Ein gedankliches Problem, das die Physik bereits seit 100 Jahren beschäftigt, ist die Quantenmechanik. Hier können so genannte überlagernde Zustände auftreten: ein Teilchen hat zwei mögliche Zustände, und erst die Messung legt diese fest. Der Physiker Schrödinger hat dieses Konzept im Gedankenspiel der Katze popularisiert, die, in einen Kasten gesperrt, einem an zerfallende Atome gehefteten Mordmechanismus ausgeliefert ist. Ob die Katze tot ist oder nicht erfährt man nur, wenn man den Kasten öffnet. Vorher ist die Katze sowohl tot als auch nicht tot. Eine ähnliche Zustandsüberlagerung umgibt gerade die Debatte um die so genannte Cancel Culture. Sie existiert und existiert nicht zur gleichen Zeit.
Cancel Culture beschreibt die Idee, dass es eine zunehmende Strömung auf der Linken gäbe, die nicht genehme Meinungen unterdrücken (canceln) wolle. Dies geschehe vordringlich durch das Entfesseln einer Art Gedankenpolizei, meist durch Online-Mobs, die in höchster Empörung die Einstellung oder Nicht-Veröffentlichung einer bestimmten Meinungsäußerung forderten. Es ist dasselbe Phänomen, das sich in den letzten dreißig Jahren bereits dreimal wiederholte. In den frühen 1990er Jahren machte der Begriff der Political Correctness Furore, wie etwa in dieser Newsweek-Titelgeschichte von 1990:
Es finden sich die Klassiker. McCarthy wird intoniert. Eine Gedankenpolizei wird postuliert. Sprechverbote werden befürchtet. Die Furcht vor der Political Correctness und ihrer gar furchtbar die Meinungsfreiheit beschneidenden Wirkung tauchte periodisch wieder auf, ehe sie – mittlerweile wohl nach über 25 Jahren zu ausgelutscht – in den 2010er Jahren im Gewand der Identitätspolitik erneut auftauchte. Dieser Begriff gerann so rasend schnell zur politischen Kampfvokabel, dass bereits 2019 ein neuer aufgemacht wurde: Cancel Culture. Diesem ist, nach allem was man gerade sehen kann, nach nur zwei Jahren dasselbe Schicksal beschieden. Vermutlich ist niemandem aufgefallen, dass ich unterschlagen habe, dass um 2016 herum dieselbe Debatte um Hate Speech geführt wurde, die dann die Meinungsfreiheit eklatant bedrohte (was übrigens in Newsweek ebenfalls prominent besprochen wurde).
Bäumchen wechsel dich (nicht)
Die Begriffe wechseln schneller als die Mode, aber der Inhalt ist immer derselbe: Eine Verschiebung der Grenzen des Sagbaren im Sinne einer liberaleren Gesellschaft wird als Angriff empfunden. Dieser Angriff wird als Verstoß gegen den universalen Wert der Meinungsfreiheit gelesen, als deren aufrechter Verteidiger man sich inszeniert. Aus diesem einfachen Rezept ist ein eigenes Genre entstanden, das in der Publizistik seit mindestens der Political-Correctness-Debatte seinen festen Platz hat.
Jonathan Chait etwa, ein Mitte-Links-Autor des New York Magazine, schrieb gegen politische Korrektheit, die von den linken Zirkeln der Universitäten aus die Meinungsfreiheit bedroht, schrieb zehn Jahre später in den gleichen Worten über die gleiche Bedrohung durch die Identitätspolitik, fünf Jahre später über in den gleichen Worten über die gleiche Bedrohung durch die Hate-Speech-Debatte und drei Jahre darauf in den gleichen Worten über die gleiche Bedrohung durch die Cancel Culture.
Wäre Yascha Mounk so alt wie Chait, würden wir sicherlich das gleiche Muster bei ihm finden; stattdessen erwarb er sich seine journalistischen Meriten damit, eine der erfolgreichsten Autorinnen aller Zeiten gegen eine eingebildete Bedrohung durch die Cancel Culture zu verteidigen. Dieses tapfere Eintreten für die bedrohte Minderheit von milliardenschweren Autorinnen brachte ihm eine eigene Kolumne im alt-ehrwürdigen Atlantic-Magazin sowie die Gründung eines eigenen Debattennetzwerks, Persuasion, ein. An all diesen Orten macht er sich Gedanken darüber, wie Twitter-Nutzer mit 100 Followern seine Meinungsfreiheit bedrohen.
In Deutschland wird diese Diskussion von Medien wie der Welt oder FAZ angeführt. Der professionelle rechtskonservative Troll Ulf Poschardt, Chefredakteur der Welt etwa, hat seine Zeitung zu einem führenden Meinungsblatt der Republik ausgebaut, indem er aggressiver als jeder andere auf dieser Klaviatur spielt und mit einem seichten Buch seine intellektuellen Meriten aufpoliert. Aber auch das FAZ Feuilleton vermag, etwa unter Patrick Bahners, auf dieser Klaviatur mitspielen und so seine eigene Reichweite aufpolieren.
Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Ich denke aber, ich habe meinen Punkt hier gemacht. Ich halte das für eine Scheindebatte. Entweder gibt es eine Cancel Culture, Sprechverbote und eine Bedrohung der Meinungsfreiheit. Oder man kann Auflage machen und viel Geld verdienen, indem man sich wortreich über sie beklagt. Beides gleichzeitig ist nicht möglich.
Und wo wir bei Grenzen des Sagbaren sind: die verschieben sich ständig. Was ein SPD-Politiker in den 1950er Jahren zum Thema Frauenrechte sagen konnte, war am rechten Rand der CDU in den 1980er Jahren bereits nicht mehr ohne empörten Widerspruch sagbar. Und was die Grünen in den 1980er Jahren noch frei diskutierten, ist derselben Partei im Jahr 2020 völlig indiskutabel. Wir würden trotzdem nicht annehmen, dass Daniel Cohn-Bendit gecancelt wird oder dem „Tugendterror“ der Rechten erliegt, wenn er für seine frühere Haltung zur Pädophilie in die Kritik gerät. Die Gesellschaft als Ganzes hat sich lediglich dazu entschlossen, das als indiskutabel anzusehen.
Eine Frage der Seite
Auffällig ist, dass all diese Begriffe – Political Correctness, Identitätspolitik, Cancel Culture – politische Kampfvokabeln sind, die keinerlei deskriptive Wirkung haben. Sie analysieren nicht eine bestimmte Dynamik, sondern sie belegen den politischen Gegner mit einer negativen Zuschreibung. Das erkennt man problemlos daran, dass dasselbe Phänomen, wenn es von der eigenen Seite kommt, nie mit der jeweiligen Zuschreibung bedacht wird.
Man denke etwa an den Artikel „All cops are berufsunfähig“ von Hengameh Yaghoobifarah in der taz. Die Polizei sowie weite Teile der Politik und der Publizistik stürzten sich auf Yaghoobifarah, die Autorin musste mit massivem Mobbing in den sozialen Netzwerken, Morddrohungen und negativer Presse leben. Da sie eine freie Autorin ist, darf man getrost annehmen, dass das für ihre Karriere nicht eben förderlich war. Als Problem für die Meinungsfreiheit wurde das nicht diskutiert, als Ausfluss bürgerlicher politischer Korrektheit, einer konservativen Identitätspolitik oder rechter Cancel Culture genauso wenig. Dabei war es ein hervorragendes Beispiel für all diese Vorgänge.
Derweil spricht die BILD – und mit ihr Politiker der CDU – angesichts einer polizeikritischen Satiresendung in der ARD-ZDF-Koproduktion „Aurel“ von „gebührenfinanziertem Hass“ und fordert die Abschaffung des Rundfunkbeitrags und damit das de-funding der Öffentlich-Rechtlichen. Eine Cancel Culture will darin freilich niemand erkennen.
Ein weiteres Beispiel: Das satirische Lied von der „Umweltsau“ löste Morddrohungen aus, ohne dass es eine große Debatte über Identitätspolitik gegeben hätte. Von Armin Laschet zu Carsten Linnemann zeigten sich CDU-Politiker empört; Political Correctness indes wollte hinter dieser Empörung niemand vermuten, ebenso wenig eine Empörungskultur. Dass der WDR das Video sofort von seiner Homepage löschte, führte zu keiner Debatte über eine Cancel Culture.
Das heißt nun nicht, dass Cancel Culture ein spezifisch rechtes Phänomen wäre. Mit Sicherheit nicht. Mein Argument ist viel mehr dasselbe, das ich bereits im Fall der Identitätspolitik gemacht habe: das Phänomen ist so alt wie die Menschheit, und es ist politisch farbenblind. Leute empören sich über Meinungen, die sie für verurteilenswert halten. Sonst würden sie sie ja auch nicht verurteilen. Während ich es indiskutabel finde, öffentlich racial profiling als legitime Polizeitaktik zu verteidigen, empfinden eher konservativ geprägte Menschen es als furchtbar, der Polizei strukturellen Rassismus zu unterstellen.
Jenseits der Publizistik
Das heißt auch nicht, dass dieses Phänomen harmlos wäre. Ich habe in diesem Blog bereits vor fünf Jahren explizit kritisiert, das Arbeitsrecht als politische Hexenjagd zu missbrauchen. Es ist gefährlich, wenn vergleichsweise harmlose Äußerungen dazu führen, dass die eigene wirtschaftliche Basis gefährdet ist. Schon alleine, weil wirtschaftliches Handeln – sprich, mein täglicher Broterwerb – und politische Meinungen üblicherweise wenig miteinander zu tun haben. Das ist in manchen Branchen natürlich anders; die Politik selbst, der Journalismus und auch meine eigene Profession gehören sicher zu den Berufen, in denen andere, sensiblere Maßstäbe gelten.
Aber nichts desto trotz ist es problematisch, wenn unreflektierte Herdenmentalitäten zu massivem sozialen Druck gegen Einzelpersonen führen, wenn Existenzen gefährdet sind, weil jemandem eine Meinung nicht passt oder weil sich jemand im Ton vergriffen hat. Besonders hier gilt, was ich ebenfalls bereits im Blog thematisiert habe: der Wert der Entschuldigung wird viel zu gering geschätzt.
Insgesamt aber zeigt sich am Verlauf der vergangenen Debatten um Political Correctness und Identitätspolitik, dass wenig gesamtgesellschaftlich so heiß gegessen wird, wie es medial gekocht wird. Einerseits handelt es sich bei diesen Debatten sowieso um Elitendebatten, die bei der Mehrheit der Menschen kaum ankommt; anders ist kaum zu erklären, dass das Nicht-Thema der Zigeunersoße so zuverlässig jedes Mal aufs Neue einen eintätigen Shitstorm entfachen kann. Andererseits ist die Zahl der tatsächlich Betroffenen winzig. Jeder auf diese Art aus dem Beruf gecancelte ist eine Person zu viel, gewiss, aber das Massenphänomen, als das es in den hysterischen Debatten immer dargestellt wird, ist es nicht. Und drittens handelt es sich, einmal mehr, um kein linkes oder rechtes Phänomen, sondern schlicht um ein menschliches.
Es ist deswegen weiterhin wichtig, dass – wie bereits hier im Blog thematisiert – die „ideologischen Nachbarn“ die Augen offen halten. Protest gegen Cancel Culture muss von Konservativen kommen, wenn die nächste Umweltsau durch’s Dorf getrieben wird, und sie muss von Linken kommen, wenn jemand versehentlich eine unglückliche Formulierung bezüglich Frauen oder ethnischer Minderheiten benutzt hat. Alles andere ist reine Parteipolitik, performative Kommunikation, die nur der eigenen Identitätsfeststellung dient und nichts mit Meinungsfreiheit zu tun hat.
Gleichzeitig sind alle Seiten dazu aufgerufen zu versuchen zu verstehen, woran sich ihr Gegenüber jeweils reibt. Ich muss versuchen zu verstehen, warum meine progressiven Ansichten einem Konservativen sauer aufstoßen, während der seinerseits zu verstehen versuchen sollte, worum es überhaupt geht (an dieser Stelle sei lobend Rüdiger Bachmann erwähnt, der sich indessen an einer bürgerlichen Lesart der Identitätspolitik versucht). Zuspitzungen von „Alles Rassisten!“ oder „Alles linker Mob!“ sind zwar schöne Gruppenbildungsmaßnahmen, tragen aber wenig zum allgemeinen Verständnis bei. Und darum geht es uns allen ja, zumindest ostentativ.
Wie gehabt, an Einseitigkeit kaum zu überbieten: Du behauptest, Dich mit dem Vorwurf des Cancel Culture auseinanderzusetzen und führst als einzige Beispiele solche an, wo Du Dich als Linker empören könntest.
Ich helf‘ Dir auf die Sprünge: Ausladung von Lisa Eckart, die ausgeladen wurde, weil man Proteste befürchtete. Hans Joachim Mendig, der seinen Job verlor, weil er sich mit dem AfD-Vorsitzenden getroffen hatte. Woody Allen, dessen Biographie nicht veröffentlicht wurde. Unter anderem hatte eine gewisse Margarete Stokowski zum Boykott aufgerufen. Dieter Nuhr, dessen harmloser Beitrag von der DFG gelöscht wurde, weil er selbst eine polarisierende Person sei.
Natürlich findet Cancel Culture auch umgekehrt statt, nur hast Du ein selten unpassendes Beispiel gewählt. Bei dem „Song“ des WDRs plärrten nicht etwa mittelbegabte Aussortierte von DSDS ein Weihnachtsliedchen, sondern Kinder, denen man mit Fug und Recht noch keine politische Position unterstellen kann, wurden von Erwachsenen für ein angeblich satirisches politisches Statement missbraucht. Kann man daneben finden, muss man eigentlich daneben finden. Vor allem übergriffig.
Ulf Poschardt propagiert eine Freiheit des Denkens und des Handelns, das Dir als Linker fremd ist. Das ist in Ordnung. Ihn deswegen zum Troll herabzuwürdigen, diskreditiert Dich nur selbst.
Jetzt wischst du dir den Schaum vor dem Mund und liest den Artikel noch mal, und dir wird auffallen, wie peinlich am Thema vorbei dein Kommentar ist.
„Woody Allen, dessen Biographie nicht veröffentlicht wurde.“
Offenbar lebst du in einem Paralleluniversum:
https://www.amazon.de/Ganz-nebenbei-Autobiographie-Woody-Allen/dp/3498002228
Mein Punkt. Es ist reines politisches Kampfvokabular, die Realität spielt keine Rolle. Das macht es so fruchtlos.
Heute gesehen: Prominent präsentiert in der größten Buchhandlung Heidelbergs.
Ich glaube, Dieter Nuhr hat mittlerweile auch wieder ein Video bei DFG mit bei^^
Das gab auch einen riesen Megashitstorm gegen die Entscheidung, weil Tichy, Reitschuster und einige konservative Leitmedien heftig dagegen angeschrieben haben.
Sowas abzutun, mit ist ja nichts pasiert, verkennt das es auch bei Menschen passiert, die nicht so einen FanClub haben wie Dieter Nuhr. Bei denen geht es dann an die wirtschaftliche Existenz.
Es ist auch „nichts passiert“, außer dass ein mittelmäßiger Komiker, der wiederholt antiwissenschaftliche Gags rausgehauen hat und Wissenschaft verächtlich gemacht hat, als unpassendes Gesicht für die Wissenschaftskommunikation erachtet wurde. Das hätte eigentlich viel früher erfolgen müssen, so dass man gar nicht erst bei ihm angefragt hätte.
Exakt.
Ohne Beschimpfungen und Herabwürdigungen („Schaum vorm Mund“, „peinlich“) geht es bei Dir wohl auch nicht mehr.
Oh, und hat Mendig seinen Job wieder? Dann ist ja alles in Ordnung. „Leute, es gibt nichts zu sehen, geht einfach weiter!“
Stefan hätte vielleicht statt eines fragwürdigen Beispiels (aus Gebühren-/ Steuergeldern finanzierter Sender bezieht mit Hilfe von Kindern eindeutig Position gegen einen Teil der Zahler, die sich nicht wehren können) vielleicht eine Journalistin anführen können, die in einer Demo von Corona-Kritikern nicht drehen konnte.
Aber vielleicht wäre es dann nützlich, dies damit abzutun, dass es sich ja nur um eine mittelmäßig begabte Meinungsjournalistin handelte, deren Beiträge sowieso nicht sehenswert seien.
Stefan hat den Ton gesetzt und das Forum kläfft. Es gab Zeiten, da hat man sich für das alles geniert. Aber ist halt ein altmodischer Begriff. Stattdessen lassen wir es zu, dass permanent Sarkasmus und Spott als Mittel der Auseinandersetzung gegen Andersdenkende eingesetzt wird.
Das Beispiel kenne ich leider nicht. Aber die konkreten Beispiele mal hinten angestellt, die Grundthese ließe sich trotzdem debattieren. Und das hast du von Beginn an verweigert.
Natürlich findet Cancel Culture auch umgekehrt statt, nur hast Du ein selten unpassendes Beispiel gewählt.
Steht immerhin am Anfang eines Absatzes. James Bennet und die von ihm eingestellte Redakteurin Bari Weiss verließen vor wenigen Wochen die New York Times, weil sie in ihrer Zeitung ein illiberales Arbeitsklima sowie Selbstzensur ausgemacht hatten. Hier wird inzwischen in ganzer Breite zu den Mitteln des Sarkasmus und des Spotts gegriffen um andere mundtot zu machen. In Deinem Blog. Ich gehöre in aller Arroganz sicher zu den sprachgewandtesten Kommentatoren, aber das ist partout nicht mein Niveau.
Ich höre Dunja Hayali genauso zu wie ich anderen ernsten Journalisten zuhöre. Ich muss sie nicht herabwürdigen und meinen, damit Punkte bei meinen „Fans“ machen zu können.
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/dunja-hayali-bricht-dreh-ab-wegen-sicherheitsbedenken-a-2eee050d-bfe7-4455-a1a9-e85dc3412000
Wer andere mit Spott überzieht, will nicht mehr debattieren.
Ich verstehe nicht, was dein Problem ist. Ich bezweifle an keiner Stelle, dass die Ereignisse existieren und benenne es als problematisch. Was ich bezweifle ist, dass es eine spezifisch links geprägte „cancel culture“ gibt, die neu ist. Aber diese These diskutierst du ja gar nicht.
Zum einen sehe ich das nicht als Tenor Deines Artikels. Solche Vorgänge wie die aufgezählten, gab es in dieser Form nicht in den Neunziger- und Nullerjahren. Das ist neu. Debatten werden verengt, in dem vieles nicht mehr gesagt werden kann, ohne dass derjenige sich „außerhalb eines Kanons“ stellt. Du selbst machst da mit.
Dieter Nuhr beispielsweise hat das Manko, dass er in seiner Satiresendung nach allen Seiten austeilt. Das kennen weder die Anstalt noch die zdf-heuteshow. Ich sehe trotzdem zumindest auch die heuteshow gern, da ich professionellen Witz mag.
Zum anderen arbeitest Du Dich an Rechten ab. Niemand auf der anderen Seite des politischen Spektrums kann Dir genügen, wenn er nicht die Key Wörter dessen bedient, was es nicht geben darf.
Doch von dieser Rechten hat keiner die Demission des LINKEN-Vorsitzenden gefordert, als dieser in schlechter DDR-Tradition Menschen zwar nicht vernichten, aber einer „nützlichen Arbeit“ zuführen wollte. Oder von Bodo Ramelow, als dieser einem gewählten Abgeordneten den Mittelfinger zeigte. Oder oder. Es ist eben nicht gleichgewichtig. Auf der Rechten beschränkt sich die Verengung weitgehend auf den Extremismus, während die Unsagbarkeit von links weit in die Mitte der Gesellschaft reinfließt.
Wenn 78% der Deutschen meinen, man müsse inzwischen vorsichtig sein, was man so äußert, ist es um die Meinungsfreiheit in diesem Land zumindest nicht optimal bestellt.
So lange der vegane Koch frei herumlaufen und seine Hassparolen ohne Konsequenzen öffentlich absondern darf, kann mir niemand erzählen, die Meinungsfreiheit sei hierzulande in Gefahr.
Wenn das Dein Maßstab ist, ist die Meinungsfreiheit in Gefahr.
„Erste Geschäfte nehmen Produkte aus dem Sortiment“
https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.attila-hildmann-erste-geschaefte-nehmen-produkte-aus-dem-sortiment.da8157c3-b273-4a46-a82e-559d5f098850.html
„Tegut hat keine Attila-Hildmann-Produkte mehr im Sortiment“
https://kinzig.news/5579/tegut-hat-keine-attila-hildmann-produkte-mehr-im-sortiment
Ermittelt wird wohl auch schon, aber ich weiss nicht, ob dass schon zu etwas konkretem geführt hat
https://www.bz-berlin.de/berlin/anzeige-gegen-attila-hildmann-wegen-oeffentlicher-morddrohungen
Der Typ ist doch nun völlig durch, wir besprechen doch jetzt bitte nicht CancelCulture an den absolut Verrückten?
Im Übrigen hatte Edeka aufgrund eines Preis-Streits mit Nestle wochenlang kein Felix-Katzenfutter, was für mich echt blöd war. Trotzdem ist das keine CancelCulture, AlNatura und DM sind auch im Krieg.
Hier vermischen sich aber persönliche und unternehmerische Freiheit. Man kann niemanden zwingen etwas zu kaufen oder verkaufen, was man nicht will.
Und das gehört nun mal genauso zur Freiheit und hat immer auch mit Image und Marketing zu tun.
Anderes Beispiel: Als Shell eine Ölbohrinsel (Brent Spar) im Meer versinken lassen wollte, wurden die auch boykottiert.
Das sind Machtkämpfe. Die haben aber nichts mit Meinungsfreiheit zu tun, weil die – wie oftmals erwähnt – nur von staatlicher Seite eingeschränkt werden kann.
Oder sollen Läden jetzt bitte gezwungen werden, bestimmte Produkte zu verkaufen. Wenn ich ein Buch schreibe und keinen Verleger finde, ist das dann auch CancelCulture?
Wir können doch nicht darüber debattieren, wenn wir ständig sämtliche Sachen miteinander verrühren.
Das war nicht mein Beispiel. Ich wollte nur zeigen, dass es ein schlechtes ist.
„Die haben aber nichts mit Meinungsfreiheit zu tun, weil die – wie oftmals erwähnt – nur von staatlicher Seite eingeschränkt werden kann.“
Das ist, entschuldige bitte, Blödsinn.
Wenn das der Maßstab sein soll, wäre jedes private Handeln kein diskussionswürdiges Problem (so lange es nicht illegal ist).
Das „unternehmerische Freiheit“ Argument würdest Du übrigens einem Stefan Pietsch bei anderer Gelegenheit (Frauenquote, Gender Paygap, Umweltschutz, Pandemie usw usf) genüsslich um die Ohren hauen 🙂
@ Stefan Sasse 25. August 2020, 09:47
… die Grundthese ließe sich trotzdem debattieren. Und das hast du von Beginn an verweigert.
Weniger als Du …
„Oh, und hat Mendig seinen Job wieder?“
Welchen seiner Jobs?
Daß den Posten als Chef der hessischen Filmförderung nur jemand übernehmen kann, der das Vertrauen der Filmschaffenden hat, liegt auf der Hand – und das hatte Mendig verloren, als er mit dem Nazi posierte.
Als Chef der staatlich organisierten Filmförderung hat dieser die Aufgabe, sich mit Vertretern aller demokratisch legitimierter Parteien auszutauschen. Die AfD errang bei der hessischen Landtagswahl 2018 über 13% der Stimmen. Meuthen wiederum ist kein Nazi.
Wie Ihnen wahrscheinlich entgangen ist, steht der AfD-Vorsitzende derzeit im Zentrum einer innerparteilichen Auseinandersetzung, den rechtsextremistischen Flügel aus der Partei auszuschließen. Meuthen hat sich dabei sehr exponiert und für einen Teil der Parteifunktionäre damit angreifbar gemacht. Ihn als Nazi zu titulieren, weil er einer demokratischen rechtspopulistischen Partei vorsteht, ist bodenlos.
Es bleibt aber dabei, dass es die Aufgabe der Köpfe staatlicher Institutionen ist, sich mit der politischen Führung des Landes, wozu auch die Opposition gehört, zu treffen. Und Mendig ist wiederum keiner, der dem rechten Spektrum nahesteht.
Ich habe keine Ahnung, worum es in der Debatte geht, aber grundsätzlich stimme ich Stefans Aussagen zu. Die ÖR dürfen nicht aussuchen, welche demokratisch gewählten Parteien sie Umgang pflegen; die Plattform muss allen offen stehen. Aber: das heißt dezidiert nicht, dass sie neutral sein müssen.
Vielleicht fanden die Leute an den entscheidenden Stellen ja auch, dass er kulturell nicht zu dieser Institution passt.
Es war die (grüne) Ministerin Angela Dorn, die ihn entlassen hat. Er war von 2015 bis 2019 Geschäftsführer der HessenFilm und Medien GmbH. Er wurde zweifellos entlassen, nachdem ein Photo in den sozialen Medien in Umlauf gebracht wurde, das ihn beim Mittagessen mit Meuthen zeigt. Eindeutig wurde Mendig entlassen, weil das Treffen von einigen Parteivertretern missbilligt worden war.
😀 😀 😀
Nice one.
„Als Chef der staatlich organisierten Filmförderung hat dieser die Aufgabe, sich mit Vertretern aller demokratisch legitimierter Parteien auszutauschen. Die AfD errang bei der hessischen Landtagswahl 2018 über 13% der Stimmen. Meuthen wiederum ist kein Nazi.“
1. Meuthen ist nicht Mitglied der hessischen AfD.
2. Das Foto stammt nicht von einem öffentlichen Termin, sondern von einem privaten treffen.
3. Meuthen als Nazi einzustufen ist vertretbar, wenn man sich anschaut, was er noch im September 2018 über Kalbitz sagte:
„Wir haben es hier mit einem hoch gebildeten, hoch reflektierten Menschen zu tun, der eine, eine hervorragende Parteiarbeit leistet. Und alles, aber auch wirklich alles widerstrebt mir, Herrn Kalbitz da in irgendeiner Form Rechtsextremismus anzuhängen.“
https://www.youtube.com/watch?v=YB0JsXeA-b0&t=1019
Ich denke, „Faschist“ ist etwas besser als „Nazi“.
„Daß den Posten als Chef der hessischen Filmförderung nur jemand übernehmen kann, der das Vertrauen der Filmschaffenden hat, liegt auf der Hand “
Das ist eine absurde Umkehrung der realen Verhältnisse.
Die Filmschaffenden sind die Empfänger der Zuschüsse. Die müssen das Vertrauen der Filmförderung gewinnen, nicht umgekehrt. Und der Chef der Filmförderung muß das Vertrauen des Parlaments haben, in dessen Auftrag er die Gelder verteilt.
Ich denke, beides ist wahr. Ein Filmförderer, der auf Kriegsfuß mit den Filmschaffenden steht, ist fehl am Platz. Genauso wie jede Führungskraft, die kein Vertrauen ihrer Belegschaft hat. Du musst beides können. Das gehört einfach zum Job.
Also erstens würde es viel sagen (aber nichts Gutes) über die Filmschaffenden, wenn sie ihr Vertrauen davon abhängig machen, daß der Filmförderer seine Pflichten gegenüber dem Parlament vernachlässigt.
Und zweitens sind das eben keine Mitarbeiter!
Der TÜV-Kontrolleur muß auch nicht das Vertrauen der Autofahrer haben. Sondern der schaut sich an was er zu kontrollieren hat und urteilt entsprechend.
Selbstverständlich braucht der TÜV das Vertrauen der Autofahrer. Sonst hätte das ganze Verfahren keinerlei Legitimität.
@ sol1 24. August 2020, 18:42
„Woody Allen, dessen Biographie nicht veröffentlicht wurde.“
Guckst Du hier.
Offenbar lebst du in einem Paralleluniversum:
Ja, nee, is‘ klar
„Die US-amerikanische Hachette-Verlagsgruppe hat angekündigt, die Memoiren Apropos of Nothing des Regisseurs Woody Allen nicht zu veröffentlichen und alle Rechte an den Autor zurückzugeben. (…) Das Buch sollte ursprünglich im April 2020 erscheinen.“
Das Buch wurde dann am 23. März 2020 im Verlag Arcade veröffentlicht:
https://www.amazon.de/Apropos-Nothing-Woody-Allen/dp/1951627342
Ja, und? Entkräftet das Argument von Stefan P. nicht.
Es ist an dieser Stelle aus Sicht des unbefangenen Publikums – also aus meiner – nur noch erheiternd. Man kann da echt die Uhr nach stellen:
Schritt 1: Auf diesem Blog wird eine nüchterne Zustandbeschreibung über irgendeinen Sachverhalt, über den – am Rande des Aufmerksamkeitsspektrums halbwegs normaler Menschen – rechte bis rechtsextreme Tüpen wutschäumend das Internet vollschreiben, veröffentlicht.
Schritt 2: Angry Stefan kloppt wutschäumend irgendwelche Schnullernazi-Worthülsen in die Kommentarspalte, die er maximal unreflektiert irgendwo in den letzten Monaten aufgeschnappt hat und die ihm irgendwie damit zu tun haben deuchten.
Jetzt mal im Ernst, lieber Stefan: Hast Du an dieser Stelle wirklich noch erwartet, irgendjemand würde sich die Arbeit machen, Deine random Andeutungen einzeln zu destrukturieren? Warum sollte man das tun? Das richtet sich doch selbst, und das weißt Du auch.
Diesen Beitrag zu „destrukturieren“ erübrigt sich jedenfalls schon nach dem ersten Satz:
Es ist an dieser Stelle aus Sicht des unbefangenen Publikums – also aus meiner …
@ sternburg 25. August 2020, 00:38
Es ist an dieser Stelle aus Sicht des unbefangenen Publikums – also aus meiner – nur noch erheiternd. Man kann da echt die Uhr nach stellen:
Das ist Satire, oder?
Schritt 1: Auf diesem Blog wird eine nüchterne Zustandbeschreibung über irgendeinen Sachverhalt, über den – am Rande des Aufmerksamkeitsspektrums halbwegs normaler Menschen – rechte bis rechtsextreme Tüpen wutschäumend das Internet vollschreiben, veröffentlicht.
Schritt 2: Angry Stefan kloppt wutschäumend irgendwelche Schnullernazi-Worthülsen in die Kommentarspalte, die er maximal unreflektiert irgendwo in den letzten Monaten aufgeschnappt hat und die ihm irgendwie damit zu tun haben deuchten.
Auf Schritt 1 (nüchterne Zustandsbeschreibung) warte ich noch. Schritt 2 von Stefan P. passt zu dem Niveau, dass Du als Schritt 1 missverstehst.
Die Meinungsfreiheit ist bedroht. Das ist kein neues Phänomen sondern ein stetiges.
M.E. eins bei dem die an sich leidige Hufeisentheorie tatsächlich mal greift.
Exactly my point.
@ Stefan Sasse 24. August 2020, 17:00
Exactly my point.
Wo steht das? Deine Kommentare lassen etwas anderes vermuten.
Das ist was dran
Mir ist ehrlich gesagt unklar, warum.
Die Meinungsfreiheit ist bedroht.
Wieso? Es gab noch nie derart viele Möglichkeiten, seine Meinung irgendwohin ins Netz zu rotzen. Einige wischen danach feucht durch, andere nicht.
„Es gab noch nie derart viele Möglichkeiten, seine Meinung irgendwohin ins Netz zu rotzen.“
Das ist überhaupt nicht der Punkt.
Selbst unter Hitler und Stalin gab es viele Möglichkeit, seine Meinung „irgendwohin zu rotzen“.
Bei Meinungsfreiheit geht es um die Frage, was danach passiert. Insbesondere um die Frage, ob man für seine Meinungsäußerung persönliche Konsequenzen befürchten muß (und mit „persönlicher Konsequenz“ ist natürlich nicht normaler inhaltlicher Widerspruch gemeint).
Noch nie war es konsequenzfrei, etwas zu tun. Das sollte gerade Liberalen klar sein.
Das ist aber jetzt auch ganz bewusst missverstanden, oder?
Du weisst doch (zumindest ungefähr), was mit persönlichen Konsequenzen gemeint ist.
Aber auch das war nie anders, zumindest links der Mitte.
Und bis zu einem gewissen Grad ist das auch vollkommen in Ordnung. Anderen Menschen haben das Recht, sich aufgrund von Aussagen eine Meinung zu bilden und daraus Konsequenzen zu ziehen, wie zum Beispiel, nicht mehr mit jemandem arbeiten zu wollen.
Darauf will ich raus.
Das ist auch unstrittig und unproblematisch. Ist das nicht dieses Verschieben der Pfosten von dem Du mal geschrieben hast?
Unter persönliche Konsequenzen verstehe ich z.B. Bedrohungen und Beschimpfungen denen besonders weibliche Diskutanten ausgesetzt sind. Oder eben das „canceln“.
Und wenn das die Konsequenz von Meinungsäusserungen ist, ist die Meinungsfreiheit bedroht.
Das, was du beschreibst, ist der Kampf um die Deutungshoheit und der wurde schon immer mit dreckigen Mitteln geführt. Manchmal trifft es Unbeteiligte, die durch Pech zwischen die Fronten geraten, aber normalerweise und vor allem in der guten alten Zeit ® traf er fast nur die marginalisierten Gruppen. In einer Umbruchzeit trifft es ausnahmsweise auch Mal vermehrt Teile des überkommenen Mainstreams. Also keine Sorge, solange der Staat seine Füße still hält, ist alles im grünen Bereich.
Das stört mich an dieser überdrehten Debatte auch so: In der McCarthy-Ära hat DER STAAT schwarze Listen von (übrigens praktisch nur linken) Dissidenten erstellt und diese massiv drangsaliert; in seltenen Fällen sogar getötet. Das ist völlig schief. Die Bedrohung liegt in staatlicher Repression, und es gibt null Anzeichen, dass da irgendwas droht. Im Gegensatz zu den USA übrigens, wo Trumps Knallchargen alles tun, dass der Staat ein Repressionsinstrument in ihrem Sinne wird. Oder in Orbans Ungarn. Oder Kasczinskys Polen. Oder Maduros Venezuela. Oder Castros Kuba. DAS sind Bedrohungen der Meinungsfreiheit, und der qualitative Unterschied sollte schon gewahrt bleiben.
@Sasse
Wir reden aneinander vorbei. Dass es in Kuba und Ungarn wesentlich schlimmer ist, dürfte hier absolut unstrittig sein.
Das es bei uns aber zu einem größeren Problem wird als es früher war, sollte schon eher konsensfähig sein, oder nicht.
Also: Ja, Konsens dass es da wesentlich schlimmer ist, das ist ja mein Punkt. Man sollte bei den Vergleichen Eskalationsspielraum lassen.
Und zweitens: Ich bin sehr skeptisch, ob das heute schlimmer ist als früher. Ich denke eher nicht. Halte das eher für ein dem Integrations-Paradox ähnlichen Phänomen: Wir diskutieren es überhaupt, wo es früher einfach passiert ist. Diese erhöhte Sichtbarkeit sorgt für den Effekt, dass es verbreiteter scheint.
Absolut korrekt, das kritisiere ich ja auch. Ich verwehre mich nur gegen die Idee, es könne völlig konsequenzfrei sein, was man in die Welt posaunt. War es nie, wird es nie, kann es nie sein.
@ Stefan Sasse 25. August 2020, 09:44
Ich verwehre mich nur gegen die Idee, es könne völlig konsequenzfrei sein, was man in die Welt posaunt. War es nie, wird es nie, kann es nie sein.
Es geht nicht darum, dass man irgendwelchen rassistischen Scheiß raushaut, und soll dafür nicht mal schief angesehen werden. Es geht darum, dsas man mit der Offenheit, die man in den 60er oder 70er Jahren hatte, heute nicht mehr diskutieren kann.
Das ist gesellschaftsschädlich.
Ich halte es für eine Fehleinschätzung, dass diese Zeit offener gewesen sei als heute.
In den 60ern und 70ern (und 80ern und 90ern) wurde halt ziemlich viel rassistischer (und frauenfeindlicher und homophober) Scheiß rausgehauen, ohne das man schief angeschaut wurde.
@ Stefan Sasse: Es macht vermutlich einen großen Unterschied, wo im politischen oder gesellschaftlichen Spektrum man sich in den 60er und 70er Jahren befunden hat.
Exakt! Aber damals wie heute gab es Zonen, die im Tabu-Bereich lagen und liegen. Was sich geändert hat ist, wo diese Zonen sind. Und je nachdem wo man sich im eigenen Verhältnis dazu empfindet. Ich empfinde die heutige Zeit als freier, aber das liegt eben daran, dass die Veränderungen in meinem Sinne sind.
Zustimmung!
“ Ich verwehre mich nur gegen die Idee, es könne völlig konsequenzfrei sein, was man in die Welt posaunt. War es nie, wird es nie, kann es nie sein.“
Das muss einer von diesen Strohmännern sein von denen man immer wieder hört.
Das schien mir die im Ausgangskommentar gemachte Forderung. Wenn ich das missverstanden habe, mea culpa.
@ Stefan Sasse 25. August 2020, 12:48
Ich halte es für eine Fehleinschätzung, dass diese Zeit offener gewesen sei als heute.
Schau Dir nur die damaligen Bundestagsdebatten an. Da wurde um Standpunkte gerungen, und (egal welche) Opposition hat versucht, es der (egal welcher) Regierung schwerzumachen.
@ TBeermann 25. August 2020, 12:25
In den 60ern und 70ern (und 80ern und 90ern) wurde halt ziemlich viel rassistischer (und frauenfeindlicher und homophober) Scheiß rausgehauen, ohne das man schief angeschaut wurde.
Ja, fraglos.
Selbst wenn man berücksichtigt, dass es nicht viel Sinn macht, gesellschaftliche Aussagen von vor 50 Jahren nach heutigen Maßstäben zu beurteilen. Wer das tut, demonstriert nur seine intellektuelle Arroganz.
Aber damals konnte man auch „normale“ Meinungen und Standpunkte, die heute verpönt sind, loswerden und diskutieren, ohne dass man dafür diskriminiert wurde.
@ TBeermann 25. August 2020, 13:06
Es macht vermutlich einen großen Unterschied, wo im politischen oder gesellschaftlichen Spektrum man sich in den 60er und 70er Jahren befunden hat.
Meine allerersten politischen „Aktivitäten“ war die Teilnahme an einer 1.-Mai-Demonstration mit dem KBW (was damals wirklich pfui-ba war). Ich war als
LehrlingAuszubildender einer Einladung meines Jugendvertreters gefolgt, der recht offen (und anfangs auch erfolgreich) nicht nur bei mir politisch agitierte. Der war gegen Vietnam, gegen das Schweinesystem, RAF-Befürworter – das volle Programm. Ich bin da weg, weil ich Gewaltbereitschaft erkannte, und das ging aus meiner Sicht gar nicht.Mit den Jahren wurden dann meine politischen Einstellungen immer weniger durch die Theorie und immer stärker durch das praktische Leben bestimmt.
Bundestag: Völlig korrekt, aber das ist ein völlig anderes Phänomen. Die Annäherung der großen Parteien aneinander ist ja unbestritten.
Zeitunterschied: Ich würde das mit der intellektuellen Arroganz nicht so sehen. Es kommt immer darauf an, ob es zu der damaligen Zeit bereits möglich war, anders zu denken. Was ich meine: Römern vorzuwerfen, dass sie Sklaven hielten, ist Unfug. Das tat damals jeder und überall, und es gab schlichtweg niemanden, der das ablehnte. Den Südstaaten um 1840 kann ich das problemlos vorwerfen, weil es damals bereits nicht an Stimmen mangelte, die das verurteilten. Wer wollte, konnte schon damals wissen, dass es falsch war.
KBW: War bei mir ein ähnlicher Prozess. Gegen das Schweinesystem sein ist einfach cool, aber mir wurde das dann am Ende zu dogmatisch. Ich glaube ich habe darüber ja schon mal geschrieben.
@Erwing Gabriel:
Ja, fraglos.
Selbst wenn man berücksichtigt, dass es nicht viel Sinn macht, gesellschaftliche Aussagen von vor 50 Jahren nach heutigen Maßstäben zu beurteilen. Wer das tut, demonstriert nur seine intellektuelle Arroganz.
Aber damals konnte man auch „normale“ Meinungen und Standpunkte, die heute verpönt sind, loswerden und diskutieren, ohne dass man dafür diskriminiert wurde.
Dafür konnte man damals Meinungen und Standpunkte (und Lebenentwürfe), die heute normal und nicht (mehr) verpönt sind nicht vertreten, ohne von staatlichen und gesellschaftlichen Autoritäten diskriminiert und verfolgt zu werden. Auch die Wahrscheinlichkeit, dabei körperliche Gewalt zu erfahren, war eher nicht kleiner als heute.
Meine allerersten politischen „Aktivitäten“ war die Teilnahme an einer 1.-Mai-Demonstration mit dem KBW (was damals wirklich pfui-ba war). Ich war als Lehrling Auszubildender einer Einladung meines Jugendvertreters gefolgt, der recht offen (und anfangs auch erfolgreich) nicht nur bei mir politisch agitierte. Der war gegen Vietnam, gegen das Schweinesystem, RAF-Befürworter – das volle Programm. Ich bin da weg, weil ich Gewaltbereitschaft erkannte, und das ging aus meiner Sicht gar nicht.
Mit den Jahren wurden dann meine politischen Einstellungen immer weniger durch die Theorie und immer stärker durch das praktische Leben bestimmt.
Diesen Bonmot, man würde im Alter automatisch Konservativ (geschweige denn, dass das etwas mit der Anerkennung von Realität zu tun habe) ist in meinen Augen vor allem der eigenen Bequemlichkeit geschuldet.
Aber bleiben wir bei dem Beispiel: Wärst du (länger) auf diesem Weg geblieben oder hättest einer anderen Subkultur oder Minderheit angehört, hättest du vermutlich auch festgestellt, das die Freiheit in den 60er und 70er Jahren sehr schnell an ihre Grenzen kam.
Dagegen kannst du heute eine deutlich größere Bandbreite an Lebensentwürfen verfolgen, wenn du das möchtest. Die Konsequenzen für Unangepasstheit sind sehr viel geringer und solange diese Unangepasstheit nicht darin besteht, andere in ihrer Lebensführung einschränken zu wollen, ist die Toleranz zumindest auf der linken Seite ziemlich weit gehend.
Dass man im Alter konservativ wird stimmt schlichtweg nicht. Aber dass Theorien gegenüber der Berührung in den Hintergrund treten kann ich auch bestätigen.
Es geht darum, dsas man mit der Offenheit, die man in den 60er oder 70er Jahren hatte, heute nicht mehr diskutieren kann.
Ich möchte doch noch einmal daran erinnern, dass es damals ein riesiger Skandal mit abstoßenden Beschimpfungen war, als eine Frau in Hosen im Bundestag geredet hat. Genausowenig hätte sich jemand offen zu einer anderen Sexualität bekennen können (das war damals entweder noch verboten oder als Krankheit bezeichnet).
Das war völlig losgelöst von irgendwelchen Inhalten, von daher finde ich es sehr wohlfeil auf die gute alte Zeit mit dem schönen Diskurs hinzuweisen. Die galt ja nicht für alle, viele konnten gar nicht oder nur mit Mühen oder Verleugnung ihrer selbst teilnehmen.
Ja, ich halte diese Behauptung auch für völlig unsinnig.
@ Ariane
Richtig. Was immer vergessen wird: Es mussten erstmal linksversiffte (mindestens linksliberale, grün gab es noch nicht^) Leute auftreten, um solche Zustände zu ändern. Lenelotte von Bothmer zum Beispiel, der Frau Merkel viel zu verdanken hat (kleiderschrankmäßig)^.
Das war durchaus mutig. v. Bothmer hat sich natürlich nitt grad in Lebensgefahr begeben, aber reichlich shitstorm gab es durchaus , auch wenn der noch nicht so hieß und noch herkömmlich mit der Post kam.
Auf keine einzige Idee, die heutzutage Gleichberechtigung in vielerlei Hinsicht scheinbar selbstverständlich im Alltag kennzeichnet, sind Konservative von sich aus gekommen. Egal was man da nimmt: Bei allen Sachen wurde von den damaligen „konservativliberalen“ gezetert und gemosert, so wie heute bei der Quotenfrage.
der Frau Merkel viel zu verdanken hat (kleiderschrankmäßig)^
Hihi! Zeigt aber, wieviel sich hier geändert hat. Würde auch Wowereit nennen, war meine ich der erste geoutete Spitzenpolitiker.
Und das gab damals auch riesige Diskussionen über seinen Satz Ich bin schwul und das ist auch gut so. Da haben sich insbesondere Konservative furchtbar aufgeregt drüber.
Nochmal nachgeguckt: Wowereits Outing war 2001.
Sein Ausspruch „Ich bin schwul – und das ist auch gut so!“ wurde zum geflügelten Wort. Er war damit der erste deutsche Spitzenpolitiker, der so offen zu seiner Homosexualität stand. Durch die Reaktionen der Öffentlichkeit wurde es für alle folgenden Politiker, die sich zu ihrer Homosexualität bekannten, um einiges einfacher, damit umzugehen
Und bei Ole von Beust kam das Outing meiner Erinnerung nach durch Erpressungsversuche zustande (und war vermutlich nicht der einzige, so ein „Geheimnis“ ist im Politikbetrieb einfach tödlich)
Zeigt aber gut, wieviel sich in recht kurzer Zeit geändert hat, heute sind Outings bei Politikern ja keine Nachricht mehr oder wenn dann doch eher bei den ReLiKo.
Siehe auch die Kritik, die Chebli gerade abbekommt. Die gehen alle ein großes persönliches Risiko ein, wenn sie sich nonkonform verhalten, das ging und geht nur, gegen erhebliche Widerstände und auch eine Menge Hass.
Bei aller Nostalgie nach der guten alten Zeit sollte eben nicht vergessen werden, dass da eine Menge Leute eben einfach nicht mitgemacht haben, sondern großteils überhaupt keine Stimme oder Öffentlichkeit hatten.
Selbstverständlich, sonst wären sie ja nicht konservativ ^^ Wir mosern ja auch, wenn es uns irgendwo nicht fortschrittlich genug ist.
@ Stefan Sasse 25. August 2020, 22:51
Ich würde das mit der intellektuellen Arroganz nicht so sehen.
Ich bleibe dabei. Es ist schlimm genug, heute anderen Menschen Denkmuster vorzuschreiben (da sehe ich Linke schlimmer an als Konservative oder Liberale, da die eine Gesellschaft wollen, in der sich jeder stärker nach seinem Gusto bewegen kann – hatten wir vor kurzem hier). Aber das auch noch über die Jahrhunderte in die Vergangenheit zu tun, kann ich nur als Arroganz ansehen.
Es kommt immer darauf an, ob es zu der damaligen Zeit bereits möglich war, anders zu denken.
Es denkt immer irgendeiner irgendetwas anderes. Nur, ob sich von den verschiedensten Dingen, die irgendeiner denkt, dann nach Jahrzehnten etwas als Standard durchgesetzt hat oder im Nebel der Geschichte verschwindet, ist gewürfelt.
Was ich meine: Römern vorzuwerfen, dass sie Sklaven hielten, ist Unfug. Das tat damals jeder und überall, und es gab schlichtweg niemanden, der das ablehnte. Den Südstaaten um 1840 kann ich das problemlos vorwerfen, weil es damals bereits nicht an Stimmen mangelte, die das verurteilten. Wer wollte, konnte schon damals wissen, dass es falsch war.
Es gab schon zu Zeiten der Römer den Gedanken, dass vor Gott alle Menschen gleich sind (bzw. die “Goldene Regel“). Nicht vor jedem Gott – die damals eher üblichen griechischen, römischen, ägyptischen Götter waren selbst hierarchisch organisiert. Auch das Christentum änderte sich, als es die Religion der Machthaber wurde.
Und so, wie vielleicht 1840 die einen wetterten, dass man die Sklaven freilassen müsse, plädierten andere dafür, alle Indianer abzuschlachten. Was immer Du heute davon hältst – wärst Du (oder ich) 1820 in den Südstaaten als Sohn eines sklavenhaltenden Farmers geboren worden, wärst wohl auch Du (oder ich) ein sklavenhaltender Farmer geworden.
(da sehe ich Linke schlimmer an als Konservative oder Liberale, da die eine Gesellschaft wollen, in der sich jeder stärker nach seinem Gusto bewegen kann
Soll ich nochmal nach meiner Freiheit fragen, Beziehungen zu beenden (und evtl Alimente zu bekommen) oder eine Abtreibung durchzuführen oder eine andere Sexualität frei auszuleben?
Oder geht es darum, wer sich frei entfalten kann und wer nicht?
Oh, sicher, aber ich wäre gleichzeitig moralisch zu verurteilen gewesen. Das ist mein Punkt. Ich hätte auch 1942 in der Wehrmacht gedient, ohne dass das etwas geändert hätte, dass es eine verbrecherische Organisation ist.
@ TBeermann 25. August 2020, 20:11
Diesen Bonmot, man würde im Alter automatisch konservativ (geschweige denn, dass das etwas mit der Anerkennung von Realität zu tun habe) ist in meinen Augen vor allem der eigenen Bequemlichkeit geschuldet.
Ich habe nichts von „automatisch“ gesagt, sondern wie immer nur von mir gesprochen. Dass Du das „Bequemlichkeit“ nennst, ist eher Deiner eigenen Bequemlichkeit als Fakten geschuldet, denn nach diesem Totschlagspruch brauchst Du Dich nicht weiter damit zu beschäftigen.
Mein Weg weg von der theoriegesteuerten Sicht auf die Gesellschaft begann mit meinem dritten Kind. Beim ersten war ich noch grün und fast linksradikal und an Babys desinterssiert, beim zweiten immer noch zu jung.
Mit dem dritten Kind begann bei mir die Beschäftigung mit der Frage, wie meine Kinder aufwachsen sollen. Das fing an bei einem Grundstück mit Rasen und Sandkasten, wofür sich keiner meiner kinderlosen linken Freunde auch nur ansatzweise interessierte. Ging weiter mit dem Programmangebot für Kinder durch den katholischen Pfarrer; alle Freundinnen meiner Töchter waren im Trachten-Tanzclub, und meine Tochter wollte da auch rein (ich bekomme in jedem evangelischen oder katholischen Gottesdienst Brechreiz).
Bei mir war es nicht Bequemlichkeit, die mich aus meinem linken Trott warf, sondern das Verständnis, dass ich Kompromisse finden musste in meinem Leben.
Aber bleiben wir bei dem Beispiel: Wärst du (länger) auf diesem Weg geblieben oder hättest einer anderen Subkultur oder Minderheit angehört, hättest du vermutlich auch festgestellt, dass die Freiheit in den 60er und 70er Jahren sehr schnell an ihre Grenzen kam.
Würde das, was Mitte, Ende der 70er Jahre in linken Kneipen zum Thema RAF offen als Standpunkt vertreten wurde, heute über die Rechtsextreme gesagt, würde ganz Deutschland am Herzklabuster eingehen.
Die Konsequenzen für Unangepasstheit sind sehr viel geringer und solange diese Unangepasstheit nicht darin besteht, andere in ihrer Lebensführung einschränken zu wollen, ist die Toleranz zumindest auf der linken Seite ziemlich weit gehend.
Was Du schreibst, stimmt, soweit Du Dich mit den „richtigen“ Einstellungen für Deine Umgebung ausstattest, andernfalls nicht.
Ich habe mehr als einen knochenharten Rechtsaußen-Konservativen gesehen, der sich zwar über „langhaarige Hippies“ lustig machte, aber (wenn die bei der Arbeit ihren Mann standen), durchaus respektvollen Umgang pflegte, sie verteidigte, sich für sie einsetzte. Wäre heute in umgekehrten Fall unmöglich.
Und die Tendenz, andere in ihrer Lebensführung einschränken zu wollen, ist deutlich stärker links angelegt. Echt witzig, dann zu erzählen, dass Ihr das bei anderen nicht abkönnt. 🙂
Stimme dir bis auf den letzten Absatz zu.
@ Erwin Gabriel
Ich habe nichts von „automatisch“ gesagt, sondern wie immer nur von mir gesprochen. Dass Du das „Bequemlichkeit“ nennst, ist eher Deiner eigenen Bequemlichkeit als Fakten geschuldet, denn nach diesem Totschlagspruch brauchst Du Dich nicht weiter damit zu beschäftigen.
Mein Weg weg von der theoriegesteuerten Sicht auf die Gesellschaft begann mit meinem dritten Kind. Beim ersten war ich noch grün und fast linksradikal und an Babys desinterssiert, beim zweiten immer noch zu jung.
Mit dem dritten Kind begann bei mir die Beschäftigung mit der Frage, wie meine Kinder aufwachsen sollen. Das fing an bei einem Grundstück mit Rasen und Sandkasten, wofür sich keiner meiner kinderlosen linken Freunde auch nur ansatzweise interessierte. Ging weiter mit dem Programmangebot für Kinder durch den katholischen Pfarrer; alle Freundinnen meiner Töchter waren im Trachten-Tanzclub, und meine Tochter wollte da auch rein (ich bekomme in jedem evangelischen oder katholischen Gottesdienst Brechreiz).
Bei mir war es nicht Bequemlichkeit, die mich aus meinem linken Trott warf, sondern das Verständnis, dass ich Kompromisse finden musste in meinem Leben.
Es ist sicher eine Frage, ich welche Gesellschaft man passen möchte bzw. von welcher man angenommen werden möchte und was man selbst erlebt.
Ich persönlich merke zum Beispiel, dass ich mit den Jahren eher radikaler werde und immer weniger Verständnis für dieses „nichts ändern wollen“ aufbringen kann, auch wenn man sieht, dass man das Ganze damit gegen die Wand fährt, aber immerhin in der E-Klasse.
Würde das, was Mitte, Ende der 70er Jahre in linken Kneipen zum Thema RAF offen als Standpunkt vertreten wurde, heute über die Rechtsextreme gesagt, würde ganz Deutschland am Herzklabuster eingehen.
Da denke ich wieder, dass du sehr blumige Vorstellungen davon hast, wie so in diversen Kneipen (und Whatsapp- oder Telegram-Gruppen) geredet wird. Die Rechtsextremen haben allein seit der Wende ein Vielfaches an Toten zu verantworten, als die RAF und sie würden das Tempo beim Morden gerne deutlich anheben und bereiten sich genau darauf vor.
Was Du schreibst, stimmt, soweit Du Dich mit den „richtigen“ Einstellungen für Deine Umgebung ausstattest, andernfalls nicht.
Ich habe mehr als einen knochenharten Rechtsaußen-Konservativen gesehen, der sich zwar über „langhaarige Hippies“ lustig machte, aber (wenn die bei der Arbeit ihren Mann standen), durchaus respektvollen Umgang pflegte, sie verteidigte, sich für sie einsetzte. Wäre heute in umgekehrten Fall unmöglich.
Und die Tendenz, andere in ihrer Lebensführung einschränken zu wollen, ist deutlich stärker links angelegt. Echt witzig, dann zu erzählen, dass Ihr das bei anderen nicht abkönnt.
Was glaubst du, wie viele Menschen ihre latent rassistischen Kollegen tagtäglich tolerieren oder höchstens zart widersprechen, wenn den x-te Spruch oder „Witz“ kommt?
Wo genau schränken dich denn linke in deiner Lebensführung ein? Und kommt jetzt bitte nicht mit Umweltschutz, weil die Grünen es nicht so prall finden, unsere eigene Lebensgrundlage zu zerstören. Aber wo wirst du daran gehindert, so zu leben, wie du es willst?
@ Ariane 26. August 2020, 02:34
Ich möchte doch noch einmal daran erinnern, dass es damals ein riesiger Skandal mit abstoßenden Beschimpfungen war, als eine Frau in Hosen im Bundestag geredet hat. Genausowenig hätte sich jemand offen zu einer anderen Sexualität bekennen können (das war damals entweder noch verboten oder als Krankheit bezeichnet).
Ja, und? Damals hatten die Autos noch keinen Kat, und es gab Waldsterben.
Was hat das mit der Cancel Culture von heute zu tun? Au weia …
@ Ariane, Stefan, Thorsten
ich mache mal unten weiter
Probematisch, wird es aber wenn es über das blose „ich will nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten“ hinaus geht.
Indem z.B. in den sozialen Medien Druck auf Partner desjenigen ausgeübt wird, auch keine Geschäfte mehr mit ihm zu machen.
Es wird schon eine Ursache haben, wenn nur 18% der Meinungs sind, man könne seine Meinung in der Öffentlichkeit noch frei äußern:
59 Prozent der 1283 Befragten ab 16 Jahren gaben an, sie könnten sich unter Freunden frei äußern, nur 18 Prozent sehen aber im öffentlichen Raum eine vergleichbare Freiheit. Sie waren gefragt worden: „Würden Sie sagen, man kann seine Meinung in der Öffentlichkeit frei äußern oder muss man bei einigen oder vielen Themen vorsichtig sein?“ Danach wurde dieselbe Frage zur Meinungsäußerung im Freundeskreis gestellt.
https://www.welt.de/politik/article193977845/Deutsche-sehen-Meinungsfreiheit-in-der-Oeffentlichkeit-eingeschraenkt.html
Selbst wenn es objektiv keine Gründe dafür geben sollte, was ich sehr stark bezweifele, ist allein schon das subjektive Empfinden, das nur 18% der Meinung sind man könne n der Öffentlichkeit seine Meinung frei äußern, ein riesen Problem für eine Demokratie.
Deswegen bezweifele ich auch, dass dies „nur“ ein immer wieder kehrendes Problem ist, dem man halt ständig einen neuen Namen gibt.
Wenn in einer Demokratie, in der Meinungsfreiheit eines der höchsten Grundrechte ist, 82% der Meinung sind, man könne es nicht frei ausüben sollten eigentlich alle Alarmglocken klingeln.
Bei 82% ist dies auch keine rein abgehobenes Intelektuellen Problem mehr, ganz im Gegenteil.
Das Problem ist, dass sich so Leute radikalisieren. Man fühlt sich nicht ernstgenommen, trifft sich mit Gleichgesinnten und radikalisiert sich in seiner Filterblase.
Ich mache das mal am Beispiel Ausländerkriminalität fest. In den Leitmedien wird das typischerweise so geschildert wie in der Zeit.
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-03/fluechtlinge-kriminalitaet-auslaender-polizeiliche-kriminalstatistik/seite-2
Die Leitmedien untersuchen, das dahingehend ob Ausländer per se schlechtere Menschen sind. Sind sie nicht, ehe hier ein Shitstorm los geht!
Derjenige, der aber mit den Kriminellen zu tun hat, sei es ein Polizeibeamter oder Bürger in Problemstadtvierteln merkt aber, es werden besimmte Straftaten häufiger von Ausländern begangen, was übrigens auch im velinkten Zeit Artikel steht.
Auch wenn Ausländer bei gleicher Altersstruktur und sozialem Status gleich häufig straffällig werden wie Deutsche, sorgt dies eben doch zu einer überproportionalen Zunahme an Straftaten von Ausländern, wenn wir überproportional viele junge männliche Ausländer aus sozial benachteiligten Schichten häufig aufnehmen (die besonders häufig straffällig werden, so wie Deutsche auch).
Der größte Teil der Flüchtlinge ist jung und männlich, siehe Link unten.
Wenn wir diejenigen, die dies als Problem ansehen einfach als Nazis abtun, wird das irgendwann eine selbsterfüllende Prophezeiung.
So wurde mein Sohn der auf jodel Ende 2016 äußerte bevor man jetzt noch mehr Flüchtlinge aufnehme solle der Staat erst mal ordentlich Geld für die Integration in die Hand nehmen, sofort als Nazi beschimpft.
Abbildung I-8 Seite 21
https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Statistik/BundesamtinZahlen/bundesamt-in-zahlen-2016.pdf?__blob=publicationFile&v=16
Ich habe solcherlei Boykott-Aufrufe noch nie unterstützt und werde das auch in Zukunft nicht tun. Ich hoffe, das jetzt hinreichend klargestellt zu haben.
Ich habe auch kein Problem mit der simplen und unwiderlegbaren Erkenntnis, was die Kriminalitäts-Dempographie angeht. Probleme habe ich mit manchen Schlussfolgerungen, die daraus gezogen werden.
Ähh, das wollte ich dir auch überhaupt nicht unterstellen.
Ich wollte nur aufzeigen, dass es meiner Meinung nach nicht nur einfach ein wiederkehrendes Phänomen ist. Nach meinem Vertändnis war dies deine Meinung, oder nicht?
Es ist mittlerweile ein Phänomen/Problem, dass die Kreise der Intelektuellen verlassen hat. Dies sollten das Beispiel zeigen. Und es ist so profund, dass immer mehr Menschen mit unserer Demokratie nicht zufrieden sind UND das Gefühl haben Wahlen ändern nichts.
Ich stimme dir zu, dass man dem Kind immer neue Namen gibt. Unsere Meinungen unterscheiden sich dahingehend, dass ich finde, das Kind wird immer größer.
Das dies sowohl links als auch rechts ein Problem darstellt hatte ich ja auch schon gesagt.
Das kann brandgefährlich werden. Mehr wollte ich nicht sagen.
Jens, das ist ein guter Standpunkt, den ich teile.
Danke
@ TBeermann 24. August 2020, 20:01
Anderen Menschen haben das Recht, sich aufgrund von Aussagen eine Meinung zu bilden und daraus Konsequenzen zu ziehen, wie zum Beispiel, nicht mehr mit jemandem arbeiten zu wollen.
Vollkommen OK. Niemand hindert sie daran, selbst zu kündigen. Aber dafür den anderen über Intrigen rausdrücken ist nicht in Ordnung.
@ Stefan Sasse 24. August 2020, 18:17
Noch nie war es konsequenzfrei, etwas zu tun. Das sollte gerade Liberalen klar sein.
Es gab mal den sogenannten Radikalenerlass. Den fandst Du, wenn ich mich recht erinnere, auch nicht gut. Nun läuft das gleiche von anderer, nicht gesetzlicher Seite, eher verdeckt. Noch nicht mit gleicher Konsequenz, aber eben auch nicht „nur“ auf den staatlichen Sektor beschränkt.
@ derwaechter 24. August 2020, 19:54
Das ist aber jetzt auch ganz bewusst missverstanden, oder?
Du weisst doch (zumindest ungefähr), was mit persönlichen Konsequenzen gemeint ist.
Na klar weiß er das.
@ TBeermann 24. August 2020, 20:01
Aber auch das war nie anders, zumindest links der Mitte.
Ja, gab es früher auch. Nein, da musst man schon ein gutes Stück weiter nach links als nur bis knapp hinter die Mitte.
Was mich wirklich stört, ist nicht, dass man Extremisten aus dem Job drückt. Was mich stört, ist, dass man „normale“ Liberale, Konservative, Rechte als Extremisten abstempelt, um sie rauszukriegen. Ist sicherlich nicht so aggressiv, konsequent in der Durchführung, und auch nicht staatlich gesteuert wie der Radikalenerlass, aber heuer wie damals versucht man absichtsvoll, das Kind mit dem Bad auszuschütten.
Da gehen dann vermutlich die Bewertungen, was „normale“ konservative (und wo liberale die Lebensgrundlage gefährdenden Angriffen ausgesetzt wären, ist mir bisher vollkommen entgangen) Inhalte sind und was extrem ist.
@ TBeermann 25. August 2020, 12:35
Da gehen dann vermutlich die Bewertungen, was „normale“ konservative … Inhalte sind, und was extrem ist … auseinander [ergänze ich mal].
Ja, sicher. Du hältst Deine Meinungen bestimmt auch für OK, ich halte sie gelegentlich auch für extrem.
Ich halte meine Meinung für ziemlich weit links der „Mitte“ (was auch immer das sein soll).
@ TBeermann 25. August 2020, 19:59
Ich halte meine Meinung für ziemlich weit links der „Mitte“ (was auch immer das sein soll).
Wir erzielen Einigkeit – selten genug 🙂
Es sei noch einmal explizit darauf verwiesen, dass es einen zentralen Unterschied zwischen staatlichen Maßnahmen und öffentlichem Diskurs beziehungsweise privaten Akteren gibt. Der Radikalenerlass, wie der Terror McCarthys, waren staatliche Repressionsmaßnahmen. Das geht gar nicht. Aber der Staat hält sich bisher doch komplett raus!
„Aber der Staat hält sich bisher doch komplett raus!“
Nein. Der Staat und seine Institutionen sind da heftig involviert.
Die DFG (Fall Nuhr) ist eine staatliche Institution, die hessische Filmförderung (Fall Mendig) auch, und die staatlichen Sender machen auch bei jedem Fall kräftig mit.
Und es ist eben auch nicht alles ok, nur wenn der Staat nicht involviert ist.
Wenn jemand für sich selber entscheidet, Woody Allen nicht zu verlegen oder seinen Saal nicht an die AfD zu vermieten, dann sind das legitime Konsequenzen.
Aber wenn Dritte Druck machen um Veröffentlichungen oder Auftritte etc. zu verhindern, dann ist das schon problematisch.
Nur zur Erinnerung: „Kauf nicht beim Juden“ war keine staatliche Kampagne.
Absolut richtig.
Wer im Geschichtsunterricht nicht gepennt hat weiß: Die Polizei (staatlich!) schritt nicht ein.
Aber der Staat hält sich bisher doch komplett raus!
Nö, dass NetzDG entfalltet gerade seine toxische Wirkung. Es werden wegen Corona unter dem Vorwand von FakeNews reihenweise Videos und Facebookseiten gelöscht teilweise ganze Accounts, darunter reihenweise Fachleute vom Rang Professor oder Dr haste nicht gehört. Und das ganze zu einem Thema wo die Erkenntnis noch prinzipbedingt ein dünnes Eis ist. Es also schwer ist FakeNews wirklich als Fake zu erkennen. Siehe Masken, erst Wirkungslos plötzlich Allheilmittel.
Per NetzDG werden die großen Betreiber verpflichtet zu löschen, diese beauftragen dann Faktenschecker, die z.B. Großspenden von der Bill Gates Foundation bekommen (kein Scheiss). Die Qualität so mancher Faktenchecker ist gelinde gesagt fragwürdig. Dagegen gerichtlich vorzugehen ist verdammt schwierig und teuer. Bis auf Tichy hat das glaube ich noch keiner geschafft. Und der hatte sich nicht auf die Meinungsfreiheit berufen, sondern auf das Wettbewerbsrecht.
Wir erleben einen Mischmasch an Einschränkungen von Regierung und superreichen Eliten. Speziell in den USA sind die Volksvertreter entweder selber superreich oder abhängig von superreichen Gönnern, um den nächsten Wahlkampf zu gewinnen.
Und wenn ich sehe aus wievielen Parteien kurz nach dem ausscheiden aus Ämtern Politiker in höchstdotierte Positionen in der Wirtschaft entschwinden, dürfte es bei uns nur etwas besser sein.
Irgendjemand hatte hier mal geschrieben, dass supereiche Milliardäre ein Problem für die Demokratie sind. Da stimme ich voll zu, die Mechanismen der Einflussnahme sehen aus wie oben beschrieben.
So wie unsere Demokratie im Grundsatz funktioniert, müssen Superreiche, wenn sie ihre Agenda umsetzen wollen auf der ganzen Klaviatur spielen. Einerseits ihren Einfluss auf die gewählten Volksvertreter maximieren und anderseits die öffentliche Meinung in ihrem Sinne modulieren und wenn dass nicht klappt andersdenkenden die Reichweite kurz halten.
Unter dem Strich führt dies dazu, dass die Meinungsfreiheit leiden muss, wenn sie Erfolg haben wollen. Da die Superreichen zum einen immer reicher, (auch anteilig) werden und zudem zahlreicher, wird auch das Problem immer größer.
Es ist also nicht nur eine wiederkehrendes Phänomen mit neuem Namen sondern es wird auch größer.
Aber das ist keine Cancel Culture. Denn Fake News wegzukriegen ist glaube ich grundsätzlich auch Konsens; die Frage ist ja eher, wie und ob das geht und was die Rolle des Staates sein soll. Deine Kritik teile ich daher durchaus.
„Denn Fake News wegzukriegen ist glaube ich grundsätzlich auch Konsens“
Absolut nicht!
Wenn ich etwas für „Fake News“ halte, dann widerspreche ich inhaltlich. Aber ich will das nicht „wegkriegen“ und löschen lassen.
Gelöscht werden sollten nur nachweisbar strafbare Inhalte.
Ich meine auch nicht zwingend dass man alles löschen muss; ich denke nur wir sind uns einig dass eine Welt ohne Fake News besser wäre.
“ ich denke nur wir sind uns einig dass eine Welt ohne Fake News besser wäre.“
Ach so – ja, da sind wir uns einig.
@ R.A. 26. August 2020, 10:27
Wenn ich etwas für „Fake News“ halte, dann widerspreche ich inhaltlich. Aber ich will das nicht „wegkriegen“ und löschen lassen.
Gelöscht werden sollten nur nachweisbar strafbare Inhalte.
Sich für das recht auf Meinungsäußerung einsetzen, selbst wenn einem die Meinung nicht passt – vollste Zustimmung!!!
Meinung: Ja. Aber Fake News sind ja schlicht Falschinformationen, das ist ja keine Meinung.
@ Stefan Sasse 25. August 2020, 12:48
Es sei noch einmal explizit darauf verwiesen, dass es einen zentralen Unterschied zwischen staatlichen Maßnahmen und öffentlichem Diskurs beziehungsweise privaten Akteren gibt.
Es sei noch einmal explizit darauf verwiesen, dass es für eine Person keinen Uunterschied macht, ob sie durch staatliche Regulierungen oder private Intrigen ihren Job verliert.
Macht es auch keinen Unterschied, ob ich Geld für einen Strafzettel oder durch einen Dieb verliere? Das Geld ist in beiden Fällen weg. Merkwürdiges Staatsverständnis.
@ CitizenK 26. August 2020, 19:45
Macht es auch keinen Unterschied, ob ich Geld für einen Strafzettel oder durch einen Dieb verliere? Das Geld ist in beiden Fällen weg. Merkwürdiges Staatsverständnis.
Nicht ganz das passende Beispiel. Wer einen Strafzettel bekommt, hat in der Regel etwas angestellt – zu schnell gefahren, falsch geparkt. Wer beklaut wird, nicht.
Wo bei den staatlichen Eingriffen á la „Radikalenerlass“ zumindest das berechtigte Interesse des Staates stand, seine Arbeitsabläufe frei von politischen Extremisten zu halten (wobei man sicherlich teilweise heftig übertrieben hat), fand so etwas in der privaten Wirtschaft nicht statt – warum auch? Wer seinen Job vernünftig machte, wurde vielleicht bespöttelt, hatte in der Regel seine Ruhe.
Heute geht es um Denuinziantentum, Hetze, Durchsetzung politischer „Willensbildung“ mit allem, was der moderne IG-Blockwart aufzubieten vermag.
Und nein, Für mich macht es keinen Unterschied, ob der Staat mit einer strittigen Auslegung des Steuerrechts mein Unternehmen in den Ruin treibt, oder ob ein Konkurrent das durch zwielichtige Methoden tut, während der Staat wissend und unterstützend die Hand über ihn hält.
Korrekt. Aber nichts desto trotz ist die Unterscheidung wichtig.
@ R.A. 24. August 2020, 18:07
Zustimmung
lol
Ich sehe es auch so, dass es kein orginär linkes oder rechtes Phänomen ist.
Seit dem Ende des WW2 ist unser Leben immer bunter geworden. Es gibt keine wirklich dominierende Modeform mehr. Gab es in der Musik früher eine prägende oder domiante Form, z.B. Jazz wird heute alles gehört. Schwul, Hetero der Bi, wen juckt das eigentlich noch. Die Zahl der Ausländer und die Länder aus denen sie kommen hat massiv zugenommen und mit Ihnen die diversen „ausländischen“ Restaurants. Gab es früher bestimmte deutsche Urlaubsorte fliegen wir jetzt überall hin.
Seltsamerweise hat dieses bunte Treiben meiner Beobachtung nach dazu geführt, dass die Familien wieder näher zusammenrücken. Nicht nur bei mir auch bei vielen Freunden ist das Verhältnis der Kinder zu den Eltern komplett anders als früher. Die Kinder haben es mit dem Auszug aus Hotel Mama nicht mehr so eilig. Kein Wunder Mama macht ja auch kaum noch Vorschriften über Kleidung, Frisur und Freizeitvergnügen.
Was aber bei diesem wirklich schönen Treiben, was für mich schon fast die maximale Freiheit des Einzelnen bedeutet, noch fehlt ist die Toleranz andere Meinungen auszuhalten.
Ebenfalls nicht Schritt gehalten haben die Medien. Die noch nicht begriffen haben, dass sie nicht mehr die Deutungshoheit eklusiv haben. Diese ganzen Scharmützel um politcal correctness und cancel culture, werden mittlerweile sehr verbittert auf Twitter, Facebook etc. ausgetragen. Die Zahl der alternativen Medien* nimmt zu, deren Nutzerzahlen steigen und die Auflage der meisten klassischen Medien sinkt. Der öffentlich rechtliche Rundfunk ist schon fast zum Rentnerprogram verkommen.
Ich sehe das mit Sorge. Das Problem sind in meinen Augen nicht die Fakenews sondern die Filterblasen. Man diskutiert zunhemend mit Gleichgesinnten, dass muss ähnlich wie in den USA eigentlich zu extremen Ansichten führen. Das Wesen der Demokratie, der Kompromiss bleibt dabei leider auf der Strecke, weil man einfach partout nicht das geringste Verständnis für die Meinung Andersdenkender aufbringen kann. Denn in der eigenen Filterblase sagen es ja alle.
Gruß Jens
*Achgut, Tichy, Reitschuster, Nachdenkseiten, KenFM, Rubikon etc.
„dass die Familien wieder näher zusammenrücken.“
Sehe ich auch so. Familie und Freundeskreis haben stark an Bedeutung gewonnen, der öffentliche Bereich wird eher als problematisch empfunden und viele Leute versuchen ihn zu meiden.
„die Toleranz andere Meinungen auszuhalten.“
Ganz wichtiger Punkt.
Im heutigen linken Sprachgebrauch bedeutet „Toleranz“ die Pflicht, gewisse Sachen gut zu finden. Man wird als „intolerant“ beschimpft, wenn man Schwulenehe oder Migration oder gendering etc. nicht explizit gut findet.
Toleranz bedeutet aber, daß man Meinungen aushält, die man selber gerade nicht gut findet. Und daß man die Personen respektiert, die diese Meinungen sagen – auch wenn man selber inhaltlich völlig konträr ist.
„Ebenfalls nicht Schritt gehalten haben die Medien. Die noch nicht begriffen haben, dass sie nicht mehr die Deutungshoheit eklusiv haben.“
Schlimmer. Die Medien haben uns den größten Teil des Schlamassels eingebrockt seit sie begonnen haben, ihre Deutungshoheit aktiv zur Volkserziehung zu nutzen.
Das hat eine Weile funktioniert, weil sie noch vom altgewohnten Vertrauen zehren konnten und die Leute nicht merkten, das sie manipuliert werden sollten.
Und wenn sie es dann merken, dann gibt es bei vielen eine krasse Überreaktion und das enttäuschte Vertrauen schlägt um in ein generelles Mißtrauen gegenüber den Medien und unserem politischen System.
„Das Wesen der Demokratie, der Kompromiss bleibt dabei leider auf der Strecke, weil man einfach partout nicht das geringste Verständnis für die Meinung Andersdenkender aufbringen kann.“
Leider wahr.
„Die Medien haben uns den größten Teil des Schlamassels eingebrockt seit sie begonnen haben, ihre Deutungshoheit aktiv zur Volkserziehung zu nutzen.“
Alberne Verschwörungstheorie!
Ich würde dir voll zustimmen, wenn du es nicht nur auf die linken beziehst. Rechte sind da bei Kriminalität von Ausländern ähnlich getriggert wie Linke bei Polizeigewalt.
Ich denke die Medien haben, dass schon immer gemacht. Heute fällt es vielen dank Twitter, Facebook, Seiten wie diesen hier und den alternativen Medien einfach mehr auf.
Früher wurden die Andersdenkenden einfach totgeschwiegen, wenn Sie Glück hatten wurde mal ein Leserbrief von Ihnen veröffentlicht. Das geht jetzt nicht mehr, deswegen wird versucht Andersdenkende z.B. wirtschaftlich zu treffen.
@ R.A.
Die Medien haben uns den größten Teil des Schlamassels eingebrockt seit sie begonnen haben, ihre Deutungshoheit aktiv zur Volkserziehung zu nutzen.
Volle Zustimmung. Den meisten Journalisten ist heutzutage wichtig, „etwas zu bewirken“ (volgo: anderen ihre Meinung aufzudrücken). Der Journalismus alter Schule, durch umfassende Hintergrundinformationen den Leser in die Lage zu versetzen, sein eigenes Urteil zu fällen, ist fast ausgestorben.
Nein, der Journalismus alter Schule ® hat auch anderen ihre Meinung aufgedrückt, nur halt eine konservativere.
@ Marc 25. August 2020, 11:49
Nein, der Journalismus alter Schule ® hat auch anderen ihre Meinung aufgedrückt, nur halt eine konservativere.
Nö; auch in den 70ern war die Presse mehrheitlich links (der damaligen Mitte) eingestellt. 🙂
Die Positionen von Spiegel, Stern, Süddeutsche, Zeit waren immer Mitte links. Die Positionen von Welt oder FAZ waren immer konservativ. Beide Seiten argumentierten von ihrem Standpunkt aus, der deutlich zu erkennen war. Heute läuft die Diskussion nicht mehr argument-, sondern meinungsgetrieben.
Ja, ich sehe da auch keinen zentralen Qualitätsunterschied.
Das alte links ist das neue rechts 😉 Früher waren im linken Spektrum konservative Ansichten akzeptiert, die heute abgelehnt werden.
Ich war früher auch frauenfeindlicher. Es war akzeptiert, auch auf Seiten der linken und sogar bei vielen Frauen. Die Sprüche von damals wären mir heute peinlich und vor allem hätten sie heute negative Konsequenzen! Diese progressive Entwicklung finde ich positiv. Aber trotzdem sind aus heutiger Sicht meine damaligen Ansichten überholt konservativ, obwohl ich sie als Linker geäußert habe.
Sagte ich ja auch schon im Artikel.
Ich finde es wird immer schwieriger zu beurteilen was links und rechts ist.
Ich habe Geißler und Blüm nie gewählt, aber habe in den Interviews die sie noch wenige Jahre vor ihrem Tod gegeben haben mehr Übereinstimmung zu meinen Positionen gefunden als zu allen Parteien oder Politikern, die derzeit im Bundestag sitzen.
Mein Eindruck ist eher, dass das abgebildete Spektrum in den Leitmedien immer kleiner wird.
Geißler und Blüm haben ihre politischen Ansichten in ihren letzten Jahren auch sehr stark geändert, wie waren ja nicht statisch!
@ Jens Happel 25. August 2020, 14:50
Ich habe Geißler und Blüm nie gewählt, aber habe in den Interviews die sie noch wenige Jahre vor ihrem Tod gegeben haben mehr Übereinstimmung zu meinen Positionen gefunden als zu allen Parteien oder Politikern, die derzeit im Bundestag sitzen.
Kann ich nachvollziehen.
Blüm war immer sozial, nett und gutmütig. Geißler aber war ein begnadeter Rechtspopulist, der mit jesuitischer Brillianz und schneidender Schärfe und größtmöglicher Brutalität auf alles einschlu, was links war. Den habe ich damals fast gehasst, weil er genau wußte, was er tat.
Am Schluß war er nicht mehr an Parteidisziplin gebunden, und musste nicht mehr um einen Listenplatz kämpfen. Da konnte man es milder angehen und auch ein bisschen den linken Eliten nach dem mund reden. Ein scharfer, kluger Denker, trotz allem.
Wobei man Geisler trotz aller Abneigung in seiner Zeit als Generalsekretär eines zugute halten muss: Er war Ende der 80er und Anfang der 90er einer der Wenigen, die sich gegen Asyl als Wahlkampfthema ausgesprochen hat, weil er (richtig) vorhergesehen hat, dass man die Geister nicht mehr zurück in die Flasche bekommen würde.
Guter Punkt!
Ja, aber ich sehe Geißler genau aus dem Grund kritisch. Der Mann war ein ziemlicher Hetzer, und er hat sich meines Wissens nach nie dafür entschuldigt.
Da würde ich Zustimmen. Als Generalsekretär hat Geißler viel dazu beigetragen, das politische Klima zu vergiften und die Gräben zwischen den Parteien (künstlich) so tief wie möglich zu halten.
Was natürlich auf der anderen Seite die viel bejubelten Unterschiede zwischen den Parteien hervorhebt. Es hat eben alles seine Schattenseiten. Du kriegst keinen heftigen politischen Grundsatzstreit ohne so was.
Zustimmung. Blüm war stabil. 1949 als Lehrbub bei Opel in die IG Metall eigetreten und schlappe 70 Jahre bis zu seinem Tod dabei geblieben.
Typischer Vertreter des Links-Katholizismus (Nell-Breuning und so) in der CDU. Das war keineswegs bedeutungslos und hat zu den frühen Wahlerfolgen der CDU beigetragen, insbesondere im damaligen Schlüsselland NRW. Gewerkschafter ab der „zweiten Reihe“ waren häufig CDU-Leute.
Ich mochte den Blüm auch immer. Davon gibt es heute ja noch etliche in der CDU, die haben aber oft Schwierigkeiten, in die erste Reihe vorzustoßen, bzw wirklich bekannter zu werden.
Würde hier auch Daniel Günther und Gerd Müller (gut der ist bei der CSU) erwähnen. Ist echt ein Medienproblem, dass die krawalligen (eher konservativliberalen) Stimmen überwiegen.
Ich sehe diese Liberalisierung insgesamt sehr positiv. Nie zuvor war unsere Gesellschaft so frei, so individualisiert. Das sehen viele als Bedrohung, was verständlich ist. Aber ich denke was wir gerade erleben sind nicht mehr als Geburtswehen, das kommt periodisch.
Ich sehe die Liberalisierung ebenfalls positiv. Ob das aber alles nur Geburtswehen sind, weiß ich nicht.
Ich bin schon immer viel in die USA geflogen. Dort hat sich erst die Diskussion auf Facebook und Twitter etc. ziemlich radikalisiert und das schwappte dann auf die großen Medien über.
FoxNews war schon immer stramm republikanisch, aber so radikal wie jetzt waren sie früher nicht.
Ich bin neuerdings auf Twitter, mein Sohn hat mich gewarnt wenn es dort politisch wird könnte man meinen 40% Linke und 40% AFD.
Vielleicht etwas extrem, aber dass Mass an Beleidigungen dort ist schon extrem. Wenn man eine zeitlang, da reichen ein paar Tage nur ein Thema verfolgt, kriegt man ganz schnell fast überwiegend die Meinung von Gleichgesinnten angezeigt. Da kann eine Radikalisierug beschleunigt werden.
Keine Frage, aber das ist ja eine ganz andere Thematik.
Verrat mal deinen Namen^^
Ich glaube es gibt beides, bin auch unschlüssig, ob das generell so neu ist. Jemand hat das mal mit dem Buchdruck bzw der einfachen Möglichkeit der Veröffentlichung zb von Flugblättern verglichen. Das war ja auch eine Kommunikations-Revolution. Und Radikalisierungen und Verschwörkram gab es ja auch schon immer, ist immer eine Frage der Nutzung.
Genau wie jeder auch irgendwie Filterblasen hat, muss man ja. Niemand kann alle Seiten und Aspekte und Thematiken ungefiltert aufnehmen, jeder muss für sich sortieren. Und ja, einige sortieren gar nicht, sondern kapseln sich da ab.
Aber es gibt eben auch das Gegenteil und die Liberalisierung führt auch zu mehr Austausch, wenn beide Seiten daran interessiert sind. Ich liebe Twitter,ich kann da Experten ausfragen und viele freuen sich über mein Interesse oder nehmen meine Meinung ernst, obwohl ich nicht zur Bildungsbürger-Elite gehöre, ist doch toll.
Das passt ein bisschen zu Sassestefans letztem Absatz, ich halte vieles für Kommunikationsprobleme. Ich rede und schreibe in meinem Umfeld, meinen Fußballkumpels, unter linken Hexen natürlich anders als hier oder bei ernsthaften, intellektuellen Diskussionen, hat ja sozusagen jeder sein eigenes Vokabular und Insiderwitze, die die andere Seite oftmals gar nicht kennt und dann schnell missversteht. Wenn nicht gleich alle übereinander herfallen, ließe sich das meiste davon schnell aus der Welt räumen.
Hm…was du als „alternative Medien“ bezeichnest, würde ich als Durchlauferhitzer für Rechtsextreme und solche, die es werden wollen, bezeichnen.
Abgesehen davon: Es ist insofern ein rechtes Phänomen, als dass diese Begriffe und das Gejammer darum fast ausschließlich von Rechts kommt. Liegt vielleicht daran, dass Linke heftigen Gegenwind inklusive persönlicher Konsequenzen schon seit jeher erleben und daran gewöhnt sind.
Genau. Linke haben ja schon den Radikalenerlass kritiklos hingenommen. Und keiner hat je über den Umgang mit der o.g. taz Autorin oder Frauen in der Öffentlichkeit an sich geklagt. Die halten alle einfach die andere Wange hin.
Ironie aus.
Ich lese Nachdenkseiten kaum. Aber waren die nicht so ziemlich das Gegenteil von rechtsextrem?
Exakt.
Nachdenkseiten, Junge Welt und der Freitag alle Rechtsextrem?
Wohl kaum!
Junge Welt und der Freitag hattest du oben nicht genannt, ich würde aber auch beide nicht als „alternative Medien“ bezeichnen.
Die Nachdenkenseite ist nicht rechts, aber seit einigen Jahren leider ein Einstiegsmedium in die Verschwörungs-Szene, die fast unweigerlich nach Rechts zu führen scheint. Bis vor einigen Jahren hätte diese Seite den Begriff „Gegenöffentlichkeit“ durchaus verdient, mittlerweile ist es mehr Gegenpropaganda, die aus Prinzip die konträre Position einnimmt (bzw. mittlerweile dem dem entsprechenden Klientel einfach mehr Geld verdient.)
Das ist so ein furchtbarer Sumpf, aber das ist schon seit Langem so. „Jahre“ ist hier wahrlich der korrekte Begriff.
Jep, die haben sich nach und nach radikalisiert und sind jetzt irgendwie auch ganz in die Querdenker-Ecke abgesumpft.
Klar, die auch hier beim einen oder anderen beliebte Staatsfunk-Theorie ist mit den Nachdenkern kompatibel:
Zitate Nachdenker:
„Der USA-EU-Westen, die Bundesregierung und der ihr angeschlossene öffentlich-rechtliche Rundfunk“
„ARD-aktuell bewährt sich selbst als fleißiger Agitator – neudeutsch: Influencer – “
„Gröber kann ein öffentlich-rechtlicher Nachrichtenanbieter seine gesetzliche Verpflichtung zu umfassender, vollständiger Information nicht missachten. “
„aber in der Tagesschau bimmelt es nicht mal. Sie übt sich im Verschweigen solcher Informationen, dumpf und beflissen regierungsfromm, wie sie nun mal ist; ein Staatsfunker, verkleidet mit öffentlich-rechtlichem Mantel.“
Stein des Anstoßes ist die Erkenntnis (vorausgesetzt, man denkt richtig nach) über vermeintliche westliche Belarus-Kampagnen gegen Lukaschnka im Interesse des Kapitals , die von den Staatsfunkern unterstützt werden.
Schwierig wird’s bei der Frage, ob die Staatsfunker jetzt linksgrün versifft oder neoliberal gekauft sind. Is aber nicht so wichtig, da das Ergebnis ja eins ist.
Wirklich abstrus wird es, wenn sie dann RT oder den chinesischen Sender, dessen Name mir grad nicht einfaellt, als vertrauenswuerdige Alternativen darstellen.
Sehe ich nicht so. Und ob man so etwas wie die Nachdenkseiten betreibt um reich zu werden, darf man getrost bezweifeln.
Und Verschwörungsszene kann ich nicht mehr hören. Wenn man einen nicht mehr in eine Ecke mit Nazis stellen kann, stellt man ihn in die Ecke Verschwörungstheoretiker.
Vieles von dem was z.B. auf KenFm behandelt wurde handelt von Verschwörungstheorien. Aber sehr vieles davon ist keine Theorie mehr. Zu Barschel zum Beispiel hat es einen sehr guten Film im öffentlich rechtlichen gegeben, der Regiseur war auch bei KenFM. Gladio wurde durch italienische Gerichte aufgedeckt. Und vieles wird aufgedeckt, weil die USA Dokumente freigeben, z.B. über den Sturz der iranischen Regierung. Was soll das also mit Verschwörungstheorien? Viele sind einfach durch Fakten belegt.
Manche halte ich für totalen Stuß z.B. zu 9/11
Und wie man bei so extremen Zufällen wie sie beim Skripal Fall, der ausgiebig von den Nachdenkseiten begleitet wurde, dem englischen Geheimdienst einfach alles glaubt, speziell nach den Erfahrungen mit den nicht existenten Weapons of Mass Destruction ist mir ein Rätsel. Bei Skripal ist die offizielle Version so dermaßen abwegig, das eigentlich jeder Journlist kritische Fragen stellen müßte. Stattdessen schreiben alle Russland ist schuld. Kann durchaus sein, plausibel erklärt wurde es mir aber nicht.
Wer sich durch die ganzen von den USA offengelegten Dokumente wühlt muss sich eigentlich fragen ob so etwas nicht noch viel häufiger vorkommt. Denn die anderen Staaten dürften nicht alle besser sein, aber nur die wenigsten veröffentlichen ihre Dokumente nach 40 Jahren so vorbildlich wie die USA. Es werden übrigens auch in den USA längst nicht alle Dokumente veröffentlicht. Bei uns haben Historiker nicht mal uneingeschränkten Zugang zu den Akten von Kohl.
https://www.heise.de/tp/features/Entwendete-Akten-von-Helmut-Kohl-bleiben-Privateigentum-4768730.html
Abgesehen davon ist der Vorwurf, dass ist ja ein verschwörungstheoretiker, exakt so ein Versuch Andersdenkende zu diskreditieren. Es geht es also auch darum Druck auf zu bauen um die Nachdenkseiten zu Schaden. Und zwar nicht durch Argumente, weil dieser oder jener Beitrag aus diesem oder jenen konkreten Gründen schlecht war, sondern alleinig durch eine Unterstellung und pauschale Diskreditierung.
Mit deiner Meinungsäußerung hast du das Procedere ja gerade eindrucksvoll unter Beweis gestellt.
Klar gibt es Verschwörungen. Aber die meisten Verschwörungstheorien sind halt Bullshit.
Das Problem ist halt, dass in den Leitmedien da immer nur am Rande drüber gesprochen wird, wenn überhaupt. Und gerade wenn man weiß, was die Geheimdienste aller Herren Länder in der Vergangenheit gleistet haben, ist es mir schleierhaft wie die Medien bei Skripal so schnell ein Urteil fällen, nur weil ein Geheimdienst das behauptet.
In deutschen Medien wird z.B. nur sehr wenig über Nixons mittlerweile erwiesenen Sabotage Bemühungen bezgl. der Friedendgespräche zwischen Nord- und Südvietnam berichtet. Von October Surprise schon gar nicht.
https://www.latimes.com/opinion/op-ed/la-oe-bird-conspiracies-october-surprises-20170620-story.html
Den Ball man könne Nachdenkseiten nicht lesen wegen Verschwörungstheorien kann man auch zurückspielen. Weil unsere Leitmedien so gut wie nie darüber schreiben, selbst wenn sie wahr sind kann man sie nicht mehr lesen.
Das wäre genau so dämlich.
Verstehe ich.
ich auch
Ja, das Problem sehe ich auch, finde es auch normal, wenn man dann nach anderen Quellen sucht, gibts ja im Internet zuhauf.
Das ist aber halt ein zweischneidiges Schwert, der Wegfall der Gatekeeper-Funktion zwingt einen ja, selbst nicht nur das Gesagte zu überprüfen, sondern auch die Quelle und das geht nur bis zu einem gewissen Grad.
Wenn die Nachdenkseiten dann die Sicht von RT übernehmen, finde ich das jetzt auch nicht gerade seriöser. Die sind ja nun mal auch kein neutraler Player.
Ich hab da auch keine Lösung. Selbst wir hier sind ja schon eine Art Gegenöffentlichkeit und beschäftigen uns viel mit Medienkritik (von beiden Seiten des Spektrums). Und die Idee der NDS fand ich auch gut! Nur ist das halt in ein allgemeines „man kann deutschen Medien gar nicht nie mehr vertrauen“ abgerutscht (zu großen Teilen).
Und das Gegenteil ist nun mal fast immer genauso falsch.
„Vertrauenskrise“ ist eh ein Stichwort, das viele Probleme unserer Zeit erklären hilft.
Jein, ich denke der Vorteil liegt eher darin, dass die Machstrukturen eben eher auf rechter Seite liegen. Innerhalb der linken Milieus ist das Phänomen ja genauso verbreitet, da kriegt man es nur nicht so prominent mit üblicherweise. Erneut, keine Frage der Gesäßgeographie.
Ja zu den Machtstrukturen.
Allerdings auch ja zu Beermann. Ich denke auch, bei Linken ist häufig eine andere Debattenkultur, da ist es normaler, dass man sich auch gegenseitig genauso heftig angeht. Während Leute wie Sarrazin oder Palmer durch Talkshows ziehen und von Konservativen gefeiert werden, kämpfen SPD oder eben die Grünen mit ihrem Furor auch gegen eigene Parteimitglieder. Oder siehe die LINKE, spalten sich nochmal (wie hieß das „Aufstehen?“, hat ja nicht so geklappt).
Da gibt es auf der Rechten schon mehr Beißhemmungen, das ist schon selbst bei Maaßen und der Werte-Union sehr zahm (in linken Parteien wäre völliger Aufstand würde ich mal behaupten). Gleiches bei der FDP, die immer noch den Kemmerich an der Backe haben und sich von den Gemeinsamkeiten mit der AfD nicht klar distanzieren können. Da ist die Identifikation mit „seiner Seite“ doch ausgeprägter glaube ich.
Die Taz zb bei Hengameh und diesem anderen Artikel „auch Linken wird Rassismus vorgeworfen“ trägt ihre Konflikte ja innerhalb des eigenen Blattes aus (und wurde dafür eben auch kritisiert). Kann sich das jemand vorstellen, dass die Welt auch Artikel gegen Broder oder Fonso drucken würde? Obwohl das vielleicht ein schlechtes Beispiel ist, hauptsache es knallt.
Dass Linke sich mit Lust gegenseitig zerfetzen und Rechte das üblicherweise nicht tun, ist ein zentraler Faktor, warum letztere politisch so viel erfolgreicher sind. Aber da wurde hier mit der Volksfront von Judäa ja schon drauf hingewiesen.
Zitat Stefan Sasse:
„…und Rechte das üblicherweise nicht tun“
Okay, außer in der Kanzlerfrage^, im Grunde die einzige Frage von Belang für die Unionschristen und nicht ohne Zerfetzungspotential , siehe z.B. weiland bei Kohl/Strauß. Auf die Wirksamkeit dieser Sollbruchstelle beziehen sich momentan die Gebete von RRG-Träumern.
Ansonsten stimmt das natürlich. Was die im Beitrag angesprochene Identitätspolitik angeht, handelt es sich ja primär um eine links-interne Beschimpfung. Von links nach rechts oder umgekehrt wird damit eigentlich kaum geschossen.
Lafontaine und seine Gattin werden nicht müde, das I-Wort auch IHRER Partei vorzuhalten, der Linken insgesamt sowieso. Es geht um die Gegenüberstellung von harten sozio-ökonomischen Interessen der kleinen Leut und die damit verbundene Kapitalismus-Frage (vermeintlich das eigentlich genuin Linke) versus Laberkram der Kulturlinken, was unter den Verdacht von Identitiy-Quatsch gestellt wird. Bei Letzterem handelt es sich angeblich um ein „neoliberales Projekt“, also Partikular-Interessen, die links aussehen, aber am Ende des Tages gegen die da unten gerichtet seien.
Es geht halt nichts über die heiß geliebte Streitkultur.
https://taz.de/Austausch-ueber-Krise-der-Linken/!5663748/
@ Ariane 25. August 2020, 01:56
Gleiches bei der FDP, die … sich von den Gemeinsamkeiten mit der AfD nicht klar distanzieren können.
JEDE Partei hat Gemeinsamkeiten mit der AfD. Die AfD ist (selbst wenn ich sie in Summe für eine rechtsextreme Partei halte) auch nicht durchgängig 100%-schwarz-böse.
Warum sollten sich beispielsweise, falls die AfD die Abschaffung der Atomkraft fordern sollte, die Grünen von ihrer entsprechenden Politik distanzieren?
Sicher, vor allem weil die AfD der Strategie vieler populistischer Parteien folgt, alles ins Programm zu schreiben was populär ist (surprise…). Da muss es zu Überschneidungen kommen. Relevant sind ja die Begründungen. Wenn eine Partei gegen Kernkraft wäre, weil sie lieber bewusst mit Kohle die Atmosphäre verschmutzt, wäre die Überschneidung zu den Grünen eher gering. Was übrigens auch der Grund ist, dass ich so wenig von Wahl-O-Mat und Co halte…
JEDE Partei hat Gemeinsamkeiten mit der AfD. Die AfD ist (selbst wenn ich sie in Summe für eine rechtsextreme Partei halte) auch nicht durchgängig 100%-schwarz-böse.
Es ging mir hier eher um Leute wie Kemmerich oder Schäffler, die sehr rechtspopulistisch unterwegs sind (Kubicki mit seinem Querdenken mittlerweile vielleicht auch noch).
Nicht darum, ob die FDP gegen das Tempolimit oder Steuersenkungen ist.
@ TBeermann 24. August 2020, 19:22
Hm…was du als „alternative Medien“ bezeichnest, würde ich als Durchlauferhitzer für Rechtsextreme und solche, die es werden wollen, bezeichnen.
Mal sehen, ob Dir Dein eigener Schuh passt. Du schreibst oft genauso einseitig wie die, nur von linker Seite.
i>Es ist insofern ein rechtes Phänomen, als dass diese Begriffe und das Gejammer darum fast ausschließlich von Rechts kommt. Liegt vielleicht daran, dass Linke heftigen Gegenwind inklusive persönlicher Konsequenzen schon seit jeher erleben und daran gewöhnt sind.
Man merkt, dass Du die 70er Jahre nicht erlebt hast. Da hatten die durch den heißen und kalten Krieg geprägten Konservativen das Sagen. Die, die am Drücker sind (so wie früher rechts, so wie heute links), argumentieren grobmotorisch, und die anderen (so wie früher links, so wie heute rechts) werden sensibel und empfindsam.
Man merkt, dass Du die 70er Jahre nicht erlebt hast. Da hatten die durch den heißen und kalten Krieg geprägten Konservativen das Sagen. Die, die am Drücker sind (so wie früher rechts, so wie heute links), argumentieren grobmotorisch, und die anderen (so wie früher links, so wie heute rechts) werden sensibel und empfindsam.
Eigentlich Zustimmung. Aber der Natodoppelbeschluß wurde von Schmidt (SPD) durchgeboxt. War aber auch schon 80er.
Jens Happel 25. August 2020, 15:31
Eigentlich Zustimmung. Aber der Natodoppelbeschluß wurde von Schmidt (SPD) durchgeboxt. War aber auch schon 80er.
Ja; mit Stimmen der Konservativen, gegen die eigene Partei.
Deine Einleitung paßt überhaupt nicht zum Artikel.
Du stellst die Frage, ob die „cancel culture“.
Und versuchst das zu widerlegen mit der Argumentation „Das gab es doch früher unter anderem Namen auch schon“ und „Die anderen machen es doch auch“.
Insgesamt belegst Du damit nur, daß es die „cancel culture“ gibt. Und die diversen Beispiele belegen eigentlich nur, daß das eine Unkultur und abzulehnen ist.
Ansonsten:
„Entweder gibt es eine Cancel Culture, Sprechverbote und eine Bedrohung der Meinungsfreiheit. Oder man kann Auflage machen und viel Geld verdienen, indem man sich wortreich über sie beklagt. Beides gleichzeitig ist nicht möglich.“
Natürlich ist beides gleichzeitig möglich. Denn die Leute, die von der „cancel culture“ betroffen sind und deren Freiheit beschnitten wird sind eben ganz andere Leute als die, die sich über diese Vorgänge beklagen.
Generell: Wer in gesicherten Verhältnissen lebt und nicht befürchten muß, durch einen linken shitstorm seinen Job oder seine Auftrittsmöglichkeiten zu verlieren – der hat natürlich die Freiheit, sich über die „cancel culture“ öffentlich aufzuregen.
Aber viele andere haben diese Freiheit nicht (mehr) und müssen die Klappe halten, weil ihnen sonst persönliche Konsequenzen drohen.
Und diese persönlichen Konsequenzen bestehen eben NICHT darin, daß sie inhaltlichen Widerspruch oder Kritik aushalten müssen. Sondern daß sie vielleicht ihren Lebensunterhalt verlieren.
Wer inhaltlich austeilt muß auch inhaltlich einstecken können. Aber das Problem der „cancel culture“ und ihrer Vorläufer besteht darin, daß nicht auf die Inhalte gezielt wird, sondern auf die Person.
„Das satirische Lied von der „Umweltsau““
Völlig andere Baustelle. Weil das eben keine private Meinungsäußerung war, sondern von einem Staatssender kam, der an gewisse Vorgaben gebunden ist. Irgendein Comedian oder Politiker hätte das problemlos bringen können. Hätte nicht jedem gefallen, ist aber egal.
Aber der WDR ist halt etwas Anderes.
„Die Gesellschaft als Ganzes hat sich lediglich dazu entschlossen, das als indiskutabel anzusehen.“
Nein, hat sie nicht. Es gab dazu nie eine Beschlußfassung, nicht einmal eine Prüfung der Mehrheitsmeinung. Es gibt nur einzelne Aktivistengruppen, die irgendetwas plötzlich als „indiskutabel“ einstufen und durch ihre Medienmacht dagegen vorgehen. Was „die Gesellschaft“ davon hält wird dabei nie gefragt oder beachtet. Bei vielen Punkten die heute als „indiskutabel“ behauptet werden ist sogar ziemlich deutlich, daß die Gesellschaft das ganz anders sieht.
Generell halte ich eine Einstufung „indiskutabel“ normalerweise für eine argumentative Bankrotterklärung. Es gibt natürlich Extremfälle, für die das gilt. Wenn einer an die Bill-Gates-Verschwörung glaubt, dann diskutiere ich das auch nicht mehr mit ihm. Aber eben nur das, er wird deswegen nicht allgemein zur persona non grata, wie das bei Linken üblich ist.
Aber abgesehen von solchen Extremfällen ist ziemlich alles diskutabel. Es gibt legitimes Pro und Contra auch zur Umweltsau oder zur Zigeunersauce und solche Diskussionen muß eine Gesellschaft aushalten, ohne sie im Ansatz abzuwürgen.
Ich fürchte, ich war zu sehr in die Artikelüberschrift verliebt ^^
Mein Punkt ist, dass NIEMAND Angst haben sollte, wegen so was seinen Job zu verlieren, dass aber das Phänomen kein linkes oder rechtes ist.
Ich fordere dich noch einmal auf, rechte Kampfbegriffe wie „Staatssender“ nicht zu nutzen. Ich rede auch von Unternehmern und nicht von der kapitalistischen Ausbeuterklasse.
Ich halte die Aussage, dass die Gesellschaft insgesamt Pädophilie als nicht diskutabel betrachtet, schon für Konsens, sorry.
Lustig auch, wenn Leute fordern „Solche Diskussionen muß eine Gesellschaft aushalten“, die sich sonst immer an Thatchers Diktum „There’s no such thing as society“ orientieren.
Sagte ich schon dass es reine politische Kampfbegriffe sind? Aber auf linker Seite fordern auch gerne Leute Meinungsfreiheit, bis sie selbst kritisiert werden. Erneut, universelles Phänomen.
Zitat Stefan Sasse:
„Ich fordere dich noch einmal auf, rechte Kampfbegriffe wie „Staatssender“ nicht zu nutzen.“
Du könntest ja canceln^. Aber streng aufgefordert is ja schon halb gecancelt. Die Polemik ist IMHO unsachlich (sonst wär’s ja keine Polemik), beleidigt aber niemanden. Was spricht gegen politische Erkennungsmerkmale und Duftmarken? Ich plädiere übrigens für linksgrünversiffte Staatssender.
Der Hessische Rundfunk hieß früher mal „Rotfunk“. Gähn, alte Hüte. Bei selbigen Rotfunk bekam übrigens 1959 (!!) ein damals populärer „Quizmaster“ Schwierigkeiten mit den allerhöchsten obrigkeitlichen Stellen, weil er in einer Unterhaltungssendung die „Zone“ als DDR bezeichnet hat:
https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-42623007.html
Man sieht, das Thema ist nicht ganz neu. 60 Jahre alte cancel/PC-Kostprobe:
„Wer … dieses Staatsgebilde von Moskaus Gnaden … so bezeichnet, sollte von den Mikrophonen der Bundesrepublik ferngehalten werden“
Kuli wurde aber nicht „ferngehalten“ . In seinem 60er Jahre Quiz „EWG“ hat er mal an einer Stelle ganz unbedarft Willy Brandt (damals Außenminister) lobend erwähnt. Die CDU hat rotiert. die „Debatten“ waren heftig. Durfte der das ? Die Frage ist offenbar bis heute nicht geklärt^; „Volkserziehung“ und so.
Zitat:
„Ich rede auch von Unternehmern und nicht von der kapitalistischen Ausbeuterklasse.“
Könnte man aber. Warum nicht ?
Sag ich ja, so alt wie die Menschheit.
Zu deiner letzten Frage: Weil’s dem Diskurs nicht dienlich ist.
Das interessante ist ja eigentlich, dass es beides gibt. Auf der einen Seite wird über Cancelculture, PC blablubb geklagt und dass der Diskurs ja so verroht ist.
Auf der anderen Seite gibt es aber auch so eine Sehnsucht nach der Debattenkultur von früher (die kein Stück besser war btw). Ich erinnere nochmal an diese merkwürdige Vorstellung, die teils immer noch existiert, dass die Debatte ja lebendiger wird, wenn die AfD im Bundestag (oder anderen Parlamenten) mit dabei ist. So eine ähnliche Illusion gab es nach der letzten Wahl auch, meine ich.
Diese Idee, dass der Diskurs viel besser wird, wenn wir eine Minderheitskoalition haben.
Ist ja ein totaler Widerspruch. Menschen wissen halt nicht, was sie wollen 😉
Ich weiß nicht, ob das noch mit reinpasst, aber ich finde, oft ist so ein Aktionismus dabei, der mich verwundert. Aus „ich finde Dieter Nuhr doof“ wird oft einerseits mir damit irgendwie eine CancelCulture unterstellt, andererseits machen das einige ja gezielt (Hengameh anzeigen, Woody Allen boykottieren, ÖR abschaffen, bzw das Oma-Lied canceln) und dann ist es eben keine Debatte mehr, sondern eben mit einer Aktion verbunden.
Und zwar eine, die die „Entscheidungsträger“ ja irgendwie verwirrt. Hengameh wurde doch nicht angezeigt, Allens Biographie steht in den Läden, Dieter Nuhr hat doch ein Video bei der DFG und Eckhard wurde auch wieder eingeladen (hat sie wohl abgelehnt).
Dieser ganze Aktionismus war also eigentlich total unnötig.
„Ich fürchte, ich war zu sehr in die Artikelüberschrift verliebt ^^“
Ja, das beeinflußt natürlich wie der Leser das einsortiert.
„Mein Punkt ist, dass NIEMAND Angst haben sollte, wegen so was seinen Job zu verlieren, dass aber das Phänomen kein linkes oder rechtes ist.“
Ich hatte nämlich nicht gesehen, daß dies der Punkt sein sollte. Wir haben da weitgehend Konsens. Es gibt das Phänomen auch rechts, aber links dominiert halt derzeit die veröffentlichte Meinung und daher mehr Durchsetzungskraft bei der Benutzung dieser Methoden.
„Ich fordere dich noch einmal auf, rechte Kampfbegriffe wie „Staatssender“ nicht zu nutzen.“
Tut mir leid, das werde ich nicht. Man kann das als „Kampfbegriff“ sehen (obwohl es schlicht eine zutreffende Beschreibung ist), aber „rechts“ ist daran nichts. Und ich halte es für wichtig immer auf den zentralen Unterschied zwischen staatlichen und privaten Medien hinzuweisen. Weil die ersteren eine ganz andere Verantwortung und Verpflichtung haben.
„Ich halte die Aussage, dass die Gesellschaft insgesamt Pädophilie als nicht diskutabel betrachtet, schon für Konsens, sorry.“
Da haben wir Konsens. Pädophilie für gut zu finden ist für mich wie Bill-Gates-Verschwörung, also eine von den Ausnahmen.
Wobei ich es durchaus für diskussionswürdig halte zu fragen, ob die aktuellen Kriterien dafür angemessen sind. M. E. ist der Gesetzgeber da in den letzten Jahren weit übers Ziel hinausgeschossen.
Sicher, aber darum ging es ja bei Cohn-Bendit nicht. Und bei der Debatte in den 1980ern auch nicht. Ich wollte letztlich nur ein Beispiel für einen Bereich, in dem die Gesellschaft etwas definitiv tabuisiert hat, das früher noch offener war. Ich gehe übrigens davon aus, dass es da eine Gegenbewegung geben wird in den nächsten Jahrzehnten.
„Da sie eine freie Autorin ist, darf man getrost annehmen, dass das für ihre Karriere nicht eben förderlich war.“
Ihre Kolumne in der taz hat sie ja immer noch, und dort gibt sie das hier zum besten:
„Wenn Tabi Boots für Utopien stehen, sind Zehenschuhe die triste Realität, die uns zurück auf den Boden zerrt. Tabis sind Maßnahmen, um Gerechtigkeit für Schwarze Menschen einzuleiten, und Zehenschuhe inhaltsleere schwarze Quadrate auf Instagram. Tabis sind die Verbesserung der Verhältnisse durch Umverteilung von Reichtum, Zehenschuhe die gegenwärtige Ausbeutung von Pflegekräften und Arbeiter:innen von der Fleischfabrik bis zum Spargelfeld. Tabis sind 50 Jahre queerer Aufstand und Zehenschuhe ein Interview zum CSD-Wochenende, in dem zwei Typen mit weiß-schwuler Identitätspolitik auf nichtbinäre trans Leute spucken.“
https://taz.de/Was-Zehenschuhe-ueber-dich-verraten/!5699067/
Soll ich mich jetzt als Zehenschuhträger angegriffen fühlen? Wohl eher nicht, denn niemand hat mich gezwungen, den Quatsch zu lesen.
Ich hab sie vorher nicht gelesen, nachher nicht und hab nicht mal ihre Polizei-Kolumne komplett gelesen, weil ich sie doof fand. Aber dass sie mindestens genauso hart getroffen wurde wie Eckhart sollte klar sein. (Ich hab übrigens immer noch keine Ahnung, was das Problem mit ihr war, und keine Intention, es herauszufinden)
Bei Eckhart war wohl eigentlich gar nichts, außer dass wohl ein paar andere Kabarettisten nicht mit ihr auftreten wollen und irgendwelchen ominösen „Sorgen aus der Nachbarschaft“, es könnte zu Protesten kommen.
Da haben sich ein paar Deppen etwas zusammengesponnen und sich dann noch dafür auf die Schulter geklopft, „eine wichtige Debatte angestoßen zu haben“.
Außerdem werden nun mehr Rezensionen ihres Romans veröffentlicht – weswegen ich nun weiß, was „Proömium“ und „fladern“ bedeuten:
https://www.sueddeutsche.de/kultur/lisa-eckhart-omama-buchkritik-1.5001583
https://twitter.com/stefansargnagel/status/1295035918982750211
Klingt nach Yascha Mounk und seinem depperten Brief wegen Rowling.
Das ist ja wirklich unterirdisch dämlich. Warum publiziert die taz eigentlich so etwas? Ich bin da ehrlich ratlos.
Würde vermuten es schafft Empörungsklicks. Warum publiziert die Welt Poschardt oder Broder?
Bei Poschhardt oder Broder, lese ich beide selten, weiss ich zumindest i.d.R. worum es geht. Und die Beiträge sind zwar oft, m.E. nach, völlig falsch aber immerhin in sich einigermassen schlüssig, logisch und nachvollziehbar.
Bezweifle ich nicht.
Eben. Bei der taz Kollumne fehlt das jedoch komplett.
Wie gesagt, ich les die nicht, kann ich nicht beurteilen.
@ derwaechter 25. August 2020, 07:30
Bei Poschhardt oder Broder, lese ich beide selten, weiss ich zumindest i.d.R. worum es geht. Und die Beiträge sind zwar oft, m.E. nach, völlig falsch aber immerhin in sich einigermassen schlüssig, logisch und nachvollziehbar.
Kann ich nachvollziehen. Ich habe vor ein paar Jahren fleißig „achgut“ gelesen, und es waren immer wieder ein paar gute Artikel dabei. Aber die sind inzwischen so abgedreht, dass (zumindest mir) das nichts mehr bringt.
Wenn man hier Stefan P. „Schaum vor dem Mund“ vorwirft – da kann man in den Kommentarspalten lesen, was das wirklich bedeutet.
Hast Du eine Erklärung dafür, dass Broder so abgedreht ist? Könnte rein persönlich sein, gäbe es nicht am anderen Ende das gleiche Phänomen bei den Nachdenkseiten.
Ist ja auch nicht nur NachDenkSeiten. Denk mal an Compact, Jürgen Elsässer und und und.
@ CitizenK 25. August 2020, 12:56
Hast Du eine Erklärung dafür, dass Broder so abgedreht ist? Könnte rein persönlich sein, gäbe es nicht am anderen Ende das gleiche Phänomen bei den Nachdenkseiten.
Bestenfalls eine ganz vage Vermutung. Hier wie dort wird man mit seiner als normal empfundenen Meinung ausgegrenzt, gerät dann an Achgut oder NDS, und findet für poinierte Aussagen mehr Zuspruch. Also wird man noch pointierter … (so funktioniert zumindest die „Erziehung“ innerhalb der BILD).
Totschweigen und nicht reagieren führt auch bei den Henryk M. Broders und Albrecht Müllers dieser Welt dazu, dass sie sich politisch dort verfestigen, wo man ihnen zuhört und zustimmt. Und in die Ecke / Blase hinein geht einfacher und schneller als wieder hinaus.
Ist wie gesagt nur eine vage Vermutung.
Stecken ja letztlich auch wirtschaftliche Interessen dahinter. Leute wie Broder sind Trolle, die leben vom Krawall (egal, wie clever und durchdacht der Krawall auch sein mag!). Entsprechend sind sie gezwungen, immer neuen Krawall zu machen, und die Straße führt sehr leicht ins Radikale. Ist ja für die NDS auch nicht anders. Die haben keinen Durchbruch in den Mainstream geschafft, also haben sie sich auf die andere Seite bewegt, weil da Leute zu holen waren.
@ Stefan Sasse.
Bezüglich Broder ist das schlüssig. Aber Müller, der Nachdenker vom Dienst, war jahrelang leitender Beamter im Bundeskanzleramt und hat eine „ordentliche“ Polit-Karriere hinter sich, so watt is bei Broder schlecht vorstellbar^.
Bei Broder spielt Ideologie keine Rolle, Hauptsache fetzig und rumms und aufmerksamkeits-ökonomisch ertragreich und mehr oder weniger witzig als Sahnehäubchen.
Müller ist eher weltanschaulich gefestigt und sehnt sich offenbar nostalgisch nach der guten alten Zeit, als er Umgang mit der ersten Polit-Liga hatte, von Willy Brandt fasziniert war und Keynes in der Version von Karl Schiller, für den er auch gearbeitet hat, noch geholfen hat.
Ja, aber Müller hat sich halt immer weiter radikalisiert. Ich erinnere mich ja noch an die Anfangszeiten, da war es „nur“ das Meinungskartell von oben, aus wirtschaftlichen Interessen. Das war schon radikal, was mir aber damals als Radikalem natürlich nicht so auffiel. Aber seither hat er sich ja so ins Abseits bewegt…
Zustimmung!
Dieses krawallige scheint mir gerade bei der Welt eine Art Marketingstrategie zu sein. Ziemlich schade, die hatten früher auch etliche längere interessante Artikel drin und ich mochte Stuckrad-Barre (weiß gar nicht, ob der noch da ist)
Yücel (schon vor seiner Verhaftung meine ich), Broder und Alphonso hatten sie ja schon länger abgeworben und ich meine Broder und Alphonso nachdem sie für SpOn und faz untragbar geworden waren. Auch Ben Brechtken (so ein JuLi-Vorsitzender) und der „SPD-Intellektuelle“ Heisterhagen haben Gastartikel bekommen.
Jetzt mal ehrlich, die kennt doch niemand, das sind reine Twitterpromis, die auch nur bekannt sind, weil sie provokatnen Kram von sich geben vornehmlich gegen sozialliberale Frauen. Ich meine Brechtken hat seinen Gastartikel nach einer wilden Story bekommen und er einer Parteikollegin Nazi-Methoden oder so unterstellt hat.
Also das ist schon ne Masche mit krawalligem Clickbait, ohne viel Substanz dahinter. Broder und Yücel sind ja trotz allem noch Journalisten.
A propos wirtschaftliche Interessen, es gab da wohl irgendwie Stress zwischen Springer (BILD) und der deutschen Startup-Szene. Ein indischer Startupper hat 100Millionen Investment bekommen und wie die BILD so ist, hat sie das doch recht rassistisch in eine Überschrift verpackt.
Das kam nicht so gut an. Soweit so normal: nun berichtet aber der Vorsitzende der vereinigten deutschen Startupper, dass erst Reichelt empört bei ihm angerufen hat (nachdem eigtl alles geklärt war) und plötzlich auch ein Vorstandschef von Springer beteiligt war und man bemüht war „den Mob“ (damit ist wohl die deutsche Startup-Szene gemeint) wieder zu beschwichtigen und jetzt ist ein Dinner geplant:
https://twitter.com/miele/status/1298242271947653122
Keine Ahnung, ob das alles so stimmt. Aber bei anderen Dingen ist BILD ja nun nicht zimperlich und der Vorwurf von Rassismus und Hetze nichts Neues.
Stefan hatte dazu ja auch schon mal was und Springer ist ja durchaus dabei, von Print weg Richtung Multimedia-Unternehmen zu gehen.
Exakt. Und wie gesagt, funktioniert ja auch gut als Strategie, siehe auch heutiges Vermischtes.
Ein Aspekt wäre auch, dass sich die Grenze des Erträglichen für die Inszenierung von rassistischen Einstellungen ganz natürlich verschiebt.
Hab ihn nie gesehen, aber „Birth of a Nation“ war in den 10er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ein kommerziell erfolgreicher Film. Er gilt als Meilenstein der Filmgeschichte. Er wird aber auch in Programmkinos praktisch nie gezeigt, weil er so rassistisch sein soll, dass wir das heute praktisch nicht mehr sehen können.
Ist ja auch so. Du musst auch gar nicht bis Birth of the Nation zurückgehen; viele Komödien schon der 1980er Jahre sind heute kaum mehr ohne verzogenes Gesicht anzusehen. Was da an beiläufigem Rassismus und Sexismus drin steckt, geht heute gar nicht mehr. Oder wenn Sean Connerys James Bond eine Frau mit Klaps auf den Po wegschickt, weil jetzt die Männer reden…da hat sich viel getan, und Klaps-auf-den-Po-Geber-und-danach-mit-Männern-Reder fühlen sich davon natürlich bedroht.
😉
https://www.welt.de/vermischtes/article189018299/George-Mendonsa-Der-kuessende-Matrose-vom-Times-Square-ist-tot.html
Was wäre wohl aus diesem Foto geworden, das frage ich metoo!
🙂
Wenn ich mich recht entsinne, hat die geküsste Dame das nicht so pralle gefunden. #MeToo hätte absolut Recht.
100% Zustimmung.
Ich wollte nur ein prominentes Beispiel deiner Aufzählung oben beifügen. Das Foto ging um die Welt und wurde gefeiert. Heute zum Glück undenkbar.
Bei unserer Aufregungskultur sähe eine Zeitung so aus:
TOPTHEMA: Schwere Anschuldigungen gegen den Times-Square-Knutscher
Editorial: Darf er es – oder soll er es (lieber) lassen
Weitere Meldungen(international): Weltkrieg beendet – Börse reagiert positiv
Du merkst aber schon, dass du die Empörung immer nur auf linker Seite siehst, während die Rechten anscheinend immer objektiv und rational sind? Ist das nicht erstaunlich?
Nein, ich sehe vor allem, dass Empörungsschlachten egal von welcher Seite ausgelöst den rechten mehr nutzen. Sie lenken von nötigen Reformen ab und eine Schlammschlacht gewinnt, wer kein Problem hat, sich schmutzig zu machen. Insofern wirken die rechten Aufreger (Umweltsau ist ein sehr lehrreiches Beispiel) in zynischem Sinne kalkulierter.
Ich halte wenig von dieser „nur Ablenkung“-Erklärung. Diese Kulturkämpfe sind den jeweiligen Beteiligten immer ziemlich wichtig.
Stell dich mir die Augen verdrehend vor.
Letztlich ist diese ganze, nunja, „Debatte“ ein einzelner großer Kategorienfehler (sie war es seit Jahrzehnten schon immer und sie ist es jetzt und sie wird es in Zukunft sein):
„Die Linke“ hat – und hatte schon immer – ein riesiges Binnenproblem mit Leuten, die ihre spezifische persönliche Spezialansicht genau allen und genau in exakt ihrer eigenen quasi-religiösen Reinform überhelfen wollen. Niemand, der jemals Linker war und/oder Kontakt mit Linken hatte, würde dem widersprechen. Das alte Jüdäische-Volksfront-Volksfront-von-Judäa-Phänomen.
Rechte, Rechtsextreme, „Konservative“, Liberalalas und sonstige Leute, die aus egoistischen Gründen gerne hätten, das bitteschön alles so bleibt, wie es aus ihrer persönlichen Sicht für sie komfortabel ist (Abweichung: Wie es in den 50ern der BRD so schön komfortabel war), haben und hatten schon immer ein Problem damit, wenn Marginalisierte, Unterdrückte oder Wissenschaftler aussprechen, was am Zustand der Dinge Scheiße ist.
Letztere projezieren letzteres gerne auf ersteres. That’s it. Das beschreibt sämtliche der von Dir benannten Phänomene. Wer schon mal einen Lebenspartner hatte, der ohne ersichtlichen Grund unfassbar eifersüchtig war und der sich im Nachhinein als skurril untreu herausgestellt hat, der kennt das Prinzip. Das ist sehr menschlich: Unser Hirn redet uns gerne ein, dass all das, was wir bei uns selber als unangenehm wahrnehmen könnten, total okay ist, weil wir bei anderen genau dasselbe viel schlimmer wahrnehmen. Auf der Ebene der Hirnchemie ist das für ein soziales Tier wie den Menschen ein sehr sinnvoller Mechanismus. Soziale Angepasstheit ist für uns Menschen eine zentrale Überlebensstrategie. Also sucht der Musterfindungsapparat, der unser Hirn ist, beständig nach Mustern, in denen wir sozial in unsere Gruppe passen und andere Individuen ein Außen sind.
Ist halt ein bisschen doof, dass wir nicht mehr in Gruppen von weitgehend homogenen, untereinander verwandten Kleingruppen unterwegs sind.
Zivilisation und Demokratie zusammen zu spielen ist ein Konzept, für das wir evolutionär nicht gebaut sind. Zivilisation und Demokratie zusammen zu spielen bedeutet, sich beständig den Nachteilen unseres – evolutionär betrachtet unfassbar geilen, herausragend energiesparsamen – Musterfindungsprozessor in unserem Hirn bewusst zu sein und den zu überwinden. Das bedeutet geistige Arbeit. Demokratie in der Zivilisation gibt es nicht gratis.
Ja. Der Mensch ist ein widersprüchliches Wesen:
Ich muss da noch genauer darauf herumdenken, aber ich glaube aktuell ist der Widerspruch so groß aus der eigenen, individuellen Person dann den Sprung auf eine Gemeinschaft (egal ob klein wie Familie/Umfeld oder groß sprich Deutschland, EU, die Welt) zu tun. Stefan hat ja recht, wir sind heute so individuell und liberal wie nie zuvor.
Trotzdem lebt ja niemand allein auf der Welt, sondern ist immer Teil einer Gemeinschaft und beides zusammen und gleichzeitig zu denken, ist nicht so leicht. Gerade wenn man noch mit so etwas Unsichtbarem und Ungewöhnlichem wie zb einer Pandemie konfrontiert wird. (ist ja mittlerweile auch völlig politisiert und hier IMO ein Katalysator)
Und hier ist ja ein Konflikt. Ob wir das nun sozial oder juristisch betrachten, es können nur alle so frei und individuell wie möglich leben, wenn sich alle an gewisse Regeln, Nettiquette oder meinetwegen das Gesetz halten. Und diese Aushandlung ist immer konfliktreich und nochmal auch extrem widersprüchlich:
Auf der einen Seite werden die Zi..soße und die Mohrenstraße umbenannt, hier wird es also politisch korrekter, auf der anderen Seite wird ständig so etwas wie Seenotrettung kriminalisiert. Wir haben also durchaus beides zugleich, was vielleicht ein bisschen dieses Bedrohungsszenario erklärt, das da immer mit einhergeht.
Die Psychologen nennen das „Projektion“.
„….Musterfindungsprozessor in unserem Hirn bewusst zu sein und den zu überwinden. Das bedeutet geistige Arbeit.“
Sehr wahr, und es fängt bei den eigenen Vorurteilen an. Und ist es richtig, dass diese geistige Arbeit nicht in allen Bereichen des politischen Spektrums in gleichem Maße aufgewendet wird?
Wie mehrfach gesagt, ich hab ein großes Problem damit, dieses Phänomen überhaupt in einen Links-Rechts-Kontext pressen zu wollen. Es gibt sicherlich Unterschiede zwischen den beiden Lagern, aber die bestehen nicht darin, dass eines immun gegen menschliche Schwächen wie Eifersucht oder Heuchelei ist.
Ich denke, der größte Unterschied ist eher, dass teilweise die Konflikte an anderen Stellen geführt werden. Da passt dann wieder offen vs Normalitär.
Diese Sehnsucht nach Homogenität ist logischerweise auf der rechten Seite stärker ausgeprägt, während es auf der Linken mehr Toleranz zb für unterschiedliche Lebensentwürfe oder marginalisierte Gruppen gibt. Das ist ja oft der Definitionsunterschied zwischen links und rechts (wenn man das herunterbricht)
Dafür gibts bei den Linken mehr Konflikte was Klassismus und die Definition angeht, wer denn jetzt marginalisiert ist. (Irgendwo wurde auch auf die einseitige Sichtweise von Linken auf Klasse bzw Wirtschaft hingewiesen, glaub im Artikel von Rudi Bachmann)
Und das Hufeisen kommt dann meistens ins Spiel, wenn es gegen „die da oben“ geht, die ja „gegen den Volkswillen oder die Unterdrückten“ agieren. Das ist dann reiner Populismus, da treffen sich dann alle Spektren und Schwurbler zusammen.
Auch hier: Jein. Es ist das Merkmal der modernen Linken, aber wenn du so in die Bereiche klassischer Sozialdemokratie gehst oder der sozialistischen/kommunistischen Strömungen hast du auch sehr wenig Offenheit und Individualismus, stattdessen Normalitäre.
Ja das stimmt. Anscheinend sind die Progressiven jetzt die PoMos (Postmodernen). Da find ich woke ja noch besser.
Möchte bitte weiterhin linksgrünversiffte Gutmenschin sein! 🙂
Und ja, der Kampf der offenen Individualisten richtet sich genauso gegen links wie rechts.
@ Stefan Sasse 25. August 2020, 09:41
Wie mehrfach gesagt, ich hab ein großes Problem damit, dieses Phänomen überhaupt in einen Links-Rechts-Kontext pressen zu wollen.
Naja. Für links negierst Du den Prozess, und für rechts führst Du ein beispiel nach dem anderen an.
Nein, ich negiere es nicht. Ich will darauf raus, dass das von allen Seiten vorkommt, weil es eben parteiunabhängig ist. Da aber „cancel culture“ als spezifisch links gesehen wird, müssen Beispiele für meine These notwendigerweise von rechts sein.
@ Stefan Sasse 25. August 2020, 12:49
Ich will darauf raus, dass das von allen Seiten vorkommt, weil es eben parteiunabhängig ist.
Das wird nicht klar.
Da aber „cancel culture“ als spezifisch links gesehen wird, …
Nehme ich zwar sehr breitbandig war (siehe Polen, Ungarn Türkei, USA), aber nun denn.
… müssen Beispiele für meine These notwendigerweise von rechts sein.
Natürlich nicht; genau deswegen kommt es nicht rüber.
Wenn Du erläutern willst, dass Cancel Culture auf beiden Seiten vorkommt, musst Du natürlich auch für beide Seiten Beispiele bringen. Verstehe nicht, dass so etwas nicht klar ist.
Das tut mir Leid, ich ging davon aus es klar genug formuliert zu haben 🙁
Was meinst du mit breitbandig?
Ich denke, das ist tatsächlich meiner Prämisse geschuldet, dass das aktuell ein Kampfbegriff ist. Hätte ich vermutlich wirklich genauer schreiben müssen.
@ Stefan Sasse 25. August 2020, 22:57
Was meinst du mit breitbandig?
Für mich ist da keine Frage von rechts oder links, sondern eher populistisch; schließt also rechts, links, grün ein. Betrifft dort nicht jeden, sondern diesen Menschenschlag, der sich zu wichtig nimmt und daher gerne mit geliehener Macht auflädt.
Ich hab übrigens vorhin eine sehr angenehme kurze Verhandlung des Begriffs „Cancel Culture“ im Podcast Lage der Nation #201 (es gibt Kapitelmarken) gehört.
tl;dr: Der Begriff ist Schwachsinn und wer ihn unironisch (oder nicht in Betrachtung über ihn) benutzt, dessen Ausführungen stehen von vornherein unter dem Verdacht, keinesfalls zu nehmend zu sein.
… ernst zu nehmend …
Nun, es überrascht dich sicher nicht, dass diese These bei mir auf Zustimmung stößt. Ich habe den Podcast jetzt allerdings noch nicht angehört und kenne deswegen die genaue Begründung nicht ^^
Bin noch nicht zum Thema vorgedrungen, aber der Podcast mit Samira (die mit der Spiegelkolumne) behandelt das Thema auch:
https://piratensenderpowerplay.podigee.io/
Aus dem Teaser:
Welche gesellschaftlichen Veränderungen bedingen die sozialen Dynamiken, die man irgendwie versucht atmosphärisch als Cancel Culture zu verorten?
Und haben sich als gesellschaftskritische Künstler etwas wie eine Artist Fragility, die sie besonders empfindlich für Kritik machen?
Je größer die Reichweite, desto größer das korrektive Konnektiv?
Je größer die Kritik, desto notwendiger die Selbstreflexion?
Falls noch nicht bekannt: Samira El-Ouassil schreibt schon seit längerem eine immer sehr lesenswerte Kolumne auf uebermedien.
https://uebermedien.de/tag/wochenschau/
(Ich vermute, die hat ihr den Job beim Spiegel überhaupt erst eingebracht.)
Danke für den Artikel, sehr schöne Überschrift.
Mich wundert es, dass es aktuell so ein Dauerbrenner ist. Ich meine, es gab letztes Jahr doch plötzlich so eine kleine „Medienkampagne“ wo Zeit, Faz, Spiegel und wie sie alle hießen, mit „Ist die Meinungsfreiheit bedroht?“ titelten. Weiß da noch jemand den Anlass?
Kamen übrigens alle zu dem Schluss, dass die Meinungsfreiheit nicht bedroht ist, aber schön dass man mal drüber geredet hat. ^^
Der professionelle rechtskonservative Troll Ulf Poschardt, Chefredakteur der Welt etwa, hat seine Zeitung zu einem führenden Meinungsblatt der Republik ausgebaut, indem er aggressiver als jeder andere auf dieser Klaviatur spielt
Ja, das spielt eine Rolle. Es ist eine Lust an der Provokation, was ja auch zu dieser völligen Übertreibung führt. Drei Leute auf Twitter sagen „xyz“ finde ich doof und daraus wird Tugendterror, Furor, CancelCulture, Untergang des Abendlandes. Da wird eine Aggressivität und Bedrohung suggeriert, die nicht existiert.
Und social Media und die „Qualitätsmedien“ leben mittlerweile ja auch voneinander. Kein Mensch wüsste doch sonst was von Lisa Eckhard oder der DFG oder neu dabei ein Clip aus einer ARD-Serie
Da werden Dinge mit Bedeutung aufgeblasen, die so gar nicht vorhanden sind. Nur die Teilnehmer sind heute gemischter.
Aber denkt mal an den Historikerstreit, das wurde halt (soweit ich weiß) rein elitär im Feuilleton ausgehandelt, ging aber auch gut zur Sache.
Heute kann halt ein Twitterer einfach so auch mitmachen. Das ist meine ich eher ein elitärer Kampf um die Deutungshoheit. Was meiner Meinung nach eigentlich auch nur bedenklich wird, wenn ein Machtgefälle hinzukommt. Wie die mangelnden Arbeitsschutzrechte und das Überreagieren auf irgendwelche Tweets oder sonstige social media-Veröffentlichungen.
Das war ja auch das Problem mit der Taz-Kolumne oder der Satire von Aurel bei Funk. Ist ja kein Ding, wenn es eine Debatte darum gibt, ob das nun ok ist oder nicht. In Satire ist ja eine Provokation schon angelegt.
Wenn sich aber Politiker bzw Menschen mit einer Machtstellung einschalten und das waren mehrere Innenminister, Polizeigewerkschaften und bei Aurel ein Abgeordneter, der direkt für die GEZ-Erhöhung zuständig war, ist es meiner Meinung nach was anderes. „mit Macht kommt Verantwortung“ und mit der muss man nun mal vorsichtig umgehen.
Es ist deswegen weiterhin wichtig, dass – wie bereits hier im Blog thematisiert – die „ideologischen Nachbarn“ die Augen offen halten. Protest gegen Cancel Culture muss von Konservativen kommen
Ja. Ich würde hier eventuell auch noch Seitenwechsel bzw Allyship ergänzen. Ist mir schon mehrmals passiert, dass ich eine vernünftige Diskussion geführt hab (ich mit linker Position vs einem ReLiKo) und wenn jemand mit radikaleren Positionen kam, hab ich dann gewechselt und meinen Diskussionspartner vor pauschalen Angreifern verteidigt.
Ich bin da auch nicht sicher, ob das halt eine Dauerdebatte ist (irgendwie schon, weil das in einer Gesellschaft ständig verhandelt wird) oder auch ein Kommunikationsproblem. Instagram, Twitter, und das deutsche Feuilleton funktionieren ja sehr unterschiedlich und normalerweise würden die ja gar nicht miteinander agieren. Eigentlich ist das ja eine hochspannende Sache und ein bisschen schade, dass das oft von so provozierendem Clickbait-Schnack überlagert wird. Das ist im Grunde eine Menge Lärm mit wenig Substanz.
Ich sag’s ja, das Thema ist ein Dauerbrenner. Da kann jeder seine immerselben Kolumnen schreiben. Quasi Arbeitsplatzgarantie.
Zivilisation und Demokratie zusammen zu spielen ist ein Konzept, für das wir evolutionär nicht gebaut sind.
Unsere Kultur basiert nicht auf unserer Biologie. Ansonsten würden wir noch von Baum zu Baum hüpfen.
Zivilisation und Demokratie zusammen zu spielen bedeutet, sich beständig den Nachteilen unseres – evolutionär betrachtet unfassbar geilen, herausragend energiesparsamen – Musterfindungsprozessor in unserem Hirn bewusst zu sein und den zu überwinden.
Dass Zivilisation energiesparsam sein sollte und all unsere Erwartungen unserer Musterfindung erfüllt, wäre bequem, ist jedoch nicht der Fall. Und ab und zu sein Köpfchen zu benutzen, sollte möglich sein.
War ein Reply zu @sternburg. Ist aus dem Fadengerutscht.
Ich wundere mich ein bisschen, dass seit einigen Monaten das Thema unter „Cancel Culture“ firmiert. Eigentlich ging es dabei ja darum, auf Druck oder wegen Sorge über öffentlichen Druck bestimmte Auftritte nicht zu erlauben. Der fließende Übergang von Kritik zu persönlichen Angriffen zu Mobbing ist eigentlich etwas anderes. Cancel Culture halte ich in Deutschland nicht für ein Problem und in den USA überschätzt; die Technik, die Auseinandersetzung mit Charakter und Motiven statt mit dem Argument zu suchen, scheint mir ein lagerübergreifendes Alltagsphänomen zu sein, bedingt durch Tribalismus und Like-Sammelei.
Dieses Segment bei On The Media fand ich dazu ganz hilfreich:
https://www.wnycstudios.org/podcasts/otm/episodes/making-sense-cancel-culture
Sagte ich schon politische Kampfvokabel? ^^
Vorab: Im Vergleich zu linkem politischen Denken ist selbst die Quantenphysik eine klare, logische, eindeutige Angelegenheit.
Cancel Culture beschreibt die
IdeeTatsache, dass es eine zunehmende Strömung auf der Linkengäbegibt, die nicht genehme Meinungen unterdrücken (canceln)wollewill.Derzeit ist es die Linke, an anderen Orten, zu anderen Zeiten waren es auch Rechte oder andere Gruppierungen. Ist also nix neues, sondern ein bekanntes Phänomen, das viele Gruppierungen benutzen.
Dies geschehe vordringlich durch das Entfesseln einer Art Gedankenpolizei, meist durch Online-Mobs, die in höchster Empörung die Einstellung oder Nicht-Veröffentlichung einer bestimmten Meinungsäußerung forderten. …
Das ist nur – sorry – dämliches Gesabbel, um Andersdenkende zu disqualifizieren.
Eine Verschiebung der Grenzen des Sagbaren im Sinne einer liberaleren Gesellschaft wird als Angriff empfunden.
Diesen Satz empfinde ich als Unverschämtheit. Was hat das Begrenzen der Sprache, das Verunglimpfen und Umdeuten von Begriffen mit „liberal“ zu tun? Es ist das Gegenteil.
Warum beschäftigst Du Dich mit dem Thema nicht offen (Gibt es das – ja oder nein? Wenn ja, wie ausgeprägt? etc.), sondern versuchst mit derartigem Neusprech, die Methode von links als sinnvoll darzustellen, während Du sie gleichzeitig leugnest und von rechts bekämpfst?
Der professionelle rechtskonservative Troll Ulf Poschardt …
Geht’s noch? Ist jetzt jeder Journalist, der nicht links schreibt, ein Troll? Diese Art von Abqualifizierung Andersdenkender ist AfD-Standard, nur von links.
Und wo wir bei Grenzen des Sagbaren sind: die verschieben sich ständig.
Ja, und? Abgesehen davon, dass es ein Unterschied ist, ob sich mit der Entwicklung der Gesellschaft die Sprache anpasst, oder ob jemand versucht, die Sprache zu manipulieren, um die Gesellschaft zu verändern – mit der gleichen Begründung könnte Bernd Höcke seine Ausfälle rechtfertigen.
Man denke etwa an den Artikel „All cops are berufsunfähig“ von Hengameh Yaghoobifarah in der taz. Die Polizei sowie weite Teile der Politik und der Publizistik stürzten sich auf Yaghoobifarah, die Autorin musste mit massivem Mobbing in den sozialen Netzwerken, Morddrohungen und negativer Presse leben. Da sie eine freie Autorin ist, darf man getrost annehmen, dass das für ihre Karriere nicht eben förderlich war.
Zu recht. Von Morddrohungen abgesehen, die (nur meine konservative Meinung) sehr hart und konsequent strafrechtlich verfolgt gehören – hätte sich ein Konservativer im gleichen verallgemeindernden Stil, in gleicher abfälliger Deutlichkeit der Sprache etwa über die Grünen geäußert, wäre er als Nazi abgeurteilt worden. Das irgendein „normaler“ Linker das auch nur ansatzweise gutgeheißen hat, sollte allen den Mund verschließen, die sich über völkische Formulierungen von rechts echauffieren.
Derweil spricht die BILD – und mit ihr Politiker der CDU – angesichts einer polizeikritischen Satiresendung in der ARD-ZDF-Koproduktion „Aurel“ von „gebührenfinanziertem Hass“ und fordert die Abschaffung des Rundfunkbeitrags und damit das de-funding der Öffentlich-Rechtlichen.
Nun ja, habe ich nicht gesehen, kann ich wenig zu sagen. Finde ich grundsätzlich nicht gut – Canceling Culture gibt es wie gesagt von jeder Seite.
Aber die Frage, was eigentlich die Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Sender ist, stelle ich mir fast jedes Mal, wenn ich sie einschalte. Und dass die ARD über staatlich verordnete Gebühren mehr Geld einnimmt, als Hollywood zur Verfügung steht, sehe ich auch nicht.
Ein weiteres Beispiel: Das satirische Lied von der „Umweltsau“ löste Morddrohungen aus, ohne dass es eine große Debatte über Identitätspolitik gegeben hätte.
Morddrohungen sind Straftaten und gehören strafrechtlich verfolgt. Ab in den Knast mit solchen Spackos. Dass das Lied aber aus verschiedenen Gründen Panne war, sollte jedem klar sein, der das gesehen hat. Ist also kein passendes Beispiel.
Es ist deswegen weiterhin wichtig, dass … die „ideologischen Nachbarn“ die Augen offen halten.
Du propagierst das öfter, aber hältst Dich selbst nur selten dran. Mit diesem Kommentar verharmlost Du linke Cancel Culture und verunglimpfst die, die diese Manipulationstechnik von links für eine Tatsache halten. Anschließend listest Du Beispiele für rechte Cancel Culture und vergißt Krokodilstränen. Und dann wirken Sätze wie dieser …
Ich muss versuchen zu verstehen, warum meine progressiven Ansichten einem Konservativen sauer aufstoßen, während der seinerseits zu verstehen versuchen sollte, worum es überhaupt geht …
… nur noch lächerlich. Jeder Konservative versteht genau, worum es geht, so wie Du in den von Dir genannten „rechten“ Beispielen auch genau verstehst, worum es geht. Ob Du Trump, Erdogan, Putin, Orban, Johnson oder Höcke nimmst, oder eben das, was von linker Seite an amerikanischen Universitäten oder auch hier (teilweise auch von Dir – siehe oben) passiert, es geht einzig und allein darum, über Sprache, über die Definition von Begriffen Macht auszuüben.
Poschardt ist ein Troll, wie etwa Stephan Ewald ein Troll ist. Ich meine das tatsächlich nicht wertend, der Mann ist brillant in dem, was er tut. Aber seine ganze Persona ist darauf ausgerichtet, Kontroversen zu generieren. Das ist Trollverhalten. Das ist unterhaltsam, vor allem wenn der Troll von der eigenen Seite kommt, und manchmal auch erhellend (weil er gleich einem Hofnarren am königlichen Hof Missstände benennen kann). Aber es ist eben keine ernsthafte Debatte, sondern Krach.
Ich versuche dezidiert nicht, Cancel Culture als sinnvoll darzustellen. Wie ich mittlerweile sehr oft betont habe empfinde ich die Zerstörung wirtschaftlicher Grundlagen als absolut indiskutabel. Gleichzeitig ist es ein normaler Vorgang, dass die Grenzen dessen, was gesellschaftlich als akzeptabel sagbar gilt, sich ständig verschieben. Und zwar in alle Richtungen. Das ist fluid, das ist normal, das war schon immer so.
Bezüglich Yaghoobifarah: Ich habe auch betont, dass ich ihre Artikel nicht lesen kann, weil ich sie für bescheuert halte. Aber ich halte eine Menge Artikel für bescheuert, ohne deren Autoren Morddrohungen zu schicken.
Ich denke, die Frage, „was eigentlich ein öffentlich-rechtlicher Sender ist“, ist eine sehr gute. Das sollten wir vermutlich mal wirklich klären, denn ich habe das Gefühl, da gibt es überhaupt keinen Konsens. Aber das führt fürchte ich über diesen Artikel zu weit hinaus.
Ich habe das Lied nie angehört. Von dem was ich gehört habe ist es sicher kein intellektueller Leitstern. Aber das ist deutsches Kabarett ohnehin sehr selten.
Erneut, ich spreche mich sehr dezidiert gegen diese Angriffe aus.
Davon abgesehen: Schön dass du wieder kommentierst!
„darauf ausgerichtet, Kontroversen zu generieren“
Das würde ich provozierend nennen und noch im Bereich des normalen Journalismus verorten. Troll-Verhalten ist darauf ausgerichtet, Diskussionen zu sabotieren.
Ich wäre da eher bei Stefan. Es gibt ja verschiedene Arten von Trollen (die Definition hat sich ja etwas verselbständigt). Einige spammen halt nur rum, aber Poschardt ist eher ein strategischer Troll und das macht er gut.
Es ist aber schon sehr darauf ausgerichtet, nur zu provozieren und gar keine ernsthafte Debatte führen zu wollen. Das ist bei seinen Neuentdeckungen wie Brechtken und Heisterhagen ja ähnlich. Da passen Fleischhauer und Augstein eventuell auch noch rein. Es ist viel Krach, aber so überzeichnet, dass es eine ernsthafte Debatte eher verhindert. Das ist die trollige Empörungskultur. Nur halt nicht auf der linken Seite des Spektrums.
Oh, wie konnte ich Augstein und Fleischhauer vergessen! 😀
@ Stefan Sasse 25. August 2020, 11:43
Davon abgesehen: Schön dass du wieder kommentierst!
Du hast mich mit Deinem einseitigen Kappes fast schon wütend gemacht. Ich bin dann auch gleich wieder weg.
Nix da. Kann ja wohl nicht sein, dass du nur wütend mitmachst! 😀
Hiergeblieben 😉
Oder zurückkommen, bitte.
Würde ich auch für plädieren 🙂
Was mir gerade noch auffällt, so als Beobachtung nebenbei: Ich glaube ich bekomme die linken Cancel-Culture-Ansätze auch deswegen weniger mit als die rechten, weil die eigene Blase die ja kaum thematisiert. Ich hänge auch nicht in den Milieus, in denen die gefochten werden. So dieser komische Mittelraum. Und ich denke, Erwin, Stefan und R.A. geht es umgekehrt: weit genug entfernt von den rechten Mobs, aber kriegen halt die der Linken mit, weil sie hervorgehoben diskutiert werden. Könnte da was dran sein?
Da ist m. E. viel dran.
Der größte Teil der politischen Meinungsunterschiede rührt wohl daher, daß man unterschiedliche Erfahrungen im Leben macht, andere Informationen zur Verfügung hat und daher auf ganz anderer Basis seine Schlüsse zieht.
Ja. Es wird ja auch ganz unterschiedlich drüber berichtet. Teils im selben Medium. Ich glaub bei der Zeit war das. Ein Artikel zu Eckhard rekonstruierte den ganzen Kram als Gespensterdebatte bzw viel Lärm um nichts.
Und kurz vorher oder nachher gab es einen Artikel, der gleich die großen Kanonen rausholte und vor Tugendterror und Bedrohung des Abendlandes und überhaupt warnte (glaub auch wegen Eckhard).
Und das war die Zeit und noch nicht mal ein Krawallmedium. Das ist a) total widersprüchlich und b)wenn man sich doch näher damit befasst und versucht herauszufinden, was eigentlich los ist, landet man bei einer unbekannten, österreichischen Comedian. Und ehrlich gesagt, war das Interesse bei mir dann schon wieder verpufft. Genausowenig konnte ich mich aufraffen, Hengamehs Taz-Kolumne zu lesen.
Eckhardt habe ich über meine konservativen Leute in der Timeline mitbekommen. Ich folge nämlich diversen, damit ich nicht in der Blase hänge 😛
Glaub die ersten Meldungen zu Eckhard kamen aus der Ösibubble. Aber Ohne die rechtsliberale Bubble wäre mir entgangen, dass Hannelore Hoger bei Hotel Heidelberg vor zwei Jahren mal eine Deutschlandfahne in den Müll warf 😛
Insgesamt waren so in meiner Bubble die Debatten um Feminismus und Polizeigewalt um einiges härter, während Cancelculture mehr so nebenbei lief, da finde ich die Konfliktlinien hier im Blog verhärteter.
Mir letztlich auch recht egal. Ich glaube, Eckhardt hat die Debatte eh geholfen…
Weiß nicht. In diesem Fall kann ich nur für mich sprechen. Ich bin nicht in den sozialen Medien aktiv, schon gar nicht auf Twitter. An Webseiten sind bei mir Spiegel Online und Welt offen. Selten, dass ich mal bei der F.A.Z. vorbeischaue. Britischer Economist und Time Magazine (leider inzwischen sehr auf den amerikanischen Markt konzentriert) konsumiere ich darüber hinaus noch, samstags Jan Fleischhauers Kolumne. Ansonsten im Fernsehen meist die Öffentlich-Rechtlichen. Ich versuche Einseitigkeit wie im Studium zu vermeiden.
Aber natürlich emotionalisieren Themen unterschiedlich. Wenn Rechtsextremisten von Pegida und AfD journalistische Berichte versuchen zu verhindern, finde ich das skandalös, wenn Galgen aufgestellt werden nicht zu dieser Gesellschaft gehörend. Auf Beschimpfungen, und solche war die taz-Kolumne wie das Böhmermann-„Gedicht“ reagiere ich allerdings allergisch. Ebenso die neumodischen Internet-Pranger.
Ich habe mich selbst gefragt, warum mir bei den letzten Ausfällen von LINKEN-Politikern keine Forderungen nach Rücktritt eingefallen sind. Nicht einmal innerlich habe ich mich so darüber empört. Ich denke, es war eine Mischung von Nonchalant, Liberalität, „Die bedienen ihre Gruppe“, bis hin zu „Nicht wirklich wichtig“. Diese, lass es mich als „Lässigkeit“ beschreiben, fehlt mir in weiten Teilen der heutigen Empörungsdebatten. Wir schaffen die Mohrenstraße in Berlin per Verwaltungsakt ab, ohne überhaupt die Bürger gefragt zu haben aus vorauseilendem Gehorsam? Wir verbiegen unsere Sprache im Genderstream, statt sie wie bisher immer sich von unten bilden zu lassen? Wir etikettieren inzwischen alles, was uns nicht gefällt, mit „Rassismus“, Sexismus“, „Nazi“?
Wir sind so angestrengt… Zu Deinem Punkt: ich fürchte, die unterschiedliche Wahrnehmung hat viel mit Wertbildung und dem Mangel an Toleranz menschlicher Schwächen zu tun. Alles, was fremd ist, ist in dieser Welt abzulehnen. Da sind viele nicht besser als der amerikanische Präsident und seine Unterstützer, obwohl sie sich über Trump regelmäßig erheben.
Tun „wir“ doch gar nicht. Das ist eine Fehlwahrnehmung. Es gibt Minderheiten, die das tun, und die machen auch recht viel Krach, aber das sind keine Mehrheitsphänomene. Der Staat tut das gar nicht, und die Medien auch nur sehr eingeschränkt; die Berichterstattung ist überwiegend distanziert bis kritisch.
Würde da auch noch bestimmte Lieblingsthemen nehmen, die beide Seiten so als Frontverlauf haben. Gender-Schreibweisen, „neue“ Begriffe generell (hier würde ich auch CancelCulture einordnen), das Tempolimit, bei der FDP der Soli.
Erinnert mich ein bisschen an das alte Kernkraft-Thema, da wird sich dran abgearbeitet als hinge das Fortbestehen der Welt daran. Wenn Merkel nochmal antreten würde, hätten wir vermutlich im Oktober spätestens Tempo 120 auf den Autobahnen 😉
Aber wenn Themen (die würde ich mal sagen – jetzt vielleicht nicht so ganz die Relevanz haben, die ihnen unterstellt wird) immer wieder kommen, dann wird die Debatte auch immer schriller. Und dann kommt ein Gefühl der Bedrohung auf und die Freiheit wird plötzlich am Gendersternchen (oder Nichtsternchen) verteidigt.
Und wenn man nach Tugendterror fragt, kommen genau diese Dinge heraus: Gendersternchen, Tempolimit, weniger Schnitzel meinetwegen noch. Das kann man ja alles ablehnen, aber das wird ja häufig irgendwie nicht als Lifestylethema oder Themen der Grünen wahrgenommen, sondern zb den linksgrünversifften Medien untergeschoben oder gleich der Merkelregierung. Das ist schon eine merkwürdige Verschiebung.
Zustimmung.
Ich halte wenig davon für wahr. Nicht in den sozialen Medien und keine Erwähnung von Springer? Wenn die BLÖD-Zeitung eine neue Sau durchs Dorf treibt und einige Stunden später von dir ein Artikel dazu kommt, kenne ich die gesamte „Argumentation“ in der Regel schon nur von Screenshots auf Twitter, inklusive vieler Formulierungen (und war da nicht noch etwas mit einer Facebook-Gruppe?).
Und deine Appelle an Anstand, Toleranz und Höflichkeit wären glaubhafter, wenn nicht so ziemlich jeder deiner eigenen Texte und Kommentare vor Verächtlichkeit und Hass gegen alles außerhalb deiner politischen Blase triefen würde.
@ TBeermann 25. August 2020, 16:12
Und deine Appelle an Anstand, Toleranz und Höflichkeit wären glaubhafter, wenn nicht so ziemlich jeder deiner eigenen Texte und Kommentare vor Verächtlichkeit und Hass gegen alles außerhalb deiner politischen Blase triefen würde.
Nun, selbst wenn Stefan P. auch für meine Verhältnisse (soll heißen: ich komme grob von der gleichen politischen Seite) gelegentlich zu krass formuliert, habe ich keinesfalls Hass wahrgenommen, und Verachtung anderen gegenüber nicht über das Maß hinaus, dass Du auch ganz gut beherrscht.
Joa, aber ich behaupte von mir auch nicht, ein Ausbund an guter Erziehung und das Beispiel bester Manieren darzustellen.
Ich teile auch mal mit der groben Kelle aus und habe überhaupt kein Problem, wenn andere das auch tun. Ich hab dabei auch keine schlaflosen Nächte, denn niemand hier ist mir auch nur ansatzweise wichtig genug, dass er oder sie meine Gefühl irgendwie verletzen könnte. Aber genau darum geht es halt: Wer austeilt, muss auch einstecken können.
Das einzige, bei dem ich wirklich sauer werde, ist wenn Fakten verdreht oder gleich erfunden werden und darin ist Herr P. hier einer der Haupt-Delinquenten.
habe ich keinesfalls Hass wahrgenommen, und Verachtung anderen gegenüber nicht über das Maß hinaus
*hust*
Ja. Diese blonde Landtagsabgeordnete, über die Stefan P. mal berichtet hat, war mir völlig unbekannt. Obwohl es wohl irgendwo darüber einen Bericht oder eine Debatte gegeben haben muss.
Hans Joachim Mendig, der seinen Job verlor, weil er sich mit dem AfD-Vorsitzenden getroffen hatte.
Aus dem ersten Kommentar. Sagt mir auch nichts.
Steingart, Fleischhauer, Tichy und BILD meide ich allerdings auch komplett, da bekomme ich höchstens mal was von Twitter mit.
Da hab ich eigentlich auch einige rechtsliberalkonservative Zuträger, aber die sind nur selten im äh boulevardesken Spektrum unterwegs.
Den Link hab ich jetzt wieder verbummelt, von Frederic Valin hatte ich dazu noch einen ganz guten Artikel irgendwo herumliegen, der (was meiner Meinung entsprach) beklagt hatte, dass die Debatte über CancelCulture sofort im Meta verlinkt und dafür nochmal dieses spanische Gedicht an der Uni-Wand anführte und teils nacherzählte.
Sieht man hier ja auch, wir sind auch total im Metameta versunken und diskutieren, ob es das überhaupt gibt, ob es eine Gefahr ist, ob das von links oder rechts die größere Gefahr ist und ob es überhaupt so relevant ist, ob der Nuhr ein Video bei der DFG hat oder nicht.
Sprich: es ist eine ziemliche Gespensterdebatte und trotzdem gehen wir uns mehr an die Kehle als bei anderen Debatten und werfen uns quasi gegenseitig Gesinnungsterror vor. Finde nur ich das irgendwie merkwürdig?
Eigentlich wäre ja das im Jahr 2020 global (außer Salzburg) und über alle Bereiche (Theater, Konzerte, Kino) stattfindende culture cancelling ein akuteres Problem. Aber im Ernst: Es ist sehr vernünftig, die Debatte mal etwas herunterzufahren. Aber mir sind in deiner Argumentation eine ganze Reihe Trugschlüsse aufgefallen:
– ‚Cancel culture betrifft Meinungen‘ ist ein Grundirrtum. CC betrifft PERSONEN, deren Fehlverhalten (oft in Form oder Inhalt nicht akzeptierte Meinungsäußerungen) in der Vergangenheit jetzt dazu führt, dass sie an weiterer öffentlicher Kommunikation gehindert werden, sie also von der aktiven Öffentlichkeit ausgeschlossen werden sollen.
– „Rechte canceln auch“ ist ein geschenkter Punkt, weil das niemand bestritten hat. [Ich möchte sogar ein ’lauter und skrupelloser‘ hinzufügen.] Aber wenn Jan Fleischhauer von der Brücke springt, machst du das auch ?
– ‚Rechte werden nicht dafür kritisiert‘ ist auch zu kurz. Die Kritik kommt dann aber eher von links ( Hier etwa zu ‚ Omagate‘ http://www.deliberationdaily.de/2020/01/der-wille-sich-betroffen-zu-fuehlen/ ) , die ideologischen Nachbarn schweigen leider.
– „Das gab es schon immer“ ist ebenfalls richtig, verkennt aber die beschleunigende und verstärkende Wirkung von Social Media, die vor allem eigentlich unbeteiligte Personen in eine Debatte hineinzieht.
– „Maßstäbe verschieben sich ständig“ ist ebenfalls wahr (und sinnvoll). Ich möchte nur auf marginale Doppelstandards der passiven Formulierung zu „Rechte versuchen (aktiv) das Overton-Fenster zu verschieben“ hinweisen
– „Die Begriffe ‚political correct‘, ‚identity politics‘ und ‚cancel culture‘ sind reine Kampfbegriffe ohne echte Bedeutung‘ ist falsch. Sie werden zwar von rechter Seite gerne als austauschbare Schlagworte verwendet, aber allein die Tatsache, dass sich die Begriffe auf verschiedene Kategorien beziehen ( PC auf die Sprache, IP auf Politik und CC auf Personen ) beweist, dass analytisches Potential mehr dahinter steckt. [Ausnahme hatespeech, das ist ein reiner Kampfbegriff]
– ‚Kritik an CC wirkt nur, wenn sie von ideologischen Nachbarn kommt‘ ist richtig, allerdings muss diese Kritik auch angenommen werden. Der offene Brief im Harpers Magazine kam von progressiven und liberalen Intellektuellen, wurde aber abgeblockt.
– ‚Die Anzahl der betroffenen Personen ist überschaubar und wird medial hochgekocht.‘ ist subjektiv nicht falsch, man darf aber nicht unterschätzen, dass Cancel-Aktionen personenbezogen und willkürlich stattfinden. Dadurch stellt sich ein Einschüchterungseffekt ein, der zu vorauseilendem Gehorsam führt.
– Personen: Korrekt.
– Rechte: Weiß nicht was du meinst. Ich cancele ja nicht und spreche mich ja klar dagegen aus. Warum sollte ich springen?
– Immer: Klar, Social Media verstärken alles, aber sie schaffen auch ein Gegenforum. Das wird gerne untersvhätzt.
– Maßstäbe: point taken
– Kampfbegriffe: Sie haben das Potenzial, ja, aber so wie sie gerade verwendet werden ist das verschwendet.
– Nachbarn: Ich finde den Brief auch falsch. Aber der Ursprung ist schon an der richtigen Stelle, ja.
– Betroffene: Sicher richtig. Jeder ist einer zuviel.
@ cimourdain 25. August 2020, 18:07
Zustimmung
– ‚Cancel culture betrifft Meinungen‘ ist ein Grundirrtum. CC betrifft PERSONEN, deren Fehlverhalten (oft in Form oder Inhalt nicht akzeptierte Meinungsäußerungen) in der Vergangenheit jetzt dazu führt, dass sie an weiterer öffentlicher Kommunikation gehindert werden, sie also von der aktiven Öffentlichkeit ausgeschlossen werden sollen.
Jein. Hier würde ich differenzieren. Ich glaube, das hat mit der Aufsplittung der Medien zu tun. Es gab ja zum Beispiel während der BlackLifesMatter-Proteste Kritik an Maischberger, die darüber diskutieren wollte, ohne dass auch nur ein PoC eingeladen war.
Dafür haben wir jetzt keinen schönen Begriff, aber die Kritik kam (meine ich) auch hauptsächlich von Social Media und hat auch was bewirkt (eine Anticancelculture sozusagen). Hier hat es also dazu geführt, dass mehr als weniger Stimmen gehört worden sind (ich glaube Anne Will hatte paar Tage später eine Sendung, mit zwei PoC sogar)
Ansonsten ja, es betrifft oft eher Personen. Das hängt IMO auch damit zusammen, dass die Personen heutzutage auch viel deutlicher als eigenständige Personen in der Öffentlichkeit sind. Nuhr hat meine ich zb auf Facebook dann ein oder mehrere Statements abgegeben, für einzelne Journalisten gilt das ja auch oder Firmenbosse. Heute ist ja jeder mit Twitterkonto plötzlich ein Influencer mit allen Vor- und Nachteilen. Dadurch fällt auch so ein bisschen der übergeordnete Schutz weg, früher hat man vllt empörte Leserbriefchen an Spiegel geschrieben und das wars.
Das kann auch eine Gewöhnungssache sein. So am Anfang war es ja auch noch ein riesiges Thema, ob und wieviel zb Chefs bei Bewerbungen bei den Facebook-Fotos abchecken. Gut, wer ist heute noch auf Facebook, aber diese „Gefahr“ hat sich ja ein bisschen verlaufen. Ich könnte mir vorstellen, dass das nach und nach auch passiert. Gerade mit den Beispielen, die Wächter zb hatte, dass irgendjemand mal einen unbedachten Tweet raushaut und die Amis ständig Leute feuern^^
Weil es hier im Forum öfter als Abgrenzungspunkt genutzt wird: Der Umgang mit dem, was ich selbst als Verschwörungstheoretiker bezeichne, ist vielleicht ein besserer Indikator für meine eigene Toleranz in Form von Bereitschaft, andere Sichtweisen gelten zu lassen (Wortwurzel tolerare: etwas ertragen), als irgendwelche Sprachregelungen. [Immer vorausgesetzt, dass der GESETZLICHE Rahmen eingehalten wird) Diskreditiere ich Personen grundsätzlich? Argumentiere ich mit Kontaktschuld? Befürworte ich staatliche Gegenmaßnahmen? Differenziere ich oder werfe alles in einen Topf, von der Cäsar-Lüge über Bilderberg bis zu den Flacherdlern?
Hä?^^
@E. G.
Die Frage war: Gibt es die „Cancel Culture“ als gesellschaftliches Phänomen und wenn ja, ist das etwas Neues?
Deshalb auch nochmal zur Erinnerung: In der alten Bundesrepublik wurde beispielsweise ein (Religions-)Lehrer suspendiert, weil er Lied von Wolf Biermann (Kommunist!) im Unterricht behandelt hatte. Und ein Ministerialbeamter bekam ein Disziplinarverfahren, weil er die Melodie der Internationale gesummt hatte.
Da nimmt sich das (zurückgenommene) Canceling der Auftritte von mäßig scharfsinningen Spaßmachern doch recht harmlos aus.
@ Ariane
Soll ich nochmal nach meiner Freiheit fragen, Beziehungen zu beenden (und evtl Alimente zu bekommen) oder eine Abtreibung durchzuführen oder eine andere Sexualität frei auszuleben?
Du kennst halbwegs meine politischen Einstellungen. Dazu gehört, dass Männer sich aus dem Thema Abtreibung raushalten sollten, da sie nicht betroffen sind. Was ich nachvollziehen kann, ist, dass man (übertrieben formuliert) nicht bis zwei Tage vor der Geburt abtreiben sollte, sondern zu einem Zeitpunkt, wo das Wesen im Bauch noch kein vollständig ausgebildeter Mensch ist.
Zur Sexualität: Soll ein jeder nach seiner Façon glücklich werden, aber ich möchte nicht gezwungen sein, mich ständig damit auseinanderzusetzen. Nenn mich gerne spießig, aber Christopher-Street-Day-Umzüge gehen mir auf die Nerven (und würden es auch, wenn es dabei um extrovertierte Hetero-Sexualität gehen würde).
Zum Thema Beziehung/Alimente: Ich habe mal eine Frau kennengelernt, die vier Kinder von vier unterschiedlichen Männern hatte. Jedes Mal, wenn der Mutterschutz auslief und das Amt sie wieder Arbeiten schicken wollte, wurde sie von einem anderen schwanger. Der ging es in jeder Hinsicht gut.
Ich habe vielleicht drei Fälle gesehen, wo die Frau ihren Mann in den Wind schoss und in eine neue Beziehung ging, obwohl sie sich weiterhin von ihm EX finanzieren ließ.
Ich habe vielleicht sechs Fälle aus meinem Bekanntenkreis gesehen, wo sich der geschäftlich erfolgreiche Mann mit einer meist jüngeren Freundin verabschiedete, und die Hausfrau im Schlamassel zurückließ.
Viele Fälle, in denen die Frau den Mann mit Kindern erpresste. Viele Fälle, in denen der Mann seinen finanziellen verpflichtungen nicht nachkam.
Nichts davon finde ich gut, aber die Kräfte sind über die Geschlechter halbwegs ausgeglichen verteilt. Wer „gewinnt“ oder „verliert“, entscheidet nicht automatisch das Geschlecht, sondern die individuelle Situation.
Aber all das hat (wie so oft) nichts mit dem Eingangsthema zu tun.
@ Stefan Sasse 26. August 2020, 22:33
Oh, sicher, aber ich wäre gleichzeitig moralisch zu verurteilen gewesen. Das ist mein Punkt.
Du wärst in dem Fall moralisch zu verurteilen gewesen, weil Du nicht von vornherein Deine Situation hinterfragt hättest, nicht von Anfang an nach aktiv Ansatzpunkten gesucht hast, die dem Lebensstil und der Geschäftsgrundlage Deiner Familie und der Gesellschaft, in der Du Dich bewegst, diametral entgegenstehen?
Echt jetzt?
Nein, weil ich andere Menschen versklavt und brutal unterdrückt hätte, um meine eigene elitäre wirtschaftliche Stellung nicht zu gefährden.
@ Stefan Sasse 27. August 2020, 14:53
Nein, weil ich andere Menschen versklavt und brutal unterdrückt hätte, um meine eigene elitäre wirtschaftliche Stellung nicht zu gefährden.
Du bist – sorry – ein Träumer und ein Idealist. Weißt Du, welche Menschen Du unterdrückst durch Deinen Lebensstil, in Afrika, in Asien? Bei der Ausrottung welcher Tier- und Pflanzenarten Du involviert bist)? Du magst Dir Mühe geben im Rahmen Deiner Möglichkeiten, aber von den vielen Spoinnern, die heute unterwegs sind, werden ein paar dabei sein, die nicht spinnen, und in zweihundert Jahren legen die Dich auf den Grill.
Wer von Kindesbeinen an gesehen hat, dass bestimmte Menschen wie Tiere gehalten werden, die nicht vernünftig sprechen, die nicht oder kaum gebildet sind, der sieht sie eben so.
Das spricht jetzt weniger gegen meine Aussage als vielmehr dafür, dass wir auch heute einiges zu verantworten haben.
Wenn er aber gleichzeitig Manifeste verfasst wie „“All men are by nature equally free and independent, and have certain inherent rights.”, dann kann man schon nach seiner Glaubwürdigkeit fragen.
@ TBeermann 26. August 2020, 20:46
Es ist sicher eine Frage, in welche Gesellschaft man passen möchte bzw. von welcher man angenommen werden möchte und was man selbst erlebt.
Mich hat geprägt, was ich erlebte. Meine Jobwechsel (bis auf den letzten) waren nie geplant, sondern stets durch Zufall oder fremde Bestimmung ausgelöst. Ich war immer flexibel und musste stets hart arbeiten, und hatte damit immer wirtschaftlichen Erfolg – für mich bedeutetete Luxus, dass meine vier Kinder nicht in einem Wohnsilo in der 11. Etage aufwuchsen, sondern stets draußen spielten (das war richtig teuer), dass wir 1 x im Jahr mit Zelt in den Urlaub fahren konnten, und dass ich mir jederzeit innerhalb von Stunden eine neue Waschmaschine kaufen konnte, wenn die alte kaputtging.
Ich persönlich merke zum Beispiel, dass ich mit den Jahren eher radikaler werde und immer weniger Verständnis für dieses „nichts ändern wollen“ aufbringen kann, auch wenn man sieht, dass man das Ganze damit gegen die Wand fährt, aber immerhin in der E-Klasse.
🙂 „Nichts ändern wollen“ ist so ein großes Wort …
Ich bin nicht bereit (mag sogar sein, aus Bequemlichkeit), mein Leben von heute auf morgen auf den Kopf zu stellen, weil irgendjemand, der selbst nicht so lebt, das fordert. Ich sehe, dass ich mich zu Themen wie Umwelt/Ökologie immer ein, zwei Fußbreit vor der Gesellschaft bewege, und immer ein, zwei Schritte hinter meinen Töchtern (die sich dann bei schlechtem Wetter doch lieber von uns nach Hause fahren lassen, als im Regen zum Bus zu laufen).
Und warum nicht mit der E-Klasse? Oder mit einem VW Passat oder VW Golf? Ich wohne nicht in der Stadt, wo alle paar Minuten eine Bahn oder ein Bus irgendwo hin geht …
Da denke ich wieder, dass du sehr blumige Vorstellungen davon hast, wie so in diversen Kneipen (und Whatsapp- oder Telegram-Gruppen) geredet wird.
Keine Vorstellungen, um genau zu sein. Und es ist eine bewusste Entscheidung, mich dort nicht aufzuhalten.
Die Rechtsextremen haben allein seit der Wende ein Vielfaches an Toten zu verantworten, als die RAF, und sie würden das Tempo beim Morden gerne deutlich anheben und bereiten sich genau darauf vor.
Da, vermute ich, liegst Du richtig. Aber Mord, Gewalt etc. (auch das Vorbereiten und Planen) gehören strafrechtlich verfolgt. Aber das war nicht der Punkt.
Der Punkt ist, dass jemand, der heute „Scheiß-Ausländer“ sagt (was ich gleichermaßen für eine zulässige Meinung, eine unzulässige Verallgemeinerung und für eine Fehleischätzung bzw. für einen Irrtum halte), schon und allein deswegen seinen Job verlieren kann. Das ist nicht in Ordnung.
Auf der einen Seite die immer progressivere, freiheitliche Gesellschaft anstreben und gleichzeitig rückschrittlich und repressiv gegen Andersdenkende handeln, passt nicht aufeinander.
Wo genau schränken dich denn Linke in deiner Lebensführung ein? Und kommt jetzt bitte nicht mit Umweltschutz, weil die Grünen es nicht so prall finden, unsere eigene Lebensgrundlage zu zerstören. Aber wo wirst du daran gehindert, so zu leben, wie du es willst?
Zu den Grünen: Das meinte ich mit „selbst nicht so leben“.
Einschränken? Mich persönlich gerade gar nicht, genauso wenig wie Dich Rechte; von den üblichen Verdächtigen wie zu hohe Steuern, zu starke Bürokratie, zu wenig bzw. zu schwache Polizei, Aushöhlung des Rechtssystems, Duldung von Bandenkriminalität aus falsch verstandener Toleranz etc. Darüber hinaus sehe die Versuche, die Lebensführung des Einzelnen nach linken Vorstellungen zu gestalten. Dazu zähle ich auch die Tendenz des Staates, sich „sozialistischer“ zu verhalten, die Menschen auf der einen Seite in ihren Entfaltungsmöglichkeiten zu beschränken, und im Gegenzug Versorgung über ein gesundes Maß hinaus zu leisten.
Mit ein paar Sachen (z.B. „Ehe für alle“) habe ich mich nach kurzer, heftiger Aufregeung schneller abgefunden, als mir lieb war, mit der Frauenquote tue ich mich sehr schwer. Eine Frau wird zwar meine nachfolgerin (ich weiß nur noch nicht, welche), aber erst wenn ich in Rente gehe – ich bin nicht betroffen. Aber ich finde, einen Nachbrenner zu zünden, wo man auch über den normalen gesellschaftlichen Wandel so weit gekommen ist (in Famileienangelegenheiten wird bereits der Mann diskriminiert), kann leicht über das Ziel hinaustragen. Und wie ein anderer (ich glaube, das war Ralf) schrieb, sind andere Diskriminierungen viel schädlicher und ausgeprägter.
Aber darüber sollten wir nicht diskutieren; hatten wir hier schon öfter, und wir zwei werden hier nicht ansatzweise auf einen gemeinsamen Nenner kommen.
„Nichts ändern wollen“ ist so ein großes Wort …
Ich bin nicht bereit (mag sogar sein, aus Bequemlichkeit), mein Leben von heute auf morgen auf den Kopf zu stellen, weil irgendjemand, der selbst nicht so lebt, das fordert. Ich sehe, dass ich mich zu Themen wie Umwelt/Ökologie immer ein, zwei Fußbreit vor der Gesellschaft bewege, und immer ein, zwei Schritte hinter meinen Töchtern (die sich dann bei schlechtem Wetter doch lieber von uns nach Hause fahren lassen, als im Regen zum Bus zu laufen).
Und warum nicht mit der E-Klasse? Oder mit einem VW Passat oder VW Golf? Ich wohne nicht in der Stadt, wo alle paar Minuten eine Bahn oder ein Bus irgendwo hin geht …
Ich wäre ja sehr für gar nicht gegen die Wand fahren, egal ob mit dem Tretroller oder mit dem Lamborghini
Eigentlich müsste das doch gerade für Konservative vollkommen klar sein, dass wir nicht mehr konsumieren können, als das Ökosystem regenerieren kann. Das ist doch quasi die schwäbische Hausfrau, nur auf einer höheren Ebene.
Wir müssen feststellen, wieviel Konsum und Verschmutzung das Ökosystem vertragen kann. Das ist dann unser Budget. Und mit „unser“ meine ich uns als gesamte Spezies. Erwarten, dass wir in den Industrienationen so weiter machen und andere für uns zurückstecken und dann gleichzeitig ablehnen, dass die Menschen in den Entwicklungsländern vor den Konflikten um die verbleibenden Ressourcen zu uns flüchten (oder „einfach nur, um auch am großen Esstisch zu sitzen und nicht am Katzentisch auf die Reste zu warten) funktioniert nicht.
Ob das unser Leben auf den Kopf stellt, weiß ich nicht. Verändern würde es das sicher. Wir müssten bewusster und kontrollierter konsumieren und vor allem deutlich mehr auf Haltbarkeit setzen. (Ich hab in den „Schluss mit Wachstum“ Texten meine Sicht eigentlich schon recht ausführlich dargelegt). Ich bin der Meinung, dass der steigende Lebensstandard schon eine Weile nicht mehr mit steigender Lebensqualität einhergeht. Allein schon, weil viele Güter nur für einen sehr kurzfristigen Gebrauch hergestellt werden und (das Bessere ist der Feind des Guten) vielen Menschen den nächsten scheinbaren (Selbst-) Optimierung hinterherhecheln.
Keine Vorstellungen, um genau zu sein. Und es ist eine bewusste Entscheidung, mich dort nicht aufzuhalten.
Vermutlich für die eine Psyche das Beste. Aber auch da würde ich empfehlen, den Betroffenen von Rassismus und rechter Gewalt zuzuhören. Dann merkt man recht schnell, welche Ausmaße das im Alltag (noch immer?) hat, auch wenn man selbst davon nichts mitbekommt.
Der Punkt ist, dass jemand, der heute „Scheiß-Ausländer“ sagt (was ich gleichermaßen für eine zulässige Meinung, eine unzulässige Verallgemeinerung und für eine Fehleischätzung bzw. für einen Irrtum halte), schon und allein deswegen seinen Job verlieren kann. Das ist nicht in Ordnung.
Ich verstehe nicht, was du für eine Welt zusammenphantasiert wird. Dafür, dass man angeblich nichts mehr sagen darf, äußern sich verdammt viele Meschen verdammt offen (z.B. rassistisch).
Aber selbst wenn es so wäre…wenn ich wenig von meinem Chef halte, kann ich das auch nur in Kreisen äußern, bei denen ich davon ausgehen kann, dass er es nicht erfährt. Wenn ich ihn in der Firma ein Arschloch nenne, muss ich damit rechnen, entlassen zu werden. Wenn ich mich öffentlich rassistisch äußere, muss ich genauso damit rechnen, dass andere Menschen nicht mehr mit mir umgehen und arbeiten möchten und das ist halt deren gutes Recht.
In der Realität ist es aber grundsätzlich nicht so, dass man für private Äußerungen einfach so entlassen werden kann. Bei politisch besetzten Positionen mag das teilweise anders sein, aber der normale Angestellt wird nicht gefeuert, weil er bei Facebook einen AfD-Nazi liked.
Einschränken? Mich persönlich gerade gar nicht, genauso wenig wie Dich Rechte; von den üblichen Verdächtigen wie zu hohe Steuern, zu starke Bürokratie, zu wenig bzw. zu schwache Polizei, Aushöhlung des Rechtssystems, Duldung von Bandenkriminalität aus falsch verstandener Toleranz etc. Darüber hinaus sehe die Versuche, die Lebensführung des Einzelnen nach linken Vorstellungen zu gestalten. Dazu zähle ich auch die Tendenz des Staates, sich „sozialistischer“ zu verhalten, die Menschen auf der einen Seite in ihren Entfaltungsmöglichkeiten zu beschränken, und im Gegenzug Versorgung über ein gesundes Maß hinaus zu leisten.
Da stimmt halt so gut wie nichts. Es gibt keine Aushöhlung des Rechtssystems und Bandenkriminalität wird heute nicht mehr toleriert als früher. Der Unterschied ist, dass es früher weniger Menschen interessiert hat, weil sich die Gangs auf „ihre“ Viertel beschränkt und die braven Bürger davon wenig mitbekommen haben und weil der Faktor Rassismus keine Rolle gespielt hat, denn die Gangster waren Weiße.
Aber hier kommen wir doch jetzt endlich auf den Punkt, Wer wird wo gezwungen, sein Leben nach „linken Vorstellungen“ zu gestalten? Wer wird wo in seinen Entfaltungsmöglichkeiten eingeschränkt und von wem?
Mit ein paar Sachen (z.B. „Ehe für alle“) habe ich mich nach kurzer, heftiger Aufregeung schneller abgefunden, als mir lieb war, mit der Frauenquote tue ich mich sehr schwer. Eine Frau wird zwar meine nachfolgerin (ich weiß nur noch nicht, welche), aber erst wenn ich in Rente gehe – ich bin nicht betroffen. Aber ich finde, einen Nachbrenner zu zünden, wo man auch über den normalen gesellschaftlichen Wandel so weit gekommen ist (in Famileienangelegenheiten wird bereits der Mann diskriminiert), kann leicht über das Ziel hinaustragen. Und wie ein anderer (ich glaube, das war Ralf) schrieb, sind andere Diskriminierungen viel schädlicher und ausgeprägter.
Das ist eigentlich ein Paradebeispiel. Mir ist bis heute vollkommen schleierhaft, wie die Ehe für alle irgendwie Potenzial bieten würde, sich darüber aufzuregen. Wenn du einen Partner des gleichen Geschlechts heiraten willst, ist das eine wesentliche Option mehr. Willst du das nicht, ändert sich für dich überhaupt nichts.
Aber ich habe immer wieder den Eindruck, dass genau das die Punkte sind, an denen sich „Konservative“ unterdrückt fühlen, wenn andere Gruppen plötzlich gleiche Rechte haben und einen Umgang auf Augenhöhe einfordern.
Übrigens ist auch der „normale gesellschaftliche Wandel“ ja nicht einfach so gekommen, sondern war oft die Folge politischer Maßnahmen. Bleiben wir mal bei der „Ehe für alle“. Ohne das Gesetz über die eingetragenen Lebenspartnerschaften, das gegen den großen Widerstand und unter viel Geheul der Konservativen durchgesetzt wurde, hätten wir heute auch keine Ehe für alle.
Beim Familienrecht halte ich die Situation für nicht so eindeutig. Ja, Mütter können Vätern in der Regel leichter den Umgang mit den Kindern verwehren. Und in solchen Fällen muss es Möglichkeiten geben, dass Väter ihre Rechte wahrnehmen.
Das liegt aber eben auch daran, dass es noch immer vor allem die Mütter sind, die in allen anderen Aspekten zurückstecken, um den Löwenanteil der Erziehungsarbeit zu übernehmen. Und ich kenne auch genug Fälle, in denen Väter das Sorgerecht nutzen, um weiter in das Leben ihrer Ex-Partnerin hinein zu regieren und Entscheidungen zu erzwingen, deren Folgen sie selbst nicht ausbaden müssen.
TBeermann 27. August 2020, 12:57
Eigentlich müsste das doch gerade für Konservative vollkommen klar sein, dass wir nicht mehr konsumieren können, als das Ökosystem regenerieren kann. Das ist doch quasi die schwäbische Hausfrau, nur auf einer höheren Ebene.
…
Das wusste ich gar nicht … das höre ich jetzt da erste Mal. Wieder was gelernt …
(Dass da ironisch gemeint ist, schreibe ich lieber mal dazu.)
Ich habe meine Ansichten dazu schon mal erläutert (ich glaube, gegenüber Ralf): Ich lebe im Westen. Ich habe keine Möglichkeit, meinen Konsum auf meinen Teil (Regenerations-Ressourcen, geteilt durch 8 Milliarden Menschen) einzuschränken. Ich müsste Job, Fernsehen, Internet, Computer, Auto, Plastik, Fleisch etc. praktisch auf Null herunterfahren, dürfte nur von dem leben, was in meinem Garten wächst etc. Und ja, darauf läuft das Ganze hinaus. Und dass so etwas (nicht nur) mein Leben auf den Kopf stellt, weiß ich sicher.
Üblicherweise antwortet man mir dann, a) dass das so nicht gemeint ist, und / oder b), dass ich doch deswegen keine Umweltsau werden darf, oder gar c), dass etwas weniger Fleisch, etwas weniger Autofahren etc. reicht.
Kappes (= dummes Zeug)!
Wenn man das mit dem Umweltschutz ernst meint, läuft es aber genau darauf hinaus. Etwas (=deutlich) weniger Fleisch machen wir schon eine ganze Weile, und etwas weniger fahren versuche ich auch schon (immer noch viel, wegen beruflichem Pendeln, aber inzwischen viel mit Bahncard unterwegs). Unser Haus, gebaut 2006, erfüllte schon damals die Wärmedämm- und Emergiespar-Standards, die heute gelten, selbst wenn ich meine Wunschheizung (Brennstoffzelle) nicht realisieren konnte; dafür teilweise Selbstversorgung mit Solar. Das Haus wurde von mir mit Anschluss für einen Kamin entworfen, auf den wir dann wegen Feinstaub-Problematik verzichten. In meinen Hemden, Hosen, Anzügen, Unterwäsche (bis auf das Stretchband, vielleicht), Strümpfe ist kein Kunststoff (wie gesagt, ein, zwei Fußbreit vor der Gesellschaft).
Ich verbrauche trotzdem mehr Ressourcen, als mir zustehen, wie meine Töchter, wie Du, wie jeder, der hier mitliest. Also lass die moralinsaure Überheblichkeit und erzähl mir bitte nicht, was mir klar sein muss. Ich bin vielleicht konservativ, aber nicht blöd. Ich habe Kinder, die auch noch gut leben sollen; ich bin nicht derjenige, der überzeugt werden muss.
Da stimmt halt so gut wie nichts. Es gibt keine Aushöhlung des Rechtssystems und Bandenkriminalität wird heute nicht mehr toleriert als früher.
Sorry, wenn ich Dir das so krass sage, aber Du hast offenbar überhaupt keine Ahnung. Die Polizei und die Justiz ist gar nicht in der Lage, das so zu bekämpfen, wie es bekämpft werden müsste (genauso wenig, wie die Steuerbehörden in der Lage sind, Steuerhinterziehung ausreichend zu bekämpfen, genauso wenig, wie der Zoll in der Lage ist, Schwarzarbeit wirksam zu bekämpfen).
Und was das „ich will nicht mit dem Arbeiten“ angeht, müsste ich (meiner Meinung nach) in gewisser Weise durchaus ein Recht haben, jemanden abzulehnen, der nicht zu mir passt. Das Recht gibt es aber nicht, im Gegenteil (Anti-Diskriminierungsgesetz). Und solange ein Kollege, der dumme Sprüche macht, im Büro seinen kaffee alleine trinken muss, hat er selbst schuld. Wenn Gewerkschaften aber Anleitungen verteilen, wie man über den Betriebsrat so viel Druck aufbauen kann, „unerwünschte“ Kollegen zu entfernen, stellt man sich in Reih und Glied mit dem petzenden Blockwart aus früheren Zeiten.
Den Radikalenerlass verteufeln, offene Stellen nur nach Bewerbungsunterlagen ohne Fotos zu entscheiden, die Diskriminierung von Ausländern bekämpfen, aber an der Stelle wird dann wieder verharmlost. Passt nicht.
Ich verstehe nicht, was du für eine Welt zusammenphantasiert. Dafür, dass man angeblich nichts mehr sagen darf, äußern sich verdammt viele Menschen verdammt offen (z.B. rassistisch).
Der Unterschied zwischen uns ist, dass ich sage „Meine Wahrnehmung / Deine Wahrnehmung“, während Du sagst „richtige / falsche Wahrnehmung“. Das merke ich immer wieder, und es stört mich. Du möchtest auch nicht von mir als Kommentar zu Deinen Meinungen lesen, das Du Dir das alles zusammenphantasierst hast.
Ich schrieb, dass jemand seinen Job verlieren kann, wenn er so etwas sagt, nicht, dass es zwingend jeden trifft, oder dass man automatisch verhaftet wird; es gibt da halt inzwischen eine bestimmte Art von selbstgerechtem Denunziantentum. Wer so weit von der Mitte rechts ist, wie Du links von der Mitte stehst, sollte genauso behandelt/nicht behandelt werden und die gleiche gesellschaftliche Duldung erfahren.
Dann unterscheide ich zwischen Leuten, die Heime anzünden, andere bedrohen, niederschlagen oder umbringen, und denen, die eine dicke Lippe riskieren – Du auch? Lesen kann ich das nicht bei Dir …
Es gibt ähnlich harte Fälle auf linker Seite, wenn irgendwelche Berliner Demo-Chaoten davon träumen, Scharfschützen auf den Dächern zu haben, um die Bullenschweine abzuknallen, und die auf Demos mit Molotov-Cocktails schmeißen. Meiner Meinung nach beides asozialer Abschaum, beides ein Fall für den Staatsanwalt.
Mir ist bis heute vollkommen schleierhaft, wie die Ehe für alle irgendwie Potenzial bieten würde, sich darüber aufzuregen.
Mag sein. Aber nur, weil Du das nicht verstehst, ist es keine „falsche“ Meinung. Der Begriff / die Institution Ehe bedeutet nicht für jeden das Gleiche, und in meiner „Definition“ hat es was mit „Familie gründen“ zu tun.
Aber ich habe immer wieder den Eindruck, dass genau das die Punkte sind, an denen sich „Konservative“ unterdrückt fühlen, wenn andere Gruppen plötzlich gleiche Rechte haben und einen Umgang auf Augenhöhe einfordern.
Du versuchst mit jedem zweiten Satz, mit subtil eine unterzupulen – was soll das? Konservative in Anführungszeichen, eine Unterstellung jagt die andere. Muss das immer sein?
Ich fühle mich nicht „unterdrückt“, wenn jemand die gleichen Rechte hat wie ich – was für ein Schwachsinn. Ich fühle mich unter Druck gesetzt bzw. unterdrückt, wenn jemand Entscheidungen trifft, die ich mit ausbaden muss, ohne mich dazu zu befragen. Ob nun der eine jeden hier hereinlassen und über unser Sozialsystem finanzieren will, der „Asyl“ sagen kann, oder ein anderer meint, man könnte Steuern fast beliebig erhöhen, da die Reichen (typische Definition für „einer, der mehr verdient als ich“) ja eh genug haben, oder fordert, dass jeder ohne irgendeine erbrachte oder zu erbringende Gegenleistung ein Grundgehalt und eine kostenlose Wohnung bekommt – dann empfinde ich das als Bedrohung.
Beim Familienrecht halte ich die Situation für nicht so eindeutig. Ja, Mütter können Vätern in der Regel leichter den Umgang mit den Kindern verwehren. Und in solchen Fällen muss es Möglichkeiten geben, dass Väter ihre Rechte wahrnehmen.
Die gesamte Gesetzgebung zu diesem Thema – von Europa aus abwärts – wird von Frauen bestimmt. Die gesamte Rechtsprechung wird von Frauen bestimmt. Und diese Gesetzgebung /Rechtsprechung läuft (grob verallgemeinert) darauf hinaus, dass die Frau bestimmt und der Mann bezahlt.
Die Frau meines Bruders hat sich scheiden lassen, die Kinder behalten, und ist auf Unterhalt gegangen. Da sie kein eigenes Einkommen hatte, fielen alle Anwalts- und Prozesskosten etc. an ihn. Als der Unterhalt festgelegt wurde, blieb ihm nur der niedrige Selbstbehalt. Sie hat jeden Brief ans Amt oder an ihn von einer Rechtsanwältin schreiben lassen, für die er bezahlen musste (ging von seinem eigentlich geschützten Selbstbehalt ab). Nach einer Weile fing sie an, schwarz zu arbeiten, und hatte deutlich mehr Einkommen als er. Da sie mit den Kindern nicht klarkam, sprang meine Mutter ein, und finanzierte den Lebensunterhalt der Kinder von ihrer Rente; vom Unterhalt hat die Mutter nichts rausgerückt.
Einem meiner Schwager passierte fast das Gleiche: Scheidung: sie zog mit dem Scheidungsgrund in das ehedem gemeinsame Haus, hielt die kleinen Kinder zurück, erzählte Horrormärchen über den Vater, ließ sich alles bezahlen, und verklagte ihn ständig auf mehr Unterhalt. Zweimal ließ sie das Gehalt pfänden; zu Unrecht, aber mein Schwager, ein Beamter, hatte anschließend ein paar negative Kommentare in seiner Personalakte und wurde danach nie wieder befördert.
Ein anderer Fall aus meiner Familie: Junges Pärchen, sie wird schwanger, er muss Unterhalt bezahlen. Sie reichte die Tochter an die Oma weiter, ging arbeiten, und statt, dass sie der Oma auch einen Unterhaltsbetrag überwies, reichte sie nur die Hälfte de Alimente an die Oma weiter, und behielt den Rest als „Taschengeld, falls die Kleine mal in die Ferien oder auf Klassenfahrt geht“.
Und da hat niemand ein Interesse daran, eine Quote durchzusetzen.
Es mag auch die von Dir besprochenen Fälle geben; die sind vergleichsweise selten. Hier ist ganz klar eine systemische Benachteiligung der Männer festgeschrieben. War mal anders, wenn ich mich recht erinnere, aber man ist bei der Korrektur der damaligen Umstände deutlich über das Ziel „ausgeglichen“ hinausgeschossen.
Das liegt aber eben auch daran, dass es noch immer vor allem die Mütter sind, die in allen anderen Aspekten zurückstecken, um den Löwenanteil der Erziehungsarbeit zu übernehmen.
Bei uns ist das ebenso. Es war aber die Entscheidung meiner Frau, das so zu handhaben, nicht meine.
@ Umweltschutz: Nein, das sehe ich nicht so. Die Horrorvision, dass wir quasi zurück in die Höhlen und uns mit Fellen bedecken müssen, ist und bleibt Unsinn. Und wir könnten eine Menge tun. Wir, nicht als Individuen, sondern als Gesellschaft und als die Industrienationen. Das bedeutet einerseits, dass wir die Verantwortung nicht auf die Einzelperson abwälzen, das muss dann aber auch auf der anderen Seite bedeuten, dass wir Politiker an die Schalthebel setzen, die etwas verändern wollen und nicht die, die jede Anpassung so lange aufschieben, wie möglich und Ausreden suchen (und ihren Wählern liefern) nichts zu tun.
Allein mit Ressourcenoptimierung wäre viel erreicht. Wenn wir endlich aufhören, für die Deponie zu produzieren – sowohl teilweise direkt, als auch viele Waren, bei denen klar ist, dass sie nur wenige Male genutzt werden (können), wäre viel erreicht.
Das wird nicht reichen, aber wir müssen auch nicht zurück in die Steinzeit und auch nichts ins 19. Jahrhundert. Das erste Mal wurde das Regenrationspotenzial der Erde 1970 überschritten. Wenn man sich darauf konzentriert, so ressourcenschonend und sauber wie möglich zu produzieren, wäre also immer noch ein solider Lebensstandard möglich. Und wenn wir dann Technologien entwickeln, die uns mehr Konsum erlauben, kann man den ja auch immer noch ausweiten.
@ Rechtsstaat: Ich behaupte nicht, dass es keine Probleme gibt. Das war aber einfach noch nie anders und es wird nicht immer schlimmer.
@ „Man kann ja nichts mehr sagen: Ich will nicht ausschließen, dass irgendwo mal Gewerkschaften einen offenen Rassisten aus dem Job gemobbt haben, aber es ist lächerlich so zu tun, als wäre das der Standard in deutschen Unternehmen (im Gegenteil sind es ja sonst gerne die Gewerkschaftler, die aus den Betrieben entfernt werden sollen, wenn sie sich für eine Arbeitnehmervertretung einsetzen.
Woher kommt diese ständige „alle wollen mir etwas“ Sicht auf die Welt?
Im Regelfall ist Widerspruch das „Schlimmste“ was passiert. Und das müssen andere schon seit jeher aushalten. Ich hab meine politische Einstellung grundlegende auch schon so vertreten, also es noch nicht in Mode war. Und teilweise müsste ich bei einigen Themen sicher auch heute noch mit Gegenwind rechne und sollte mir überlegen, wo und vor wem ich da Reden schwinge, wenn ich mir z.B. Karrierechancen nicht verbauen will.
@ Ehe: Das ist ja OK, aber das Gründen einer Familie (im sinne von eigenen Kinder bekommen, denn ansonsten sind gleichgeschlechtliche Paare genau so eine Familie) war nie der Hintergrund aller Ehen und die Ehe für alle macht das auch kein Bisschen schwerer. Ich will auf diesem Punkt Inhaltlich gar nicht so herumreiten, aber das wäre doch mal ein Punkt, grundsätzlich die eigene Denkweise zu hinterfragen, wenn man seine Einstellung in diesem Punkt schon so verändern konnte.
@ „konservativ“: Ich habe hier schon mehrfach geschrieben, warum ich den Begriff in Anführungszeichen benutze und ich bin mir relativ sicher, dass auch wir Beide das schon diskutiert haben.
@ Steuern: Ich kenne dein Gehalt nicht, aber wenn ein Häuschen mit Garten und einmal im Jahr Campingurlaub für dich das maximal Machbare waren, dann dürftest du nicht mal in die Nähe des Spitzensteuersatzes kommen.
Und für unsere Steuern bekommen wir einiges. Deine vier Kinder haben eine (bei allen Problemen in unserem Schulsystem) im internationalen Vergleich gute kostenlose Schulbildung bekommen und hatten die Möglichkeit, zu vergleichsweise sehr geringen Kosten (wenn überhaupt) zu studiere. Unsere Infrastuktur ist bei weitem nicht perfekt, aber gerade im Vergleich mit den Vorbildern der Befürworter noch niedrigen Steuern immer noch einigermaßen gut beisammen. Wir haben ein soziales Netz, dass – wenn auch mit Lücken – in den meisten Fällen zumindest die extremen Härten abfedert.
Von der moralischen Frage des „Was ich habe, hab ich verdient und es gehört mir. Wer weniger hat, hat Pech oder nicht genug gearbeitet“ fange ich jetzt nicht an.
@ Familienrecht: Ich bin extrem misstrauisch, wenn ich diese Storys von armen Vätern höre, die von ihren bösen faulen Ex-Partnerinnen bis auf das letzte Hemd ausgezogen werden. Wenn man auf der anderen Seite fragt, sieht die Geschichte von da oft ganz anders aus. Sicher gibt es solche Fälle auch (wobei das Familienrecht schon seit fast zwei Jahrzehnten deutlich strenger ist – so hat die Mutter z.B. nur noch ein Anrecht auf Unterhalt, solange die Kinder zu klein für eine Betreuung sind). Und genauso gibt es eben auf der anderen Seite die Väter, die nichts oder zu wenig zahlen. Da könnte man genau so argumentieren, dass die Frau beim Familienrecht immer übervorteilt würde.
@ TBeermann 28. August 2020, 09:16
Umweltschutz: Nein, das sehe ich nicht so. Die Horrorvision, dass wir quasi zurück in die Höhlen und uns mit Fellen bedecken müssen, ist und bleibt Unsinn.
Das habe ich auch nicht behauptet. 😐
Aber im Großen und Ganzen fleisch- und plastiklos leben, in Wohnungen und Häusern, die mit Energie sparsam umgehen, Internet-Gebrauch einschränken (informiere Dich mal, wie viel Energie allein für Video-Streaming draufgeht), möglichst weg vom Individualverkehr (zumindest da, wo es möglich ist).
Und wir könnten eine Menge tun. Wir, nicht als Individuen, sondern als Gesellschaft und als die Industrienationen.
Ah… Sagt mir nun der Mann, der mich bat, nicht mit der E-Klasse vor die Wand zu fahren, dass er sich selbst bei der Bewältigung dieser Aufgabe nicht persönlich angesprochen fühlt? Dass er so viel nicht selbst machen
willkann, sondern die Verantwortung bei der Gesellschaft (= weitgehend bei irgendwelchen anderen) liegt? Aber vermutlich bist Du gerne bereit, die Gesellschaft so umzuformen, dass es dann passt?Genau da liegt mein Konflikt mit den Linken.
Das bedeutet einerseits, dass wir die Verantwortung nicht auf die Einzelperson abwälzen, …
Nicht nur, möchte ich hier ergänzen, denn wenn das Individuum nicht mit dem Kopf und dem Herzen dabei ist, kann die Gesellschaft nicht viel richten.
… das muss dann aber auch auf der anderen Seite bedeuten, dass wir Politiker an die Schalthebel setzen, die etwas verändern wollen und nicht die, die jede Anpassung so lange aufschieben, wie möglich und Ausreden suchen (und ihren Wählern liefern) nichts zu tun.
Schöne Theorie, aber diese Politiker haben wir nicht. Auch die sehr stark städtisch orientierten Grünen sind nur Scheuklappen-bewehrte Maulhelden, die nur an einzelnen Stellschrauben drehen, statt bestimmte Themen grundsätzlich neu zu denken. Viel zu verkopft.
Allein mit Ressourcenoptimierung wäre viel erreicht. .
Ja, unbedingt.
Das wird nicht reichen, aber wir müssen auch nicht zurück in die Steinzeit und auch nichts ins 19. Jahrhundert.
Wir müssen dahin, wo auch Du nicht hinwillst.
Rechtsstaat: Ich behaupte nicht, dass es keine Probleme gibt. Das war aber einfach noch nie anders und es wird nicht immer schlimmer.
Die Probleme verändern sich ständig, und der Staat reagiert von zu langsam bis gar nicht darauf. Das geht ja nicht nur um „Ausländer“-Clans, sondern auch um Themen wie CumEx (als Beispiel für Schweinereien bei Finanzen; Und ja, ich kenne die Rechtslage). Wenn die Strafverfolgungsbehörden so tun, als hätten wir noch die 80er Jahre, und gehen mit zu wenig Personal, alten Methoden und einem neuen PC auf die Jagd, werden sie immer viel zu langsam und viel zu schwach sein.
Woher kommt diese ständige „alle wollen mir etwas“ Sicht auf die Welt?
Woher kommt eigentlich Deine Arroganz/Ignoranz? Ich habe diese Sicht nicht.
Im Regelfall ist Widerspruch das „Schlimmste“ was passiert.
Es gibt eine steigende Neigung zu Denunziantentum und Ausgrenzung. Und ja, das gab es früher von der anderen Seite, und jetzt hängt halt die gleiche Fahne im anderen Wind.
Der Unterschied zwischen uns ist offenbar: Ich finde die Fahne nicht gut. Du hast kein Problem mit ihr, wenn der Wind richtig steht.
Ehe: … Ich will auf diesem Punkt Inhaltlich gar nicht so herumreiten, aber das wäre doch mal ein Punkt, grundsätzlich die eigene Denkweise zu hinterfragen, wenn man seine Einstellung in diesem Punkt schon so verändern konnte.
Ich finde es immer wieder erstaunlich, dass der Vorschlag, ich solle doch mal meine Denkweisen hinterfragen, meist von Leuten kommt, die sich selbst, zumindest hier in den Diskussionen, noch nie um einen Millimeter bewegt haben (kam bisher von Ariane, Ralf und Dir, von Stefan Sasse zum Beispiel nicht). 🙂
„konservativ“: Ich habe hier schon mehrfach geschrieben, warum ich den Begriff in Anführungszeichen benutze und ich bin mir relativ sicher, dass auch wir Beide das schon diskutiert haben.
Weiß nicht mehr. Aber ich sage gerne noch einmal, dass ich mich respektlos behandelt fühle.
Steuern: Ich kenne dein Gehalt nicht, aber wenn ein Häuschen mit Garten und einmal im Jahr Campingurlaub für dich das maximal Machbare waren, dann dürftest du nicht mal in die Nähe des Spitzensteuersatzes kommen.
Warum antwortest Du nicht, was ich schreibe, sondern auf Deine Interpretation davon?
Ich sagte, dass ich für mich Luxus so definiert habe, dass ich trotz vier Kindern nie in ein Wohnsilo musste, und dass wir zu jedem Zeitpunkt genug Reserven hatten, um von jetzt auf gleich eine neue Waschmaschine zu kaufen. Ich wohne im Eigenheim, ich hatte auch in München in einem eigenen Reihenhaus gewohnt, das jetzt vermietet ist; beide Häuser gehören halb der Bank, aber wenn ich eins verkaufe, ist das andere Schuldenfrei, und es bleibt etwas über.
Und für unsere Steuern bekommen wir einiges. Deine vier Kinder haben eine (bei allen Problemen in unserem Schulsystem) im internationalen Vergleich gute kostenlose Schulbildung bekommen und hatten die Möglichkeit, zu vergleichsweise sehr geringen Kosten (wenn überhaupt) zu studiere. Unsere Infrastuktur ist bei weitem nicht perfekt, aber gerade im Vergleich mit den Vorbildern der Befürworter noch niedrigen Steuern immer noch einigermaßen gut beisammen. Wir haben ein soziales Netz, dass – wenn auch mit Lücken – in den meisten Fällen zumindest die extremen Härten abfedert.
Ich habe nicht so viel gegen Steuern, wie Du glauben magst, aber ich kriege brechreiz, wenn ich sehe, was damit teilweise angestellt, oder wie lausig gewirtschaftet wird.
• Die Bildung ist überdurchschnittlich, aber nicht wirklich gut, und unterliegt von Bundesland zu Bundesland den ideologischen Vorstellungen der jeweils regierenden Parteien. Die einzigen, die hier einen halbwegs guten Job machen, sind die Bayern; vermutlich, weil sie lange genug an der Regierung sind, um in unserem föderalistischen System ein Konzept auf längere Zeit erfolgreich zu betreiben. Ansonsten ist das Bildungssystem trotz der massiven Kosten unterfinanziert, weil das Geld aus ideologischen Gründen falsch eingesetzt wird.
• Die Infrastruktur ist unterdurchschnittlich, erst recht für eine von Logistik und Transportwesen abhängige Wirtschaftsnation wie unsere, die auch noch als Transitland in der Mitte von Europa liegt. Obwohl das Straßennetz im Großen und Ganzen passt, ist es zu schlecht ausgebaut, weitgehend marode (speziell die Brücken), und entspricht bei weitem nicht dem benötigten Stand der Technik.
Alternative nationale Transportmöglichkeiten (in erster Linie die Bahn) sind eine schiere Katastrophe, der öffentliche Nahverkehr konzentriert sich auf die Städte und das direkte Umland, und ist ansonsten hoffnungslos veraltet.
• Das soziale Netz funktioniert angesichts der gewaltigen Kosten nur sehr eingeschränkt; die einen kriegen zu wenig (in der Regel die Gruppen mit einem hohen Anteil an Nichtwählern), andere kriegen zu viel, und das ganze System wird von den Parteien dazu mißbraucht, ihre Wahlklientel zu füttern.
Von der moralischen Frage des „Was ich habe, hab ich verdient und es gehört mir. Wer weniger hat, hat Pech oder nicht genug gearbeitet“ fange ich jetzt nicht an.
Sorry – Du haust manchmal einen Scheiß raus, dass es kracht. Was ich habe, habe ich verdient, und es gehört mir – keine Frage. Über andere(s) maße ich mir kein Urteil an.
Familienrecht: Ich bin extrem misstrauisch, wenn ich diese Storys von armen Vätern höre, die von ihren bösen faulen Ex-Partnerinnen bis auf das letzte Hemd ausgezogen werden. Wenn man auf der anderen Seite fragt, sieht die Geschichte von da oft ganz anders aus.
Was erwartest Du? Dass die Frau sagt „ja, ich habe meinen Mann betrogen, die Scheidung eingereicht, konnte den Ex-Mann wegen der Kinder aus dem Haus seines Vaters treiben, habe mir meinen Lover ins Haus geholt, und damit die Kinder das akzeptieren, erzähle ich ihnen, Papa sei doof und bezahlt keinen Unterhalt“? Nicht falsch verstehen, so etwas passiert normalerweise nicht in einer gesunden Beziehung, und an einer ungesunden Beziehung tragen meist beide Schuld. Und es gibt mehr als genug Männer, die Scheiße bauen. Aber die juristische Macht liegt bei der Mutter.
Und genauso gibt es eben auf der anderen Seite die Väter, die nichts oder zu wenig zahlen. Da könnte man genau so argumentieren, dass die Frau beim Familienrecht immer übervorteilt würde.
Ja, die Fälle gibt es. Da in der Regel die Väter bei der Mutter bleiben und der Vater das Geld verdient, ist die Ausgangssituation, dass der Vater unterhaltspflichtig ist. Und – schlimm! – viel zu oft nicht zahlt (passiert in freien Beziehungen häufiger als in Ehen). Aber damit kollidiert er mit dem Gesetz, unterliegt der Strafverfolgung, wird gepfändet, der Arbeitgeber wird angesprochen etc. Als Mann unterliegst Du automatisch der Schuldannahme und der Vorverurteilung.
Ah… Sagt mir nun der Mann, der mich bat, nicht mit der E-Klasse vor die Wand zu fahren, dass er sich selbst bei der Bewältigung dieser Aufgabe nicht persönlich angesprochen fühlt? Dass er so viel nicht selbst machen will kann, sondern die Verantwortung bei der Gesellschaft (= weitgehend bei irgendwelchen anderen) liegt? Aber vermutlich bist Du gerne bereit, die Gesellschaft so umzuformen, dass es dann passt?
Und genau ist der Grund, warum ich mit „Konservativen“ eigentlich gar nicht mehr diskutieren will. Dieses ständige beschissene dem anderen Aussagen in den Mund legen wollen, die nie gesagt wurden.
Es mag dich überraschen, aber ich bin Teil der Gesellschaft, auch wenn ich es bei manchen anderen Exemplaren bedauere, zu gleichen Spezies zu gehören. Nur bringt es nichts, wenn einige Wenige ihr Leben auf Null fahren und der Rest weiter schlemmt, als gäbe es kein Morgen. Deshalb muss die Politik die Weichen stellen und den Handlungsrahmen so spannen, dass kein schädliches Verhalten mehr möglich ist. Auf Freiwilligkeit und Einsicht zu setzen, hat offensichtlich nicht funktioniert. Nach sechs Monaten Covid denken ja alle schon wieder nur darüber nach, wie sie die Verschwendungsmaschine wieder zum laufen bekommen.
Kann mir aber eigentlich auch egal sein. Ich habe keine Kinder und nicht vor das zu ändern. Vielleicht sollte ich einfach auch dazu übergehen, dass mir alle, die 2100 noch leben, am Arsch vorbei gehen. Sollen die halt Mad Max nachspielen.
Ich halte das für ungerecht.
@ TBeermann 28. August 2020, 14:31
Und genau ist der Grund, warum ich mit „Konservativen“ eigentlich gar nicht mehr diskutieren will. Dieses ständige beschissene dem anderen Aussagen in den Mund legen wollen, die nie gesagt wurden.
Ich habe Dir nichts in den Mund gelegt, sondern (na gut, recht spitz formuliert) nachgefragt, wie das zusammenpasst, anderen Vorschläge bis Vorgaben für ihre Lebensführung zu machen, aber die Verantwortung des Individuums zu negieren.
Dass Du selbst in der Regel nicht auf die Aussagen der anderen, sondern permanent auf die eigene Interpretation derselben reagiert, solltest Du mitbekommen haben; ich habe Dich mehrfach auf diese Diskrepanzen hingewiesen (by the way, ohne Einsatz von Fäkalsprache). Und dafür, dass Du selbst solch ein Spezialist darin bist, legst Du eine enorme Empfindlichkeit an den Tag.
Es mag dich überraschen, aber ich bin Teil der Gesellschaft, auch wenn ich es bei manchen anderen Exemplaren bedauere, zu gleichen Spezies zu gehören.
Warum sollte mich da überraschen? Ich wäre nie im Leben auf die Idee gekommen, dass sich jemand NICHT als Teil unserer Gesellschaft fühlen könnte. Der zweite Halbsatz bestätigt mir aber wieder eine gewisse Überheblichkeit bei Dir.
Nur bringt es nichts, wenn einige Wenige ihr Leben auf Null fahren und der Rest weiter schlemmt, als gäbe es kein Morgen.
Ja, und? Diese Selbstverständlichkeit habe ich weder behauptet, noch anderswo je gehört oder gelesen. Was ich gesagt habe, ist, dass das Individuum das dann im eigenen Leben umsetzen muss, und dass es deshalb aus meiner Sicht schon besser wäre, die mitzunehmen.
Deshalb muss die Politik die Weichen stellen und den Handlungsrahmen so spannen, dass kein schädliches Verhalten mehr möglich ist.
Mir ist halbwegs klar, welche Art von Lösung Du anstrebst. Aber Dir sollte klar sein, dass Du Dich selbst sehr schwer damit tun würdest, von anderen Regeln übergestülpt zu bekommen, die Dir jedes (aus deren Sicht) „schädliches“ Verhalten unmöglich machen würden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Du nicht der Einzige auf der Welt bist, der glaubt, es besser zu wissen als der große Rest. Wärst Du bereit, Dich deren Lösungen genauso zu unterwerfen, wie Du es bei Deinen Lösungen von allen anderen erwarten würdest?
Auf Freiwilligkeit und Einsicht zu setzen, hat offensichtlich nicht funktioniert.
Wer sagt das? Wir haben doch weiter oben darüber diskutiert, dass und wie sich die Gesellschaft bewegt. Haben sich denn in den letzten 50 Jahren keine großen gesellschaftlichen Veränderungen ergeben?
Nach sechs Monaten Covid denken ja alle schon wieder nur darüber nach, wie sie die Verschwendungsmaschine wieder zum Laufen bekommen.
Nun ja, ist nicht alles Verschwendung, teilweise ist es auch Kleidung, Essen, oder andere Dinge, die man im Alltag braucht. Und ich finde es legitim, sein altes Leben zurückzuwünschen.
Wir haben die schwerste wirtschaftliche Krise seit dem Krieg, und es werden wirklich viele Menschen ihre Jobs verlieren. Ach, ich vergaß, da haben wir ja den Staat, soll der doch alle durchfüttern (und ich habe da so eine Ahnung, wie das finanziert werden soll). Und so, wie Du eine klare Vorstellung von der Lösung unserer Probleme hast, haben das andere auch.
Kann mir aber eigentlich auch egal sein. Ich habe keine Kinder und nicht vor das zu ändern. Vielleicht sollte ich einfach auch dazu übergehen, dass mir alle, die 2100 noch leben, am Arsch vorbeigehen. Sollen die halt Mad Max nachspielen.
Jetzt sind wir dann doch wieder bei dem Thorsten Beermann gelandet, wie ich ihn anfangs kennenlernte. Und mit dem macht eine Diskussion dann wirklich keinen Sinn.
Zwar verspätet, trotzdem aktuell:
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