Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.
Fundstücke
Scriptwriting is increasingly about hitting a formula, perhaps because writers and studio/network execs attend the same courses that say X must happen on page Y, and so forth. And today’s scriptwriters only have a very limited toolbox of tropes, it seems. Since Alien, every SF/horror movie must have a maladjusted group of squabbling malcontents. That made sense in Alien, where the ship had a commercial crew on a boring long-haul mission, a crew whose dysfunctional dynamic was exposed by the loss of the senior officers who held them together. It makes less sense if the crew is supposed to be a squad of elite marines, or a hand-picked team of top scientists. Likewise in war movies. Everything today’s scriptwriters know of war, they picked up from watching Vietnam movies. That was an unpopular, hopeless conflict fought by draftees who often didn’t want to be there, so naturally the movies written by veterans often feature disenchanted, unruly, squabbling soldiers. But it makes no sense to apply the same dynamic to the troops at Dunkirk or advancing after D-Day – except that’s the only way the writers have learned to imagine war. Star Trek’s famous „lack of conflict“ is often mocked as naïve, not least by its current writers, but in fact it’s the same dynamic as professional astronauts describe. They don’t muck about the way George Clooney’s character is shown doing in Gravity, nor snit at each other like rivals in a high school movie. (Dave Morris, Fabled Lands)
Ich kann das auch auf den Tod nicht ausstehen, wenn in Geschichten Leute, die eigentlich Profis sein sollten, völlig bescheuerte Konflikte haben. Ein besonders krasses Beispiel dafür ist die Serie „Away“, über die ich hier geschrieben habe, oder „For All Mankind“, über die ich hier schrieb. In beiden Fällen haben wir ein Raumfahrtnarrativ, und in beiden Fällen wird die Raumfahrt nur als Metapher für irgendwelche Familien- und Freundeskonflikte hergenommen. Ich liebe es, wenn wie in „The Martian“ lauter professionelle Leute arbeiten, und gerade dieser Film zeigt, dass das nicht heißt, dass es nicht spannend ist. Tatsächlich ist „The Martian“ wesentlich spannender als alle Folgen von „Away“ zusammengenommen, und ich habe gehört, dass ja auch genug Leute Star Trek mögen. Ich hätte gerne viel mehr Serien, in denen Profis arbeiten und in denen der Plot nicht davon ausgeht, dass Leute einfach willkürlich dumme Dinge tun.
WELT AM SONNTAG: Ist ein baldiger Waffenstillstand eine ernst zu nehmende Option?
Münkler: Jedenfalls sollte es nicht zu einer Situation kommen, in der die Ukraine sich auf einen Waffenstillstand einlässt, den Moskau nutzt, um in einer Zeit der Ruhe seine Kräfte neu zu ordnen. Um das zu vermeiden, müsste die Ukraine Sicherheitsgarantien erhalten, die quasi einem Nato-Beitrittsniveau entsprechen.
Die Europäer müssten bereit sein, diese Sicherheitsgarantien zu übernehmen. Das hieße aber, dass sie bei einer erneuten russischen Aggression Kriegspartei würden. Diese Konsequenz haben diejenigen noch nicht begriffen, die seit Längerem schon mehr Diplomatie fordern und jetzt nach einem Waffenstillstand rufen. […]
WELT AM SONNTAG: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und auch SPD-Chef Lars Klingbeil haben Fehler in der Ost- und Russlandpolitik eingeräumt. Was sind diese Fehler gewesen?
Münkler: Ich würde eher von Fehleinschätzungen sprechen. Dahinter stand ein großes Konzept, nämlich die Idee, eine Friedensordnung mit zunehmend weniger Waffen zu errichten, also militärische durch wirtschaftliche Macht zu ersetzen. Das Ziel war, durch wechselseitige Abhängigkeiten militärische Auseinandersetzung unmöglich zu machen und gemeinsam die großen Menschheitsaufgaben, wie den Klimawandel, die Migration, den Hunger im Süden, zu bekämpfen. Das war eine durchaus rationale Strategie.
Allerdings müssen die Voraussetzungen stimmen. Eine davon ist, dass auf der anderen Seite ebenfalls ein Homo oeconomicus sitzt, einer, der rational agiert. Dagegen haben wir es in Moskau mit einem ressentimentgeladenen Machtpolitiker zu tun. […]
WELT AM SONNTAG: Ein ewiger Streitpunkt zwischen Berlin und Paris ist die Rüstungszusammenarbeit. Wie lässt sich das Problem lösen?
Münkler: Der tief sitzende Gaullismus der Franzosen läuft darauf hinaus, die eigene Rüstungsproduktion grundsätzlich für erstrangig zu halten. Die Deutschen sind pragmatischer und schauen, wo schnell gutes Material zu günstigeren Preisen zu beschaffen ist.
Ein Problem in der Zusammenarbeit bei Rüstungsprojekten sind die Stückpreise. Meist sind die amerikanischen Waffensysteme preiswerter, weil die USA ihre Waffen weltweit verkaufen. Wer also will, dass künftig auf europäische Produkte gesetzt wird, der muss sein Zeug überall dort verkaufen, wo es nachgefragt wird. Ich fürchte, davor wird jede Bundesregierung zurückschrecken. Und das wird das Verhältnis zu Frankreich nicht einfacher machen. (Jacques Schuster/Jennifer Wilton, WELT)
Generell finde ich das ganze Interview lesenswert, ich habe aber einige Anmerkungen.
Die angesprochenen Sicherheitsgarantien sind das zentrale Problem jeder Nachkriegsregelung. Ich empfehle dazu dieses Interview mit dem ukrainischen Kanzleichef unter anderem zu der Frage, wie Sicherheitsgarantien des Westens für die Ukraine nach dem Krieg aussehen könnten. Denn mittlerweile sollte wirklich klargeworden sein, dass auf Putins Vertragsunterschriften ungefähr so viel zu geben ist wie auf Ribbentrops. Russland ist als Verhandlungspartner schlicht nicht vertrauenswürdig. Das ist das Problem mit jedem möglichen Waffenstillstand, das vor allem von der Verhandlungsfraktion konsequent ignoriert wird. Ich kann nur mit einem Partner verhandeln, der in good faith verhandelt. Das tut Russland aber nicht.
Ich bin nicht sicher, ob ich Münklers These vom homo oeconomicus am anderen Ende des Verhandlungstischs teile. Ich halte Rationalität hier nicht für den entscheidenden Faktor; Putin handelt ja nicht irrational. Aus seiner Sicht waren seine Handlungen bisher sehr rational, und ich würde diese Einschätzung teilen. Er hat sich nur verschätzt; die Wette ging nicht auf. Aber irrational war ihre Grundannahme nicht. Nein, vielmehr denke ich, es ist Frage von Werten. Wir brauchen beziehungsweise die Ukraine braucht einen Verhandlungspartner, der eine regelbasierte Ordnung anerkennt. Das ist keine Frage von Rationalität. Jeder Person, die einmal Diplomacy gespielt hat, weiß, wie rational Vertragsbrüche sein können. Es handelt sich hier um eine Norm. Und das, wieder einmal, zeigt die Richtigkeit der wertebasierten Außenpolitik.
Das Verhältnis zu Frankreich habe ich bereits im letzten Vermischten angesprochen, aber Münkler betont hier noch einmal die Waffenfrage. Die Rüstungsindustrie kommt als Thema im deutsch-französischen Verhältnis immer wieder auf, weil Rüstungskonzerne nur von den Aufträgen eines Landes nicht leben können und auf Export angewiesen sind. Aber die Franzosen exportieren (wie praktisch alle Länder) wesentlich freizügiger als Deutschland auch in problematische Weltregionen. Projekte wie das FCAS laufen deswegen immer wieder in diesen fundamentalen Konflikt. Ich wüsste auch nicht, wie sich der so schnell beheben lassen sollte, aber die EU lässt da immer viel potenzielle Synergien auf dem Tisch liegen.
The meeting minutes from the McMinn County school board are especially telling. At one point, a board member seemingly singles out a striking scene in Maus I, where Vladek sees four Jews, executed for trading on the black market, hanging on a central street in the Polish city of Sosnowiec in 1942. “Being in the schools, educators and stuff, we don’t need to enable or somewhat promote this stuff,” the member said. “It shows people hanging; it shows them killing kids; why does the educational system promote this kind of stuff? It is not wise or healthy.” As with other enacted and proposed bans—on works about slavery, for instance—this rationale whitewashes racist and anti-Semitic violence. The visceral reaction to these books’ imagery ignores the message behind the pictures. Graphic histories and testimonies like Maus intentionally ask readers to encounter, in small part, what their subjects also encountered, including the malevolent power of Nazi symbols. Maus is not “promoting” murder by bearing witness to it. As some in the meeting pointed out, hangings and other forms of fatal violence happened. Spiegelman observed in a post-ban event at the University of Tennessee at Knoxville that the censors “want a kinder, gentler Holocaust they can stand.” That version, needless to say, doesn’t exist. What Maus does offer are pages, like the one depicting hanging Jews in Sosnowiec, that engage spectacle—that ask readers to confront a shred of the horror that Vladek Spiegelman experienced. It invites us to witness—in the anthropologist Michael Taussig’s sense of witnessing as pausing that moment when shocking things pass “from horror to banality.” Even as it resists the politics that drive them, Maus asks readers to encounter violent realities and their role in our present. In 2022, facing those realities—and in some cases, teaching them—is a condition for recognizing their ever-present possibility. (Hillary Chute, The Atlantic)
Wenn mich etwas noch mehr ärgert als reaktionär motivierte Buchverbote, dann sind das reaktionär motivierte Buchverbote, bei denen die Leute nicht einmal das Buch verstanden haben. Das ist wie bei der Indizierung von Starship Troopers in Deutschland, bei deren Begründung die Tatsache, dass es eine Satire ist, nicht zur Anwendung kam (der Film ist inzwischen ab 16 ungekürzt auf Disney+, the times, they are a-changing).
Es ist auch völlig korrekt, dass es eine „freundliche“ Variante des Holocaust nicht geben kann. Nicht umsonst sind Werke wie „Der Junge im gestreiften Pyjama“ oder „JoJo Rabbit“ ziemlich umstritten. Maus ist schwer zu ertragen (ich verweise auf meine Besprechungen), aber es präsentiert mit Sicherheit die bessere und stimulierendere Beschäftigung mit dem Holocaust.
Davon abgesehen: ist es nicht merkwürdig, dass die gleichen Leute, die immer safe spaces und trigger warnings verurteilen und sich als Free-Speech-Advokaten gerieren, wenn es um die Ablehnung progressiver Inhalte geht, hier plötzlich genau solche fordern und erteilen? – Natürlich nicht, es ist nur normale menschliche Heuchelei, das war eine rhetorische Frage.
4) Don’t Let Zeitenwende Get Derailed
The United States should also encourage Germany to take on a leadership role in the debate on security guarantees for Ukraine. […] These efforts should go hand in hand with a German leadership role in planning the eventual reconstruction of Ukraine. The Ukraine reconstruction conference hosted in Berlin was an important step, but ultimately, the E.U. will have to clarify where the financial means for reconstruction will come from. This is likely to reopen the debate about joint debt in response to Ukraine’s reconstruction needs and the energy crisis, something which Berlin and other frugal European countries such as the Netherlands staunchly refuse. Olaf Scholz — back when still finance minister — called it a “Hamiltonian moment” when Berlin agreed to the first ever joint borrowing in response to the COVID-19 pandemic. The war against Ukraine is a historic crisis of similar proportion, and it requires similarly resolute efforts. […] The multiple crises that Europe is currently faced with provide plenty of opportunities for Germany to lead the way on crucial policy issues rather than wait to be pushed. The Biden administration can help ensure European unity does not hinge on U.S. leadership. (Sophia Besch/Liana Fix, War on the Rocks)
Ich bin da ja mehr als skeptisch. Das würde erfordern, dass man das alles als strategische Notwendigkeit wahrnimmt. Deutschland neigt dazu, das mehr als Gefallen oder Entwicklungshilfe zu betrachten. Überhaupt ist meine allergrößte Sorge bezüglich der Ukraine die Zeit danach. In der aktuell drückend aktuellen Kriegssituation ist die westliche Einigkeit über die Notwendigkeit von massiven Hilfen ja gegeben. Aber wenn der Krieg erst einmal vorbei oder eingeschlafen ist, wird der Impuls, die Ukraine wieder an die unbeachtete Peripherie zu verbannen, in der sie vorher war, übermächtig. Aber gerade dann wäre Engagement nötig, denn die Ukraine wird als zerstörtes Land aus diesem Krieg hervorgehen, so oder so. Helfen wir ihr nicht, schaffen wir einen riesigen failed state an unserer Ostflanke. Aber ich bin sehr pessimistisch, dass es den politischen Willen geben wird, ihr dann zu helfen. Wir haben das schon bei viel zu vielen solchen Konflikten gesehen.
5) A New Theory of American Power
This restraint is not a hard-won prudence in the face of tragic facts. It’s a doctrinaire refusal, by people living in the safety and comfort of the West, to believe in liberal values that depend on American support. The restrainers can’t accept that politics leaves no one clean, and that the most probable alternative to U.S. hegemony is not international peace and justice but worse hegemons. They can’t face the reality that force never disappears from the world; it simply changes hands. […] The institutions and rules of the postwar era, which enabled a historic expansion of freedom and prosperity around the world, depended on not just U.S. power but the American example. It doesn’t seem possible for liberal democracy to remain healthy abroad but not at home, and vice versa. Its decay in the U.S. has coincided with the rise of authoritarianism globally. The likely successor is not, as the left wishes, world government and international law under the aegis of the United Nations, but rival nationalisms, including Trump’s “America First,” with “might makes right” in every neighborhood. […] American policy in the original Cold War was to contain Soviet communism until it finally altered its character or collapsed. This time around there’s no universal ideology to combat, only brutal, cynical dictatorships. Illiberalism today is entirely negative. In place of utopia, it offers resentment—of American power, Western elites, decadent globalists. […] We’re left to resolve two hard and conflicting truths: Autocratic regimes will exploit American restraint to enlarge their power at the expense of their own people, their neighbors, and the international order. But American action will stoke illiberal reactions when it brings domination, not freedom. […] This recognition of limits would make a foreign policy founded on liberal values more persuasive abroad and more sustainable with the American electorate, holding off the next oscillation toward grandiosity or gloom. Where democracy exists, strengthen it and defend it against foreign subversion, if necessary with arms. Where it doesn’t, take care to understand particular movements for change, and offer only support that preserves their legitimacy. Align U.S. policy with the universal desire for freedom, but maintain a keen sense of unintended consequences and no illusions of easy success. (George Packer, The Atlantic)
Dieser Essay von George Packer ist sehr lang, aber unbedingt in Gänze lesenswert. Packers Betonung, dass die USA eine stabile Demokratie sein müssen, um erfolgreiche Außenpolitik führen zu können, ist in meinen Augen in den aktuellen Debatten noch unterbelichtet und verdient das Schlaglicht vollständig. Gleiches gilt für die Feststellung, dass die Bekämpfung des Illiberalismus schon aus Marketing-Sicht nicht leicht ist, aber wenn die eine Hälfte des eigenen Landes selbst illiberal ist, wie soll man das dann machen? Wenig überraschend verfechten die Republicans auch das Ziel der Demokratieförderung nicht mehr; warum schließlich sich international für etwas einsetzen, das man zuhause zerstören will? Auch Packers Fazit – die Förderung liberaler Strukturen mit Augenmaß – kann ich nur unterschreiben. Es ist, einmal mehr, eine gleichzeitig realistische und wertbasierte Außenpolitik.
6) The Cult of the Hardcore Worker
„Among Mr. Stankey’s dictates: 30 minutes was the “default” length for meetings, Saturdays were reserved for “quality time” with his family, and he expected to be home for dinner by 6:30 or 7. “My routine is important to me,” Mr. Stankey wrote….When everyone finished reading, Mr. Stankey asked if he had made himself clear. No one said anything. But afterward, there was a flurry of profanity-laced texts.“ Stewart’s framing is intended to portray Stankey’s demands as ludicrous. And yet what I kept thinking was “this guy is my new hero.” Obviously, a corporate CEO should be available to handle emergencies at all hours. But is it insane that the guy wants meetings to have a point and himself to have a personal life? How blinkered is U.S. corporate culture that the New York Times presents such requests as so beyond the pale as to invite ridicule? There are an awful lot of folks who seem to confuse long hours with productive hours. A week ago Elon Musk told his remaining Twitter employees that they had to work harder and longer to thrive in “Twitter 2.0.” […] The valorization of hard work is at least as old as Max Weber. It’s a staple of Americana. In some quarters, however, the measurement of labor is reduced to the amount of hours put in rather than the value-added produced. And that seems nuts to me. Such an ethos rewards the performativity of work rather than work itself. (Daniel Drezner)
In den USA ist dieser Kult besonders ausgeprägt, aber auch in Deutschland gibt es viel zu viele Führungskräfte, die der Überzeugung sind, körperliche Anwesenheit im Unternehmen entspreche Produktivität oder korreliere wenigstens. Ich erinnere mich gut an eine Führungskraft, die praktisch ihr gesamtes Leben im Büro verbrachte und das als Ausweis ihrer besonderen Produktivität und Führungsstärke nahm. Nicht nur schuf das ein toxisches Arbeitsklima, sondern es war auch noch grob ineffizient, denn die Führungskraft arbeitete bei weitem nicht so viel sinnvolle Dinge, wie sie dachte, und machte oft genug anderen Kram nebenher. Aber man war halt anwesend. Das ist leider in extrem vielen Unternehmen so, wo die tägliche Arbeitszeit locker um eine Stunde gekürzt werden könnte, wenn man stattdessen konzentriert und fokussiert arbeitete. Aber die irrationale Konzentration auf den objektivierbaren und kontrollierbaren Faktor „Anwesenheit“ hält davon ab.
Doch braucht es wirklich ein eigenes Fach? Lehrer Klemen-Geiger findet ja: „Die bisherigen Versuche, Digitalisierung als Querschnittsthema zu verankern, haben nicht funktioniert.“ Viele Lehrkräfte täten sich selbst schwer mit der Digitalisierung – wie solle es da fächerübergreifend vermittelt werden? Das sieht der Vorsitzende der hessischen Bildungsgewerkschaft GEW, Thilo Hartmann, anders. „Digitalisierung muss überall im Unterricht gelebt werden – und nicht in ein einzelnes Fach ausgelagert werden.“ Vor allem seien die Lehrkräfte zu eingespannt, um die Digitalisierung nebenher zu schaffen: Ein Fünftel der Lehrkräfte arbeite nach einer GEW-Studie mehr als 48 Stunden die Woche. „Wie und vor allem wann sollen sie da noch Konzepte zur Didaktik der Digitalisierung im Unterricht entwickeln?“ […] Apropos Qualifikation: Für den aktuellen Modellversuch gab es nur wenige Wochen Vorlauf. Dass das Fach dennoch so schnell umgesetzt werden konnte, liegt vor allem an zwei Faktoren. Der eine: Die teilnehmenden Schulen waren ohnehin schon umtriebig in Sachen Digitales und wurden extra danach ausgewählt. An der Carl-von-Weinberg-Schule – eine offizielle Eliteschule des Sports, die regelmäßig Olympioniken hervorbringt – gab es beispielsweise schon eine Art Vorläuferfach für Digitales. Als ein zusätzliches Angebot für die Nicht-Sportler*innen quasi. Der zweite Grund: das Engagement der Lehrerkräfte. An der Carl-von-Weinberg-Schule brennen Eva Maria Orth und John Klemen-Geiger für die Digitalisierung. Orth hat eine Zeit lang im Silicon Valley gelebt und den Digitale-Welt-Vorläufer „Pixelfit“ für die Schule entwickelt. Klemen-Geiger findet Informatik hochspannend und bot ohnehin eine Robotik-AG an. (Alina Leimbach, taz)
Nichts ist im Bildungspolitikbereich so ermüdend wie die ständigen Forderungen nach irgendwelchen neuen Fächern, weswegen es natürlich immer wieder interessant zu sehen ist, wenn tatsächlich mal eines eingeführt beziehungsweise getestet wird. Ich halte wenig von dieser Idee als neuem Fach, weil Digitalisierung ein Querschnittthema ist und bleiben muss. Dass die Lehrkräfte das bisher nicht hinbekommen haben und ungefähr so digitalisiert sind wie Oma Erna ist kein Argument dafür, dass das der falsche Ansatz war, schon allein, weil das hier genannte Beispiel die ganzen Modernisierungsverweiger*innen aus der Verantwortung nimmt und ihnen das bequeme Abschieben auf das neue Fach erlaubt.
Nein, das ist ein Querschnittthema, das wesentlich mehr Beschäftigung und Ressourcen erfordert, als es bisher erhält. Die GEW hat völlig Recht, wenn sie auf die Arbeitsbelastung verweist. Bisher wird die Digitialisierung von besonders engagierten Lehrkräften quasi als Hobby vorangetrieben (man denke an das Twitterlehrerzimmer im Allgemeinen oder Leute wie Bob Blume im Besonderen), aber das ist kein tragfähiger oder substanzieller Zustand. Wenn das jemals in die Breite gehen soll, braucht es die entsprechende Didaktik, die entsprechende Ausstattung und die entsprechende Fortbildung der Lehrkräfte – mit einem robusten Mandatssystem, das dann auch zu erzwingen, denn wie in allen anderen Berufen auch werden die wenigsten Lehrkräfte das freiwillig machen.
8) If DeSantis Wins the Nomination, Trump Will Endorse Him
It is true that a world in which Trump has lost a primary to DeSantis is a world in which Trump feels very angry with DeSantis. But DeSantis is not the only person Trump feels angry with. Trump has spent the past several years simmering with anger at Joe Biden. And while a contested primary would make Trump resent DeSantis more than he does now, it’s hardly certain that it would make him hate DeSantis more than he hates Biden. […] What interests would Trump have in common with DeSantis? For one thing, DeSantis could offer Trump legal protection — either pardons or immunity from additional prosecution. Second, DeSantis already commands a massive fundraising network, and as the Republican nominee, he would hold enormous power over various revenue streams around the party, ranging from its scam PACs to its media outlets. DeSantis would be in a position to make sure Trump is very well compensated in return for an endorsement. […] The breach between Trump and his former loyalists is not nearly as deep as it may appear at the moment. They have every incentive to play up their differences now, and they may even believe what they’re saying. But their common interests will eventually win out over whatever antagonism may develop. (Jonathan Chait, New York Magazine)
Ich halte diese Einschätzung für sehr relevant. Nicht nur, weil deSantis praktisch genauso radikal ist wie Trump und keinerlei Besserung vespricht, sondern auch, weil es eine viel realistischere Einschätzung parteiinterner Dynamiken ist. Viele Beobachtende des Politikbetriebs machen gerade den gleichen Fehler wie 2016 und 2020 und imaginieren sich ein Wunderland, in dem Trump – dieses Mal aber wirklich! – signifikante Anteile der Konservativen von der GOP abbringt. Das ist blankes Wunschdenken. Man sehe sich nur die Haltung des National Review zu Trump an: 2016 veröffentlichte das Magazin den Titel „Never Trump“ (der seither in den Sprachgebrauch eingegangen ist), nur um ihn dann vier Jahre lang zu unterstützen. Der damalige Chefredakteur rechtfertigte diese Haltung damit, dass er sagte, dass man immer einen anderen Republikaner vor Trump bevorzugt habe, aber Trump allen (!) möglichen Democrats vorziehe. Wer diese Dynamik nicht sieht, ist als Analyst*in der US-Politik in meinen Augen nicht ernstzunehmen.
9) You’re Paying Much More Tax Than You Thought
You think the highest marginal tax rate in the UK is 45%. John says it is 62%. That’s nasty. But I reckon he’s missed something – and that the top marginal rate of tax in the UK is actually 71%. “Why? Student loans. […] “The key point here is that it doesn’t matter how much you have borrowed or what the interest rate on your loan is (it’s high by the way: 3% plus the RPI inflation rate — the expensive one — for most people). Everyone pays 9% of their income over the threshold every year and almost everyone pays until they are 50. […] “You could argue that it would be significantly easier for students to pay the amounts off if the interest rates weren’t so high (6.3% at the moment, despite the fact that default is impossible). But given all this, does the 9% a year sound like loan repayments to you? Or does it sound like a (hypothecated) graduate tax (or perhaps, at the very least, what UK personal finance guru Martin Lewis calls a “graduate contribution scheme”)? It sounds like a tax to us – thought admittedly one you can avoid by having rich parents who pay for your tuition up front and therefore remove you from the system (lobby for this, kids!)” “Look at it like a tax and John’s numbers change. The basic rate for a large number of people is not 20% and not 32% (the rate with national insurance added), but 41%. The next rate (from £50,270) is not 42% but 51%. And the marginal rate that kicks in as your personal allowance is removed from £100,000 up is not 62%, but 71%. (John Stepek, Bloomberg)
Mein Instinkt war zu sagen „Blödsinn!“, aber ich hab mich zum Glück selbst zurückgehalten. Das war ideologischer Instinkt. Denn die Rechnung, die dieser Artikel aufmacht, ist gar nicht von der Hand zu weisen. Dass unter Bloomberg-Lesenden überdurchschnittlich viele Studierte sind, dürfte unbestritten sein, weswegen das verallgemeinernde „you“ in der Überschrift hier durchaus passt. Und de facto sind die Studiengebühren in der hier vorgestellten Struktur von einer Steuer nicht zu unterscheiden. Das unterstreicht einmal mehr, wie irreführend und bedeutungslos die Vergleiche von Steuersätzen sind. Klar sind die im UK und den USA niedriger als hier. Aber da kommen halt massenhaft weitere Kosten drauf, die hierzulande alle durch staatliche Leistungen abgedeckt sind, die wir mit höheren Steuersätzen finanzieren.
Wir können gerne darüber sprechen, welches System gerechter ist. Das angelsächsische hat den Vorteil, dass Arbeiter*innen nicht mit ihren Steuern das Studium von Akademier*innenkindern finanzieren, während unser System den Vorteil hat, Arbeiter*innenkindern das Studium häufig überhaupt erst zu ermöglichen. Ohne Vor- und Nachteile ist keines der beiden Systeme. Ich weiß, welches ich bevorzuge, aber das heißt ja nicht, dass es die einzige Alternative ist. Man muss diese Zusammenhänge aber schon anerkennen und offen benennen, sonst ist es einfach populistisches Geschwätz.
10) Ohne Strafen geht es nicht
Man könnte sagen, in den vergangenen Monaten wurde erprobt, was passiert wäre, wenn sich die SPD und die Grünen mit ihrer Idealvorstellung des Bürgergelds durchgesetzt hätten. Man wolle kein System, „dass Menschen unter den Generalverdacht stellt, nicht arbeiten gehen zu wollen“, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil im September, als er seine Pläne vorstellte. Das Bürgergeld solle einen neuen Geist haben: „der Befähigung, des Vertrauens und des Respekts.“ […] Da ist etwa der junge Vater mit zwei Kindern. Zwölf Briefe hat er von seiner Betreuerin im Jobcenter bekommen, zwölfmal hat er sie ignoriert. Welche Probleme er vielleicht hat, wissen sie nicht. Gezahlt wird trotzdem. „Die Totalverweigerer kriegen wir nicht. Das gibt das Gesetz momentan nicht her“, sagt Fallmanager Stephan Rauscher. Kamen vor dem Experiment neun von zehn seiner „Klienten“, sind es jetzt nur noch fünf von zehn. […] Und nun sollen sie sich auch noch für ihre Arbeit rechtfertigen. Sie sollen ihre Beratung attraktiver machen, den Arbeitslosen mehr „auf Augenhöhe“ begegnen, hieß es im Gesetzentwurf zum Bürgergeld. Arbeitsminister Heil forderte, in den Jobcentern sollten sie sich mit Hartz-IV-Empfängern zusammensetzen und fragen: „Was tust du selbst, was müssen wir tun, um dich möglichst schnell wieder rauszubringen?“ Anstatt mit Rechtsbelehrungen und Sanktionen zu drohen, solle man versuchen, „das miteinander hinzubekommen“. Aber mit Belohnungen und „auf Augenhöhe“ arbeiten sie in Hanau schon lange. Das sind keine neuen Ideen, auf die sie erst das Bürgergeld gebracht hat. (Anna Schiller, FAZ)
Mich erinnert das hier vorgestellte Dilemma sehr an meine eigene Arbeit. Auch da wird immer wieder festgestellt (wir hatten die Debatte auch mal hier im Blog), dass ohne Sanktionsregime die Schüler*innen nicht lernen. Nur, die Debatte hat einerseits immer einen Henne-Ei-Charakter (wird ohne Sanktionen keine Eigenverantwortung wahrgenommen, weil die Leute einfach unselbstständig sind, oder sind sie unselbstständig, weil sie dazu gezogen werden?) und andererseits stellt sich die Effizienzfrage, die der obige Artikel völlig ausspart. Angenommen, die anekdotische Evidenz, die hier zitiert wird, trifft zu. Dann kommen jetzt vier von zehn Leuten nicht mehr ins Jobcenter. Die Frage, die man an der Stelle stellen müsste, die Schiller aber keine Sekunde auch nur andenkt, ist: wurde diesen vier Leuten vorher geholfen? Oder waren diese Besuche eine lästige Pflichtübung? Das ist eine ernsthafte Frage; ich weiß es nicht. Aber wenn diese Leute Recht damit haben wegzubleiben, weil es keinen Wert hat – wäre dann die Zeit der Jobcenter-Angestellten nicht besser auf diejenigen konzentriert, denen geholfen werden kann? – Ich selbst im Übrigen bin bezüglich der Thematik sehr zwiegespalten, denn ich glaube völlig, was hier im Artikel zur Wirkung der Warnbriefe geschrieben wird. Ich denke, wir müssen das noch eine Weile beobachten und gegebenenfalls gegensteuern.
Resterampe
a) Das muss einer der dümmsten Artikel sein, die ich je in der FAZ gelesen habe. Dazu passt das. Und natürlich mein Artikel zu den Klimaprotesten.
b) Nicht, dass so was CSU-spezifisch wäre, aber es ist trotzdem kritikwürdig.
c) Guter Hinweis von Jonathan Chait, dass das Abdrehen der amerikanischen Rechten schon in den 1990er Jahren mit Whitewater begann.
d) Interview mit Christian Drosten in der ZEIT. Ich bin immer wieder beeindruckt von der Bescheidenheit und Zurückhaltung Drostens. Wie er gleichzeitig Schlammschleuderei, Pauschlasierung etc. komplizierte Sachverhalte erklärt und, vor allem, Ungewissheit thematisiert. Ernsthaft, für seine Rolle in der Pandemie: Bundesverdienstkreuz.
e) Da ist schon ein Muster erkennbar.
f) Immerhin etwas, das Fraeser richtig macht.
h) Die Denkverbote gehen weiter: in Jena soll jetzt die einzige Lehrstelle für Geschlechtergeschichte abgeschafft werden. Moritz Hoffmann weist daraufhin, dass das Tradition hat.
i) Georg Diez schreibt über das Thema Twitter und Öffentlichkeit. Ich habe das ja auch schon mehrmals angesprochen.
j) Die Aussagen des Vaters des letzten amerikanischen Massenmörders, der in einer Homosexuellen-Bar fünf Menschen erschossen hat, sind auch eine Kategorie für sich.
k) Nicht nur Hausaufgaben sind weitgehend nutzlos, sondern auch unangesagte Tests.
l) Dieser Einschätzung zu Gamergate kann ich nur zustimmen. Und hier findet sich noch eine schöne Geschichte des „Skandals“.
m) Weiter Beleg für die Parteilichkeit des SCOTUS.
n) Nette Analyse der Bürokratiekritik in „Andor“.
o) Gute Einordnung der Debatte um Sektorziele.
p) Gute Frage. Und dazu diese absolut lächerliche Prämisse der zweiten Schlagzeile; als würden wir nicht seit fucking Monaten nichts anderes machen.
q) Ich werde diese Obsession mancher Kolleg*innen auch nie verstehen können.
r) Selbst Rudi Bachmann stimmt mir bei der Frage Böhmermann zu.
s) Ein Blick zurück auf Tic Tac Toe.
t) Die chinesische Diktatur hat immerhin den Vorteil, einzigartige Gesundheitsdaten für die Forschung zu bieten…
u) Nancy Faester stellt das neue Einwanderungsrecht vor. Ich halte den identitätspolitischen Streit seitens der CDU darum für völlig überzogen. Dass künftig Kinder automatisch auch die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen, ist wohl nicht gerade eine atemberaubende und im internationalen Vergleich einmalige Regelung.
s) Tic Tac Toe
Ergänzend kann ich hier eine Folge des Neunzigerjahre-Podcasts „Never Forget“ empfehlen, die sich mit dem Themenschwerpunkt Girl Groups beschäftigt und in der eine von den Mädels (Jazzy?) zu Gast ist. Sie redet dort sehr sympathisch und angenehm abgeklärt über die damalige Zeit.
Auch die Folgen „Boybands“ (mit Anja Rützel) und „Eurodance“ (mit der ehemaligen Sängerin von Mr. President) sind sehr zu empfehlen, die restlichen leider eher nicht so.
Danke, check ich aus!
„Jeder Person, die einmal Diplomacy gespielt hat,“
Ich weiß nicht, ob Du es schon mitbekommen hast, aber das hier ist so ziemlich die KI-Nachricht des Jahres:
https://arstechnica.com/information-technology/2022/11/meta-researchers-create-ai-that-masters-diplomacy-tricking-human-players/
Schon die überlegene Poker-KI fand ich damals mehr als beachtlich, aber Diplomacy lösen … Das ist olympisch. Interessant ist übrigens, dass die KI angeblich nicht stabbt.
Oh, sehr interessant, danke!
Das ist wirklich sehr interessant. Was in dem von Dir verlinkten Artikel nicht deutlich rüberkommt ist die Tatsache, dass die AI durch überzeugen besser als 90% aller teilnehmenden Spieler abschnitt. Dass die AI aber nicht „gestabt“ hat, also etwas anderes gemacht hat, als es einem Spieler versprochen hat.
Das entspricht meiner Erfahrung mit dem Spiel. Es gewinnt nicht der, der andere besonders gerissen hintergeht, sondern der, der gut abschätzt wen er wofür wann braucht, und entsprechend Vertrauen aufbaut und schliesslich Spieler überzeugt, das ihm günstige zu tun.
Ich habe meine letzten vielleicht 40 Diplomacy-Partien ausschließlich online gespielt und dort herrschte oft ein rauer Ton. Viele – womöglich relativ unerfahrene – Spieler hatten sich durch ihre Aggressivität den Sieg schon frühzeitig verbaut. Sehr gut möglich, dass in einem solchen Lernumfeld eine verlässliche KI gut abschneidet. Vor allem, wenn sie sich damit zufrieden gibt, einer von 2 oder mehr Siegern zu sein. Wenn man einen glorreichen Einzelsieg anstrebt, wird es ohne einen punktgenauen Stab aber nicht gehen. 🙂
Sehr gut möglich, ja.
Keiner vertraut Stabbern, und wer gestabbt wird will sich nur noch rächen. Dieses Metagame sorgt dafür, dass die „ehrlichen“ Spieler*innen gewinnen. Kenn ich von zig anderen solchen Spielen.
(f) Immerhin etwas, das Fraeser richtig macht.)
Ernsthaft? Deutschland hat mit Qatar militärisch eng zusammengearbeitet, kauft nun massiv fossile Energieträger dort ein – aber ausgerechnet bei einem banalen Ereignis wie der Fußball-WM zeigt man öffentlichkeitswirksam Protestsymbole. Das ist Teenager-Verhalten. Der ganzen Welt wird demonstriert, dass Deutschland ein alberner Staat ist.
Besser als nichts.
Man könnte den Quatsch auch „wertebasierte Symbolpolitik“ nennen und drüber lachen, wenn nicht der außenpolitische Schaden wäre.
Der da wäre?
@ Stefan Sasse 30. November 2022, 13:59
Der da wäre?
Das man sich lächerlich macht.
1) Mein Liebling war ja immer der angesehene Wissenschaftler der eigens zur Beratung engagiert und dessen Ratschlaege zwecks Konfliktschaffung konsequent ignoriert werden. Vollkommen unrealisitisch. Oder? Oder?
6) Wenn Leute mit langer Arbeitszeit prahlen, denke ich mir mittlerweile immer nur, dass sie anscheinend nicht sonderlich effizient sind.
7) Ist das nicht nur eine Variation der immer wieder aufkommenden, unseeligen Diskussion, dass man in der Schule ja nichts fuers Leben lernt?
9) Was da auch haeufig vernachlasessigt: Unterschiede in den Lebenshaltungskosten. Jedesmal wenn ich den USA bin, bin ich jedenfalls immer wieder ueberrascht, wie teuer da einige Sachen sind. 25$ fuer ne mittelgrosse Pizza find ich zum Beispiel ziemlich happig.
10) Ein Freund der im Jobcenter arbeitet meinte mal, das Problem mit Sanktionen ist, dass die Leute, gegen die sie tatsaechlich verhaengt werden, sich nicht grossartig daran stoeren. Weil sie entweder unter der Hand von Familie und Freunden versorgt werden oder schwarz arbeiten.
1) See what you did there.
6) Exakt.
7) Auch, ja.
9) Guter Punkt, hab ich auch schon oft gehört.
10) Kann ich nichts dazu sagen.
Nachtrag: Gibt es einen besonderen Grund dafuer, dass du Nancy Faesers Nachnamen konsequent, wenn auch in unterschiedlichen Variationen, falsch schreibst?
Nö. 😀
Zu den Voraussetzungen für Friedensverhandlungen fand ich diesen Aufsatz von Sabine Fischer lehrreich:
https://www.swp-berlin.org/publikation/friedensverhandlungen-im-krieg-zwischen-russland-und-der-ukraine-mission-impossible
Zusammenfassung:
https://twitter.com/SabFis3/status/1589972818640310272
Danke!
2) „Moskau muss sich überlegen, ob es in die amerikanische Falle tappen will“ (Interview mit Herfried Münkler)
Das ist das zentrale Problem mit einem Pariastaat wie Russland. Vladimir Putin hat jeden Vertrag zerrissen, den das Land seit 1990 geschlossen hat. Es ist folglich unmöglich, noch mit diesem Präsidenten und seiner Clique einen Vertrag, selbst einen Friedensvertrag zu schließen. Und angesichts der schlimmen Verletzungen des internationalen Rechts wie der Menschenrechte in der Ukraine müsste das russische Volk der Völkergemeinschaft ein sichtbar ernsthaftes Angebot machen, mit diesem Regime gebrochen zu haben.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendein Nachfolger Putins diese Glaubwürdigkeit haben kann, wenn er nicht nach strengen demokratischen Grundsätzen legitimiert wird.
6) The Cult of the Hardcore Worker
Das ist eine Darstellung von Führungsarbeit, die sich nur noch mit den Worten „weltfremd“ umschreiben lässt. Und das gilt insbesondere in Bezug auf die USA. Schon die Vorstellung, dass eine Führungskraft, die 20-50 Mitarbeiter direkt verantwortet, noch dazu käme, nennenswerte Sacharbeit zu leisten und deswegen seine Stunden absitzen würde, ist hanebüchen.
In diesen Bereichen besteht der Arbeitsalltag im wesentlichen aus Abstimmungen, Strategie- wie rechtlichen Besprechungen sowie Coaching von Mitarbeitern. Denn auch für eine Topkraft besteht der normale Tag nur aus 24 Stunden.
Die Frage ist dann die, inwieweit sich dies mit Teams bewerkstelligen lässt. Eine Reihe meiner Mitarbeiter will die persönliche Ansprache und den direkten Kontakt. Und stundenlang über ein Thema in Teams brüten ist wesentlich unergiebiger als dies in einem Besprechungsraum zu tun. Das ist so nur müsste man von dieser Welt ein bisschen Ahnung haben.
6) The Cult of the Hardcore Worker
@ Stefan Sasse
… auch in Deutschland gibt es
vielzu viele Führungskräfte, die der Überzeugung sind, körperliche Anwesenheit im Unternehmen entspreche Produktivität oder korreliere wenigstens.Deine Annahme mag ein Stückweit zutreffen, aber manchmal korreliert das in der Tat. Deine Aussage ist aber in ihrer Pauschalisierung genauso dämlich wie die Aussage, dass Lehrer nur 6 Stunden am Tag „arbeiten“ und die Hälfte des Jahres Urlaub haben. Ich frage mich immer wieder, wie ein kluger Kopf wie Du zu so infantilen Ansichten kommt, wenn es um „die da oben“ geht.
Ich erinnere mich gut an eine Führungskraft, die praktisch ihr gesamtes Leben im Büro verbrachte und das als Ausweis ihrer besonderen Produktivität und Führungsstärke nahm.
Ah, Du hast mal einen solchen Chef kennengelernt und aufgrund dieser Basis verallgemeinerst Du? Cool …
Nicht nur schuf das ein toxisches Arbeitsklima, …
Das gibt es nicht nur bei Vorgesetzten; ich habe genug toxische Mitarbeiter kennengelernt.
… sondern es war auch noch grob ineffizient, denn die Führungskraft arbeitete bei weitem nicht so viel sinnvolle Dinge, wie sie dachte, und machte oft genug anderen Kram nebenher.
Die meisten Mitarbeiter, die über ihren Chef reden, verstehen dessen Aufgaben bestenfalls nur teilweise (falls überhaupt), und können in der Regel nur darüber urteilen, ob sie mit dessen Menschenführung zufrieden sind oder nicht (sind sie es nicht, kann es auch an ihnen liegen). Und ich habe noch keinen Mitarbeiter gesehen, der an irgendeiner Stelle ein Problem bei sich gesucht hat (bei den Chefs sind zumindest einige in der Lage, sich zu hinterfragen).
Wie auch immer – als Lehrer kann man vielleicht besser einschätzen, ob der eigene Chef den Kriterien seines Chefs gerecht wird. 😐
Das ist leider in extrem vielen Unternehmen so, wo die tägliche Arbeitszeit locker um eine Stunde gekürzt werden könnte, wenn man stattdessen konzentriert und fokussiert arbeitete.
So viel dummes Zeug in einem Satz. Das gibt es bestimmt auch an Schulen, wo man jede Unterrichtsstunde um 5 Minuten kürzen könnte, wenn die Lehrer:innen nur konzentriert und fokussiert lehren würden …
• Was bedeutet „Extrem viel“ in Prozent? Gibt es dazu eine Untersuchung?
• Dann geht es darum, dass man nicht 8 Stunden herumdödelt und bei konzentriertem Arbeiten nach 7 Stunden nach Hause gehen könnte, sondern darum, 8 Stunden konzentriert zu arbeiten.
• Dann wird das Thema „Arbeitszeit“ mit „Arbeitsleistung“ vermischt. Wenn also jemand seine Aufgaben dank Fokussierung und Konzentration in 7 Stunden hinkriegt, sollte er früher nach Hause gehen können. Schafft er das nicht, muss er so lange bleiben, bis er die Aufgabe geschafft hat – wäre das Deiner Meinung nach zulässig?
• Dann: Wer legt die Aufgaben fest bzw. entscheidet, wann die Aufgabe gelöst ist? Chef:in oder Mitarbeiter:in?
Oh Mann ….
Aber die irrationale Konzentration auf den objektivierbaren und kontrollierbaren Faktor „Anwesenheit“ hält davon ab.
Wie oft hast Du schon als Führungskraft in Unternehmen gearbeitet? Hast Du aus eigenem Erleben Erfahrungen sammeln können, was das Führen von Mitarbeitern bedeutet? Oder was es für Dich bedeutet, wenn Du die Dir vorgegebenen Ziele nicht hinkriegst, weil sich der eine oder die andere Mitarbeiter:in querstellen?
@ sol1
Wenn Leute mit langer Arbeitszeit prahlen, denke ich mir mittlerweile immer nur, dass sie anscheinend nicht sonderlich effizient sind.
Wenn ich solche Sätze lese, denke ich mir mittlerweile immer nur, dass der Verfasser vielleicht nicht so gut gedacht hast, wie er glaubst. Offensichtlich nehmen in solchen Fällen Vorurteile einen Großteil der Denkarbeit ab.
Das ist eine Darstellung von Führungsarbeit, die sich nur noch mit den Worten „weltfremd“ umschreiben lässt.
@ Stefan Pietsch
Das ist eine Darstellung von Führungsarbeit, die sich nur noch mit den Worten „weltfremd“ umschreiben lässt.
Ist, um mal in den gleichen Duktus zu verfallen, eine andere Welt; eine Welt ohne eigene Schuld, ohne eigenes Versagen, ohne eigene Verantwortung.
Und das gilt insbesondere in Bezug auf die USA. Schon die Vorstellung, dass eine Führungskraft, die 20-50 Mitarbeiter direkt verantwortet, noch dazu käme, nennenswerte Sacharbeit zu leisten und deswegen seine Stunden absitzen würde, ist hanebüchen.
In diesen Bereichen besteht der Arbeitsalltag im wesentlichen aus Abstimmungen, Strategie- wie rechtlichen Besprechungen sowie Coaching von Mitarbeitern. Denn auch für eine Topkraft besteht der normale Tag nur aus 24 Stunden.
Ach ja – lassen wir die Fakten doch einfach mal beiseite: Der Arbeiter arbeitet, der Chef scheffelt. Aber wenn ich jetzt wieder was von widewitt und Pippi Langstrumpf schreibe, ist man wieder beleidigt.
Die Frage ist dann die, inwieweit sich dies mit Teams bewerkstelligen lässt. Eine Reihe meiner Mitarbeiter will die persönliche Ansprache und den direkten Kontakt. Und stundenlang über ein Thema in Teams brüten ist wesentlich unergiebiger als dies in einem Besprechungsraum zu tun. Das ist so nur müsste man von dieser Welt ein bisschen Ahnung haben.
Die Prämisse vorausgesetzt, dass Mitarbeiter von jedem 8-Stundentag routinemäßig eine Stunde vertrödeln, bin ich beunruhigt, dass eine Verkürzung der Arbeitszeit auf sieben Stunden dann dazu führen könnte, dass effektiv nur sechs Stunden gearbeitet wird …
… es ging die ganze Zeit um Führungskräfte.
@ Stefan Pietsch 2. Dezember 2022, 18:07
… es ging die ganze Zeit um Führungskräfte.
Genau. normale Arbeiter und Angestellte trödeln nicht. Die arbeiten konzentriert und fokussiert 8 Stunden durch.
Alle.
Da du mich mit sol verwechselt hast, verzichte ich mal darauf, mich fuer die vielleicht etwas zu spitze und allgemeine Formulierung zu entschuldigen 😉
Aber der Punkt ist ja, dass viele Leute schon dazu neigen, den Punkt Arbeitszeit als wichtiger anzusehen, als was letztendlich dabei rumkommt. Wenn ich nen Mitarbeiter hab, der meinetwegen rumtroedelt, aber eben auch puenktlich sehr gute Resultate liefert, und einen der durchackert, Ueberstunden macht und trotzdem gerade so eben das Notwendige schafft, weiss ich, welchen ich bevorzuge. Ich weiss aber, auch welcher sich eher damit ruehmt hart zu arbeiten.
@ schejtan
Sorry für die Verwechselung (auch an sol1).
Und dieses Mal grundsätzliche Zustimmung zu Deiner nicht ganz so „allgemeinen“ Ausführung.
Was mich immer wieder irritiert, ist Folgendes: Unser Lebensstandard ist so hoch ausgeprägt wie sonst kaum woanders. Die Löhne liegen hoch. Die Rechte der Mitarbeiter sind wirkmächtig. Es gibt kaum ein anderes Land, in dem es Arbeitnehmern so gut geht (die wirklich wenigen Ausnahmen sind dann spürbar kleinere Länder). Das liegt in erster Linie an unserer Unternehmenskultur. Dennoch werden Unternehmer extrem häufig als Ausbeuter empfunden.
Und wo an anderen Orten wirtschaftlicher Erfolg als erstrebenswertes Ziel angesehen wird, gibt es hier Neid, versucht man, denen da oben was ans Zeug zu flicken, glaubt, dass die da oben Arbeitsleistung nur simulieren, während man selbst richtig rackert, dass die da oben sich ungerechtfertigt sie Taschen füllen, während man selbst zu kurz kommt.
Ja, es gibt viele Idioten als Chefs, aber es gibt viel mehr Idioten auf Seiten der Mitarbeiter, weil es eben mehr Mitarbeiter gibt. Dieser eklatante Unterschied in den Maßstäben der Bewertung von vorgesetzten Führungskräften und eigener Leistung ist schon sehr typisch für unser Land.
Ich denke, da hast du Recht. Aber du vernachlässigst noch eine Seite: Deutschland hat gleichzeitig auch den größten Niedriglohnsektor. Den Arbeitnehmern in tariflich gut organisierten Branchen geht es gut. Aber denen in Branchen, bei denen das nicht so ist? Not so much.
9) You’re Paying Much More Tax Than You Thought
Auch an dieser Stelle missachtest Du den Unterschied von Freiwilligkeit und Zwang. Dein Denken: so lange eine Ausgabe zwingend ist, ist es egal, ob der Bürger dies freiwillig entscheidet oder ob ihm das per Zwang aufgebürdet wird.
Du missachtest das Bürgerrecht, das Grundrecht, dass Menschen über die Art und die Höhe ihrer Form von Ausgaben selbst entscheiden können möchten. Du missachtest das Eigentumsrecht, das übrigens auch und gerade für die Altersvorsorge gilt. Du ignorierst, dass die Ergebnisse staatlicher Umlagensysteme in ihren Erfolgen meist nicht mit kapitalgedeckten Formen mithalten können – Formen, die Staaten meist stiefmütterlich behandeln.
10) Ohne Strafen geht es nicht
Die Sichtweise ist allein vom Glauben definiert. Henne oder Ei ist kein Vergleich. Fakt ist, Menschen waren größtenteils nur unter Zwang erwerbstätig. Erwerbstätig definiert sich darin, Produkte und Dienstleistungen für die Gemeinschaft zu erzeugen. Das gilt universell. Glaubst Du ernsthaft, nur eine Näherin in Bangladesch würde in einer der vielen Fabriken arbeiten, würde sie nicht die Not Einkommen zu erwirtschaften dazu treiben? Selbst in den sozialen Berufen bleiben viele, und sei es nur zeitweise, zuhause, weil sie keine Lust auf Arbeit haben.
Je einfacher die Arbeit, desto mehr bestimmt der Lohn und der Zwang Einkommen erwirtschaften zu müssen, den Willen zur Arbeit. Und in diese Richtung gehen auch erprobte Bürgergeldmodelle in Finnland und anderswo. Ist halt überall Henne und Ei, oder was? Und da Hartz-IV-Empfänger nur Aussicht auf sehr geringe Löhne haben, die es ihnen kaum ermöglichen, ein angenehmes Leben mit einer vierköpfigen Familie zu fristen, machen hohe Lohnersatzleistungen es sehr attraktiv, keiner Arbeit nachzugehen.
Alles logisch, alles durch Studien belegt. Nur wollen linke Weltverbesserer nicht an ökonomische Anreize glauben.
a) Das muss einer der dümmsten Artikel sein, die ich je in der FAZ gelesen habe.
Das ist eine schräge Empörung. Umweltverbände, Grüne und Klimaaktivisten argumentieren seit Jahren so. Beispiel Tempolimit: Die Berechnungen gehen i.d.R. davon aus, dass PKW-Fahrer auf der Autobahn generell über dem jeweiligen Tempolimit fahren. Es ist eine Annahme, die der Wirklichkeit und den existierenden Verkehrsbeschränkungen widerspricht, bläht aber den CO2-Einspareffekt auf. Gleiches Spiel bei Flügen etc. Der Unterschied: wer hat eine solche Argumentation je dümmlich genannt?
zu 2)
Also ich halte es für ziemlich ausgeschlossen, dass die Lösung für den Ukrainekonflikt eine Beistandsgarantie der Westeuropäer (also ohne die USA) für die Ukraine sein wird. Das wäre ein Selbstmord mit Ankündigung sowohl für die Ukraine (, der im Ernstfall niemand zur Hilfe kommen wird) als auch für Westeuropa (, das anschließend in Verteidigungsfragen niemand mehr ernst nehmen wird, was sowohl die EU als auch die NATO massiv schwächen wird).
Aus meiner Sicht wird die Lösung am Ende die volle NATO-Mitgliedschaft der Ukraine sein. Und der Preis dafür Gebietsabtretungen an Russland (Best Case Szenario -> Nur die Krim. Worst Case Szenario -> Alle zum Zeitpunkt des Waffenstillstands russisch besetzten Gebiete).
Puh, die NATO-Mitgliedschaft halte ich für eher unwahrscheinlich…
Ich denke, dass aus russischer Sicht langsam die Einsicht einsickern dürfte, dass die Ukraine de facto von den NATO-Staaten bereits wie ein NATO-Mitglied behandelt wird. Der finanzielle und militärische Aufwand, den der Westen zur Verteidigung der Ukraine betreibt, ist dramatisch. Schwer vorstellbar, dass sich die Amerikaner nach dem Krieg dort einfach zurückziehen würden. Das dürfte auch Putin und seinen Generälen klar sein. Eine Verhandlungslösung, bei der Russland den Kompromiss macht komplett aus der Ukraine abzuziehen (außer der Krim; da fehlt mir einfach die Phantasie) und dafür die Neutralität der Ukraine bekommt, wäre also eine Farce. Die Ukraine wäre dann genauso “neutral” wie gegenwärtig Finnland oder Schweden. “Neutral” halt nur auf dem Papier. Und nach innen hin wäre das auch kaum zu verkaufen. Zehntausenden russischen Soldatenmüttern erklären, ihre Söhne seien für die Neutralität der Ukraine gestorben?
Aber wenn die “Neutralität” der Ukraine für Russland wertlos ist, dann ist der bessere Bargaining-Chip erobertes Land zu bekommen. Das lässt sich nach innen hin theatralischer feiern. Das gibt Putin – wenn er z.B. den Donbas behält – auch die Möglichkeit zu verkünden, er hätte den (von ihm erfundenen) Genozid an den Russen gestoppt. Er würde nach den ganzen Annexionen auch weniger Gesicht verlieren, wenn ihm wenigstens Teilgebiete bleiben.
Natürlich sind Landabtretungen für die Ukraine extrem schwierig – fast unmöglich – zu akzeptieren. Aber eine volle NATO-Mitgliedschaft und damit Sicherheit vor allen zukünftigen Übergriffen Russlands, die unumkehrbare Integration in den Westen, die Aufnahme in die EU und die damit verbundenen Wirtschafts- und Wiederaufbauhilfen wären vielleicht das einzige Argument, das es Selensky erlauben würde eine Aufgabe des Donbas und der Krim politisch zu überleben.
Und die Amerikaner, die schon seit langem (gegen Deutschland und Frankreich) auf eine Aufnahme der Ukraine in die NATO drängen, würden einem Frieden wohl auch viel eher zustimmen, wenn am Ende etwas für sie herauskommt und die massiven Investitionen in die Ukraine nicht einfach in einem nutzlosen Neutralitätsstatus verpuffen.
Aus meiner Sicht ist die volle NATO-Mitgliedschaft der Ukraine der schmerzloseste Kompromiss für alle Seiten.
Die Unterstützung, die der Westen gerade gibt, ist aber freiwillig. Wir könnten jeden Tag aufhören. Eine NATO-Mitgliedschaft verpflichtet uns zur VERTEIDIGUNG der Ukraine, nicht nur zur Unterstützung. Das ist schon ein anderes Eskalationsmittel. Es mag aber sein, dass eine solche Lösung tatsächlich am Ende stehen wird. Ziemlicher Pyrrhussieg für Putin dann.
Es mag aber sein, dass eine solche Lösung tatsächlich am Ende stehen wird.
Spielt eigentlich keine Rolle. Die Lösung muss am Ende beinhalten, dass die Ukraine weiss, dass wir zu Ihrer Verteidigung Truppen schicken werden. Ob mit oder ohne NATO-Mitgliedschaft, schlicht deswegen, weil russische Zusagen den Wert von null haben. Sonst wird das eh kein Friede, sondern nur ein Waffenstillstand.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ja, das ist korrekt.
2) Ich halte Münklers Hinweis, dass Putin eben nicht als homus economicus handelt für sehr treffend. Aus ökonomischer Sicht wäre der Krieg auch dann sinnlos, wenn Rußland militärisch schnell gewonnen hätte. Die Ukraine wären dann ein paar politisch instabile Oblaste, aus denen man sowieso nicht viel Mittel rauspressen kann.
Und die Risiken aufgrund des erfolgreichen Widerstandes… Aus meiner Sicht werden die enormen Kosten, die Rußland aufgrund dieser Aktion entstehen, unterschätzt.
Der Punkt hat mich so lange an dem Venezuela Thema fasziniert. Aufgrund der absoluten Skrupellosigkeit und dem ideologischen Fanatismus von ein paar dudes und dem hinterhertrotteln von einem viel zu großen Teil der Bevölkerung wird die Zukunft von Millionen von Menschen einfach so gegen die Wand gefahren. Natürlich agieren die aus ihren Zielen rational, nur gibts da halt die Konflikte mit der ihren Zielen einerseits sowie der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung andererseits.
Wenn du wirtschaftlich denkst, lohnt sich Krieg seit dem späten 19. Jahrhundert grundsätzlich nicht.
Die meisten Kriege sicher nicht und Weltkriege noch weniger.
Beim Salpeterkrieg, in dem Chile 1879 bis 1884 Peru und Bolivien besiegte, bin ich mir nicht so sicher.
Aber mir gehts um etwas anderes: Das aggressive Verhalten Rußlands und auch Chinas stellt die Globalisierung wie wir sie kennen in Frage. Sicherheit der Handelsketten wird wichtiger als eine möglichst effiziente Produktion. Nassim Talebs Resilienz ersetzt Effizienz Idee. Der homus economicus wird damit etwas runtergedimmt.
Aus chinesischer Perspektive sieht das dann so aus, dass das Hohelied des freien Welthandels im Westen genau dann verstummte als China begann überlegen auszusehen.
2) Diese Aussage lässt sich genauso auf den Westen bzw. die Vereinigten Staaten anwenden. Nicht nur die gerne diskutierte bad-faith Interpretation der 2+4 Verhandlungen auf der die NATO-Osterweiterung beruht, auch viele bilaterale Abrüstungsabkommen, die die USA aufgekündigt haben (ABM Vertrag, INF-Abkommen) und die vielen multilateralen Abkommen über Rüstungskontrolle, die von beiden Staaten (Ottawa-Konvention) oder nur den Vereinigten Staaten (Atomwaffentest-Stop) nicht unterzeichnet und ratifiziert wurden, zeigen, wie wenig ‚wertebasiert‘ mit internationalen Regeln zu tun hat.
Ein Bonuspunkt für unfreiwillige Ehrlichkeit geht noch an dich, wenn du direkt im Anschluss nach „Und das, wieder einmal, zeigt die Richtigkeit der wertebasierten Außenpolitik.“ die Interessen der Rüstungsindustrie thematisierst.
3) Wie du schreibst, „Maus“ ist harter Tobak. Ich weiß nicht, ob ich es 14-jährigen (8. Klasse) als Pflichtprogramm zumuten würde.
5) Tut mir leid, aber das Militär und die Geheimdienste führen ihre Schattenaußenpolitik durch, egal wie stabil die ‚offizielle‘ Politik ist.
https://www.brennancenter.org/our-work/research-reports/secret-war
6) Effizienz ist nur eine Seite der Medaille. Eine andere ist, zuverlässige Ansprechpartner für Geschäftspartner zu haben. Und dieser Faktor leidet gewaltig außerhalb regulärer Arbeitsplätze.
9) Bitte trennt Steuern, Abgaben und Gebühren, sowie den Preis von Leistungen (Kreditzinsen). Das sind unterschiedliche Dinge, auch wenn Sie zu zahlen immer lästig ist.
f) Mal davon abgesehen, dass ich historisches Misstrauen gegen politische Äußerungen per Armbinde habe, eine Frage stellt sich mir schon: Welche PR-Agentur hat die Armbinde entworfen und promotet? Wer hat das in Auftrag gegeben? Und wer bezahlt es?
h) Schöne Verbindung zu 7): Die Geschlechterforschung soll einem Lehrstuhl für ‚digital humanities‘ weichen.
s) Das Thema, das im Artikel nur am Rande behandelt wird, ist: Haben sie gute Musik gemacht? [Polemik: Typisch für ‚woke‘ Kulturkritik]
t) Sowas kann auch die Stadt London liefern, die mit ca. 70 Kameras/1000 EW in der chinesischen Liga ( 30 – 100 Kameras) mitspielt. Aber Berlin ist als kontinentaleuropäischer Spitzenreiter (ca. 12 Kameras) auch auf einem guten Weg.
2) Das stimmt ja alles nicht, was Sie schreiben.
Nicht nur die gerne diskutierte bad-faith Interpretation der 2+4 Verhandlungen auf der die NATO-Osterweiterung beruht
Da ist nichts mit Bad Faith. Es ist die willkürliche Uminterpretation von juristischen Texten nach eigenem Gusto.
Die USA haben Abkommen gekündigt, die gekündigt werden konnten. Russland hat nicht gekündigt, sondern verstoßen. So hat Russland bei Königsberg Atomraketen aufgestellt, die direkt auf Deutschland zielen. In Bezug auf die Ukraine hat Russland Sicherheitsgarantien (gegen Atomwaffen) abgegeben, die sie einfach brechen. Sie brechen das Völkerrecht, sie begehen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sie sind einfach grausam.
Das ist nicht einfach zu heilen. Deutschland musste zur Demokratie und zum Rechtsstaat werden, damit die Weltgemeinschaft wieder vertrauen konnte. Darunter wird es auch bei Russland nicht gehen.
Exakt.
1) Ich sprach nicht von Vertragstext sondern von Verhandlungen. Und die mündlichen Zusagen bei diesen sind wohldokumentiert.
2) Siehe Antwort an Stefan Sasse weiter unten.
3) Wiederholt: Verwenden Sie gegenüber Staaten, die Sie nicht mögen keine Formulierungen, die Sie, würden diese z.B. auf Israel angewendet, als Hetze bezeichnen würden.
Auch hier: Ihr Rechtsverständnis irritiert mich. Auf internationaler Ebene schließen Staaten Verträge, nicht Staatsmänner. Jeder völkerrechtliche Vertrag muss von den Volksvertretungen – also Landesparlamenten ratifiziert werden. Erst dann sind sie gültig. Regierungschefs vertreten ihr Land auf Zeit. Sie können keine rechtsverbindlichen Zusagen über ihre gewählte Periode hinaus leisten. Denn damit würden sie ja gerade den Legitimierungsprozess von Verträgen umgehen.
Sie stellen sich also auf den Standpunkt, es sei in Ordnung, dass die Außenminister eines Landes Vereinbarungen geschlossen hätten, die den Rechtsweg aushebeln und ihre zeitlich beschränkte Kompetenz weit überschreiten. Dann braucht es keine völkerrechtlichen Verträge mehr, alle wissen ja sowieso, was gemeint ist.
Die doch wesentliche Frage ist: warum hat die UdSSR ein Verbot der Ost-Erweiterung der NATO nicht in den 2+4-Vertrag schreiben lassen? In den Verhandlungen wäre das theoretisch möglich gewesen. Es gibt zahlreiche Gründe, warum das nicht passiert ist, aber keinen, warum Moskau darauf verzichtet hat, obwohl es doch in der heutigen Erzählung wichtig war. Immerhin, nur zur Klarstellung, ist in dem Vertrag geregelt, dass niemals NATO-Truppen auf dem ehemaligen DDR-Gebiet stationiert werden und auch keine Atomwaffen. Daran hat sich der Westen immer punktgenau gehalten. Auf der anderen Seite zielt Russland seit Jahren mit Mittelstreckenwaffen auf Deutschland, obwohl sie versprochen haben, das nicht zu tun.
Exakt.
Zu 3) Pietsch schrieb:
In Bezug auf die Ukraine hat Russland Sicherheitsgarantien (gegen Atomwaffen) abgegeben, die sie einfach brechen. Sie brechen das Völkerrecht, sie begehen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sie sind einfach grausam.
Das sind schlichte Faktenfeststellungen auf der Grundlage mittlerweile tausender von Fällen im besetzten Teil der Ukraine. Wüsste nicht, was an der Wortwahl zu kristisieren ist.
Gruss,
Thorsten Haupts
2) Sorry, aber das ist einfach kein Vergleich. Kein Staat hat noch nie Regeln gebeugt oder gebrochen, und einen Vertrag nicht zu ratifizieren ist was völlig anders wie ihn ratifzieren und dann brechen!
3) Ja, aber davon redet doch auch keiner? Die haben das aus Schulbibliotheken verbannt. Ich würde das 14jährigen auch nicht geben…
6) Wie meinen?
9) Ich weiß, das ist ja gerade mein Punkt. Es fühlt sich unabhängig davon so an. Das siehst ja bei den tax crusaders hier im Blog auch immer.
f) Ist das relevant für die Message?
h) Ist ja auch nice, würde gerne beides haben.
s) Laut dem Artikel ja…? Mein Fall war es damals nicht und ist es sicher heute auch nicht, aber ich mag einfach kein HipHop. Aber deine Polemik ist leider typisch für Antiwokismus 😉
t) lol
2) Ob es für das Vertrauen wirklich besser ist, durch das Kündigen oder Nichtabschließen eines Abkommens grundsätzlich Nichtbereitschaft zur Kooperation zu signalisieren, möchte ich bezweifeln.
3) Ursprünglich ja: „This came to wide attention this past January, when Maus was banned from an eighth-grade English-language-arts curriculum by the McMinn County, Tennessee, school board.“ zweiter Absatz im verlinkten Artikel. Das ging wegen dem ganzen Rest unter – und damit meine ich nicht nur dem Artikel.
9) Dass du damit der BS-Argumentation der ‚tax-crusader‘ Vorschub leistest, stört dich nicht?
f) Ja, weil womöglich auch eine hidden-agenda eine Rolle spielt – wie zum Beispiel Verschiebung des Overton Fensters, was „gute“ (also von den richtigen Leuten lancierte) politische Botschaften betrifft. Außerdem möchte ich den Feudel nicht aus der Staatskasse bezahlt sehen.
2) Klar ist das besser. Wenn ich einen Vertrag kündige, gehe ich den vorher vereinbarten, rechtsmäßigen Weg. Wenn ich ihn einseitig breche, bekunde ich, dass Abkommen nichts wert sind.
3) Ah krass. Zeigt auch einmal mehr, wie bescheuert diese Curricula sind…
9) Ich glaube, dass sich dagegen eh nichts machen lässt.
f) Ja aber die Verschiebung ist doch gut?
f) Das sagst du, weil dir diese Botschaft konkret gefällt. Eine MAGA-Armbinde fändest du nicht so toll.
2) Ich bin echt irritiert. Das normale in Rechtsgeschäften ist, dass Verträge nach den Interessen beider Parteien geschlossen und (unter bestimmten Bedingungen) beendet werden können. Verträge haben meist eine zeitlich begrenzte Funktion, die Beziehungen zwischen Menschen, Organisationen bis hin zu Staaten zu regeln. Verträge für die Ewigkeit gibt es da selten. Noch am ehesten im internationalen Recht.
Deswegen enthalten Verträge Kündigungsklauseln. Das gilt für den EU-Vertrag, das gilt aber auch für den INF-Vertrag. Nun hatte Russland mit der Ukraine einen Vertrag geschlossen. Moskau bekam einen Nachbarn ohne Atomwaffen und Russland garantierte die Unverletzlichkeit von dessen Grenzen. Die Ukraine hat diesen Vertrag weder verletzt noch gekündigt. Russland hat ihn elementar verletzt bis hin zu dem Ziel, den entwaffneten Vertragspartner zu vernichten.
Und das setzen Sie mit der Kündigung des INF-Abkommens gleich? Das muss ich jetzt nicht verstehen. Und das ist ein sehr uniques Rechtsverständnis.
Seien Sie ein wenig realistischer. Großmächte ‚kündigen‘ Verträge nicht nach Klausel, sondern verkünden, dass diese nicht mehr in Ihrem Interesse liegt.
Beispiel ABM-Vertrag: Da verkündete Bush nach 9/11, dass dieser Vertrag nicht mehr im Interesse der USA liegt.
Und auch die Verletzungen der Abrüstungsverträge sin beiderseitig erfolgt (So wurden die Reaper und Triton Drohnen auch entwickelt, weil sie nicht der Kontrolle für gelenkte Marschflugkörper unterlagen). Wir kennen nur die Sichtweise der einen Partei, eine neutrale Kontrollinstanz war sowieso nicht im Interesse einer der Unterzeichnungspartei.
Und was die letzte Grenzüberschreitung, den größten Rechtsbruch betrifft: Angriffskriege, auch diese werden eben nicht mehr nach Recht erklärt, sondern man beginnt eine „Spezialoperation“, einen „Anti-Terror-Einsatz“ oder eine „humanitäre“ Mission.
Das trifft nicht zu. Großbritannien ist ordnungsgemäß aus der EU ausgetreten. Die USA haben ordnungsgemäß das Pariser Klimaabkommen gekündigt. Das, um nur mal die spektakulärsten Vorgänge der letzten Jahre aufzugreifen. Und die USA haben den INF-Vertrag gekündigt, als sie der Überzeugung waren, dass Russland diesen systematisch verletzt. Und um diese systematischen Verletzungen geht es. Das gilt ausschließlich in Bezug auf Russland.
Die Menschen in der Ukraine zahlen schwer für Russlands Vertragsbrüche. Wir sehen in Tschetschenien, in Syrien und eben jetzt in der Ukraine, dass diese schweren Rechtsbrüche und Verbrechen gegen die Menschlichkeit bei Russland kein Versehen, sondern System sind. Nur Moskau lässt systematisch zivile Einrichtungen bombardieren.
Putin begann mit der Sprache eines Vergewaltigers die Offensive gegen die Ukraine. Und seine Soldaten haben seine Sprache aufgenommen.
Meine Sprache ist keine Hetze, sondern (rechtsstaatliche) Feststellungen. So sind russische Offizielle für den Abschuss einer zivilen Passagiermaschine verurteilt worden. In Berlin wurde ein russischer Agent für den Mord im Tiergarten verurteilt. Britische Behörden sehen russische Agenten für den Mordversuch an Skripal verantwortlich. Und nun die gut dokumentierten Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine. Wie können Sie da noch solche Anwürfe zurückweisen?!
Israel arbeitet jede Verstöße seiner Soldaten auf. Als Generäle in den Nullerjahren Wohnviertel bombardierten, entschuldigte sich Israel offiziell für den Vorgang und leitete Gerichtsverfahren ein, in dem die Offiziere verurteilt wurden. Bitte vergleichen Sie nie Rechtsstaaten wie Israel oder die USA mit Pariastaaten wie Russland.
s) Das Thema, das im Artikel nur am Rande behandelt wird, ist: Haben sie gute Musik gemacht?
Strenggenommen haben sie selbst gar keine Musik gemacht (im Sinne von: als Musikerinnen erschaffen), sondern als Interpretinnen ausschließlich das performt, was ihnen von Management und Produzenten vorgesetzt wurde. Es handelte sich nun einmal um eine zusammengecastete Retortentruppe, egal was für angebliche Gründungslegenden damals lanciert wurden. Vermutlich steckte darin auch bereits der Keim für die Konflikte, die am Ende zur spektakulären Trennung führten.
Da ich damals bereits zu alt war, um noch in die Zielgruppe zu fallen, fand ich die Musik schon immer zum weglaufen. Sie ist auch ausgesprochen schlecht gealtert, was eher gegen inhärente musikalische Qualitäten spricht, was aber fairerweise auf sehr viel Popkulturelles aus den 1990ern zutrifft.
Im Rückblick kann ich aber durchaus anerkennen, dass die Gruppe für viele Mädchen, vor allem solchen aus Migrantenfamilien, wichtige Identifikationsfiguren waren, auch wenn sie das eher zufällig und aus profitgeleitetem Kalkül ihres Managements geworden sind. Das ist ein Verdienst, den ihnen niemand nehmen kann. Dafür ist aber die Qualität von Musik und Texten vollkommen irrelevant.
Zu 10)
„Auch da wird immer wieder festgestellt (wir hatten die Debatte auch mal hier im Blog), dass ohne Sanktionsregime die Schüler*innen nicht lernen. Nur, die Debatte hat einerseits immer einen Henne-Ei-Charakter (wird ohne Sanktionen keine Eigenverantwortung wahrgenommen, weil die Leute einfach unselbstständig sind, oder sind sie unselbstständig, weil sie dazu gezogen werden?)“
Ich weiß nicht, ob ich das richtig verstanden habe, aber die schulpflicht an sich ist schon nicht freiwillig und eigenständig gewählt, das durchschauen die clevereren schüler auch und dementsprechend ist es ein paradoxon, von verpflichteten teilnehmern selbstständigkeit zu fordern. die clevereren unter ihnen werden dann, wenn sie sich die notwendigkeit eines schulabschlusses zu eigen gemacht haben, nur das mindeste tun.
Ja, die Schulpflicht ist natürlich eine Pflicht, aber die Idee dahinter ist eigentlich weniger eine Verpflichtung der Schüler*innen als der Eltern, die Kinder zur Schule zu schicken. Inwiefern es clever ist, nur das Mindeste zu tun, sei mal dahingestellt. Ich denke auch nicht, dass das die natürliche Reaktion ist. Jedenfalls ist es nicht das, was ich von den besten Schüler*innen kenne…
Bin da absolut bei Dir. Bei dem, was mich wirklich interessierte, habe ich nicht gelernt, um den Abschluss zu bekommen – dafür hätte in den Fächern deutlich weniger gereicht. Und das gilt nach meiner Beobachtung auch für alle diejenigen, die sich in bestimmten Fächern konstant auszeichneten – die haben für sich gelernt, für nichts und niemanden sonst.
Was mich in der öffentlichen Debatte schon immer irritierte und was ich auch hier wieder in Zweifel gezogen sehe – die meisten Schüler blicken auf ihre Schulzeit positiv zurück, nicht mit dem Gefühl, endlich entkommen zu sein. Und das trotz der ganzen Defizite im Bildungsbereich.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ja, sehr gute Beobachtung. Gemeckert wird viel, aber ich glaube, das ist besser als sein Ruf.
ich meinte, wenn man wirkliche eigenständigkeit fordern würde, also authentisch und nicht nur performativ, dann müsste man erstmal fragen, ob die betreffende person überhaupt zur schule gehen will.
um die mechanismen dahinter zu verstehen, bedarf es schone einer gewissen cleverness, obwohl sie viele wahrscheinlich nur emotional wahrnehmen.
natürlich gibt es viele, die die bedingungen der gesellschaft als gegeben hinnehmen und dann leistung zeigen, das ist dann aber nicht clever, sondern einfach nur gewünscht sozialisiert. clever wäre es, genau die nötige leistung zu bringen, um ein gewünschtes ziel zu erreichen (nc/abschluss/whatever), minimalprinzip.
am ende ist es eine paradoxe botschaft, von leuten die unfreiwillig dort sind, selbstständigkeit zu erwarten.
Ich denke, du überzeichnest das. Ich bin ja auch nicht freiwillig auf Arbeit, weil ich halt arbeiten muss um zu überleben, aber trotzdem kann man von mir Eigenständigkeit erwarten.
Ist auch eine Frage des Vergleichs – mit früher und selbst mit den Mutterländern der Demokratie, müssen wir uns in diesem Punkt nicht verstecken. Ein Austausch mit französischen Schulen bringt einen kleinen Kulturschock.
Oh, inwiefern? Da hab ich null Erfahrungen.
Die französischen Schüler sind überrascht über den (aus ihrer Sicht) lockeren Umgang von Schülern mit den Lehrern, die dort als Autorität gesehen nicht hinterfragt werden. Frontalunterricht ist Standard, das rigorise Prüfungswesen tut ein Übriges. Das Schulsystem spiegelt mehr die Klassengesellschaft.
Nach Bourdieu und Eribon („Rückkehr nach Reims“) wundere ich mich, dass Deutschland lt. OECD das Land ist, in dem der Bildungserfolg am meisten von der Herkunft abhängt.
Umgekehrt übrigens die Erfahrung mit einer Partnerschule in den Niederlanden. Der Umgang dort war fast kumpelhaft, die Lehrer wurden geduzt, die „Toilettenfrage“ z. B. stellte sich gar nicht.
Danke!
Ich habe auch immer wieder das Gefühl, dass das deutsche Schulsystem besser ist als sein Ruf. Und gleichzeitig schlechter. Also anders ausgedrückt: die Debatte konzentriert sich auf die falschen Felder.
Kritisiert wird ja vor allem, dass es nicht den Erfordernissen der HighTech-Zukunft entspricht. Aber sehen das die Analysten von Tesla, Intel und Apple auch so bei den Investitionen in Grünheide, Dresden, München?
Das scheint mir auch so ein bisschen eine Sackgassendebatte zu sein. Wer weiß schon, was die Erfordernisse der Hightechzukunft sind? Lieber stabile Grundlage, die in alle Richtungen diversifizieren kann.
Deutsche Austauschstudenten in den achtzigern und neunzigern machten ähnliche Erfahrungen. Keine Ahnung, ob das immer noch zutrifft.
9) Dann sollte man aber auch die Steuer-Debatte nicht auf die Einkommensteuer beschränken, sondern auch Umsatz- und Verbrauchssteuern mit einbeziehen. Die gesamte Steuerlast, bezogen auf das Einkommen, das ja für die berühmten „starken Schultern“ steht.
In jeder Gesellschaft können nur diejenigen Steuern zahlen die über Einkommen oder Vermögen verfügen. Das sind Transferempfänger definitionsgemäß nicht. Und wenn der Staat aufgrund von (Brutto-) Preiserhöhungen die Sozialhilfesätze und Transferbezüge anhebt, wird überdeutlich, wer eigentlich die Steuern trägt: Die Erwerbstätigen. Es ist also Unsinn, die Steuerlast auf alle zu beziehen.
Zudem wissen wir, dass mit steigendem Einkommen Spar- und Investitionsquoten zunehmen. Daher sind die Einkommensteuer- und Abgabensätze die relevante Größe im Steuersystem. Dazu wissen wir, dass in Deutschland die Verbrauchssteuern moderat sind, die Einkommensbelastung aber sehr hoch.
Zu k):
Stefan, das hier könnte Dich interessieren 🙂
https://twitter.com/hav_hendrik/status/1599708958234537984?cxt=HHwWgMCj-cy0p7MsAAAA
Danke, ich bin da gerade auch massiv dran. Extrem spannende Diskussion.