Gegenteil wird ja kaum ausreichen: Krank ist für Sie anscheinend der Normalfall, genauso, wie dass die Menschen von einem das Leben umkrempelnden Unfall in den nächsten stolpern. Und die Welt ist voller Betrüger, jeden Tag nimmt einen jemand aus.

      Ich glaube, besser hätte ich die Lebenseinstellung der Linken auch nicht beschreiben können…

      • CitizenK 15. Januar 2021, 16:22

        Wie menschenverachtend Christen sein können.

        • Stefan Pietsch 15. Januar 2021, 16:59

          Was ist daran menschenverachtend? Gott hat uns nicht Leiden und Krankheit gegeben, sondern die Chance, etwas aus unserem Leben auf Erden zu machen. Das ist die positive Botschaft des Neuen Testaments. Sie kennen doch mein Lieblingsgleichnis, oder? Was uns Jesus nicht gelehrt hat: aufgeben.

          Empathie, Mitgefühl mit jenen, die es nicht so gut getroffen haben – ja. Aber glauben Sie, Gott hat uns auch Niederlagen ausgesetzt, damit wir schön nach unten gedrückt werden und verzweifeln? Jeder hat sein Päckchen zu tragen – Sie, und Sie können gewiss sein: auch ich.

          • CitizenK 15. Januar 2021, 17:17

            Sowohl Spitzenmanager als auch Spitzenpolitiker brauchen eine „eiserne Gesundheit“, das habe ich vielen Interviews mit ihnen entnommen. Dafür kann man zwar was tun, aber man hat es nicht in der Hand. Erfolgreiche geben oft auch zu, dass sie das „Glück“ (!) hatten, gesund zu bleiben. Menschen nur am Erfolg zu messen und alle anderen zu Versagern zu erklären, ist einfach – unmenschlich.

            Unter Obdachlosen gibt es eine nicht unerhebliche Zahl von ehemals Selbstständigen die eine Krankheit oder eine Scheidung aus der Bahn geworfen haben.

            Gewiss, es gibt bewundernswerte Beispiele von Menschen, die nach einem Schicksalsschlag weiter gemacht haben. Den Beruf gewechselt, ein anderes Unternehmen gegründet. Aber halt auch im „unteren Promillebereich“, den Sie offenbar als vernachlässigbar betrachten.

            Natürlich kenne ich Ihr Lieblingsgleichnis, Sie haben es oft genug zitiert. Die Bibel ist offenbar eine Art Magazin, aus dem jeder das nehmen kann, was ihm in den Kram passt. Das mit dem Kamel und dem Nadelöhr lassen sie liegen.

            • Stefan Pietsch 15. Januar 2021, 17:39

              Sie tun auch einiges dafür. Der frühere Bahnchef Grube ist jeden Morgen vor 5 Uhr um die Alster gejoggt. Ich mache mit deutlich über 50 noch Kraft- und Ausdauertraining. Zudem ernährt man sich in diesen Funktionen überproportional gesund.

              Auch vor 1990 gab es Spitzenmanager, nur waren die häufig deutlich übergewichtig und hatten ungesunde Lebensgewohnheiten wie Rauchen, übermäßiges Essen und Alkohol. Wer heute in Spitzenfunktionen will, weiß, dass der eigene Körper zum Kapital gehört. Sie stehen keinen 12, 14 Stundentag mit vielen Meetings durch, wenn Sie in ihrer Lebensweise nicht ein Stück asketisch sind.

              Viele Menschen haben das nicht, weshalb Deutschland zu den übergewichtigsten Nationen der Welt gehört. Dann sind Gesundheit und Lebenserwartung aber kein Glück, sondern das Ergebnis von Planung und Lebensweise. Und das mag nicht auf jeden zutreffen, aber im Prinzip mit hoher Wahrscheinlichkeit.

              In meiner Familie gab es schwere Schicksalsschläge. Mein Vater hat direkt nach dem Krieg gehungert, er hat noch als Kind Vergewaltigungen seiner Schwestern erlebt, er hatte als junger Erwachsener schweres Rheuma bekommen. Denken Sie, das hätte ihn zurückgeworfen? Meine Schwägerin ist durch eine falsche Impfung im Kindesalter zu einer voll schwerbehinderten Person geworden, die unzählige Operationen über sich ergehen lassen musste. Was sie am wenigsten will, ist Mitleid, es beleidigt sie. Sie hat ihr Leben gemeistert ohne immer mit ihrer Behinderung zu wedeln.

              In Deutschland muss niemand obdachlos los. Der Staat sichert de facto den Anspruch auf eine eigene beheizte Wohnung. Wenn Menschen auf der Straße leben, kommen einige Faktoren dazu: Alkoholismus, Desorientierung, Krankheit, Scham. Eins ist diesen Faktoren allen gemein: mit Mitleid kommt man nicht weit und kann die Situation nicht verbessern.

              Jesus hat sich um die Beladenen gekümmert. Aber nicht dergestalt, ihnen Almosen zu geben. Die Gleichnisse erzählen davon, wie er Menschen geheilt hat, wenn sie glaubten. Und noch eins: Vor Jahren hat RTL ein Experiment veranstaltet, was an dem Spruch dran sei, dass manche das Pech regelrecht anziehen. Bemerkenswert war an dem Ergebnis (so wie ich es in Erinnerung habe), dass die Einstellung und innere Haltung sehr weit bestimmte, was einem widerfuhr und wie man danach darstand.

              P.S.: Sehr erfolgreiche Menschen sind weit überproportional verheiratet und haben Kinder. Sind sie nun verheiratet und haben Kinder, weil sie erfolgreich sind? Oder sind sie erfolgreich, weil sie verstanden haben, dass man zum Erfolg Vertrauen haben und langfristige Bindungen eingehen muss?

              • CitizenK 16. Januar 2021, 19:11

                „Der Staat sichert de facto den Anspruch auf eine eigene beheizte Wohnung.“

                Das stimmt erstens nicht und hat zweitens mit dem Thema nichts zu tun.

                • Stefan Pietsch 17. Januar 2021, 12:26

                  Sie sind enorm mundfaul. Nicht einmal eine Begründung liefern Sie.

                  Nach § 22 SGB II deckt der Staat die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Kosten.

                  • CitizenK 17. Januar 2021, 15:21

                    Und wenn Sie nicht nur Bilanzen und Börsennachrichten lesen würden, bräuchten Sie hier keine Nachhilfe:
                    Eigene Wohnung statt Obdachlosenheim
                    „Das Prinzip funktioniert so gut, dass in Finnland die Zahl der Langzeitobdachlosen seit dem Start um mehr als ein Drittel gesunken ist. Denn die Heime waren für viele Menschen auf der Straße keine Alternative. Eine eigene Wohnung aber schon. Deshalb wurden viele dieser Heime umgebaut in Wohnungen. In großen Städten setzt man auf das Housing-First-Prinzip.

                    In Deutschland kaum Housing-First-Projekte
                    In Deutschland läuft das anders. Bevor Obdachlose über Hilfsprogramme eine Wohnung bekommen, müssen sie erst mal ihre Wohnfähigkeit beweisen: Sie schlafen in großen Unterkünften, müssen da Koch- oder Putzdienste übernehmen, Therapien mitmachen, ihre Drogen- oder Alkoholsucht besiegen. Doch das schaffen nicht alle.

                    https://www.deutschlandfunknova.de/beitrag/obdachlosigkeit-erst-die-wohnung-dann-der-rest

                    Hier dürfen die tagsüber noch nicht mal in die Wärmestuben, es sei denn bei extremen Minusgraden.

                    • Stefan Pietsch 17. Januar 2021, 19:57

                      Die Behauptung war, dass in Deutschland niemand obdachlos sein muss, weil der Staat de facto eine Unterkunft finanziert.

                      Es muss auch niemand im Gefängnis sitzen oder hungern. Doch wenn man sich einmal für einen Weg entschieden hat, gibt es keine Garantie, dass ein Umentscheiden problemlos möglich ist. Wer eine Straftat begangen hat, wird trotz Reue erst die Strafe absitzen müssen. Wer sein gesamtes Geld und die Transferleistungen verschleudert, läuft Gefahr, zumindest einige Tage hungern zu müssen.

                      Und wer sich entschieden hat, vor der Gemeinschaft zu flüchten, wird nicht unbedingt per Fingerschnippsen eine Wohnung bekommen. Auch das ist Eigenverantwortung. Wir tragen die Konsequenzen für das, was wir tun oder unterlassen. Darin unterscheiden wir Liberalen uns von Sozialisten, die einen bemutternden Staat wünschen.

                      Wäre es anders, sollten für überlegen, nicht alle, die weniger als ein sechsstelliges Einkommen beziehen, unter Betreuung zu stellen. Das beantragen ohnehin immer mehr Menschen, weil sie sich von dem Lebensentscheidungen überfordert fühlen. Es scheint auch Ihr Ideal zu sein.

                      Der Staat soll helfen. Aber er kann die Menschen nicht vor den Konsequenzen ihres Tuns beschützen oder befreien.

                    • Stefan Sasse 17. Januar 2021, 23:07

                      Als Seitenfrage: Ich hab nie verstanden, warum in Deutschland überhaupt deutsche StaatsbürgerInnen obdachlos sind. Hartz-IV sollte das ja theoretisch abdecken. Kann mich da jemand aufklären?

                    • Stefan Pietsch 18. Januar 2021, 01:32

                      Das ist es ja, und CitizenK versucht, etwas völlig anderes zu erzählen. Während meiner Studentenzeit habe ich versucht herauszufinden, warum Menschen obdachlos sind. Ich habe es nicht herausbekommen. Ja, es gibt einen Zusammenhang zwischen Konjunktur und Odachlosigkeit und wäre ich ein Linker, würde ich an dieser Stelle abwehren: Korrelation, nicht Kausalität. So ist es natürlich nicht und bekanntlich bin ich kein Linker.

                      Niemand wird obdachlos geboren. Das Kind einer Frau, die auf der Straße lebt, wird zu Pflegeeltern gegeben, wo es mindestens so lange bleibt, bis die Mutter eindeutig stabil ist oder das Kind mindestens das 18. Lebensjahr vollendet. Wer 25 ist und irgendwann von den Eltern vor die Tür gesetzt wird, erhält eine lange Übergangsfrist, sich eine Bleibe zu suchen. Die gibt es. Nicht unbedingt in Berlin, Hamburg oder München, aber sie gibt es zur Genüge. Der Sozialstaat sichert eine Unterkunft, er sichert sie nicht in einer bestimmten Gegend.

                      Damit jemand tatsächlich auf der Straße landet, hat er eine ganze Menge Entscheidungen getroffen. Wohlgemerkt, wir reden hier von Erwachsenen, Menschen, denen wir unbedenklich zubilligen, einen Handyvertrag abzuschließen oder einen Kredit zu beantragen. Das ist Verantwortung.

                      Natürlich sind die Geschichten von Obdachlosen immer tragisch, sie rühren uns. Davon bin ich nicht ausgenommen, ich bin auch Mensch. Aber: es ist selbstgewählt. Um dies zu ändern, muss der Obdachlose dies wollen. Nicht selten handelt es sich um Drogensüchtige, die in einem Kreislauf sind. Doch es bleibt dabei: aus diesem Kreislauf können sie nur ausbrechen, wenn sie es selbst wollen.

                      Sozialarbeiter und Sozialforscher wissen: dies ist außerordentlich schwer, fast jeder, der es wirklich am Ende schafft (wofür es keine Garantie gibt), muss ganz unten sein. Es reicht nicht, einem Obdachlosen zu sagen, ich gebe Dir eine Unterkunft und Du kannst jeden Tag Dein Essen an einem bestimmten Ort abholen. Diese Menschen scheitern meist bei der Rückkehr in ein selbstbestimmtes Leben.

                      CitizenKs Sozialverständnis sichert und garantiert Opfer, die man bemitleiden kann und die als Begründung für Sozialleistungen herangeführt werden. Doch wenn man nicht die Hälfte der Reportage sieht, sondern in Gänze, dann versteht man (vielleicht), dass Hilfe für solche Menschen sehr, sehr schwer ist. Niemand kann ihnen die Ursachen ihrer Entscheidungen nehmen oder heilen. Die Familie kehrt nicht zurück, der Alkohol geht nicht vorbei, solange man immer eine weitere Flasche will, die Spritze muss weggeworfen werden, damit sie nicht mehr in der Ader steckt.

                      Der Sozialstaat hilft. Aber man muss auch die Hilfe wollen. Und dann muss man sich an bestimmte Regeln halten, die jede Gemeinschaft zwingend fordern muss. Auch von solchen, die einmal auf der Straße gelebt haben.

                      Das alles ist kein Argument, dass jemand in Deutschland auf der Straße leben muss. Bevor es dazu kommt, stehen Entscheidungen, die nur der Wohnungslose irgendwann für sich (!) getroffen hat.

              • Marc 17. Januar 2021, 11:00

                Jesus hat sich um die Beladenen gekümmert. Aber nicht dergestalt, ihnen Almosen zu geben. Die Gleichnisse erzählen davon, wie er Menschen geheilt hat, wenn sie glaubten.

                So ein Quatsch. Jesus steht für die bedingungslose Nächstenliebe, auch Feinden ergo Ungläubigen gegenüber. Er war ein linker Revolutionär.

                • Stefan Sasse 17. Januar 2021, 13:36

                  Mir wäre neu, dass er nur Gläubigen half. In den Gleichnissen werden die häufig nach dem Wunder gläubig.

    • Stefan Sasse 16. Januar 2021, 12:02

      Genau.

  • CitizenK 17. Januar 2021, 23:21

    Ohne Wohnung kein Job – und ohne Job keine Wohnung. Hast Du nicht selbst mal was über die Housing-Initiative geschrieben?
    Es gibt ja nicht mal genug (Sozial-) Wohnungen für Inhaber von „Wohnungsberechtigungsscheinen. Wo sollen da die Wohnungen für (dann ehemalige) Obdachlose herkommen? Obdach e.V. kann einige wenige vermitteln, Tropfen auf den heißen Stein.

    Allerdings gibt es auch eine (kleine) Zahl von dissozialen Menschen (und nur für die trifft Stefan Pietschs Verdikt zu), die als Mieter nicht zumutbar sind, weil sie Wohnungen vermüllen oder zerstören. Einige wenige ziehen die „Platte“ einem bürgerlichen Leben vor, wollen gar keine feste Wohnung.

    • Stefan Pietsch 18. Januar 2021, 01:40

      Erzählen Sie bitte nicht, wir wären die USA. Es wäre sinnvoll, sich mal die Verhältnisse in den USA vor Ort zu betrachten, dann lernen Sie vielleicht den deutschen Sozialstaat etwas mehr schätzen. Ich habe in vielen Gegenden der Welt Armut gesehen. Und Obdachlose. Aber die waren obdachlos, weil es keinen Sozialstaat gibt, der ihnen eine Wohnung bezahlt, keinen, bei dem sie jede Woche einen festen Geldbetrag abholen können.

      Das, CitizenK, ist echte Armut. Nicht das, was Sie hier immer skizzieren. Reportagen in den Öffentlich-Rechtlichen können Ihnen keinen echten Eindruck geben, was selbst in einem Land wie den Vereinigten Staaten Tag für Tag passiert, wie Menschen um ihre Existenz kämpfen müssen. Sie gehen hin und sagen: „Oh, das lebt jemand auf der Straße, das muss doch nicht sein, was haben wir da als Gesellschaft falsch gemacht?“ Gar nichts, das ist die Geschichte.

      Fragen Sie das mal auf den Straßen von Miami, New York, San Francisco, Buenos Aires, Sao Paulo, Adelaide oder Santiago. Dann kommen wir sicher auf einen gemeinsamen Nenner.

      • CitizenK 18. Januar 2021, 07:20

        In diesem Punkt sind wir doch gar nicht so weit auseinander. Aus diesem Grund kam ich doch auf das Thema. Sie: Diese Länder (angelsächsich-wettbewerbsorient) machen es besser. Darauf ich: Aber um diesen Preis, messenhafte Wohnungslosigkeit. Deshalb schätze ich den deutschen Sozialstaat sehr und will ihn erhalten und, wo er Mängel hat, verbessern, s. unten. Mein Maßstab sind nicht Länder wie die USA oder Brasilien.

        Der Grund für unseren Dissens liegt tiefer. Typischer Fall: Jemand verliert seinen Job/geht pleite, dann/deshalb seine/n Partner/in (oder umgekehrt) und fängt an zu trinken. Verliert dann auch noch die Wohnung. Zwangsräumung, landet auf der Straße oder in der Obdachlosenunterkunft.

        Freie Entscheidung? Kaum. Nach Stand der Wissenschaft ist Abhängigkeit eine Krankheit, „Sucht“ kein Fachbegriff mehr. Biochemie und Psychologie. Deshalb gibt es Hilfsangebote. Wie die finnischen Erfahrungen zeigen, ist „Housing“ genau so wichtig wie die klinische Behandlung – und auf die Dauer sogar billiger. Auf jeden Fall menschlicher. Funktioniert nicht in jedem Fall, aber auch die Medizin macht weiter, obwohl sie nicht allen helfen kann.

        P.S. Das Geldvermögen der privaten Haushalte … kletterte im 3. Quartal 2020 auf einen Rekordwert von 6738 Mrd. Euro (Deutsche Bundesbank).
        Haushalte, nicht Unternehmen.

        • Stefan Pietsch 18. Januar 2021, 18:43

          Wir sind schon sehr auseinander. Der Preis staatlicher Effizienz ist in den angelsächsischen Ländern nicht Obdachlosigkeit. Australien und Neuseeland haben diese Probleme nicht in nennenswerter Form. Es ist, bezogen auf die USA eine kulturelle Einstellung. Wer eine Wohnung und Essen will, soll dafür arbeiten. Das muss man nicht mögen, aber man muss es verstehen.

          Wir geben so 50 Milliarden Euro für Sozialhilfe und Hartz-IV aus. Nehmen wir noch Sozialbetreuer und das andere Gedöns dazu,kommen wir auf 70 Milliarden Euro Kosten, seien wir großzügig, 100 Milliarden Euro. Das sind gerade 10% des Sozialbudgets, die wir für den Schutz der Ärmsten ausgeben. Das ist keine Rechtfertigung für einen umfangreichen Wohlfahrtsstaat, da muss Ihnen schon Besseres einfallen.

          Sie wollen den Sozialstaat (der eigentlich ein Wohlfahrtsstaat ist) ausbauen. Mehr Geld, mehr Lösungen, so Ihre Gleichung. Das ist nicht meine. Eigentlich liegt es nämlich auf der Hand: wir geben 30% allen Erwirtschafteten für Soziales aus, das muss reichen, so umfangreich alimentieren 98% der UN-Mitgliedstaaten nicht. Wenn wir dann erhebliche soziale Probleme attestieren, ist das ein Attest unseres Versagens. Mehr vom Gleichen kann da kaum die Lösung sein.

          Typischer Fall: Jemand verliert seinen Job/geht pleite, dann/deshalb seine/n Partner/in (oder umgekehrt) und fängt an zu trinken. Verliert dann auch noch die Wohnung. Zwangsräumung, landet auf der Straße oder in der Obdachlosenunterkunft.

          Sie merken gar nicht, wie viele persönliche Entscheidungen in Ihrer Aufzählung stecken. Es beginnt damit, dass Sie Entscheidungen als eine Wahl zwischen weißem und braunem Zucker ansehen. Fährt man nach Spanien oder Italien in den Urlaub. Echte Entscheidungen gehen mit der Abwägung von Vorteilen zu oft gravierenden Nachteilen einher. Genau das macht es den meisten so schwer, Entscheidungen zu treffen.

          Kein Unternehmen geht so einfach pleite. Das hatten wir oben. Keiner verliert so einfach seinen Job. Ich habe in meinem Managerleben viele Menschen entlassen. Das macht keinen Spaß. Aber: 85%, vielleicht auch mehr, hatten einen kräftigen Beitrag für ihre Situation geleistet. Sie waren bequem, wenig für ihre Tätigkeit geeignet, leistungsschwach, leisteten sich Aussetzer, was sie im Ranking für die offizielle betriebsbedingte Kündigung nach oben schoben. Nur um Vorwürfen vorzubeugen: Jeder Rationalisierung gingen wochenlange Beratungen voraus, jeder Name wurde mehrfach gewogen. So etwas ist nicht leicht. Aber unverschuldet? Das gibt es (fast) nie.

          Als Folge einer Kündigung gibt es einen Arbeitsgerichtsprozess und praktisch immer eine angemessene Abfindung, die für einige Monate reicht und damit ein hübsches Zubrot abgibt. Wenn in Deutschland selbst geringqualifizierte Flüchtlinge einen Job ergattern, dann ist dies qualifizierten Personen erst recht möglich, innerhalb einer überschaubaren Zeit einen Neustart hinzulegen. Arbeitslosigkeit ist in Deutschland bei weitem kein Grund zu verzweifeln.

          Wir müssten heute mehr Alkoholiker haben als vor 30 Jahren, denn mehr Menschen als je zuvor leben als Singles. Das Gegenteil ist der Fall. Und Partnerwahl ist auch eine Entscheidung. „In guten wie in schlechten Zeiten“, scheinen einige nur den ersten Teil zu hören.

          Niemand verliert die Wohnung von heute auf morgen. Kündigungsfristen sind lang und bis eine Zwangsräumung möglich ist (die meist nur bei ausbleibenden Mietzahlungen erfolgt, nicht einfach bei Arbeitslosigkeit), vergeht im Schnitt mindestens ein Jahr. Das sind alles keine Gründe.

          Tatsächlich, das zeigt Ihre Aufzählung, welche Sie als zwangsläufig darstellen, steht die Obdachlosigkeit am Ende einer Fülle falscher Entscheidungen und labiler Charaktere. Gegenfrage: meinen Sie immer noch, im gegenteiligen Fall wäre Erfolg einfach das Ergebnis von Glück und Zufall und nicht weit eher einer Fülle richtiger Entscheidungen und stabiler Charaktere?

          Habe ich eigentlich schon einmal gesagt: Wir sind nicht Norwegen? Sie betreiben im Sozialen Cherrypicking, Sie suchen sich das, was Ihnen gefällt, möchten aber nicht die Bedingungen dafür einkaufen. Das hatten Sie ja anhand der Arbeitslosenbetreuung in Dänemark deutlich gezeigt. Ich finde das nicht seriös. Jedes System hat Vor- und auch Nachteile. Sich einfach zu greifen, was einem gefällt, führt garantiert zum System Failure.

          In Krisen horten die Menschen Geld und reinvestieren das Kapital aus Verkäufen nicht. Es ist daher Standard, dass das Geldvermögen in Krisenzeiten zunimmt, kein Skandal, sondern menschliche Vorsicht. Dazu muss man kein Ökonom sein.

          • CitizenK 18. Januar 2021, 20:34

            Das mit Dänemark habe ich hier schon mehrfach richtiggestellt. Deliberation gelingt nur, wenn man auf getätigte (und nicht auf imaginierte) Aussagen reagiert.

            Das „nicht so weit auseinander“ bezog sich auf die Tatsache, dass es in Deutschland weniger Obdachlosigkeit gibt und wir beide das richtig finden. Keine Sorge, Sie stehen nicht unter Sozi-Verdacht.

            „Vermögen wird aus Einkommen gebildet“ (Zitat S. Pietsch). Gilt auch für Geldvermögen. War also genug da, trotz Steuer.

            • Stefan Pietsch 18. Januar 2021, 22:29

              Das meinte ich nicht. Ich bin weit davon entfernt, anderen Irrtümer vorzuhalten und schon gar nicht über Monate oder Jahre. Ich weiß aber nicht, was Sie wollen, z.B. in Bezug auf das Modell der Transferleistungen. Sie lobten das, was zweifellos für den Arbeitslosen ein Vorteil des dänischen Modells ist, nämlich die hohe Entschädigungsleistung. Als ich jedoch die andere Seite vorführte, die in einem strengen Kontrollregiment besteht, ließen Sie das Modell fallen. Meiner Erinnerung nach haben Sie nicht erläutert warum.

              Für mich scheint das ein typisches Beispiel, die Vorteile zu nehmen und die Nachteile auszusparen. Adenauer machte das bereits bei der Einführung der dynamischen Rente, was dem System dauerhaft große Probleme bescherte. Ich möchte gerne korrigiert werden, wenn ich das falsch aufgefasst habe.

              Auch Amerikaner finden Obdachlosigkeit nicht gut. Aber sie sehen die Beseitigung nicht allein als Aufgabe des Staates. Ich bin in Südamerika und den USA durch Gegenden gekommen, wo Menschen unter ärmlichsten Bedingungen hausten. In Buenos Aires und Sao Paulos leben viele in Favelas, die oft nicht einmal geschlossene Außenwände haben. Wenn Sie sich freuen, dass wir uns freuen, solche Lebensbedingungen nicht in Deutschland zu haben, zeigt das nur, wie schlecht Sie mich manchmal moralisch einschätzen. Man muss kein Sozi sein, um das abzulehnen.

              Geldvermögen ist immer ein Zwischenstatus. Unternehmen versuchen die liquiden Mittel gering zu halten, weil es totes Kapital ist. Wenn Sie jedoch meinen, solange es (Geld-) Vermögen gibt, hat der Staat nicht genügend weggesteuert, sind Sie kein Sozialist, sondern Kommunist. 🙂

    • Stefan Sasse 18. Januar 2021, 15:23

      Also quasi reiner Mangel an Wohnraum?

      • Erwin Gabriel 19. Januar 2021, 11:26

        @ Stefan Sasse 18. Januar 2021, 15:23

        Also quasi reiner Mangel an Wohnraum?

        Jein.

        Es gibt in Deutschland bei weitem genügend Wohnraum (etwa in halb verlassenen Dörfern), es gibt ihn nur nicht dort, wo er benötigt wird, also in den Städten.

        Es gibt auch in den meisten Städten genügend Wohnraum, aber nicht zu den Mieten, die sich die meisten Menschen leisten können. Und das wird – von der öffentlichen Hand nicht gewollt, aber forciert – auf lange Zeit so bleiben.

        Durch von der Politik ständig und rapide verschärfte technische Vorgaben und durch deutlich steigende Preise für die Mangelware „bebaure Grundstücke“ hat sich das Bauen enorm verteuert; in jedem Falle stärker verteuert, als die Mietpreise steigen (deren Anstieg ist eine Art „Mischkalkulation“ aus Mieten für Bestands- und Neubauten).

        Als Ergebnis erfordert das Bereitstellen von „neuem“ Wohnraum, ob durch Neubau oder Renovierung, enorme Kosten, die sich über Mieteinnahmen rentieren müssen. Die werden aber von der öffentlichen Hand gedeckelt.

        Des weiteren sind viele private Vermieter auf eine gewisse finanzielle und juristische Sicherheit aus; die wird vom Staat nicht bereitgestellt: die Rechte der Mieter steigen wie die Pflichten der Vermieter, denen man auch immer mehr Risiko aufbürdet.

        Ein Beispiel aus meinem Umfeld: Ein verwitweter Rentner, kinderlos, ohne neue Partnerin, vermietete eine Wohnungen aus seinem Haus (aus den 60er Jahren, nichts für schön, reich und berühmt). Er entschließt sich, ein Flüchtlings-Ehepaar aufzunehmen, die ihm von der Stadt vermittelt werden; Miete und Nebenkosten übernimmt die Stadt. Nach kurzer Zeit wohnen in der Wohnung statt 2 Leuten 7; ein Bruder mit Frau und 2 Kindern sowie ein Cousin sind mit eingezogen.

        Abgesehen vom „anderen“ Standard, den die Flüchtlingen in Sachen Wohnungspflege haben, steigen Abnuntzung des Wohnraums und Nebenkosten durch die höhere Personenzahl natürlich rapide an. Die höheren Nebenkosten übernimmt die Stadt nicht, sie zahlt nur für das erste Pärchen. Nach einer Weile ist das Pärchen weg, in eine andere Kommune gezogen, wo es Arbeit gab; es hatte nicht gekündigt. Mit der Anmeldung dort wurden die Zahlungen für die hiesige Wohnung eingestellt.

        Danach wohnten nur noch 5 Leute in der Wohnung, von denen keiner einen Mietvertrag hatte, und keiner ausreichend Deutsch sprach, um sich beim Sozialamt anzumelden. Darum hat sich der Vermieter gekümmert, die Kinder bei der Schule angemeldet, Deutsch-Unterricht organisiert etc. Wie auch immer, das Kommen und Gehen blieb, es war nie klar, wer gerade dort wohnte.

        Durch die Wechsel kam es zu Mietausfällen. Da niemand kündigte, gab es keine Frist, rechtzeitig neue Mieter zu finden, und das Sozialamt zahlt nur die neue Wohnung, übernimmt aber nicht die Verpflichtungen, die sich aus Vertragsverstößen in der vorigen Wohnung ergeben. Die Wohnung musste nach nur drei Jahren wieder renoviert werden; das Sozialamt erklärte sich fürnicht zuständig, und empfahl, das Geld über den Rechtsweg einzufordern.

        Das Sozialamt braucht diese Wohnung, kriegt sie aber nicht mehr. Denn das Goodwill-Angebot an das Sozialamt, die Wohnung selbst zu mieten und sich (auch kostenmäßig) um alles zu kümmern, wurde abgelehnt.

        Das ist im unteren Preissegment nicht unbedingt der Standard, aber in der Regel geht man dort, wo das Sozialamt die Miete zahlt,recht sorglos mit dem Eigentum anderer um,und das Risiko trägt in weitem Maße der Vermieter. Für angerichtete Schäden ist das Sozialamt nicht zuständig, und wem das Amt die Miete bezahlt, dem kann ich nichts wegpfänden.

        Also gehen hauptsächlich die Wohnungen in die Sozialmiete, wo eine erforderliche Renovierung die Kosten nicht einspielt, und alles, was irgendwie sinnvoll nutzbar ist und einen ordentlichen Zustand hat, wird über Geld entschieden (bzw. an die Leute vergeben, die sich die Wohnung selbst leisten können).

        Ist für mich nachvollziehbar.

        Will die öffentliche Hand das anders, muss sie selbst bauen, den gewünschten Zustand herstellen und das Risiko tragen. Aber die meisten Kommunen (gerade Berlin ist da echt zumKotzen) verkaufen ihre teuren Grundstücke lieber, als sie für sozialen Wohnungsbau zu nutzen, oder vergeben unzureichende Förderungen, auf die man sich aber nicht verlassen kann (hat einen Freund von mir fast in den Ruin getrieben).

        • CitizenK 19. Januar 2021, 12:09

          Nachvollziehbar. Wenn jemand als Vermieter guten Willen zeigt und von der Behörde bürokratisch abgefertigt und im Stich gelassen wird, ist das absolut inakzeptabel.

          Aber liege ich falsch, wenn ich Deinen Beitrag als scharfe Kritik an der Privatisierungswelle von Wohnungen im ehemals öffentlichen Besitz interpretiere? Heißt es sonst von konservativ-liberal immer, Private können es besser als der Staat?

          • Stefan Sasse 19. Januar 2021, 13:26

            Mein Gefühl ist, dass die deutsche Politik da gerade das schlechteste aus beiden Welten vereint.

        • Stefan Sasse 19. Januar 2021, 13:24

          Stimme dir völlig zu. Vielen Dank für den Kontext.

  • CitizenK 18. Januar 2021, 16:37

    Nicht nur. Wer auf der Straße lebt oder im Obdachlosenheim kann ja nicht einfach zu einem Besichtigungstermin gehen: kein Einkommensnachweis/Schufa/Kaution. Ohne Hilfsorganisationen der Obdachlosenhilfe geht es so gut wie nicht. Nur in den wenigen Fällen, wenn das Amt sich einschaltet wegen der garantierten Mietzahlung vom Sozialamt. Trotzdem besser als in vielen anderen Ländern ohne Sozialstaat.

    • Stefan Sasse 19. Januar 2021, 07:58

      Okay. Es war immer mein Verdacht, dass es in Deutschland recht schwierig ist, aus „normalen“ Verhältnissen (etwa H4) in Obdachlosigkeit zu fallen, aber gerade wegen der Durchstrukturierung enorm schwer, da jemals wieder raus zu kommen. Kein Konto ohne Wohnsitz, etc.

      • CitizenK 19. Januar 2021, 12:19

        Auch wenn man nicht gleich auf der Straße landet (z. b. mit Familie), sondern in städtischen Behelfs-Wohnungen, ist es schwer. Mit bestimmten Adressen hat man kaum eine Chance auf einen Job.

        Ein Schlüssel zur Lösung des Problems sind städtische Wohnungsgesellschaften. Ich habe eine H4-Empfängerin (Russland-Deutsche) betreut, die trotz Jobverlust und Krankheit eine sehr ordentliche Wohnung bekommen hat.

        @ Stefan Pietsch ist ja der festen (christlich fundierten) Meinung, dass es keine unverschuldete Arbeitslosigkeit und Wohnungslosigkeit gibt. In diesem Fall wurde die Putzkolonne für das Krankenhaus halbiert (gleiche Arbeitsmenge – halbes Personal), Rückenprobleme machten privates Arbeiten dann unmöglich. Sie wäre im Obdachlosenasyl oder auf der Straße gelandet.

        • Stefan Sasse 19. Januar 2021, 13:26

          Wie funktionieren städtische Wohngemeinschaften?

          • CitizenK 19. Januar 2021, 16:01

            Ich meinte Kommunale Wohnungsunternehmen wie dieses:
            https://www.ggh-heidelberg.de/unternehmen/die-ggh/

            Wohngemeinschaften mit Unterstützung der Stadt gibt es auch, aber das sind eher alternative Wohnformen, Experimente. Eines beispielsweise bemisst die „Miete“ nach dem Einkommen. Bei Interesse gern mehr.

  • CitizenK 19. Januar 2021, 19:54

    „Sturrheit (setzt man bei Linken besser immer voraus)“

    Diese Aussage ist unwissenschaftlich, weil selbst-immunisierend formuliert, so dass sie nicht an der Realität überprüft werden kann. Zum Beispiel durch eine Begegnung mit mir 😉

    • Stefan Pietsch 19. Januar 2021, 20:54

      Ist ein Argument. Natürlich ist Sturrheit eine persönliche Charaktereigenschaft, so wie Linke sich selbst attestieren, sozial zu sein, während sie bei Anhängern von Liberalen und Unionisten ein „a“davor setzen.

      Aber: Wer sturr ist, dem fehlt die Anpassungsfähigkeit. Der Liberalismus hat in seiner Geschichte viele Spielarten erlebt, der Sozialismus, großzügig gerechnet vielleicht 2-4. Als die Welt Anfang der Vierzigerjahre vorigen Jahrhunderts in Dikaturen versank, erschuf der Liberalismus sich neu im Neoliberalismus, der in der westlichen Welt prägend wurde – wieder in verschiedenen Spielarten. Und der Sozialismus? Sah seine Chance gekommen, die Menschheit in neue Diktaturen zu überführen, diesmal ohne „national“ davor.

      Die FDP hat den Großteil der Zeit im Nachkriegsdeutschland mitregiert. Diese Ära endete erst vor gut 20 Jahren. Die Linken in SPD, bei den Grünen und der Linkspartei kommen, trotz breiterer Aufstellung da kaum ran. Die Sozialdemokraten masakrierten stets ihre eigene Regierung, weil die reine Lehre wichtiger war als die Anpassungsfähigkeit, Liberale würden sagen: Fortentwicklung.

      Also, viele Argumente haben Sie wahrlich nicht auf Ihrer Seite. 😉

      • CitizenK 19. Januar 2021, 21:20

        Das Gewicht der Argumente zählt, nicht die Anzahl.

        Der Wandel vom orthodoxen Marxismus über Godesberg zum „Dritten Weg“ ist eher größer als der von der Mende- zur Rösler/Lindner-FDP (vom kurzen Freiburger Intermezzo abgesehen).

        Dass die Sozis immer wieder ihre eigene Führung demontiert haben, ist machtpolitisch fatal. Man könnte das als Ausdruck einer lebendigen Partei sehen, würde es nicht so krass gegen das Credo der Solidarität verstoßen. Aber was ist mit Strauss gegen Kohl und Merz gegen Merkel?

        Noch eine Frage zur Logik: Gegen wen (außer sich selbst) kann man „selbstkritisch“ sein?

        • Stefan Pietsch 19. Januar 2021, 21:42

          Okay, Sie kennen mich wirklich nicht: ich habe es ohne Smiley probiert. Wenn Sie voraussetzen, dass ich gerne Selbstironie einsetze und bei angenehmen Zeitgenossen mit einem Lächeln vor dem Rechner sitze – wenn man mir ein gewisses Maß an Intelligenz zubilligt und Spaß an der Sprache … ja dann könnte man darauf kommen, dass das eine Bemerkung zum Schmunzeln war. Zudem, auch das nutze ich manchmal, war das ein Bonmot auf Andy Möller (ehemaliger deutscher Fußballnationalspieler und Fußballweltmeister ohne Einsatz).

          Ich unterscheide (wie Karl Marx) zwischen Sozialismus und Kommunismus. Zugegeben, in den Anfängen der Sozialdemokratie konnte mancher sich nicht entscheiden, ob er Sozialist oder Kommunist war. Verirrungen in der Anfangszeit sind normal. Aber der Liberalismus war 1942 schon weit entwickelt.

          Wie Sie vielleicht auch wissen: ich versuche immer den Blick über den Tellerrand. Die deutschen Sozialdemokraten sind keine Besonderheit unter ihren Geistesbrüdern. Gerade die Italiener, aber auch die englischen Labours, haben es stets ähnlich getrieben.

          Jede Organisation braucht innere Disziplin, denn sie haben ihren eigenen Organismus. Selbstzerstörerische Triebe führen immer zum scheitern. Warum Menschen mit solchen Neigungen sich stark zum Weltrevoluzzertum hingezogen fühlen, weiß ich nicht. Die Gleichsetzung von Strauß und Merz finde ich nicht passend. Merz ist ein verletzter Solitär, zu seinen Charakterzügen zählt nicht das Teamspiel. Deswegen bin ich kein Anhänger von ihm, so sehr ich seien politischen Überzeugungen auch zuneige, seine Intelligenz schätze und seine Karriere in der Wirtschaft bewundere. Aber wer führen will, muss Menschen einbinden können. Wer sich selbst an die Spitze setzt, liebt nur sich selbst, nicht die Menschen.

  • CitizenK 19. Januar 2021, 22:07

    Die Ränkespiele bei den Tories hinter den Kulissen sind auch nicht ohne (nachzulesen bei John Bercow). Bei Labour hat die Nibelungentreue zu Corbyn entscheidend zu ihrer krachenden Wahlniederlage beigetragen. Von dessen Vorgängern spricht der progressive Tory mit großer Hochachtung.

    Btw, weil das hier auch schon Thema war: Bercow hat (nach seinen eigenen Worten) Antisemitismus nur aus seiner eigenen Partei erfahren, niemals von Labour.

    • Stefan Sasse 20. Januar 2021, 07:01

      In welcher großen Organisation gibt es denn keine Ränkespiele? 😀

    • TBeermann 20. Januar 2021, 07:25

      Niebelungentreue zu Corbyn? Der New-Labour-Flügel ist doch der wesentliche Urheber von diesem ganzen Antisemitismus-Narrativ und hat vom ersten Tag an versucht, den frisch gewählten Vorsitzenden zu untergraben.

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