Bücherliste September 2021

Anmerkung: Dies ist einer in einer monatlichen Serie von Posts, in denen ich die Bücher und Zeitschriften bespreche, die ich in diesem Monat gelesen habe. Darüber hinaus höre ich eine Menge Podcasts, die ich hier zentral bespreche, und lese viele Artikel, die ich ausschnittsweise im Vermischten kommentiere. Ich erhebe weder Anspruch auf vollständige Inhaltsangaben noch darauf, vollwertige Rezensionen zu schreiben, sondern lege Schwerpunkte nach eigenem Gutdünken. Wenn bei einem Titel sowohl die englische als auch die deutsche Version angegeben sind, habe ich die jeweils erstgenannte gelesen und beziehe mich darauf. In vielen Fällen wurden die Bücher als Hörbücher konsumiert; dies ist nicht extra vermerkt.

Diesen Monat in Büchern: Verfassungsgeschichte, Bürgerkrieg, Deutsche Frage, 30jähriger Krieg, Shutdown, Clash of Kings, Sandman

Außerdem diesen Monat in Zeitschriften: Nigeria

BÜCHER

Ari Kelman/Jonathan Fetter-Vorm – Battle Lines: A graphic history of the Civil War

Der amerikanische Bürgerkrieg ist publizistisch so gut beackert wie kein anderes historisches Feld. Mittlerweile zehntausende Bücher sind über ihn geschrieben worden; die überwiegende Mehrzahl für die akademische Debatte völlig irrelevant. Empfehlenswert ist dieses Werk: nicht ganz ein Comic, aber auch mehr als nur eine Bildergeschichte, werden hier episodisch in graphic-novel-Form chronologisch Aspekte der Geschichte des Bürgerkriegs behandelt. Dankenswerterweise handelt es sich dabei nicht um dröge Adaptionen mit pädagogischem Hintergrund, wie sie sich auf diesem Feld allzu häufig finden, wenn etwa Werke der Weltliteratur als Comic adaptiert werden, in der vergeblichen Hoffnung, sie damit jüngeren Lesenden zugänglich zu machen.

Was Kelman und Fetter-Vorm hier leisten, geht schon eher in den Bereich der Literatur. Von den Schüssen von Fort Sumter bis zur Kapitulation der Armee von Northern Virginia werden zentrale Elemente (nicht nur Ereignisse!) des Bürgerkriegs beschrieben, und zwar auch solche, die nicht direkt in die populäre, permament wiedergekäute Mythosbildung fallen. Bekannte Elemente wie Gettysburg werden auf neue Weise inszeniert. Viele der Geschichten enden mit einem gut-punch, einem literarischen Hieb in die Magengrube.

So dreht sich die Geschichte von Fort Sumter um einen schwerverwundeten Soldaten; die einzigen Toten der Belagerung entstanden bei der Übergabe, als die Unionssoldaten darauf bestanden, der eingezogenen Flagge zu salutieren und eine Kanone explodierte. „The first wounds of the Civil War were, one could say, self-inflicted„, bemerkt der Text lakonisch dazu. Solcherlei poetische Verarbeitung historischer Momente finden sich zuhauf, ob wir nun das Tagebuch eines verhungernden Unionssoldaten im schlimmsten Gefangenenlager der Konföderierten, das den Schrecken der Wehrmachtslager wenig nachsteht, folgen; ob wir nach der Schlacht von Gettysburg sehen, wie ein Fotograf einen Toten zu einem ikonischen Foto drapiert und so Geschichte fälscht; ob wir sehen, wie die Unionsarmee schwarze Gefangene ausbeutet und wie Sklaven behandelt; ob wir eine Krankenschwester dabei begleiten, wie sie ihrerseits einen verwundeten Soldaten beim Sterben begleitet.

Es sind keine leichten Themen, und an jeder Wendung unterwandern die Autoren Erwartungen an die Geschichten über den Bürgerkrieg. Helden gibt es hier keine. Wir sehen weder Lee noch Stonewall Jackson, weder Grant noch Lincoln. Wir bleiben stets bei den tausenden von namenlosen Opfern des Krieges, die ihre Wunden, in den Worten Erich Maria Remarques, behielten, „ob sie den Granaten entkam oder nicht“. Es ist ein mehr als empfehlenswerter Band.

Anselm Doering-Manteuffel – Die deutsche Frage und das europäische Staatensystem 1815-1871

Die Reihe „Enzyklopädie Deutscher Geschichte“ des Oldenbourg-Verlags ist zweigleisig aufgebaut: ungefähr ein Drittel jeden Bandes enthält eine knappe Zusammenfassung und Einordnung der entsprechenden Epoche, die andere zwei Drittel beschreiben den Wandel des Forschungsstands und die Quellenlage. Ich habe diesen spezifischen Band vor allem deswegen erworben, weil er von meinem hochgeschätzten Professor Doering-Manteuffel geschrieben wurde, der mittlerweile emeritiert ist.

Die Einordnung des ersten Drittels ist im besten deutschen Historikerstil geschrieben, will heißen: extrem verdichtet und voller Fremdworte. Wer ohne Vorkenntnisse an die Sache herantritt und noch nie historische Fachtexte gelesen hat, dürfte gleich rückwärts wieder aus dem Raum stolpern. Aber der Anspruch einer Reihe für Studierende ist ja auch nicht Allgemeinverständlichkeit, und Überblickswerke zur Geschichte des 19. Jahrhunderts gibt es zuhauf.

Der einzigartigere Punkt sind die anderen zwei Drittel. Hier wird thematisch aufgeschlüsselt, wie sich der Forschungsstand über die Jahrzehnte geändert hat. Von den borussischen Nationalisten wie Heinrich Treitschke bis zur Gegenwart zieht sich der Bogen, in dem erklärt wird, welche Narrative und Interpretationen vorherrschend waren und auf welche Quellen sie sich stützten.

Auffällig ist die Zeichnung Österreichs und besonders Metternichts als Gegner der deutschen Nation, die bis ins 20. Jahrhundert führend blieb ebenso wie der Einfluss der Weltkriege. So wurde etwa der Wiener Kongress mit dem Abschluss des Versailler Vertrags plötzlich ein Trendthema, in dem die deutschen Historiker glaubten, eine bessere Alternative zu erkennen – eine Sicht, die ihre Kollegen im 19. Jahrhundert ganz und gar nicht teilten. Nach dem Zweiten Weltkrieg rückten europazentriertere Sichtweisen in den Fokus, während ab den 1970er und 1980er Jahren strukturelle, gesellschaftshistorische Analysen hinzukamen.

Hans-Christian Huf – Mit Gottes Segen in die Hölle

Der Dreißigjährige Krieg war über Jahrhunderte die Urkastastrophe der Deutschen und hatte sich tief in das nationale Bewusstsein eingegraben. Erst der Zweite Weltkrieg verdrängte den längsten Konflikt, der auf deutschem Boden ausgetragen wurde, aus dem kollektiven Bewusstsein. Heute ist er beinahe vergessen, aus den Bildungsplänen ist er lange herausgefallen.

Mir wird das immer dann bewusst, wenn ich an Ottfried Preußlers „Das kleine Gespenst“ denke, in dessen Rahmenhandlung ein Festumzug mit Reenactment des Dreißigjährigen Kriegs eine zentrale Rolle spielt – ein Anachronismus, der es merkwürdigerweise in die jüngste Filmadaption geschafft hat, die meine Kinder gerne sahen.

In Hufs Buch wird der Dreißigjährige Krieg für ein Publikum ohne große Vorkenntnisse journalistisch aufbereitet. In Vollfarbe und mit vielen Bildern führt er aspektorientiert durch den Konflikt. Von Wallenstein zum Söldnertum, vom Stand der Feldmedizin zur Astrologie, von den politischen Verhältnissen zum Leben in der Stadt des 17. Jahrhunderts entsteht ein umfassendes Panorama einer beinahe vergessenen Epoche.

Adam Tooze – Shutdown: How Covid shook the world economy (Adam Tooze – Die Welt im Lockdown. Die globale Krise und ihre Folgen)

Bereits mit „Crashed“ hat Adam Tooze ein absolutes Meisterwerk der Geschichtsschreibung über gegenwärtlige Ereignisse vorgelegt. Mit „Shutdown“ geht er noch einen Schritt weiter und geht kaum mehr als ein Jahr zurück in die Vergangenheit. Für einen Historiker ist ein solches Vorgehen immer sehr risikobehaftet, denn unsere Zunft gewinnt ihre Analysen ja häufig gerade aus der Distanz zu den Ereignissen: aus dem Nicht-betroffen-Sein, dem Zugang zu Akten, und so weiter.

Aber Tooze ist ein Virtouse auf diesem Gebiet, das hat er bereits mit „Crashed“ bewiesen. So auch hier. Shutdown ist wesentlich weniger umfangreich als das Vorgängerwerk (nicht einmal halb so lang) und hat einen bewusst gewählt engeren Fokus, indem es kaum ein Jahr behandelt – von der Ankündigung des Virus durch Xi Jinping im Januar 2020 zu den beginnenden Massenimpfungen im Frühjahr 2021.

Tooze interessiert sich wenig für die Dinge, die die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit weitgehend in Beschlag genommen haben, wie die Effektivität von Abstandsregeln oder Maskenmandaten. Er betrachtet die Covid-Krise aus wirtschaftlicher Sicht.

Dabei geht es ihm einerseits um die größte Rezession aller Zeiten, die zu alledem komplett aus freien Stücken verursacht wurde, und wie die Staaten mit dieser umgingen. Zwei zentrale Thesen werden aufgestellt. 1) Die Staaten waren in ihrer Entscheidung zum Lockdown nicht frei; dieser wurde ihnen von Bürger*innen und Unternehmen aufgezwungen. 2) Die Finanzierung des Lockdowns zeigt deutlich, wie falsch der ökonomische Mainstream liegt.

Neben diesen wirtschaftlichen Beobachtungen geht Tooze auch viel auf die verschiedenen Phasen der Krisenbekämpfung ein und zeigt, wie die anfangs guten Reaktionen mancher Staaten wie Deutschland später unter anderem durch die globale Natur des Virus‘ zunichte gemacht wurden. Auch die Unterschiede zwischen asiatischen und sonstigen Reaktionen werden gebührend hervorgehoben, gerade auf dem Gebiet der Wirtschaft und der Logistik.

Ein letzter Schwerpunkt liegt auf den finanziellen und makroökonomischen Verwerfungen, die Covid mit sich brachte. Wenig überraschend findet diese Betrachtung durch die Brille des Aufstiegs Chinas statt. Ohne das Riesenreich der Mitte geht mittlerweile nichts mehr, und die Covid-Krise hat die chinesische Macht deutlich verstärkt.

George R. R. Martin – A Clash of Kings (George R. R. Martin – Der Thron der Sieben Königreiche)

Dieses Review entstand für den BLAH-Patreon.

After I tackled „A Game of Thrones“ in BLAP 58, concentrating on Early Installement Weirdness, I recently completed my reread of „A Clash of Kings“, and so I want to give you my report here. Of course, you know the book, I knew the book, so I’m not reciting the plot and tell you it’s a damn good book, but I’d rather make some stray observations.

The first thing that comes to mind is that while the scope of the book expands a bit, it’s still fairly narrowed, compared to the sprawling epic of the Feastdance. „A Game of Thrones“ was tightly confined to the plot in King’s Landing, with two storylines more or less self-contained (Jon and Dany), one giving us the walking camera on Winterfell (Bran) and one being physically remote yet intricately linked (Catelyn). 
In „A Clash of Kings“, we get two new perspectives: Davos, who serves as a walking camera on all things Stannis that Martin wants us to know, and Theon, who serves an integral function in the story and is the first big departure from Martin’s original outline. Let’s tackle these two newcomers first.
Davos, as many have remarked before, is mostly a camera on legs in this book. It’s only in „A Storm of Swords“ that he will get a real character arc of his own. This shouldn’t be miscontrued as saying that Davos is a bad character or something; it’s just apparent, especially in contrast to Theon, that his motivations are pretty bare-bone. He’s loyal, he’s truthful, and that’s about it. 
Davos gives us a view on a Stannis that is hard to square with the Mannis the fandom loves so much. He’s very much the antagonist of the book, if not the outright villain (that spot is reserved for Joffrey), but we are supposed to feel the same uneasiness about the middle Baratheon that Catelyn feels. The book succeeds in that. It’s never possible to unequivocally root for the Baratheon victory, try as we might. 
This is further complicated by squaring off the two most likeable characters of each side in the Battle of the Blackwater. Tyrion for the Lannisters and Davos for Team Burning Heart gives us no clear side to root for, an effect that is certainly intended and that works masterfully. I don’t want to waste any words on the quality of the Battle itself; others have done that to much greater effect. It’s a favorite for a reason. 
Stannis, once again, is at best a dark grey character in this books (ironic, given Melisandre’s monologue about people being either black or white). We are with him because Davos, who is clearly coded as a good guy, is with him. But if Catelyn’s perspective was the only look we had on Stannis, the only perspective, it would be pretty clear he’d be in the „bad guy“ camp. It will need the catastrophe of the Blackwater to change him into something better, forcing Davos‘ question from the beginning of „A Storm of Swords“ whether his sons‘ lives where just a lesson for a king. Were all these dead just ingredients for a character arc? It’s a nagging question, and one is well adviced not to think in these terms in our reality. 
If you think your life is following a neat trajectory, you might just be Theon Greyjoy, who is the second new POV here. He’s insufferable, and clearly written as such. His journey through humiliations down into the darkest abyss is incredibly compelling. There’s no way we could ever root for him, and the capture of Winterfell, as Steven Attewell pointed out in great detail, required some heavy-handed authorly intervention. 
It’s this weighing on the scales that Martin still needs to do that’s making „A Clash of Kings“ not as good as the middle part of the series, simply because such weighing is largely unnecessary in the Feastdance, where things happen more organically out of the choices of characters. But Winterfell NEEDS to burn, and Theon is just the person fate has chosen to make it happen. 
In the hands of a lesser writer, this would be a bolt out of nowhere, done mostly for shock (WHAT, THEON DID THAT?!). Here, Martin invites us to follow every step of the way, to emphasize with Theon (but never sympathize!) and understand where he’s coming from. He has a giant chip on his shoulder, and it’s not really his fault. His story is also a story of the failure of many people around him, although of course, his own character is still to blame the most. Jon Snow, the obvious comparison, took a very different route with a comparable starting position. 
The most obstruse part of „A Clash of Kings“ is the Hornwood crisis and the character of Ramsay Snow aka Reek. Even knowing the story and having read it many times, it’s easy to lose track of what’s happening why, and this obfuscation is intended on Martin’s part. It’s essentially only in the aftermath of the Red Wedding that the reader is able to fully understand what the hell happened there. I’m a bit on the fence if this is a good decision, but that’s the structure of that plot. 
Ramsay’s function, on the other hand, is pretty clear. He’s the devil. He lures Theon to the Dark Side, bit by bit, dropping venom in his ears and defeating all of the (stunted, admittedly) better angels of his nature and overcoming the angelic voice of Maester Luwin, almost ritually slaying him in the end. When Theon murders the miller’s children to cover up his mistake, he’s taken a dark road without return, and when the devil comes back to collect his due, he’s doing so in style, in demonic attire and amidst a burning inferno. 
The rest of the book remains surprisingly tight. Winterfell, more or less checked in regularily in „A Game of Thrones“, now has a more direct connection to the main plot and becomes a stage for it once again with Theon’s plotline. Bran’s awakening, the great introduction of the Reeds and the subsequent fall of the castle are woven together in a triumph of storytelling. „The North“ therefore becomes a story location in its own right, a place that gets lost in the ultimate chapter of the book, with Bran wistfully looking back in a broken, but not dead Winterfell. 
Catelyn remains her function as a connecting tissue, first giving us a look into the war in the Riverlands and the politics of it, whereas later she provides the necessary viewpoint of Renly’s death and Stannis‘ assencion before returning to the Riverlands in time to witness the Battle of the Fords and to free Jaime. Her plot is cleverly laid out so that she organically arrives at the right time in the right place, and on top of that, she has a personal arc driving her on a relentless downward slope that will only become worse in „A Storm of Swords“. 
Here, we can already see the seeds of the later Nemesis that she will become in her role as „Lady Stoneheart“, and this is another thing about „A Clash of Kings“: unlike „A Game of Thrones“, there are a lot of seeds and threads that clearly lead to future books. Martin has a much better grasp of where he wants his story to go, not in detail, of course, but in principle. 
Unfortunately, this is less the case with Arya’s storyline, which is the weakest of the book. She simply has too many chapters which are too repetitive in the beginning. The part in Harrenhal makes up for it, of course, with the view on Roose Bolton, the Bloody Mummers and of course Arya’s use of her „murder genie“ (Attewell) Jaqen H’ghar. 
The last part of the big political plot happens in King’s Landing, where Tyrion is at the height of his power and really enjoying it. And so do we readers. There’s something immensely entertainting watching Tyrion do all the stuff he does, be clever and outmaneuver Cersei. However, as we rereaders know, he’s already laying the ground for his own destruction. 
Much of what will come to haunt him in the trial of „A Storm of Swords“ and lead to his political impotence and unlikeability on the following volume is already started here, and Martin continually gives us subtle hints about Tyrion’s darker aspects, which will come to the fore in „A Dance with Dragons“ and, presumably, „The Winds of Winter“ on the one hand and the rottenness of the cause he serves on the other. It’s easy to forget, read from Tyrion’s perspective, just how rotten the whole Lannister regime is. Whatever Tyrion does, it’s in the service of an utter psychopath. Never forget that. 
Jon and Dany, once again, remain apart, their stories now completely severed from the rest of the plot. Jon’s adventures beyond the Wall mostly take the form of a thriller in the mold of John Le Carré or Tom Clancy, an agent in foreign territory, trying to achieve intelligence and navigating a dangerous space. As I argued in my guest appearance on the NotACast, this passage also subverts ours (and Jon’s) expectations about the wildlings, preparing the ground for the plot of „A Dance with Dragons“ especially to follow. 
A general theme of this book report, to me, is that the plot is much more important for later books than it was in „A Game of Thrones“. So many actions characters take, so many events begun, will not come to fruition until later books. This was different in the first volume, which was much more self-contained. 
On the other hand, the focus is still tightly set on King’s Landing, the gravitational center of the political plot. Even if the characters are not there, it’s the point where their aspirations are concentrated. Dorne is still mostly mentioned, Robb is off camera for long stretches of time, the Vale is practically mute, the Stormlands as well (aside from Storm’s End), the Reach is present as an army but not as a region, and so on. 
The scope will widen a bit in „A Storm of Swords“, but it will become truly epic only in the Feastance. Viewed from this perspective, „A Clash of Kings“ is much more sophisticated than „A Game of Thrones“, but it’s a far cry from the abilities Martin will display in the middle part of the saga. It’s impressive, really.

Neill Gailman – The Sandman Deluxe Edition Vol. 1 (Deutsch)

Ich habe den Sandman zwar erst im Juli gelesen UND gehört, aber ich habe mich entschlossen, gleich noch einen Durchlauf zu machen, weil nun der zweite Teil des Hörbuchs erschienen ist. Ich will mich daher hier genauso wie bei „A Clash of Kings“ oben darauf konzentrieren, was der Reread ergeben hat.

Auffällig war bei dieser Lektüre, dass die ersten, eine zusammenhängende Geschichte ergebenden Bände in diesem Sammelband, insgesamt noch nicht so raffiniert sind wie die späteren Geschichten. Zwar ist die Plotlinie um den Ausbruch Traums aus seiner Gefangenschaft und die Wiedererlangung seiner Werkzeuge immer noch interessant und der Ausflug in die Hölle mit dem Duell gegen den dortigen Dämon unbestreitbar der Höhepunkt.

Die herausstechendsten Merkmale – in einem negativ herausstechenden Sinn – sind die Einbettung der klassischen DC-Charaktere. Batman, der Marsianer, John Constantine, Doctor Dee und Scarecrow wollen nicht wirklich zu der epischen, überdimensionalen Bedeutung von Traum passen. Wenig überraschend, dass solche Elemente bereits in der zweiten Hälfte dieses Sammelbandes praktisch komplett verschwinden.

Der zweite große Plot überzeugt da schon mehr. Ein Vortex hat sich gebildet (was das ist, bleibt bewusst unklar), und dies dient zum Anlass für alle möglichen merkwürdigen Begegnungen und Meditationen über die menschliche Natur. Zunehmend findet Gailman seinen Rhythmus, in dem er Sandman-Geschichten erzählen will, die episodenhafter und gleichzeitig tiefgreifender werden.

ZEITSCHRIFTEN

Aus Politik und Zeitgeschichte – Nigeria

Die aktuelle Debatte zur Bewertung des Kolonialismus hat ein gewisses Interesse an den ehemaligen deutschen „Schutzgebieten“ (wie man die Kolonien im Amtsdeutsch nannte) aufkommen lassen, das durch die zusätzlichen Debatten rund um die Raubkunst im Humboldt-Forum und die Rückgabe der Benin-Bronzen an die nigerianische Regierung sowie die Forderung der Herero und Nama nach Reparationen neue Nahrung erhielt. Die Bundeszentrale liegt daher mit ihrem Band zu Nigeria, dem bevölkerungsreichsten Staat Afrikas (über 200 Millionen Einwohner*innen) voll im Trend.

Die im Heft versammelten Aufsätze beleuchten alle verschiedene Aspekte dieses westafrikanischen Staates. Dabei ergeben sie eine Sammlung von Schlaglichtern, weniger einen vollständigen Überblick. Wer gar nichts über Nigeria weiß (wie ich), wird bei einigen Beiträgen verzweifelt nach Kontext suchen und ihn nicht finden.

Wir erfahren trotzdem nützliche Informationen: die Dreiteilung Nigerias in verschiedene Stammesgebiete, die sich, höflich ausgedrückt, nicht immer grün sind und unterschiedliche Sprachen sprechen und Glaubenssysteme teilen. Die Rolle Nigerias im sicherheitspolitischen Umfeld der westafrikanischen Union und seine Versuche, sich als regionale Ordnungsmacht zu etablieren, die angesichts der Schwäche des Staates zum Scheitern verurteilt sind. Die boomende Filmindustrie des Landes („Nollywood“). Die kulturelle Bedeutung der Benin-Bronzen. Nigerianische Literatur. Und so weiter.

Für derartige Einblicke ist das Heft durchaus lesenswert, aber gerade der Beitrag zu Nollywood war für mich, der keinerlei Bezug dazu hat, wenig ergiebig. Auch die Vorstellung zentraler Literatur des Landes war merkwürdig unbestimmt; es blieb offen, ob es sich nun um Bücher handelt, die interessante Einblicke in die Seele der Nation in der jeweiligen Epoche bieten oder ob es auch genuin gute Literatur sein soll. Solche Ambivalenzen ziehen sich durch die ganzen Aufsätze.

{ 7 comments… add one }
  • Thorsten Haupts 4. Oktober 2021, 08:49

    Der Dreißigjährige Krieg war über Jahrhunderte die Urkastastrophe der Deutschen und hatte sich tief in das nationale Bewusstsein eingegraben.

    Dass ich in meinem Leben noch mal jemandem finden würde, der das weiss …
    Chapeau, Monsieur Sasse.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

  • cimourdain 4. Oktober 2021, 21:30

    Dreissigjähriger Krieg:“Heute ist er beinahe vergessen, aus den Bildungsplänen ist er lange herausgefallen.“ hat mich etwas erschreckt, passt aber zu meiner Wahrnehmung (konkret ist mir das 2018 aufgefallen, als das Jahr 1618 völlig hinter den 1918-Erinnerungsveranstaltungen zurückgedrängt wurde).
    Aber vielleicht ist da die Bevölkerung vor Ort weniger vergesslich, als die „offizielle“ Geschichtswahrnehmung: die von dir als’Anachronismus‘ geschmähten Reenactments fanden (bis 2019) durchaus guten Anklang (z.B. Memmingen, Waldmünchen, Dinkelsbühl), in Heimatmuseen wird ‚geschichte vor Ort‘ gepflegt, mir hat mal (vor vielen Jahren) eine alte Frau den Vers „Bet, Kinderl, bet, morgen kommt der Schwed, morgen kommt der Ochsenstern, bet, Kinderl, bet“ aufgesagt.
    In jedem Fall hätte es eine gewisse Aktualität, daran zu erinnern, wodurch diese ‚Urkatastrophe‘ gekommen ist: dass es zum einen ein Bürgerkrieg verschiedener religiös-ideologische Gruppen war und zum anderen Großmächte von aussen ihre Hegemonialinteressen mit Söldnern und Kanonen durchsetzen wollten. So ‚flammten die Kämpfe‘ immer wieder auf und‘ ide Region kam nicht zur Ruhe’…

    • Stefan Sasse 5. Oktober 2021, 06:40

      Meine Erfahrung ist, dass den praktisch niemand mehr kennt. Und das Reenactment existiert natürlich schon noch, aber dass Grundschulen daran teilnehmen und es das Hauptevent des städtischen Jahreskalenders ist scheint mir schon eher ein Phänomen der Preußler-Ära zu sein.

      • cimourdain 5. Oktober 2021, 22:28

        Solche Veranstaltungen sind gerade in kleineren Orten wie Waldmünchen tatsächlich das wichtigste Ereignis im Jahr dar. Aber auch die anderen Beispiele sind zum einen enorme Besuchermagnete (Wallensteinlager über 100.000 ) und ein Teil des Images (Die Kinderzeche ist immaterielles Kulturerbe), gerade für einen Ort der auf sein Fachwerkhausimage baut, sehr wertvoll. Und auch wenn die Schulen nicht direkt selbst daran teilnehmen, so spielen genügend Kinder über Vereine etc. mit und die bekommen selbstverständlich für Kostümproben, Fotoshootings etc. im Zweifel frei (Das weiss ich zumindest von Landshut aus erster Hand).
        Anmerkung 1) Die Trenck-Festspiele Waldmünchen spielen nicht im Dreissigjährigen Krieg sondern im österreichischen Erbfolgekrieg. Aber DEN kennt nun endgültig keiner mehr.
        Anmerkung 2) Alle meine Beispiele sind aus Bayern. Liegt das an meiner gefilterten Wahrnehmung, am Fremdenverkehr oder an einem anderen Verhältnis zur Tradition? Gegenbeispiele und Meinungen ?

        • Stefan Sasse 6. Oktober 2021, 07:37

          2) Gut möglich.

          Danke für die Ergänzungen in jedem Fall.

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