Männliche Avokados schlagen Virologen grüne Umverteilungspläne in der Küche vor – Vermischtes 20.04.2020


Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) Die Krise der Männer

Wären da nicht Angela Merkel, Juli Zeh und die Infektiologin Marylyn Addo, man könnte den Eindruck gewinnen, unser Land bestünde ausschließlich aus Männern. Aber, halt! Das ist ja auch so, unser Land besteht in den Chefetagen noch immer größtenteils aus Männern, und wer in all den feministischen Debatten der vergangenen Jahre eventuell den Eindruck bekommen hatte, daran hätte sich irgendetwas geändert, der wird nun mit den kalten Tatsachen konfrontiert. All die Chefs wissenschaftlicher, medizinischer oder virologischer Institute sind größtenteils Männer, die meisten Chefärzte von Kliniken und Pflegeeinrichtungen sind ebenso Männer wie der übergroße Teil der Ökonomen und Politiker. All das ist bekannt. Man weiß das aus allen möglichen statistischen Erhebungen und Faktenanalysen. Nun, in der Krise, wird es uns noch einmal anschaulich und sichtbar vor Augen geführt. […] Solche Wortmeldungen sind nichts anderes als Versuche, traditionelle Rollenvorstellungen wieder wie die natürlichste Sache der Welt aussehen zu lassen und emanzipative und progressive Bewegungen und Diskurse als eine Art Luxusprobleme darzustellen. Krisen erleichtern solche Argumentationen. Krisen lassen solche reaktionären Forderungen als irgendwie logisch und plausibel erscheinen. Und so können Krisen, dafür gibt es genügend historische Beispiele, immer auch genutzt werden, um einen Backlash einzuleiten. […] Wahrscheinlich ist es kein Zufall ist, dass alle diese Männer Bücher männlicher Autoren lesen. Eher ist das ein privates Spiegelbild der vorhin beschriebenen Phänomene. Man nennt das übrigens Homosozialität und es bedeutet, dass sich Menschen am liebsten mit Menschen umgeben, die ihnen ähnlich sind. (Jana Hensel, Die Zeit)

Ariane hat es hier im Blog ja auch bereits öfter angesprochen, aber ich halte es für wertvoll, noch einmal zu betonen, wie krass sich Gendergrenzen in dieser Krise manifestieren. Am deutlichsten finde ich merkt man es daran, welche Bedeutung welchen Bereichen gegeben wird. Die als männlich wahrgenommene Wirtschaft kriegt einen Leitartikel nach dem anderen, während die Schulschließungen vor allem aus Sicht der Personaler betrachtet werden („Oh mein Gott, wird deren Abi nachher anerkannt?“), ohne dass die psychologischen Bedürfnisse der Kinder jemals vorkommen. Von der Pflege oder Kitas brauchen wir erst gar nicht zu reden, das sind klassische Frauendomänen, die werden gar nicht als Thema erkannt.

Das hat dann wiederum direkte Auswirkungen auf den Alltag. Als Eltern bist du eh abgemeldet, die Probleme, dass hier seit Wochen die Kinder aufeinander sitzen und auch weiterhin werden interessieren praktisch niemanden. Anstatt das wichtige Thema anzugehen, wie die Jahrgangsstufe 1 mit dem Riesenloch in ihrer Bildungskarriere zurecht kommt, wird ein Zinnober um das Abi dieses Jahr getrieben, das man einfach ausfallen lassen könnte. Und nächstes Jahr wird dann das Abi in der dann Jahrgangsstufe 2 geschrieben, die eventuell (je nach Schule) eine Riesenlücke haben, aber da wird dann keiner mehr mit Grabesstimme die Vergleichbarkeit bemühen, weil es ja wieder so aussieht wie vorher, als Bildungsergebnisse schön nach sozialer Herkunft getrennt waren. Es ist zum Heulen.

2) Former Jay Inslee 2020 Staffers Form New Group To Promote Climate Plan To Democrats

Thirteen hours before Jay Inslee dropped out of the Democratic presidential race last August, his campaign ― the first in history to make a serious bid for the White House on climate change alone ― rounded out its book-length stack of policy memos with a final 38 pages on rural infrastructure and paying farmers to store carbon dioxide removed from the air. […] “It was not just a campaign document, it was a governing document, and it could be used by anyone who ends up in the White House,” Inslee told HuffPost that day in August. Now a group of his former staffers is getting the band back together to promote an expanded version of that manifesto to candidates as the general election begins and to Democratic leaders as Congress weighs its next bill to curb the economic fallout of the novel coronavirus pandemic. […] On Tuesday evening, the group made a soft debut, sending its new 85-page memo to presumptive Democratic presidential nominee Joe Biden’s campaign and to party leaders in the House and Senate. On Wednesday morning, the group planned to loop in several hundred climate activists and policy experts. (Alexander C. Kaufman, Huffington Post)

Jay Inslees Präsidentschaftswahlkampf sticht aus den zahllosen Kandidaten der Democrats dieses Jahr hervor. Wie viele andere Bewerber hatte er nicht auch nur den Hauch einer Chance, aber anders als diese machte er nie einen Hehl daraus. Seine Bewerbung diente von Anfang an nur dazu, die Democrats dazu zu zwingen, sich dieses Jahr (anders als 2016) ernsthaft mit dem Klimawandel zu beschäftigen. Das ist ihm auch gelungen; nur wegen ihm ist das Thema in einigen der Primary-Debatten mit mehr als einer Feigenblatt-Frage behandelt worden.

Seine Bedeutung geht aber darüber weit hinaus. Sein Wahlkampfteam produzierte ein policy-paper nach dem anderen, schrieb Gesetzesentwürfe und Grundlagenpapiere. Das alles hatte nicht das Ziel, Umsetzung durch Präsident Inslee zu erhalten, sondern für den siegreichen Kandidaten die Arbeitsgrundlage darzustellen. Warren, Biden und Sanders hatten sich im Laufe des Primary-Wahlkampfs alle zu Inslees Programmen bekannt und diese in ihre jeweiligen Plattformen übernommen. Zu sehen, dass sein Stab nun weitermacht und direkt Vorbereitungsarbeit trifft, ist extrem hoffnungsspendend.

Der Grund dafür ist einfach. Sollte das Unerwartete eintreten und nicht nur Biden Präsident werden, sondern auch eine demokratische Mehrheit im Kongress stehen, besteht ein winziges Fenster für vernünftige Reformen. Die müssen zu dem Zeitpunkt fertig in der Schublade liegen. Noch einmal einen Aushandlungsprozess wie mit Obamacare kann sich die Partei nicht leisten. Das Vorbild muss Robert Wagner sein. Und was man hier sehen kann ist super. Jetzt brauchen wir das Gleiche noch für das Wahlrecht und für ein Konzept gegen die Ungleichheit. Ich hoffe einfach mal, dass Elizabeth Warren hier eine entsprechende Rolle spielen kann und wird. Sie ist einzigartig geeignet dafür.

3) Umverteilung? Kein Thema für Grüne

Offensichtlich wurde das Schweigen der Grünen, als die SPD-Vorsitzende Saskia Esken neulich eine krisenbedingte Vermögensabgabe vorschlug. Ihr Gedanke ist schlicht und einleuchtend: Besonders Wohlhabende sollen eine einmalige Zahlung leisten, um die finanziellen Folgen der Anti-Corona-Maßnahmen abzumildern. Esken argumentierte: „Wir werden eine faire Lastenverteilung brauchen.“ Die SPD-Chefin tat das, was man von der Vorsitzenden einer progressiven Partei erwarten darf. Sie dachte über den Tag hinaus, sorgte sich um die Staatsfinanzen und machte einen konkreten Vorschlag. Natürlich ließ der liberalkonservative Shitstorm nicht lange auf sich warten. „Eine Enteignungsdebatte kostet direkt Arbeitsplätze“, twitterte FDP-Chef Christian Lindner und tat so, als habe Esken vorgeschlagen, die komplette deutsche Industrie zu verstaatlichen. Wer jetzt die Steuerkeule auspacke, säe Zwietracht, empörte sich die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Auf Twitter hagelte es Beschimpfungen, Esken wurden „Umverteilungsfantasien“ und eine „Klassenkampfagenda“ vorgeworfen. Eigentlich hätten sich die Grünen solidarisch an die Seite Eskens stellen müssen. Sie hätten gute Argumente gehabt. Diese Krise kostet die SteuerzahlerInnen Hunderte Milliarden Euro. Wie viel es am Ende wird, weiß noch keiner. Warum sollten mehrfache Milliardäre, deren Firmen gerade vom Staat mit Konjunkturpaketen abgesichert werden, nicht später eine Vermögensabgabe zahlen? Die Frage der Lastenverteilung wird zentral werden, spätestens für die nächste Bundesregierung, in der die Grünen sitzen wollen. Und sie warben im Wahlkampf 2013 ausdrücklich für eine Vermögensabgabe, um Maßnahmen zur Bankenrettung zu finanzieren, für die sich der Staat in den Jahren davor verschuldet hatte. Eine befristete Krisenfinanzierung ist also eine urgrüne Idee, Esken hat sie nur wiederholt. (Ulrich Schulte, taz)

Mir ist völlig klar, warum die Grünen die Klappe halten. Keine Partei hält aktuell mehr die Klappe als die Grünen. Mir ist außer Habecks einem dummen Kommentar zur energetischen Hotelsanierung auch praktisch nichts aus der Corona-Ära bekannt. Das ist sehr vernünftig, denn es gibt hier für die Grünen nichts zu gewinnen. Sie sind in der Opposition, es gibt wenig Substanzielles an der Regierungspolitik zu bemängeln (nur die Feinheiten der Ausführung, aber das macht eh jeder, da fügt die Stimme der Grünen nichts hinzu) und niemand interessiert sich für ihre Kernthemen. Angesichts dessen ist es ein Zeichen für ihre neue Stabilität, dass sie in den Umfragen immer noch bei 20% liegen und nicht wieder abgestürzt sind. Wenn die Krise vorbei ist, ist das ein sehr bequemes Polster für den Wiederaufstieg in die 30%-Region.

Aber das Schweigen hat noch eine ganz andere Ursache. Die Partei ist immer noch traumatisiert vom Veggie-Day 2013. Ein 327-Seiten-Programm. Ein Absatz im Bereich zur Massentierhaltung. Keine Sau interessierte sich für die detaillierten Lösungskonzepte der Grünen (sagt nicht, ich hätte nicht davor gewarnt), stattdessen suchte und fand die unheilige Allianz aus Springer und CDU ein Thema, um die damals in Umfragen gefährlich aussehenden Grünen abzusägen. Man muss es ihnen lassen, sie waren erfolgreich. Aber man braucht sich deswegen nicht darüber zu wundern, dass die Grünen heute einen CO2-Preis lieber mal halb so hoch ansetzen wie selbst konservative Forscher, und dass sie mit Sicherheit keine Aussage zum Lastenausgleich machen werden.

Wozu auch? Aktuell ist das ein Thema für die Regierung, und wenn sie selbst dran kommen ist genug Zeit mit Plänen in die Offensive zu gehen. Sollte die Wahl 2021 eine Mehrheit für einen grünen Kanzler unter G2R ergeben, dann ist die Lastenverteilung der Corona-Rettungskosten ohnehin ein politisches Thema, ohne dass sich auch nur ein Grüner aus der Deckung wagen muss. Und wenn 2021 eine Mehrheit für Schwarz-Grün oder Grün-Schwarz oder sogar Jaimaika entstehen sollte, wäre es kein Thema und daher purer Ballast in Koalitionsverhandlungen. Nein, die Grünen machen das gerade schon richtig.

4) Tweet

Den gelungenen Scherz einmal beiseite gelassen ist die BILD-Schlagzeile ein herausragendes Beispiel für die völlige Verantwortungslosigkeit, mit der sich diese Blattmacher derzeit anschicken, die öffentliche Debatte zu vergiften und das Risiko gigantisch zu erhöhen. Die pejorative Nutzung von „kassiert“ passt gut zu der Linie des Blattes, die Virologen anzugreifen – was zu dem Klima des Misstrauens und des Hasses gegen sie beiträgt, von dem unter anderem Christian Drosten im NDR-Podcast berichtet hat und das, abgesehen von dem individuellen Schaden an der Person, zusammen mit Hobby-Tabubrechern wie Christian Lindner maßgeblich mit zu der allgemeinen Unsicherheit beiträgt, deren Auswirkungen Ko-Autor Beermann hier schön beschrieben hat.

Neben dem Framing der BILD, Virologen seien irgendwie vergleichbar mit CEOs, fällt die Zeitung auch mit ihrer Hetze gegen Muslime auf. Warum sollte man auch in der Pandemie damit aufhören, auf Minderheiten einzuschlagen? Wie üblich ist man mit diesem Rezept auch außerdentlich erfolgreich unterwegs.

5) Coronavirus Crisis May Keep the Sanders Revolution Rolling

Now that Bernie Sanders has dropped out of the presidential race and endorsed presumptive candidate Joe Biden, it’s worth considering just how profoundly Sanders seems to have shifted the policy landscape. Despite the rise of inequality and other long-term economic problems, a majority of Democrats probably felt too comfortable with the current system to embrace revolutionary change. Although the Sanders insurgency is over, many of the progressive ideas he urged on the electorate may yet come to pass in some form — thanks to the crisis unleashed by the coronavirus. […] The pandemic has also illustrated the inefficiency and unfairness of the U.S. health-care system. Even insured people have received steep bills for coronavirus testing and treatment — a typical outcome in the byzantine world of insurance networks. […] Americans also must be wondering: If enormous surprise bills are unbearable for this disease, why are they ever acceptable? A system that reduces out-of-pocket costs and takes the uncertainty out of billing is looking more and more sensible. Finally, the lockdowns forced by coronavirus have required government to rapidly expand its role in the economy. Much of American industry is now being kept afloat by government loans. […] So although Sanders’s personal revolution is over, a bigger revolution may just have begun. A major national disaster can spur a country to embrace government in ways that seemed unthinkable just a few short months earlier. (Noah Smith, Bloomberg)

Sanders hatte denselben Effekt übrigens auch 2016. In diesem Jahr drückte er die Plattform der Democrats ebenfalls deutlich nach links (was die konservativen Never-Trumper gerne als Grund für Hillarys Niederlage hernehmen, aber das halte ich für Quatsch). Dieses Jahr war sein Erfolg noch deutlicher, denn eine Übernahme von Positionen reichte schon nicht mehr; vielmehr wurden viele Prämissen Sanders‘ direkt in Bidens Plattform übernommen. Und das ist eine gute Sache.

Der andere Punkt ist Smiths hypothetisches Szenario, das den Amerikanern mehr Staatsfreundlichkeit nach der Krise zuspricht. Das mag auf die Progressiven durchaus zutreffen, wo „Medicare for All“ möglicherweise weitere Anhänger gefunden hat. Aber das Land scheint mir zu tief gespalten, als dass groß damit zu rechnen ist, dass Corona über ein „preaching to the choir“ hinaus Effekte hier haben wird. Ich lasse mich aber natürlich gerne vom Gegenteil überzeugen.

6) Europa als Haftungsunion – Europa scheitert an deutschen „Juristen“

Hier mischt sich Unkenntnis über die Funktionsweise eines Geldsystems der nicht weiter benannten „Finanzexperten“ mit den Instinkten eines imaginären „Juristen“, der über rudimentäre BWL-Kenntnisse verfügt: Schulden sind durch die Brille der Haftung zu analysieren. Wenn Deutschland weiterhin mit solchen „Juristen“ in Regierung, Presse und Parteien nach Brüssel fährt, wird die Eurozone zerbrechen und damit auch die EU. Was ist das Problem? Das Problem liegt darin, dass die „Juristen“ immer wieder die Haftungsfrage diskutieren, die zwar juristisch gesehen tat­säch­lich beant­wortet werden kann und muss, praktisch gesehen aber komplett irre­levant ist. Denn Eurobonds wären Anleihen der Eurozone und hätten keinerlei Ausfallrisiko. Wenn die Inve­storen wollen, können sie die Eurobonds immer an die EZB verkaufen. Diese dürfte Eurobonds unbe­grenzt von den Investoren ankaufen. Ein Verlust ist also ausge­schlossen. […] Wir halten also fest: Die bisherigen wirtschafts­politischen Interventionen der EZB und der EU-Kommission haben den Weg für Erhöhungen der Staatsausgaben freigemacht. Alle Ampeln stehen also seit Mitte März auf Grün: Die nationalen Regierungen können ihre Aus­gaben nach den finanziellen Erfordernissen zur Bewältigung der Krise erhöhen. Die Finan­zierungsfrage stellt sich nicht. Staatliche Zahlungsausfälle müssen nicht befürchtet werden. Sämtliche gegen­wärtig diskutierten Haftungsfragen sind obsolet. Allerdings scheint das bei den politischen Akteuren noch nicht angekommen zu sein oder aber sie trauen der EZB und der Kommission nicht. (Dirk Ehnts, Verfassungsblog)

Das war schon in der Euro-Krise etwas, das mich an Wolfgang Schäuble sehr gestört hat: diese Fixierung auf das Juristische. Ist in seinem Fall auch nicht überraschend, der Mann ist gelernter Anwalt, aber die entsprechenden Leute sind halt was Wirtschafts- und Finanzpolitik angeht echt flexibel wie deutsche Eichen. Dasselbe Problem bestand ja bei der Lösung der Flüchtlingskrise auch, wo man jahrelang an der Schimäre der Dublin-Regeln festgehalten hat (pacta sunt servanda und all das), während die Peripherieländer um Hilfe schrien. Viktor Orban liegt ja nicht falsch wenn er sagt, dass Deutschland eine europaweite Lösung erst dann forderte, als Flüchtlinge ins Land kamen.

Überhaupt sind wir immer sehr flexibel mit bestehenden Verträgen, wenn wir selbst betroffen sind. Ich weiß nicht ob mich das ärgern oder freuen soll. Ärgern, weil es zeigt, wie sehr diese ganze Prinzipienreiterei Heuchelei ist und dass man sie immer nur dann einhält, wenn man selbst nicht betroffen ist. Freuen, weil es ja äußerst vernünftig ist, in Krisensituationen untaugliche Regelwerke über den Haufen zu werfen. Man kann ja etwa an der Schuldenbremse sehen, dass das (für mich) überraschend gut geschrieben wurde, weil der Notfallmechanismus von Anfang drin war und das Ding jetzt nicht den notwendigen Soforthilfen im Weg steht. Das hat man bei den europäischen Regelungen immer vergessen. Und Deutschland hat ja, um auf den ursprünglichen Punkt zurückzukommen, die Maastricht-Regeln auch immer nur dann durchsetzen wollen, wenn das eigene Defizit gerade gepasst hat, und sie mehr als grobe Richtlinien gesehen, wenn man sie überschreiten wollte.

7) Tweet

Wie irgendjemand diese aufgeplusterte Umweltsau-Debatte ernst nehmen konnte ist mir völlig unklar. Das war ein völlig künstlicher Skandal, genauso wie der Veggie-Day. Rechte Identitätspolitik in Reinkultur. Hauptsache über was empören und hypermoralisieren können.

Ich beobachte diese Tendenz, auf immer den nächsten Empörungszug aufzuspringen, übrigens bei sehr vielen Leuten, völlig unabhängig von der politischen Ausrichtung. Vielleicht gerade sogar bei denen, die sich eher peripher mit Politik beschäftigen. Diese Dinger schwappen immer in Wellen durch die sozialen Netzwerke und werden halt geteilt und mit dummem Geschwätz kommentiert. Ich kriege das über Dritte mit (politisch wenig interessierte Bekannte, die mich dann dazu fragen oder das am Rande erwähnen), da kommst mit dem Aufklären oder Gegenhalten überhaupt nicht nach.

Ich könnte mir gut vorstellen, dass das tatsächlich ein Internet-Problem ist, weil eben die Vebreitungsgeschwindigkeit hier so hoch ist und keinerlei Filter existieren. In einer Zeit, in der du diesen Dreck nur aus der BILD bekommen hast, dürfte die Verbreitungsgeschwindigkeit geringer gewesen sein. Aber vielleicht auch nicht; über so was täuscht man sich ja immer gerne…

8) „Für Donald Trump ist Geld etwas, das die Banken zaubern“ (Interview mit Adam Tooze)

ZEIT ONLINE: Warum?

Tooze: Weil in einer Währungsunion eine andere Logik greift. Die EZB ist nicht für einen Staat zuständig, sondern für 19. Das bedeutet: Über die Bilanz der Zentralbank können im Prinzip Transfers von einem Staat in den anderen organisiert werden.

Das ist aber nicht vereinbar mit der vor allem von Deutschland durchgesetzten Konzeption der Eurozone als Gemeinschaft finanzpolitisch weitgehend eigenverantwortlicher Staaten. Deshalb ist der EZB die Staatsfinanzierung sogar vertraglich verboten. Das führt dann zu der bizarren Situation, dass die Notenbank ihre Handlungen mit allerlei fadenscheinigen Argumenten rechtfertigen muss. Dann kommen die Kritiker aus Deutschland und sagen: Das ist doch alles Quatsch, und ziehen vor das Bundesverfassungsgericht.

ZEIT ONLINE: Ist es Quatsch?

Tooze: Natürlich ist es Quatsch. Über die Anleihekäufe findet eine Vergemeinschaftung von Haftungsrisiken statt. Das ist ein Fakt. Die Verfassungsrichter aber müssen sich dann argumentativ verrenken um der EZB einen Freibrief auszustellen, weil der Euro wahrscheinlich Geschichte wäre, wenn das höchste deutsche Gericht die Politik der Notenbank für unrechtmäßig erklären würde. Und am Ende freut man sich in Berlin, dass die finanzpolitische Souveränität nicht aufgegeben werden musste. Es ist wie im Tollhaus.

ZEIT ONLINE: Sie sagen: Wir machen uns nicht ehrlich?

Tooze: Ja. Mich erinnert das an die deutsche Position in der Sicherheitspolitik. Die Deutschen sagen: Wir wollen Souveränität, sind aber nicht bereit, die Kosten dafür zu tragen, etwa in Form höherer Militärausgaben. Und wenn uns der dumme Trump dann die Rechnung präsentiert, dann schauen wir weg. Die Leute bei der EZB sind Kenner. Die wissen, was sie machen. Die deutsche Regierung verlässt sich auf die funktionale Effektivität dieser Maßnahmen, nimmt aber eine politische Delegitimationsspirale in Kauf. (Mark Schieritz, ZEIT)

Man muss klar sagen: Trump hat’s verstanden. Geld ist etwas, das die Banken zaubern. Und Tooze hat völlig Recht, dass alleine die Mentalität der Deutschen (siehe Fundstück 6) dafür sorgt, dass das nicht einfach entsprechend argumentiert wird. Es ist wieder dieses Juristendenken, man will das alles in den bisherigen Status Quo zwängen, Hauptsache es sieht sauber aus. Wo angelsächsische Notenbanken mit großem Erfolg tun, was notwendig ist, verstärken wir völlig unnötig Krisen. Aber alles bleibt im Rahmen der Verträge!

9) Wer zahlt für den Stillstand?

Die zusätzlichen Staatsschulden sind also letztlich die finanzielle Ausdrucksform des von der Gemeinschaft übernommen Anteils der Krisenkosten. Im Kern geht es in der Debatte um den Umgang mit den Schulden, um die Verteilung der Lasten. Prinzipiell gibt es dabei drei Möglichkeiten: Man kann die Schulden erstens abtragen, man kann sie zweitens entwerten oder man kann sie drittens einfach ignorieren. […] Auch dafür gibt es historische Beispiele: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde in Deutschland eine einmalige Vermögensabgabe eingeführt, der sogenannte Lastenausgleich. Auf diese Weise können Wohlhabendere an den Krisenkosten beteiligt werden. Ein Staat hat jedoch gegenüber einem Privathaushalt einen entscheidenden Vorteil: Er gibt das Geld selbst heraus, mit dem er seine Schulden bezahlt. Deshalb lässt sich die Schuldenlast zweitens auch durch monetäre Interventionen verringern. Die Schulden werden also entwertet. […] Die Bundesregierung könnte also darauf setzen, dass die deutsche Volkswirtschaft nach der Krise weiter wächst und irgendwann so groß ist, dass die zusätzlichen Schulden keine Rolle spielen. Genau das war die Strategie nach der Finanzkrise. Ob das Kalkül aufgeht, hängt natürlich von der Höhe der zusätzlichen Schulden und damit von der Dauer der Krise ab – aber auch davon, wie hoch die Zinsen sind, zu denen die auslaufenden Schuldtitel refinanziert werden. […] Am Ende wird die Rettungspolitik weniger teuer sein als es Schuldenapokalyptiker Glauben machen wollen. Aber dass sie komplett zum Nulltarif zu haben sein wird, ist ebenfalls unwahrscheinlich. Es werden Kosten anfallen. Um so wichtiger ist es, über die Verteilung zu reden. Sonst werden sie denjenigen untergejubelt, die sich am wenigsten dagegen wehren können: Den Schwächsten. (Mark Schieritz, ZEIT)

Bereits zu Beginn der Corona-Krise gab es ja einige spannende Diskussionen um einen Lastenausgleich 2.0. Angesichts der krassen Ungleichheit der Belastung fände ich das ein grundsätzlich valides Konzept. Schließlich sind manche Branchen tödlich betroffen, während andere einfach weiterarbeiten können. Dasselbe gilt für die Arbeitnehmer: Ich kann im Home Office bei vollem Gehalt weitermachen, während manche Selbstständige einfach gar nicht arbeiten können und ihr Einkommen auf null reduziert sehen. Es ist daher durchaus fair, nachher zu schauen, wer in der Krise relativ gut durchgekommen ist und wer nicht und entsprechend eine Abgabe zu machen. Ein Problem könnte halt analog zur Vermögenssteuer sein, dass das so komplex ist, dass es den Aufwand nicht lohnt.

Andernfalls ist das Ignorieren sicherlich auch eine gut mögliche Option, vorausgesetzt, die Rezession bleibt V-förmig. Das hat für die Kosten der Finanzkrise ja auch gut geklappt. Die Risiken sind hier natürlich auch vorhanden, aber angesichts der grundsätzlichen Stärke der deutschen Volkswirtschaft überschaubar. Und zuletzt bliebe natürlich auch die Option, die EZB zu reformieren und die Finanzierung analog zur britischen Notenbank einfach direkt übernehmen zu lassen, aber da wird Deutschland sich sicherlich querstellen (vergleiche Fundstücke 6 und 8).

10) Tweet

Auf die vermehrte Kritik erklärte Laschet zudem noch, Nordrhein-Westfalen sei „das Land der Küchenbauer“. In der Zwischenzeit spielt auch Ministerpräsident Kretschmer aus Sachsen auf der vollen Flöte der rechten Identitätspolitik, indem er die besseren Zustände in Deutschland vis-a-vis Italien damit erklärt, dass es eben die deutsche Kultur sei, vorher Pläne zu machen, dann „laufe auch alles wie am Schnürchen“. Mir ist etwas unklar, was seine Überlegung hier ist. Er bläst ins gleiche Horn wie Lindner und geriert sich als Gegenpol zur Regierung, aber diese Regierung tut ja was sie kann und genießt gigantische Zustimmungswerte, was man von Laschet nicht eben behaupten kann. Und das Problem ist ja, dass sein Widerstand gegen die Maßnahmen aus Berlin nicht mal sinnvoll ist! Er kritisiert ja nicht irgendwelche Versäumnisse, die er in NRW besser angehen könnte oder die ihm schaden, sondern begehrt einfach nur gegen die Regeln generell auf, für diejenigen Branchen, die ihm Wahlkampfunterstützung geben (wie die Möbelbranche). Da kommt dann solcher gequirlter Mist raus.

11) The Coming Avocado Politics

Unfortunately, as the recent Austrian case illustrates, embracing a catastrophic view of climate risk — including the threat of creating massive numbers of climate refugees and migrants — is unlikely to provoke “progressive” responses on the Right, but rather quite the opposite. In particular, while the rhetoric of “environmental emergency” may inspire efforts to protect broad-based populations, it may also drive hoarding by the powerful and the exclusion of out-groups. In other words, the barriers that people may want to build to adapt to the realities of rising temperatures may include not only seawalls to hold back the rising tides, but also border walls to hold back the flood of humans fleeing the consequences of climate change, restricting economic development opportunities to white people, or perhaps even outright advocacy of genocide. This prospect is what for the last decade I have been calling, less descriptively than predictively, “Avocado Politics”: green on the outside but brown(shirt) at the core. The term is an ironic nod to a moniker used in the 1970s and ’80s to describe the green parties in Western Europe: “Watermelon Politics” — green on the outside, red on the inside. This referenced the fact that many first-generation European Green Party leaders, like Daniel Cohn-Bendit, had been prominent members of the New Left student movements. As a term of derision, “Watermelon Politics” suggested that green and environmentalist themes were little more than an environmentalist repackaging of the same old leftist policies these politicians and their followers had favored earlier for other, more explicitly socialistic, reasons. Avocado Politics is the parallel phenomenon on the Right: just as watermelon politics repackaged the political wish list of the Left on the basis of the environmental crisis, Avocado Politics reiterates the policy agenda of the far right, but now justified on the basis of the environmental crisis. As traditional conservative parties crumble and the far right gains power in many countries, embracing the reality of global warming is likely to be used to provide a powerful new set of justifications for the far-right policy program. Indeed, Avocado Politics is a good example of what people in the scenario-planning business refer to as “an inevitable surprise” — something that seems out of the realm of likelihood right now, a possibility largely off the radar, that in fact is almost certain to happen at some point. (Nils Gilman, The Breakthrough)

Die hier geäußerte Befürchtung ist mit Sicherheit nicht von der Hand zu weisen. Weder zucken autokratische Staaten in der Corona-Krise davor zurück, eine Pandemie zur Mehrung ihrer diktatorischen Befugnisse zu gebrauchen, noch werden sie die Chance verstreichen lassen, eine Klimakrise dazu zu nutzen. Gerade deswegen ist es für Progressive ja auch so eine Priorität, die Klimakrise jetzt zu bekämpfen und nicht, wenn sie mit voller Wucht da ist. Dann wird nämlich die Attraktivität für maximal-invasive Maßnahmen, nationale Alleingänge und Gewalt viel zu groß sein. Das sehen wir ja auch an Corona.

Gleichzeitig wird für die Bekämpfung der Klimakrise dieselbe toxische politische Dynamik wie bei Corona auch ablaufen: there is no glory in prevention. Sind die Maßnahmen erfolgreich und verhindern die Katastrophe, dann schreien die Rechten, dass man immer übertrieben hat. Und so würde, wenn die Progressiven tatsächlich a) an die Macht kommen und b) diese Macht dann für entsprechende Maßnahmen nutzen ein Pushback entstehen, gegen den der Unsinn eines Lindners oder Laschets wie eine Traumwelt anmutet – und vielleicht erst recht die Tür zur rechten Diktatur öffnen. Es ist zum Heulen.

{ 105 comments… add one }
  • CitizenK 20. April 2020, 17:05

    9) Es ist nicht „so komplex wie die Vermögensteuer“, es geht ja um Einkommen, die viel einfacher zu erfassen sind, weil es kein vergleichbares Bewertungsproblem gibt.

    An Eskens Vorstoß war nur das Timing zu kritisieren. Und das auch nur wegen der böswilligen Reaktionen.

    • Stefan Sasse 20. April 2020, 18:33

      Wie gesagt, künstliche Debatte, gar keine Frage.
      Aber wenn wir nur Einkommen nehmen, ist es super ungerecht. Am meisten belastet werden müssten Kapitalerträge.

    • derwaechter 20. April 2020, 20:41

      1)
      Das ist aber ein sehr gewagter Sprung. Wirtschaft wird ernster genommen als Schule, weil das eine männlich und das andere weiblich wahrgenommen wird? Im
      Ernst? Ich glaube, da könnte es noch andere Faktoren geben. An der Wirtschaft hängt zum Beispiel unmittelbar der Lebensunterhalt der allermeisten Menschen. Das ist per se sehr wichtig. Probleme bei Schule machen sich für die meisten erst langfristig und indirekt bemerkbar. Menschen sind notorisch schlecht in langfristigen und komplizierten Zusammenhängen zu denken.

      Übrigens, als die meisten heute Erwachsenen (also auch die „Meinungsmacher“) Abi gemacht haben, war das Gymnasium noch eine Männerdomäne (Mehr Lehrer als Lehrerinnen).

      Und zum Artikel. Wer die Krise braucht um zu merken dass die macht in Land überwiegend bei Männern liegt, sollte vielleicht auch sonst mal öfter Zeitung lesen oder Nachrichten schauen 🙂

  • Stefan Pietsch 20. April 2020, 17:34

    9)

    Die Annahme eines V-Verlaufs ist überholt und sie war zu keinem Zeitpunkt von Substanz. Es ist typisch links, sich über die Verteilung von Kosten Gedanken zu machen, wenn noch niemand einen Überblick hat, wie hoch denn diese überhaupt ungefähr ausfallen könnten. Etatistisch halt. Und natürlich ist diese Frage für Linke nur insoweit von Belang, als sie an die Belastung der üblichen Verdächtigen denken.

    Doch hier haben die Heuchler von der SPD längst ihre Unschuld verloren. Wer vor Monaten die Abschaffung des Solis mit der Begründung verweigerte, dies wäre sozial ungerecht, kann nun kein Sonderopfer einfordern. Das glaubt niemand mehr, dass ein solches dafür wäre, die Folgen der Coronakrise aufzufangen. Die Linken suchen nur immer wieder nach Wegen, ihren Uralt-Wein zu verkaufen. Aus einer Einmal-Abgabe wird eine Mehrmal-Abgabe, aus einer Sonderabgabe eine Dauereinrichtung.

    Liebe Linke, Ihr seid politisch so unehrlich, wie man es nur sein kann.

    • CitizenK 20. April 2020, 17:57

      Lieber Liberaler, Sie sind so borniert, wie man das nur sein kann.

      Sonst wäre Ihnen nämlich aufgefallen, dass Stefan Sasse und ich GEGEN unsere eigenen Interessen geschrieben haben. Wir haben ein festes und sicheres Einkommen, Brüning’sche Kürzungen sind nicht in Sicht und sind wohl durch die Verfassung ausgeschlossen.

      Was wir vorschlagen, ist vor allem im Interesse der Selbständigen, die finanziell unter der Krise leiden. Und da die Krise eine gesamtgesellschaftliche ist, ist das unfair. Sie erinnern sich vielleicht: „Gerechtigkeit als Fairness“ von John Rawls.

      Legen Sie endlich Ihre Scheuklappen ab, Mann!

      • Stefan Pietsch 20. April 2020, 18:18

        Nochmal: Sie haben Ihre Unschuld verloren, als Sie gegen die völlige Abschaffung des Solis votierten. In dem Moment wurde das gegebene Versprechen gebrochen, dass eine Sonderabgabe eben für einen Sonderzweck bestimmt ist und danach wieder abgeschafft werden muss.

        Das Vertrauen in die Redlichkeit politischer Zusagen ist völlig ohne Not – wir hatten eine exzellente Finanzlage des Bundeshaushaltes – verletzt worden und lässt sich nicht mehr einfach herstellen. Ich wäre für eine neue Sonderabgabe. Aber ich besitze in der Frage noch meine Unschuld. Keinem Linken, der in den letzten Monaten für den Beibehalt des Solis aus „Gerechtigkeitsgründen“ eintrat, glaube ich in der Beziehung noch ein Wort, dass die Abgabe wirklich nur für die Last der Folgewirkungen der Coronakrise notwendig sei. Kein Wort.

        Und wer das alles war, können wir ja nachlesen. Das ist keine Borniertheit, dass ist das Ergebnis verlorenen Vertrauens. Ich habe vor Monaten gesagt, dass ein solcher Vertrauensverlust eben nicht folgenlos bleiben wird. Kein Besserverdiener wird über lange Zeit solchen politischen Versprechungen noch vertrauen.

        • Stefan Sasse 20. April 2020, 18:35

          Weil das Vertrauen der Besserverdiener in die Regierung bisher so hoch war? ^^

          • Stefan Pietsch 20. April 2020, 18:46

            Was ist denn das für eine Auffassung von Verfassungstheorie, ein Teil der Bürger und deren Vertrauen in den Staat ist mir egal, so lange sie zahlen?

            • Stefan Sasse 20. April 2020, 20:11

              Das war eine scherzhafte Bemerkung, keine Verfassungstheorie.

        • CitizenK 21. April 2020, 09:56

          Was ist mit dem Vertrauen der Nicht-Besser-Verdienenden, aber Systemrelevanten, dass es außer Singen und Klatschen auf dem Balkon mehr für sie gibt: Mehr Geld, mehr Personal, bessere Ausstattung?

          Das Geld dafür muss ja irgendwo her kommen: Höhere Krankenkassenbeiträge, höhere Preise, höhere Steuern. Wir alle werden weniger zur Verfügung haben. Bei Ihnen fällt dann die Sonderausstattung beim nächsten Porsche etwas weniger üppig aus, bei uns fällt der Familienurlaub weg.

          Die Sonderabgabe halten Sie, Eskens und ich für notwendig: Konsens also. Die Befürchtung, dass diese auf Dauer gestellt wird, lässt sich ausräumen durch eine Kontrollklausel im Gesetz. Kein Grund zur Verzweiflung: Eskens wird nicht Kanzlerin.

          • Stefan Pietsch 21. April 2020, 10:13

            Ich verstehe die Frage nicht. Es ist die Selbstverständlichkeit in einem Rechtsstaat, dass sich Abgaben an politischen Zusagen wie verfassungsrechtlichen Grenzen halten. Es war immer gesagt worden, dass der Soli (allein) zur Deckung der Kosten Deutsche Einheit erhoben wird. Dies gilt mit dem Auslaufen des Solidarpaktes II als erfüllt. Dennoch wollte die SPD schon Ende 2019 die Abgabe für Besserverdiener bis ultimo fortführen und daraus eine zusätzliche „Reichensteuer“ machen. Das ist das Gegenteil von Vertrauensschutz.

            Bis Februar hatten wir eine exzellente Finanzlage. Wenn der Staat und speziell die Linken sich in einer solchen komfortablen Situation nicht an Zusagen und (wahrscheinlich) grundgesetzliche Gegebenheiten zu halten bereit sind, werden sie das in keiner Lage.

            Sie haben die Abgabe bereits bei bester Kassenlage für notwendig gehalten, als verteilungspolitischen Gründen. Nun möchten Sie sie aus finanzpolitischen Gründen erhalten wissen. Kurz: Sie erwarten nicht wegen den krisenhaften Bedingungen mehr Finanzeinsatz von Besserverdienern, sondern weil Sie grundsätzlich gerne abkassieren. Das ist prinzipienlos und muss ich nicht ernst nehmen. Genau deswegen tue ich es auch nicht.

            Sie hätten viel mehr Autorität in der Frage, hätten Sie sich vor Monaten für die Abschaffung eingesetzt. Das hätte Sie politisch nichts gekostet und den Staat auch nicht wirklich viel. Stattdessen war es Ihnen wichtiger, das gegebene Vertrauen zu brechen.

            Machen Sie das mal im privaten Kreis. Sie werden ziemlich bald ziemlich wenig gemocht werden.

            P.S.: Ich fahre keinen Porsche und tatsächlich kann ich mir so ein Auto nicht leisten.

        • cimourdain 22. April 2020, 09:09

          Zum Soli habe ich einen interessanten Vergleich gehört: Die, die sich auf einen nicht mehr gegeben Zweck berufen, sind wie jemand, der sich bei der Kündigung eines Vertrags darauf berufen möchte, was der Verkäufer ihm bei Vertragsabschluss erzählt hat. Was zählt, ist nun mal was im Vertrag (oder hier Gesetz) steht. Und da ist nun mal weder eine Auslaufklausel noch eine Zweckbindung zu finden. Das heißt natürlich nicht, dass eine Partei sich nicht für die Abschaffung legitim einsetzen kann, aber ein Automatismus ist eben nicht gegeben.

          • Stefan Pietsch 22. April 2020, 10:01

            Da hat aber jemand nicht viel nachgedacht.

            1. Welche Begründung hätten die anhängenden Klagen in Karlsruhe, wenn der Soli wie eine normale Steuer weder politisch noch rechtlich unbefristet wäre?

            2. Tatsächlich handelt es sich beim Solidaritätszuschlag um eine Ergänzungsabgabe auf die Einkommensteuer und die ist sehr wohl verfassungsrechtlich zweckgebunden. Der Zweck ist entfallen, was der Bundesfinanzminister ins einer Klageerwiderung in Karlsruhe abstritt, als er im Zusammenhang mit der Deutschen Einheit weitere Bedarfe geltend machte.

            3. Die Politik selbst hat über Jahre klar gemacht, zu welchem Zweck der Soli notwendig sei. Sie weisen nun Politikern die Glaubwürdigkeit von Winkeladvokaten und Gebrauchtwagenhändlern zu, denen man alles, nur kein Wort glauben sollte. Das ist gerade in diesen Zeiten besonders hilfreich, wo wir auf die Redseligkeit und Glaubwürdigkeit der politischen Klasse vertrauen müssen. Eine solche Argumentation halte ich da wirklich nicht für besonders clever – vorsichtig ausgedrückt.

            • cimourdain 22. April 2020, 18:38

              1. Bisher wurden alle Klagen höchstrichterlich zurückgewiesen.
              2. Ergänzungsabgabe ist nur ein anderes Wort für Annexsteuer. Historische Anmerkung: Es gab bereits 1968 eine Ergänzungsabgabe, die genauso funktioniert hat wie der Soli. Auch diese ist nicht ausgelaufen sondern durch eine Einkommensteuerreform 1975 abgeschafft worden.
              3. Kurzfassung: Ich vertraue auch meiner Versicherung. Trotzdem habe ich die Police im Ordner, weil ich weiss, dass ich mich damit im Zweifel gegen Willkürentscheidungen wehren kann. Das ist für mich einer der Grundsätze des Rechtsstaates: Ich vertraue anderen, weil ich weiss,worauf ich vertrauen kann, wenn es mal zu einem Konflikt kommt.
              3a) Ist die Formulierung „…in Zeiten […], wo wir auf die Redseligkeit […] der politischen Klasse vertrauen müssen.“ ein Freudscher Verschreiber?

              • Stefan Pietsch 22. April 2020, 19:03

                1. Tatsächlich? Meines Wissens sind die diesbezüglichen Klagen anhängig. Ob der Soli 2019 auslaufen musste, ist nicht entschieden. Bitte korrigieren.

                2. Der Kohlepfennig wurde 1994 als verfassungswidrig eingeordnet, da die Allgemeinheit mit einer Abgabe belastet wurde, die keine besondere Finanzierungsverantwortung habe. Wo sehen Sie eine besondere Finanzierungsverantwortung durch den Soli? Es gibt keine gesonderte Aufgabe, die von allen zu finanzieren wäre, die nicht durch allgemeine Steuern gedeckt ist.

                3. Der Staat ist keine Versicherung. Er hat sich streng an rechtsstaatlichen Maßstäben zu orientieren. Das Bundesverfassungsgericht gibt hier die Interpretation vor.

      • Stefan Sasse 20. April 2020, 18:34

        Danke.

      • Ariane 21. April 2020, 13:35

        Zustimmung.

        Brüning’sche Kürzungen sind nicht in Sicht und sind wohl durch die Verfassung ausgeschlossen.

        Hm. Ich meine, ich glaube nicht, dass es dazu kommen wird. Aber ist das wirklich durch die Verfassung ausgeschlossen? Da wäre jetzt ja eh nichts mehr zu holen, aber ich habe gerade nicht mehr soviel Vertrauen in die „Leistungsträger“, als dass ich es für völlig ausgeschlossen halte, dass die Krisenkosten doch bitte von Mittel- und Unterschicht durch Kürzung von Sozialausgaben und Einsparungen mitfinanziert werden sollen.

        Ist natürlich Quatsch, weil da einfach nicht genug bei rumkommt, aber Gürtel enger schnallen oder ähnliches hört man ja auch bei Milliardenüberschüssen noch.

        Muss ehrlich sagen, wenn ich sehe, wie viele Medien und Politiker sich mitten in der Anfangsphase einer Pandemie verhalten, wird es wenn es um die Kosten derselbigen geht, sicherlich noch kampagnenmäßiger abgehen. Und zwar ohne eine CDU-Kanzlerin nach allem, wonach es gerade aussieht.
        Hach Gott, wir müssen wirklich daran arbeiten, dass die CDU am besten wirklich mal komplett aus der Regierung fliegt, sonst wird das alles nichts. (außer fünfte Amtszeit natürlich)

        • Stefan Sasse 21. April 2020, 15:21

          Ja, das Sozialstaatsgebot verbietet das. Das hat das BVerfG in seinen Grundsatzurteilen zum soziokulturellen Existenzminimum ziemlich deutlich gemacht.

    • Stefan Sasse 20. April 2020, 18:34

      Lol, seit wann ist es TYPISCH LINKS, sich Gedanken zu machen, wer die Kosten von Staatsausgaben zahlt?! Das ist doch normalerweise voll euer Ding.

      • Stefan Pietsch 20. April 2020, 18:47

        Erst wird gerechnet, dann über die Folgen entschieden. Aber Linke stolpern halt immer wieder über ihre eigenen Beine. 🙂

        • Stefan Sasse 20. April 2020, 20:12

          Ich lass das mal unkommentiert bis du dich das nächste Mal über irgendwelche pauschalisierte Diffamierung ärgerst. 😉

          • Stefan Pietsch 20. April 2020, 20:27

            Der Punkt ist, es ist eingetreten , was irgendwann eintreten musste. Nicht so früh, aber irgendwann. Krisen lassen sich nicht berechnen, sie sind irgendwann da.

            Die Meinung im linken Lager war immer klar: An die Zusage, die Einnahmen aus der Ergänzungsabgabe Solidaritätszuschlag allein für die Kosten der Deutschen Einheit zu verwenden, sah man sich nicht gebunden. Die Zusammenfassung: Reiche und Gutverdienender dürfen immer geschröpft werden, gerne auch immer ein bisschen mehr. Das fällt nun jedem, der das vor Monaten vertreten hat, voll auf die Füße. Die Glaubwürdigkeit ist weg, wenn Linke fordern, in der Krise müssten die Starken mehr schultern. Wer hat an sie gedacht, als keine Krise war?

            Ich kann von meiner Belegschaft auch nur besondere Anstrengungen verlangen, wenn ich später die Belastung wieder zurücknehme und ihnen immer mal Zucker gebe. Linke aber meinen, man könne auf die Eliten nur einschlagen. Warum sollten die sich dann noch identifizieren?

            • Stefan Sasse 20. April 2020, 20:41

              Weiß ich nicht. Ich identifiziere mich umgekehrt aber auch nicht mit Eliten, die zwar beständig nehmen, aber nichts zurückgeben.
              Und ich habe gerade gar nicht zum Soli argumentiert gehabt. Ich verstehe deine Argumentation durchaus, wenngleich das wahrlich nicht die erste Steuer ist, die uns erhalten bleibt. Ich erinnere nur an die Schaumweinsteuer…

              • Stefan Pietsch 20. April 2020, 20:55

                Das ist bei mir umgekehrt. Ich identifiziere mich nicht nur mit „den“ Eliten, ich empfinde mich als Teil. Schließlich ist Elite typischerweise nicht ein geringer Promillewert einer Gruppe, sondern ein deutlicher Prozentwert. Da bin ich schon arrogant. 🙂

                Und ich denke schon, dass ich anderen zurückgebe, genauso wie die meisten, die ich zur Elite zugehörig sehe.

                Ich war der erste, der hier pro neue Ergänzungsabgabe plädiert hat. Aber Politikern wie Esken kann ich nichts glauben. Die sagt in jeder Situation das Gleiche. Der Wert solcher Aussagen tendiert um Null, wobei es auch im Minusbereich liegen könnte.

                Übrigens: das Argument mit der Schaumweinsteuer wurde schon in den Neunzigerjahren bei Einführung des Solis von dessen Kritikern gebracht. Sie sollten Jahrzehnte später recht behalten.

                • TBeermann 20. April 2020, 21:08

                  Es ist erstaunlich, ich welchem Umfang parasitäre Milieus selbst in dieser Situation noch glauben, gerade sie – die zur echten Versorgung und Wertschöpfung absolut nichts beitragen, wären diejenigen, die den Laden am laufen halten – während die Realität gerade zeigt, dass die Welt auf wenig so gut verzichten kann.

                  • Erwin Gabriel 21. April 2020, 10:36

                    @ TBeermann 20. April 2020, 21:08

                    Es ist erstaunlich, ich welchem Umfang parasitäre Milieus selbst in dieser Situation noch glauben, gerade sie – die zur echten Versorgung und Wertschöpfung absolut nichts beitragen, wären diejenigen, die den Laden am laufen halten – während die Realität gerade zeigt, dass die Welt auf wenig so gut verzichten kann.

                    Mag sein, dass gerade z.B. Krankenschwestern und Altenpfleger extrem relevant sind. Krankenhaus- und Altenheimbetreiber sind es aber auch. Mag auch sein, dass es keinen Vertreter des parasitären Milieus braucht, um die Regale in den Supermärkten zu füllen oder an der Kasse zu sitzen. Zur Produktion der Lebensmittel oder zum Bau und Betrieb des Supermarkts braucht man sie dann doch.

                    Du solltest daher diese Art von faschistoider Sprache vermeiden.

                    • Stefan Sasse 21. April 2020, 12:54

                      Ich würde auch sagen, dass „parasitäre Milieus“ etwas hart gegriffen ist.

                    • Erwin Gabriel 22. April 2020, 08:56

                      @ Stefan Sasse 21. April 2020, 12:54

                      Ich würde auch sagen, dass „parasitäre Milieus“ etwas hart gegriffen ist.

                      Das „etwas“ kannst Du getrost streichen.

                      Was mich schon erstaunt, ist, dass Deine Reaktion auf einen halbwegs begründbaren Begriff wie „Staatsfernsehen“ für Sender, die durch staatliche Regelungen á la Rundfunkstaatsvertrag JEDEN Haushalt und jedes Unternehmen unabhängig von der Nutzung der Angebote zur Finanzierung verpflichten und die durch Parteipolitiker in Verwaltungsräten gesteuert werden, spürbar stärker ausfiel. Hätte irgendjemand einen derartigen Begriff beispielsweise für Hartz-IV-Empfänger benutzt, wäre er hier gesteinigt worden.

                    • Stefan Sasse 22. April 2020, 10:15

                      Ja, zugegeben. Mea culpa.

                • Stefan Sasse 20. April 2020, 21:45

                  Bezweifle ich ja gar nicht. Die sauberere Lösung wäre sicherlich eine vernünftige Steuerreform, aber vorher friert die Hölle zu. Die Beibehaltung des Soli ist der Weg des geringsten Widerstands, nicht sinnvoll oder logisch.

                  • Stefan Pietsch 20. April 2020, 22:26

                    Na ja, die sauberste Lösung wäre, den Soli zum Jahresende für alle auslaufen zu lassen und für 2022 eine neue Ergänzungsabgabe zu beschließen. Das ist sowohl politisch sauber, symbolisiert es doch das Ende des erhöhten staatlichen Aufwandes für die Deutsche Einheit, als auch verfassungsrechtlich klar abgegrenzt. Die Umwidmung einer solchen, an enge Grenzen gebundene Zusatzsteuer ist da schwieriger.

                    Der Deutsche Bundestag kann genau das leicht mit einfacher Mehrheit abwickeln, da die Ergänzungsabgabe nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf.

                    Nur, wie gesagt, wie lässt sich der Vertrauensverlust mit dem Soli wettmachen? Ich würde den meisten – Politikern wie Milieus – irgendwelche Versprechen der späteren Abschaffung nicht mehr glauben. Wer sich selbst in guten Zeiten nicht an getroffene Abmachungen halten mag, wird es nie tun.

                    Deswegen mein hartes Verdikt. Jeder kann selbst nachlesen, was er vor wenigen Monaten zu dem Thema geschrieben hat.

                    • Stefan Sasse 20. April 2020, 23:49

                      Wie gesagt, ich widerspreche dir gar nicht groß, ich weise nur auf die politische Dynamik hin. Und an der bist du nicht unschuldig, weil wir wissen alle, wie die „saubere Lösung“ zerlegt werden würde. Erneut, Veggie-Day lässt grüßen. Das war noch viel, viel niedrigschwelliger und hat zur Kriegserklärung der Springerpresse gereicht. Welcher Politiker von CDU oder FDP wäre so lebensmüde, deine Lösung vorzuschlagen? Viel bequemer, einfach dabei zu scheitern, den Soli abzuschaffen. Die Geister, die ich rief.

                      Gleiches Problem haben übrigens alle Parteien, nur halt bei unterschiedlichen Themen. Oder glaubst du, die SPD würde je eine „saubere“ Rentenreform beschließen können? Die LINKE eine „saubere“ Hartz-IV-Revision? Die Grünen eine „saubere“ CO2-Steuer? Die AfD eine „saubere“ Asylneuauflage? Jede Partei schleppt da ihre eigenen Dämonen mit, und irgendwann ist da dann immer Zahltag.

                    • Stefan Pietsch 21. April 2020, 00:34

                      Nein, Stefan. Das veritable Problem ist, dass die Politik genau in dieser Frage ihr gesamtes moralisches Kapital verspielt hat. Und das für praktisch nichts. Denn so richtig ich im Prinzip eine Ergänzungsabgabe halte, so falsch ist sie. Ich habe genau vor diesem Vertrauensverlust gewarnt.

                      Wir haben eine reife Gesellschaft. So wie schon in den Achtziger- und Neunzigerjahren die Versprechungen nicht mehr funktionierten, die noch in den Siebzigern Anklang fanden, so haben die Bürger weiter gelernt. Die Widerstände gegen jede Form der Sonderbesteuerung, die durchaus ihre Berechtigung haben könnte, sind aufgrund dieser Erfahrungen so massiv. Genauso verhält es sich mit dem in der Gesellschaft weitverbreiteten Widerwillen gegen eine Erhöhung der Staatsverschuldung.

                      Auch für den Staat gilt: Vertrauen ist die wichtigste Währung. Leider wird das immer wieder vergessen. In der Schuldendebatte habe ich Dich gefragt, welche Garantien die Befürworter höherer Kreditaufnahme den Skeptikern geben könnten, dass die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholt werden. Du weißt, wie wenig Du zu erwidern wusstest.

                      Auch bei einer Neuauflage einer Ergänzungs- oder gar Vermögensabgabe ist die wichtigste Frage: warum sollte es diesmal anders sein als es immer war? So lange Du diese Frage nicht in meinem Interesse zu beantworten weißt (Du musst mich, nicht Dich überzeugen), bleibe ich ablehnend zu dem, was ich finanzpolitisch für richtig empfinde.

                    • Stefan Sasse 21. April 2020, 09:39

                      Ich habe weder in meinem Bekannten- noch in meinem Kollegenkreis irgendjemand, der je in einem Gespräch den Soli auch nur erwähnt hätte. Ich kenne niemanden persönlich, den das auch nur die Bohne interessiert. Daher halte ich den Vertrauensverlust für recht eingegrenzt. Den Vertrauensverlust in den Staat von Millionen, der mit Hartz-IV einherging, hat dich ja auch eher kalt gelassen.

                    • Stefan Pietsch 21. April 2020, 10:23

                      In Deinem Bekanntenkreis wird wohl dann auch niemand eine Neuauflage einer Ergänzungsabgabe fordern. Tatsächlich war eine übergroße Mehrheit vor Monaten für die vollständige Abschaffung des Solis. Hat Dich nur auch nicht gejuckt.

                      Es geht um die politisch Aktiven. Und da war die Positionierung fein nach politischer Färbung klar sortiert. Die Folge: die einen besitzen Vertrauenskapital, die anderen nicht. Sorry, dass Du jetzt mal auf der schwarzen Seite stehst. 😉

                      Okay, never ending story: Der Staat hat unter verfassungsrechtlich sauberen Bedingungen zwei Transfersysteme zu einem zusammengelegt. Es ist da ziemlich schwer, einen Vertrauensverlust zu konstatieren. Es ist ja auch kein Normalzustand, dass ein Mensch mehrere Jahre seines Lebens arbeitslos ist, oder siehst Du das anders?

                      Ich habe 1997 Soli gezahlt und tue das heute, obwohl man mir vor über 20 (!) Jahren versprach, dass das wirklich nur übergangsweise sei. Nix Übergang. Der Staat hätte, so dies denn als notwendig und gerecht angesehen worden wäre, die Belastung in den allgemeinen Tarif einarbeiten können. Aber dazu waren sich Linke ja zu fein. Sie wussten, dass das politisch nicht durchsetzbar war und waren mit Tricksereien zu Lasten der Ehrlichkeit zufrieden.

                    • Stefan Sasse 21. April 2020, 12:53

                      Mich jucken Umfragen zu policies generell nicht, weil sie völlig ohne Aussagekraft sind. Das habe ich hier im Blog aber schon öfter beschrieben. In Umfragen sind auch 70% für höhere Steuern für Reiche, für eine Erhöhung des Mindestlohns, für was weiß ich. Ich hab nen kompletten Artikel hier im Blog warum diese Umfragen nutzlose Zeit- und Geldverschwendung sind. Case closed.

                    • Erwin Gabriel 22. April 2020, 09:19

                      @ Stefan Sasse 20. April 2020, 23:49

                      Wie gesagt, ich widerspreche dir gar nicht groß, ich weise nur auf die politische Dynamik hin. Und an der bist du nicht unschuldig, weil wir wissen alle, wie die „saubere Lösung“ zerlegt werden würde. Erneut, Veggie-Day lässt grüßen.

                      Ich bin da zu 100 % bei Stefan Pietsch!

                      Zum einen wurde die Forderung zum „Veggie Day“ nicht nur sehr missverständlich formuliert und anschließend auch noch vor Fernsehkameras eher schlecht „verkauft“. Zum anderen hat es mit der „Mövenpick-Steuer“ auch die Gegenseite dahingerafft – das gehört zum „normalen“ Umgangston von links und rechts den Ungeschicklichkeiten des politischen Gegners gegenüber.

                      Der Soli ist eine andere Geschichte. Hier hat man den Bürgern Aufbau Ost versprochen und, befristet auf ein Jahr, um finanzielle Unterstützung gebeten. Nach inzwischen vergangenen Jahrzehnten hat man zwar den Aufbau Ost gestemmt, hat die Teilnahme am Krieg gegen den IRAK finanziert, hat Geld in die EU und nach Osteuropa gepumpt, und sackt inzwischen die Kohle nur noch ein.

                      Für mich wäre es (nach entsprechenden Zusagen) OK gewesen, auch noch den Aufbau West durchzuführen (in Teilen des Ruhrgebiets sieht es fürchterlich aus), die Polizei auf einen modernen Stand zu bringen etc. Einfach nur Einsacken empfinde ich persönlich als staatlichen Betrug und Diebstahl:

                      Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
                      [§ 263 StGB, Abs 1]

                      Trifft alles für den Soli zu.

                      Es wäre die deutlich bessere Lösung, den Soli aus den genannten Gründen zu kippen und nun eine Abgabe für Corona einzuführen, die allerdings zweckgebunden sein muss. Lug, Trug und Ungerechtigkeit endlos fortzuführen, weil es „bequem“ ist, kann es ja irgendwie nicht sein.

                    • Stefan Sasse 22. April 2020, 10:17

                      Das mit der Mövenpicksteuer ist ein sehr guter Punkt. Ich will übrigens auch gar nicht sagen, dass das illegitim wäre. Mein Punkt ist vielmehr, dass gerade weil solche Sachen im politischen Prozess zu erwarten sind, es bescheuert ist, das ins Wahlprogramm zu schreiben und den ganzen Sauerstoff aus der eigentlichen Debatte abzusaugen.

                      Und ihr habt mich mit dem Soli überzeugt.

                • CitizenK 21. April 2020, 15:03

                  „Aber Politikern wie Esken kann ich nichts glauben“

                  Um „Glauben“ ging und geht es doch gar nicht. Die Frau hat einen Vorschlag gemacht. Den kann man gut oder schlecht finden, jeweils mit Argumenten. Die Dauer wurde noch gar nicht thematisiert.

                  • Stefan Pietsch 21. April 2020, 16:07

                    Nee, hat sie nicht. Sie hat ihr wöchentliches Statement abgespult und das Wort „Coronakrise“ eingebaut. Das ist keine herausragende intellektuelle Leistung. Oder sind Sie der Ansicht, dass Cato wirklich überragende Vorschläge gemacht hätte? Ceterum censeo Carthaginem esse delendam.

                    Eines der für mich am meisten störenden wie irritierenden Elemente von links denkenden Menschen ist: Sie setzen ein Argument völlig losgelöst von der Person. Das ist weltfremd und entspricht auch nicht unserer menschlichen Natur.

                    Wir Menschen müssen, mehr als dass wir überzeugt von einer Sache sind, vertrauen können. Dazu muss die Person, die eine Maßnahme (noch mehr, wenn es sich um einen Eingriff / Einschränkung handelt) fordert oder verlangt, Autorität und Glaubwürdigkeit besitzen.

                    Im Grunde wissen Sie das. Warum sonst nehmen Sie Donald Trump nicht ernst? Warum sonst möchten wir von einer Politikerin geführt werden, die über einen sehr langen Zeitraum Vertrauenskapital erworben hat, statt von jemanden, wo wir unsicher sind? Saskia Esken besitzt Null Vertrauenskapital und sie hat sich in der Vergangenheit nicht darum bemüht. Deswegen höre ich ihr nicht zu und winke im Zweifel ab. Mache ich übrigens bei Trump genauso.

                    Ich hätte mir wirklich gewünscht, gerade Sie hätten sich in der Frage des Solis auf die rechtsstaatliche Seite geschlagen. Oder Sie könnten einmal sagen, es wäre vielleicht ein Fehler gewesen, auf den Soli um jeden Preis zu beharren. Ich hätte gerne mal zur Abwechslung jetzt bei der Einführung einer befristeten Ergänzungsabgabe mit Ihnen gefochten.

                    • CitizenK 21. April 2020, 19:19

                      @ Stefan Pietsch
                      Wenn Ihnen das so wichtig ist: Ja, ich habe Ihre Fixierung auf diesen Punkt nicht verstanden, die Assoziation mit Michael Kohlhaas erwähnt. Dabei aber auch immer konzediert, dass es keine saubere Lösung war, den Soli einfach beizubehalten. Weil aber selbst Sie den Einbau in den Steuertarif akzeptiert hätten, die Belastung also gleich geblieben wäre, hab ich das abgehakt. Mir kommt es auf das Ergebnis an, nicht auf die Form. Ich bin kein Jurist. Es gibt im Steuerrecht so viele Ungereimtheiten und Ungerechtigkeiten, dass ich mich darüber nicht aufregen konnte.

                      Und warum wir deshalb jetzt nicht anhand von Argumenten über die Finanzierung der Corona-Krise reden können, verstehe ich auch nicht. Ich finde Saskia Esken auch nicht besonders sympathisch, aber davon sollten aufgeklärte Bürger doch abstrahieren können – Juristen sowieso.

                    • Erwin Gabriel 22. April 2020, 09:34

                      @ CitizenK 21. April 2020, 19:19

                      Dabei aber auch immer konzediert, dass es keine saubere Lösung war, den Soli einfach beizubehalten.

                      Immerhin.

                      Weil aber selbst Sie den Einbau in den Steuertarif akzeptiert hätten, die Belastung also gleich geblieben wäre, hab ich das abgehakt.

                      Warum sollte das auch eingebaut werden?

                      Wenn ich monetäre Leistungen vom Staat beziehe – BAföG beispielsweise, Sozialhilfe, was immer sie wollen – werden diese Staatsausgaben zweckgebunden bereitgestellt: Studiere ich nicht mehr, gibt es kein BAföG, komme ich in eine gut bezahlte Festanstellung, entfällt die Sozialhilfe.

                      Der Soli war ursprünglich als befristete ErgänzungsABGABE zur Bewältigung einer bestimmten Aufgabe gedacht, nicht als zusätzliche allgemeine „Wohlhabenden“- (inzwischen „Reichen“-)Steuer.

                      Wenn man mich als Wohlhabenden um eine Unterstützung bittet, die ich gewähre, kann man doch anschließend nicht hingehen und die Einstellung der Unterstützung als „Einkommensvorteil“ für Wohlhabende bezeichnen.

                      Ich bin übrigens nicht mehr vom Soli betroffen. Eine Schweinerei ist er trotzdem, erst recht, wenn man sich die Kurve der Steuerprogression anschaut.

                    • Stefan Pietsch 22. April 2020, 10:57

                      Man kann der politischen Ansicht sein, dass die steuerliche Belastung für höhere Einkommensgruppen nicht ausreichend sei. Das lässt sich zwar kaum im internationalen Kontext begründen, aber es ist eine legitime Position. Es gibt verfassungsrechtliche Möglichkeiten wie Grenzen dazu. Was absolut nicht geht – aus juristischer wie politischer Sicht: mit Hilfe eines Tricks erzeugen, was man demokratisch und verfassungsrechtlich nicht durchgesetzt bekommt.

                      Ich verteidige den Staat und seine Beamten gegen Forderungen, Regeln großzügig auszulegen. Das kann und darf der Staat nicht, denn ein Regelwerk muss eingehalten werden. Das ist der Zweck des Rechtsstaates. Wenn die Politik also trickst, irritiert mich das zutiefst.

                      Politisch (und rechtlich) war der Soli immer als Zusatzbelastung gemeint. Zusatzbelastungen immer das Normale hinaus haben immer nur auf Zeit ihre Berechtigung. Sagen wir jetzt, Reiche sollen generell eine höhere Belastung tragen, so kann man das politisch rechtfertigen (siehe oben), aber man kann dann nicht das Argument zweimal verwenden und behaupten: und dann noch einen oben drauf wegen der Sonderbelastung. Ein Rechtsstaat wie ein ordentliches Gemeinwesen definieren sich auch durch Grenzen. Bis hierher und keinen Schritt weiter.

                      Ich sehe zugeben wenig Sinn darin, Esken Gehör zu schenken. Sie ist politisch einflusslos und deswegen belanglos. Doch meine Gegenfrage ist eine andere: wann sehen Sie für andere wie Besserverdiener die Grenzen der Belastbarkeit erreicht? Definieren Sie das wirklich absolut von dem her, was jemand besitzen darf?

                    • Stefan Sasse 22. April 2020, 13:11

                      Ich will nicht die Besserverdiener besteuern übrigens. Ich will zwei Dinge:
                      a) zu große Vermögensbildung verhindern (Stichwort Milliardäre)
                      b) eine faire Besteuerung ALLER Einkommen, also auch Kapitalerträge und Erbschaften.

                    • Stefan Pietsch 22. April 2020, 15:19

                      1. Wieso fokussierst Du Dich auf die Vermögenskonzentration? Ich bin ein Stück bei Dir. Aber Vermögensbildung wie -konzentration kann bei großer Wirtschaftsdynamik nicht verhindert werden. Geschichte lehrt uns aber auch, dass Vermögen, wenn sie in Unternehmenswerten bestehen – äußerst flüchtig sind. Ich empfehle Dir dazu die Fortune 500 der USA von 1998 und die von 2018 zu vergleichen. Da hat ein ziemlicher Wechsel stattgefunden.

                      In Deutschland nehme ich Frau Schickedanz. Es ist gerade mal 1 1/2 Jahrzehnte her, da war die Quelleerbin im Club der Milliardäre. Hier ist sie längst verstoßen, sie ist längst nur noch einfache Millionärin. Und da reden wir von riesigen Vermögen. Oder die Brenninkmeijers, die Familie hinter C&A. Weitgehend pulverisiert.

                      2. Wir haben unter den Bedingungen internationaler Finanzmärkte eine weitgehend faire Besteuerung von Kapitalerträgen. Das habe ich häufig gezeigt. Erbschaften: Ich schlage Dir folgenden Deal vor (ist schon alt): Du sagst mir, wo Du Einkommen – über alle (!) – entlasten würdest und ich bin einverstanden mit einer höheren Besteuerung von Erbschaften.

                    • Stefan Sasse 22. April 2020, 17:03

                      2. Wie meinen?

                    • Stefan Pietsch 22. April 2020, 17:32

                      Die Besteuerung von Kapitalerträgen liegt auf dem Niveau der Individualbesteuerung. Die Abgeltungsteuer sorgt dafür, dass auch internationale Anteilseigner Kaptialertragsteuern in Deutschland entrichten. Eine Rückkehr zum Anrechnungsverfahren oder Halbeinkünfteverfahren würde nicht zu einer höheren Besteuerung von Kapitalerträgen führen.

                      Deutschland besteuert Einkommen hoch, Konsum durchschnittlich und Vermögen niedrig. Ich komme entgegen und bin einverstanden, Vermögen beispielsweise durch eine Erhöhung der Erbschaftsteuer höher zu belasten. Dann kommst Du mir entgegen. Die Belastung der Einkommen, aus denen Vermögen schließlich entsteht, wird verringert. Und zwar nicht nur für untere Einkommen, die dennoch nie werden nennenswert Vermögen bilden können, sondern auch für mittlere und hohe Einkommen.

                      Das ist noch unter einem weiteren Aspekt gerechtfertigt: Wie früher aufgezeigt wurde, machen Erbschaften bei hohen wie niedrigen Einkommen einen relativ gleichbleibenden Anteil am eigenen Vermögen aus:

                      Die Forscher der FU in Berlin kamen zu weit weniger aufsehenerregenden Ergebnissen. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung nehme die relative Bedeutung von Erbschaften bei zunehmenden Privatvermögen keineswegs zu. Und während bei den obersten 10% Erbschaften 32,6% des Vermögens ausmacht, sind es bei der oberen Mittelschicht 35-40 Prozent.
                      http://www.deliberationdaily.de/2017/07/von-legenden-und-fakten-der-vermoegensverteilung/

                      Wenn tendenziell bei höheren Erbschaften höher besteuert wird, dann ist es nur fair, wenn höhere Einkommen auch wieder die gleiche Chance bekommen, aus ihrem Erwerbseinkommen Vermögen zu bilden.

                      Also, Deal? Dann warte ich auf Deine Vorschläge.

                    • Stefan Sasse 22. April 2020, 17:50

                      Hab ich keinen Schmerz damit. Und ich kenn mich für konkrete Vorschläge im Steuerrecht schlicht zu wenig aus. Im Zweifelsfall vielleicht die Reichensteuer wieder kippen oder so was? Aber keine Ahnung.
                      Was mich noch etwas verwundert: Einer der Punkte, die von FDP-/CDU-nahen Kreisen gerne gegen die Wiedereinführung von Vermögens- und Erbschaftssteuer aufgebracht werden ist ihr geringes Volumen; wenn dem so ist, wäre eine Kompensation ja eh entsprechend klein, oder? Oder übersehe ich da was?

                    • Stefan Pietsch 22. April 2020, 18:06

                      Die Vermögensteuer frisst nach Schätzungen und aufgrund Erfahrungswerten rund ein Drittel des Steuerertrags. Dagegen könnte sich das Volumen auf rund 10 Milliarden Euro belaufen (nehmen wir die seriösen Annahmen). Die 10 Milliarden Euro sind die Belastungen des Bürgers, wenn der Staat davon über 3 Milliarden Euro allein an Erhebungskosten investieren muss, ist das sein Ding.

                      Der Einkommensteuertarif wäre gleichmäßig so abzusenken, dass ein Entlastungsvolumen von 10 Milliarden Euro entsteht. Das ist die einfache Sache.

                      Wahrscheinlich hätte der Staat bei der Vorgehensweise weniger Einnahmen, da wie gesagt die Ergebungskosten von Vermögensabgaben prinzipiell deutlich höher sind als bei der Einkommensbesteuerung. Also aus fiskalischer Sicht wäre eher abzuraten. Aber es gibt ja noch die verteilungspolitische Sichtweise und danach ist durchaus anzuraten, was oben skizziert wurde.

                      Nur, da wirst Du Konservative und Liberale nicht dafür gewinnen können, nicht um den Preis einer insgesamt steigenden Belastung. Du musst etwas anbieten. Deswegen, wenn Du zustimmst die Einkommensbelastung gleichlautend abzusenken, stehen wir auf der gleichen Seite der Barrikade.

                    • Stefan Sasse 22. April 2020, 22:48

                      Aber das kann doch nicht sein dass die Erhebungskosten linear skalieren, oder? Interessehalber: Was ist denn der Erhebungsaufwand für die Lohnsteuer?

                    • Stefan Pietsch 22. April 2020, 23:27

                      Nein, das nicht, aber die regelmäßig notwendigen Festlegungen kosten schon enorm viel Aufwand. Nehmen wir die Bewertung von Unternehmen. Es ist schon für Insider extrem schwer, einen fairen Marktwert für nicht börsennotierte Unternehmen zu ermitteln. Schlimmer, der dann nach bestimmten Maßstäben ermittelt Wert schwankt auch noch in Jahresfrist heftig. Dann erwirbt jemand ein Bild eines in der Szene bekannten Künstlers. Wer soll das bewerten? Ein Beamter ist da wie normal Sterbliche leicht überfordert. Was ist ein Oldtimer wert? Es gibt zwar einen Markt, der ist aber eng und führt zu sehr individuellen Preisen. Wer soll diese Werte ermitteln? Etwa der Steuerpflichtige selbst? Das Experiment mit sogenannten Einheitswerten war jedenfalls nur mäßig erfolgreich.

                      Das ist kein deutsches Problem, es existiert so auch in anderen Ländern. Leicht neigen die Administrationen dann dazu, einfach relativ willkürliche und zu hoch angesetzte Werte anzusetzen. Das mag, je nach Verfassungslage, in manchem Land akzeptabel sein. Oft aber nicht, in Deutschland wäre das Ergebnis ewige Rechtsstreitigkeiten.

                      So werden in Spanien Immobilien typischerweise mit dem letzten Kaufpreis bewertet. Das erzeugt zwei Probleme: erstens kann ein Erwerb Jahre zurückliegen, staatliche Wertfortschreibungen müssen dann willkürlich sein. Und zweitens ist es beispielsweise in Spanien üblich, dass der wesentliche Teil des Kaufpreises gar nicht im Vertrag erscheint. Betrug ist hier die Norm. Der Ehrliche ist bei dieser Art der Steuererhebung der Dumme.

                      Auch wenn die Erhebungskosten nicht extrapolieren – das Volumen ist eben auch nicht beliebig festsetzbar. 1% ist okay, 5% unter Garantie verfassungswidrig, würde es doch eine völlige Enteignung binnen einer Generation (20 Jahre) bedeuten.

                      Die Kosten der Lohnsteuererhebung wurden weitgehend Unternehmen und Privaten überwälzt. Diese müssen teure Lohnsteuerabteilungen unterhalten oder dies zu hohen Kosten outsourcen. Das ist heute für kleine und mittelständische Unternehmen Usus. Die Kosten pro Abrechnung liegen derzeit in der Größenordnung 18 – 25 Euro pro Abrechnung und Mitarbeiter. Weitere Kosten wie Neuanlage, Anfragen der Finanzverwaltung u.ä. kosten zusätzlich. Ein Mitarbeiter verursacht also neben seinen Lohnkosten mindestens weitere 300-400 Euro pro Jahr. Das ist nicht wenig, schon gar nicht für kleine und mittelständische Unternehmen, die des Öfteren nicht einmal die Altersvorsorge des Inhabers tragen können. Der Staat macht sich hier einen schlanken Fuß.

                      Fehler gehen dann noch zu Lasten des Unternehmens. Ergibt eine spätere Lohnsteuerprüfung oder Prüfung der Sozialkassen, dass falsch berechnet / abgeführt wurde, bleibt das Unternehmen meist auf den Kosten sitzen. Eigentlich sind diese Nachbelastungen meist dem Mitarbeiter zuzurechnen. Aber in meinem Bereich war es üblicherweise so, dass man das kulanzhalber übernommen hat. Für kleine und mittlere Verdiener sind Belastungen von ein paar tausend Euro für 3-5 Jahre nicht leicht zu schultern. Und da die Prüfer immer danach gehen, was Cash bringt, werden Unternehmen da etwas ausgequetscht.

                      Gut, jetzt habe ich wieder die Ungerechtigkeiten der Besteuerung angeprangert. 😉

                    • Stefan Sasse 23. April 2020, 08:49

                      Das Ganze hat für den Lastenausgleich doch gut funktioniert, oder?

    • Ariane 21. April 2020, 09:57

      Liebe Linke, Ihr seid politisch so unehrlich, wie man es nur sein kann.

      hahahahha
      Der ganze Mittelstand und die Unternehmer, die keine riesigen Aktienunternehmen führen, stehen vor der Pleite. Aber hauptsache gegen die Linken auskeilen.
      Soviel zu die Liberalen tun immer so, als wenn sie Selbständige und Kleinunternehmer unterstützen. Pustekuchen!

      • Stefan Pietsch 21. April 2020, 11:17

        Lass mich doch Spaß haben, wenn ich die Ruchlosigkeit der Linken anprangern kann, die sonst immer mit dem Sauberlätzchen rumlaufen. 🙂 Ich hätte nicht gedacht, dass sich der opportunistische Populismus der Linken so schnell rächen würde. Gott hat halt Humor.

        • Ariane 21. April 2020, 11:46

          Also ich muss sagen, in meinem Bekanntenkreis macht sich halt niemand Sorgen um den Soli oder ähnlichen Kleinkram, die wollen erstmal nicht pleite gehen, bevor sie weiterdenken.

          Und du weißt doch, sobald die Akutkrise vorbei ist, plane ich sowieso wieder den linken Aufstand 😉

          • Stefan Pietsch 21. April 2020, 11:57

            Ich rede ja auch nicht von jetzt, sondern wie die vielen Linken noch vor 3 Monaten argumentiert haben. Also, zur Menschenführung ungeeignet, würde ich da pauschal konstatieren. 🙂

            Wenn ich bei Rekordgewinnen auf meine Top-Leute einprügeln würde, „und ihr müsst mehr bringen, und da ich mehr Gewinn will, bekommt ihr nur geringe Gehaltserhöhungen, und ansonsten seid ihr sowieso eine Gefahr fürs Unternehmen“. Wenn ich also so vor 3 Monaten geredet hätte, meinst Du, ich bekäme meine Leistungsträger jetzt in die Riemen: „Wir brauchen eure Leistung, wenn nicht ihr, wer sonst?“

            Also, kurz gefasst, meinst Du, dass Du so eine Belegschaft sortiert bekommst? Und dass die Leute Dir abnehmen, was Du sagst? CitizenK glaubt das jedenfalls, so hab‘ ich ihn verstanden. Ich halte dagegen und behaupte, das ist eine ziemlich miese Menschenführung. So bekomme ich keine Gruppe diszipliniert. Und schon gar nicht motiviert.

            • Ariane 21. April 2020, 12:16

              Möchtest du nochmal hören, was ich gerade so über selbsternannte Leistungsträger denke oder kann ich mir den Vortrag sparen? 😉

              Im Übrigen erinnere ich dich zum wiederholten Male daran, dass wir hier über einen Staat und seine gesamte Gesellschaft reden, nicht von einem einzelnen Unternehmen.

              Ich bin da ziemlich unbefleckt, weil mich kleine Einzelmaßnahmen normalerweise nicht groß interessieren. Ich war vorher für eine Beibehaltung des Solis mit Ausweitung auf das ganze Land und nicht nur die ehemalige DDR und für weitreichende Invesitionen in Kindergärten, Schulen, Krankenhäuser, Altenheimen, Straßen und generell staatliche Infrastruktur.

              Das bin ich immer noch. Und ich will nicht an die besserverdienenden Ingenieure bei Audi oder so ran. Das ist mir zu wenig, ich will an die „Kapitalanleger“ heran. Die hier Schiffchen und teure Häuser kaufen und sich das ohne Bankprobleme leisten können.
              Und nein, keine Ahnung wie. Irgendjemand Klügeres wird da sicherlich Ideen haben.

              Und die Leistungsträger können mich mal. Dann sollen die halt nach Polen oder in die USA oder nach Österreich auswandern. Viel Spaß dort! Auch bei der nächsten Pandemie in 100 Jahren!
              Sorry Stefan, aber damit brauchst du mir aktuell wirklich nicht kommen.

              Ich kenne genug echte Leistungsträger, die gerade andere Sorgen als eine kommende Steuererhöhung haben.

              • Stefan Pietsch 21. April 2020, 12:30

                Nein, brauchst Du nicht. Übrigens, auch Kapitalanleger zahlen den Soli. Wusstest Du nicht? Siehste, gehst heut‘ abend wieder nicht dumm ins Bett. 🙂

                Das mit dem Desinteresse wird sich sehr schnell ändern, schneller, als die Coronakrise vorbei ist. Schau‘ Dir die Italiener an. Die sorgen sich jetzt schon, in ein zwei Jahren keinen Super-Zinssatz mehr zu bekommen und wollen gleich eine ganze Haftungsunion gründen.

                Ich hätte auch Familie, Verein oder sonst was nehmen können. Die Mechanismen sind immer gleich, schließlich geht es immer um Menschen. Glaubst Du nicht, es wäre prickelnd für Leute wie mich, ständig als „nicht die wahren Leistungsträger, weil nur hohes Einkommen“ abgetan zu werden, während noch der letzte Langzeitarbeitslose mit 15 Jahren in Hartz-IV-Bezug als Person gesehen wird, auf dessen Gefühle Rücksicht zu nehmen sei?

                Warum meint Ihr eigentlich immer, auf höher Verdienende einprügeln zu können (erinnere Dich an das Twitter-Pamphlet der SPD, wie Reiche ihr Geld verdienen würden), weil die so etwas von minderwertig seien? Es gibt schon eine Korrelation von Leistung und Einkommen. Das kann ich behaupten, wo ich über Gehälter mit bestimme und sie verwalte.

                • Ariane 21. April 2020, 12:45

                  Wusstest Du nicht? Siehste, gehst heut‘ abend wieder nicht dumm ins Bett.

                  Ich habs mir doch einfach gemacht, ich wollte ihn nie abschaffen, sondern nur umbenennen 😉

                  Ähm Stefan, immerhin behauptest du selbst als auch gewisse Medien, dass du „Leistungsträger“ bist.
                  Ich kenne nicht mal Leute, die sich überhaupt selbst so bezeichnen würden geschweige denn, dass irgendwer anders meint, dass sie Leistungsträger sind. Meinst du, das ist irgendwie besser? Und ich rede nicht von Arbeitslosen.

                  Und übrigens: kannst du deinen Snobismus vielleicht etwas im Zaum halten? Ich bin durchaus der Meinung, dass wirklich jeder Mensch ausnahmslos Rücksicht und Respekt verdient. Auch der arbeitslose, alkoholkranke, osteuropäische Penner auf der Parkbank.
                  Weil weißt du was du und deine FDP-Freunde nie, aber wirklich nie bedenken? Und was mich so sauer macht?
                  Jeder, ausnahmslos jeder, wünscht sich einfach nur ein gutes, möglichst sorgenfreies Leben. Auch der „Penner“ hatte mal andere Ziele und Wünsche.
                  Und hat es gottverdammt verdient, ein bisschen Rücksichtnahme statt Arroganz zu erfahren.

                  So. Und ich prügel nun mal lieber auf Besserverdienende oder anderen Starken herum als mich über Hartz-IV-Empfänger zu mokieren. Stell dir vor! Die haben das nämlich nicht mehr oder weniger verdient als du.

                  Und ich hab keine Ahnung, was die SPD gerade twittert, wenns nicht der Lauterbach ist übrigens. Interessiert mich auch erstmal gar nicht.

                  Es gibt schon eine Korrelation von Leistung und Einkommen. Das kann ich behaupten, wo ich über Gehälter mit bestimme und sie verwalte.

                  Hätte ich überhaupt kein Problem mit übrigens, solange damit nicht Überheblichkeit und Arroganz mit einhergeht.

                • Ralf 21. April 2020, 13:30

                  Es gibt schon eine Korrelation von Leistung und Einkommen.

                  Ja, gibt es. Aber die Korrelation ist schwach.

                  Meist entscheidet der Abschluss darüber wie weit die Karriere verläuft. Die Frage, ob man nach dem Bachelor noch einen Master gemacht hat oder nach dem Master noch einen Doktor wird so oft allentscheidend, signifikant abgekoppelt von der Leistung. Aufstiegsmöglichkeiten selbst bei herausragender Performance sind da in der Praxis extrem begrenzt. Dazu kommt, dass viele höhere Positionen schon von vornherein nicht nach Leistung, sondern nach Verbindungen und Netzwerken vergeben werden. Entsprechend bilden die Einkommensunterschiede die Leistungsunterschiede kaum ab.

                  Dazu kommt das Phänomen, dass der Chef in seinem Job oft tatsächlich besser ist, als der Untergebene im Job des Chefs wäre. Dass aber der Untergebene in seinem Job auch besser ist, als der Chef im Job des Untergebenen wäre. Leistung lässt sich aber nur vergleichen, wenn es sich um die selbe Tätigkeit handelt. Es macht keinen Sinn zu sagen, dass der Autohausmanager mehr leistet als der dort angestellte Kfz-Mechaniker, wenn beide ihren Job zu 100% top machen.

                  • Ariane 21. April 2020, 15:36

                    Ganz ehrlich. Glaubt das überhaupt wirklich jemand? Dass irgendwelche Spitzenposten nicht von Umständen, Zufall, Glück oder dem Geschlecht abhängen?

                    Nur die, die selbst dasitzen und sich gerne einbilden, dass sie da sind, weil sie so genial oder klug oder leistungsbereit sind. Und auch nicht alle. Das soll denen doch nur eingeredet werden, die keinen geilen Spitzenjob haben, die sind halt nicht gut genug! Nämlich! Alte weiße Männer sind einfach Universalgenies.

                    Sorry, sollte mich ja mäßigen. Nicht so leicht.
                    Kurz und knapp: Die Debatte ist nicht hilfreich und ich möchte eigentlich nie wieder Leistungsträgerdiskussionsorgien hören.

                  • Stefan Pietsch 21. April 2020, 16:22

                    Weder ist die Korrelation schwach noch liegt sie in der Nähe von 1. Vor allem nicht, wenn man es vor allem in der horizontalen Leistungsbewertung (sorry, missverständlich 🙂 ) und nicht vertikal betrachtet. Denn tatsächlich lässt sich die Leistung eines Lageristen nicht mit dessen Geschäftsführer vergleichen. Wenn ich also von Leistungsträgern spreche, sehe ich in erster Linie die horizontale Bewertung innerhalb einer homogenen Aufgabengruppe als übergreifend auf alle Erwerbstätigen.

                    So ist das Gehalt eines Geschäftsführers / Organs der Gesellschaft nicht nur von seiner individuell zurechenbaren Leistung bestimmt, sondern auch von der Erreichung gesamter Ziele, Mitarbeiterverantwortung und persönlicher Haftung. Wenn jemand mit seinem Privatvermögen dafür haftet, dass die Gesellschaft Steuern und Sozialabgaben ordentlich abführt, lässt man sich dieses enorme Risiko zusätzlich entgelten.

                    Natürlich gibt es in Führungsebenen genauso viele Schlechtperformer wie in anderen Bereichen auch. Aber: ein weisungsgebundener Mitarbeiter kann bei Schlechtleistung leicht umgangen werden. Ein Geschäftsführer, bei dem alle Fäden der Entscheidung zusammenlaufen, nicht. Die Schlechtleistung schlägt sofort auf das gesamte Unternehmen durch. Deswegen ist es auch weit schwerer, kompetentes Personal für Leitungsebenen zu rekrutieren als für einfache Angestellte.

                    Ein Leitungsorgan hat darüber hinaus mehr Einfluss auf sein Entgelt, als dies für einfache Angestellte gilt. Er kann zumindest zeitweise Daten manipulieren, durch Präsentationen die eigene Leistung besser erscheinen lassen u.ä.

                    Aber zurück: In der Gruppe lässt das Einkommen deutliche Rückschlüsse auf die Leistungseinschätzung von Teammitgliedern zu. Und höhere Steuern auf das Einkommen kassiert damit vor allem bei jenen ab, die sich mehr als andere einsetzen.

                    Der Soli trifft nun besonders kleine und mittlere Unternehmen, die besser als das Geld dem Staat zu geben, damit stabilisiert werden könnten. Im Nachhinein erweist es sich noch als ökonomischer Tort, dass in einem Jahr, wo das Gros der Betroffenen (Unternehmen) ohnehin Verluste ausweisen wird, an einer fragwürdigen Steuer festgehalten wurde. Aber das zählt eher zur Ironie der Geschichte.

                    • CitizenK 22. April 2020, 11:47

                      Wenn Unternehmen niedrigere Gewinne machen oder gar Verluste, fällt die Steuer doch gar nicht an?

                      Mit den Ausführungen zu Geschäftsführern gehe ich übrigens d’accord. Die Leitung eines Unternehmens ist eine Leistung, die vergütet werden soll. Auch wenn Vitamin B eine Rolle spielt, auf Dauer kann sich dort keiner halten, der nichts kann.

                    • Stefan Pietsch 22. April 2020, 15:27

                      Das ist richtig, nur wusste man das weder am 01. Januar 2020 noch ahnte jemand es. Damit bleibt die psychologische und politische Bedeutung. Im Nachgang bei Kenntnis der Geschichte wurde hier ein wichtiger psychologischer Aspekt aus der Hand gegeben. Anfang des Jahres hat die Politik klar gesagt, wir wollen eine zusätzliche Reichensteuer, weil die haben zu viel.

                      Jetzt kann man schwerlich die Argumentation ändern: Liebe Reiche, ihr könntet doch die Hauptlast der Finanzkosten übernehmen.

                      Die wenigsten Geschäftsführer und Vorstände verdienen Gehälter im Bereich von über einer halben Million Euro. Die meisten Mittelständler liegen hier zwischen 100.000 und 500.000 Euro Jahreseinkommen. Das kann ich mit Sicherheit sagen. Und der Abstand zu den Top-Kräften der Unternehmen ohne Organverantwortung ist meist überschaubar. Bekommt der GF 200.000 Euro, liegen die Spitzenkräfte meist bei 100.000 – 130.000 Euro. Ich weiß nicht, mir ist dieser Abstand aus Fairnessgründen zu gering.

                      Richtig ist aber auch, dass entscheidungsschwache Personen an der Spitze oder solche, denen das Gespür für Markt, Kunden und Mitarbeiter abgeht, ein sehr großes Problem darstellen, schließlich können sie nicht nur nicht umgangen werden. Mehr noch, sie richten beträchtlichen Schaden bei allen Stakeholdern an.

        • Stefan Sasse 21. April 2020, 12:55

          Ich hätte damit weniger ein Problem, wenn nicht mein Anprangern der Ruchlosigkeit Laschets und Lindners unter „diffamierende Hetze“ laufen und mit weinerlicher Selbstgefälligkeit beklagt würde.

  • cimourdain 21. April 2020, 00:21

    11) Bei frugalen Vergleichen für die Grünen muss ich immer an die Bananen von Marc-Uwe Kling aus „Zug der Opportunisten“ denken:

    Doch die Blumenkinder, wer konnte das ahnen, gingen den Weg aller Bananen:
    Heute grün und morgen gelb und übermorgen schwarz
    Ein Kastor fährt nach Kosovo
    Am Steuer Peter Harz

    • Stefan Sasse 21. April 2020, 09:37

      Die Grünen können schlecht sozialistisch-ökologische Spinner, die die Wirtschaft zerlegen, und grünlackierte CDUler gleichzeitig sein.

      • derwaechter 21. April 2020, 14:57

        Doch natürlich können sie. Die Grünen sind doch die Verkörperung alles Schlechten in der Welt.
        Diese grün-faschistischen schwulen Islamisten essen auch kleine Kinder zum Frühstück. Das weiss man doch!

      • cimourdain 22. April 2020, 09:14

        Abgesehen davon, dass ich die Avocado für Blödsinn halte und nur wegen der Frucht überhaupt darauf gekommen bin; Die Grünen können bequem einen (schwarzgrünen) Winfried Kretschmann, einen (braungrünen) Boris Palmer und einen (dunkelrotgrünen) Hans-Christian Ströbele beherbergen.

        • Stefan Sasse 22. April 2020, 10:16

          Schon, aber wo liegt der Zusammenhang zu den im Artikel geäußerten Befürchtungen?

          • cimourdain 22. April 2020, 18:41

            wie gesagt nur in der Assoziationskette Grüne + Frucht .

  • cimourdain 21. April 2020, 00:38

    1) Habe mal neugierdehalber den Test gemacht:
    Auf der Meinungsseite von SPON waren seit 15.04. 2 Meinungsartikel zum Thema Kitas 1 Meinungsartikel zum Thema Schule und 1 Meinungsartikel zum Verhältnis zwischen Erwachsenen und Kind —alle 4 von Männern. von den 3 Meinungsartikeln von Frauen hatten 2 die Thema Geld im Gesundheitssystem bzw Geld für Pfleger.

    • Stefan Sasse 21. April 2020, 09:39

      Das ist doch gut.

      • Ariane 21. April 2020, 10:01

        Was mich nervt: Ich finde man sieht gerade sehr genau, welche Probleme die Journalisten selber haben. Kinderbetreuung, gelegentlich Pflege.

        Außerdem wollen sie gerne Spargel und dass die polnische Haushaltshilfe (auch die, die schwarz arbeiten) weiterhin über die Grenze kommen.
        Dass ärmere Schichten andere Probleme haben oder vielleicht selbst die schwarz oder regulär arbeitenden Hilfskräfte sind, die ja die Journalistenprobleme auch noch haben, fällt völlig unter den Tisch.
        Und das ist nun mal auch Aufgabe des Journalismus, mal über Befindlichkeiten von anderen nachzudenken und nicht nur die eigenen.

        Obwohl nochmal: Es gibt auch gerade sehr viele sehr gute Kommentare und Artikel. Leider findet man die eher irgendwo ein bisschen versteckt. Oder auf Blogs (hier!^^). Das ist schon eine merkwürdige Medienkrise, die sich hier gerade abspielt.

    • cimourdain 22. April 2020, 06:46

      Apropos SPON (etwas offtopic):
      Sascha Lobo hat dich in einer seiner Kolummnen lobend erwähnt (vielleicht als Revanche, weil er bei dir auch schon das ein oder adere Mal aufgetaucht ist)
      https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/rechthaber-in-der-corona-krise-unser-innerer-trump-a-6db9ef93-3def-4ade-a8ef-42e8d644417d

  • Hias 21. April 2020, 06:43

    zu 3.)
    Die Grünen schlagen sich damit endgültig auf eine Seite. Sie versuchen erst gar nicht mehr für eine Mehrheit links der Mitte zu kämpfen. Das war auch bei der Landtagswahl in Bayern deutlich zu sehen, als sie Vorschläge der SPD für eine Mehrheit jenseits der CSU (klar, die vorgeschlagene Koalition war utopisch) totschwiegen, aber nach der Wahl deutlich enttäuscht feststellten, dass die CSU gar nicht mit ihnen regieren mag.

    Und das ist der strategische Denkfehler bei den Grünen. Sie legen sich jetzt defacto auf eine Koalitionsmöglichkeit fest (Union, evtl. Jamaika). Das macht sie für die Union nicht interessanter, aber schwächt ihre Verhandlungsposition.

  • Ariane 21. April 2020, 08:39

    Ich konstatiere erstmal: Die Langeweile ist doch bei euch angekommen. 🙂
    Ich muss die Artikel schon abends im Bett lesen und komme gar nicht mehr mit Kommentaren hinterher, dabei will ich selbst einen Artikel schreiben^^

    1)
    Der Artikel ist noch viel zu nett. Mir hat der FAZ-Mann schon gereicht, der nicht mal bemerkt hat, dass immer mindestens ein Elternteil automatisch im „HomeOffice“ ist, wenn KiTas und Schulen dicht sind. Als wenn die Kinder einfach in den Keller gesperrt werden.
    Es ist halt wirklich ein Problem, Care (Jung, Alt und Krank), Mental Load, Gesundheitsthema!, emotionaler Beistand!, Mikro-Organisation, Kommunikation (hauptsächlich per Telefon). Das sind alles reine Frauendinge. Damit beschäftigen sich Männer nicht oder nur sehr selten.

    Und das spielt gerade alles medial überhaupt keine Rolle. Während Frauen, moderne Männer oder Alleinwohnende deswegen alle Burnout kriegen.
    Achso: Und dazu kommt: Es ist ein dramatisches Problem zwischen Arm und Reich, die haben nämlich meistens keine HomeOffice-Arbeitsstellen (ich kenne übrigens niemanden außer mir, der gerade im HomeOffice Geld verdient) und die haben auch kein Geld für externe Hilfen (die jetzt eh nicht mehr funktionieren) und müssen den ganzen Kram sowieso innerhalb Familie und Freunden regeln (was ja gerade riskant und eh verboten ist).
    Also ja sorry, ich bleibe dabei. Alte weiße Männer sind in der Pandemiekrise leider ein völliger Totalausfall. Wenn sie nicht sehr modern sind. Und dazu kommt, dass sie null Selbstreflektion haben und gar nicht bemerken, was an anderen Stellen gerade los ist.
    „Die Debatte ist nicht hilfreich“ – Mir wurde ja gesagt, ich soll mich zurückhalten in meiner Frustration^^

    3) Die Grünen sind ein Phänomen. Die benehmen sich schon seit Jahren wie eine Regierungspartei in der Opposition. Mehr als die SPD übrigens.
    Ihre guten Umfragewerte halte ich für absolut gerechtfertigt. Die haben Stefans Tipps für die SPD gelesen und beherzigt. Und siehe da: es funktioniert.

    6)
    Ach die ganze Recht und Ordnung und Verträge-Diskussion ist doch eh scheinheilig, das kramt man hervor, wenn es einem nützt. Und wenn das gerade nicht passt, wird anderen Moralisierung oder Gesetzesuntreue vorgeworfen.
    Ist ja ne kluge Taktik. Die Linken sind nur zu blöd, das mal vernünftig anzugreifen. Die lassen sich ständig vorführen.

    7)
    Ich brauch wohl nicht betonen, dass ich „nicht erfreut“ bin, wenn meine Oma erst für die Rechten als Empörungsobjekt herhalten muss (die arme Oma!) und einen Monat später muss ich darum kämpfen, dass meine Oma doch bitte dieselben Menschenrechte wie jeder andere haben sollte und nicht einfach mal als Pandemie-Kollateralschaden behandelt gehört.
    Diese Debatte ist auch nicht hilfreich. Ich würde sogar sagen, sie ist schädlich!

    Ich merke das gerade jetzt in der Pandemie wieder: Normale Leute sind nun mal keine Newsjunkies, die haben überhaupt keinen Einblick (und keine Kenntnisse) über die ganzen Mechanismen, die zu Politik und Verwaltung und Wirtschaftswesen gehören. Die können das wirklich kaum einordnen. Die lesen ein paar Überschriften und gucken eine Statistik an und basteln sich ihre eigenen Themen (bei Frauen ist das Esoterik-Thema ja wahnsinnig beliebt siehe Impfgegnerschaft).
    Da muss man wie jetzt meistens in der Steinzeit anfangen und erstmal erklären, was Infektionskrankheiten und das Immunsystem ist, bis man dazu kommt, denen zu erzählen, was der R-Faktor ist und warum der wichtig ist und bla. Und wisst ihr was: Das will gar keiner hören! Die wollen nur hören, dass das alles kein Problem ist.
    Und Politiker und Medien erzählen ihnen das oder Facebook. Und wenn ich oder sonst jemand sich die Mühe macht, mal die Hintergründe zu erklären, wollen sie es nicht mehr so genau wissen.
    So langsam spaltet sich das ein bisschen auf in die halbwegs Informierten und die Nichtinformierten, die einfach nur was erzählen wollen.

    Jetzt ist das extrem, weil die Pandemie und die ganze deswegen ausgelöste Chaotik natürlich ein Megathema ist. Erlebe ich aber auch bei anderen Dingen.
    Und bevor jemand meckert: Das hat nichts mit Dummheit oder Bildung zu tun! Ich habe viele Verwandte und Freunde ohne Abitur oder Studium und ich hab kein Problem damit, wenn jemand etwas nicht weiß. Es hat mit Verstehenwollen zu tun. Und das wollen viele nicht, sondern lieber ihre eigenen Theorien verbreiten, egal wie unlogisch die sind.
    Siehe die hochstudierten und wohlhabenden Menschen, die gerade meinen, so eine Pandemie ist ein Klacks. Sie wüssten das, weil sie ja solche Universalgenies sind! Sehen wir in den Kommentaren hier ja gelegentlich auch.
    Ich halte nur die Leute für ehrlich klug, die zugeben können, etwas nicht zu wissen und bereit sind, ihr Wissen zu erweitern. Und Leute, die gar nicht wissen, was Empathie oder Triage sind, sind da oft viel weiter.

    9)
    Ich denke, es ist aktuell noch zu früh, ernsthaft darüber nachzudenken. Der totale Wirtschaftszusammenbruch ist ja noch gar nicht richtig abzusehen.
    Zumindest wir hier müssen überhaupt erstmal herausfinden, was überhaupt noch da ist und was noch funktioniert. Die Staatshilfen (wer sie denn bekommen hat) haben erstmal die schnellen Pleiten verhindert.
    Das Autohaus, die Geschenkebranche, die Kaffeeautomatenfirma laufen ja wieder an. Aber wir wissen nicht, ob demnächst noch so easy Autos gebaut werden können, ob die Leute noch Geld haben zum Einkaufen und ob globaler oder auch nur innereuropäischer Handel weiterhin irgendwie funktionieren.

    Das ist schlimmer als in der Finanzkrise, weil das Geld (von Notenbanken herbeigezaubert) irgendwie ganz nach unten weitergereicht werden muss, damit überhaupt etwas wieder weitergehen kann. Und äh das ist normalerweise nicht der übliche Weg. Gelinde gesagt. Da denkt auch kaum jemand drüber nach, die Wirtschaftsblättchen machen sich noch Sorgen um Inflation und Eurobonds.
    Wer und wie das dann bezahlt wird, ist zum Glück ein Problem für später und viele „Reichendinge“ wie Kreuzfahrten, herumfliegen usw. sind wohl im nächsten Jahr eh nicht so das große Ding. Am besten wir verstaatlichen das Zeug schnell und gucken, dass wir die Kreuzfahrtschiffe an die Saudis verticken, die kaufen die ja eh gerade. Nur das Geld landet dann in Steuerparadiesen und geht an Aktionäre. Das ist vielleicht gerade ungünstig.
    Dänemark macht das ja richtig mit den Staatshilfen. Nix für Steuerparadiese, nix für Dividendenauszahler usw.
    Wenn das hier jemand vorschlagen würde, dann wird wieder „Kommunismus“ gerufen.

    10)
    Siehe 7) und 1).
    Bestimmte Männer sollten lieber keine Staatskrise wegen Pandemie managen, wenn ihnen ihr Ego wichtiger ist als die Menschen auf die sie einen Eid abgelegt haben.
    Lindner und die FAZ-Heinis können immerhin nicht ganz soviel Schaden anrichten.

    Mal abgesehen davon, dass die SCHON WIEDER mitten in einer Krise ihre interne Revolution abhalten. War schon in Thüringen der Fall, da haben sie ihre Chefin gestürzt und jetzt haben sie gerade keinen mehr. Jetzt destabilisieren sie wieder sowohl die eigene Partei als auch das ganze Land. Ich bin wirklich begeistert. Das mit „die Union ist ja DIE Regierungspartei“ hat sich ja bald erledigt, wenn sie lieber Revolution spielen als sich mal hinzusetzen und vernünftig zu regieren. Herrje.
    Nur seine Bildungsministerin Gebauer scheint ja noch verrückter zu sein, man munkelt, sie sei in der FDP! 😮
    Pietsch und andere Liberale können ja froh sein, dass ich gehört habe, dass der Garg (SH) gute Arbeit macht. Sonst käme ich noch auf die Idee, die ganze FDP wäre eine Gefahr für Deutschland. Nein, einer scheint sich noch dagegen zu wehren. Und ein paar Rentner. Yeah.

    • Stefan Sasse 21. April 2020, 09:44

      7) Das ist ja das was ich ganz am Anfang der Pandemie geschrieben habe. Angesichts meines eigenen Nicht-Wissens muss ich mich auf die Anweisungen/Ratschläge aus Politik und Medien verlassen können. Und weil die meisten Leute sich nicht informieren (wollen), müssen die verlässlich sein. Und deswegen ist dieses ständige Schaffen von ominösem Hintergrundrauschen verantwortungslos.

      • Ariane 21. April 2020, 10:20

        Ich finde, das Problem gibt es sonst ja auch. Da finden Schaukämpfe statt, die eigentlich nur Politiker und Politikjournalisten und uns als Politnewsjunkies interessieren. Der normale Bürger regt sich dann nur über den Veggie-Day auf und weiß doch eigentlich gar nicht, worum es geht.
        Das gehört ja irgendwie auch so. Auch problematisch, aber alles im Rahmen.

        Aber jetzt haben wir Pandemie! Das für jeden einzelnen Menschen auf der Welt ein wichtiges Thema ist. Wo Informationen aber ganz dringend gebraucht werden!

        Und die Medien und Politiker machen da einen Schaukampf draus. Ohne einmal zu überlegen, dass ihre Leser und Wähler überhaupt erstmal wissen wollen, was los ist. Und ohne dass die, die diesen Schaukampf führen, überhaupt nur Grundkenntnisse haben.
        Ehrlich, ich brech zusammen, wenn Pietsch, Augstein und „echte“ Journalisten plötzlich ganz verwundert fragen, wo denn jetzt der Reproduktionsfaktor herkommt!

        Das sind alles Leute, die seit 5-6 Wochen durch die Gegend laufen und ihre Meinung zur Pandemie und der Bewältigung äußern! (Pietsch nehm ich mal raus, der ist ja Privatmann immerhin)
        Aber die anderen richten sich direkt auf allen Kanälen an die gesamte deutsche Bevölkerung! Da ERWARTE ich, dass sie schon mal vom R-Faktor gehört haben, bevor die Kanzlerin das mal erklärt.
        Das meine ich mit Selbstreflektion und Verstehenwollen, wie können die ne Kampagne fahren und wissen nicht mal die grundlegendsten Dinge, die in einer Pandemie wichtig sind, erzählen der Bevölkerung aber ungefragt ihre Meinung. Und wundern sich dann nächsten Monat, dass wir immer noch ein Pandemieproblem haben.

        Boah, echt ich rege mich wahnsinnig darüber auf. Weil ich hier wieder durch die Gegend rennen kann und selbst versuchen muss, Aufklärung zu leisten (auch mit begrenztem Wissen über Pandemie, aber immerhin mit bisschen Allgemeinwissen zu Historie und Infektionskrankheiten).
        Deswegen ist das auch keine Frage zu Intelligenz, im Gegenteil. Weniger studierte Leute wissen, dass da klügere Menschen „etwas tun“, das können die akzeptieren, die wollen nur wissen, wie groß die Gefahr ist und was sie beachten müssen. Weil sie sich Sorgen um ihre Eltern oder Großeltern machen und das ist völlig ausreichend.
        Ja. Also. Immerhin für nach der Krise hab ich viel Motivation für ganz viele Dinge, die sich dringend ändern müssen, auch wenn gerade keine Pandemieapokalypse tobt.

  • Ariane 21. April 2020, 10:34

    https://twitter.com/boxenlude/status/1252508051921424384

    Ich kann nicht mehr. Laschet will jetzt das Oktoberfest ausrichten, das Söder gerade abgesagt hat.
    Tja, wer entmachtet ihn als erstes ist jetzt vermutlich die Frage.

    • sol1 21. April 2020, 10:54

      Das ist ein Fake-Account.

      Der echte Armin Laschet twittert hier:

      https://twitter.com/ArminLaschet

      • Ariane 21. April 2020, 11:17

        Ja danke, schon bemerkt und im falschen Kommentarstrang korrigiert^^

        Aber verwundern würde es mich wirklich nicht mehr.
        Land der Feierwütigen! Und Bierbrauer!

  • Kirkd 21. April 2020, 15:50

    zu 6) Auch als Jurist kann ich dem nur beipflichten. Juristerei ist eine Disziplin, die einen besonderen Hang hat, sich dazu berufen zu fühlen, in andere Disziplinen überzugreifen. Das funktioniert aber nicht. Die Juristerei kann monetäre Problem nicht lösen, dafür ist die Oekonomie berufen. Die Juristerei kann nur der gefundenen Lösung den richtigen rechtlichen Rahmen geben und ihn durchsetzen. Im Fall des Euros ist das Problem letztlicht, dass die festgelegten Kritierien die Probleme des Euros weder verhindert haben noch lösen (drei der vier PIGS-Staaten waren Maastricht Musterschüler!).

    Das Problem ein sehr deutsches, weil die deutsche Spitzenverwaltung extrem stark von Juristen besetzt wird, während in vielen anderen Ländern ein wesentlich stärker ausdifferenzierter Berufshintergrund in der Verwaltung rekrutiert und befördert wird.

  • Ariane 21. April 2020, 23:14

    Man kommt hier ja nicht mehr hinterher. Mal kurzer Frontbericht aus dem Norden, sogar mit Kinder- und Abinews 😀

    Persönliche Beobachtungen:
    Telefonchaos mittlerweile komplett (vor allem unter Frauen). Egal wen man erreichen will, man braucht nen halben Tag, um jemanden an die Strippe zu bekommen. Und dieser Wechsel zwischen „Offiziell“ und privat schmilzt mir das Hirn weg.
    Außerdem bin ich jetzt wieder völlig in die Familiengerüchteküche eingebunden, mit den Rentnern mittendrin. Das ist noch schwerer nachzurecherchieren als in den Medien. 🙂
    A propos: Pflegenotstand & Wirtschaftlichkeit. Dabei erfahren, dass der Pflegedienst, der sich auch um meine Oma bemüht, gerade verkauft wurde. Wegen finanzieller Schwierigkeiten, neuer Eigentümer ist zwar eine Diakonie. Aber ja, echt tolle Idee, dass irgendwelchen kirchlichen Trägern alleine zu überlassen, damit wir den Soli abschaffen können oder so. Yeah.

    Ansonsten mussten wir heute nach Verden zu Zimmermann, da waren ein paar Geschäfte drumrum und ich fand, es war ziemlich viel los. Zwar alle vorsichtig und rücksichtsvoll und sogar einige Masken zu sehen! Aber es stellt sich schon wirklich ein Gefühl der Normalität ein. Hm.

    Echte News:
    Wie immer Chaos für Grenzbewohner. HH und SH führen ab nächste Woche Maskenpflicht ein. Bremen will sich am Wochenende entscheiden. Niedersachsen gesamt ist bräsig besonnen wie immer, dafür haben wir an einem Tag in fünf! Städten Maskenpflichten. In Niedersachsen macht einfach jeder, wie er will!
    Wolfsburg hat Maskenpflicht und Probleme, weil einige Geschäfte, Mitarbeiter der Diakonie nicht mehr bedient werden. Da ist man wohl das Gegenteil von bräsig besonnen.

    Ergänzungen zu Punkt 1)
    Außerdem gibt es in NDS Ärger wegen der KiTa-Notbetreuung, weil ja jetzt wieder mehr Läden aufhaben und der Bedarf jetzt noch größer ist als ohnehin schon.
    Mittlerweile hab ich den Überblick verloren, aber am Anfang haben die das dreimal täglich geändert (weil sie nur Rettungskräfte als systemrelevant drin hatten) und das doch etwas naiv war.
    Aktuell gilt:
    Voraussetzung für die Teilnahme an der Notbetreuung ist laut der neuen Corona-Verordnung der Landesregierung, dass mindestens ein Erziehungsberechtigter „in betriebsnotwendiger Stellung in einem Berufszweig von allgemeinem öffentlichen Interesse“ arbeitet.

    Das ist ja nicht sehr präzise. Vielleicht hat sich das auch geändert, aber deswegen musste ich zb Notbetreuung spielen, weil Polizistin und firmenrettender Kleinunternehmen nicht für Notbetreuung ausreichten (muss man andere Möglichkeiten finden). Tja. Wenn mehr gearbeitet werden soll, kommt vielleicht mal wer auf die Idee, an Kinder und Eltern zu denken. Seufz.

    Aber hauptsache die Abiturprüfungen!! Erstmal positives: MV schafft dieses Jahr das Sitzenbleiben ab
    Ansonsten haben in MV und SH die Abiprüfungen unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen angefangen.
    Währenddessen proben in Niedersachsen die Schulleiter noch den Aufstand und wollen die Prüfungen am 11. Mai absagen.
    Ansage des Ministeriums:
    Das Kultusministerium hält am Abitur fest. Die Prüfungen seien zwar anders als sonst, aber möglich, sagte ein Sprecher zu NDR 1 Niedersachsen. Durch die späteren Termine hätten die Schulen genug Zeit, sich vorzubereiten. Zudem komme der Rahmen-Hygieneplan zeitnah an die Schulen.
    Da kann ja nichts mehr schiefgehen!

    Wie sieht es denn in Baden-Württemberg aus, Stefan? Gibt es zumindest schon einen Rahmen-Hygieneplan? Oder ähnliches? 😉
    So wirklich irgendeine Art von Plan scheint hier ja keiner mehr zu haben.

    • CitizenK 22. April 2020, 22:06

      Zum Thema Abiturprüfungen in Zeiten von Corona – Rezo mit Belegen:

      https://www.zeit.de/kultur/2020-04/bildungssystem-abiturpruefung-kultusministerien-armin-laschet-coronavirus

      Wir leider auch nichts mehr ändern.

      • Stefan Sasse 22. April 2020, 22:56

        Völlige Zustimmung.

      • Ariane 22. April 2020, 23:41

        Danke! Sehr guter Kommentar. Ich war bei Rezo in der ZEIT ja erst skeptisch, aber ich finde in dieser Zeit ist er eine ganz wichtige Stimme. Weil er mit Leuten redet und denen tatsächlich zuhört! Den wichtigen Leuten! Nicht den angeblich wichtigen.

        Das ganze Abi/Schulgedöns ist jetzt eh schon ein bisschen den Bach runter, aber das darf wirklich nicht vergessen werden, was da Kindern und Jugendlichen (und ihren LehrerInnen, SchulleiterInnen und Eltern und Familien) mitten in so einer Krise aufgeladen wird. Und die Gebauer sollte auch nicht davonkommen.
        Das ist im Ganzen ein riesiger Skandal meiner Meinung nach.

        Ich meine, wir reden hier von einem Vierteljahr erstmal. Sollte doch völlig logisch sein, dass davon nicht die Welt untergeht, wenn da kein normaler Unterricht oder Prüfungen stattfinden.

        • Stefan Sasse 23. April 2020, 08:52

          Ist leider nicht logisch, weil die Leute völlig verquere Ansichten von Unterricht und Schule haben.

  • CitizenK 22. April 2020, 10:25

    Interessante Studie: https://www.rnz.de/nachrichten/heidelberg_artikel,-studie-der-uniklinik-heidelberg-sind-kinder-unter-zehn-jahren-immun-gegen-corona-_arid,510796.html

    Falls sich bestätigt, dass Kinder unter 10 Jahren immun sind und auch nicht infektiös, könnte das die Situation in Kitas und Grundschulen deutlich entspannen.

    • Ariane 22. April 2020, 12:40

      Die Welt hatte auch einen Artikel, da ging es um ein infiziertes Kind, das im Skiurlaub war und da konnte die Infektionskette gut nachverfolgt werden und das Kind hat wohl niemanden angesteckt. Spannend.

      Lustigerweise scheint es bei Katzen übrigens auch so zu sein. Die können es kriegen, werden aber eigentlich nie krank davon und scheinen das (bisher) auch nicht weitergegeben zu haben.

      Wo ist denn Ralf? Wie geht sowas? Dass Kinder oder Katzen aufgrund eines anderen Immunsystems nicht selbst schwer erkranken, scheint ja noch logisch. Aber ist das wirklich möglich, dass man auch trotz allem keine oder weniger Menschen selbst ansteckt? Die Viren sind doch trotzdem da und verbreiten sich?

      Also mit diesem infektiös bin ich noch skeptisch. Eine totale natürliche Immunität bei Kindern kann ich mir nur schwer vorstellen. Eigentlich nur, dass es vielleicht alles schneller geht.
      Und dazu kommt: Kinder wuseln ja eigentlich nie alleine herum, da sind ja immer noch ein Haufen Erwachsene drumherum, gerade in KiTas und Schulen, aber auch ÖPNV oder Spielplätzen etc. Und die „Aufpasser“ sind ja dann wieder ein eigenes Sicherheitsrisiko.
      Aber wenn sich das bestätigt, könnte man zumindest eine Kleinstbetreuung leichter durchsetzen, wenn Kindergruppen von jungen Betreuern betreut werden, wäre das ja eine große Erleichterung.

      Und nein, ob da irgendwelche Prüfungen oder normaler Unterricht stattfindet, finde ich völlig unerheblich. Auch Kinder und Jugendliche lernen gerade genug fürs Leben, da kann die normale Schule auch mal von März bis zum Ende der Sommerferien ausfallen, ohne dass irgendwer sofort verdummt. (oder die Kulturpessimisten herumweinen). Ich hab in den letzten 4-6 Wochen mehr gelernt als in der ganzen Schulzeit und das täte einigen im Kultusministerium oder anderen Stellen auch mal gut.

      • Ralf 22. April 2020, 14:32

        Dass Kinder die Krankheit nicht weitergeben können, widerspricht meines Wissens nach zumindest einer aktuellen chinesischen Studie, aber derzeit ist die Lage noch viel zu wenig erforscht, um klare Aussagen zu machen.

        Im übrigen wäre zu klären, ob der Fall dieses Kindes aus dem Skiurlaub mit dem individuellen Immunsystem dieser einen Person zusammenhängt oder ob der Fall generell typisch ist für Kinder.

        Denkbar wäre z.B., dass manche Personen das Virus direkt von Anfang an dramatisch unterdrücken. Das könnte theoretisch z.B. der Fall sein, wenn jemand aus einer vorherigen Infektion mit einem verwandten Coronaerreger, etwa einem der regulären Erkältungserreger, noch sehr hohe Antikörpermengen hat und diese Antikörper mit SARS-CoV-2 cross-reagieren und das Virus effektiv neutralisieren. In diesem Szenario würde es kaum zu einer Infektion kommen bzw. die Infektion wäre sehr stark unterdrückt. Und wenn sich der Virus kaum vermehren kann, dann ist man wahrscheinlich auch wesentlich weniger infektiös, weil weniger virale Partikel produziert werden.

        Eine andere Möglichkeit ist, dass sich die Nische, in der sich der Virus einnistet, eine Rolle spielt. In den Fällen, in denen der Virus z.B. tief in der Lunge sitzt, ist meist auch der Rachenabstrich-PCR-Test negativ, weil der Virus-Load im Rachen eben minimal ist. Wenn der Virus aber nicht im Rachen sitzt, dann kann wird er wohl auch weniger über Husten oder Niesen weiterverteilt.

        • Ariane 22. April 2020, 17:27

          Danke!
          Ich fasse mal zusammen: Bisher ist zu wenig bekannt, als dass man Kinder als Sicherheitsrisiko ausschließen kann. ^^

          Spannend, aber wenn das nur bei „Spezialfällen“ vorkommt, hilft das vermutlich erstmal nichts. Bei den Datenmengen, die gerade vorhanden sind, dauert es vermutlich ewig, bis da wirklich Erkenntnisse vorliegen.

          Immerhin: Coronaparties unter Jugendlichen sind wahrscheinlich weniger Infektionsherde als Après-Ski-Parties und Karneval. Naja. Nicht so die Mords-Erkenntnis. 🙂

    • Stefan Sasse 22. April 2020, 13:08

      Nach allem was ich bisher gehört habe stehen die Chancen dafür leider schlecht. Aber wäre super.

  • Ariane 23. April 2020, 02:35

    Vor’m Schlafengehen nochmal interessante Neuigkeiten aus Hamburg.

    Ein Hamburger Verwaltungsgericht hat einem Eilantrag stattgegeben und die Größenbegrenzung von 800qm erstmal gekippt. Der Hamburger Senat hat schon Beschwerde eingelegt und prüft gerade, ob solange die jetzige Regelung mit den kleinen Läden aufrecht erhalten werden kann.

    Die Begründung ist sehr schön:
    Doch dafür [mehr Andrang in Innenstädten] liegt nach Auffassung des Verwaltungsgerichts „keine gesicherte Tatsachenbasis“ vor. Die Anziehungskraft des Einzelhandels folge nicht aus der Größe der Verkaufsfläche, sondern aus der Attraktivität des Warenangebots, urteilte das Gericht.

    Ähm ja. Wisst ihr Bescheid! Geile Begründung, also bitte nur Beschränkungen für gute Läden, die miesen können ruhig alle reinlassen.

    Das kann ja heiter werden, wenn da nun zum Wochenende oder sonstwann alle Läden gleichzeitig aufgehen. HH ist DIE Shoppingstadt im Norden schlechthin.
    Und ich muss ja zugeben, dass das nach dem Tourismus-Krieg gerade in Schleswig-Holstein für ein bisschen Schadenfreude sorgt. Vermutlich schließt der Hamburger Senat jetzt die Landesgrenzen, um die ganzen shoppingsüchtigen Bauerndeppen draußen zu halten. 😀
    Ja doch, Föderalismus bei einer bundesweiten Krise ist eine glänzende Idee, kann man gar nicht genug haben hier oben.

    Mir reichts echt, heute morgen ist hier schon Panik wegen Maskenpflicht ausgebrochen, weil Bremen erst nicht erwähnt wurde. Und meine Stadt liegt genau an der Grenze, da weiß man meistens gar nicht mehr, ob man schon in Bremen oder noch in Niedersachsen ist.Seufz.
    Und ja, meine Merkel-Bewunderung hält sich gerade in Grenzen, wenn die mich nicht endlich mal davor rettet, immer vier(!) Bundesländer irgendwie im Blick zu behalten. Auch wenn Rätselraten, was wo für wen gilt, ein nettes und unerschöpfliches Gesprächsthema sind, das Thema ist sogar was für Männer! ^^

    • CitizenK 23. April 2020, 08:53

      An die Einkaufszentren haben weder die Verordnungs-Macher noch die schlauen Richter gedacht: Viele Läden unter 800 qm – davor und dazwischen ein Riesen-Gedränge, Abstandhalten unmöglich.

      Ich fürchte, Drosten hat recht – das bisher Erreichte wird gerade verspielt.

      Ob Stefan Pietsch immer noch glaubt, dass Gerichte keine Politik machen?

      • Ariane 23. April 2020, 10:07

        Innenstädte sind immerhin noch an der freien Luft, Einkaufszentren oder auch Ikea (!) sind nun mal extra für Menschenmassen gebaut, die funktionieren ohne überhaupt nicht.
        Und „oh die Wirtschaft“-> Wer sich in einem Einkaufscenter die Miete leisten kann, ist meistens kein Kleinunternehmer. Das können sich meistens nur die großen Ketten leisten (und das sind ja oft nicht mal deutsche Firmen). ^^

        Hatte gestern mit jemandem geredet aus einer hessischen Großstadt, der meinte, dass einfach vor den Läden mehrere(!) Warteschlangen waren. Alle waren vorsichtig, aber soviel Platz gibt es in Fußgängerzonen nun mal einfach nicht, dass man parallele (!) Warteschlangen mit 2m Abstand bauen kann.
        Sowas Bescheuertes. Das ist ja wie Berlin digital, erst die Warteschlange zur Warteschlange bitte.

        Und von Schweden als Vorbild will ich nie wieder was hören!
        https://twitter.com/aloa5/status/1253221491233128448

        • popper 29. April 2020, 11:14

          Dein Dilemma, Ariane, ist, dass Du jede Kurve, die dir jemand vor die Nase hält, und die wie eine Bestätigung deines Meinungsfurors aussieht, mit tremolierender Entrüstung unter die Menschen bringst. Schweden hat fast so viele Einwohner wie Dänemark und Norwegen zusammen. Außerdem sagen kumulierte Zahlen von Toten gar nichts. Die Graphik weißt an der Ordinate 1.600 Tote aus. Hätte man diese in 0-10.000 aufgeteilt, wäre der bildliche Eindruck weit weniger dramatisch. Oder denk dir Deutschland in dieser Graphik dazu mit seinen über 5.000 Verstorbenen. Würde dann die Aussage, dies sei der totale Horror, dich überzeugen, da die Todesrate ja dreimal so hoch ist als die Schwedens. Also deiner Argumentation nach, dreimal schlimmer. Merkst Du nicht, wie absurd deine Panikmache ist?

      • Stefan Pietsch 23. April 2020, 23:50

        Es ist eine der Unsinnsfestlegungen der doch nur nach wissenschaftlicher Expertise handelnden Kanzlerin, die nur dann Wissenschaftler zu Rate zieht, wenn sie die Empfehlung schon vorher kennt.

        Weder haben Wissenschaftler eine Unterscheidung nach Fläche empfohlen noch haben das viele Praktiker erwartet. Also, auch ich hatte mich mit meinem Team beraten und erwartet, dass die Politik eventuell Zugangsbeschränkungen oder besondere Hygienemaßnahmen verlangen würde. Pustekuchen! Fläche ist das Kriterium. Über solche Politik und Umgang mit den Grundrechten kann man nur den Kopfschütteln.

        Gut, dass der demokratiefeindliche Konsens heute zumindest von Christian Lindner und der FDP aufgekündigt wurde. Diese Willkürherrschaft ist ja kaum noch zu ertragen.

  • popper 1. Mai 2020, 11:50

    Hier eine Graphik zur Übersterblichkeit bis 15. März 2020, wo deutlich wird, dass die Horrorszenarien, die auch hier im Blog immer wieder für Deutschland beschworen wurden/werden, pure Fantasie sind.

    https://image.jimcdn.com/app/cms/image/transf/dimension=960×1024:format=jpg/path/s56fbd84d0e131e9b/image/idcfe0139f1bcb2c1/version/1588266539/image.jpg

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