Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.
Fundstücke
1) Dringend notwendiger Weckruf
Der Bericht von Mario Draghi zur Zukunft der europäischen Wettbewerbsfähigkeit betont die Dringlichkeit von Reformen und fordert die EU zum Handeln auf, um einem „langsamen Niedergang“ zu entgehen. Draghi stellt fest, dass die EU wirtschaftlich hinterherhinkt, insbesondere in den Bereichen Innovation und Produktivität. Ein klares Zeichen für die Herausforderungen ist das wachsende Gefälle im BIP-Niveau zwischen der EU und den USA. Der Bericht plädiert für eine umfassende Industriepolitik, die Innovation, Dekarbonisierung und Sicherheit miteinander verbindet. Diese soll auch eine engere Verzahnung von Handels- und Industriepolitik umfassen, um die EU wettbewerbsfähiger zu machen. Dabei wird deutlich, dass die fragmentierte Industriepolitik innerhalb der EU ein Hindernis darstellt. Ein kontroverser Punkt des Berichts ist die Finanzierung: Draghi fordert Investitionen von mindestens 750 Milliarden Euro pro Jahr, was nicht ohne gemeinsame Schuldtitel möglich sei. Diese Investitionen sollen die notwendige Infrastruktur und Innovation fördern. Zusätzlich wird die Stärkung der europäischen Verteidigungsindustrie und eine grenzüberschreitende Integration gefordert, um langfristige Sicherheitsbedürfnisse zu decken. Der Bericht ist eine Aufforderung zur Reform und weiteren Integration, doch ob die Mitgliedstaaten diesem Weg folgen, bleibt offen. (Marie Hasdenteufel, IPG)
Ich verlinke diesen Artikel vor allem für die gute Übersicht über die verschiedenen Bereiche des Draghi-Reports. Ich will hier vor allem die politische Umsetzungsdimension betonen. Die von Draghi dargestellten Defizite sind glaube ich weitgehend unumstritten. Das Problem ist, dass die EU bekanntlich nicht eben besonders affin für große Strukturreformen ist. Alle relevanten Entscheidungen werden im Konsens getroffen, und dieser Konsens existiert in praktisch keiner Frage. Auch die geringe Umsetzungswahrscheinlichkeit von Draghis Forderungen – oder irgendwelchen Reformideen – ist glaube ich weitgehend unumstritten. Diese „Eurosklerose“ gab es bereits einmal, aber sie konnte schließlich überwunden werden. Ob das noch einmal gelingen kann, und ob es rechtzeitig geschehen kann, ist dagegen mehr als unsicher.
2) Germany should listen to Draghi
Mario Draghis Bericht zur europäischen Wettbewerbsfähigkeit zeigt dringende Herausforderungen für Europa und insbesondere Deutschland auf: stagnierende Produktivität, digitale Rückständigkeit, eine alternde Bevölkerung und hohe Anforderungen durch die grüne und digitale Transformation. Deutschland, einst führende Industrienation, ist besonders betroffen. Kritiker sprechen gar humorvoll von einem „gescheiterten Staat“. Draghis Bericht fordert eine starke, gemeinsame Industriepolitik, um Europa wettbewerbsfähiger zu machen. Deutschland, dessen Schlüsselindustrien stark vom europäischen Binnenmarkt abhängen, ist durch die Abhängigkeit von traditionellen Industrien wie dem Automobilsektor besonders gefährdet. Der BDI schätzt, dass bis 2030 Investitionen von 1,4 Billionen Euro notwendig sind, um eine Deindustrialisierung zu verhindern. Eine gemeinsame europäische Strategie könnte auch Länder wie Deutschland und die Niederlande stärken. Draghis Bericht bietet eine Chance, die Wirtschaft durch Innovation und Investitionen wieder auf Kurs zu bringen – jetzt liegt es an Deutschland, diese Möglichkeit zu ergreifen. (Daniela Schwarzer, Financial Times)
Eine Merkwürdigkeit der Diskussion um den Bericht zeigt sich in den Akteuren. Schwarzer ist in der Bertelsmann-Stiftung, die für den Reformdiskurs der 1990er und 2000er Jahre so federführend war und wie kaum ein anderer einzelner nicht-staatlicher Akteur den Boden der Agenda2010 bereitet hat. Es hat eine gewisse Ironie, dass genau dieselben Gruppen und Leute, die damals massiv die Reformtrommel rührten und gar nicht genug solche Berichte bekommen konnten, das Ganze nun in Bausch und Bogen verdammen, und dass die Bertelsmann-Stiftung ihre größten Fans im progressiven Lager findet, das sie damals ihrerseits in Bausch und Bogen verdammte. – Ich denke aber, dass Schwarzer Recht damit hat, dass die primitive Vorstellung, Deutschland würde nur wieder zum Zahlmeister Europas degradert, nicht wirklich tragfähig ist (siehe auch dieser Handelsblatt-Artikel). Unsere Wirtschaft befindet sich auf einem Abwärtstrend, auch darin sind sich eigentlich alle einig; Transformation muss her. Wie die aussehen soll und könnte ist natürlich umstritten, aber es wäre sinnvoll, die Vorschläge des Reports auf sachlicher Ebene zu diskutieren anstatt Reflexe zu bedienen.
Der Draghi-Bericht zur europäischen Wettbewerbsfähigkeit bietet eine kritische Analyse der wirtschaftlichen Herausforderungen Europas und hebt den Mangel an Investitionen und Innovation als zentrale Probleme hervor. Seit 2010 ist die private Investition in Europa im Vergleich zu den USA zurückgefallen, was darauf hindeutet, dass die makroökonomische Politik – insbesondere nach der Eurokrise – eine bedeutende Rolle bei der Wachstumsbremse gespielt hat. Europäische Unternehmen verfolgen Wachstum und Innovation nicht mit derselben Dynamik wie ihre globalen Konkurrenten, besonders in Schlüsselindustrien wie Technologie und Automobilherstellung, wo Europas einst führende Position schwindet. In der Automobilindustrie bleibt Europa stark auf traditionelle Verbrennungsmotoren angewiesen und verliert im wachsenden Markt für Elektrofahrzeuge (EV) zunehmend an Boden, während chinesische Hersteller große Fortschritte machen. Ähnlich leidet der europäische Telekommunikationssektor unter einer starken Fragmentierung, was zu geringeren Investitionen und weniger Innovationen führt – im Gegensatz zu den konsolidierten Märkten in den USA und China. Der Bericht identifiziert auch erhebliche Lücken in High-Tech-Branchen wie Cloud Computing, Künstliche Intelligenz (KI) und Quantencomputing. In diesen Bereichen ist das europäische Innovationsökosystem im Vergleich zu den USA und China unterentwickelt, teilweise aufgrund unzureichender Risikokapitalinvestitionen. Sogar in Bereichen, in denen Europa traditionell stark war, wie in der Pharmaindustrie und der Verteidigung, reichen die Investitionsniveaus und die Marktstruktur nicht aus, um die Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Der Draghi-Bericht fordert eine grundlegende Neuausrichtung der Politik hin zu nachfrageorientiertem Wachstum und Innovation. Er kritisiert den konservativen Ansatz der fiskalischen Zurückhaltung und unzureichenden Investitionen und fordert Europa auf, größere Märkte zu erschließen, mehr in Forschung und Entwicklung zu investieren und Innovationen strategisch zu fördern. Ohne diese Neuausrichtung droht Europa weiter im globalen Wettbewerb zurückzufallen. (Adam Tooze, Chartbook)
Wie so oft ist Tooze hier der tiefgehendste Analytiker. Erneut geht es mir gar nicht so sehr darum, ob man die konkreten Ratschläge des Draghi-Berichts teilt. Vielmehr legt Tooze den Finger in die größte Wunde, wo im Gegensatz zu Fundstücken 1 und 2 der Konsens aufhören dürfte: die sektorale Ausrichtung der Volkswirtschaft. Denn die Zahlen, was R&D anbelangt, sind tatsächlich extrem auffällig. Ich empfehle, im Artikel die genauen Zahlen anzuschauen und die Analyse zu lesen, die verdient es, zur Kenntnis genommen zu werden. Die entsprechenden Schlussfolgerungen Toozes passen sicher auch nicht direkt ins progressive Politikschema, denn einen (deutlich!) größeren Markt für Risikokapital zu schaffen ist jetzt vorsichtig ausgedrückt nicht eben eine linke Priorität. Ich finde hier die Ideenlosigkeit speziell der deutschen, aber allgemein der europäischen Industriepolitik besonders bedrückend. Ich würde es ja begrüßen, wenn wir einen Wettstreit der Ideen hätten, wie wir das Problem lösen und da quasi linke Ideen (etaistischerer Natur) auf liberale Ideen (marktwirtschaftlicherer Natur) prallen. Aber da kommt von beiden Seiten praktisch nichts. Ich habe das Gefühl, die EU hockt kollektiv wie das Kaninchen vor der Schlange und bewegt sich keinen Millimeter.
4) 500.000 Euro: Dieser Mann verdient mehr als Habeck und Scholz – und schadet unserer Wirtschaft!
Die deutsche Wirtschaft steckt weiterhin in einer Krise, mit hoher Arbeitslosigkeit, drohenden Werksschließungen und stagnierendem Wachstum. In dieser Debatte wird häufig die Bundesregierung, insbesondere Wirtschaftsminister Robert Habeck, verantwortlich gemacht. Doch auch Joachim Nagel, der Präsident der Deutschen Bundesbank, spielt eine entscheidende Rolle, die oft übersehen wird. Nagel, SPD-Mitglied und seit 2022 an der Spitze der Bundesbank, hat maßgeblich zur Erhöhung der Zinssätze beigetragen. In nur einem Jahr stiegen die Zinsen von null auf 4,5 Prozent, was besonders den Wohnungsbau und Investitionen belastet hat. Die hohen Bauzinsen haben die Baugenehmigungen auf ein historisches Tief gedrückt, obwohl in Deutschland akuter Wohnungsmangel herrscht. Die Zinserhöhungen sollten die Inflation bekämpfen, doch diese war bereits stark rückläufig. Im August 2024 lag die Inflationsrate in Deutschland bei 1,9 Prozent, also nahe dem angestrebten Ziel von 2 Prozent. Gleichzeitig ist die deutsche Wirtschaft geschrumpft, was zeigt, dass die Zinserhöhungen übertrieben waren. Die Prognosen der Bundesbank, auf die sich Nagel stützte, waren jedoch fehlerhaft. Im Jahr 2022 rechnete die Bank noch mit deutlich höheren Wachstums- und Inflationszahlen, die sich als falsch erwiesen. Viele Ökonomen sehen nun Nagels Politik als mitverantwortlich für die aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Es wird gefordert, dass Nagel seine Fehler eingesteht und der Öffentlichkeit eine Erklärung für seine Entscheidungen liefert. (Maurice Höfgen. Berliner Zeitung)
Den Gehalts-Populismus einmal beiseite gelassen (ja, es ist absurd dass der Notenbankchef mehr verdient als der Bundeskanzler, aber keiner der beiden macht es für das Geld) finde ich ungeachtet des Sacharguments den Fokus auf der Geldpolitik nicht völlig verkehrt. Die Notenbanken wurden ja gerne massiv für die Eurorettungspolitik (und auch die dahinführende Zeit) in Regress genommen. Aber für die durch Zinserhöhungen verursache Depression eher nicht. Ob die Inflation durch die Zinssenkungen und Zinserhöhungen maßgeblich beeinflusst wurde, ist ja absolut umstritten. Selbiges gilt vermutlich auch für den Effekt auf die Volkswirtschaft. Aber dass diese Dimension in der öffentlichen Debatte gar nicht vorkommt, ist schon merkwürdig.
5) Autocrats Win by Capturing the Courts
In der zweiten Folge der Serie Autocracy in America, einer fünfteiligen Serie über autoritäre Taktiken, die bereits in den USA zu beobachten sind, untersuchen die Hosts Anne Applebaum und Peter Pomerantsev, wie das Justizsystem politisiert wird und wie dies das Vertrauen in die Rechtsprechung untergräbt. Sie beleuchten dabei den Fall von Renée DiResta, einer Forscherin, die sich auf Online-Desinformationskampagnen spezialisiert hat. DiResta war Teil des Election Integrity Partnership (EIP), das 2020 falsche Informationen über die Wahlen untersuchte, um den Einfluss von Fehlinformationen auf die Wahlprozesse zu verstehen. DiResta und ihr Team untersuchten 22 Millionen Tweets und legten nach der Wahl einen Bericht vor. Ein falsches Narrativ entstand, als der Aktivist Mike Benz ihre Arbeit verzerrte und behauptete, das EIP hätte diese Millionen Tweets zensiert. Diese falsche Darstellung verbreitete sich schnell in konservativen Medien und führte schließlich zu einer Untersuchung durch den US-Kongress, angeführt von Jim Jordan. DiResta und ihre Kollegen wurden daraufhin mit juristischen Anfragen und später mit Klagen konfrontiert. In der Folge wird darauf eingegangen, wie dieses politisierte Vorgehen in autoritären Systemen häufig vorkommt. Anstatt Gerechtigkeit zu fördern, werden in solchen Systemen Gesetze genutzt, um politische Gegner zu verfolgen, während Verbündete straflos bleiben. Der Fall von DiResta verdeutlicht, wie falsche Anschuldigungen und verzerrte Fakten als politisches Instrument verwendet werden, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Die Hosts thematisieren auch die zunehmende Politisierung der Gerichte in den USA, besonders im Zusammenhang mit der Arbeit des Obersten Gerichtshofs. Obwohl das Gericht in der Vergangenheit als Hüter der Verfassung galt, wird zunehmend darüber debattiert, ob seine Entscheidungen politisch beeinflusst sind. Dieser Verlust des Vertrauens in das Justizsystem könnte schwerwiegende Folgen für die amerikanische Demokratie haben. Pomerantsev und Applebaum zeigen auf, wie gefährlich es ist, wenn das Rechtssystem nicht mehr als unparteiisch wahrgenommen wird und Gerechtigkeit zunehmend als politisches Spiel gesehen wird. (Anne Applebaum, The Atlantic)
Applebaum schrieb zum Thema auch einen ausfürlichen Artikel. Ich habe hier im Blog immer und immer wieder auf die Bedeutung der Besetzung der Richter*innenämter hingewiesen, weil diese ein so neuralgischer Punkt im politischen System sind. Richter*innen unterliegen bei weitem nicht derselben Prüfung der demokratischen Öffentlichkeit wie Politiker*innen, was einerseits ein Vorteil ist – sie sollen ihr Amt ja nur nach dem Gesetz und unabhängig ausüben -, aber andererseits dann ein Nachteil wird, wenn sie denn doch politisch agieren, wie das in den USA der Fall ist. Oder eben in Staaten, die sich auf dem Weg in die Autokratie befinden. In der letzten Zeit wurde immer wieder das Problem moniert, dass es der AfD gelingen könnte, rechtsextreme Kandidat*innen an die Spitze zu befördern. Wir haben in Deutschland das Glück, dass durch das Verbeamtungs- und Laufbahnprinzip die Einflussnahme wesentlich schwerer ist; unmöglich ist sie bei weitem nicht. Aber gerade in den USA ist die Übernahme weiter Teile der Judikative durch Extremisten eine Hinterlassenschaft, die auch lange nach einer Wahlniederlage der Autokraten nachwirken dürfte. Wir sehen dasselbe Problem gerade in Polen, wo die Tusk-Regierung ihre liebe Not damit hat, die Demokratie zu reparieren, wo sie von PiS zerstört wurde.
Resterampe
a) What’s the matter with Project 2025? True.
b) Most welfare programs already require the able-bodied to work. Politische Evergreens. Siehe auch: Surprise! The Wall Street Journal misleads on social welfare spending.
c) Fürs große Moralisieren geht es Deutschland viel zu schlecht. Ich stimme Ulf Poschardt zu, aber der meint natürlich nicht sich.
d) Die Zahlen der deutschen Industrieproduktion sind katastrophal. Siehe auch hier.
e) Donald Trump is always right, even when he isn’t.
f) Landesamt stellt fest: Immer mehr Kinder haben gesunde Zähne. Übrigens eine Folge unserer explodierten Konsum-/Sozialausgaben.
g) Die US-Polizei ist so wahnsinnig kaputt.
h) Political violence in America.
i) Demografie in der Ukraine. Echt krass.
j) Beispiel für Narrativverbreitung.
l) What does Kamala Harris need to do to seal the deal?
Fertiggestellt am 18.09.2024
Zu 5)
Ich finde es immer wieder faszinierend, dass Du den Vertrauensverlust in die Justiz auf „jetzt“ legst, wo dieser auf der progressiven Seite stattfindet. Und vollkommen ausblendest, dass dieser Vertrauensverlust auf der rechten Seite des politischen Spektrums häufig schon lange stattgefunden hat. Nur, dass die rechte Seite (in den Vereinigten Staaten) danach grimmig, entschlossen und geduldig an der (aus deren Sicht) Wiedereroberung der Gerichte gearbeitet hat. Aber die Idee, die Gerichte wären vor der konservativen Übernahme des SCOTUS in den USA lagerübergreifend als überparteilich und gerecht angesehen worden, die kannst Du glaube ich knicken.
Was ich besonders amüsant finde – Linke in Deutschland wie den USA wollten immer aktivistische Gerichte. Ihr Wunsch wurde jetzt mehrfach erfüllt?
Gruss,
Thorsten Haupts
Nein, das glaube ich auch gar nicht. Ich hab das hier im Blog ja schon öfter diskutiert und erklärt. Ich weiß nicht, wie du auf die Idee kommst.
Jepp, deswegen schreib ich auch schon seit Längerem dass das keine gute Idee ist.
In welchem demokratischen Staat hatten Linke/Progressive die Justiz so „erobert“, dass sie zurück erobert werden musste? In Polen, Ungarn und Italien jedenfalls nicht. Auch nicht in den jetzt nach rechts gerückten Staaten NL, DK, S.
Frage an den falschen Mann. Ich bin alternder Reaktionär und kein US-republikanischer Rechter!
„alternder Reaktionär“
Und hinter diesem Schutzschild? 😉
Jedenfalls ist das Justizsystem auch bei uns eine viel zu wenig beachtete Reform-Baustelle.
https://www.lto.de/karriere/jura-studium/stories/detail/jumiko-reform-jurastudium-juristenausbildung-justiz-kollaps
«Deutschland würde nur wieder zum Zahlmeister Europas degradiert» Wieso wieder? Exakt das Gegenteil trifft zu: Deutschland saugt seine Nachbarn seit über 20 Jahren finanziell aus und bezahlen muss dass der deutsche Arbeitsmarkt, Stw. größter NLS Europas.
Zu k)
Überall gilt inzwischen „Zuallererst: Keine Fehler machen“. Treiber dieser Mentalität sind vielfältig, aber einer, der für mich untermedialisiert ist:
Inzwischen existiert „Schicksal“ nicht mehr, es MUSS immer und für alles einen Schuldigen geben. Versicherungsrichtlinien für Entschädigung verlangen genau das häufig als Entschädigungsgrundlage. Privatleute klagen – entsprechend beraten – selbst in abenteuerlich albernen Fällen (erinnerst sich noch jemand an die unzureichend bekleideten Erwachsenen beim Zugspitzlauf, die hinterher ernsthaft den Veranstalter für ihre kindische Dummheit haftbar machen wollten?). De facto muss heute jedermann damit rechnen, dass ein Fehler mit Psycho-, Sach- oder Personenschäden (also alle) vor Gericht landet. Selbst hundertprozentig legales Verhalten kann Jahrzehnte später wegen irgendwelcher Langzeitfolgen vor Gerichten angeklagt werden. Und damit wird „Keinen Fehler machen“ überlebenswichtig. Wollte die Gesellschaft so, also bitte keine Beschwerden.
Gruss,
Thorsten Haupts
Zu 2) und 3) Geld auf Wirtschaft werfen.
Inzwischen bin ich soweit, ein paar Jahre Krise als Chance zu sehen. Da hat sich eine Business Kasper Mentalität breit gemacht, die frisches Geld wahrscheinlich nur schnell verbrennen wird.
4) 4,5% Zinsen als Reaktion auf eine hohe Inflation ist sicher nicht radikal. Es half die Inflation zu senken. Investitionen werden auf Grundlage der Realzinsen getroffen, also Zinssatz minus Inflationsrate. Angesichts der erfolgreich gebremsten Inflation also ein Nullsummenspiel.
Ist es wirklich so schlimm, wenn es in diesem Land mal für eine Weile relativ zu anderen Ländern abwärts geht? Man muß sich dann auf die kreative Suche nach Stärken machen.
Für frischen Wind in der IT von Staat und Großunternehmen habe ich einen Vorschlag: Warum nicht vieles inklusive Leitung nach Warschau, Bukarest, Tallin und Kiev zu verlagern?
Wie halten es eigentlich die Esten mit dem Datenschutz? Könnten wir uns an den Vorreitern orientieren?
Bin kein Experte, aber vermutlich sind die estnischen Datenschutzregelungen pragmatischer als die deutschen.
Vor ein paar Jahren hatte ich mal eine bizarre „Datenschutz“-„Debatte“ mit einem Betriebsrat, der technische Logfiles verbieten wollte, weil damit theoretisch die Rückschlüsse für die effektiven Arbeitsaktivitäten von Mitarbeitern ausgespäht werden könnte. Das war völlig irre. Diese Debatten sind in aller Regel kostentreibender Quatsch.
Estland ist wesentlich digitalisierter als wir. Sind dir irgendwelche Fälle bekannt, in denen Bürger dort wegen angeblich mangelhaftem Datenschutz wirklich in Bedrängnis kamen?
In Deutschland gibt es noch diesen Glauben, dass es bei uns zwischenzeitlich langsamer zugeht, weil wir es besondern gündlich machen.
Mein bitteres Fazit ist, dass zu viele fachlich sehr naive Leute Entscheidungen maßgeblich beeinflußen und das damit eine dysfunktionale Clown-Welt entstanden ist, die inzwischen viele als normal ansehen, es aber nicht ist.
„dysfunktionale Clown-Welt“
🙂 Trifft’s, wenn ich mir nur die Datenschutz-Formulare beim Arzt besuch vor Augen halte. Aber „normal“ ist das nicht, allerdings „real“.
Wo ist die FDP, wenn man sie mal braucht?
Wenn’s nicht zu viel verlangt ist, Lemmy: Als Laie beschäftigt mich noch eine andere Frage. SAP wirbt massiv für ihr Cloud-Computing und hat auf diesem Gebiet die höchsten Zuwächse. Dabei ist doch klar: Was im Netz ist, kann gehackt/blockiert/geklaut usw. werden. Von Kriminellen, staatlich oder „privat“. Warum lassen sich Unternehmen darauf ein?
Die Frage kann auch ich zumindest teilweise beantworten:
Jedes grössere Unternehmen hat den Bedarf, dass seine Mitarbeiter von überall her auf Daten zugreifen können. D.h., ein wirklich komplett (also physikalisch) abgeschottetes Firmennetzwerk existiert ohnehin nicht mehr, in gewisser Weise sind heute alle Firmen „in der Cloud“. Datenzugang und -schutz wird mit überwiegend softwarebasierten Schutzmechanismen sichergestellt. In dieser Lage ist „Cloud-Computing“ schon fast ein Nebelbegriff, der einzig wichtige Unterschied besteht nur noch darin, ob ich meine Daten „in der Cloud“ selber hoste oder das einem Dienstleister anvertraue.
Gruss,
Thorsten Haupts
Cloud heißt nicht, dass die Daten zwangsläufig irgendwo im Internet vom Softwareunternehmen verwaltet werden. In der Regel sind das inhouse clouds, d.h. sie läuft auf Hardware des Unternehmens im Firmennetzwerk, die natürlich über verschiedene Schnittstellen mit Anwendungen außen verbunden sind.
Die Cloud ist letztlich eine Software-Schicht, die das Verwalten der Unternehmensanwendungen vereinheitlicht, vereinfacht und verbessert. Ausfallsicherheit durch sich selbst organisierende Cluster ist ein Killerfeature für diese Clouds.
Mit SUSE Rancher gibt es auch einen deutschen Wettbewerber auf dem Markt.
Danke. Wieder was gelernt.
Ja, danke! Total spannend. Darfst auch gerne mal in einen Artikel fassen wenn du magst!
Danke.
Das andere Danke gehört hier hin.
Pointe hierzu: Die estnische Sicherheitsbehörde heißt NSA…
@ Stefan Sasse
1) Dringend notwendiger Weckruf
Aus dem verlinkten Beitrag: Laut Draghi muss als nächster Schritt unbedingt die Emission gemeinsamer Schuldtitel folgen – aufbauend auf den Erfahrungen mit dem Wiederaufbaufonds Next Generation EU.
Ich hatte Dir im letzten Durchgang gesagt, dass es meiner Vermutung nach um gemeinsame europäische Schulden geht; Du hattest verneint, gemeinsame europäische Steuern seien das von Draghi geforderte Thema.
Wobei ich dazu sagen muss, dass ich die von Draghi angesprochenen Probleme schon seit langem sehe. Ich fühle mich überhaupt nicht wohl bei dem Thema, kann aber mit meinen bescheidenen Kenntnissen nicht fundiert dagegenhalten.
Ja, ich schau da echt auch nur als Laie drauf.
Und Schulden: nicht NUR.
f) Landesamt stellt fest: Immer mehr Kinder haben gesunde Zähne.
Übrigens eine Folge unserer explodierten Konsum-/Sozialausgaben.
Weder witzig noch richtig.
Was wäre denn „richtig“ – Was sind die wichtigen Faktoren für diese Positivnachricht (Der Erfolg hat viele Väter…) ?
Imho. ist z.B. die bessere Sensibilisierung in Kindergarten / Kita (gemeinsames Zähneputzen) ein wichtiger Punkt.
@ cimourdain 20. September 2024, 10:06
Was wäre denn „richtig“ … ?
Wenn ich 20 Mrd. Euro zus#tzlich für den Ausbau von Straßen fordere mit der Begründung, dass in einer alternden Gesellschaft die Menschen besser zum Arzt kommen, wäre das genauso bzw. vergleichbar „richtig“.
Ich widerspreche mangels besseren Wissens nicht der These, dass (aus Sozialkassen finanzierte und staatlich unterstützte) Aufklärung für einen besseren Zähne-Zustand bei Kindern sorgt. Aber das deswegen unsere Sozialausgaben derart in die Höhe schießen, ist damit nicht ansatzweise begründbar.
Das war auch nicht die Behauptung. Aber es wird ständig kritisiert, dass wir mehr Gesundheitsausgaben haben als früher. Es ist durchaus nicht abwegig anzunehmen, dass da dann eben auch bessere Ergebnisse rauskommen.
@ Stefan Sasse 21. September 2024, 08:53
Das war auch nicht die Behauptung.
Doch; Deine „Behauptung“ hatte ich in voller Länge zitiert. 🙂
Aber es wird ständig kritisiert, dass wir mehr Gesundheitsausgaben haben als früher.
Von mir? Nicht, dass ich wüsste …
Wenn, dann ist es meine übliche Kritik an alten Strukturen.
Es ist durchaus nicht abwegig anzunehmen, dass da dann eben auch bessere Ergebnisse rauskommen.
Die höheren Gesundheitsausgaben lassen sich VIEL besser durch eine zunehmend ältere Bevölkerung, durch EU-OP-Tourismus und Zuwanderung erklären als durch den Zahn-Zustand kleiner Kinder.
1-3) Es grenzt an Nebelkerze, dass ständig nur über Draghis Diagnose geredet wird und nicht, was seine Therapie ist.
Mittelherkunft soll eine gemeinschaftliche Kreditaufnahme in Höhe von knapp 5% des EU-GDP sein – pro Jahr, also nicht nur als Krisenreaktion. Jeder kann da am eigenen Jahresgehalt/-einkommen nachrechnen, wieviel da auf ihn „entfällt“.
Bei der Mittelverwendung fällt auf, dass es nicht um bessere Rahmenbedingungen geht, sondern um mehr oder weniger direkte Subventionen von Großindustrie: Innovation durch Tech-Unternehmen, die Energieversorger – Oligopole und den sowieso bis zum Bersten überversorgten Rüstungssektor.
Nicht diskutiert wird eine Verbesserung der langfristigen Wirtschaftsbedingungen etwa Infrastruktur oder Bildung.
5) Wenn ich aus dem parteipolitischen Schwarz-Weiß-Denken einen Schritt heraustrete, fällt mir auf, wie verschwörungstheoretisch beide Narrative klingen: Da haben wir Partei A, die möchte angeblich mit NGOs, Bundesbehörden (Geheimdienst?) und activist academia ein totalitäres Zensurregime errichten; Auf der anderen Seite Partei B, die mittels gezielt installierter Richter, Kongressabgeordneten und Tech-Oligarchen einen autoritären Staat mit Unterdrückung der Forschung errichten will.
g) Wie frei kann das NYPD über seine Mittelverwendung entscheiden ? ISt das nicht eher eine Angelegenheit der (politischen) Verwaltung?
k) Davon abgesehen dass dieser Tweet bereits im Vermischten vom 17.09. aufgetaucht ist (auch Nummer k), wie realistisch ist das? Angesichts der Menge interner Regularien soll ausgerechnet die externe Kostenkontrolle den Unterschied machen. Konkret für den Lehrer: Ist bei einem Schulausflug deine einzige Sorge, dass die Buchhaltung den Posten „Eintrittskarten“ in seiner Höhe moniert?
1) Ich habe generell das Gefühl, dass der Report immer nur in Ausschnitten diskutiert wird.
5) Aber das stimmt halt nicht?
g) Das weiß ich nicht. Aber mein Vorwurf war ja auch weniger, dass die das freiwillig machen. Ich mach viel Blödsinn in meinem Job ja auch nicht freiwillig, aber ich bin Teil eines kaputten Systems.
k) Ups. – Nein, dass ich im Knast lande weil jemand seine Vorerkrankungen nicht angibt.
1) Der „Report“ – also der Diagnoseteil – ist ja nur das Kommunikationsvehikel für die wirtschaftspolitische Empfehlung – den „Therapieteil“. Deshalb habe ich den harten Begriff Nebelkerze verwendet. Draghis Problemerkennung wird ja kaum bestritten.
5) Natürlich nicht – es gibt einen „wahren“ Kern, aber wird wechselseitig zu einem Popanz aufgebauscht, der ablenkt von den ganz konkreten Problemen.
k) LemmyC (unter Bohrleute 88) und Thorsten Haupts (hier) haben beide die fehlende Fehler- und Risikokultur angesprochen (von Stefan Pietsch will ich gar nicht erst reden). Für mich liegt dieses Problem zu einem guten Teil darin, dass es zu einfach ist, einen „Schuldigen“ zu benennen, auf den dann ein anfallendes Problem abzuwälzen. Und das bewirkt fatale Signale: 1) Wer Fehler macht, auf dem wälzen wir das Problem ab. Gehe kein Risiko ein. 2) Die strukturellen Probleme dahinter brauchen nicht angegangen werden, wir haben ja einen Sündenbock. 3) Die Tatsache, dass nicht alle Risiken ausgeschlossen werden können, rückt immer mehr in den Hintergrund.
1) Weiß nicht. Mir scheint die Problemerkennung schon ein zentraler Teil zu sein.
k) Korrekt! Ich widerspreche da gar nicht.
@ Stefan Sasse 20. September 2024, 20:36
1) Mir scheint die Problemerkennung schon ein zentraler Teil zu sein.
Bin bei cimourdain. Die „Diagnose“ ist allgemein bekannt; wenn Du davon ausgehst, dass wir hier eher als Amateure unterwegs sind und mitdiskutieren, kannst Du hier in Deinem Blog seit über einem Jahrzehnt (länger bin ich noch nicht dabei) dazu entsprechende Kommentare lesen. Wer so tut, als müsse er über die Diagnose nachdenken, lügt.
g) Die US-Polizei ist so wahnsinnig kaputt.
Vom FBI vielleicht mal abgesehen, gibt es genauso wemig eine „US-Polizei“, wie es hier eine „deutsche Polizei“ gibt. Bei uns entscheiden die Bundesländer, in den USA die Kommunen.
Das stimmt natürlich durchaus, aber die Probleme sind ja symptomatisch.
Apropos auf die Grünen hören.
Du hast doch vor kurzem mal ein älteres Statement von Habeck geteilt, in dem er die deutschen Autobauer davor warnt abgehängt zu werden.
Habe heute gelernt das Joschka Fischer das gleiche schon vor über 12 Jahren getan hat!
„Seehofer verweist auf Ex-Außenminister Joschka Fischer (Grüne), der ihm klar gemacht habe, dass Deutschland seinen Technologievorsprung gegenüber China sichern müsse. Denn im Reich der Mitte werde sehr viel Geld in die Hand genommen, um die Elektromobilität zu fördern. Da müsse Deutschland aufpassen, seine Spitzenposition zu halten. Schließlich werde mit der Elektromobilität das Auto zum zweiten Mal erfunden, so Sachsens Ministerpräsident Stanislav Tillich (CDU)“
Aus einem Artikel vom Januar 2012!
https://www.bayerische-staatszeitung.de/staatszeitung/wirtschaft/detailansicht-wirtschaft/artikel/zwei-freistaaten-im-zeichen-der-e-mobilitaet.html?tx_felogin_pi1%5Bforgot%5D=1&cHash=18627dff7a1cbb4dca7c0f9686037537
JA!