In jeder Partei gibt es Richtungskämpfe. In der CDU hat aktuell Friedrich Merz das Heft in der Hand, aber die Vision der schwarz-grünen Koalition, eine permanente Mirage in der Merkel-Ära, bleibt weiterhin lebendig. Mit Nachwuchstalent Nora Zabel, Mitarbeiterin von Serap Güler, spreche ich über ihre Erfahrungen als junge Frau aus dem ländlichen Mecklenburg-Vorpommern in der Partei, über ihr Verhältnis zu Angela Merkel, über die Lehren, die sie gezogen hat und über die Träume und Ziele, die sie mit ihrem politischen Engagement verbindet.
~
~
(Musik: Intro aus Accou – Sarabande BWV 1002 (Partita No.1 for violin solo in B-minor), Outro aus Accou – Bourree (I.S. Bach BWV 1002, Violin Partita No 1 in B minor))
Klick hier für Shownotes und Transkript:
Shownotes:
Wie wir den Stillstand in unserer Heimat bezwingen
Nora Zabel beschreibt in ihrem Gastbeitrag die Herausforderungen, denen junge politische Kräfte in Ostdeutschland begegnen, und betont die Bedeutung von authentischem Engagement. Sie reflektiert über die Differenzen zwischen West- und Ostdeutschland, die für sie selbst zunächst unsichtbar waren, aber durch ihre Erfahrungen in Mecklenburg-Vorpommern deutlicher wurden. Der „Stillstand“ in ihrer Heimat sei spürbar, was durch das politische Desinteresse und den Rückzug vieler Bürger verstärkt werde. Zabel kritisiert insbesondere die Symbolpolitik der Linken und das destruktive Verhalten der AfD. Sie fordert, dass junge Menschen im Osten stärker eingebunden werden und mehr Chancen erhalten, ihre kreativen Ideen zu verwirklichen. Dabei sei es wichtig, die Bedürfnisse der Jugend, wie moderne Mobilitätskonzepte und Digitalisierung, ernst zu nehmen. Abschließend betont sie, dass gerade jetzt der richtige Moment sei, um Veränderungen herbeizuführen und eine lebendige Demokratie zu gestalten. (Nora Zabel, Cicero)
Nora Zabel, CDU-Mitglied und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag, bewegt sich zwischen den Anforderungen der politischen Bühne und ihren persönlichen Überzeugungen. In ihrem politischen Alltag kämpft sie für eine modernere CDU, fordert eine Frauenquote und setzt sich für feministische Themen ein, was zu Spannungen innerhalb der Partei führt. Trotz ihrer Loyalität zur CDU kritisiert sie die rückwärtsgewandten Positionen und symbolische Politikansätze, insbesondere im Osten Deutschlands, und spricht offen über ihre Herausforderungen im Umgang mit Parteikollegen.
Ihr politisches Vorbild ist Angela Merkel, deren bedächtiger, pragmatischer Ansatz Zabels eigene Haltung prägt. Sie sieht die CDU an einem Scheideweg, betont jedoch die Notwendigkeit, den Einfluss junger, kreativer Stimmen zu fördern. Zabel bleibt jedoch unsicher, ob sie sich langfristig in der Politik verankern möchte, und erwägt, zunächst andere Wege zu gehen, bevor sie eine höhere politische Verantwortung übernimmt – mit dem langfristigen Ziel, vielleicht eines Tages Kanzlerin zu werden. (Aron Boks, taz)
„Die Union ist vor einem rechtsautoritären Abrutschen nicht gefeit“ (Interview mit Thomas Biebricher)
Thomas Biebricher diskutiert in einem Interview die aktuellen Herausforderungen des gemäßigten Konservatismus und der CDU. Angesichts der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen sieht er die CDU in einer schwierigen Lage, da sie möglicherweise mit Sahra Wagenknechts BSW koalieren muss. Biebricher kritisiert die strategische Kurzsichtigkeit der CDU, die es versäumt hat, rechtzeitig Brücken zur Linkspartei zu bauen, und nun zwischen Unvereinbarkeitsbeschlüssen gefangen ist. Zudem stellt er fest, dass die CDU seit 2021 kein klares Profil entwickelt hat und sich zunehmend an Feindbildern, wie den Grünen, abarbeitet.
Er betont, dass der Konservatismus historisch darauf angewiesen ist, sich gegen Reform- oder Revolutionsbestrebungen zu verteidigen. Dies führt dazu, dass konservative Werte oft erst im Angesicht von Herausforderungen definiert werden. Weiterhin sieht Biebricher die Gefahr, dass die Union durch Kooperationen mit der AfD in einen autoritären Populismus abdriften könnte. In Deutschland ist dieser Kollaps des Konservatismus noch nicht vollzogen, doch die aktuelle Rhetorik der Union könnte darauf hindeuten. (Nils Marwardt, ZEIT)
Die Koalition aller gegen alle
Der Text kritisiert die derzeitige Regierung in Deutschland und beschreibt die Unzufriedenheit vieler Bürger mit der Regierungsarbeit. Es wird darauf hingewiesen, dass handwerkliche Fehler, zweifelhafte Gesetzesvorhaben und symbolische Handlungen in Bereichen wie Verkehrspolitik und Migration das Vertrauen in die Regierung schwächen. Hinzu komme, dass sich Koalitionspartner öffentlich streiten und es an wirklicher Zusammenarbeit fehle. Diese Konflikte führen zu einer schlechten politischen Atmosphäre, während keine Partei eine klare Mehrheit hat und Koalitionen nötig bleiben. Das ständige rhetorische Kämpfen und die gegenseitigen Anschuldigungen würden die Regierungsarbeit erschweren und den Eindruck einer gespaltenen Gesellschaft verstärken. Gleichzeitig werde die oppositionelle CDU kritisiert, sich nach rechts zu orientieren, und auch die AfD und die Möglichkeit von Koalitionen mit ihr stehen im Raum. Der Text beschreibt eine allgemeine Zermürbung des politischen Systems und sieht in den Parteien nur noch leere ideologische Phrasen ohne echte Lösungsansätze. (Jürgen Kaube, FAZ)
Der Text thematisiert die Diskussion innerhalb der CDU über eine mögliche Ausweitung des Unvereinbarkeitsbeschlusses, der bislang auf die AfD und die Linkspartei beschränkt war. Einige CDU-Mitglieder fordern nun, auch eine Koalition mit dem neu gegründeten Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) auszuschließen, da dieses grundlegenden Überzeugungen der CDU widerspreche, etwa in Bezug auf die Westbindung und die Nato-Mitgliedschaft. Darüber hinaus wollen manche Mitglieder die SPD und die Grünen wegen ideologischer Differenzen und vermeintlicher Regierungsunfähigkeit ebenfalls von einer Zusammenarbeit ausschließen. Auch die FDP wird als unzuverlässiger Partner kritisiert.
Parteichef Friedrich Merz reagiert zurückhaltend auf diese Forderungen. Es wird spekuliert, dass Merz an einem eigenen Unvereinbarkeitsbeschluss arbeitet, der sich gegen den CSU-Vorsitzenden Markus Söder richten könnte. (Stefan Kuzmany, Spiegel)
Friedrich Merz spielt ein gefährliches Spiel
Der Artikel analysiert die gefährliche Rhetorik von Friedrich Merz in der Migrationsdebatte. Merz fordert harte Maßnahmen, wie die Zurückweisung von Asylbewerbern an den Grenzen, und bedient sich einer Sprache, die die AfD stärkt, indem er Migration vorwiegend als Bedrohung und Ursache für Staatsversagen darstellt. Er nutzt diese Strategie, um Druck auf die Ampelkoalition auszuüben und die CDU als härtere Alternative zu positionieren.
Dabei wird kritisiert, dass Merz mit übertriebenen Aussagen wie „nationale Notlage“ oder einer angeblichen Überforderung des Staates populistische Narrative bedient, die Feindseligkeit gegen Migranten fördern könnten. Sein Ultimatum an die Ampel, Asylbewerber zurückzuweisen, ist rechtlich fragwürdig und würde die europäische Migrationspolitik gefährden. Trotz dieser problematischen Positionen besteht in der Ampel eine Bereitschaft zu Verhandlungen, um die gesellschaftlich explosive Debatte zu beruhigen.
Der Artikel warnt davor, dass Merz‘ Vorgehen kurzfristigen politischen Gewinn anstrebt, statt langfristige Lösungen zu fördern, und dass er so letztlich die AfD stärkt. (Maria Fiedler, Spiegel)
Wie geht das, dass noch was geht?
Der Artikel thematisiert die alltägliche Haltung, bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen und politische Maßnahmen mit der Phrase „Das geht ja gar nicht“ abzulehnen, und argumentiert, dass diese ethische Distanzierung wenig bewirkt. Statt zu betonen, was nicht akzeptabel ist, sollte vielmehr die Frage im Vordergrund stehen, wie Veränderungen aktiv gestaltet werden können und mit wem dies möglich ist.
In diesem Kontext wird auf die politischen Herausforderungen hingewiesen, die durch nostalgische, festgefahrene Denkmuster in verschiedenen politischen Lagern verstärkt werden. Es wird kritisiert, dass sowohl konservative als auch progressive Strömungen an überholten Idealen festhalten, ohne die veränderte Realität der Gegenwart zu berücksichtigen.
Besonders die liberaldemokratische Mitte steht vor einer Zerreißprobe. Ohne Einbeziehung der CDU wird es laut dem Artikel schwer, eine stabile Mehrheit für liberale und demokratische Werte zu sichern. Es wird betont, dass Spaltungen innerhalb der Gesellschaft durch moralische Überheblichkeit gefährlich sind und die extremen Ränder stärken. Stattdessen sollte der Fokus auf einem konstruktiven Dialog liegen, um Lösungen für drängende Probleme wie Rechtspopulismus zu finden.
Die Frage bleibt jedoch offen, wie diese Zusammenarbeit konkret aussehen könnte, und die Autorin gibt zu, ratlos zu sein. Dennoch wird der Dialog als essenziell für die Zukunft der Demokratie betrachtet. (Peter Unfried, taz)
Resterampe
- Thread von Marcel Lewandowsky
- Thread von Stephan Anpalagan
- Radikale Ostdeutsche?
- Nützlichkeitserwägungen
- Arbeitslosenzahlen von Geflüchteten
- Merz-Kritik
- Brandmauer: Schlecht gealtert
- Gegenbeispiel NRW, siehe auch hier.
- Karin Prien kritisiert den Anti-Grünen-Wahlkampf der CSU.
Transkript
00:00:00.71
stefansasse
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von den Bohrleuten. In der CDU geht es gerade heiß her. Heute sind die Breaking News gekommen, dass Friedrich Merz jetzt der offizielle Kanzlerkandidat der Union geworden ist. Darüber aber wollen wir heute nicht reden. Ich habe stattdessen in meiner üblichen Fähigkeit für heiße Topics sozusagen, wollte ich stattdessen eigentlich eher den Deep Dive machen und in eine ganz andere Richtung gehen.
00:00:26.46
stefansasse
Und zwar habe ich mir quasi die Frage gestellt, wie sieht es eigentlich aus in den jüngeren Teilen der CDU, in den östlicheren Teilen der CDU und wo möglicherweise beides seine Schnittpunkte hat. Und genau für diesen Zweck habe ich mir eine Gästin an Land gezogen, die sich jetzt kurz vorstellen kann.
00:00:43.68
nora
Erstmal vielen lieben Dank für die Einladung, Herr Stefan. Wie beschreibt man mich? Ich bin ein political animal.
00:00:53.27
nora
Ich bin seit über zehn Jahren in der CDU, bin mit 15 Jahren eingetreten, unter Merkel damals noch. Ich bin ganz froh, dass wir heute nicht über das März-Wüß-Söder-Thema reden. Ich habe in CDU-Fraktionen und MV gearbeitet. Ich habe Politik in Rostock studiert. Ich habe dann 2021 im Wahlkampf in Berlin mitgeholfen.
00:01:16.43
nora
der bekannterweise nicht so gut ausgegangen ist, aber tatsächlich auch einer der lehrreichsten Wahlkämpfe, die ich je mitgemacht habe. Ich studiere jetzt in Heidelberg Politikwissenschaften, mache da meinen Master und arbeite nebenbei bei der Bundestagsabgeordneten Sarah Bühler.
00:01:32.82
stefansasse
Kannst du ganz kurz für diejenigen, die nicht so tief im Personal der Bundespolitik drin sind, noch erwähnen, wer ist Serap Güler?
00:01:39.91
nora
Sie sitzt mit im Bundesvorstand, das seit, ich glaube, seit zwölf Jahren oder so. Sie ist das bekannteste Gesicht für Integration, bin ich der Meinung. Sie macht sehr viel zur Gesellschaft, also wie funktioniert Integration, wie funktioniert eingeordnetes Miteinander, sitzt jetzt im Verteidigungsausschuss, macht dementsprechend auch sehr viel zum Ukrainekrieg und Israel, Palästina und so weiter. Ja, das ist der Rap Güler.
00:02:09.44
stefansasse
Und was ist dein Job bei ihr? Also was tust du für sie? Bist du die rechte Hand oder was machst du da genau?
00:02:16.46
nora
rechte Hand jein. Also ich bin ganz froh, dass ich halt in Heidelberg nebenbei studieren kann. Ich mache alles das, was anfällt. Pressearbeit, Social Media, dann Gastbeiträge, sitzt man mit dran. Also rechte Hand ist ein bisschen zu viel gesagt, aber interne und externe Kommunikation, so würde ich es beschreiben.
00:02:37.19
stefansasse
Hervorragend. Ich finde es immer einfach super spannend, weil man kriegt da ja von dem tatsächlichen Arbeitsablauf von so professionellen PolitikerInnen, kriegt man ja üblicherweise sehr wenig mit, so als Konsument oder Konsumentin von Nachrichten. Da wird zwar dann immer über das hohe Drama beschrieben, aber nie wie das zustande kommt und vor allem wie die Leute dann tatsächlich arbeiten. Wie sieht das so ein
00:02:56.76
stefansasse
Tagesablauf aus und so weiter. Das kommt sehr wenig vor. Ich finde es ganz positiv, dass da in der letzten Zeit ein paar Leute echt raus sind. Da wurden ja einige Bücher veröffentlicht, auch über die Bundeszentrale für politische Bildung, wo die mal wirklich über ihre Arbeitsalltage gesprochen haben. Und ich musste auch immer sagen Hut ab, also ich glaube mein Job wäre das echt nicht bei aller Liebe und Interesse an der Politik. Also ich habe da echt einen Heidenrespekt davor, was die Leute machen.
00:03:09.99
nora
Ja.
00:03:20.03
nora
Also ja, es ist jetzt keine krasse Arbeit wie im Pflegeheim oder so oder wie keine normale Arbeiteraufgabe, aber es ist halt, du bist halt den ganzen Tag erreichbar, wenn irgendwie eine Schlagzeile in der Bild steht und die Chefin sagt, okay, mach mal was dazu oder Solingen, innerhalb von 30 Minuten vielleicht sollten wir irgendwie einen Tweet machen oder so. Das ist halt so das, was ich kann immer zuschlagen, aber ich würde es auch nicht überbewerten, aber danke.
00:03:47.29
stefansasse
Ja, gerne. Ich würde von der Thematik her anfangen bei etwas, das du gerade so quasi beiläufig erwähnt hast, nämlich du wurdest ja quasi sozialisiert letzten Endes und wenn ich es richtig verstanden habe aus den Artikeln, die übrigens auch alle in den Show Notes zu finden sind, du hast ja ein Portrait gekriegt in der Taz und du hast ein Portrait gekriegt im Cicero, wo quasi du immer wieder die prägende Rolle von Angela Merkel erwähnt hast. Ich glaube, da gab es diese Anekdote von ihrer Biografie auf deinem Nachtisch oder so. Ich weiß es natürlich nicht,
00:04:17.30
stefansasse
wie real das war, aber das wäre quasi etwas, das mich interessieren würde, weil ich würde mal die Behauptung wagen, dass das Ansehen von Angela Merkel mittlerweile etwas gesunken ist im Vergleich zu den Höhepunkten und ihrer Kanzlerschaft, wenn man das so vergleicht. Für mich persönlich, der Höhepunkt ist immer so 2013 gewesen,
00:04:36.01
stefansasse
Diese Ära, wo sie quasi auf dem Zenit stand und seither ist es eher so ganz ganz langsam im Singflug begriffen gewesen und da scheint mir so eine Art Neubewertung stattzufinden. Mich würde interessieren, welche Rolle spielt unsere ehemalige Kanzlerin für dich, also wie siehst du sie? Hat sich da dein Bild irgendwie auch eingetrübt oder würdest du quasi sagen, nee, die wird eher missverstanden?
00:04:59.82
nora
Also ich bin dafür, dass man ihre Entscheidung immer im Verlauf der Zeit sieht und auch beurteilt. Wahrscheinlich hätte sie heute
00:05:11.95
nora
nicht mehr diesen engen Kontakt zu Putin gesucht und hätte es auch verurteilt. Ich glaube, sie hat es auch verurteilt und so weiter. Aber die Entscheidungen, die damals so stattgefunden sind, sind ja nicht im luftleeren Raum vonstatten gewesen. Also insofern, ja, man kann es kritisieren. Man kann jede Person kritisieren. Ansonsten würden wir hier über einen Diktator reden und so weiter. Aber
00:05:35.48
nora
Im Großen und Ganzen ist ihre Politik ja auch immer stringent gewesen. Die Argumente haben für sich gesprochen und die Entscheidungen ja am Ende ja auch. Aber das ist auch das, was mich bei The Way fasziniert hat, dass sie eigentlich sehr rational Entscheidungen getroffen hat und nicht Politik nach Stimmung gemacht hat und auch nicht Politik auf dem Rücken von Minderheiten beispielsweise.
00:05:57.95
nora
Und das war auch der Grund 2015, weshalb ich gesagt habe, okay, ich engagiere mich wieder mehr, weil ich davor die Lust verloren habe. Es war halt, ich glaube, es war ein…
00:06:08.01
nora
ruhige Zeiten und in meinem Leben war ich auch so an einem Punkt, ich gehe jetzt ins Studium, ich habe wenig Zeit für die Partei und dann habe ich gemerkt halt zu Hause im Osten, wie die Leute halt angefangen haben so zu reden, so nach dem Motto, scheiße, jetzt kommen halt so viele Ausländer, was ist mit unseren Jobs und so weiter und ich dachte mir, also wie kann man so irrationale Angst haben und dann fand ich ihre Haltung halt sehr, sehr bewundernswert und war
00:06:31.03
nora
Ja, Feuer und Flamme. Und dazu kommt halt noch, dass sie die einzige ostdeutsche Frau in der CDU war, die halt präsent war, weil die CDU bis heute halt immer noch eine klassische Männer-Westpartei ist.
00:06:42.62
stefansasse
Ja, also das heißt quasi, sie war auch Kraftpersönlichkeit sozusagen, so eine Art. Ich weiß nicht, ist Vorbilden zu großes Wort an der Stelle oder würde das zutreffen?
00:06:52.52
nora
Nee, gar nicht. Schon ein Vorbild, ja klar. Also ich meine, die Frau hat halt auch in der Wissenschaft, ich kann es nicht einschätzen, wie gut sie war, aber sie hat erst mal einen Abschluss, sie hat einen Doktortitel und sie hat in der Wissenschaft gearbeitet. Das heißt, sie war auch nicht wirklich abhängig von dieser Politik, von diesem System, wie viele andere. Für mich war sie immer eine sehr kompetente Frau, die nicht abhängig war von dem, was sie dort tut.
00:07:24.49
stefansasse
Das führt mich im Endeffekt auch noch zu einer anderen Thematik. Ich will auch gar nicht versuchen, dich quasi als die große Erklärbärin für den Osten herzunehmen. Da haben wir ganz viele schlechte Artikel, glaube ich, in letzter Zeit lesen müssen, in denen sowas unternommen worden ist.
00:07:38.90
stefansasse
Deswegen würde ich eher in eine andere Richtung fragen wollen. Du hast ja gesagt, du bist mit 15, hast du begonnen dich politisch zu engagieren. Und in einem der beiden Artikel, ich weiß nicht mehr, ob es Zizoroba oder Taz, hast du auch erwähnt, wie wichtig Nachwuchsarbeit ist. Und da tun sich ja alle Parteien wahnsinnig schwer damit.
00:07:54.19
stefansasse
Und da würde mich auch interessieren, wie ist das damals bei dir passiert, wie hat es dich politisch sozialisiert und dann wie zur CDU, das ist auch normalerweise nicht so die Partei, die mit Jugend assoziiert wird. Also einfach so aus reiner Neugier. Wie ist das passiert?
00:08:12.19
nora
Ja, also meine Eltern, so klassische Arbeiter, haben immer SPD gewählt und bei mir war klar, entweder Mitte, also CDU oder SPD und ich hatte halt den Zufall, dass bei mir in der Heimatstadt gab es so ein Drachenbootrennen, also paddeln, weißt du?
00:08:27.64
nora
Und das wurde von der Jungen Union organisiert, ein Boot, und das haben Freunde von mir gemacht, und die haben dann so halt Leute auch versucht zu werben, und es hat halt Spaß gemacht, und dann am Ende sind so von zwölf, drei übrig geblieben, und ich war noch eine, die übrig geblieben ist, und dann sind wir halt mit auf die Seminare gefahren, und das fand ich halt… Sie haben mich abgeholt, ja? Das ist heute leider nicht mehr so.
00:08:52.57
stefansasse
Machen die die Aktion nicht mehr oder greifen die Aktion nicht mehr?
00:08:55.54
nora
Sie machen es nicht mehr, weil halt auch der Nachwuchs fehlt. Also man hat niemanden nachhaltig mitgezogen. Und das Ding ist halt auch die jungen Leute, die gehen dann halt auch irgendwann weg. Also in Städte oder halt dann irgendwie rüber messen.
00:09:02.98
stefansasse
Also quasi so eine Doom Loop, wie das auch viele Vereine oder sowas erleben. Der Nachwuchs bleibt aus und weil der Nachwuchs aus bleibt, bleibt der Nachwuchs aus. Ist es tatsächlich so ein massives Phänomen mit dieser Abwanderung junger Menschen aus Ostdeutschland? Also hast du quasi auch in deinem Bekanntenkreis und so.
00:09:28.21
nora
In meinem Bekanntenkreis, ja. Die Leute kommen langsam wieder zurück, weil sie merken, bei uns zu Hause sieht das gar nicht gut aus, was die Wahlergebnisse angeht, oder dass immer mehr Läden verschwinden. Sodass die meisten Leute sagen, wir gehen wieder zurück, weil zu Hause kriegt man noch günstig ein Haus in unserem Alter.
00:09:51.30
stefansasse
Und dann habe ich noch eine Frage, eine letzte persönliche Frage, bevor wir in die allgemeineren Themen überwechseln. Du hast auch in einem der beiden Artikel gesagt, dass du nicht dieses Postenhangeln machen möchtest, also dass du quasi ganz bewusst jetzt nicht kandidiert hast für die, ich nenne es mal die Ochsentour, sagt man da häufig, die ganzen Mandate.
00:10:01.36
nora
Das war’s für heute.
00:10:08.11
stefansasse
sondern dass du diese Pause gemacht hast. Da stand aber keine Begründung dabei. Das stand quasi so, als wäre es selbsterklärend. Und mich würde da noch ein bisschen interessieren, was hat dich bewogen zu sagen, ganz bewusst, ich möchte mich nicht aufstellen lassen, wo du ja wahrscheinlich ganz gute Chancen gehabt hättest, gerade wegen des Mannels an Nachwuchspersonal, sondern quasi zu sagen, nee, ich probiere erst mal jetzt mein Studium fertig und so weiter und vielleicht machst du dazwischen ja auch noch was. Also was ist da quasi der Hintergrund?
00:10:37.69
nora
Ja, also A, ich war in Mecklenburg-Vorpommern. Irgendwann hat man dann so die Städte wie Schwerin und Wismar fertig und will halt auch irgendwie was anderes sehen. Und B, wie du es halt gerade gesagt hast, ich habe mich dann am Ende gegen die Ochsentour entschieden. Ich hätte es machen können, ja, aber ich hatte dann auch irgendwie keine Lust mehr, meine Wochenenden dafür irgendwie mit Freunden das abzusagen oder unter der Woche dann bis abends um neun unterwegs zu sein.
00:11:07.94
nora
Es soll jetzt gar nicht so klingen, als wenn ich faul bin oder so, aber es war so, ich hab mich dann am Ende gefragt so, für was? Dafür, dass ich da mit 21 im Landtag sitze und relativ wenig Einfluss eigentlich habe, weil bei uns die Verhältnisse in Mecklenburg-Vorpommern sowieso blöd sind. Wir haben eine starke SPD, wir haben eine starke AfD und die CDU mit ein paar Prozent, so mit 16, 17 so dazwischen, ist jetzt nicht so der Machtfaktor. Und dann hab ich gesagt, okay, gut, ich bin jung und außerdem
00:11:35.71
nora
Ich muss noch sehr, sehr viel lernen, also gerade was menschlich angeht und auch irgendwie wissenschaftlich mehr oder weniger, um die Welt halt auch irgendwie so zu verstehen, auch Entscheidungen irgendwie treffen zu können.
00:11:49.90
stefansasse
Ja, das ist interessant, weil ich meine, auf der einen Seite sehe ich völlig diese Argumentation, von wegen ich brauche noch Lebenserfahrung und den ganzen Kram, weil das ist ja auch eine häufige Kritik, dass die Leute quasi direkt von der Uni in die Parlamente gehen und quasi das reale Leben da draußen nicht kennen. Auf der einen Seite läuft das dann auch wieder in diese häufige Kritik, diese typische Generation Z will nicht mehr arbeiten, die wollen ihre freien Wochenenden oder so.
00:12:13.98
stefansasse
Aber ich verstehe das völlig, weil wie gesagt, das ist auch eine der Sachen, die mich auch immer von sowas weggetrieben hat. Dieses unglaublich Konsumierende an Freizeit und so weiter. Und ich denke, das ist auch mit wirklich massiv einer der Gründe, warum da diese Nachwuchsproblematik kommt. Ich weiß nicht, ob das früher anders war.
00:12:34.55
nora
Ist eine gute Frage. Bei uns ist die Parteienbindung sowieso nie so krass da gewesen. Also ich glaube, woher kommst du nochmal?
00:12:43.17
stefansasse
Stuttgart, die Ecke, also Schwabenland. Führt man das denn nicht? Na ja, verstehe.
00:12:47.38
nora
Ja, ich glaube, bei euch gibt es ja dann wahrscheinlich so in jeder Stadt irgendwie so ein CDU-Gemeinderat oder so oder SPD oder so. Aber bei uns gab es das halt ja nicht. Also da musste man irgendwie so 50 Kilometer mit dem Auto fahren, um sich dann irgendwie im Preis zu treffen. Und das macht es dann halt auch nochmal irgendwie schwieriger. Und ich glaube, ich habe so vor vier Jahren oder so, als es so viel war mit der CDU gesagt, ich brauche mehr Work-Life-Balance. Und dann heute denke ich mir so, was Work-Life-Balance eigentlich? Also Work war in dem Sinne
00:13:17.38
nora
Also wo ich mir auch heute so denke, das ist ja auch nicht wirklich Arbeit. Also ich will dem Politikerberuf auch nicht irgendwie schlechtreden oder so, aber das ist ja manchmal faszinierend. Heute geht’s wieder, ja. Aber damals schon, klar.
00:13:28.58
stefansasse
So eine kleine Sinnkrise. Ja, ich mein, das ist ja auch spannend, wenn man da wirklich mal sich so hinterfragen muss letzten Endes, möchte ich das wirklich machen? Und political animal und so. Ja, manche Leute, die sind dafür geboren und andere Leute eher nicht.
00:13:49.79
stefansasse
ist es anstrengend und dann muss man sich dann wirklich fragen, ist es mir das Wert letzten Endes. Aber für den Vergleich, ich komme wirklich so aus der CDU-Herzkammer letzten Endes, das Remmstal hier, das ist wirklich so CDU-Territorium schon immer gewesen. Ich meine, wir haben jetzt hier wieder Oberbürgermeisterinnenwahlen in dem Fall, da ist nicht mal ein Gegenkandidat in der Stadt, das ist einfach, das läuft durch sozusagen.
00:14:14.82
nora
Ah, okay. Ja.
00:14:17.64
stefansasse
Von daher, das war jetzt für mich auch nie das freundlichste politische Pflaster, muss ich ganz klar sagen, weil ich bin jetzt nicht so CDU-affin gewissermaßen.
00:14:27.41
stefansasse
Von daher hat es mich da wahrscheinlich auch nie reingetrieben. Du hast auch gesprochen, du hast diese Max-Lieber-Metapher bemüht in einem der Texte. Dieses Politik ist das Bohren harter Bretter mit Leidenschaft und Augenmaß. Das ist quasi dieses universell und weiterhin gültige Zitat. Und du hast gesagt, was wir brauchen sind Bohrmaschinen. Und das hat mich ziemlich abgeholt, muss ich sagen. Und ich habe gedacht so,
00:14:47.53
nora
Ja.
00:14:53.25
stefansasse
Also quasi dieses Sentiment, was da drinsteckt, fände ich gerade wieder kein gutes deutsches Wort ein. Also diese Mentalität, die da dahintersteckt, wir müssen was erreichen sozusagen, wir müssen was tun, das hat mich sehr gegriffen, weil ich, das ist so meine Hauptkritik, die ich gerade im Endeffekt immer an die Politik hinschmeiße, und zwar völlig unabhängig, welche Partei. Also ich finde, die Grünen machen mir zu wenig, die SPD macht mir zu wenig, die FDP macht mir zu wenig, die CDU macht mir zu wenig und vom Rest will ich gar nicht, dass sie irgendwas tun.
00:15:21.15
stefansasse
Das heißt, wie stellst du dir das quasi vor? Wie würden solche Bohrmaschinen idealerweise aussehen, wenn Nora Zabel jetzt die Chance hat, da tatsächlich einfach mal durchzuregieren gewissermaßen? Was würdest du machen?
00:15:21.54
nora
Vielen Dank für’s Zuschauen.
00:15:35.86
nora
durchzugehen. Ich glaube, die Bohrmaschine lässt sich irgendwie am einfachsten in der Kommunalpolitik ansetzen, also in seinem Stadtparlament, weil dann siehst du ja, okay, da entsteht jetzt die Schule, über die ich abgestimmt habe, oder da entsteht das Freibad und so weiter. Da lässt es sich natürlich am leichtesten umsetzen, aber dadurch, dass ich jetzt auch ein bisschen länger im politischen Betrieb arbeite und auch merke, was die Abgeordneten da machen, ist es natürlich
00:16:01.29
nora
Es ist ein Riesentanker, den man nicht einfach von heute auf morgen irgendwie bewegen kann. Aber gleichzeitig, das muss ich sagen, hat mich das ein bisschen verwundert, was in den letzten Wochen in Deutschland passiert ist, dass durch diese abstrakte politische Debatte über Migration wir jetzt dazu gekommen sind, dass wir diese Grenzen schließen.
00:16:21.83
nora
Also dahinter frage ich dann doch teilweise dieses Bohren mit der Bohrmaschine, ob das wirklich sinnvoll ist, wenn ich schaue, was das eigentlich auslösen kann. Aber mich hat es damals im Kontext der Frauenquote wahrscheinlich genervt, dass wir immer gesagt haben, ja, wir arbeiten daran, machen es familienfreundlicher, das Umfeld in der CDU. Nein, wir brauchen einfach eine fucking Frauenquote, damit wir auch diese Stühle mit Frauen besetzen. Ich glaube, das meinte ich damals damit.
00:16:50.11
stefansasse
Okay, also ganz spezifisch für diese Thematik mit der Frauenquote.
00:16:55.52
nora
Die auch. Und ich glaube, ich habe damals so ein Video von Angela Merkel 1993 gesehen, wo sie gesagt hat, die Klimakrise ist das Schlimmste, was uns gerade erwartet und wir müssen uns damit beschäftigen und wir brauchen jetzt disruptive Veränderungen und so weiter. Und dann habe ich das, glaube ich, 2021 wieder gesehen und dachte mir, ja, passiert ist nicht so viel. Also das ist verrückt.
00:17:19.51
stefansasse
Es ist immer eine Sache, die deprimiert einen zuverlässig, wenn man Videos von früher anguckt oder Zitate liest oder was auch immer, wo Leute schon genau wussten, was wir für ein Problem haben und es passiert einfach viel zu wenig. Das ist überhaupt keine Frage. Ich will gleich noch mal zu dieser Geschichte mit der Frauenquote kommen, aber ich finde diesen Punkt, den du machst mit der Bohrmaschine, ist ein Werkzeug letzten Endes.
00:17:41.13
stefansasse
um in der Metapher zu bleiben und wie jedes Werkzeug kann das gute und schlechte Dinge machen. Ich kann mit einer Bohrmaschine gute Dinge machen, aber ich kann auch Dinge zerstören, gewissermaßen. Und ich erlebe das auch immer wieder, dass diese Langsamkeit des politischen Prozesses, die hat ja einerseits auch ihr Gutes. Wir haben ja überall diese checks and balances drin, diese Blockaden, dieser Sand im Getriebe, der ist ja absichtlich da.
00:18:04.92
stefansasse
Der nervt uns natürlich immer tierisch, wenn wir Dinge bewegen wollen. Ob das jetzt bei der Frauenquote ist oder beim Klimaschutz oder bei der Integration, wenn man irgendwo was aufbauen muss oder was auch immer. Jeder kann hier sein beliebiges Lieblingsbeispiel reinpacken.
00:18:20.79
stefansasse
Aber auf der anderen Seite bin ich dann wieder höllisch froh über die ineffizienzpolitischen Prozesse, wenn ich mir vorstelle, dass die AfD da jemals für vier Jahre an den Drücker kommt oder fünf. Dann sind wir glaube ich alle sehr, sehr happy, dass da irgendwelche Beamten sagen, ja nie, so steht das nicht in der Verordnung. Und dann den ganzen Blödsinn aufhalten.
00:18:35.26
nora
Ja.
00:18:39.41
stefansasse
Es ist immer ein unglaublich ambivalentes Ding und dieses Gefühl, was du gerade beschreibst, dass du auf der einen Seite dir das Brennen wünschst, dass was passiert, und dann schreckt man wieder zurück, wenn dann tatsächlich mal die Bohrmaschinen rausgeholt werden, was ja immer wieder passiert. 2015 war ja auch so ein Moment, als die Grenzen dann, ich mag diesen Begriff Grenzöffnung, die Grenzen nicht geschlossen wurden gewissermaßen,
00:19:03.61
stefansasse
Und als man da dann plötzlich keine Ahnung, was alles gemacht hat, das war auch so ein Bohrmaschinenmoment letzten Endes. Und ich werde auch natürlich müde zu betonen, einer, der damals von einer breiten Mehrheit mitgetragen wurde. Die breite Mehrheit will zwar heute nichts mehr davon wissen, aber die hat existiert. Wenn auch nur für ein halbes, dreiviertel Jahr, aber die war real, die war da.
00:19:24.48
stefansasse
Und gerade diese stark schwankenden Meinungen machen eben diese Bohrmaschinen dann manchmal kritisch, habe ich das Gefühl. Die Impfzentren, wie die aus dem Boden geschossen sind oder sowas, da ging plötzlich richtig was. Das war schon faszinierend.
00:19:32.95
nora
Ja, na gut, wir haben es ja auch bei Corona gesehen, als denn irgendwie von heute auf morgen wie alles zu war. Ja, also, wie du schon, was denn?
00:19:51.10
nora
Ja, also das, was ich auch irgendwie selber immer sehe, ist, dass Politiker selbst manchmal davon erschrocken sind, was geht und was eigentlich nicht geht.
00:19:58.90
stefansasse
Ja, wir fesseln uns häufig selbst. Aber ich glaube, das ist auch in jedem Unternehmen so und in jeder Institution grundsätzlich. Wir arbeiten immer in bestimmten Dingen und wir gehen davon aus, dass etwas so ist, was schon immer so war. Und urplötzlich kann das weggehen. Und ich glaube, das ist natürlich gerade in der CDU auch ein Thema. Das ist eine konservative Partei, das spielt, was bisher immer so war und wie man das immer gemacht hat. Ich glaube, eine größere Rolle als in vielen anderen Parteien. Oder liege ich da falsch?
00:20:28.08
nora
Nee, aber man muss halt für das Neue immer bessere Argumente und mehr Argumente finden, um es halt irgendwie als plausibel zu sehen. Was ich halt irgendwie auch vernünftig finde. Also ich meine, man kann ja auch stolz oder auch viele stolz sein, was man irgendwie auch erreicht hat. Deutschland ist eines der friedlichsten und eines der sichersten Länder, die es gibt auf dieser Welt.
00:20:48.95
nora
Und auch eines mit der funktionierendsten Demokratie. Also es gibt eine Menge Dinge, die gut laufen und auf die man auch stolz sein kann. Aber ja, wenn man irgendwie zu lange sich mit Symbolthematiken wie Migration oder sowas beschäftigt, dann bleiben halt glaube ich auch die wichtigen Dinge irgendwie ein bisschen auf der Strecke.
00:21:08.28
stefansasse
Was sind denn die wichtigen Dinge?
00:21:10.14
nora
Digitalisierung der Verwaltung beispielsweise. Also es dauert ja immer Jahre bis da überhaupt irgendwas funktioniert oder bis irgendwas ankommt oder so.
00:21:20.37
stefansasse
Hast du da direkte Erfahrungen, dass du quasi einen Blick aus der Praxis geben kannst, woran das liegt? Weil da hatte ich erst letztendlich eine Diskussion mit ein paar Leuten, wo wir uns wirklich gefragt haben, warum ist das eigentlich so? Ein Argument, das ich sehr häufig gesagt kriege, vor allem im schulischen Kontext kommt es eben ständig hoch, als das Verhinderungsargument Nummer eins ist immer Datenschutz.
00:21:40.93
nora
Das schon, ja.
00:21:41.27
stefansasse
Und direkt gefolgt ist es von Urheberrecht. Also um nur ein wirklich absurdes Beispiel zu nennen, wir kriegen die Abiturklausuren des jeweiligen Vorjahres als Lehrkräfte, die können wir nicht mehr digital kriegen wegen Urheberrecht. Das heißt, ich muss jemanden kennen, den ich anschreibe, der quasi in dieser Kultusministeriumsverwaltung drin ist, der mir dann eine Kopie per Post zusendet von diesen Klausuren, die ich dann für mich einscanne, weil ich würde sehr gerne digital verwenden.
00:22:10.79
stefansasse
Weiß ich eigentlich gar nicht drauf. Das sind lauter so völlig absurde Dinger. Und mich würde interessieren, ist das eigentlich real so oder ist das mehr so eine Kulturfrage? Ja.
00:22:21.92
nora
Du meinst, die Verwaltungskultur in Deutschland, dass es generell einfach so langsam ist? Ja, ich weiß es nicht, warum man sich da so ein bisschen überreguliert hat. Wahrscheinlich haben einige Personen in der Vergangenheit ein paar Fehler gemacht, weshalb man sich da irgendwie absichern möchte, grundlegend. Aber
00:22:41.54
nora
Ja, dieser Bürokratiestau… I don’t know. Ich weiß nur, dass es mich stört und dass man es besser machen kann.
00:22:49.28
stefansasse
Ja, deswegen hätte er es ankönnen, du hast da irgendwelche direkten Einblicke. Mein Bauchgefühl ist tatsächlich nämlich so ein bisschen, das ist so eine Mentalitätsgeschichte, sehr mit diesem Absichern, dass man auf jeden Fall jedes I-Tüpfelchen richtig machen muss, jeden T-Strich sozusagen, muss absolut korrekt sein und dass die Ermessensspielräume und Möglichkeitenspielräume einfach wahnsinnig klein sind oder als klein empfunden werden, je nachdem.
00:23:19.09
stefansasse
Also, dass die Leute quasi gar nicht, keine Ahnung, die Leute haben einen größeren Spielraum, als sie dann tatsächlich nutzen letzten Endes. Aus Furcht sozusagen oder auch hier, einfach weil es Gewohnheit ist.
00:23:27.06
nora
Ah, okay. Ja, ja. Ja, es kann halt auch sein. Also da sitzen ja dann auch Mitarbeiter, die wahrscheinlich eher konservativer Natur sind, was auch so sein soll, weil sie sich auch an diese Regeln halten sollen. Also es sind ja keine kreativen Menschen, die dort arbeiten wahrscheinlich. Also, no judgment. Du weißt, was ich meine. No. I think one of the most important things
00:23:46.85
stefansasse
Das will man da ja auch nicht. Ich will ja keine kreative Person im Einwohnermeldeamt sitzen haben und die dann mal so disruptive Innovationen in die Einwohnermeldeamtsregister bringt. Das ist kein guter Plan. Das ist eine andere Geschichte an der Stelle.
00:24:04.24
nora
Ja.
00:24:05.83
stefansasse
Ich würde nochmal zurückkommen wollen, weil du ja gesagt hast, man braucht mehr gute Argumente für Wandel. Und du hast ja jetzt vorher die, ich zitiere, fucking Frauenquote erwähnt. Welche guten Argumente gibt es denn dafür? Wie versuchst du quasi die CDU davon zu überzeugen, dass das eine gute Idee ist? Ich glaube, ihr habt es ja jetzt mittlerweile, wenn ich es richtig im Kopf habe.
00:24:26.71
nora
Ja, wir haben sie jetzt und die Argumente waren einfach, wir haben zu wenig Frauen. Also das kann man ja nicht irgendwie, also man sieht es überall auf den Fotos. Man sieht es in den Führungspositionen. Ich glaube, eine von 16 Fraktionsvorsitzenden ist eine Frau.
00:24:46.94
nora
Wir haben 16, ich glaube, zwei Landesvorsitzende oder eine Landesvorsitzende. Also ganz ehrlich, wenn überall steht, auch im Grundgesetz, wir müssen Frauen fördern und 50 Prozent der Welt gehört den Frauen und die CDU es halt irgendwie nicht schafft, über 30 Prozent Frauenanteil hinüberzukommen, da muss man halt einfach mal mit der Brechstange da irgendwie was machen. Und da muss man halt auch irgendwie gezielt kluge Frauen bevorteilen und erst mal in gewisse Positionen bringen.
00:25:16.73
nora
damit sie andere auch weiter nachziehen und damit auch gleich ein Vorbild für junge Frauen sind. Wie gesagt, ich hatte Angela Merkel als Vorbild. Angela Merkel ist jetzt weg. Welche Frau fällt dir in der CDU jetzt ein, die da was zu sagen hat?
00:25:34.43
stefansasse
Keine. Also fällt mir spontan tatsächlich niemand ein, wenn ich an die Nachrichten denke. Ich sehe Hendrik Wüst, ich sehe Markus Söder, ich meine CSU, aber Union halt. Ich sehe natürlich Friedrich Merz, ich sehe den Kasten Linnemann.
00:25:49.99
nora
Ja, ich will nicht sagen, dass Frauen die klügeren sind oder die besseren und so weiter, aber es ist verschwendetes Potenzial. Also wir könnten besser sein mit mehr Frauen.
00:26:02.24
stefansasse
Ich denke es ist auch, weil auch hier ich hatte die Diskussion auch schon, wo jemand gefragt hat, warum ist es überhaupt ein Problem, sind denn Frauen bessere Menschen sozusagen? Also brauchen wir die Zwingungen? Da würde ich auch sagen nein. Ich denke der relevante Part ist vielmehr die Perspektivengeschichte, weil wir eben
00:26:21.05
stefansasse
quasi versuchen sollten, so viele unterschiedliche Perspektiven reinzukriegen wie möglich. Das ist auch dieses Klassenproblem, was wir in der Politik haben, ja, dass aus bestimmten Bevölkerungsschichten praktisch keinerlei Repräsentation im Parlament ist. Aber wir haben das eben auch in Richtung von Menschen mit Migrationshintergrund, wir haben das mit Frauen dasselbe Thema und es sorgt halt dann dafür, dass Blindspots entstehen, weil manche Sachen einfach nicht gesehen werden.
00:26:45.35
stefansasse
Da gibt es diese ganz berühmten Beispiele, wie z.B. die Crash-Test-Dummies alle männlich sind, um mal eins aus der Wirtschaft zu bringen und dass dann dementsprechend quasi Frauen schlimmere Verletzungen erleiden, einfach weil niemand daran gedacht hat, dass deren Physiognomie eine andere ist. Und dasselbe passiert ja auch im politischen Prozess an allen Ecken und Enden. Das sind einfach unterschiedliche Perspektiven.
00:27:05.83
stefansasse
Und man hat ja auch immer betont bei Angela Merkel letzten Endes und sie hat es ja auch selbst immer betont, dass sie ja gar nicht so die typische Erfahrung da hat, weil sie immer kinderlos war und so weiter. Diese Perspektive fehlt ja auch noch letzten Endes komplett. Das war auch mal ganz kurz im Wahlkampf 2021 Thema mit diesem Annalena Baerbock, wer quasi eine Mutter von Kindern die Bundeskanzlerin geworden wäre. Das wäre mit Sicherheit allein aus diesem Gesichtspunkt eine spannende Perspektive gewesen, wie ich sowas balanciere.
00:27:36.20
stefansasse
Und da sehe ich tatsächlich wenig passieren in die Richtung. Also von daher, mich überzeugst du. Deswegen wäre die nächste Frage, was sind die Gegenargumente? Also was entgegnet man dir?
00:27:46.48
nora
Also erstmal wollte ich nur gerade sagen, ich glaube, wir befinden uns auch mehr oder weniger in einem Rollback. Also ich glaube auch, dass sehr, sehr viele Frauen auch durch Corona wieder zurück in die Care-Arbeit gezogen wurden, weil es halt, wie du vorhin schon gesagt hast, weil es immer so war und weil es auch immer so geregelt wurde. Aber die Gegenargumente einer Frauenquote, natürlich, Leistung muss sich durchsetzen. Wobei ich dann aber auch immer sage, okay, gut, im schlimmsten Fall wird ein mitteldurchschnittlicher Mann durch eine mitteldurchschnittliche Frau ersetzt.
00:28:12.91
stefansasse
Vielen Dank für’s Zuhören!
00:28:16.80
nora
Und außerdem, wonach müsste man eigentlich Leistungen in der Politik nach Plakate kleben oder nach Anwesenheitsliste? Also es ist halt auch schwierig. Aber ja, Quoten sind immer blöd. Sie sind manchmal nicht fair, aber sie müssen halt sein, um gewisse Dinge abzubilden und zu repräsentieren.
00:28:40.84
stefansasse
Ja, ich denke, ich meine, mich holt sie mit der Argumentation eh ab, ja, ich bin ja schon lang dafür. Aber ich denke, das hat ja jetzt wohl auch die Partei einigermaßen überzeugt. Letztendlich ist es ja die FDP unter den demokratischen Parteien da der letzte Holdout, die sich immer noch gegen eine Frauenquote sträuben.
00:28:59.48
nora
Das Lustige ist natürlich, dass Friedrich Merzi eingeführt hat. Also wird sein Erbe für immer bleiben. Ja, genau. Ja, ja, ja. Ja.
00:29:04.63
stefansasse
Only Nixon can go to China. Das ist ein ganz, ganz typisches Beispiel. Gerhard Schröder und die Agenda 2010. Die Habeck und Baerbock jetzt mit der Zeitenwende. Das sind einfach immer so Dinge, du kannst einfach das gegen was du immer warst leichter durchbringen. Das ist eine dieser Absurditäten, die in der Politik sind, die man aber wirklich einfach im Kopf behalten muss. Das ist einfach immer so.
00:29:29.39
nora
Weil deine Leute es dir nicht so übel nehmen. Also die ganzen Leute, die gegen die Frauenquote waren, sind jetzt halt auch so, ja, okay, gut, weil Friedrich Mertz es gesagt hat, dann machen wir da halt mal mit. Schlucken wir es halt so. Ja. What? Okay.
00:29:41.54
stefansasse
Ja, genau. Ich finde es generell einfach spannend, dass quasi du diese Themen ansprichst. Wenn man dich so hört, dann über Feminismus reden und so weiter, dann würde man eigentlich hier sagen, ja grüne Jugend oder so. Nur bei diesem Thema jetzt, weil das ja einfach nicht so das klassische Ding in der CDU ist, dieses Reden über Feminismus, weil du auch, du benutzt ja auch dieses F-Wort quasi relativ offensiv, würde ich mal sagen, was ja
00:30:09.72
stefansasse
Weniger häufig vorkommt im Sprachgebrauch, auch da natürlich wieder bei Männer und so. Wir reden generell schwerer darüber, aber
00:30:19.56
stefansasse
Ich finde es spannend, welchen schwierigen Stand diese ganze Gleichstellungs-, Gleichberechtigungsthematik in den bürgerlichen Parteien heute hat. Ich habe da auch das Gefühl, und ich glaube, das passt gut zu deiner Rollback-These, dass das früher anders war. Dass quasi noch vor zehn Jahren oder so, das war auch keine Priorität oder sowas, aber ich habe das Gefühl, da war es noch bei weitem nicht so umstritten, es war nicht so giftig.
00:30:45.05
nora
Ja, ich glaube, es liegt auch daran, dass so dieser Feminismus dann dieses, ich arbeite mit einem Mac in einem Café in Berlin und ich bin vegan und so weiter. Viele Leute packen das dann irgendwie so zusammen, irgendwie siehst du es jetzt irgendwie progressiv. Und dann gibt es so die Leute, die irgendwie von der Globalisierung ein bisschen abgehängt sind und dass man irgendwie dann so zwei Lager hat am Ende, die sich dann so gegenüber stellen, dann so beide ihre Vorurteile gegeneinander haben.
00:31:10.45
nora
Und ich glaube, die CDU ist halt auch immer noch so die Landpartei, die konservative Partei. Es gibt ja auch gewisse Züge an mir, die sehr konservativ sind. Ich finde die Außenpolitik der CDU am realistischsten. Ich finde immer noch, dass die CDU die Rechtsstaatpartei ist und so weiter. Aber in gewissen Dingen bin ich auch einfach ein bisschen voker als andere. Und ich glaube, deswegen habe ich einen schwereren Stand. Aber es ist fein, wir diskutieren dann die Sache ab und an.
00:31:40.23
nora
Überzeugt man den anderen, oh man hasst sich einfach mehr.
00:31:45.69
stefansasse
Auch das ist fair. Let’s nenne es dieses agree to disagree ist ja auch eine ganz wichtige Sache in der Politik. Du wirbst um Mehrheiten und wenn du halt die Mehrheiten nicht hast, dann hast du sie halt nicht. Aber das heißt ja nicht, dass dein Standpunkt plötzlich illegitim ist deswegen. Du hast ja weiterhin das Recht zu werben oder gegebenenfalls auch abzuwarten. Das passiert ja eben auch häufiger.
00:32:08.01
stefansasse
Ich würde aber nochmal kurz auf den Rollback zurückkommen wollen. Was denkst du, wo kommt der her? Du hast ja schon erwähnt diese Verbindung quasi von zum Beispiel Feminismus mit den Leuten, die da im Prenzlauer Berg im Café sitzen, um mal das alte Klischee wieder rauszuholen. Aber wie ist das passiert sozusagen? Also ist das quasi ein Prozess, der von außen angestoßen wurde?
00:32:27.96
stefansasse
Ist es ein Prozess, der quasi von einigen, nennen wir es einfach mal, von den Woken sozusagen selber vorangetrieben wurde? Ist es eine Kombination davon? Was wäre da so deine Analyse? Letzte Generation.
00:32:38.20
nora
Ja, also ich würde schon sagen, das ist eine Kombination davon, weil wir sehen es ja in ganz Europa, dass rechte Parteien auf und gewinnen. Dann kommt irgendwie noch hinzu, dass die Voken sich, sie radikalisieren sich nicht, aber wir haben es jetzt vor Fridays for Future gesehen, wie hießen die Extremisten. Davon nochmal.
00:32:57.62
nora
letzte Generation so, weißt du? Und dass diese Formen noch mal extremere Formen ausbilden und dann wird alles am Ende irgendwie in den Topf geworfen und dann entstehen diese Feindbilder und dann kommen noch Politiker hinzu, die die Sprache, ich sag mal, ausweiten, dass Dinge wieder sagbar sind, die damals nicht sagbar waren und dann hast du irgendwie so ein multikausales Gemisch an
00:33:24.44
nora
Krisen, Dinge und dann hast du irgendwie so ein ganz großes Knoll und weißt gar nicht, wo du anfangen sollst an Ursachenfindungen. Ja.
00:33:35.86
stefansasse
Das macht es auch dann sehr schwer darauf, in irgendeiner Art und Weise zu reagieren. Ich habe immer so das Gefühl, diese Schwankungen sozusagen, also diese Mischung aus Fortschritt einerseits in eine bestimmte Richtung und dann kommt dieser Rollback sozusagen, der Backlash, das ist auch ein natürlicher Zyklus in der Politik. Den kann man ja auch immer wieder beobachten. Wir hatten ja zum Beispiel diese große Reformära in den 2000er Jahren und dann gab es da auch wieder einen Rollback.
00:34:01.18
stefansasse
Wenn man vergleicht das Leipziger Programm der CDU 2003 mit dem, was dann im Endeffekt dann tatsächlich nachher regiert worden ist, das ist ja auch ein unglaublicher Disconnect und das passiert ja häufiger, dass quasi die Stimmungen einfach wieder umschlagen und die Politik reagiert nun mal auf Stimmungen.
00:34:18.23
stefansasse
Ich würde es auch hier gar nicht negativ sehen, weil das ist ja das, was wir von der demokratischen Politik eigentlich haben wollen, dass sie die Stimmungen aufnimmt. Leute sagen immer so ganz gerne, ja und da muss dann halt die Politik drüber stehen und sie darf nicht Politik nach Mehrheitsmeinung machen, aber das sagen halt immer Leute, die gerade nicht die Mehrheitsmeinung haben, weil sobald es meine Mehrheitsmeinung ist, dann muss die Politik die selbstverständlich umsetzen. Das ist ja auch häufig da so eine gewisse Heuchelei mit drin.
00:34:34.80
nora
Ja. Ja.
00:34:45.86
stefansasse
Noch zu den, du hast noch so ein anderes Feld aufgemacht in diesen Artikeln, die ich da gelesen habe, neben dieser Feminismusgeschichte auf der einen Seite, wo du quasi eher so gegen den Strom schwimmst in deiner Partei, und zwar hast du, das war ja so ein Nebensatz damals, heute ist es ein viel größeres Thema als noch vor drei Jahren, das ist diese Geschichte, du hast einen Mobilitätsmix gefordert, in einem klaren Gegensatz zu, ich glaube das Wort war Autopolitik, zumindest habe ich mir das aufgeschrieben,
00:35:12.99
stefansasse
was die bürgerlichen Parteien normalerweise fahren. Da wäre ich auch noch super interessiert, weil das ja gerade immer ein immer drängenderes Thema wird und viel breiter diskutiert ist mit dem 49-Euro-Ticket, mit der E-Mobilität und hast du nicht gesehen. Was sind denn da so deine Vorstellungen und wie wird das in der Partei gesehen?
00:35:32.98
nora
Ja, also dadurch, dass ich ja jetzt irgendwie so in zwei Realitäten lebe. Ich lebe einmal in Heidelberg, wo die meisten Fahrrad fahren oder Bahn. Also da kommst du überall auch zu Fuß hin. Und dann bin ich halt auch groß geworden auf einem Dorf, wo alle zwei Stunden mal so ein Bus fährt. Und was meinst du mit Mobilitätsmix? Genau.
00:35:55.59
stefansasse
Ich glaube, das war das Wort, das in dem Artikel verwendet wurde, dass wir quasi nicht ausschließlich auf den Pkw setzen können, auf den quasi privat besessenden Pkw, sondern dass wir einen Mix von Mobilitätsformen brauchen. Wenn du jetzt zum Beispiel Heidelberg hernimmst, Fahrrad, die öffentlichen Verkehrsmittel etc.
00:36:14.05
nora
Ja, gut, also wie gesagt, das ist halt auf dem Dorf schwer, wenn entweder mindestens nichts ausgebaut wird oder wieder zurückgebaut wird quasi. Die Leute mit E-Mobilität auf dem Land irgendwie zu kriegen, ist halt superschwer, aber es ist auf jeden Fall realistischer als
00:36:29.79
nora
den Leuten halt irgendwie ihre Alltagsgewohnheiten irgendwie vorzuschreiben. Da würde ich jetzt irgendwie gar nicht sagen, okay, wir wollen nicht mehr, dass ihr Fleisch esst und so weiter, aber es macht halt auch Sinn, dass man den Leuten halt auch sagt, okay, hier habt ihr ein E-Auto, dafür müsst ihr nicht so viel bezahlen, gibt euren Diesel oder Benziner und dann könnt ihr halt leichter umsteigen. Ich glaube, das verstehen die Leute halt eher, als wenn man halt irgendwie sagt, so, okay, jetzt
00:36:57.21
nora
Ab dann müsst ihr halt so und so umsteigen, weil die meisten Leute im Osten auch nicht das Kapital haben, sofort irgendwie mitzugehen. So Mobilitätmix auf der anderen Seite. Wir brauchen mehr Busse, wir brauchen mehr Bahn und wir brauchen halt auch mehr. Ja, wir brauchen mehr alles, um flexibler irgendwie von Freizeitmöglichkeiten irgendwie auch zu profitieren auf dem Land.
00:37:16.92
stefansasse
Vielen Dank für’s Zuschauen.
00:37:23.30
stefansasse
Und wo kommen die her? Weil das ist ja, da kommen wir in den Zielkonflikt rein. Weil wir auf der einen Seite ist ein ganz, ganz großes Ziel und der CDU ja immer diese fiskalische Stabilität. Keine neuen Schulden, am besten die schwarze Null. Wir wollen aber auch gleichzeitig natürlich nicht oma die Rente kürzen. Das heißt, wir haben eigentlich kein Geld dafür. Idealerweise wollen wir es die Privatwirtschaft machen lassen.
00:37:47.00
stefansasse
Das geht aber nicht, weil auf dem Land ist es nicht wirtschaftlich rentabel. In den Städten sieht es immer völlig anders aus. Aber das heißt, wenn wir das ausbauen, dann müssen wir letzten Endes einen defizitären Betrieb fahren. Ich glaube, diese Logik lässt sich nicht killen. Also wenn ich öffentliche Verkehrsmittel auf dem Land in einem signifikanten, was ist das Wort, in einem signifikanten Takt oder sowas haben möchte, dann wird das, glaube ich, niemals Erträge abwerfen. Weil das müsste viel zu teuer sein und dann benutzen es die Leute nicht.
00:38:14.90
stefansasse
Und da beißt sich immer die Maus selber in den Schwanz, oder?
00:38:18.06
nora
Ja, also stimme ich die überein und ich glaube auch nicht, dass wir diese Schuldenbremse in den nächsten Jahren irgendwie einhalten sollten, weil es auch einfach nichts bringt, an den falschen Stellen zu sparen, weil wir dann am Ende sehen, dass es dann auch demokratiegefährdend werden kann, wenn die Leute halt so unzufrieden sind, dass sie antidemokratische Parteien wählen.
00:38:38.37
stefansasse
Ja, da haben wir so einen weiteren Nixenmoment, glaube ich. Das ist meine große Vorhersage, dass die Schuldenbremse unter Friedrich Merz fallen wird, weil eben derjenige ist, der es tun kann. Ja, so eine SPD-grüne FDP-Regierung, die kann es nicht machen. Das kann ich auch völlig nachvollziehen. Das ist politisch unmöglich. Während, ich glaube, das würde eher gehen, wenn der Bundeskanzler Friedrich Merzer heißt.
00:38:59.38
nora
Ich halte es auch für realistisch, also gerade auch, weil sich führende Politiker bei uns dafür geöffnet haben, das zu machen. Also Daniel Günther oder auch Wegener in Berlin. Also ich könnte mir vorstellen, dass sich da noch einiges tut in den nächsten Jahren. Gerade wenn wir dann Realpolitik machen können und nicht mehr in der Opposition sind.
00:39:14.50
stefansasse
Ja, das Gefühl habe ich definitiv auch. Da bin ich auch echt gespannt, wie viel das verändern wird, weil ich glaube, Fans der Ampel findet man wenig.
00:39:31.03
nora
Das ist wirklich crazy, also wirklich. Ich war am Anfang auch mehr oder weniger begeistert, als ich den Koalitionsvertrag gelesen habe, weil ich dachte, Mensch, das sind echt alles tolle Forderungen, aber wow. Also die Performance, da muss ich echt sagen, das ist unter anderem.
00:39:48.25
stefansasse
Mir ist auch wirklich unklar bis heute, was da passiert ist. Da werden wir noch einige Jahre, glaube ich, drin rum analysieren, was da eigentlich tatsächlich gelaufen ist, falls wir es jemals rausfinden. Also das ist wirklich ganz, ganz merkwürdig.
00:40:03.08
nora
Also es ist ja von links bis rechts, sagen die Leute, dieser Regierung ist handlungsunfähig. Ja.
00:40:11.56
stefansasse
Also wir haben das im Podcast ja auch schon gesagt, meine normale Co-Host, was heißt normal, also die mir das regelmäßig macht, wir sind ja beide eher auf dem etwas linkeren Spektrum unterwegs. Wir haben auch schon gesagt, ganz ehrlich, da hat dann doch lieber die große Koalition, aber da ist wenigstens irgendwas rausgekommen letzten Endes. Das war auch nicht gerade ideal oder so.
00:40:30.98
stefansasse
Aber wo wir eh im Thema Koalitionen angelangt sind, da kommen wir auf einen weiteren Wundenpunkt, glaube ich, der die CDU gerade umtreibt, wo ich wirklich niemanden beneide von euch, der gerade in Verantwortung ist und das ist der Umgang mit der AfD. Weil das ist ja ein Problem, das hat zum Beispiel die SPD ja gar nicht oder die Grünen. Die werden nie gefragt, ob sie mit denen koalieren wollen, weil es eh völlig ausgeschlossen ist.
00:40:53.23
stefansasse
Aber die CDU, die ist da gerade between a rock and a hard place, wie man so schön sagt. Auf der einen Seite hat man in manchen Bundesländern überhaupt keine Möglichkeit mehr, irgendwie demokratische Koalitionen aufzustellen, muss dann gegebenenfalls mit Bündnis Sarawak nicht zusammenarbeiten, wenn man die AfD draußen halten will. Und auf der anderen Seite kann man halt auch nicht wirklich mit den Faschos koalieren. Also das ist ein ganz, ganz schwieriges Feld, glaube ich.
00:41:20.52
stefansasse
Was sind denn da deine Wipes sozusagen oder deine Haltung zu dem Thema? Brandmauer quasi.
00:41:20.62
nora
Ja.
00:41:27.00
nora
Ja, also meine Wipes sind insofern, dass die Grenze bei einer Koalition liegt oder auch bei einer Duldung und also wie der Fall ja in Thüringen ja irgendwie ganz, ganz grausam. Aber ich glaube, da sind sich auch alle in der CDU einig, von Söder bis Merz bis Karin Prien, dass wir nicht mit der AfD gemeinsame Sache machen werden, a, weil sie
00:41:52.16
nora
eine Partei ist, die sich nicht an Absprachen hält, also wahrscheinlich, also ich gehe davon aus. B, weil ihre Inhalte komplett unseren widersprechen. Ich meine, das ist eine Partei im Osten, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird und als rechtsextrem eingestuft ist. Das muss man sich nochmal reinziehen.
00:41:53.34
stefansasse
Vielen Dank für’s Zuschauen.
00:42:12.98
nora
Aber der Umgang ist halt schwer, weil wir auf der einen Seite halt die Leute haben, die sagen, wir müssen uns von denen abgrenzen und sagen, dass wir gegen die Politik machen. Aber dann haben wir auf der anderen Seite halt auch eben die Leute, die sagen, ja, wir sollten uns auf uns konzentrieren und wir sollten uns auf die Menschen konzentrieren, die halt enttäuscht sind von uns. Aber das Problem bei der ganzen Sache ist, man sieht das ja jetzt auch im bundespolitischen Diskurs, wenn man das
00:42:39.50
nora
einfach von der AfD übernimmt und auch die Wortwahl und so weiter, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es eben auf die Partei eins zahlt, die das halt vor drei Jahren oder so gefordert hat, also die quasi dieses Thema pachtet. So deswegen ist es halt gefährlich, was gerade passiert, so sehe ich das ja.
00:42:58.30
stefansasse
Warum machen die Leute das dann trotzdem? Also was ist die Hoffnung dahinter? Oder sehen die das einfach nur nicht? Oder was ist da deine Erklärung dafür? Weil das passiert ja von relativ vielen Leuten. Du hast ja auch vorher jetzt diese Grenzschließungsgeschichte erwähnt, die da jetzt gerade im Fahrwasser von Solingen passiert ist. Das läuft ja alles quasi in die Richtung, weil das ja eben AfD-Forderungen sind. Die fordern ja schon längst, die Grenzen zu schließen, etc., pp.
00:42:59.86
stefansasse
Untertitel im Auftrag des ZDF, 2021
00:43:22.55
stefansasse
Also was ist sozusagen dann die Logik, die da innerhalb der CDU abläuft, trotzdem in diese Richtung zu gehen?
00:43:31.20
nora
Ich denke, dass man sich davon verspricht, dass man davon wieder Vertrauen zurückbekommt. Also wenn wir das sagen, wenn wir sagen, wir stoppen die Einwanderung, das kannst du ja nicht mal in die Realpolitik übertragen. Also sowas vergessen die Leute ja auch nicht. Aber egal, das ist das Gegenargument wieder. Ich glaube, die Leute versprechen sich davon, gewählt zu werden. Also ich sag’s, wie es ist, hart, ja. Gewählt zu werden und
00:44:00.21
nora
Der AfD wieder wieder wegzunehmen.
00:44:04.24
stefansasse
Da wäre dann die Frage und die würde ich dir dann auch stellen wollen für diese Frauenquoten-Geschichte. Was sind denn die bisherigen Erfahrungen mit den Ergebnissen? Also quasi in beide Richtungen letzten Endes. Klappt das mit dem wählen den Stimmen zurückgewinnen oder klappt es nicht?
00:44:22.12
stefansasse
und dem gewählt werden. Ich meine, die CDU ist die aktuell stärkste Partei in den Umfragen bundesweit. Also von daher komplett falsch kann sie nicht sein. Auf der anderen Seite, wenn ich mir die Ergebnisse in Sachsen oder Thüringen angucke, lädt es auch nicht unbedingt zu Optimismus und Freude ein. Und da machen wir zuerst mal quasi die Geschichte und dann würde ich auch gerne noch mal auf den realen Effekt der Frauenquote zurückkommen wollen.
00:44:46.96
nora
Was war jetzt deine Frage, genau?
00:44:49.15
stefansasse
Also quasi funktioniert das für die Leute, also werden die denn damit tatsächlich gewählt? Ihr habt ja bestimmt irgendwie sowas wie internere Daten, Untersuchungen, Diskussionen sozusagen, was man ja unter Umständen gar nicht an den eigentlichen wählenden Bewegungen sieht, an den reinen Prozentzahlen.
00:45:05.64
stefansasse
Weil was die ja immer nicht abbilden, ist ja quasi, wie viele Leute man letzten Endes behält. Also man kann ja quasi auf der einen Seite sagen, ich mache etwas, um zusätzliche Wählende zu gewinnen. Ich kann ja aber auch sagen, ich mache etwas, um nicht Leute zu verlieren, die mich wählen würden. Und die bilden sich ja dann in den Umfragen nicht ab. Also ich kann ja immer quasi das Argument machen, würden wir das nicht tun, dann hätten wir nicht 30%, sondern 25% zum Beispiel.
00:45:28.77
nora
Ich glaube, sowas kannst du halt nicht nachprüfen oder so. Das ist ja auch dieses in die Glaskugel gucken, wenn du dich an Umfragen hältst und dich nach Umfragen richtest. Du kannst ja nie irgendwie sagen,
00:45:42.62
nora
das Thema hat es jetzt gebracht, weshalb wir so viel Stimmen bekommen haben oder wegen der Frauenquote sind wir jetzt bei 30 Prozent, das ist ja auch Quatsch. Also es ist, in Thüringen hat es offensichtlich nicht so geklappt, wie man sich das gewünscht hat. In Sachsen lag es halt auch daran, dass wir einen starken Ministerpräsident haben mit Kretschmer. Der Ministerpräsidentenbonus hat natürlich auch nochmal viel gegeben, aber
00:45:50.67
stefansasse
Mh.
00:46:09.84
nora
Ja, gut, wir müssen jetzt abwarten, was in Brandenburg passiert, aber da liegt… Ich hab heute eine Umfrage gesehen, da ist die CDU bei 16%, die SPD bei 25% und die AfD bei 28%. Und diesen Sound, den wir ja seit einem Jahr haben oder so von der Bundes-CDU, würde ich jetzt nicht sagen, dass er da wirklich eingezahlt hat, aber… Man kann es so oder so frameen. Das ist ja am Ende dann die Story, die dann von den Gewinnern erzählt wird.
00:46:31.14
stefansasse
Ja, ich habe eh das Gefühl, das ist immer eine ganz, ganz schwierige Diskussion, weil halt jeder und jede da immer das eigene Narrativ drüber klatscht letzten Endes. Ich muss ehrlich sagen, ich habe so die Schnauze voll von, die AfD ist zu start, weil die Leute nicht machen, was ich sage, Artikeln. Das ist ja furchtbar und die schließen sich auch noch alle gegenseitig aus.
00:46:57.71
stefansasse
Also es gibt so viele Erklärungen und so viele Handlungsanweisungen, die sind alle widersprüchlich. Also da habe ich auch wieder echt mitgefühlt teilweise mit den Leuten, die da tatsächlich in den Entscheidungspositionen sind, weil es muss echt furchtbar schwierig sein, da dann tatsächlich so einen Kurs irgendwie zu auszurichten quasi.
00:47:19.28
nora
Es ist viel Verantwortung. Man wird sehen, wo die Reise jetzt hinführt.
00:47:26.20
stefansasse
Ich wollte die gleiche Frage quasi auch noch mal in Richtung der Frauenquote stellen. Seit ihr die verabschiedet habt, kriegt ihr quasi mehr Frauenachwuchs? Ist dafür noch zu früh? Also hat man da eine Veränderung bemerkt? Hat sich vielleicht das Klima verändert innerhalb der Partei? Also haben sich da die Hoffnungen erfüllt? Letzten Endes ist glaube ich meine Frage.
00:47:42.66
nora
Ich glaube, als wir sie verabschiedet haben, haben wir auch gesagt, wir evaluieren in zwei oder drei Jahren und machen dann einen Bericht, ob es was gebracht hat, ja oder nein. Und ich glaube dann auch mit der Perspektive, ob wir sie wieder abschaffen und so weiter. Das war der Kompromiss, um sie überhaupt einzuführen. Ich kann es nur nach Gefühl sagen.
00:48:00.76
nora
Ich weiß, dass wenn Listen paritätisch besetzt sind, dass sie A. ein besseres Bild nach außen geben. Es ist nicht wissenschaftlich bewiesen, ob sie dann auch reinkommen und gewählt werden, aber es ist erstmal ein Zeichen nach außen und das war mir eigentlich auch immer wichtig.
00:48:21.09
stefansasse
Ja, ich meine, solche Sachen lassen sich ja immer nur super schwer beweisen. Ich glaube aber nicht, dass die wieder abgeschafft wird, das kann ich mir irgendwie nicht vorstellen. Wenn ich solche Kompromisse höre wie evaluieren und gucken dann, ob wir es wieder wegtun, dann weißt du schon ganz genau, nee, nee, das kommt nicht wieder weg. Wie du schon sagst, das ist halt der Kompromiss, den man da eingeht.
00:48:41.30
nora
I hope so. Ich meine, es kann ja auch dabei rauskommen, es hat überhaupt nichts gebracht. Gut, dann sag ich halt auch so, okay, gut, aber dann haben wir es halt versucht, müssen wir irgendwie andere Instrumente finden, aber scheint mir jetzt irgendwie am plausibelsten. Ja, und jetzt mal ausprobieren.
00:48:58.25
stefansasse
Ich meine, wie wir schon gesagt haben, es ist eh schwer, das vernünftig zu evaluieren, was da letzten Endes rauskommt deswegen.
00:49:05.04
nora
Es war ganz interessant, als ich so in Meck Pomm damals angefangen habe und wir die Listen aufgestellt haben für die Landtagswahl, meinte ich so, ja, aber es wird doch einen krassen Einfluss darauf haben, ob wir jetzt jeden zweiten Platz mit einer Frau besetzen und so weiter. Und wir hatten halt einen Politikwissenschaftler mit dem Team, der meinte so, nein, es gibt keine wissenschaftliche Befunde dafür. Ich war so, oh wow, shit. Aber ja.
00:49:28.13
stefansasse
Was war die Erwartung? Weil ihr sagt, es müsste doch einen krassen Impact haben. Was war die Erwartung des Einflusses, den das hat? Also quasi auf euch oder auf diejenigen, die euch wählen und wahrnehmen.
00:49:38.85
nora
auf die, die uns wählen und wahrnehmen. Also ich war irgendwie fest der Meinung, okay, wenn wir mehr Frauen aufstellen, die Leute wollen mehr Frauen in der Politik sehen und auch in einer anderen Politik von Frauen, dass wir dann erfolgreicher sind. Aber dann empirisch gesehen gab es da keine Befunde zu, dass es halt wirklich so ist. Ja und deswegen, also
00:49:57.07
stefansasse
Oh, das ist echt bedauerlich, weil deshalb weiß ich schon wieder ein Gegenargument. Mhm.
00:50:02.81
nora
Wir müssen es ausprobieren, wir haben keine andere Wahl und solange mir niemand sagt, dass es keinen negativen Einfluss hat, paritätisch zu besetzen, glaube ich daran. Und außerdem finde ich es immer schöner, wenn man Bilder hat mit Frauen und auch mit Menschen mit Migrationsgeschichte. Also mit allen, weißt du, was ich meine? Mit allen, die in dieser Gesellschaft sind. Wir haben auch einen krassen Mangel an Menschen mit Migrationsgeschichte und an Menschen mit einer Behinderung in der Partei.
00:50:30.37
nora
Also wir brauchen auch diese Realitäten, um halt Politik vor alle zu machen.
00:50:36.25
stefansasse
Ja, da sind wir wieder bei diesen Perspektiven einerseits. Und wie du schon sagst, auch beim Aussehen. Du signalisierst ja einfach immer was nach außen. Und wenn da halt immer die gleichen mit 50er Herren im immer gleichen schwarzen Anzug von den Wahlplakaten lächeln, signalisiert man damit auch, ob man das will oder nicht.
00:50:55.99
stefansasse
Ob das dann jetzt tatsächlich so wahlentscheidend ist, klar. Ich meine, wenn ich bisher grün gewählt habe, dann werde ich nicht sagen, oh, jetzt lächelt eine Frau vom CDU-Plakat, dann wähle ich die doch, klar. Aber in the margins sozusagen kann das durchaus was ändern und vielleicht dann eben auch wieder Möglichkeit-Spielräume eröffnen. Weil wenn ich halt mal drei, vier, fünf Wahlen hintereinander einfach viele Frauen von Wahlplakaten gesehen habe, dann wird das eine denkbare Sache und dann sagen vielleicht auch mehr Leute, könnte auch ich sein.
00:51:24.80
stefansasse
Das ist dann tatsächlich auch nicht mit einer Wahl getan. Das kann auch gar nicht sein. So schnell kann das nicht funktionieren. Also wenn das die Hoffnung ist, die kann quasi nur enttäuscht werden. Das ist das immer wieder beim langsamen Bohren von dicken Brettern und da kriegst du auch keine Bohrmaschine, weil das eben einen Mentalitätswandel bringen muss. Das gleiche gilt ja auch für Menschen mit Migrationshintergrund.
00:51:25.33
nora
Ja.
00:51:44.67
stefansasse
Die müssen ja quasi auch erst einmal für sich den Möglichkeit, Spielraum sehen, überhaupt in die Politik zu gehen, relativ egal in welcher Partei. Und dafür müssen eben Leute von den Wahlplakaten runterlächeln, die so aussehen wie sie. Also da bin ich definitiv bei dir. Und das ist auch, wie gesagt, völlig hupe, in welcher Partei die das tun, letzten Endes. Das ist ein gesamtdemokratischer Effekt, glaube ich, an der Stelle. Dass man quasi sehen kann hier,
00:52:00.72
nora
Ja.
00:52:10.21
stefansasse
Es ist eine Möglichkeit, sich zu engagieren. Andere Leute tun es auch. Und dann müsste man eben, so wie bei dir damals mit dem Drachenbootrennen von der Jungen Union, muss man halt dann Anlässe schaffen, an denen das passiert. Und ich denke, das sind die beiden großen Schwierigkeiten, die einerseits in die Köpfe der Leute reinkriegen hier, ist eine Möglichkeit, und auf der anderen Seite dann so diese Option schaffen, wo man sich so den Schucker gibt, gewissermaßen, das dann mal zu probieren.
00:52:38.59
nora
Ja, ja. Ja, gut, es kommt halt irgendwie noch dazu, dass die Leute sich irgendwie immer weniger an Vereine und Parteien binden wollen und so weiter und über Social Media dann, ja, sich politisch engagieren, eine Story teilen und so weiter. Aber das sind halt alles so Entwicklungen, die kommen halt noch irgendwie so on top und dann wird es schwieriger, ja. Aber wie gesagt, wir leben in einem der sichersten und friedlichsten Länder und ich bin irgendwie sehr, sehr privilegiert hier aufgewachsen. Und ja, deswegen, ich will es nicht immer alles so schlecht reden.
00:53:07.55
stefansasse
Nee, gar nicht, gar nicht. Also das ist auch eine wichtige Sache, glaube ich, dass man sich gerade in der etwas apokalyptischen Rhetorik, in der wir gerade teilweise unterwegs sind, total. Ja, schon.
00:53:15.23
nora
Oder? Oder? Und dann kommt noch irgendwie das Vokabular aus der Psychologie hinzu, irgendwie alles ist toxisch und man denkt irgendwie Scheiße, die Welt geht morgen unter.
00:53:27.19
stefansasse
Alles ist ganz grausam. Ich habe heute wieder über Twitter diverse Meldungen gesehen. Man muss den gigantischen Scherbenhaufen wegräumen, den Habeck hinterlassen hat. Und ich habe gedacht, von was reden die? Ich meine ja, ich bin auch nicht zufrieden mit dem, was die tun. Aber es ist jetzt echt nicht so, als ob da ein gigantisches Desaster übrig geblieben wäre.
00:53:45.37
stefansasse
Da wünsche ich mir dann manchmal wirklich wieder die eiserne Raute her, die halt einfach sagt, wir schaffen das. Das ist schon so eine Haltung, die man da manchmal brauchen könnte. Das finde ich etwas schade, dass sich das nicht durchgesetzt hat, dass das dann sich in ein Gegenteil verkehrt hat.
00:53:49.56
nora
und politischen Stil.
00:54:02.21
stefansasse
Ich glaube, das war tatsächlich gar nicht, also das wurde dann immer so negativ gelesen, so als ein Weglächeln, aber eigentlich war da ja durchaus eine starke Botschaft dahinter. Wir können das schaffen sozusagen und das ist tatsächlich in Deutschland irgendwie gerade garnert verbreitet. Es gibt keinen Optimismus in irgendeine Richtung.
00:54:20.76
nora
Es gibt halt einfach niemanden, der ein positives Zukunftsbild zeichnet. Das ist so das, was mich auch abfuckt als politischer Mensch. Aber dann denke ich mir, ich muss es mir selber auch irgendwie zeichnen und mir immer wieder Hoffnung geben und so weiter. Aber es ist halt schwierig, wenn die Welt irgendwie so ein bisschen aus den Fugen gerät.
00:54:42.09
stefansasse
Das ist mir auch völlig unbegreiflich, also warum niemand in der Lage ist, ein positives Bild zu machen. Also gerade auch, ich meine, wie gesagt, von ihr konservativeren Parteien verstehe ich das ja noch, weil die ja eben nicht so die Wandelfans sind, aber das betrifft wirklich alle. Niemand stellt irgendeine Vision, deswegen kann man sich über die auch nicht streiten.
00:55:00.28
stefansasse
Ich wäre ja so glücklich, wenn wir mal über zwei im Wettbewerb und im Widerspruch stehende Zukunftsvisionen für Deutschland streiten würden. Aber das tun wir ja gar nicht. Wir streiten eigentlich nur die ganze Zeit darüber, wer schuld daran ist, dass hier bald die Zombieapokalypse ausbricht. Und das ist schon echt, echt unangenehm. Ich hoffe, dass sich das bald mal ändert. Vielleicht braucht es einen Generationenwechsel in der Politik oder so. Ich weiß es nicht. Aber das, das ist so was, das fuckt mich auch ab, ja.
00:55:13.70
nora
Ja, ja. Ja, aber es sind ja auch sehr, sehr viele Leute dadurch, dass die Grünen so stark waren, die SPD so stark waren, sind auch sehr, sehr viele Leute, sehr jung auch im Bundestag. Aber es bringt halt nichts, wenn dann irgendwie so ein Olaf Scholz das sagen hat oder Friedrich Merz oder halt
00:55:39.14
nora
Ja, weiß ich nicht. Robert Habeck ist noch, ja okay, ist noch ganz, ja.
00:55:44.90
stefansasse
Sie haben das Gefühl, das ist das wandelnde, verschwendete Potenzial der Bundesrepublik. Ich sehe deine Gesichter. Ja, genau das. Ich habe noch eine letzte Frage rein aus Neugier, weil ich es vorher nicht mehr untergebracht habe. Du hast gesagt, der Wahlkampf 2021 war für dich wahnsinnig lehrreich. Und ich bin so ein Hobbyhorse von mir. Ich interessiere mich dafür, wie Wahlkämpfe funktionieren. Magst du da einfach noch die eine oder andere Anekdote teilen?
00:56:07.65
nora
Ja, also wir sind einmal quer durchs Land gefahren. Wir haben ganz viele Leute an die Haustüren von Menschen geschickt, die geklingelt haben und gesagt haben, hallo, bitte wählen Sie Armin Laschet. Und die meisten haben dann gesagt, nee.
00:56:24.50
nora
Der sieht aus wie ein Clown, der hat gelacht in der Flut. Wir wollten eigentlich Markus Söder. Also das war eigentlich so der Vibe, der so ein paar Monate lang ging. Aber ansonsten, wir haben Kampagnen gefahren, in denen wir Großveranstaltungen gegeben haben. Da war aber das Ding, dass immer weniger Leute gekommen sind. Ich weiß auch nicht, ob das so eine Entwicklung ist. Ich weiß, vor ein paar Jahren mit Angela Merkel waren die Marktplätze immer voll.
00:56:52.93
nora
Mit Armin Laschet war es halt schwieriger. Und dann haben wir ganz, ganz, ganz viel in Social Media gebuttert. Ganz, ganz viel Geld. War aber auch schwierig, aus unserer Bubble rauszukommen.
00:57:06.97
stefansasse
Ich habe das Gefühl, außer der AfD hat da überhaupt noch niemand ein Handel dran, was zur Hölle man mit Social Media macht.
00:57:13.30
nora
Ja, und wir hatten auch so ein paar CDU-Influencer und hatten auch so eine Liste, aber wir wussten nicht, was wir mit denen machen sollen. Also ob man die irgendwie als Parteisoldaten denen irgendwie so einen Sprechzettel gibt oder ob man denen sagt, okay, mach deine eigene Message draus, aber bitte supporte das und das. Und da gab es halt zum Beispiel auch gar keine Richtlinie, an die sich diese Influencer halten sollten, weil ich finde, da war irgendwie mehr so ein Potenzial, um aus der Bubble auch rauszukommen. Aber das blieb oft ungenutzt.
00:57:43.82
nora
Ja und am Ende, lehrreich war es insofern, dass wenn man in so einer Parteizentrale merkt, dass die Prozentzahlen immer weiter runtergehen, dass die Leute immer nervöser werden und das war nachher am Ende so ein aufgescheuchter Hühnerhaufen. Das war menschlich interessant auf jeden Fall.
00:58:02.43
stefansasse
Ja, das glaube ich sofort. Das setzt dann auch wieder so eine Spirale letzten Endes in Gang. Ich erinnere mich gerade, was Social Media anbelangt, auch noch an dieses Desaster mit Rezo, diese völlig verballerte Reaktion. Das war auch so Handgranate im Hühnerhaufen effektiv, weil es da abgelaufen ist, wo man dann versucht hat, Philipp Amthor als das Gesicht der Jugend zu präsentieren.
00:58:22.93
nora
Ja, ja, ja, ja, ich erinnere mich, ja, ja, ja, ja, ja, so was. Und man muss auch sagen, dass die SPD es auch ziemlich clever gemacht hat, wenn auch manchmal über die Grenze hinaus. Also auch gerade, was das Video anging in der Flut, wo Ami Laschet gelacht hat, also das ging manchmal echt unter die Gürtellinie, weil da wurde nachher in Ami Laschet dargestellt, wie er eigentlich gar nicht ist oder gar nicht sein kann, weil
00:58:46.34
nora
am Ende nur ein Mensch, der es gut gemeint hat, der eine gute Intention hatte und es nicht geworden ist, aber es war keiner, der jetzt tote Menschen auslacht oder so. Wie meinst du?
00:58:58.52
stefansasse
Ich war nie unglücklich damit, dass die CDU die Wahl 2021 verloren hat, aber ich war unglücklich damit. Warum? Ja, ich fand den Grund quasi immer so blöd. Dass alle das an diesem Lacher aufgehängt haben, weil ich das einfach so bekloppt fand. Weil niemand… Weil auf der anderen Seite, wenn du quasi in so ein Flutgebiet fährst und dann die ganze Zeit diese Performance aufregt, das ist ja auch nicht echt.
00:59:25.55
stefansasse
Wenn halt jemand was lustiges sagt, dann lacht man halt gegebenenfalls. Du weißt auch gar nicht, der war wahrscheinlich tagelang unterwegs und dann war das der eine fucking Moment, wo man mal einen Moment der Leichtigkeit hatte. Das ist eigentlich total menschlich. Und dass er dann deswegen quasi den Wahlkampf verliert, so was nervt mich irgendwie. Also ich hätte gerne vernünftige
00:59:49.67
stefansasse
politische Gründe, warum man Wahlkämpfe verliert und nicht sowas. Das stört mich immer.
00:59:55.60
nora
Das Ding war halt, der politische Grund war ein Angela Merkel weiter so. Also das war unser Inhalt. Wir haben es in den letzten 16 Jahren gut gemacht und in diese Richtung soll es halt weitergehen und ich glaube, das war den Menschen halt irgendwie nicht genug.
01:00:11.05
stefansasse
Wobei Schulze eigentlich mit der gleichen Message kam. Das war quasi, wählt letzten Endes Angela Merkel mit Halbplatze. Das war ja sein Wahlkampf und der hat ja gehalten. Also ich glaube, die Stimmung war schon da. Da war glaube ich eher die Ausführung des Problems. Aber das ist mein Bauchgefühl dazu, also ich bin ja auch kein Experte.
01:00:27.65
nora
Nein. Nein.
01:00:30.69
stefansasse
Aber okay, vielen Dank für deine Eindrücke an der Stelle nochmal und natürlich auch für das gesamte Gespräch. Ich fand es super spannend. Ich hoffe sehr, dass du Erfolg haben wirst, innerhalb der CDU dich da durchzusetzen mit deinen Positionen. Da wünsche ich dir wirklich alles Beste und alles Gute. Ich hoffe auch, dass du die Motivation nicht verlierst und dass dieses Projekt mehr Menschen generell für das Engagement der demokratischen Politik zu begeistern Früchte trägt.
01:00:57.64
stefansasse
Von daher, toi toi toi, ich drücke alle Daumen, die ich zur Verfügung habe und wünsche dir alles Gute. Vielen Dank für das Gespräch.
01:01:04.12
nora
Vielen, vielen Dank dir und danke für die Lockerheit. Es hat mir wirklich Spaß gemacht.
Interessantes Gespräch! Faszinierend, welche Positionen sich in den Parteien rumtreiben.
Ernüchternd, dass die Idee der issue ownership überall bekannt ist und die Leute das dann ignorieren, „weil sie gewählt werden wollen“. Ich werte diese Antwort mal so, dass zumindest keine anderen Gründe vorgebracht werden. „Das funktioniert nicht“ – „Ich versuche trotzdem, ob es funktioniert“.
Mich hat der Teil zur Verhinderungsdynamik natürlich abgeholt. Auch in Treffen mit der Behörde heisst es ja immer, unser Tun als Lehrkräfte muss justiziabel sein. Für mich bedeutet das, dass ich mein Handeln verantworten kann und im Zweifel kann halt jemand klagen und dann prüfen wir das. Und wenn dir Person Recht bekommt, dann wird eben geändert. Bis dahin mache ich aber erst mal, was ich für richtig halte.
Aber für viele bedeutet das, dass sie bloß kein Risiko eingehen dürfen, weil wenn dann jemand klagt und Recht bekommt, hat man versagt. Und dann macht man nur noch den Wortlaut von Vorschriften.
So sehr!
Interessantes Gespräch. Wegen so offeneren Leuten wie Nora Zabel wählen Wechselwähler wie ich auch mal die CDU. Von der Ampel habe ich erstmal wirklich genug. Schwarz-Grün wäre mir lieber als mit den Sozen, die ich bei der letzten Wahl übrigens dummerweise meine Stimme gegeben habe.
In einem mich aktuell tief bewegenden Punkt habt ihr aus meiner Sicht nicht zu Ende gedacht. Natürlich benötigt es in der Verwaltung trotz starker Hierarchien an bestimmten Posten eben genau kreative Leute. Die pflegen ja in der Verwaltung nicht alle die Einwohnermeldeamt-Datei. Manche haben Aufgaben, für die Kreativität dringend notwendig ist.
Angst vor Fehlern und die Suche nach der xxxl Absicherung ist im staatlichen Umfeld weit verbreitet. Ich empfinde das als bizarr. Es tötet jede Kreativität und nicht nur das. In Google gibt es die Vorgabe an die Mitarbeiter, dass Fehler zu feiern sind. Deutsche Großkonzerne schicken ihre höheren Angestellten in teure Schulungen, in denen ihnen ein positiver Umgang mit Fehlern vermittelt wird. Ich weiß, dass in der staatlichen KFW ein wichtiges regelmässiges Meeting damit startet, dass jeder in einer entspannten Atmosphäre erstmal von den Fehlern der letzten Woche berichtet. Nicht, um die Leute in einen Zustand der Scham zu versetzen, sondern damit die als Organisation lernen.
Und in dieser Welt will unsere Verwaltung ein Selbstbild des teutonischen Beamten hochhalten, der Fehler bei anderen feststellt, aber selbst keine macht? Man braucht sich dann über ohnmächtige Verwaltung nicht mehr zu wundern.
Hab von folgenden gehört: Eine externe IT-Firma führte in der Öffentlichen Verwaltung ein Framework ein. Ein freiberuflicher Entwickler hatte damit Probleme. Oft ist so ein Zeug schlecht dokumentiert. Manchmal ist übrigens nicht „nur“ die Dokumentation schlecht. Ich rede da aus Erfahrung. Er bat um einen Termin mit einem technischen Experten der Firma. Andere Abteilungen hatten ähnliche Schwierigkeiten mit dem Zeugs. Jemand mit mehr Macht hat dies verboten, weil man Angst hatte, dass der „dumme“ Fragen stellen könnte und damit die Reputation des Projektteams leiden könnte. Ohlala. Was ist das bitte für ein Quatsch? Framework-Lieferer sind Dienstleister. Mignons für die Business Requirements. IT Consultings lieben Kunden, die aus Angst keine Fragen stellen, aus denen ihnen Kosten aus Arbeit entstehen könnten.
Für die kommende Welt müssen wir die Öffentliche Verwaltung stärken. Ängste macht sie manipulierbar. Sonst ist unsere Art von Gesellschaft verloren.
Angst vor Fehlern und die Suche nach der xxxl Absicherung ist im staatlichen Umfeld weit verbreitet.
Das ist in grossen Konzernen nicht wesentlich anders. Mich fasziniert daran tatsächlich der für mich sicht- und wahrnehmbare Kulturwandel – in meiner Generation war das deutlich, deutlich weniger weit verbreitet. Wann und wie haben unsere Erziehung und unser Bildungssystem begonnen, Mutlosigkeit zu züchten?
Gruss,
Thorsten Haupts
Wie kommst du darauf, dass das im Erziehungs und Bildungssystem begründet liegt?
Weil das Phänomen bereits mit 18 bis 25 auftritt, wo junge Leute noch keine Erfahrung mit anderen Systemen haben. Und das war in meiner Jugend defintiv anders.
Seit unser Bildungssystem ein realistisches Bild über den Zustand der Welt vermittelt? Migration („Flüchtilingsflut“), Umwelt („Plastikflut“), Klimakrise, Kriege, Islamismus. Da fällt Optimismus nicht leicht.
Damals gab es noch die Überzeugung, die Kinder werden es einmal besser haben. Das glaubt heute kaum noch jemand.
Wie oft lese ich hier im Blog: „Ich hab auch keine Lösung“.
Vielleicht sollten wir uns wie Nora Zabel auch öfter mal bewusst machen, dass wir in einem der reichsten und sichersten Länder der Welt leben?
Seit unser Bildungssystem ein realistisches Bild über den Zustand der Welt vermittelt?
Aha. Kleiner Schönheitsfehler – als historisch Interessierter weiss ich, dass der heutige zustand der Welt immer noch besser ist, als in jedem Jahrzehnt davor. Ich kriege darüberhinaus die ganzen Katastrophen nicht mal mehr zusammen, mit denen wir in den achtzigern konfrontiert wurden.
Nee, überzeugt mich nicht wirklich.
Gruss,
Thorsten Haupts
Danke!
Und danke für die Berichte.
Das Gespräch war sehr ermutigend. Gut zu sehen, dass es in der CDU vernünftigen und undogmatischen Nachwuchs gibt.
Danke!
Ja, aber repräsentativ für die JU? Wohl kaum. Um in einflussreiche Positionen zu kommen, braucht es wohl immer noch die Ochsentour.
Um in einflussreiche Positionen zu kommen, braucht es wohl immer noch die Ochsentour.
Das kann ich nicht beurteilen. Merkel wurde CDU-Vorsitzende ohne mächtige Netzwerke. In Österreich fällt mir das Beispiel der ehemaligen SPÖ-Vorsitzenden Rendi-Wagner ein. Und man muss ja nicht unbedingt gleich Parteivorsitzende werden, um politisch etwas zu bewirken.
Im Endeffekt sind es auch nicht zwingend alle Inhalte, die Frau Zabel vertritt, die ich attraktiv finde. Was mir gefällt ist, dass sie eine positive Vision dessen, was sie richtig und wichtig findet, ausdrückt, anstatt Phrasen, Schläge gegen den politischen Gegner und Bandwurmsätze zu liefern – etwas das heute leider zum Standard bei Politikerantworten geworden ist. Im Zweifel ist mir ein politischer Gegner, der ehrlich und enthusiastisch ist, lieber, als ein politischer Anhänger, der zwar meine Meinung vertritt, das aber mit Drucksen, Wahrheit verbiegen und Dampfplaudern tut.