Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.
Fundstücke
Die konstituierende Sitzung des Thüringer Landtags am Donnerstag endete im Chaos, als die AfD ihre Macht demonstrierte und das demokratische System herausforderte. Jürgen Treutler, der Alterspräsident der AfD, zeigte sich respektlos gegenüber den demokratischen Gepflogenheiten und verwehrte anderen Abgeordneten das Wort. Die AfD, die bei der Wahl mit ihrem Spitzenkandidaten Björn Höcke die stärkste Kraft wurde, nutzte die Gelegenheit, um Zweifel an der parlamentarischen Demokratie zu säen. Die Sitzung wurde viermal unterbrochen, und CDU-Abgeordneter Andreas Bühl warf Treutler vor, eine „Machtergreifung“ zu versuchen. Die AfD attackierte die parlamentarische Demokratie mit einer Strategie, die sie seit Jahren verfolgt. Sie greift Institutionen und Parlamente aggressiv an, um ihre autoritären Ziele zu verfolgen. Diese destruktive Haltung war im Thüringer Landtag deutlich zu sehen, wo die AfD ihre Position nutzte, um die Funktionsfähigkeit des Parlaments zu behindern. Besonders problematisch ist, dass eine Änderung der Geschäftsordnung, die die Vorschlagsrechte für den Landtagspräsidenten auch anderen Parteien gegeben hätte, von der CDU nicht unterstützt wurde. Diese Entscheidung machte es möglich, dass die AfD allein das Vorschlagsrecht hat. Die AfD verfolgt eine Taktik der Hetze gegen das „polit-mediale Establishment“ und nutzt jede Gelegenheit, um Zweifel an der Unabhängigkeit der Gerichte und Institutionen zu säen. Wenn die AfD vor dem Verfassungsgericht unterliegt, wird sie dies als Beweis dafür nutzen, dass die Demokratie in Deutschland nicht funktioniert. Diese rechtsextreme Erzählung verfängt bei vielen Anhängern der AfD und stärkt deren Überzeugung, im Widerstand gegen das „System“ zu kämpfen. Die AfD hat zudem angekündigt, ihre neu gewonnene Macht in Thüringen und Brandenburg weiter auszunutzen. In Erfurt wurde bereits deutlich, wie aggressiv-kämpferisch die AfD vorgeht, um demokratische Verfahren zu untergraben. Angesichts dieser Entwicklungen sollten die anderen Parteien in Erwägung ziehen, Verfassungsänderungen durchzusetzen und ein Verbot der AfD ernsthaft prüfen, um die Demokratie vor weiterem Schaden zu schützen. (Ann-Katrin Müller, Spiegel)
In der Debatte um einen Anlauf für ein AfD-Verbot scheinen mir zwei Dinge durcheinander zu gehen. Einerseits hat die politische Situation sich durch die Landtagswahlen im Osten und vor allem das Auftreten der AfD im Thüringer Landtag gewandelt. Der Möglichkeitsraum ist erweitert, das Overton-Fenster hat sich verschoben: es ist mittlerweile für viel mehr Akteure bis hinein in die CDU denkbar, ein AfD-Verbotsverfahren anzustreben (wenngleich ich immer noch nicht das Gefühl habe, dass es eine Mehrheitsposition ist). Aber die juristische Situation hat sich kein Jota geändert und kann sich auch nicht geändert haben; die Gesetzeslage ist schließlich von politischen Stimmungen unabhängig. Ein Verbotsverfahren braucht beides; den politischen Willen und die richtige politische Umgebung, aber andererseits eben auch eine juristische Grundlage. Und die sehe ich aktuell überhaupt nicht. Ich verweise dafür auch nochmal auf meinen Podcast mit Horst Meier.
2) How Congress Gets Its Groove Back
In dem Artikel wird die jüngste Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA und deren Auswirkungen auf den Gesetzgebungsprozess des Kongresses diskutiert. Die Entscheidung im Fall Loper Bright Enterprises, Inc. hob die bisherige „Chevron-Doktrin“ auf, die es Bundesbehörden ermöglichte, unklare Gesetze im Rahmen ihrer Zuständigkeit zu interpretieren. Nun wird diese Befugnis stärker auf die Gerichte übertragen, was die Macht der Behörden einschränkt und den Gesetzgeber zwingt, präzisere Gesetze zu verfassen. Die Aufhebung der „Chevron-Doktrin“ stellt den Kongress vor neue Herausforderungen, da er nun mehr Verantwortung übernehmen muss, um klare und detaillierte Gesetze zu verfassen. Dies könnte jedoch problematisch sein, da der Kongress in den letzten Jahrzehnten seine Ressourcen und Fachkräfte reduziert hat. Der Artikel beschreibt, wie durch die Kürzungen von Newt Gingrich in den 1990er Jahren das Wissen und die Unterstützung in den Ausschüssen und Behörden stark abgenommen haben. Gleichzeitig wird darauf hingewiesen, dass es Ansätze gibt, die Kapazitäten des Kongresses wieder zu stärken. Reformen, wie eine stärkere Unterstützung durch externe Berater und Organisationen sowie der Aufbau neuer Agenturen, könnten dabei helfen, den Gesetzgebungsprozess effektiver zu gestalten. Der Artikel argumentiert, dass der Kongress sich reformieren muss, um seine Rolle als primärer Gesetzgeber zu verteidigen, anstatt Entscheidungen der Gerichte zu überlassen. (David Dayen, American Prospect)
Ich empfehle Dayens Artikel unbedingt zur kompletten Lektüre (oder zum Anhören, es gibt eine 40-Minuten-Audio-Version). Er ist sehr instruktiv und detailliert. Die Arbeitsfähigkeit des Parlaments ist ein Thema, auf das ich immer wieder zurückkomme. Unser Bundestag etwa ist ein Arbeitsparlament und funktioniert was das angeht verhältnismäßig gut: unsere Abgeordneten arbeiten tatsächlich größtenteils den größten Teil ihrer Zeit als Abgeordnete, also in Ausschüssen, Verhandlungen, Bürger*innengesprächen, Ausarbeitungen von Vorlagen, Anhörungen etc. Deswegen finde ich auch die Größe des Parlaments besser vertretbar. Der US-Kongress dagegen ist keines; die Abgeordneten sind vor allem mit Fundraising beschäftigt. Diese Unfähigkeit des Kongresses ist eine bewusste politische Entscheidung der Republicans in den 1990er Jahren, sie zu zerstören. Und der Democrats, sie nicht wiederherzustellen. Die Früchte dieser Dysfunktionalität erntet man inzwischen. Es besteht nicht nur eine Korrelation zwischen den mittlerweile einstelligen (!) Zufriedenheitsraten mit dem Kongress und seiner Dysfunktionalität. Das ist direkt gekoppelt. Egal, was die Leute in Umfragen sagen, niemand mag eine ineffiziente, nicht funktionsfähige Regierung.
3) Global bescheidener auftreten
Der Artikel thematisiert die Unterscheidung zwischen der Idee des Westens und dem realen Westen. Die Idee des Westens ist eng mit Werten wie Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten verbunden, inspiriert von Ereignissen wie der Französischen Revolution, der amerikanischen Verfassung und dem deutschen Grundgesetz. Diese universellen Ideale spiegeln sich in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte wider. Der reale Westen hingegen war oft im Widerspruch zu diesen Idealen: Kolonialismus, Rassismus und imperiale Ausbeutung prägten die Geschichte westlicher Nationen. Beispiele hierfür sind die Sklaverei in den USA, die Kolonialherrschaft Frankreichs und Englands sowie die deutsche Kolonialpolitik in Namibia. Diese Widersprüche haben es Autokratien wie Russland und China ermöglicht, den Westen zu diskreditieren und sich gegen ihn zu stellen. Der Artikel argumentiert, dass es an der Zeit ist, sich von der Arroganz des realen Westens zu lösen und global bescheidener aufzutreten. In einer multipolaren Welt, in der Macht auf viele Akteure verteilt ist, können sture Blockkonfrontationen wie „West gegen den Rest“ nicht bestehen. Europa müsse sich ökonomisch stärken und neue Partnerschaften mit Ländern außerhalb der traditionellen westlichen Hemisphäre suchen, um global bestehen zu können. Nur durch die Überwindung der Gewalt des realen Westens kann die Idee des Westens als universelles Modell überleben. (Jürgen Trittin, taz)
Einmal abgesehen vom geradezu erschreckend seichten Niveau von Trittins Essay, der sich wohl für deliberativ und irgendwie sehr nachdenklich hält aber hauptsächlich irgendwelche Allgemeinplätzchen in der eigenen heißen Luft backt, finde ich auch die wenige Substanz mehr als wirr. „Der Westen“ soll sich nicht als „der Westen“ verstehen, weil das arrogant ist, sondern seine Werte gegenüber der Außenwelt ohne die eigene Identität vertreten, weil das was genau ändert? Die Vorstellung, dass eine Nation wie China sich signifikant anders verhalten würde, wenn wir verleugnen, wer wir sind (was Trittin ja nicht mal fordert, bei ihm kommt das alles irgendwie im Gewand des üblichen linken schlechten Gewissens daher und tarnt sich in der Sprache des Realismus), ist völlig absurd. Aber das will er ja nicht einmal. Mir scheint auch, dass Trittin überhaupt nicht verstanden hat, was die Bedeutung des Wortes „universal“ ist. Wie um Gottes Willen hören wir auf, universelle Werte zu vertreten, um genau diese universellen Werte zu retten und gar zu stärken? Was für ein inkohärenter Unfug. Da haben die Kritiker*innen einer wertebasierten Außenpolitik wenigstens Kohärenz.
Die FDP stand einst vor der Chance, eine moderne, urbane und zukunftsorientierte Wählerschaft zu gewinnen, als sie mit frischem Image und starker Wahlkampagne 2017 den Wiedereinzug in den Bundestag schaffte. Doch trotz dieser vielversprechenden Ausgangslage verfehlte sie es, in den entscheidenden Politikfeldern – Wirtschafts-, Bildungs- und Umweltpolitik – zu überzeugen. Insbesondere die wachsende Zielgruppe der aufstiegsorientierten, international ausgerichteten Bürger, die liberale Grundwerte mit Erfolgsstreben verbinden, wurde von der Partei enttäuscht. Statt sich auf diese potenzielle Wählerbasis zu konzentrieren, hat die FDP sich zunehmend ideologisch verengt. Sie setzt auf ein überaltertes, konservatives Klientel, das wenig Interesse an zukunftsweisenden Themen wie Klimaschutz, Digitalisierung und europäischer Zusammenarbeit zeigt. Diese Engführung ihrer politischen Ausrichtung lässt sie zwischen den Grünen, die die modernen Potenziale ansprechen, und der CDU, die den konservativen Raum besetzt, verkümmern. Die FDP hat sich somit auf eine Zielgruppe eingeschränkt, die faktisch nicht existiert: Menschen, die sowohl erzkonservative als auch modern-liberale Werte vereinen. Ihr drohender Rechtsruck könnte ihr endgültiges Ende bedeuten, da sie damit einen Raum betreten würde, der bereits von anderen Parteien besetzt ist. (Frank Stauss)
Ich bin immer sehr vorsichtig, wenn es darum geht, einer Partei Ratschläge zu geben, die ich ohnehin nicht wählen würde. Aber ich bin weiterhin davon überzeugt, dass der Aufstieg der FDP 2017-2021 vor allem mit dieser Modernisierungsrhetorik zusammenhängt. Die Partei hat ein Image von sich aufgebaut, dass offensichtlich attraktiv war, gerade auch für Jungwählende. Und dieses Image hat sie in der Regierung überhaupt nicht umgesetzt. Und dafür hätte es Möglichkeiten gegeben! Dasselbe Problem haben Grüne und SPD natürlich auch. Mein Gott, ist diese Regierung ein Desaster, es ist echt beeindruckend. Mir scheint auch, dass die historische Erfahrung eher gegen einen erfolgreichen Rechtsruck spricht. Zugegeben geht man dafür ein Jahrhundert zurück, aber die Pulverisierung der liberalen Parteien gegen Ende der Weimarer Republik, besonders das Schicksal der DDP, sollte schon mal Gelegenheit für Introspektive sein. Die hat sich damals scharf nach rechts entwickelt und sogar in „Deutsche Staatspartei“ umbenannt, nachdem sie mit einer völkischen Organisation zusammengegangen war. Das Wahlergebnis war so Brandenburg-Niveau. Zu den Grünen hab ich ja letzte Woche genug geschrieben.
5) America is becoming less “woke”
Der Artikel beschreibt den Aufstieg und den Rückgang der „Wokeness“ in den USA, insbesondere seit 2015. Während der Begriff ursprünglich verwendet wurde, um ein Bewusstsein für Rassismus zu schaffen, wurde er zunehmend mit Aktivismus gegen jede Form von Diskriminierung assoziiert. Dies erreichte seinen Höhepunkt zwischen 2020 und 2021, insbesondere nach dem Tod von George Floyd und den #MeToo-Protesten. Der Artikel stellt fest, dass Diskussionen und Maßnahmen zu Themen wie „Diversity, Equity, and Inclusion“ (DEI) seitdem in den Medien, im öffentlichen Diskurs, in der Wirtschaft und der Wissenschaft wieder abgenommen haben. Besonders in Unternehmen und Universitäten werden DEI-Initiativen zurückgefahren, teilweise aus Angst vor rechtlichen Konsequenzen oder aufgrund des gesellschaftlichen Widerstands. Trotz dieses Rückgangs bleibt das allgemeine Bewusstsein für Diskriminierung höher als vor 2015, und der langfristige Trend zur Verbesserung von Rechten für Minderheiten hält an. (The Economist)
Ich halte diesen Take dazu für ziemlich zutreffend: der Modeanteil ist aufgebraucht, aber der Kern ist selbstverständlich geworden. Weder die Auswirkungen der #MeToo-Bewegung noch das Bewusstsein für die Existenz und die Fragestellungen rund um Transmenschen werden wieder weggehen. Das ist ziemlich normal für diese Trends, und das funktioniert auf der anderen Seite ja sehr ähnlich. Auch die aktuelle Aufregung um Migration wird wieder abnehmen, aber der Kern – der neue Konsens, dass man da irgendwie begrenzenderweise was machen muss – wird bestehen bleiben. Ähnlich ist es bei den woken Themen: es wird sich verschieben, was eigentlich als „woke“ wahrgenommen wird; der Rest wird normalisiert. Das ist ja schon zigmal passiert. Die Frauenemanzipation in den 1960er Jahren war auch mal eine radikale Speerspitze, heute bekennen sich eigentlich alle dazu. Als MLK und Konsorten für die Rechte der Afroamerikaner*innen protestierten, waren sie eine radikale Speerspitze und wurden von der Mehrheitsgesellschaft harsch abgelehnt. Heute berufen sich selbst amerikanische Rechtsradikale routinemäßig auf King. Von daher kann das nicht überraschen.
Resterampe
a) Echt traurig, wenn die Welt (!) mehr humanitäre Emotionen in der Außenpolitik hat als die Grünen.
b) Realitäten.
c) Doku zum Trad-Wife-Phänomen.
d) Passt zu der Debatte um Emotionen, die wir hier schon öfter hatten.
e) Interview mit Ilko-Sascha Kowalczuk.
f) Die wirtschaftliche Seite des Nahostkonflikts.
g) Blind spot.
h) Muss man auch mal anerkennen: die sind keine Hisbollah-Fans.
i) Die Arroganz ist schon echt krass.
j) Wie ich immer sage, das ist Merz‘ offene Flanke und Scholz‘ große Hoffnung.
k) Die unrühmliche Rolle der EZB in der Inflation.
l) Thread zu den Österreichwahlen.
m) Die ausführliche Spiegel-Reportage zum Absturz der Berliner Zeitung ist auch was für sich. Radikale Millionäre mit zu viel Geld, die sich Medienmacht sichern. Immer dieselbe Scheiß-Geschichte.
o) Die neuen EU-Fiskalregeln würgen die Wirtschaft ab. Weckt mich jemand, der das noch nie vorher gehört hat. Immer denselben Fehler nochmal, „this time is different“.
p) Unleash the cops, but just for a day.
q) Israel Tries for a Knockout Blow. Sehr amerikanischer Artikel, kein Kompliment.
r) Guter Artikel in der Welt über Orbans Aufstieg.
s) Es wächst zusammen, was zusammen gehört. Ich sag es immer wieder: diese Selbstradikalisierungen enden immer gleich. Mal sehen wie lange Anna Schneider noch braucht, bis sie bei NIUS ist. Oder Tichys Einblick.
t) Linke und grüne Ideologen verwechseln den erhobenen Zeigefinger mit echter Politik. Ich zitiere den Teaser: „Das christliche Toleranzgebot gilt auch für die Meinungen anderer, sagt unser Gastautor Manfred Lütz. Das gilt gerade in der hitzigen Diskussion um die AfD und ihre Anhänger. Er fordert deshalb: Wir müssen alle mehr Christentum wagen.“ Merkt ihr selber, oder?
u) Let us hold Donald Trump to normal standards of conduct. Please. Es ist echt krass.
w) Ich glaube eigentlich nicht, dass Jens Spahn so ein Idiot ist, dass er das ernst meint. Warum also sagt er solchen Quatsch?
x) Guter Punkt.
Fertiggestellt am 02.10.2024
(3 – „der“ Westen)
Wohl tatsächlich weitgehend inkonsistener Quatsch von Meisterdenker Trittin, insofern also durchaus konsistent.
Der Artikel argumentiert, dass es an der Zeit ist, sich von der Arroganz des realen Westens zu lösen und global bescheidener aufzutreten.
Mit dieser Forderung hat er allerdings recht. Ich habe es oft genug geschrieben: Neokolonialistische Projekte wie die klassische Entwicklungshilfe oder neuerdings das Lieferkettengesetz haben in der modernen Welt nichts verloren. Diese Arroganz müssen wir dringend ablegen, wenn wir etwa in Afrika noch eine Chance gegen China haben wollen.
Das meint er aber gar nicht. Ich bin ehrlich gesagt nicht sicher, was er meint. Ich fand es wahnsinnig inkohärent.
Vielleicht will er einfach nur sagen, dass die Energiewende eine Kugel Eis kostet.
(o – Die neuen EU-Fiskalregeln würgen die Wirtschaft ab)
In welchem EU-Land gibt es denn „Haushaltskonsolidierung“? Offenbar habe ich etwas verpasst.
Und Italien – war das nicht das Land mit bizarrer Bürokratie und allgegenwärtigem Schlendrian, sogar im Vergleich zu etwa Deutschland? Ich hätte da ja schon die eine oder andere Idee zur Belebung der Wirtschaft, aber ich bin natürlich kein EU-Spezialexperte.
4) Die FDP ohne Zielgruppe
Die FDP stand einst vor der Chance, eine moderne, urbane und zukunftsorientierte Wählerschaft zu gewinnen, als sie mit frischem Image und starker Wahlkampagne 2017 den Wiedereinzug in den Bundestag schaffte. Doch trotz dieser vielversprechenden Ausgangslage verfehlte sie es, in den entscheidenden Politikfeldern – Wirtschafts-, Bildungs- und Umweltpolitik – zu überzeugen.
Leider wahr. Mein Eindruck ist: Die FDP hat die Grünen als Hauptkonkurrent ausgemacht und definiert sich zu sehr darüber, dass sie das Gegenteil der Grünen sein wollen.
Wie kreativ. Das unterscheidet die FDP massiv von CDU, CSU, BSW und AfD. Nicht.
q) Israel Tries for a Knockout Blow.
Sehr amerikanischer Artikel, kein Kompliment.
Ich kann’s gut nachvollziehen.
Mir geht’s um den Fokus auf Amerika. Dieses alles durch die Brille der US-Befindlichkeiten sehen.
@ Stefan Sasse 8. Oktober 2024, 20:32
Mir geht’s um den Fokus auf Amerika. Dieses alles durch die Brille der US-Befindlichkeiten sehen.
Genau den Eindruck hatte ich nicht, da er doch recht deutlich darauf hinweist, dass die Sicht des nicht direkt betroffenen Westens eine andere ist als die von Israel, dass wir (im Gegensatz zu Israel oder der Ukraine) die Natur von Krieg inzwischen verdrängt haben.
Habe ich ihn da falsch verstanden?
Vielleicht auch ich! Aber inhaltlich sind wir uns eh einig 🙂
@ Stefan Sasse 9. Oktober 2024, 13:56
Vielleicht auch ich! Aber inhaltlich sind wir uns eh einig 🙂
Ja
j) Wie ich immer sage, das ist Merz‘ offene Flanke und Scholz‘ große Hoffnung.
Das ist genau, was mich nervt an #Merz, er verwechselt Geld mit Fleiß.
Man kann stinkefaul sein und viel Geld erben & andere endlos fleißig und das Geld ist knapp.
Sicherlich richtig. Aber ich erlebe in der Regel eher die sozialneideige Variante: dass man Leuten, die über Fleiß, gute Ideen und viel Einsatz zu Wohlstand kamen, unterstellt, dass irgendetwas nicht nicht fair oder nicht mit rechten Dingen zugegangen sein muss.
Liegt das vielleicht einfach daran, dass viele der wohlhabenden Menschen, die der Oeffentlichkeit bekannt sind, nun auch mal nicht unbedingt die sympathischsten sind?
@ schejtan 8. Oktober 2024, 12:46
Liegt das vielleicht einfach daran, dass viele der wohlhabenden Menschen, die der Oeffentlichkeit bekannt sind, nun auch mal nicht unbedingt die sympathischsten sind?
Nun, ich bin eher gehobener Mittelstand, inzwischen Rentner, Eigenheim abbezahlt, also sicherlich wohlhabend. Ich bin aber nicht so sehr in der Öffentlichkeit bekannt. Ich habe es in 30 Jahren nicht einmal erlebt, dass jemand, der (wie auch immer) mein Gehalt bzw. die Größenordnung erfuhr und niedriger lag, ohne eine wie auch immer geartete komische Bemerkung daherkam. Und ich kenne niemanden, der sein gutes Gehalt herausposaunt, um genau das zu vermeiden.
Kenn ich jez nicht so. In meinem Umfeld gibt es ja schon ein paar wohlhabende Menschen und das ist groesstenteils gar kein Thema. Ausser die machen halt Kommentare die schon davon zeugen, dass sie ein wenig die Bodenhaftung verloren haben, dann werden zumindest schon ein paar Augen gerollt.
@ schejtan 9. Oktober 2024, 10:32
In meinem Umfeld gibt es ja schon ein paar wohlhabende Menschen und das ist groesstenteils gar kein Thema.
Sag ich doch; lässt man besser 🙂
Ausser die machen halt Kommentare die schon davon zeugen, dass sie ein wenig die Bodenhaftung verloren haben, dann werden zumindest schon ein paar Augen gerollt.
Wir hatten mal im Bekanntenkreis einen Diskothekenbesitzer, dem es damals ganz gut ging; wir haben ihn dann irgendwann aus den Augen verloren, als die Kinder aus der Schule kamen.
Der hat mir mal erzählt, dass er sich wirklich gerne seinen Jungen-Traum erfüllen und einen Ferrari kaufen würde. Ich sagte: Mach doch, Du kannst es Dir doch leisten. Er meinte, dass er spätestens zwei Wochen, nachdem er sich im Ferrari habe blicken lassen, die Steuerfahndung an der Hacke haben würde.
Bodenhaftung hat der ohne Ende. Das ist ein sparsamer Mensch, der den Großteil seiner Lebensmittelkäufe über Aldi macht, und der einen unglaublich praxisbezogenen Blick auf die Welt hat – von Garten über Heimwerken bis Hausarbeit kennt er sich wirklich gut aus, hat nie was Dummes oder Abgehobenes erzählt.
Eine andere Bekannte, alleinstehend und inzwischen über 70, höhere Beamtenlaufbahn (= etwa das doppelte an Pension wie das, was ich und meine Frau zusammen an Rente haben), hat Kunst studiert und sich von Staats wegen um Unis gekümmert. Hat nebenbei noch ein paar Projekte, arbeitet teilzeit für die Stadt Hamburg, hat nebenbei noch einen Teilzeit-Lehrstuhl in Vilnius. Sie wohnt in Eppendorf, hat auf dem Land noch ein Zwei-Parteien-Haus.
Der geht’s, gelinde ausgedrückt, richtig gut. Sie ist super-stolz auf das, was sie aus eigener Kraft erreicht hat (sie kommt aus dörflich-bürgerlichen Verhältnissen) und noch erreicht, und kennt außer uns niemanden, mit dem sie darüber sprechen kann. Denn alle ihre Hamburger Freunde und Freundinnen kommen aus dem Kunstbereich; die gucken schon komisch, wenn sie mit ihrem 10 Jahre alten Golf Cabrio um die Ecke kommt statt mit einem klapprigen Fahrrad oder einer klapprigen Ente.
Die wenigen Leute, von denen ich so Sachen gehört habe, dass di“die doch mal arbeiten sollen“, haben das meist selbst nicht getan, jedenfalls nicht mit dem Fleiß, den sie von Migranten und Arbeitslosen einfordern. Die habe ich auch nicht in meinem (eher kleinen) Bekanntenkreis. Aber alle, die ich kenne und die ich in die Kategorie Wohlstand einordnen würde, arbeiten nicht gerade wenig – ob’s Häuschen ererbt war oder nicht.
Ich glaub, wir koennten da laenger Anekdoten austauschen 😉 Was ich zum Beispiel meine, ist der Typ frisch vonner Uni, mit dem ich mich vor kurzem ueber Wohnen in London und Umgebung (er selber kommt aus Cambridge) unterhalten habe und der dann meinte, dass er sich jez auch gerne ein Haus kaufen wuerde. Auf meine Frage, wie er das finanzieren will, wenn er bisher kein Geld verdient hat, kam dann „50 000 £ fuer ne Anzahlung kriegt doch jeder zusammen“. Kam in der Gruppe nicht so gut an.
@ schejtan 9. Oktober 2024, 14:20
Isdt vielleicht sein NormalNull. Aber das saagt auch nichts über Bodenhaftung aus, finde ich. Wenn „Bodenhaftung“ bedeutet, dass man keine Themen anspricht, die bei einem weniger Begüternden nicht ganz so gut ankommen, ist „meine“ Sozialneid-These auch da bestätigt.
Naja, haette er gesagt „Ich kann 50 000 £ fuer ne Anzahlung auftreiben“ haette ich gedacht, gut fuer dich und fertig. Es ist halt dieses „Jeder kann das“ wodurch das abgehoben wird.
Was ich mit fehlender Bodenhaftung meine, ist halt eher das fehlende Gespuer dafuer, wie die Lebensrealitaet anderer Menschen aussieht and das fehlende Bewusstsein fuer die eigene priviligierte Situation.
@ schejtan 9. Oktober 2024, 16:35
Naja, haette er gesagt „Ich kann 50 000 £ fuer ne Anzahlung auftreiben“ haette ich gedacht, gut fuer dich und fertig. Es ist halt dieses „Jeder kann das“ wodurch das abgehoben wird.
Zumindest habe ich jetzt Deinen Punkt verstanden u nd weiß, was Du meinst.
Was ich mit fehlender Bodenhaftung meine, ist halt eher das fehlende Gespuer dafuer, wie die Lebensrealitaet anderer Menschen aussieht and das fehlende Bewusstsein fuer die eigene priviligierte Situation.
Da tue ich mich immer ein bisschen damit. Ich sehe nicht ein, dass ich (übertrieben formuliert) bei einer Pizza auf Thunfisch oder Schinken verzichten soll, weil mein Nebenmann sich nur eine Magherita leisten kann.
Mich stört diese Orientierung nach oben. Ich habe einen VW Passat, der eine Nachbar einen Mercedes Geländewagen und für den Spaß einen offenen Porsche, der andere hat einen Mercedes-Kombi, einen englischen Roadster, einen amerikanischen Straßenkreuzer, ein Straßen- und ein Gelände-Motorrad und ein teures Rennrad. Der hat noch eine Handvoll schicker Gitarren und sammelt alte Gitarren-Röhrenverstärker.
Ob ich nun dahin schaue oder pob ich mir überlege, dass es mir besser geht als den meisten anderen Menschen in Deutschland, erst recht in der Welt, ist doch einzig meine innere Einstellung, und hat mit den anderen nichts zu tun.
Zu Deinem jungen Mann: Ich saß einmal als Hannover-96-Fan (mit entsprechender Kopfbedeckung) mit meinem Bayern-Freund zusammen in der Allianz-Arena. Nun, man war auch dort recht großspurig. Aber das ist wie bei Deinem jungen Bekannten eher individuelles Naturell als „reich“.
Ich lese Ihre Kommentare immer sehr gerne und bin auch oft Ihrer Meinung. Hier nicht. Zumindest in schejtans Kommentar geht es nicht um Sozialneid, sondern darum, dass Leute aus oberen Schichten, die Lebensrealität des „normalen“ Menschen schlicht nicht kennen. Und das stößt übel auf.
Hier in Mexiko gab es vor ein paar Jahren ein heftiges Beispiel: da wurden die Mexikaner gefragt, was sie glauben, wieviel Geld die jeweiligen Schichten an Einkommen haben. Und die wirklich reichen Mexikaner glaubten, dass die armen (!) Mexikaner über ein Einkommen von durchschnittlich $40,000 Pesos verfügten. Mit diesem Haushaltseinkommen liegt man in Mexiko ungefähr bei 93%! Und diese Entfremdung ist es was in den heutigen Gesellschaften problematisch ist.
@ destello 10. Oktober 2024, 00:11
Ich hatte ja schon schejtan geschrieben, dass ich mit der zweiten Antwort verstanden habe, worauf er abhob.
… in schejtans Kommentar geht es … darum, dass Leute aus oberen Schichten die Lebensrealität des „normalen“ Menschen schlicht nicht kennen. Und das stößt übel auf.
Aber nun mal doch provokant gefragt: Warum?
Mit „der versteht meine Situation nicht“ erhebt man einen Anspruch, den man in der Regel nicht selbst erfüllt. Denn die Augenbrauen-Hochzieher aus der von schejtan genannten Gruppe verbringen vermutlich ihre Zeit auch nicht damit, sich mit der Lebensrealität anderer Gehaltsklassen auseinanderzusetzen, die unter ihnen oder unter ihren Eltern liegen.
«Aber ich erlebe in der Regel eher die sozialneideige Variante» … Ach ja, anekdotische Evidenz … Fakten: Die 10 reichsten Menschen der USA sind «Erfinder», die 10 reichsten Menschen Deutschlands sind … Erben. Es gibt wirklich Menschen die glauben, «Sozialneid» sei ein Argument. Das ist wohl ein typischer Fall von Intelligenzneid.
@ DerWoDaSo 8. Oktober 2024, 15:31
Oh Mann, Du schreibst mal wieder ein Zeug zusammen …
Ach ja, anekdotische Evidenz
Zumindest „anekdotisch“ hast Du richtig verstanden – Glückwunsch, eine Premiere. Aber Evidenz? Hab die andere Aussage weder zu widerlegen versucht noch bestritten.
Fakten: Die 10 reichsten Menschen der USA sind «Erfinder», die 10 reichsten Menschen Deutschlands sind … Erben.
Mag ja stimmen. Aber was hat das hiermit zu tun? Wie war das noch mit den selbst aufgestellten Strohmännern?
Es gibt wirklich Menschen die glauben, «Sozialneid» sei ein Argument.
Der nächste Strohmann: Ich kenne Sozialneid, aber ich kenne niemanden, der das für ein Argument hält. Wofür auch?
Das ist wohl ein typischer Fall von Intelligenzneid.
Ich bin souverän genug, um mit dem klarzukommen, was ich habe. Aber mir scheint, dass aus Dir eine gewisse Unzufriedenheit spricht.
„Fakten: Die 10 reichsten Menschen der USA sind «Erfinder», die 10 reichsten Menschen Deutschlands sind … Erben.
Mag ja stimmen. Aber was hat das hiermit zu tun? Wie war das noch mit den selbst aufgestellten Strohmännern? “
Stimmt allerdings gar nicht, unter den top 10 in Deutschland sind die hälfte Unternehmer (Kühne, Schwarz, Plattner, Bechtolsheim, Würth) und die Zahl der Erben ist auch etwas irreführend, das es zwar tatsächlich fünf der Top sind, allerdings nur aus zwei Familien (drei Albrecht und zwei Quandt Kinder).
@ derwaechter 9. Oktober 2024, 14:49
Hab mir nicht die Mühe machen wollen, die Daten von DerWoDaSo (viel dummes Zeug schreibt), nachzurecherchieren.
Immerhin hat er sich mal an Fakten versucht.
Ja, das stimmt. Hätte ich auch nicht gemacht, wenn es mich nicht eh interessiert hätte.
unter den top 10 in Deutschland sind die hälfte Unternehmer (Kühne,
Hat jetzt nur mittelbar mit der Debatte an sich zu tun, aber…
*hust* du weißt schon, dass Kühne das Unternehmen von seinem Vater geerbt hat und dieser erst den jüdischen Miteigentümer aus dem Unternehmen drängte und dann erheblich von der Judenausplünderung der Nazis profitiert hat?
Es gibt dazu ein Mahnmal in Bremen.
Ich hab überhaupt nichts dagegen, wenn Leute Vermögen erben (natürlich sollen sie ordentlich Steuern zahlen, ich bin schließlich links), aber sehr viel, wenn sich solche Leute hinstellen und meinen, sie hätten dies durch harte Arbeit und Fleiß erreicht.
Ariane 10. Oktober 2024, 14:56
Ich hab überhaupt nichts dagegen, wenn Leute Vermögen erben (natürlich sollen sie ordentlich Steuern zahlen, ich bin schließlich links), aber sehr viel, wenn sich solche Leute hinstellen und meinen, sie hätten dies durch harte Arbeit und Fleiß erreicht.
Vorab die Frage? Warum schert Dich das?
Ansonsten schließt das eine das andere nicht aus. Ein Unternehmen aufzubauen ist sicherlich eine enorme Leistung; das über die nächste(n) Generation(en) zu halten oder gar auszubauen, aber auch.
Die legitimieren sich explizit damit. Dann müssen sie sich auch daran messen lassen. Ansonsten bin ich bei dir: was zu erhalten kann genauso schwer sein wie es aufzubauen.
Ja, ist beides kacke.
t) Linke und grüne Ideologen verwechseln den erhobenen Zeigefinger mit echter Politik.
Ich zitiere den Teaser: „Das christliche Toleranzgebot gilt auch für die Meinungen anderer, sagt unser Gastautor Manfred Lütz. Das gilt gerade in der hitzigen Diskussion um die AfD und ihre Anhänger. Er fordert deshalb: Wir müssen alle mehr Christentum wagen.“
Merkt ihr selber, oder?
🙂 Ja, laut und deutlich
x) Guter Punkt.
Mein Reden seit 2015: Man muss sich um die Themen kümmern, nicht die Rhethorik der AfD nachsabbeln.
Ja. Leider passiert genau das 🙁
@ Stefan Sasse 8. Oktober 2024, 20:33
Ja. Leider passiert genau das 🙁
Ja, nachdem man sich um das Kümmern nicht gekümmert hat – wie hieß noch mal die damalige Kanzlerin?
Ich erinnere mich noch gut an die Diskussionen, die wir damals führten. Auch Du warst dafür, nicht über das Thema zu reden, um die AfD nicht noch stärker zu machen (nicht, dass Deine oder meine Meinung irgendeine Relevanz gehabt hätten). Aber im Gegensatz zu Dir hat die Politik bis heute nichts dazugelernt.
Ja, ich bin davon abgekommen…
y) zu dien Grünen
Ich habe es noch nie erlebt, dass sich eine Partei einfach jede Kritik, die von außen an sich gerichtet wird, zu eigen gemacht, dass sie sich mit jeder Geißel geprügelt, die andere für sie hingelegt haben, bis zu den Grünen jetzt.
Ja, sehr deutsch. Aber schön, dass sie zur Selbsterkenntnis fähig sind. 😉
Ja, das haben sie anderen voraus.
Stefan Sasse 8. Oktober 2024, 20:33
Ja, das haben sie anderen voraus.
Links und „Gutmensch“ – gelegentlich eine selbstmörderische Kombination. 🙂
Die werden es schon wieder richten.
5)
„Das ist ja schon zigmal passiert. Die Frauenemanzipation in den 1960er Jahren war auch mal eine radikale Speerspitze, heute bekennen sich eigentlich alle dazu. Als MLK und Konsorten für die Rechte der Afroamerikaner*innen protestierten, waren sie eine radikale Speerspitze und wurden von der Mehrheitsgesellschaft harsch abgelehnt. Heute berufen sich selbst amerikanische Rechtsradikale routinemäßig auf King. Von daher kann das nicht überraschen.“
Ich habe das glaube ich schon öfter angemerkt, ich wäre vorsichtig daraus eine Art Regel abzuleiten. Man sitzt da einfach schnell einer Survival Bias auf. Indem man von erfolgtem Wandel auf die damalige Minderheitenmeinung zurückblickt, aber die Minderheitenmeinungen die sich nie durchgesetzt haben übersieht.
Es gab auch mal eine potenzielle Speerspitze für die Straffreiheit von Sex mit Kindern, die Abschaffung der Bundeswehr und Nato und vieles andere, die sich nie normalisiert haben.
Und abgesehen davon, würde ich die Möglichkeit eines Backlashes gegen eigentlich schon auf die von dir beschriebene Art normalisierte Dinge nicht unterschätzen. Das sehen wir sowohl historisch und als auch aktuell in vielen Ländern, wo Frauenemanzipation, Schwulenrechte usw. die eigentlich schon normalisiert schienen wieder verschwinden.
Das sehen wir sowohl historisch und als auch aktuell in vielen Ländern, …
? Welche Länder sehen Sie da namentlich?
In sehr unterschiedlicher Stärke und verschiedenen Bereichen z.B. Iran, Türkei, Russland, Afghanistan, Ungarn, Polen, USA.
Ja, ich will auch gar nicht eine allgemeine Regel postulieren, sondern sage nur, dass das nicht das erste Mal und super außergewöhnlich ist.
True. Obwohl Stefan auch recht hat.
Erst wenn sich der Staub gelegt hat, sieht man, was in den Mainstream aufgenommen wurde und was wieder vergessen.
Das sehen wir sowohl historisch und als auch aktuell in vielen Ländern, wo Frauenemanzipation, Schwulenrechte usw. die eigentlich schon normalisiert schienen wieder verschwinden.
Das ist imo aber ein neuer Trend und nicht unter „Idee hat sich nicht durchgesetzt“ zu sehen.
Stimmt. Mir ging es nur darum, den Fehlschluss zu vermeiden, dass von der Mehrheit abgelehnte (vermeintlich) progressive Positionen immer normalisiert werden, weil es bei Beispiel A, B und C auch so war.
Der Trend ist m.E. gar nicht neu. Vergleich zum Beispiel die relativen Freiheiten in Weimar mit dem dritten Reich oder z.T. sogar Nachkriegsdeutschland. Oder Frauenrechte (arbeiten, nicht verschleiern u.ä.) in Afghanistan oder Iran früher und jetzt.
Da bin ich auch bei dir.
Zu 5) … der Modeanteil ist aufgebraucht, aber der Kern ist selbstverständlich geworden. …
Höchst gewagte These. Welchen Kern genau haben jeweils Postkolonialismus, Critical Whiteness Theorie und Transaktivismus und wo ist der „selbstverständlich“ geworden? Ich fürchte, Du schiebst diesen 3 für den wokie-ismus zentralen Themengebieten (das vierte ist „intersektionaler Feminismus“) Deine ganz persönliche Interpretation unter, um die heutige „Selbstverständlichkeit“ eines „Kerns“ postulieren zu können?
Gruss,
Thorsten Haupts
Es geht ja um die Sachen vorher. Denk mal an #MeToo. Das ist noch nicht lange her. Auch #BLM hat sich ziemlich normalisiert.
Um es plakativ zu machen – wann waren Rassismus und Vergewaltigung gesellschaftlich „okay“? In meiner Erziehung und Schulzeit jedenfalls schon in den siebzigern nicht mehr. Was genau also hat sich durch „MeToo“ und „BLM“ normalisiert?
Aus heutiger Perspektive wäre das, was in den 70er Jahren ok war, offener Rassismus und mindestens mal sexuelle Belästigung.
Bei MeToo ging es nicht zwingend um Vergewaltigungen.
Es heißt auch nicht, dass etwas nicht mehr passiert, sondern es geht um gesellschaftliche Akzeptanz.
Um ein harmloses Beispiel zu nennen: Es ist nicht mal mehr bei der Kellnerin allgemein akzeptiert, diese Schätzchen oder Fräulein zu nennen. Und ja, ihr habt das bestimmt selbst in den 70ern nicht gemacht, weil ihr immer höflich zu Frauen seid^^
Aber selbst mir ist das gelegentlich noch passiert, als ich in klassischen Dienstleistungsberufen gejobbt habe.
@ Ariane 9. Oktober 2024, 01:20
… sondern es geht um gesellschaftliche Akzeptanz.
Zustimmung.
Und ja, ihr habt das bestimmt selbst in den 70ern nicht gemacht, weil ihr immer höflich zu Frauen seid^^
Die unverheirateten Frauen nannten sich selbst Fräulein, und man wurde manchmal heftig angepamt, wenn man zu einem „Fräulein“ „Frau“ sagte.
Ansonsten war ich 1970 gerade mal 12 Jahre alt. Ich weiß ja, dass Du gelegentlich alten, weißen Männern gegenüber vorurteilsbehaftet bist ( 😉 ), aber Frechheiten haben wir uns damals nicht getraut, weil wir ansonsten mit ein bisschen Pech von der Dame oder einem selbsternannten Kavalier eine gefenstert bekommen hätten.
und man wurde manchmal heftig angepamt, wenn man zu einem „Fräulein“ „Frau“ sagte.
In Spanien kann einem das auch heute noch passieren. 🙂
@ Tim 9. Oktober 2024, 10:27
In Spanien kann einem das auch heute noch passieren. 🙂
Oh, danke, wusste ich nicht. Ich war mal mit meiner Frau dort, aber weder beherrsche ich Spanisch, noch darf ich mit fremden
FrauenFräuleins reden.In Mexiko auch. Und das Señorita gilt nicht als altbacken, sondern wird mit Jugend und Schönheit in Verbindung gebracht. Meine Frau war richtig traurig, als die ersten Menschen sie anfingen mit Señora anzureden.
Ich weiß ja, dass Du gelegentlich alten, weißen Männern gegenüber vorurteilsbehaftet bist
Nur das Mindset 😉
Und ich rede nicht von der Anrede Frl XY, das ist ja nicht mal mehr inakzeptabel, sondern wird in Deutschland schlicht nicht mehr gemacht.
Heutzutage (naja, aber halt nicht höflich gemeint) wird es in zwei Kontexten gebraucht.
a) als Vorwurf: „So nicht, Frollein“
oder b. für weibliches Servicepersonal
@ Mr. Sasse
Ooh-kay, I have to start this post by pointing out a severe lapse by the blog owner: You got all the way to y with your snippet posts – to y! Would it have killed you to post one more snippet to make it to z and the full alphabet?! Do you even care what this does to people with severe OCD? But ok, I’ll just do what the guy with the weird Chile fetish (which seems to have expanded to cover Argentina and other Latin American…well, less desirable places) and spam my own snippet under your article:
z) How glad are we all that the unwatcheable, cringe-inducing, insomnia-curing mess of miscast characters, cheesy dialogue, poor costumes, cheap deus ex machina plot twists, and spastic scene/story line changes known as Rings of Power has finished its season 2? It almost makes me sign on to Mr. Sasse’s ceterum censeo that billionaires (in this case Jeff Bezos of course) have way too much power based on the fortunes they have amassed. Hey, I said almost! Don’t make me flick the lights on and off, ok?!
OK, whew. Fixed that for you. Now on to the stuff that really matters:
2. The hell? Apparently it is now a bad thing to make Congress pass better laws? You know, laws that don’t require extensive interpretation by tier 3 local and regional agencies which will almost inevitably result in different interpretations and applications from one office to the next, and one agency to the other (and God knows those federal agencies just love to play nice with each other). Also, any unfavorable interpretation of a vague or poorly law by a regulatory or government agency will invariably result in a law suit which puts the courts in charge of interpreting that lay anyway so you might as well cut right to the chase here. I won’t go into detail as to why Congress has a negative image with the public, only to say that this has (to varying extents) always been the case. It certainly has nothing to do however with any sort of “dysfunctionality” introduced by Newt Gingrich (of all people) in the 1990s or the fact that US Representatives are mainly fund raising whereas German MP’s apparently work 80 hour weeks and then rescue kittens out of trees and help senior citizens across the street in their spare time.
5. “The arc of the moral universe…” Not sure more needs to be said here.
u) I most definitely hold Kamala Harris, sitting VP of the US government and self-appointed choice for the rational and progressive voter, to much higher standards than Donald Trump. I also hold the US to much higher standards than say Pakistan, Nigeria, or Uzbekistan.
v) You that sure about this? Of course it could be that Iran is trying to capitulate. But it could also be that Israel is just that good – and recent events point strongly in that direction. Israel, after suffering a nasty surprise a year ago, has stepped up its game dramatically. They managed to assassinate the leader of Hamas in a safe house in Tehran of all places, killed the leader(s) of Hezbollah, and sowed terror into the hearts of the Hezbollah rank and file with exploding pagers (which, had it been on an episode of Jack Ryan a year or two ago, I would have found very cool but also immensely far fetched). And Iran is not able to strike at Israel with missiles due to Israel’s state of the art missile defense system. Not sure this all was because of a lack of trying by Iran.
z) Haven’t watched it yet, life got in the way. I’ll tell you when I’m done (better yet, subscribe to the Patreon, where you’ll get ALL THE DETAILS :)).
2) I really mislike the constant bashing of politicians.
u) Yeah, that’s fair, I guess.
v) No, I’m not. I’m putting it here as a „huh, interesting take“. Hoping for more learned people on the subject to weigh in.
@Mr. Sasse
z) You’ll be amazed at how bad Rings of Power (ROP) is. But then you did like HOTD and that show got saved by ROP as the worst fantasy show in the last 3 decades (if not ever) imo (if we don’t include various Star Wars spin offs like Book of Boba Fett, Obi Wan, and The Acolyte). So maybe you’ll like it after all…
2) I am not bashing politicians. I am bashing the progressives in the US that went „Oh no that dastardly SCOTUS did it again! First they went after abortion and now they are ensuring that the guys at the Bureau of Unassigned Real Estate Asset Underwritings (BUREAU) can’t go after Destroido Corp with their own layman interpretation of a law passed by Congress“. Maybe I misunderstood your stance on this?
v) Ah I see. Ok, but this is still a terrible take. I keep telling you, this Kevin Drum guy is off his rocker :).
z) Well, let’s not argue about taste, I’m a bit emberassed by the clear superiority of mine 😉 I saw ROP S1, and the first three episodes of S2 so far.
2) I’m pretty sure that’s not an accurate summation 😉
v) I think he has good takes and less good ones. But I find him interesting.
@ Mr. Sasse
z) Oh, so you DID watch ROP? And you liked it – might as well admit it! Well, there goes the „clear superiority“ of your taste :).
2) I’m pretty sure it is. The three most progressive SCOTUS justices (Kagan, Sotomayor, and Brown Jackson) wrote a dissenting opinion on this and the eco-loons are up in arms.
v) More „less good ones“ I would say.
z) Nope, I didn’t. Again, you’re very much invited to listen to the podcasts. I’d rate ROP S1 somewhere around a D. It’s not offensively bad, but it’s not anywhere near „good“ for sure.
v) Well, agree to disagree 😉
@ Johnson 8. Oktober 2024, 17:27
I’m delighted that you’ve joined us again. As usual, I enjoyed reading your comment.
I don’t want to go into everything, but I agree with your statements about Israel. What Israel has achieved in recent months in the fight against Hamas and Hezbollah is in a way very impressive. Unlike Iran, Israel has the power to launch counter strikes across the long distance between the two countries. The fact that the Iranian leadership is now pretending that it was all just a show is not credible in my view. There would have been much rejoicing in Iran if the Iranian missiles had gotten through.
Best wishes
E.G.
As shocking as I find the severity of Israel’s actions in Gaza, I have to admit that I am not entitled to pass judgment. I don’t live in this small country that is bombarded with rockets day after day, and I didn’t lose any relatives a year ago.
Translated with DeepL.com (free version)
@ Mr Gabriel
Thank you and I’m likewise delighted by your kind words.
I do believe that there is only one side to take in this Israel vs Hamas/Hezbollah conflict and that’s Israel’s.
This is the openly expressed opinion of the vast majority discussing here regularly. Including Stefan Sasse. But that clear position does not imply you have to agree with everything Israel does.
@ Mr Haupts
Well, so far I haven’t seen Israel do anything (in this current conflict) I disagree with.
You not, me not, but other peoples opinions on that may differ.
@ Mr. Haupts
No doubt, but am wondering what you are trying to tell me with this?
Exactly.
@ Mr. Sasse
Exactly what?
I’m for Israel and I don’t have to condone their every action.
3) Universelle Werte
Hier springe ich gleich mal drauf an, denn das ist immer schon ein Punkt gewesen, den ich nie verstanden habe: warum sollen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten „universell“ sein? Es sind rein westliche Erfindungen. Wir mögen sie für den Weisheits letzten Schluss halten (ich tue es), aber in Afrika oder Asien sind sie vielleicht zu ganz anderen Schlussforderungen gekommen. Ich wäre wirklich an einer Erklärung interessierte, denn immer wenn ich darüber lese, wird das schlicht vorausgesetzt, dass es für jeden offensichtlich ist. Und es wird nie wirklich begründet.
Weil sie in einer Erklärung kodifiziert sind, die „Universelle Erklärung der Menschenrechte“ heißt und die praktisch jeder Staat der Welt ratifiziert hat.
Das meinte ich nicht. Dass es auf UN-Ebene eine Resolution dazu gibt, weiß ich. Aber wenn ich Artikel lese, in denen von den universellen Menschenrechten die Rede ist, schwingt (für mich) unterschwellig immer mit, dass es sich um anerkannte allgemeine Rechte handelt, die einjeder Bürger der Welt philosophisch für sich reklamieren kann. Ohne, dass das begründet wird – quasi vom Himmel gefallen.
Ja, aber das ist damit nicht gemeint. Es sind kodifizierte Rechte, auf die alle einen Rechtsanspruch haben.
Nicht ganz so einfach:
Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte ist nicht rechtlich bindend.
Der UN-Zivilpakt und der UN-Sozialpakt schon.
Die Europäische Menschenrechtskonvention ist bindend und individuell einklagbar.
Ok, danke für den Kontext. Unterschrieben haben sie es trotzdem alle.
Nicht mal das, einige Staaten haben den Zivilpakt, den Sozialpakt oder beide nicht unterzeichnet (z.B. Saudi Arabien oder Malaysia).
China (VR) hat den Zivilpakt unterschrieben aber nicht ratifiziert, ebenso die USA den Sozialpakt.
Die UdSSR und einige kommunistische Staaten hatten sich bei der Abstimmung zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte enthalten.
Wir mögen sie für den Weisheits letzten Schluss halten (ich tue es), aber in Afrika oder Asien sind sie vielleicht zu ganz anderen Schlussforderungen gekommen.
Wer genau ist in Afrika oder Asien denn zu „anderen Schlussfolgerungen“ gekommen? In Ländern, die nie Demokratie erlebt haben, jedenfalls nicht die breite Bevölkerung – die hatte und hat dort nie nichts zu sagen. Und die dort Herrschenden, die dort, mach meiner Einschätzung überwiegend, durch Gewehrläufe regieren und durch nichts in der Welt legitimiert sind, haben natürlich kein Interesse an Menschenrechten – das wäre für autokratische oder diktatorische Regime auch reichlich paradox.
Und btw – mit den Ausnahmen Vietnams, Nordkoreas, Myanmars und Chinas besteht Asien aus Demokratien. Für die drei kommunistischen Staaten dieser Aufzählung ist Diktatur der historische Regelfall und damit vielleicht bedeutender als „asiatisch“?
Gruss,
Thorsten Haupts
Frage zu Asien (2. Absatz): Lassen Sie den Kontinent erst hinter Hindukusch/ Pamir/ Tianshan Gebirge beginnen ? Westlich davon sind einige Staaten, die Sie mit Sicherheit nicht als Demokratien anerkennen. Ansonsten haben Sie in Ihrer Aufzählung auch den kommunistischen Einparteienstaat Laos übersehen. Über Kampuchea können wir streitet, aber gesund ist die Demokratie dort auch nicht.
Lassen Sie den Kontinent erst hinter Hindukusch/ Pamir/ Tianshan Gebirge beginnen ?
Leider ja, mein Fehler. Laos stimmt ebenso, fällt dann aber auch unter meine Kommunismus-Vermutung.
Die Frage ist sehr spannend und es sind eigentlich drei Fragen:
– Menschenrechte sind (wie Stefan schreibt) von allen Staaten als „naturrechtlich“ gegeben anerkannt (*). Diese beruhen in ihrem jetzigen Katalog auf den Ideen der westlichen Aufklärung, wurden teilweise aber in verschiedenen Epochen /Kulturen „freigeschaltet“ (Bei der UN wird eine Kopie des altpersischen Kyros-Zylinders als ältestes Menschenrechtsdokument ausgestellt).
-Die Grundelemente der Rechtsstaatlichkeit sind Teil der Menschenrechte. Andere Teile haben sich als sinnvoll herausgestellt, um miteinander Geschäfte zu machen (auch das ist universell).
– Demokratie (parlamentarisch) ist NICHT universell, da musst du nur auf die Weltkarte schauen. Sie ist auch kein absoluter Garant für die Menschenrechte, aber bietet ganz klar bessere Voraussetzungen, diese einzuhalten.
(*) Immer wieder lesenswert
https://unric.org/de/allgemeine-erklaerung-menschenrechte/
„Menschenrechte sind (wie Stefan schreibt) von allen Staaten als „naturrechtlich“ gegeben anerkannt“
Genau das wollte ich wissen. Es wird tatsächlich behauptet, dass die Menschenrechte „naturrechtlich“ gegeben sind? Ich meine, was ist denn das für ein Quatsch? Woher will irgendjemand wissen, was von Natur aus gegeben ist? Die Menschenrechte sind also natürlich gegeben, und jeder der dagegen handelt, handelt widernatürlich? Was ist die philosophische Basis für sowas?
In den USA ist man vom Schöpfer mit unveräußerlichen Rechten ausgestattet^^
In Deutschland hat man sie auf nüchterne Art einfach so (wir sind ja nicht so pathetisch)
Es ist ein Code dafür, dass jeder Mensch diese Rechte von Geburt an hat, sie sind also von niemandem verliehen, können nicht aberkannt werden und man muss keine Leistung dafür erbringen.
(das Naturrecht wird in Cimos Link btw nicht erwähnt, im Deutschen hat man sich auf unveräußerlich und von Geburt an geeinigt)
Richtig, das sehe ich auch so: man braucht einen Gott, um eine weltweite Gültigkeit behaupten zu können.
Lies mal Kant und so.
Absolut. Nur ist Kant eben westlich. Und ich finde es problematisch, aus westlicher Philosophie einen globalen Anspruch ableiten zu wollen.
Hmmm. Lesen Sie auch Konfuzius und LaoTse? Oder die Manden Charter (https://www.lag-malihilfe.de/ueber-mali/mande-charta)? Oder kennen Sie die buddistische Lehre?
Ich wäre sehr, sehr vorsichtig mit der Behauptung, Menschenrechte wären ein westliches Konzept. Ihre moderne Ausformulierung ist fraglos westlich, weil vom Individuum her argumentiert. Aber auch afrikanische oder asiatische Kulturen kannten und kennen z.B. einen der harten Kerne der Menschenrechtsentwicklung: Behandle andere so, wie Du selbst behandelt werden möchtest. Und erwarte, dass andere Dich so behandeln, wie Du sie behandelst.
Gruss,
Thorsten Haupts
Gut, dann andersherum: warum reagieren nicht-westliche Politiker in letzter Zeit (?) so brüskiert, wenn westliche Politiker sie auf Menschenrechte ansprechen? Wenn es auch Teil ihrer Kultur ist, dürfte das ja alles kein Problem sein.
??? Menschenrechte sind auch den Bevölkerungen autoritärer Staaten wichtig, deshalb versuchen deren Regierungen selbstverständlich, sie zu delegitimieren. Eine der ersten weltweit rezipierten Kritiken kam vom Regierungschef einer illiberalen Halb-Demokratie, Singapur, vor 40 Jahren. Danach dann gerne aufgegriffen u.a. prominent von China.
Wobei der Singapurer Regierungschef damals die Universalität der Menschenrechte nicht einmal wirklich in Frage stellte, er postulierte nur (nicht ganz zu Unrecht) wirtschaftliche Entwicklung first, Menschenrechte später, weil für ihn der Schutz der Bevölkerung vor Hunger und Obdachlosigkeit vorging.
Gruss,
Thorsten Haupts
Wir haben universelle Menschenrechte abgeleitet. Die Idee war schon immer umstritten. Aber sie ist halt auch Gründungsdokument der UNO, und noch vor relativ kurzer Zeit haben alle wenigstens so getan, als würden sie sie einhalten. Ich bin nicht sicher ob wir uns einen Gefallen tun, die Universalität abzuschaffen.
Zu v)
Manche Progressive sind ziemlich bizarr. Öffentlich geäusserte Vernichtungsandrohungen, die Bewaffnung israelfeindlicher Milizen in der gesamten Region (Hisbollah mit nach Medienberichten u.a. 100.000 (!) Raketen) und zwei völlig völkerrechtswidrige Angriffe mit hunderten von Drohnen und Raketen sind also ein Zeichen dafür, dass der Iran (is) announcing that the whole thing is purely symbolic and not meant to do any real harm. In welchem Universum muss man eigentlich leben, um so etwas schamlos öffentlich zu behaupten? Und was muss man als „Standard“ (nicht-israelischer) Staaten bereits akzeptiert haben, um zu dieser Einschätzung zu kommen?
Gruss,
Thorsten Haupts
„What is the value of a proportionate response?“
Zu i) Was ist an dieser nüchternen Tatsachenfeststellung
„the individual work of most creators isn’t valuable enough for it to matter” genau „arrogant“? Exakt dasselbe gilt z.B. für Unternehmensneugründungen (viele scheitern oder kratzen dauerhaft an der Selbstausbetung), für (insbesondere internetgestützte) Medien, für Pflanzenarrangements in Vorgärten oder für (beliebiges einsetzen). Die Masse der Menschen ist in allem, was sie tut, mittelmässig (mich eingeschlossen).
Ist Menschen die nackten Wahrheit nicht mal mehr abstrakt zumutbar?
Gruss,
Thorsten Haupts
Wenn ich das richtig verstehe, ist der Unterschied, dass Meta die Arbeit dieser Creators einfach verwendet um seine AI Modelle zu verbessern. Und erst wenn sie etwas dafür verlangen wollen aufhört.
Ganz allgemein ist der Satz natürlich nicht falsch.
Ich habe mit diesem Novum, für die indirekte Nutzung von Material (zum Training von LLMs – ich vermeide den Begriff AI) Geld zu verlangen, ohnehin gewaltige Bauchschmerzen. Allerdings leuchtet mir das „arrogant“ auch nach dem Hinweis auf den Kontext … immer noch nicht ein 🙂 .
Ja, das erscheint mir auch schwierig.
Wir benutzen euren Content einfach, und wenn ihr euch dann beschwert, sagen wir, der war doch eh wertlos.
Das kann man schon als arrogant auffassen.
Aber persönlich wäre ich von dem Satz jetzt auch nicht so getriggert gewesen, dass ich ihn aufgeregt tweeten oder sonst wie Teilen müsste.
Im Übrigen hatte ich da im Kontext des Vermischten selbst Ärger. Ich bin ja von Zitaten auf Zusammenfassungen umgestiegen, weil da Urheberrechtsprobleme bestanden (gab Klagen), also scheint es doch nicht so wertlos, wenn man nen kleinen Blogger anscheißen kann statt Microsoft oder Facebook. Und die VG Wort nahm für die Leute auch 80% des Erlöses, fand es also offensichtlich auch nicht wertlos. Aber erneut, ich bin halt nicht Microsoft oder Facebook.
Ist nicht vergleichbar. Der direkte Nach“druck“ von Werken wird von den LLMs bzw. deren Entwicklern ja gar nicht gemacht. Die Werke (im weitesten Sinne aller verfügbaren Bild-, Ton- und Textdateien im Netz weltweit) werden zum Training der LLMs genutzt. D.h., ein beliebiges Werkstück trägt irgendwas von um ein Billionstel zum Ergebnis des LLM bei. Deshalb konnte Zuckerberg ja auch ankündigen, die Nutzung einfach einzustellen, sollten Gebühren verlangt werden.
Gruss,
Thorsten Haupts
Es ist aber ein Unterschied ob du sagst „hier sind die technischen Probleme“ und „euer Kram ist wertlos“.
Zu 3)
Gebe Dir völlig Recht. Ein Artikel aus halbverdauten, hakblinken Versatzstücken. Mit völlig unklarem Ziel – das einzige, was ich ausmachen konnte, ist, dass der Westen aufhören soll, von sich als der Westen zu sprechen. Okay. Und die Interessen anderer Staaten anerkennen soll. Wow. Da, wo Aussen- und Sicherheitspolitik das NICHT tut, scheitert sie übrigens schon seit Jahrzehnten, da braucht´s keinen Erklärbären Trittin.
3) Tritins Artikel stimme ich in vielen Punkten nicht zu, die Richtung stimmt aber.
Das machte in vielen Ländern die Runde: https://www.youtube.com/watch?v=5QRi12ldhos
Nahib Bukele hielt letztens in Buenos Aires ebenfalls eine bemerkenswerte Rede, in der er sich auf die europäisch/nordamerikanischen Vorschläge zur Lösung der völlig aus dem Ruder gelaufenen Kriminalitätsprobleme in El Salvador bezog. Die meinen, der Staat müsste den Jugendlichen Alternativen bieten. Er hat das gemacht, ist aber gleichzeitig eine andere Linie gefahren, nämlich die Verbrecher in unmenschliche Gefängnisse sperren. Ohne dieses harsche Vorgehen, kann der Staat nämlich gegen die Gang-Bosse überhaupt nicht konkurrieren. Ich bin jetzt nicht der ober-Bukele Fan, aber der Mann hat einen Punkt. Die Sicherheitslage hat sich in seinem Land dramatisch verbessert.
In Afghanistan haben unsere Regierungen und NGOs völlig versagt, obwohl eine Menge Geld aufgewendet wurde. Die spulten ihre Programme und es kümmerte sie überhaupt, dass ihnen in dem realen Afghanistan der Boden unter den Füßen weggezogen wurde.
Es sind da auch viele blind spots. Im Fall von afrikanischen Rohstoffen sind uns dann doch kurzfristige wirtschaftliche Interessen wichtiger als der langfristige Aufbau einer demokratischen Zivilgesellschaft in den Ländern. Wir wissen sehr wenig über die französische Afrika-Politik der letzten 60 Jahre.
Ein bescheiderneres Auftreten fände ich einen guten ersten Schritt.
@ Lemmy Caution 8. Oktober 2024, 23:42
Das machte in vielen Ländern die Runde: https://www.youtube.com/watch?v=5QRi12ldhos
Ist das bitter. Aber wohl zutreffend. Lammerts Bemerkung, dass es viermal so viele Chinesen wie Deutsche in Namibia gibt, mag stimmen, aber leuchtet mir auch nicht ein; es gibt etwa 17x so viele Chinesen wie Deutsche auf der Welt.
Und danke für den Link
Ich bin sicher, hätte man die Verbrecher in menschliche Gefängnisse gesperrt hätte man denselben und mit Hinblick auf die Entlassung vermutlich sogar besseren Effekt.
Afghanistan: yes.
Bezüglich den Gefängnissen, sehe ich das anders.
Du hattest in Ländern wie El Salvador, Honduras, Mexiko und Venezuela diese Art von Gefängnissen wie man sie aus verschiedenen Serien zu Pablo Escobars „Lebenswerk“ kennt. Das Geld der Drogenmafias macht das Gefängnis zu einem angenehmen und sicheren Ort für die Mafiabosse. Es gibt Party-Säle, Swimming-Pools, Besucher zu jeder Zeit, Nutten und der Alkohol fließt in Strömen.
In Ländern wie Chile gibt es Zonen, in die die Polizei nicht mehr reingeht. In El Salvador war das 80% des Landes. Das ist ein Bürgerkrieg, der zu einem großen Teil von europäischen und nordamerikanischen Drogen-Konsumenten finanziert wird. Innovation war da gefordert und Bukeles brutaler Weg hatte erstmal Erfolg. Ich habe auch Zweifel, ob ihm nun auch der Aufbau einer hinreichend funktionierenden Wirtschaft ohne Drogengelder gelingt.
Ok, aber zwischen „Luxusressort für Drogenboss“ und „Hölle auf Erden“ ist ja recht viel Platz.
@ Stefan Sasse 9. Oktober 2024, 11:27
Ok, aber zwischen „Luxusressort für Drogenboss“ und „Hölle auf Erden“ ist ja recht viel Platz.
Sicherlich richtig. Richtig ist aber auch, dass Deine Urteile vermutlich angelesen sind, also von einem Menschen stammen, der in Frieden und in einerm halbwegs gesunden, finanziell gesicherten Familienumfeld sozialisiert wurde.
Für mich ist nachvollziehbar, dass es im beschriebenen Umfeld helfen kann, klare Alternativen anbieten zu können. Verhalte Dich anständig oder verrrotte ist eine sehr klare Alternative, selbst wenn sie nicht in unsere Gesellschaft passt.
Ich bin da halt mal wieder bei meinen universellen Rechten 😉
@ Stefan Sasse 9. Oktober 2024, 13:57
Ich bin da halt mal wieder bei meinen universellen Rechten 😉
Sagen wir mal so: Ich halte die andere Wange nicht hin.
1)
a)Ich würde das nochmal unterteilen, ein Verbotsverfahren wäre sowieso keine Lösung für heute. Das würde Jahre dauern, vermutlich mehr als eine Legislaturperiode, darauf darf man sich dann eben auch nicht ausruhen, man braucht auch Lösungen für heute.
b. Nein sehe ich anders. Politisch wäre es im Frühling besser gewesen, als das Möchtegern-Deportationstreffen rauskam und Millionen Menschen auf die Straße gegangen sind.
Irgendein nerdiges Geschäftsordnungs-Hickhack nach drei erfolgreichen Wahlen für die AfD ist es meiner Meinung nach überhaupt nicht.
Ersteres haben die Menschen instinktiv verstanden und der öffentliche Druck war schneller auf der Straße als die Politik ein Mikro finden konnte. Irgendetwas politisches ist dabei übrigens nicht herausgekommen.
Ich bin unbedingt dafür, dieses Verfahren einzuleiten. Solange das nicht passiert ist, haben wir ein rein politisches Problem. Mein Vertrauen, dass die das nicht grandios versaubeuteln, ist quasi nicht vorhanden. Und ich finde diesen Schritt nun mal sehr viel wichtiger als das Verfahren und Urteil an sich.
Solange sich nichts Aufsehenerregendes mehr tut, wäre es imo besser, wenn das unter einer Unionsmehrheit stattfinden würde und außerhalb des Wahlkampfes. Dazu müsste die Union oder zumindest die CDU eine einheitliche Linie finden und die sehe ich gerade nicht und ich glaube auch nicht, dass sie sich im Wahlkampf dazu durchringen wird. Was der Rest dazu sagt und findet, ist halt egal. (SPD und Grüne sind eh dabei)
c) Ich sehe keine Bemühungen innerhalb der AfD, die auf Entradikalisierung hinweisen. Und theoretisch führt dann über kurz oder lang kein Weg an dem Verfahren vorbei.
Wir haben bereits drei Landesverbände und die Jugendabteilung, die als gesichert rechtsextrem eingestuft wurden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die ganze AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft wird.
Das ist ein Handlungsdruck. Thorsten hat ja absolut recht. Es geht nicht, dass der Verfassungsschutz und alle Politiker ständig erzählen, dass diese Partei sehr gefährlich für die Demokratie ist und dann nur die Hände ringen. Wir haben diese Instrumente ja aus gutem Grund.
Aber – ich wiederhole mich – die Union muss erst eine einheitliche Linie finden. Wenn fünf Hinterbänkler das Verfahren einleiten und dann erzählt Merz, dass es nur an der schlechten Politik der Ampel liegt und Dobrindt, dass man die AfD halt wegregieren muss, ist das ein Rohrkrepierer. Es ist eben nicht so, dass man das ganze Problem wegschieben kann und sonst nichts tun muss.
b) Aus meiner Warte auch, aber man kann sehen, dass sich das in der Politik verschoben hat. Sonst bei dir.
c) Ja.
@ Ariane 9. Oktober 2024, 03:40
… man braucht auch Lösungen für heute.
Gibt es unter den aktuellen umständen nicht.
Politisch wäre es im Frühling besser gewesen, als das Möchtegern-Deportationstreffen rauskam und Millionen Menschen auf die Straße gegangen sind.
Zustimmung. Und wenn der Staat auf Zack gewesen wäre, hätte man alle bis dahin aufgelaufenen relevantes Infos auch zusammengehabt, so dass man nur auf einen Knopf hätte drücken müssen. Das Zeitfenster ist mit den aktuellen Wahlergebnissen geschlossen.
So ist es, leider.
Das Zeitfenster ist mit den aktuellen Wahlergebnissen geschlossen.
Jein, theoretisch kann man das tun, wann man will, Stefan hat ja auch Recht, dass die Politik zu einem anderen Zeitpunkt da Aktivität entwickelt. (was ich objektiv sogar verstehen kann)
Ich persönlich möchte halt nicht, dass es ein Verwaltungsakt von einigen Hinterbänklern ist, die eh kein Schwein kennt, während die Spitzen der Parteien das wegreden. Wenn man die letzte Patrone zieht, dann auch bitte mit Verve.
Aber: es ist halt die AfD, man kann durchaus auf das nächste Möchtegern-Deportationstreffen warten, oder bis wieder jemand nach Anatolien entsorgt werden soll oder bis der Verfassungsschutz sie komplett als gesichert rechtsextrem einstuft.
Wenn die Politik das will (wovon ich nicht überzeugt bin), kann sie sicherlich auf einen guten Zeitpunkt warten.
Juristisch sehe ich das auch gar nicht so schwarz wie Stefan, es gab ja in diesem Jahr ein Verfahren (von der AfD angestrebt), über die Einstufung des Verfassungsschutzes. Womit dann zumindest mal irgendein Gericht Einblick in die Beweise hatte.
Es war nur ein Oberverwaltungsgericht, aber das Urteil war sehr eindeutig und ziemlich vernichtend.
Der Verfassungsblog hat da eine Zusammenfassung: https://verfassungsblog.de/ist-dieses-urteil-der-anfang-vom-ende-der-afd/
Ich hab auch die Begründung gelesen (ja ich bin ein Nerd) und sehe es eben als weiteren Beleg, dass die Zweifel groß genug für ein Verfahren sind.
1) Noch einmal: Regularien, die angeblich gut sind, wenn Partei A eine Mehrheit hat, aber unbedingt geändert werden müssen , wenn sich das ändert, sind ein Problem. Die alte Geschäftsordnung in Thüringen war etwas, wovon andere Parteien (Linke, CDU) über Jahre profitiert haben. Dieses AFD-Verhinderungs-Ruling bestärkt nur die Eigendarstellung dieser Partei, dass ein „Kartell der Altparteien“ nur seine Pfründe bewahren möchte. Genauso gilt das für ein AfD-Verbotsverfahren: Dieses muss strikt danach fragen, welche menschenfeindlichen Inhalte diese Partei vertritt (Stoff bietet sie genug). Darauf abzuzielen, dass die AFD das machen könnte, was CDU, SPD, Grüne seit Jahrzehnten tun (Spitzenpositionen in Medien, Beamtenapparat, etc.. mit eigenen Leuten besetzen), würde das zu einem reinen „Wegbeissen“ von Konkurrenz machen.
2) Der Artikel verkennt, was für eine Katastrophe für konkrete Exekutivarbeit das Urteil Loper/Raimundo darstellt. Gesetze können – egal wie arbeitsorientiert die Legislative ist – nicht en detail klar (alle Begriffe sind eindeutig abgegrenzt) und umfassend (sämtliche Eventualitäten sind geklärt) sein. Da kommen dann die Verwaltungsanweisungen ins Spiel. Schau dir einfach die deutschen Einkommensteuerrichtlinien an. Und dank Chevron konnten die Behörden davon ausgehen, dass diese auch Gültigkeit haben, solange diese ‚reasonable‘ sind. Das gilt mit Loper nicht mehr.
3) Wir sind uns einig, dass Trittin schlecht argumentiert, weil er verschiedene widersprüchliche Argumentationen in einen Topf wirft. Aber auch deine Zurückweisung ist wenig überzeugend:
a) Du unterscheidest nicht zwischen Werte vertreten und Auftreten. Dadurch schießt du am Ziel vorbei, weil du die (auch universelle) Idee des respektvollen Umgangs ignorierst. Vielleicht mal ein konkretes Bild zur Erläuterung: Du bist Präsident von X-Land (Afrika) und sowohl der chinesische als auch die deutsche Außenminister/in besucht dich wegen eines Wirtschaftsabkommens. Der Chinese lobt zuerst die Gastfreundschaft deines Landes und wie schön die Hauptstadt ist, die Deutsche sagt „Wir müssen über #Menschenrechtsproblem reden“. Wem gegenüber bist du offener?
b) Du sprichst von „universellen“ Werten, ignorierst aber, dass der Hauptvorwurf gegen das „westliche“ Auftreten das Anlegen von Doppelstandards ist. Sind die „Werte“ in Xinjiang und Guantanamo die gleichen? In Ukraine und Libanon?
c) Auch gegen dein Universalitätsargument spricht der Unwillen, internationale Institutionen anzuerkennen, wenn es „dem Westen“ nicht passt. IStGH, Un-Menschenrechtsrat oder -Vollversammlung etc..
5) Um zu verstehen , was von „Wokeness“ bleibt, wäre es hilfreich zu fragen, was der Unterschied zu „universellen“ Werten (Gleichberechtigung, Toleranz, Anstand, Selbstbewusstsein) ist (Achtung überzeichnet):
a) Partikularinteressen von Minderheiten gehen vor. Diese haben grundsätzlich einen Glaubwürdigkeitsvorschuss.
b) Verrechtlichung von Umgangsformen. Die von Ariane erwähnte Anrede „Fräulein“ ist nicht peinlich sondern womöglich justiziabel.
c) Pranger der öffentlichen Meinung auf Verdacht hin
d) Zensur durch „cancel culture“
Was davon kann man als Gesellschaft genau noch brauchen und was nicht ?
1) Klar, aber das ist ja die relevante Frage. Was macht das Personal? Wenn die CDU Spitzenbeamtenpositionen besetzt, ok, die sind Demokraten. Die machen da keinen Scheiß.
2) Guter Punkt.
3) a) Ja, da hab ich kein Problem mit.
b) Ja, das sind die gleichen. Nur dass Guantanmo zu einem Riesenskandal führte, thematisiert und dann abgeschafft wurde. Xinjiang eher nicht so.
c) Ja, und er stellt sich dieser Kritik.
Grundsätzlich: ein Ideal ist unerreicht, deswegen ist es ein Ideal. Die relevante Frage ist, wie wir mit dem Nicht-Erreichen umgehen.
5) a) Kann pauschalisiert so nicht unterschrieben werden. Ich würde das eher im Kontext von Monderheitenschutz sehen.
b) Ja, das finde ich auch nicht cool.
c) Gab es immer schon.
d) Gab es immer schon.
1) Wenn du unzählige Korruptions- und Nepotismus- Skandale als „keinen Scheiss“ siehst…
3)
a) Dann hat Trittin recht…
b) Wie sehr Guantanamo thematisiert und bewusst gemacht wurde, sieht man daran, dass du als politisch interessierter Mensch glaubst, es wäre abgeschafft.
https://www.amnesty.de/mitmachen/urgent-action/usa-gefangene-freilassen-guantanamo
c) Wirklich? Und Wie konkret?
5) Du verkennst, worum es mir insgesamt geht. Meine These ist, dass der „Wokismus“ die universell verstandene Werte, die aus den von dir erwähnten Bürgerrechtsbewegungen genommen hat und durch aggressives Durchsetzen von Partikularinteressen gegen alle anderen ersetzt hat. Und dieser Teil kann (und muss, wenn man universelle Werte haben will) weg. Du könntest als Gegendarstellung sagen, welche (universellen) spezifischen Werte aus dem „Wokismus“ erhaltenswert sind.
1) Verglichen mit „zerstören die Demokratie und wollen Menschen um ihre Existenz bringen“ ist das kein Scheiß.
3) b) Ok, Punkt für dich.
c) Fall zu Fall unterschiedlich. Mal besser, mal schlechter. Aber wir ermorden nicht missliebige Journalist*innen, die es aufdecken, mal so als Anfang.
5) Kannst du das an einem Beispiel konkret machen?
5) Mal ein konkretes Beispiel: Verstehen, dass gut gemeinte Kommunikation „Sie sprechen aber gut Deutsch“ diskriminierend wirkt und deshalb ’schlechtes Benehmen‘ ist.
Und das lehnst du ab?
Klar, aber das ist ja die relevante Frage. Was macht das Personal? Wenn die CDU Spitzenbeamtenpositionen besetzt, ok, die sind Demokraten. Die machen da keinen Scheiß.
Du machst argumentativ exakt denselben Fehler, wie die meisten Politiker und Medienleute seit nunmehr 10 Jahren: Du setzt etwas als universellen Fakt voraus („die AfD ist KEINE normale Partei und deshalb …“), was für die (ich vermute grosse) Mehrheit der Bürger erst einmal bewiesen werden müsste. Deshalb bekommst Du auch nicht mit, dass diese Sonderbehandlung genau einer bisher legalen Partei vielen Leuten erst mal sauer aufstösst. Weil diese aus „legal“ auf „normal demokratisch“ schliessen – und das völlig zu Recht!
Heisst, das Argument „Die dürfen das nicht, was alle anderen für Jahrzehnte durften, weil sie gefährlich sind“ wirkt absolut nur bei Leuten, die dieses Argument nicht mehr brauchen, weil sie schon bekehrt sind. Ansonsten wirkt das Argument gar nicht oder es wirkt sogar negativ.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich sehe deinen Punkt, aber da bin ich wieder bei dem grundlegenden Dilemma: wenn wir das zweifelsfrei am Handeln sehen, ist es zu spät.
Kann tatsächlich sein. Nur verfehlt das den Punkt: Um der AfD eine besondere Behandlung angedeihen zu lassen, ohne den Verdacht der Konkurrenzausschaltung zu wecken, muss eine ziemlich grosse Mehrheit in Deutschland davon überzeugt werden, dass es sich um eine für unsere gesamte Grundordnung gefährliche Partei handelt. Das ist im Moment nicht gegeben.
Und bisher handeln selbst alle Spiteznpolitiker, die von dieser Gefahr reden, absolut nicht nach ihrer eigenen Darstellung: Sie gehen nicht in ein Verbotsverfahren.
Deshalb ist das Argument „Sie sind gefährlich, also muss ich sie anders behandeln, als jahrzehntelang gewohnt“ mindestens wirkungslos.
Gruss,
Thorsten Haupts
m) Damit meinst du sicher die Bertelsmann Gruppe, die über Gruner & Jahr einen Gutteil der Anteile des Spiegel-Verlags besitzt.
p) und q) passen gut zusammen. Gleiches Mindset.
y) Was sich die Partei sicher in dieser Legislaturperiode nicht zu eigen gemacht hat, ist innerparteiliche Kritik. Austritte gab es schon vor der aktuellen Implosion in alle Richtungen: Konservative (Palmer, Sekmem), Kriegsgegner (Ulrich Geutner), Gegner des Migrationspolitik (Tarek Alaows).
y) Ja, das mag sein.
(Eigenes Fundstück):
Mal eine angenehm klare „linke“ Ansage zu Israel/Palästina. In Einzelaussagen schwierig, aber in der Summe „stabil“.
https://de.indymedia.org/node/461663