Johannes Franzen – Wut und Wertung
Es gibt eigentlich kaum ein merkwürdigeres Thema, als über Geschmack zu streiten. Auf den meisten Feldern machen Menschen das auch nicht. Wann war man schließlich zum letzten Mal in einer erhitzten Debatte darüber, ob Schoko- oder Vanilleeis besser schmeckt, inklusive verletzter Gefühle und allem drum und dran? In Franzens Eingangserzählung zu dem Werk, das sich genau mit der Frage beschäftigt, sehen wir gewalttätige Ausschreitungen über eine Theateraufführung im 19. Jahrhundert, die sich immerhin um eine so wichtige Frage wie die richtige Inszenierung Shakespeares drehte. Und wer unter Freunden das Thema „letzte Staffel von Game of Thrones“ anschneidet, weiß, wie sich solche Diskussionen gerne entwickeln und welch intensive Gefühle dahinter liegen können. Genau diesem merkwürdigen Phänomen spürt Johannes Franzen in seinem Buch nach.
Dabei beginnt er in Kapitel 1, „Streit, Schuld und Enttäuschung – Wie entstehen Konflikte über Kunst„, eine Annäherung. So beschreibt er das eingangs beschriebe Phänomen als „ästhetischer Intoleranz“, was eine herrliche Begriffsschöpfung dafür darstellt. Defensiv erklären wir unsere Vorliebe für etwas, das andere, vor allem ästhetisch Höhergebildete, ablehnen, als guilty pleasure, verbergen also ein schlechtes Gewissen. Auch ökonomische Konflikte sind oft genug Ursache für Kunststreits, die gerne in der Feststellung gegenüber moderner Kunst gipfeln, dass „das auch mein Kind hätte malen können“. Das beschreibt in Franzens Darstellung vor allem einen Aufstand gegen das Gatekeeping, dem später noch ein eigenes Kapitel gewidmet sein wird. Auch Enttäuschung über Kunst führt zu Konflikten, ob nun über „Game of Thrones“ oder die oftmals scheinbar banale Natur der Kunst in der Staatsgalerie. Eine „Wahrheit des Geschmacks“ gibt es eben nicht, aber wir pflegen gerne „ästhetische Feindschaften“ gegenüber bestimmten Produkten der Kunst, die wir ablehnen.
Das zweite Kapitel, „Elitäre Moderne – Der Aufstieg eines Kunstparadigmas„, spürt dem Wunsch der Gatekeeper nach, der Masse den „hedonistischen“ Geschmack abzutrainieren und sie auf die Hochkultur einzuschwören. Dabei skizziert er die faszinierende Entwicklung, in der die Rezeption von Kunst immer strengeren Regeln unterworfen wurde. Das lautstarke Kommentieren von Theaterstücken und die Publikumsbeteiligung etwa wurden zugunsten einer zurückhaltenden, stillen Rezeption immer weiter zurückgedrängt; Meinungsäußerungen in oftmals verschriftlichte Foren beschränkt, die von den Gatekeepern kontrolliert werden.
Besonders auffällig ist hierbei die Kritik der Gatekeeper am „Midcult“, also der Idee, dass Werke zwar die Formen der Hochkultur nachahmen, aber eigentlich massentauglich und ohne allzu große Anstrengung konsumierbar sind. Für die Gatekeeper gibt es kaum etwas schlimmeres, weil hier die Arbeit im Hintergrund steht und stattdessen immer noch der mit niederer Unterhaltung verknüpfte Genuss im Vordergrund steht. Man denke etwa an HBO-Serien, die zwar durchaus anspruchsvoll, aber immer noch gut konsumierbar sind – anders als etwa die Filme eines Belà Tarr, die selbst Cineasten meist nicht mehr als einmal im Leben gesehen haben wollen.
In Kapitel 3, „Digitale Gegenwart – Die Emanzipation des Publikums„, wird dann die Kehrseite dieses Phänomens behandelt. Mit dem Siegeszug des Internets hat die Macht der Gatekeeper, die diese über 100 Jahr ausgeübt hatten, spürbar abgenommen. Auf Rezensionsportalen und Amazon-Kundenbewertungen konnten plötzlich alle, ohne jegliche Vorausbildung oder den richtigen Stallgeruch, ihre Meinung kundtun und Kunst bewerten. Diese Entwicklung kann man als Emanzipation und Demokratisierung erzählen, doch wie stets geht damit auch die Gefahr einer Ochlokratie einher: Review-bombing und Hassmobs sind ebenso wie Jubelperser*innen eine stetige Begleiterscheinung des Internetdiskurses geworden.
Einem faszinierenden Charakterzug des Menschen widmet sich Kapitel 4, „Verachtung und Erziehung – Der Hass auf schlechte Kunst„. Warum schließlich hassen wir so inbrünstig gerne schlechte Kunst (was natürlich eine subjektive Einschätzung ist)? Franzen zeigt auf, welchen Genuss das Lesen (und Schreiben!) von Verrissen haben kann, ein Genre, das sich schon seit Jahrhunderten großer Beliebtheit erfreut. Er erklärt, dass die Wut auf schlechte Kunst auch etwas ungeheuer Produktives sein kann, indem sie ihrerseits neue Schaffenshöhen auslöst. Wo dieses Licht ist, findet er natürlich in der zu diesem Zeitpunkt schon gewohnten Ambivalenz Schatten. Warum schließlich ist es uns nicht möglich, abweichenden Geschmack zu tolerieren? Warum müssen wir uns mit anderen darüber streiten?
Einem Element dieses Drangs wird in Kapitel 5, „Ästhetische Schadenfreude – Lachen über misslungene Kunst„, nachgespürt. Denn neben der Verachtung, der Wut und dem Hass auf Kunst, die wir ablehnen, empfinden wir auch eine gewaltige Schadenfreude über missratene Kunst und können diese geradezu genießen. Wer jemals „The Room“ gesehen hat, wird wissen, von was die Rede ist. Der Film reiht sich in die mindestens seit Ed Wood laufende Diskussion um den „schlechtesten Film aller Zeiten“ ein. Aber auch auf anderen Feldern sind solche schadenfrohen Rezeptionen bekannt. Franzen beschreibt diese etwa auf dem Feld der Lyrik. Oft genug ergehen sich die Menschen auch im „hate watching„, dem Konsum von Produkten, die sie verabscheuen – aber von denen sie auch nicht lassen können.
Eine gänzlich andere Wutreaktion auf Kunst wird in Kapitel 6, „Pflichtrezeption – Kanon und Druck„, behandelt. Denn die häufigste – und allzu oft einzige – Berührung mit der Hochkultur findet in der Schule statt. Wenn ich meine Schüler*innen zitieren darf, dann sind „die gelben Bücher“, wie die Reclam-Ausgaben meist schlicht genannt werden, Hassobjekt Nummer 1 im Deutschunterricht. Besonders „Effie Briest“ hat es Franzen dabei als Beispielobjekt angetan; das Werk gehört zu den meistgehassten Klassikern überhaupt, was zu großen Teilen auf die Pflichtrezeption im Deutschunterricht zurückzuführen sein dürfte. Nirgendwo sonst wird die Macht der Gatekeeper offensichtlicher als hier. Die Definition eines Kanons, den „man“ kennen muss, wird von seinen Opfern als Qual empfunden. Gleichzeitig ist die in Kapitel 3 beschriebene Digitalisierung hier ein Gegengewicht: zunehmend rächen sich Schüler*innen, indem sie die Klassiker, etwa auf Amazon, bewerten und ihrem Ärger über die Zwangsrezeption Luft machen.
Auf die Spitze getrieben wird dieser Aspekt in der in Kapitel 7, „Lyrik als Demütigung – Rezeption und Rache„, besprochenen Lyrik. Kaum eine literarische Gattung ist Schüler*innen so verhasst wie Lyrik, ein Unmut, der sich auf zahlreichen Onlineplattformen mittlerweile wohl dokumentiert nachlesen lässt. Besondere Wut richtet sich – nun nicht mehr nur von den Schüler*innen, sondern im Rahmen der Ablehnung des in Kapitel 2 besprochenen „elitären Paradigmas“ – gegen die moderne Lyrik, die sich auch noch weigert, den vorher mühsam erlernten Regeln gehorchen zu wollen. Am Beispiel einer Abiturprüfung, die von den Schüler*innen schlicht als Betrug empfunden wurde, zeigt Franzen dieses Phänomen plastisch auf. Die Rache dafür findet sich prototypisch in Loriots „Krawehl!“, eine Vorführung der Eliten, die selbst nicht zwischen echter Kunst und Unsinn unterscheiden zu können scheinen, was den Anspruch ad absurdum führt.
Diese Formen der Wut sind so weit verbreitet, dass man sie als normal betitel könnte. Ganz anders ist es mit anderen Formen der Ablehnung von Kunst, die in Kapitel 8, „Verbotene Wut – Die Trennung von Ästhetik und Moral„, besprochen werden. Hier geht es um die Ablehnung von Kunst aus moralischen Gründen, die im Gegensatz zur Kritik an moderner Lyrik oftmals tabuisiert wird. Lehnt jemand etwa Kunstwerke aus dem 19. Jahrhundert (oder ihre in den Kapiteln 6 und 7 besprochene Pflichtrezeption) wegen rassistischer Inhalte ab, wird schnell das Wort von der Cancel Culture bemüht. Dieser „Phantomzensur“ stellt Franzen die Heldengeschichte der „Kunstfreiheit“ gegenüber, die als historische Schimäre dagegen gerne bemüht wird: man soll zur Rezeption moralisch anstößiger Kunst gezwungen werden, im Namen der Kunstfreiheit. Dieses Phänomen ist eher neu; was heute als „canceln“ bezeichnet wird, war bis vor (historisch) Kurzem noch die absolute Regel, die Franzen an diversen Skandalen um Nacktheit in der Kunst deutlich zu machen versteht.
Dabei ist Empörung über Kunst etwas völlig Normales, dem auch weiterhin mit Verve gefrönt wird. In Kapitel 9, „Starke Emotionen – Kunst als Empörungsmaschine„, widmet sich Franzen dem eigentlich merkwürdigen Phänomen, dass fiktive Figuren mit Inbrunst gehasst werden. Man denke nur an Prinz Joffrey aus „Game of Thrones“, der für vier Staffeln der Fokuspunkt intensiven Publikumshasses war. Diese Emotionen seien oft genug „ziellos“ und machten uns zu „Psychopathen“. Franzen erforscht hier auch das Phänomen der „schlechten Fans“, die sich viel zu sehr in ihrer Parteinahme für eine Figur mitreißen lassen und dafür sogar Schauspieler*innen attackieren, deren Charaktere dem eigenen Liebling entgegengesetzt sind (eine Erfahrung, die Jack Gleeson auch machen musste).
Umgekehrt können Fans, wie in Kapitel 10, „Verbotene Liebe – Die moralische Verschmutzung der Kunst„, beschrieben, in ihrer Parteinahme für Künstler*innen geradezu zu Mobs ausarten. So gibt es etwa eine selbst ernannte „Armee“ von Michael-Jackson-Fans, die jede Kritik an ihrem Idol erbittert bekämpfen und alle Vorwürfe in Bausch und Bogen verwerfen. Auch J.K. Rowling hat ihre fanatischen Unterstützenden, die ihr auf ihrem transphobischen Kreuzzug beistehen. Oder man denke an Kevin Spaceys versuchte Selbstinszenierung als Opfer einer Schmutzkampagne, die an Widerwärtigkeit kaum seinen eigenen Verfehlungen nachsteht. Franzen erklärt dies mit Verlustängsten, die die Leute angesichts ihrer Lieblingswerke plagten.
Entsprechend umstritten sind letztlich die in Kapitel 11, „Trotzrezeption – Kunst und Politik„, analysierten Verwicklungen von Kunst und Politik. „Keep your politics out of my games“ ist zu einem viel verspotteten Schlachtruf der Gamergate-Bewegung geworden, die damit vor allem meint, von politischen Positionen, die sie ablehnt, verschont zu werden, und diesem Ansinnen mit Gewalt Nachdruck verleiht. Dabei kommt es gerne zu dem Phänomen, dass eine „jetzt erst Recht“-Rezeption stattfindet, wie sie etwa in der albernen Winnetou-Debatte zu sehen war (wir haben bei den Bohrleuten darüber gesprochen).
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Johannes Franzens Buch ist hervorragend recherchiert und weiß mit zahlreichen spannenden Anekdoten aufzuwarten. Seine Kenntnis der Materie und der Sekundärliteratur schafft ein dichtes Feld, durch das er die Lesenden mit einer klugen und durchdachten Struktur zu führen weiß – etwas, das in der Inhaltsangabe bereits deutlich geworden sein dürfte. Die Auseinandersetzung mit der Auseinandersetzung von Kunst ist ein Thema, das gerade wegen der beschriebenen Demokratisierung derselben immer wichtiger wird. Die Gatekeeper verlieren an Macht, und die oft ins mobartige ausartenden neuen Partizipationsformen des Netzes stellen die Gesellschaft vor neue Herausforderungen. Auch die neuen Kunstformen, von TV-Serien über Videospiele, fordern die Kunst heraus.
Gleichzeitig sind seine Gedanken natürlich für mich auch beruflich sehr erhellend. Die Zwangsrezeption von Hochkultur ist schließlich eine, an der ich aktiv beteiligt bin. Als Rezensent und Podcaster bin ich Teil der semi-professionellen Gruppe von Kritiker*innen, die gleichwohl nicht in den Reihen der Gatekeeper unterwegs ist. Da wir letztlich alle, und sei es nur im Gespräch am Küchentisch, in der Rezeption und Bewertung von Kunst tätig sind, ist das Werk aber letztlich ein Beitrag zum eigenen Selbstverständnis – und uneingeschränkt zu empfehlen.
Wann war man schließlich zum letzten Mal in einer erhitzten Debatte darüber, ob Schoko- oder Vanilleeis besser schmeckt, inklusive verletzter Gefühle und allem drum und dran?
Ich eröffne dann direkt mal die Diskussion mit der Frage, wie geschmacksverirrt man sein muss, warmen Kartoffelsalat mit Essig dem richtigen mit ordentlich Majo vorzuziehen? 😛
Wie kann man Majo an die guten Kartoffeln machen?!
Das ist ein gutes Beispiel, wie viel „Identität“ in solchen Geschmacksfragen steckt, was man besser kennt, wo man aufgewachsen ist. Ich bin ganz klar im süddeutschen Team Essig+Brühe, aber habe eine Schwäche für die verschiedenen „gepimpten“ Mayonnaise-Kartoffelsalate, die unter „russischer Salat“ laufen. Grund: Bei uns gab es früher zu Weihnachten oft eine sehr gepimpte Variante (Salat Olivier) davon.
Danke für die Rezension, spannend! Btw lese ich tatsächlich gerne Rezensionen quasi als eigene Kunstform, selbst wenn mich der Gegenstand der Rezension gar nicht so interessiert. Und ja Verrisse sind natürlich besonders schön, da drehen Rezensenten ja richtig schön auf. Und Kunst ist ja auch dazu da, Emotionen zu wecken.
Grundsätzlich sehe ich die Demokratisierung da ganz positiv, weil es dieses „nur Hochkultur ist Kunst“ ziemlich aufgelöst hat. Gab vor paar Jahren ja auch so eine Diskussion, dass Frauen auf beiden Seiten eigentlich extrem den Buchmarkt dominieren, in Qualitätsmedien aber häufig männliche Autoren rezensiert werden, weil der Rest als trivial abqualifiziert wurde. Hat Tinido ja auch schon häufiger angemerkt, dass das auch ne riesige Nische für Bookfluencer und andere Seiten gelassen hat. Nutze ich mittlerweile auch viel häufiger.
Das artet da vielleicht auch weniger aus, ich finds echt super, dass Film, Fernsehen, Spiele da auch mit reinzählen, aber irgendwelche ausufernden Kanon-Diskussionen wie bei Star Trek oder Star Wars sind ja eher für hardcore-Fans.
„Keep your politics out of my games“ ist zu einem viel verspotteten Schlachtruf der Gamergate-Bewegung geworden, die damit vor allem meint, von politischen Positionen, die sie ablehnt, verschont zu werden, und diesem Ansinnen mit Gewalt Nachdruck verleiht.
Würd da auch Disney und andere Produktionen mit reinnehmen, wo es häufiger absurde Diskussionen gab, dass jeder weiß, dass Meerjungfrauen immer(!) weiß und rothaarig sind und es keine Zwerge mit dunkler Haut gibt.
Voll bei dir.
Ich glaube Klassiker sind eigentlich nur für Jugendliche besonders nervig. Mit der Lebenserfahrung schätzt man die eher. Ich hatte jahrlang den Tick, dass ich „Hochkultur“-Literatur nur auf Spanisch gelesen habe. Nun ist Französisch dazugekommen.
In Spanisch lese ich gerne Galdos und Clarin. Frankreich hat für das 19. Jhdt ja ein besonders hochgelobtes Angebot, wobei ich jetzt erstmal zu den „Trois mousquetaires“ gegriffen habe, weil vermutlich einfacher als Balzac, Flaubert und Zola. Franzosen haben eine unglaubliche Menge an Literaturkanälen auf yt, auf denen auch Klassiker besprochen werden.
Aus Sicht eines „Language-grinders“ sind eher unhaltende Gegenwartsliteratur oder Serien nicht einfacher zu konsumieren als Klassiker, aber natürlich interessant. In youtube gibt es Französisch-Lern Kanäle, die sich auf linguistische Erklärungen von Unterhaltungsserien und Fernsehprogramme mit Altagsfranzösisch spezialisiert haben.
Sicher, nur fassen die meisten Leute die ja auch später nicht mehr an. Ich bin ziemlich der Überzeugung, dass der Literarurunterricht viel Lesen blockiert. Leider.
Ja, das finde ich auch eine ganz eigene Tragik. Mein Lesekonsum war da immer unabhängig, aber die armen Leute denken nachher, das ist sowas wie im Deutschunterricht öde Lektüre lesen und wissen gar nicht, was ihnen entgeht! Ich hab auch nie Effie Briest gelesen, Kabale und Liebe hat mir damals gereicht danke (glaub unser Deutschlehrer war nicht so der Schiller-Fan und hat das mit dem kürzesten Buch schnell abgehandelt^^) Und das beste am Abitur war, dass ich nie nie wieder irgendetwas von Kafka lesen muss!
Bei mir war und ist es dann eher andersrum, weil ich ja auch so ein nischiges Interesse an Geschichten hab, die immer und immer wieder neuerzählt und heutzutage verfilmt werden, da hab ich häufiger dann auch mal quasi die Originale gelesen (übersetzt und manchmal modernisiert, weil nicht mehr in der Schule).
Da hab ich dann die Arthus-Sage, ein paar der griechischen Sagen, Dumas, Victor Hugo, was von Shakespeare, Bronte (beide) und sogar Jane Austen gelesen (definitiv besser als Film!).
Ich red ja mit meinen Schüler*innen, und die Rückmeldungen, die da zum Thema Lesen kommen, sind nicht eben ermutigend.
Liegt vermutlich aber weniger an der Didaktik im Untericht. Bis in die 60er wurde in der Schule viel Altgriechisch und Latein gepaukt und es hat die dann auch nicht vom Lesen abgehalten.
Es liegt wohl eher am Überangebot an audiovisuellen Medien und natürlich ein unreflektierter Umgang mit Sozialen Medien als Beriesler und Zeittöter.
Bis in die 60er wurde in der Schule viel Altgriechisch und Latein gepaukt und es hat die dann auch nicht vom Lesen abgehalten.
Ich weiß immer nicht, ob die Leute da wirklich größere Leseratten waren, nur weil sie es auf altgriechisch tun mussten. Dachte, die waren da immer draußen und sind auf Bäume geklettert oder so^^
Der aktuelle Unterricht ist vielleicht nicht so hilfreich, aber ich weiß auch nicht, wieviel Einfluss da Schule wirklich hat. Ich fand Lesen halt schon gut, bevor da im Deutschunterricht größere Lektüren drankamen und ich kann mich an absolut nichts erinnern – egal ob diese kleinen Jugendbüchlein, irgendwelche großen Meister oder Modernes – was ich freizeitmäßig angefasst hätte oder wo ich sonst gedacht hätte, dass Lesen ja bestimmt ein tolles Hobby ist. Ich kann das total verstehen, dass das abschreckend ist, wenn man diesen Lesespaß nicht unabhängig davon schon gefunden hat.
Ich weiß nicht mal zwingend, ob das noch so fokussiert auf Buchlesen sein muss, mein eigener Buchkonsum ist mittlerweile auch aufgeteilt in Buchlesen, Hörbücher hören und Internet auslesen. (weiß nicht, ob man Filme da eventuell auch schon mitzählen muss/sollte) und auch gar nicht, weil Jugendliche jetzt verdummen oder so, aber es ist tragisch, wenn jemand so gar keinen Zugang zu der Welt, den Geschichten hat. Und was dann irgendwann als Hochkultur oder Schund bezeichnet wird, finde ich auch etwas zufällig. Homers Ilyas und die Artussage kennen wir heute doch nur noch, weil das halt sehr haltbare Superheldengeschichten sind und die gehen immer. So groß ist der Unterschied zu Spiderman, Captain America oder Superman vielleicht gar nicht. ^^
Es geht das Gerücht, dass TikTok die Jugend zum Lesen bringt. Was ist da dran?
BookTok, ja. Aber das halt auch nur für die, die daran interessiert sind. Das ist ein Mädchenphänomen, vorrangig, und Mädchen lesen eh seit jeher mehr.
Die Dinge im Original zu lesen, ist letztlich eine Frage der Geduld und der Akzeptanz, nicht jedes Detail mitzubekommen. In Französisch lese ich manchmal Seiten in einem Rutsch durch und es gibt im selben Buch Seiten, in denen ich im kindle auf 8 Wörter klicken muss, weil ich die nicht kenne. Man wird aber mit der Zeit schneller und ich habe die Gewissheit, dass es irgendwann wie in Spanisch wird.
Aber jeder soll das so halten wie er es halt macht. Ich muss auch die 900 Seiten der 3 Musketiere nicht ganz durchlesen. Wenn ich keinen Bock mehr habe, wechsele ich auf ein anderes Buch.
Eigentlich stand hinter der Französisch auch die Idee, dass ich mehr Romane und weniger Sachbücher lese. Problem ist nur, dass ich die Historiker so interessant finde. Einfach zu lesen ist das sicher nicht, weil die ja ihre Wörter sehr genau wählen.
Auf der Arbeit beschäftigen mich Software-Systeme mit 100 Tausenden von Zeilen. Das nachzuvollziehen ist noch wesentlich langsamer als meine Französisch Lektüren. Da ist es auch wichtig, dass ich ein positives Verhältnis zu dem Konzept „Geduld“ entwickle, das ich auch nicht immer hatte.