Die GDL zerstört zusammen mit Ricarda Lang und Bernd Höcke die Demokratie, indem sie mit Max Weber die Demokratie kritisiert – Vermischtes 01.02.2023

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.

Fundstücke

1) Wie man ein Land zerstört

Der längste Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn, angeführt von Claus Weselsky und seiner Lokführergewerkschaft GDL, legt seit Dienstag viele Züge still und soll bis Montag andauern. Der Artikel kritisiert die GDL für den Ausmaß des Streiks und Weselskys rüde Ausdrucksweise. Die Gewerkschaft lehnte ein Angebot der Bahn ab, das zehn Prozent mehr Gehalt und eine Stunde weniger Arbeitszeit pro Woche beinhaltete. Durch ein Gedankenspiel wird die potenzielle Auswirkung eines solchen Streiks in anderen Berufsgruppen illustriert, die zu einem Dauerchaos führen würde. Die GDL wird dafür kritisiert, das Streikrecht zu missbrauchen und das Land zu lähmen, was nach Schätzungen des Instituts der deutschen Wirtschaft täglich etwa 100 Millionen Euro Wirtschaftsleistung kostet. Der Vertrauensverlust sei dabei unbezahlbar. Der Artikel betont die Notwendigkeit einer Reform des Streikrechts, die einerseits die Rechte der Lokführer wahrt, andererseits jedoch verhindert, dass das ganze Land beeinträchtigt wird. Es wird hervorgehoben, dass viele Berufsgruppen für weniger Gehalt arbeiten und trotzdem verantwortungsvoll für Arbeitnehmerinteressen eintreten. (Alexander Neubacher, Spiegel)

Ich bin nachhaltig fasziniert, wie verstört viele Leute in Deutschland von einem echten Streik sind. Wir sind einfach zu sehr das Ritual von ein paar Leuten gewohnt, die mit Trillerpfeifen vor dem Werktor stehen und IG-Metall-Fahnen schwenken, oder vier H&M-Beschäftigte, die mit einem ver.di-Banner in der Einkaufsmeile stehen. Genauso wie das das letzte Mal diskutierte Element von „willst du keinen Streik bei der Bahn, verbeamte die Lokführenden“ gilt auch hier: willst du keine Streiks von Leuten mit Verhandlungsmacht, musst du ihnen entgegenkommen. Let’s face it, es ist ja kein Zufall, dass das kein Bahnstreik ist, sondern ein Lokführendenstreik. Denn wen würde denn interessieren, wenn die Fahrkartenkontrolleur*innen streikten? Die GDL kann das machen, weil ihr Streik ech disruptiv ist. Aber in Frankreich würden sie über die deutsche Debatte nur lachen. Wir haben hierzulande eine kooperative Kultur, weswegen Streiks in Deutschland eine ritualisiert-zahnlose Veranstaltung sind. Ich habe keine Ahnung, warum das Verhältnis zwischen GDL und Bahn so schlecht ist (und „Weselsky ist ein Arschloch“ erscheint mir etwas unterkomplex), aber es zeigt einmal mehr den Vorteil, wenn man als Unternehmen ein gutes Verhältnis zu den eigenen Beschäftigten und deren Interessensvertretung hat.

2) Es ist leicht, über Ricarda Lang zu lästern. Aber zu billig

In dem Artikel wird über die öffentliche Kritik an Ricarda Lang, der Vorsitzenden der Grünen, nach ihrem Auftritt in der Talkshow von Markus Lanz diskutiert. Lang konnte dort nicht die Höhe der Durchschnittsrente in Deutschland nennen und schätzte sie auf etwa 2000 Euro, was deutlich zu hoch war. Die korrekte Antwort wäre „1543 Euro“ nach 45 Arbeitsjahren gewesen. Der Artikel kritisiert den Umgang der Medien und Öffentlichkeit mit diesem Fehler und sieht darin einen Versuch der Charaktervernichtung. Es wird argumentiert, dass in der Politik oft zu viel Wert auf Trivialwissen gelegt wird und Politiker für ihr angebliches Nichtwissen verhöhnt werden. Der Autor, Nikolaus Blome, merkt an, dass es interessanter gewesen wäre, mit Lang über die Komplexität der Rentenpolitik und die Relevanz der Rentenhöhe für die finanzielle Lage der Rentner zu diskutieren. Er betont auch, dass viele Rentner Einkommen aus anderen Quellen als der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen. Blome kritisiert weiterhin die verbreiteten Vorurteile gegen junge Politiker wie Lang und SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, denen vorgeworfen wird, nichts anderes als Politik zu kennen. Er sieht darin eine inkonsistente Haltung der Öffentlichkeit, da langjährige Berufspolitiker wie Wolfgang Schäuble trotzdem geschätzt werden. Der Artikel hinterfragt zudem die Vorwürfe, dass der Bundestag das deutsche Volk nicht richtig abbilde, da er hauptsächlich aus Anwälten und Beamten bestehe. Blome schließt mit einer Kritik an solchen „semmelblöden Vorurteilen“ gegen Politiker. (Nikolaus Blome, Spiegel)

Wir hatten das letzthin erst, aber ich halte diese Art der Politikverachtung, wie sie Blome hier völlig zu Recht kritisiert, für ein riesiges Problem. Erstens ist die Behauptung, die Leute seien völlig abgehoben und hätten irgendeine Art Wissen, das in der Breite vorhanden wäre, nicht, schlicht falsch. Ich fordere jede*r, wer anderes behauptet, in einer beliebigen Einkaufsmeile eine Umfrage zur durchschnittlichen Rentenhöhe durchzuführen. Dass, wie Blome auch gut erklärt, ohnehin keine „richtige“ Antwort auf diese Frage existiert, kommt noch erschwerend dazu.

Aber davon unabängig ist auch dieses Trivial Pursuit spielen einfach nutzlos. Ich kann auch Friedrich Merz nach dem Preis einer Packung Oreos fragen, Wolfgang Kubicki nach dem günstigsten Frischkäse oder Robert Habeck nach der durchschnittlichen Höhe der geltend gemachten Werbungskosten, aber was soll der Unfug? Der Erkenntnisgewinn ist null; es dient einfach nur der Bloßstellung, und die Fragenden wüssten es ohne Vorbereitung vermutlich auch nicht.

Siehe auch Resterampe h).

3) Erleichterung und Ernüchterung

Die Studie des Instituts für Publizistik der Uni Mainz analysierte die Vielfalt und Ausgewogenheit in der Berichterstattung deutscher Medien, insbesondere der öffentlich-rechtlichen. Über 9.000 Beiträge aus öffentlich-rechtlichen und privaten Medien wurden über drei Monate hinweg untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die inhaltliche Vielfalt der Politikberichterstattung hoch ist und sich öffentlich-rechtliche und private Medien kaum unterscheiden. Öffentlich-rechtliche Formate berichten weniger negativ über Regierungsparteien als private Medien, wobei allgemein eine Tendenz zu negativer Darstellung von Parteien besteht. Es wurde auch festgestellt, dass die meisten Nachrichten eine eher sozialstaatliche Grundpositionierung einnehmen. Die Studie löst gemischte Reaktionen aus: Erleichterung über die nicht bestätigte Vielfaltsarmut des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Ernüchterung über die höheren Anforderungen an ihre Perspektivenvielfalt. Kritisiert wird die Fokussierung der Medien auf Probleme ohne Lösungsansätze, was das Vertrauen in etablierte Parteien untergraben könnte. Die Studie betont die Notwendigkeit für den Politikjournalismus, kontextbewusst und nicht nur prinzipiell kritisch zu sein. (Klaus Raab, Altpapier)

Wir hatten es im letzten Vermischten ja von der Parteilichkeit der Medien, und hier sehen wir wieder einmal: viel Lärm um nichts. Die Ausgewogenheit ist gegeben. Viel relevanter finde ich die Erkenntnis, dass die Medien so negativ sind (was, by the by, auch beständig falsch kolportiert wird. Diese Negativität trägt massiv zum Misstrauen gegenüber Politik generell bei. Ich habe überhaupt kein Problem mit Kritik, wo Kritik erforderlich ist, aber es sollte durchaus auch mal Raum für positive Entwicklungen oder wenigstens ein bisschen Nuancen sein („nicht optimal, aber besser“ ist vielleicht keine sexy headline, trifft aber oft eben zu). Das könnte viel helfen, wieder Vertrauen in Politik generell, völlig unabhängig von den regierenden Parteien, aufzubauen, und das bräuchte es dringend.

4) Was, wenn die AfD an die Macht kommt?

Björn Höcke, AfD-Chef in Thüringen, hat ambitionierte Pläne für die Landtagswahl in Thüringen am 1. September. Er strebt an, die AfD zur stärksten Kraft im Land zu machen, idealerweise mit absoluter Mehrheit, um ohne Koalitionspartner regieren zu können. Aktuelle Umfragen zeigen die AfD in Thüringen bei bis zu 36 Prozent. Höcke spricht von einem „Epochenumbruch“ und sieht die Wahl als eine „Richtungsentscheidung“, nicht nur für Thüringen, sondern für ganz Deutschland. Höcke hat konkrete Änderungen für Thüringen im Sinn, sollten er und die AfD an die Macht kommen. Er möchte den öffentlich-rechtlichen Rundfunk reformieren, indem er die Finanzierung für den MDR in Thüringen entzieht, was faktisch zu einer Einstellung der regionalen Berichterstattung führen würde. Außerdem plant er, den Verfassungsschutz zu „demokratisieren“, womit er meint, dessen Fokus auf Wirtschaftsspionage zu legen und die Überwachung rechtsextremer Aktivitäten, einschließlich derer der AfD, einzustellen. In Bezug auf die Migrationspolitik strebt Höcke eine härtere Linie an, einschließlich einer Abschiebeoffensive und des Konzepts der „Remigration“, das eine Trennung der Ethnien vorsieht. Er kritisiert die aktuelle Flüchtlingspolitik und möchte den „Assimilationsdruck“ auf Menschen erhöhen, die seiner Meinung nach nicht ausreichend integriert sind. Außerdem spricht sich Höcke gegen Fördermittel für Demokratieprojekte aus und möchte Initiativen wie den Kinderkanal, der in Erfurt ansässig ist, abschaffen oder verlagern. Höcke und die AfD positionieren sich gegen Abtreibungen und würden die Förderung von Familienmodellen außerhalb des traditionellen Vater-Mutter-Kind-Schemas einstellen. Bildungspolitisch wären Inklusion und Gleichstellung nicht mehr gefördert, und es gäbe keine Unterstützung mehr für Studiengänge wie Gender-Studies. Höcke zielt darauf ab, kulturelle und politische Hegemonie zu etablieren und hat bereits Pläne, wichtige Positionen im Land mit Anhängern seiner Partei zu besetzen. Sein langfristiges Ziel ist es, die Institutionen zu unterwandern und eine andere Gesellschaft zu schaffen, die sich von der Europäischen Union und der NATO distanziert und enge Bindungen zu Russland knüpft. Höcke bewundert das Vorgehen von Viktor Orbán in Ungarn und strebt eine ähnliche Umgestaltung in Deutschland an. Er plant, öffentliche Aufträge ausschließlich an AfD-nahe Unternehmer zu vergeben und eine ihm ergebene Wirtschaftsoligarchie aufzubauen. Höcke lobt ein Buch, das ein rechtsextremes Szenario nach einer „katastrophalen Krise“ beschreibt, in dem alle bisherigen Regierenden juristisch belangt und alle Parteien verboten werden. (Ann-Katrin Müller, Frank Hornig und Jan Puhl, Spiegel)

Entschuldigt die lange Zusammenfassung, aber ich fürchte, das muss sein. Die Gefahr, die von diesen Leuten ausgeht, wird in meinen Augen immer noch völlig unterschätzt. Höcke ist ein Rechtsextremist, und dieser Typ ist gerade drauf und dran, eine Chance auf die absolute Mehrheit in Thüringen zu haben. Der Artikel ist noch wesentlich zu neutral, indem er die Sprache der AfD-Forderungen selbst benutzt. Wenn es etwa heißt, dass nach der Regierungsübernahme der Verfassungsschutz keine extremistischen Parteien mehr beobachten soll, so hätte ich für alle, die das glauben, ein günstiges Haus in Venedig zu verkaufen. Der Verfassungsschutz würde die AfD nicht mehr beobachten, aber selbstverständlich würden die keine Sekunde zögern, ihn gegen ihre politischen Gegner einzusetzen, Stasi-Style. Oder die Idee, dass die die ÖRR auf 10% zurückschneiden und nur „Basisprogramm“ senden lassen würden: sie würden sie in AfD-Sender umfunktionieren, so sicher wie der Sonnenaufgang. Das muss einem doch klar sein! Siehe zum Thema auch Resterampe o).

5) Mehr Disziplin wagen

Hedwig Richter, Professorin für Neuere und Neueste Geschichte, hebt in ihrem Artikel hervor, dass für eine funktionierende Demokratie Disziplin essentiell ist. Sie argumentiert, dass die Geschichte der Demokratie nicht nur von heroischen Akten geprägt ist, sondern vor allem von mühsamen Reformen und dem langsamen Fortschritt demokratischer Ideale wie Gleichheit, Selbstverantwortung und Solidarität. Richter betont, dass diese Entwicklungen Geduld und Disziplin erfordern, insbesondere von Bürgern und Politikern. Sie warnt, dass die Republik durch Rechtsextremismus und ökologische Katastrophen bedroht ist. Um dem entgegenzuwirken, plädiert sie für „mehr Disziplin wagen“, insbesondere in drei Bereichen: Erstens müsse die Politik mit langem Atem agieren und sich nicht durch kurzfristige Proteste beeinflussen lassen, da Chaos den Extremisten in die Hände spielt. Zweitens fordert sie eine diszipliniertere und fairere Kommunikation, bei der Bürger als mündige Teilnehmer der Demokratie behandelt werden. Drittens betont sie die Verantwortung jedes Einzelnen für den Schutz der Demokratie. Ein Verbotsverfahren gegen die AfD sieht Richter als deutliches Zeichen gegen extremistisches Chaos und für demokratische Disziplin. Sie argumentiert, dass die liberale Demokratie nicht nur Mehrheitsherrschaft bedeutet, sondern auch den Schutz von Grundrechten und Menschenwürde umfasst. Abschließend weist sie darauf hin, dass neben Disziplin auch Empathie, Solidarität und Happiness für eine funktionierende Demokratie notwendig sind. (Hedwig Richter, Spiegel)

Der wichtigste Punkt in Hedwig Richters durchaus revisionistischer Betrachtung der deutschen Demokratiegeschichte („Demokratie, eine deutsche Affäre„, hier rezensiert, wir auch ihre beiden hier rezensierten Werke zu Moderne und Frauenwahlrecht) ist für mich ihre Betonung von graduellen Prozessen zu Lasten revolutionärer Entladungen. Diesem Leitmotiv bleibt sie auch hier treu: Demokratie ist und bleibt das Bohren harter Bretter mit Leidenschaft und Augenmaß, wie bereits Max Weber wusste – und weswegen auch ein qualitativ hochwertiger und viel zu wenig gehörter Politikpodcast danach benannt wurde. Reform ist nachhaltiger, aber weit weniger sexy als Revolution. Das Errichten von Barrikaden ist spannender als das Organisieren von Netzwerken, das Demonstrieren auf Boulevards bildgewaltiger als die Lobbyarbeit im Parlament. Aber es braucht nun einmal die entsprechenden Strukturen, und sie sind Brot und Butter der Demokratie.

Resterampe

a) Diverse Aussagen israelischer Entscheider sind wohl fehlübersetzt worden; der Atlantic fragt sich, wie das passieren konnte.

b) Warum eine europäische Armee eine dumme Idee ist.

c) Verbote sind ein beliebtere Mittel der Klimapolitik als CO2-Preis und Cap+Trade.

d) Ich stimme mal Markus Feldenkirchen zu, wow.

e) Überrascht es wen, dass sich auch Maaßen mit den Remigrationsleuten getroffen hat?

f) Schon wieder fordern so linke Aktivist*innen die Lockerung der Schuldenbremse!

g) Grenzen der kleinen Maßnahmen.

h) Blome hat gerade eh einen Lauf. Vergleicht sich sehr unelegant mit Reichelt. Oder Poschardt.

i) Wüst inszeniert sich schon echt hart als Anti-Merz.

j) Zum Glück interessieren sich viele Konzerne nicht für die hier geäußerte Idee, sie hätten keine eigene Verantwortung im Kampf gegen Rechts. Sehr lobenswert.

k) Überzeugt mich ehrlich gesagt. Siehe auch hier.

l) Wie im Podcast mit Marcel Schütz auch schon diskutiert, mir ist echt unklar, wie blind Linke für ihre eigenen Erfolge sein können.

m) Alles da dran ist so schlimm.

n) Die NYT hat eine ausführliche Reportage über die Cancel Culture gegen DEI-Maßnahmen. Real existierende, mit echten Machtmitteln durchgeführte, nicht ein paar idiotische Studierende. Siehe auch hier.

o) Halbjahresbericht aus Sonneberg. Die Disziplin der AfD ist besorgniserregend wie beeindruckend. Die wissen, dass sie ihren Extremismus solange unterdrücken müssen, bis die Wahl vorbei ist. Das ist das, was NPD und Konsorten nie hinbekommen haben. Aber dass Sesselmann (was ein Name für einen Landrat, oder?!) bereits jetzt versucht, in Kulturkampfthemen die Gewaltenteilung auszuhebeln und seine Kompetenzen als Landrat massiv zu überschreiten ist EXAKT DAS, wovor wir Progressiven gewarnt haben. Die ganzen „ach, ein Landrat kann eh nichts entscheiden“ werden manchen Leuten echt noch so im Hals stecken bleiben.


Fertiggestellt am 26.01.2024

{ 97 comments… add one }
  • Ariane 1. Februar 2024, 06:53

    2) Ich bin ja bemüht, diesen Bullshit an mir abperlen zu lassen. Gute Übung auch für so Alltagsärgernisse. Aber hatte Scholz nicht auch mal sowas, weil er einen bestimmten Benzinpreis nicht wusste? War genau so ein Blödsinn.

    3) Ja. Hätte noch mit in unseren Podcast gekonnt, ich glaub dass auf die 2,5 Mio Proteste gegen rechts ein bisschen bräsig reagiert wurde, hat auch mit einem gewissen fehlenden Gruselfaktor zu tun. Den hat man sonst nämlich sehr oft, ob da Querdenker oder Pegida protestieren. Da werden sofort Reportagen gedreht, wer sind die? Was treibt die auf die Straße? (am Ende rotzen alle nur ins Mikro, dass ihnen niemand zuhört und die Ampel, Politik, Medien, die ganze verdammte Welt gemein zu ihnen sind!)
    Wenn 2,5 Mio normale Leute für etwas sehr Normales demonstrieren (Demokratie cool, Nazis doof!) ist das für Sensationsmedien halt keine Story.

    4/o)
    Ja. Ich hab da gar keine Lust das zu wiederholen, da ist viel Naivität und blinde Flecken im Spiel. Vielleicht auch Unkenntnis über politische Prozesse – gerade auf den unteren Ebenen. Unser System ist nicht für Menschen gemacht, die das ganz bewusst, destruktiv ausnutzen wollen. Geht auch nicht, ist kein System.
    Fleischhauer hatte da auch einen verrückten Artikel (Sol! Zu Hülf! Du hast immer die guten Links 😉 ) man solle nicht gleich hysterisch werden, ein Landesvater Höcke könne ja nicht gleich die Verfassung ändern.

    Ja nee schön. Dann haben wir ja kein Problem, bitte gehen sie weiter! Echt wer meint, der Baum brennt erst bei einer 2/3-Mehrheit der AfD im Bund: ja viel Spaß damit, ich bin dann schon in Dänemark. Die Verfassung ist Papier – und mehr eben nicht, da ist vorher schon alles kaputt.

    5)
    und weswegen auch ein qualitativ hochwertiger und viel zu wenig gehörter Politikpodcast danach benannt wurde.
    Und ich sagte noch, dass unsere Gelassenheit nicht gut für die Hörer*innen-Zahl ist, weil wir uns nicht so schnell empören^^

    nein, es ist ein sehr schöner Artikel. Kaputt reden und machen ist leicht, aufbauen und erhalten schwieriger. Daran sollte man auch in schwierigen Phasen häufiger denken.
    oder eben sass neben Disziplin auch Empathie, Solidarität und Happiness für eine funktionierende Demokratie notwendig sind.
    Hach, da geht mein Herz ja auf <3

    e) Maaßen jetzt offiziell Rechtsextremist, die Ereignisse überrollen auch den Sassestefan^^

    h) nur kurz zu Reichelt, weil wir das auch im Podcast erwähnt hatten:
    Es ist eigentlich nicht so schwer, in einer Demokratie den Unterschied zwischen einer Demonstration GEGEN die Regierung und einer Demonstration VON der Regierung gegen die Opposition zu erkennen.
    Ok ich hoffe, es ist Konsens, dass wir Reichelt hier nicht als seriöse Quelle sehen, aber ich finde es wirklich erstaunlich, dass der dritte Fall, eine Demonstration UNABHÄNGIG von der Regierung gar nicht vorkommt.

    m) Ich denke, der Fall in St. Leon Rot hat bei euch/dir noch größere Wellen ausgelöst, weil es sehr viel näher dran war und natürlich Privatgymnasium, Oberstufe etc.
    Soviel wird ja nicht veröffentlicht, aber was ich hier wirklich tragisch finde: es wurde ganz offensichtlich sehr viel richtig gemacht. Mädchen hat sich getrennt, hat den Typen angezeigt. Die Schule hat sich um Kontaktsperre bemüht, die Polizei hat eine Gefährderansprache gehalten etc.

    Es liest sich jedenfalls überhaupt nicht nach diesen Horrorstories, Schuldumkehr, nicht so anstellen, Abwiegelung, sondern dem Opfer wurde geglaubt und es wurde ernst genommen, man hat sich auch mit dem Täter beschäftigt und trotzdem hilft es nichts. Das hat mich wirklich erschüttert, weil es einen ganz hilflos zurücklässt.

    • Stefan Sasse 1. Februar 2024, 07:55

      2) Mit Sicherheit, der Mist ist ein Evergreen.

      3) Richtig.

      4) Genau!

      e) 😀

      h) lol good point.

    • Thorsten Haupts 1. Februar 2024, 10:46

      Zu m)
      Das hat mich wirklich erschüttert, weil es einen ganz hilflos zurücklässt.

      Ich verstehe die Erschütterung einerseits zwar – aber andererseits auch nicht. Die „Hilflosigkeit“ ist ein Feature und kein Bug, wenn man alles Böse im Rahmen menschenmöglichen Einsatzes verhindern könnte, wären wir keine Menschen mehr (und als Menschheit vermutlich schon lange ausgestorben). Nur totalitäre Systeme existieren in der Illusion, sie könnten das Leben aller ihrer Subjekte vollumfänglich und jederzeit kontrollieren, aka beherrschen.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

      • Ariane 2. Februar 2024, 00:36

        Ja ähm, ich will nicht gleich ein totalitäres System errichten, wenn ich mich mal hilflos und erschüttert fühle Oo
        Aber „schlimme Dinge passieren“ heißt ja auch nicht, dass es mit einem Schulterzucken abzutun ist. Und normalerweise passieren bei solchen Vorfällen schon im Vorfeld gravierendere Dinge, was sich hier zumindest nicht direkt ablesen lässt.

        • Thorsten Haupts 2. Februar 2024, 09:20

          Aber „schlimme Dinge passieren“ heißt ja auch nicht, dass es mit einem Schulterzucken abzutun ist.

          Leider heisst es das allzu häufig eben doch.

    • sol1 1. Februar 2024, 12:54

      Hier ist der Link:

      https://www.focus.de/politik/meinung/focus-kolumne-von-jan-fleischhauer-was-hilft-der-afd-am-meisten-die-hysterie-in-den-medien_id_259591869.html

      Es lohnt sich, ein Zitat von Erich Kästner, das neuerdings wieder bemüht wird, in seiner langen Version rauszukramen:

      „Die Ereignisse von 1938 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muß den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr an! Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat. Das ist die Lehre, das ist das Fazit dessen, was uns 1933 widerfuhr‚ Das ist der Schluß, den wir aus unseren Erfahrungen ziehen müssen, und es ist der Schluß meiner Rede. Drohende Diktaturen lassen sich nur bekämpfen, ehe sie die Macht übernommen haben. Es ist eine Angelegenheit des Terminkalenders. Nicht des Heroismus.“

      Der hohle Spott von Leuten wie Fleischhauer läuft darauf hinaus, daß es ja so unheroisch sei, Schneebälle zu zertreten.

      • Ariane 2. Februar 2024, 00:55

        Hach, ich danke dir <3
        Also ein bisschen, weil ich mir das jetzt alles nochmal durchgelesen hab. Auch irgendwie niedlich, dass er meint, man könne das Problem ja lösen, in dem man so kurz vor (oder nach) der Verfassungsänderung am Länderfinanzausgleich rumschraubt.

        Aber ja, an Kästner hab ich in letzter Zeit auch häufiger gedacht. Schadet eh nie.

        Oh, deinen Verweis mit dem Heroismus find ich übrigens ganz spannend, passt vielleicht auch zu diesem "Gratismut"-Krams. Ich weiß immer nicht, ob das nur eine Beleidigung für aktuelle Feinde der Rechten ist (weil kostet ja nix, wir sind ja noch vom GG geschützt) oder nicht eben auch durchaus eine Sehnsucht da mit reinspielt nach echten und wahren Widerstandskämpfen unter Lebensgefahr (das kommt ja immer von Leuten, die sich eigentlich gerade selbst im Widerstand oder zumindest als Rebell sehen).
        Morgen bestimmt der beruhigende Artikel, wenn denn die AfD ihre absolute Mehrheit hat, können wir uns ja auf den Widerstandsparagraphen im GG verlassen "bitte begeben sie sich JETZT in Lebensgefahr"

      • Erwin Gabriel 3. Februar 2024, 10:13

        @ sol1 1. Februar 2024, 12:54

        „Drohende Diktaturen lassen sich nur bekämpfen, ehe sie die Macht übernommen haben. Es ist eine Angelegenheit des Terminkalenders. Nicht des Heroismus.“

        So sehr mir das einleuchtet, sehe ich doch ein paar durch unseren Rechtsstaat bedingte Probleme. So wie ich einen potentiellen psychopatischen Mörder nicht auf Verdacht in Sicherheitsverwahrung nehmen kann, sondern erst, wenn er tatsächlich jemanden umgebracht hat. Und wenn Du nach Polen schaust: Da gab es ein paar unangenehme Jahre, aber dann wurde die Autokratie zurück in die Demokratie überführt.

        Die AfD ist bei aller grundsätzlichen Übereinstimmung mit vielen Programmpunkten nicht meine Partei. Gerade das Thema „Ausländer“ bzw. deren Gleichsetzung mit „schlecht für unsere Gesellschaft“ geht mir bei denen voll auf den Sack. Schmeiß alle aus dem Land, die einen Migrationshintergrund haben, dann fällt unsere Bevölkerung unter 60 Mio., von denen weit über die Hälfte Rentner sind und nicht mehr versorgt werden können, unsere komplette Wirtschaft von der Landwirtschaft zur Industrie würde zusammenbrechen etc. – so albern, das auch nur zu denken. Man muss (bei aller Intelligenz, die einem Bernd Höcke sicherlich zu eigen ist) schon ausgesprochen dumm sein, um sich ein funktionierendes Deutschland ohne Zugewanderte vorzustellen.

        Wie auch immer: Du kannst eine Partei wie die AfD nur im Rahmen des Rechtsstaats bekämpfen. Idealerweise an der Wahlurne, und die gigantischen Demonstrationen zeigen ja auch eine gewisse Wirkung. Und mit etwas Glück finden unsere Parteien den Weg zurück zu einer stärker an den Ansichten unserer Gesellschaft orientierten Politik.

        PS: Meine Ablehnung der AfD tut meiner Ablehnung unserer immer noch sehr offensiven Aufnahme- und Versorgungspolitik gegenüber allem Elend dieser Welt keinen Abbruch.

    • Stefan Pietsch 1. Februar 2024, 13:55

      Der mutmaßliche Täter hatte wenige Wochen zuvor sein Opfer krankenhausreif geprügelt. Auf die Anzeige reagierte die Justiz mit dem Verzicht auf ein Strafverfahren und sprach den Schläger nur höflich an. Nett.

      Bei einer Verurteilung nach Erwachsenenstrafrecht hätte ihm übrigens übrigens nach § 223 StGB eine Gefängnisstrafe bis 5 Jahre gedroht. Da ist es doch besser, den Täter höflich darauf hinzuweisen, dass Prügeln nicht geht. Ob der Staatsanwalt nun gut schlafen kann?

      • Ariane 2. Februar 2024, 00:31

        Es wurde nicht auf ein Strafverfahren verzichtet, der Vorgang lief noch, die Anzeige wurde November 23 gestellt. Die Gefährderansprache war unabhängig davon.

        Da könnte man eher noch überlegen, ob ein Schulverweis möglich und besser gewesen wäre.

        • Thorsten Haupts 2. Februar 2024, 08:35

          Damit hätte man das Problem wegen der deutschen Schulpflicht auch nur an eine andere Schule verlagert?

          • Ariane 2. Februar 2024, 21:38

            a) Pech und b ) hat der Täter ja nicht willkürlich irgendjemanden verprügelt, sondern hatte es explizit auf seine Exfreundin abgesehen. Ja, ihr mögt den Begriff nicht, aber es ist ein klassischer Femizid. Da stecken andere Muster dahinter als bei einem generell gewaltbereiten „Problemschüler“

            • Thorsten Haupts 3. Februar 2024, 11:52

              Kay.

            • Erwin Gabriel 5. Februar 2024, 15:31

              @ Ariane 2. Februar 2024, 21:38
              … … sondern hatte es explizit auf seine Exfreundin abgesehen. Ja, ihr mögt den Begriff nicht, aber es ist ein klassischer Femizid.

              Teilweise Zustimmung. Ja, wie bei praktisch allen „Kerl verprügelt / verunstaltet / tötet seine Ex (Frau, die ihn ablehnt etc.)“ ist eine andere Kategorie als „Kerl prügelt sich“. Hab’s ehrlich gesagt andersherum auch nur einmal gehört; Verhältnis von Gewalttäterin zu Gewalttäter liegt gefühlt zwischen 1 : 1.000(000).

              Die Einschränkung bezieht in der Tat auf den Begriff, nicht auf den Sachverhalt. Selbst wenn diese Gewalttaten durch die Bank von Männern gegen Frauen gehen, sind es in der Regel 1:1-Situationen. Es geht darum, seine Frau / Freundin (= eine bestimmte Person) anzugreifen, nicht um die Ausrottung aller Frauen an sich.

              Man darf diesem Sachverhalt gerne einen Namen geben, aber ich finde, dass dieser nicht so gut passt.

        • Stefan Pietsch 2. Februar 2024, 13:32

          Über die Einleitung eines Strafverfahrens ist öffentlich nichts bekannt geworden. Wäre das der Fall, wäre es in Ordnung.

          Einen anderen Menschen krankenhausreif zu prügeln, ist schon eine heftige Sache. Da ist die Gewaltbereitschaft schon sehr weit fortgeschritten, darüber gibt es nicht mehr so viel zur Gewaltsteigerung. Eigentlich ist das ein Fall für ein Plädoyer für schnellere Gerichtsverfahren bei Jugendlichen.

          Es war mit Sicherheit eine absolut grenzwertige Entscheidung der Schule, den Schläger in der Einrichtung zu belassen. Es gab zwar ein Begegnungsverbot, das ließ sich allerdings offensichtlich leicht umgehen.

          Und am Ende muss man sich fragen, ob die absolute Kaltblütigkeit des Mörders nicht gesehen wurde: Unmittelbar nach der Tat, neben dem gerade sterbenden Mädchen mit deren Handy (!) die Mutter anrufen zu können, spricht nicht für eine Affekttat.

          • Ariane 2. Februar 2024, 21:33

            Echt krass, hat mich total an den 7.10. erinnert.

            Ich weiß auch nicht, ob selbst mit einem Schnellverfahren so eine Sache nach 1-2 Monaten abgeschlossen wäre. Denke, der einzige Ansatzpunkt wäre tatsächlich ein Schulverweis oder Suspendierung gewesen, um ein echtes Kontaktverbot durchzusetzen.

            • Stefan Pietsch 3. Februar 2024, 10:52

              Die Hamas-Terroristen standen unter starken Drogen, um solche unmenschlichen Verbrechen begehen zu können. Der 18jährige war anscheinend nüchtern.

              Er mag sozial geschädigt sein, weil seine Mutter sich vor einem Jahr von seinem Vater getrennt hat. Trotzdem kann das für einen Volljährigen keine Begründung sein.

              Die Strafprozessordnung ermöglicht bei eindeutiger, einfacher Beweislage Schnellverfahren. Das war hier nicht gegeben, weil der mutmaßliche Täter die Tat bestritt. Aber prinzipiell sind schnellere Verfahren möglich, in anderen EU-Ländern geht das ja auch und Deutschland ist – anders als das öffentliche Äußerungen immer wieder nahe legen – nicht besonders langsam. Allerdings ist unser Recht selbstblockiert durch die vielen Einspruchsmöglichkeiten. Generell ist das Problem nicht die Erstinstanz, sondern die zweite Instanz und Revision. Im Strafrecht scheint das besonders arg.

              Ich bin mit dem Begriff des Femizid zurückhaltend, weil darunter zu viel subsummiert wird. Der junge Mann hat aus Frauenverachtung gehandelt, die Ferndiagnose liegt aufgrund der bekanntgewordenen Fakten nahe. Und unstreitig ist auch, dass die meisten Frauen durch (Ex-) Partner umkommen oder verletzt werden. Das ist selbst in Spanien so, das sehr rigoros gegen gewalttätige Männer vorgeht.

              Nur sind solche Taten nicht per se auf Frauenhass zurückzuführen. 90 Prozent aller Gewalttaten werden von Männern verübt, unabhängig von der Opfergruppe, unabhängig von der Nationalität, unabhängig vom Land. Es entspricht als der „Norm“, dass in konfliktbeladenen Beziehungen und Trennungen die Gewalt hauptsächlich von den Männern ausgeht. Und fast jede Trennung geht mit tiefen und langanhaltenden Streitereien einher. Frauenhass ist jedoch etwas Spezifisches.

              • Ariane 3. Februar 2024, 14:41

                in anderen EU-Ländern geht das ja auch und Deutschland ist – anders als das öffentliche Äußerungen immer wieder nahe legen – nicht besonders langsam
                Danke für die Infos, in dem Fall hätte vermutlich wirklich nur eine Schultrennung geholfen. Eh komisches Konstrukt, in einem Gebäude kann man ja nur drauf achten, dass die gemeinsam nicht im Unterricht sitzen.

                Ich bin mit dem Begriff des Femizid zurückhaltend, weil darunter zu viel subsummiert wird.
                ja, ich bin da selbst nicht ganz glücklich mit, weil das verschleiert, dass nicht wahllos Frauen ermordet werden, sondern sehr spezifische (also die eigene (Ex-)Partnerin). Das muss nicht deckungsgleich mit allgemeiner Frauenverachtung sein.

  • Kning4711 1. Februar 2024, 07:52

    Zu 2:
    Ja, in meinen Augen war die Kritik an Frau Lang überzogen, wenngleich ich von einer Parteivorsitzenden durchaus erwarte, dass sie gewisse Kennzahlen kennt. Ob die Höhe der Durchschnittsrente dazugehört, darüber ließe sich streiten.

    In Summe ist das für mich aber nur ein Symptom. Die Professionalisierung der Politik zwingt dazu, dass man in der jahrelangen Ochsentour abgeschliffen und angepasst wird. Das Thema Bodenhaftung zu verlieren, kommt dann wahrscheinlich automatisch dazu: Spitzenpolitiker zahlen nicht in die Rentenversicherung, sind privat-Krankenversichert, schicken die Kinder auf Privatschulen, haben ausreichendes Einkommen Care-Arbeit über Namnys und Co erledigen zu lassen, verfügen über eigene Fahrer.

    Sie haben Privilegien und die will ich ihnen nicht nehmen, diese verpflichten aber auch zu einer gewissen Demut. Ich beobachte schon lagerübergreifend eine gewisse Entkoppelung: Das zeigt sich häufig in der verwendeten Sprache, in einer Kommunikationsart in der viel geredet, aber nichts gesagt wird. Vom schnellen verschnupft sein, wenn der Bürger auf Transparenz besteht, seien es Einkommen, Lobbykontakte, etc. Als Wähler sollten wir Politiker nicht auf Podeste stellen und auch mal nachsichtig sein, aber wie das immer so ist. Du verzeihst mehr, wenn die Arbeit vorher okay war.

    In der Politik ist das halt schwierig, weil die ideologische Distanz zum politischen Gegner häufig im Wege steht, die Arbeitsleistung anzuerkennen. Ich mag mit der Arbeit von Robert Habeck nicht einverstanden sein, aber ich erkenne an, dass er sich 24h / 7 mit Haut und Haar in den Dienst des Landes stellt.

    • Kning4711 1. Februar 2024, 07:57

      Kurzer Nachtrag:
      Ich frage mich was losgewesen wäre hätte sie geantwortet:
      „Herr Lanz ich bin mir unsicher, ich vermute es ist ein Tausendstel von dem, was ihnen das ZDF jährlich bezahlt.“
      Was im übrigen im Wert die gleiche Antwort gewesen wäre.

    • derwaechter 1. Februar 2024, 10:24

      Das klingt mir übertrieben priviligiert.

      Lang (Wikipedia „Lang wuchs in Nürtingen als Tochter einer alleinerziehenden Sozialarbeiterin auf, die in einem Frauenhaus arbeitete“) ist erst seit 2022 im Bundestag.
      Vorher war sie in Grüner Jugend und Grüner Partei tätig und hat Jura studiert.
      Klingt für mich nicht so sehr nach priviligiert und entkoppelt.

  • VD 1. Februar 2024, 08:06

    zu 5)
    Ja, Thüringen … https://de.wikipedia.org/wiki/Baum-Frick-Regierung

    Eine unselige Tradition in diesem Land, wenn es zu einer AfD-Regierung käme.

  • Stefan Pietsch 1. Februar 2024, 08:49

    1) Wie man ein Land zerstört

    Das Bundesarbeitsgericht hat schon vor Jahren betont, dass der Streik eine sehr scharfe Waffe ist, die nicht leichtfertig benutzt werden sollte. Die GDL ruft zu den längsten Streiks der Geschichte auf, ohne einen Tag verhandelt zu haben. Das ist das Gegenteil von verantwortungsvoll.

    In der Vergangenheit sind die deutschen Gewerkschaften meist verantwortungsvoll mit dem Instrument umgegangen. Doch die Zeiten sind offensichtlich vorbei. Dann muss auch der Gesetzgeber reagieren. In anderen Ländern ist das der Fall (Achtung: mal über Landesgrenzen schauen!).

    Die GDL richtet die scharfe Waffe nicht auf ihren Verhandlungsgegner – das betont sie ja auch immer wieder – sondern auf Dritte. Eigentlich kann das Leuten, die sich über die kleinste Umweltverschmutzung wegen „negativer externer Effekte“ und so, nicht gefallen. Man braucht nicht das Berufsbeamtentum, um Sonderregeln für Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge gegen maßlos streikende Gewerkschaften zu schützen. Wer weiß ja auch, ob man in 40 Jahren noch Lokführer benötigt? Der Bund hat jahrzehntelang für die üppigen Beamtengehälter und Pensionen der Bundesbahn gezahlt. Das Experiment sollte nicht wiederholt werden.

    Übrigens: Bei VW scheint man ein besonders gutes Verhältnis zu den Beschäftigten zu haben. Da gibt’s dann auch schon mal Gratiseinladungen zu Nutten, Vorstandsentgelte für Betriebsräte und Policies zu Lasten der Aktionäre. Wie halt „gute Beziehungen“ zu den eigenen Arbeitnehmern aussehen…

  • Tim 1. Februar 2024, 09:10

    (1 – Trivialwissen

    Der Erkenntnisgewinn ist null; es dient einfach nur der Bloßstellung, und die Fragenden wüssten es ohne Vorbereitung vermutlich auch nicht.

    Volle Zustimmung. Ich weiß nicht, wer diese alberne Frage gestellt hat, aber wenn es ein Journalist war, ist diese Person falsch im Job. Und wenn ein Wähler über die falsche Antwort gelacht hat, auch.

  • Tim 1. Februar 2024, 09:16

    (c – Verbote)

    c) Verbote sind ein beliebtere Mittel der Klimapolitik als CO2-Preis und Cap+Trade.

    Was für eine Riesenüberraschung! Vor nicht allzu langer Zeit hast Du übrigens genau das noch energisch bestritten. 🙂

    Ich bin übrigens sicher, dass die 2.500 Befragten sich hervorragend auskennen und sich insbesondere tief in Cap & Trade eingelesen haben.

    • Stefan Sasse 1. Februar 2024, 14:10

      Nö, mich überraschte das nur. Hätte nicht damit gerechnet, dass das so ist.

      Random Leute haben keine ahnung von politischen Sachthemen? Color me shocked.

      • Tim 1. Februar 2024, 15:51

        Schockierend ist nur, dass diese Kinder überall mitbestimmen dürfen. 🙂

  • Tim 1. Februar 2024, 09:17

    (o – AfD-Landräte)

    Aber dass Sesselmann (was ein Name für einen Landrat, oder?!)

    Großartig. 10 Punkte für Dich. 🙂

  • Stefan Pietsch 1. Februar 2024, 09:29

    2) Es ist leicht, über Ricarda Lang zu lästern. Aber zu billig

    Diese Kritik an der Kritik ist nun wieder billig. Ricarda Lang hat eine desaströse Vorstellung abgeliefert, die nur zum Fremdschämen war. Das Nichtwissen war nur das Finale.

    Ricarda Lang zählt sich zu den Sozialpolitikern. Für diesen Kreis sind ein paar Kennziffern heilig. Arivierte Sozialpolitiker wie Norbert Blüm und Rudolf Dreßler konnten den aktuellen Eckrentensatz nachts um 3 runterbeten. Tatsächlich liegt die Durchschnittsrente sogar rund die Hälfte unter dem von Lang geschätzten Wert. Dass sie keine Ahnung von ihrem eignen „Fachgebiet“ hat, beweist sie jeden Tag.

    Der Vergleich mit dem Mann / Frau auf der Straße ist absurd. Fast niemand von der Straße ist Sozialpolitiker. Aber wenn ein Wirtschaftspolitiker oder Finanzpolitiker nicht weiß, wie hoch das BIP ist (auch das der EU), die ungefähre Höhe der Steuereinnahmen nicht kennt, ist eine Blindschleiche. Die Vorstellung, Fachleute benötigten kein tieferes Wissen mehr, weil alles googelbar, ist die geistige Armut der GenZ.

    Allein die Sprache von Lang besteht nur aus Textbausteinen, ihre Gestik übertrieben und offensichtlich mit Beratern antrainiert. Wo lernt man so etwas? Sie redet von „emotionalen Angeboten“, ohne irgendetwas Konkretes zu sagen.

    Zwei Beispiele:
    – Lang meint, mit einer besseren Verteilung der Flüchtlinge in Europa (was 10 Jahre nicht gelungen ist) würde der Migrationsdruck in die EU zurückgehen. Wie das gehen soll – keine Antwort.
    – Auf den Sachverhalt, dass in vielen Schulklassen 16 nur 6 Deutsch sprechen und dann ein weiteres aus Bulgarien dazukommt, schafft eine Lehrerin gerade 2 Unterrichtsstunden. Sie erzählt, konkret werden zu müssen und warnt dann vor „Damonisierung“. „Wir haben Probleme mit Lehrern, die überfordert sind“ und „Wir brauchen die Aufhebung des Kooperationsverbots“. Das wäre konkret (ab Minute 46).
    https://www.zdf.de/gesellschaft/markus-lanz/markus-lanz-vom-16-januar-2024-100.html

    Das ist wirklich nur noch zum Fremdschämen.

    Ricarda Lang hat nichts gelernt. Die Grünen haben sich ihrer erbarmt. Hätte sie keinen Sitz im Bundestag, müsste sie Bürgergeld beantragen. Wer den letzten Grünen-Parteitag gesehen hat, hat erlebt, wie Friedrich Merz Haßobjekt der Grünen ist. Warum beklagt sich eigentlich überhaupt jemand über den Haß auf eine Ungelernte, die den Deutschen erklären will, wie sie zu wirtschaften und zu leben haben?

    Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat das zweite juristische Staatsexamen, hat als Richter gearbeitet, war Syndikus bei einem Verband, hat viele Jahre in der Privatwirtschaft gearbeitet.
    – Christian Lindner hat wie Merz als Offizier der Bundeswehr gedient, hat zwei Unternehmen aufgebaut, war Generalsekretär seiner Partei und hat maßgeblich Wahlsiege initiiert bevor er Parteivorsitzender wurde.
    – Alice Weidel war Jahrgangsbeste bei ihrem Abschluss des Betriebswirtschafts- und Volkswirtschaftsstudiums. Ihre Disseration, die sie summa cum laude abschloss, wurde von der Begabtenförderung der Konrad-Adenauer-Stiftung gefördert. Sie arbeitete für Goldman Sachs und ist international vernetzt. Dazu arbeitete sie als Unternehmensberaterin.
    – Markus Söder ist ebenfalls promoviert und hat als Redakteur beim BR vor seiner politischen Karriere gearbeitet.

    In rechten Parteien wird niemand Spitzenkandidat, der nicht eine seriöse Ausbildung und ein paar Jahre außerhalb der Politik vorweisen kann. Es ist kein Zufall, dass konservative Politiker tendenziell höhere Zustimmungswerte erhalten und Konservative und Liberale öfter regieren. Die meisten Bürger haben einen gewissen Stolz und wollen nicht von Nulpen regiert werden.

  • Stefan Pietsch 1. Februar 2024, 09:32

    3) Erleichterung und Ernüchterung

    Tja, unterschlagen wird, dass der ÖRR selbst häufiger über die Grünen berichtet als über die größte Oppositionspartei, dass die AfD weniger vorkommt als die weniger als halb so große LINKE und dass von Union und Liberalen häufiger ein negatives Bild gezeichnet wird als von SPD und Grünen.

    Aber sonst alles in Ordnung und überparteilich…

  • Stefan Pietsch 1. Februar 2024, 09:36

    c) Verbote sind ein beliebtere Mittel der Klimapolitik als CO2-Preis und Cap+Trade.

    Die Umfrage ist Monate alt und keine Überraschung. Oder wen überrascht es, dass die Deutschen negativ zum Markt eingestellt sind und positiver zu Verboten? Wer es nicht wusste, hätte in der Pandemie Anschauungsmaterial gehabt.

    f) Schon wieder fordern so linke Aktivist*innen die Lockerung der Schuldenbremse!

    Das einzige Mal, dass Unternehmensverbände und Unternehmer als Referenz für Linke dienen, ist, wenn sie Linken nach dem Mund reden.

    • Erwin Gabriel 5. Februar 2024, 15:35

      @ Stefan Pietsch 1. Februar 2024, 09:36

      c) Verbote sind ein beliebtere Mittel der Klimapolitik als CO2-Preis und Cap+Trade.

      … wen überrascht es, dass die Deutschen negativ zum Markt eingestellt sind und positiver zu Verboten?

      Nach 16 Jahren Merkel? Mich nicht. Schon verwunderlich, dass die letzten beiden Kanzler mit Marktorientierung Sozialdemokraten waren.

  • Thorsten Haupts 1. Februar 2024, 10:06

    Zu n)
    Dankenswerterweise enthält der verlinkte Artikel auch ein sehr starkes Argument für die Beschränkung von DEI:

    A growing number of states and schools have also begun eliminating requirements that job applicants furnish “diversity statements” — written commitments to particular ideas about diversity and how to achieve it that, at some institutions, have functionally served as litmus tests in hiring.

    Auf gut deutsch: Es wurde/wird an einer zunehmenden Zahl amerikanischer Bildungs- und Medieninstitutionen ein spezifisches Glaubensbekenntnis (!) abgefordert, als mandatorische Eintrittskarte für einen Job. Das heutige Verständnis von liberal und progressiv in den USA halt …

    Gruss,
    Thorsten Haupts

  • schejtan 1. Februar 2024, 10:14

    g) Mal zur Einordnung: Durchschnittsgehalt in London betraegt 40k im Jahr. Das reicht hoechstens (!) fuer ne Hypothek uber 200k. Und dafuer findet man vielleicht ein kleines Studioapartment in den Aussenbezirken. Oder halt ne fuer Rentner reservierte Wohnung.

  • Thorsten Haupts 1. Februar 2024, 10:19

    Zu 3)
    Ich recycle hier ein Stück aus dem letzten Vermischten:

    Die Ausgewogenheit ist gegeben.
    Das ist ausweislich der Abbildung 4 in der Studie schlicht nicht wahr. Bei der wertenden Darstellung der Parteien in den ÖRR ist die Differenz zwischen der Repräsentation der Partei in der Bevölkerung (Proxy: Bundestagswahlergebnis) und des Anteils positiver Würdigung ausgerechnet bei der CDU/CSU (ohne Berücksichtigung der AfD) mit grossem Abstand am höchsten. Irgendwer überrascht?

    Und Vergleicht man schließlich Regierungs- und Oppositionsparteien zusammengefasst, zeigt sich, dass die drei Regierungsparteien (-19%) in den öffentlich-rechtlichen Formaten insgesamt deutlich weniger negativ dargestellt wurden als die drei Oppositionsparteien (-43%). In den Vergleichsmedien zeigt sich dieser Unterschied dagegen nur marginal (-34% vs. -38%). . Aha …

    Auf den methodischen Unsinn, die Ausgewogenheit des Mediums ÖRR durch einen Vergleich mit einer Auswahl von privaten Medien ohne Reichweitengewichtung zu „beweisen“, will ich gar nicht weiter eingehen. Die Studie bewies, was sie beweisen wollte, das scheint in Soziologie der Goldstandard zu sein.

    Yup, wir haben einen völlig neutralen, der Vielfalt verpflichteten, Nicht-Staatsfunk. QED.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • CitizenK 1. Februar 2024, 11:38

      „Hunderttausende auf den Straßen – hunderttausende! – und im @heutejournal noch nicht mal unter den ersten drei Berichten. Und auch nicht als erste Meldung der Kurznachrichten.““ (Übermedien)

      Spricht nicht gerade für nen Linksdrall.

      • Stefan Pietsch 1. Februar 2024, 13:09

        Von welchem Tag sprechen Sie? Damit wir das nachvollziehen können.

        • CitizenK 1. Februar 2024, 17:30

          Auch wenn’s nur ein Tag war: Wäre der Laden so ideologisiert links wie ihr behauptet – die hätten sich darauf gestürzt. Sind wohl eher erschrocken – Revolution? Das ZDF und links? Zum Piepen.

      • Thorsten Haupts 1. Februar 2024, 13:36

        Ach, wir wollten doch nicht anekdotisch diskutieren, sondern auf der Basis der härtesten Studie ever, die glasklar beweist, dass die ÖRR ausgewogen, überparteilich, neutral und seriös sind, oder?

  • Thorsten Haupts 1. Februar 2024, 10:39

    Zu o)
    Ein Landrat hat – dem Artikel folgend – in genau EINER Frage EINMAL versucht, seine Kompetenzen zu überschreiten und ist daran gescheitert, ohne dass Gerichte eingreifen mussten. Das ist mir für Alarmismus zu wenig, sorry.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 1. Februar 2024, 14:11

      Dein Maßstab ist halt „weck mich, wenn es zu spät ist“, das ist auch wenig hilfreich.

      • Ariane 2. Februar 2024, 01:15

        Sich über eine Ratsmehrheit hinwegzusetzen, find ich jetzt auch gar nicht so wenig.
        Sowas meine ich übrigens, kein Mensch kennt doch die Regularien, was passiert, wenn er es drauf ankommen lässt. Weil wir in einem Land leben, in dem Landräte die Mehrheitsbeschlüsse des Rates umsetzen. Und wenn nicht mehr?

  • CitizenK 1. Februar 2024, 11:29

    1) Die Aussage über W. mag „unterkomplex“ sein, falsch ist sie nicht. Es ist doch ein Unterschied, ob ein Infrastruktur-Unternehmen (noch dazu mitten in der Transformation) bestreikt wird – oder ein Textilkaufhaus unter mehreren.

    Wenn Sparten-Gewerkschaften das Land lahmlegen wie einst in GB die Elektriker bei BR, haben wir vielleicht bald auch eine Maggie Thatcher.

    • Tim 1. Februar 2024, 11:42

      Deutschland bräuchte allerdings min. 20 Thatchers. 1 im Kanzleramt, 9 in den Staatskanzleien und noch hinreichend viele im Bundesverfassungsgericht. 🙂

    • Stefan Sasse 1. Februar 2024, 14:11

      Ja, daher mein Hinweis auf Verbeamtung.

    • Thorsten Haupts 2. Februar 2024, 11:06

      Wenn Sparten-Gewerkschaften das Land lahmlegen wie einst in GB die Elektriker bei BR, haben wir vielleicht bald auch eine Maggie Thatcher.

      Machen Sie mich bitte nicht zum Fan von Sparten-Gewerkschaften. Die versprochene Versuchung ist fast unwiderstehlich 🙂 .

      • Erwin Gabriel 3. Februar 2024, 11:37

        @ Thorsten Haupts 2. Februar 2024, 11:06

        [… haben wir vielleicht bald auch eine Maggie Thatcher.]

        Machen Sie mich bitte nicht zum Fan von Sparten-Gewerkschaften. Die versprochene Versuchung ist fast unwiderstehlich 🙂 .

        nett 🙂

  • Dennis 1. Februar 2024, 11:29

    Zu 1)
    Zitat Stefan Sasse:
    „Ich habe keine Ahnung, warum das Verhältnis zwischen GDL und Bahn so schlecht ist“

    Eigentlich nicht sooooo schwierig. Es gibt in der Branche zwei Gewerkschaften mit sich teilweise überlappenden Organisationsbereichen. Die GDL wiederum deutlich kleiner als der Platzhirsch EVG. Überbietungswettbewerb, der auf der anderen Seite eher nicht so gut ankommt. Und Streiks sind auch gut für die Mitgliederwerbung, obwohl das offiziell kein Streikgrund ist.

    Insgesamt ist es indes eine gute Nachricht, wenn Gewerkschaften z.Zt. sachte wieder Boden gut machen. Am Ende des Tages schlägt das auf das gesamte Entgeltniveau über alle Branchen durch, einschl. der möglicherweise eher etwas organisationsunwilligen Lehrer_innen^.

    2)
    „Ich fordere jede*r, wer anderes behauptet, in einer beliebigen Einkaufsmeile eine Umfrage zur durchschnittlichen Rentenhöhe durchzuführen“

    Oh, oh…..IMHO kein gutes Argument. Es ist zwar sinngemäß in den Kommentaren schon gesagt worden, aber noch nicht von allen^:
    Ein Arzt kann nicht beantworten, was Leukozyten sind. Na und….mal in der Fußgängerzone fragen.

    Die sog, Eckrente ist eine wesentliche sozialpolitische Größe. Ich erwarte von einer hochrangigen Politikerin, dass sich sich da auskennt. Deine Beispielfragen im letzten Absatz haben einen völlig anderen Einschlag. Nebensächlicher Unsinn, ganz anders als die an Frau Lang gestellte Frage.

    Frau Lang hätte natürlich auch sagen können, dass Rotgrün, also Schröder/Fischer, das Rentenniveau herabsetzen WOLLTEN, was auch geschehen ist. Unter Hinweis auf Riester und die damals runderneuerte Betriebsrente ging die rotgrüne Kommunikation damals so: Die gesetzliche Rente wird zukünftig als alleiniges Alterseinkommen nicht mehr ausreichen. Das ist nicht O-Ton FDP sondern – wie gesagt – rotgrün (also fortschrittlich) und wurde auch nicht verheimlicht.

  • sol1 1. Februar 2024, 12:59

    1) Ich fand dazu diesen Podcast interessant:

    https://taz.de/Podcast-Bundestalk/!5988069/

  • Thorsten Haupts 1. Februar 2024, 13:21

    … aber ich halte diese Art der Politikverachtung, wie sie Blome hier völlig zu Recht kritisiert, für ein riesiges Problem.

    Seitdem es Grüne trifft? Kann mich nicht erinnern, dass Du hier etwas zur giftigen Häme Richtung Merz gesagt hättest …

    Unabhängig davon halte ich Spitzenpolitiker wie Frau Lang für ein Riesenproblem.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

  • ERwin Gabriel 1. Februar 2024, 18:43

    1) Wie man ein Land zerstört

    Ich bin nachhaltig fasziniert, wie verstört viele Leute in Deutschland von einem echten Streik sind.

    Ich denke, dass die Menschen da draußen, die über den Streik wettern, durchaus ein Gespür dafür haben, was in Ordnung geht und was nicht. Vielen, die in ähnlichen oder schlechteren Verhältnissen arbeiten, finden, dass die Forderungen der GDL ein gesundes Maß deutlich überschreiten. Die Folgen des Streiks sind selektiv und treffen halt besonders die Menschen, die sich kein Auto leisten können.

    Natürlich wird in Frankreich anders zugelangt; da stecken teilweise Jugendliche Autos in Brand, weil sie sich von ihrer Stütze keine Marken-T-Shirts leisten können. Wenn Du die Verhältnisse hier auch haben oder tolerieren willst, nun gut. Ich möchte das nicht.

    Willst du keinen Streik bei der Bahn, verbeamte die Lokführenden

    Nur eine weitere Folge aus der Serie „wie ruiniere ich den Staat“. Wenn Du die Lokführer verbeamtest, ist das Problem doch nicht gelöst, sondern fängt erst richtig an und hört nicht erst bei weitem nicht mit der kürzeren Lebensarbeitszeit und der Höhe der Pensionen auf.

    Aber ich sehe schon, ist vermu8tlich wieder eine Vorlage gegen die Schuldenbremse.

    „Weselsky ist ein Arschloch“ erscheint mir etwas unterkomplex

    Mir nicht. Gib jedem das, was Weselsky fordert, und dann kannst Du die Reste unserer Wirtschaft zusammenfegen.

    • Stefan Sasse 2. Februar 2024, 11:58

      Schon, aber „die Menschen“ haben auch „ein Gespür“ für soziale Ungerechtigkeit. Wenn es rechtsstaatlich aber völlig außer Frage steht, auch nur eine moderate Vermögenssteuer zu erheben, dann spielt was „die Menschen“ so spüren auch bei Streiks keine Rolle.

      • Erwin Gabriel 2. Februar 2024, 14:19

        @ Stefan Sasse 2. Februar 2024, 11:58

        Mann, Stefan …
        ich finde gerade das Tastaturkürzel nicht für das Kopfschüttel-Emoji

        Schon, aber „die Menschen“ haben auch „ein Gespür“ für soziale Ungerechtigkeit.

        Grundsätzlich gibt es keine absolute Gerechtigkeit, weil das ein extrem subjektiver begriff ist. Und „soziale Gerechtigkeit“ bedeutet nichts anderes, dass der eine mehr Geld will, dass der andere zahlen soll.

        Wir hatten das schon mal: Wenn ich einem 10 Euro schenke, ist er happy. Gebe ich ihm 20 Euro und er weiß, dass der Nachbar 50 Euro bekommen hat, ist er unzufrieden. In diesem Beispiel liegt alles, was Du zum Thema „soziale Gerechtigkeit“ wissen musst.

        Wenn es rechtsstaatlich aber völlig außer Frage steht, auch nur eine moderate Vermögenssteuer zu erheben, …

        Es steht nicht „rechtsstaatlich völlig außer Frage“, Vermögenssteuer zu erheben (das behauptet nicht einmal Stefan Pietsch), erst recht keine „moderate“. Wir hatten schon mal Vermögenssteuer, die abgeschafft wurde, weil der Erhebungsaufwand viel zu hoch war.

        Es macht (zumindest meiner Einschätzung nach, aber Deine Meinung mag da anders sein) keinen Sinn, eine Steuer in Höhe von 100 Euro zu erheben, wenn 80 bis 90 Euro davon für die Feststellung, Erhebung, Verwaltung, Prozessieren draufgehen – erst recht nicht, wenn man nicht mal genug Personal beieinander hat, um Steuerbetrug mit der gebotenen Sorgfalt aufzuklären. Bei der Vermögenssteuer geht es nicht darum, Geld für was auch immer einzunehmen, sondern nur darum, vorhandenes Vermögen kleinzukriegen.

        Das ist Sozialneid hoch drei: einfach nur etwas kaputtmachen, das ein anderer mehr hat als man selbst.

        … dann spielt, was „die Menschen“ so spüren, auch bei Streiks keine Rolle.

        Abgesehen davon, dass Du da zwei Dinge durcheinanderrührst, die nicht zusammengehören, kann man das so sehen. Ist nicht meine Meinung, aber (kalt und) legitim.

        Mich irritiert nur, dass Du gerade an dieser Stelle so intensiv der Macht des Stärkeren das Wort redest. Würden sich Unternehmen oder Reiche sich ihren „Underlings“ gegenüber so verhalten, wärst Du auf den Barrikaden.

        Das mag der Grund sein, warum ich in Deinem Kommentar keine (bzw. nur eine widersprüchliche) Botschaft erkennen kann.

        • Stefan Sasse 2. Februar 2024, 15:15

          Du argumentierst völlig an meinem Punkt vorbei. Es wurde vorher für eine Gesetzesänderung argumentiert, um Streiks zu unterbinden, die bisher völlig legal sind. Begründet wurde das damit, dass die Bevölkerung es falsch, unfair, whatever findet. Die Bevölkerung findet eine Menge Sachen unfair. Ihr habt lauter sehr gut klingende Sachargumente, warum vox populi in Verteilungsfragen keinesfalls zu trauen ist. Fein. Warum ist vox populi hier plötzlich relevant? Ah, ich weiß: weil es das eine Mal konträr und das andere mal konplementär zu eurer politischen Haltung verläuft. DAS ist meine Kritik. Kopfschüttelnd, ohne Emoji.

          • Stefan Pietsch 2. Februar 2024, 15:43

            In den meisten G7-Ländern und vielen EU-Ländern gibt es starke Streikbeschränkungen für Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge. Ich weiß, schon wieder der internationale Blick.

            Es geht nicht um ein generelles Streikverbot, sondern Regeln für den Arbeitskampf. Wildwest wollen doch gerade Linke nicht…

            Es passt nicht zusammen, einerseits für die umfangreichere Nutzung der Bahn zu kämpfen und gleichzeitig es zu begrüßen, wenn dieses öffentliche Transportmittel binnen Jahresfrist über 2 Wochen komplett ausfällt. Es passt nicht, Eltern einen gesetzlichen Anspruch auf öffentliche Kinderbetreuung zu geben und gleichzeitig zu applaudieren, wenn Erzieherinnen jährlich wochenlang streiken. Es passt nicht, gegen die Privatisierung von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen zu polemisieren und andererseits sich zu freuen, wenn staatliche Krankenhäuser lahmgelegt werden.

          • Erwin Gabriel 6. Februar 2024, 01:01

            @ Stefan Sasse 2. Februar 2024, 15:15

            Es wurde vorher für eine Gesetzesänderung argumentiert, um Streiks zu unterbinden, die bisher völlig legal sind. Begründet wurde das damit, dass die Bevölkerung es falsch, unfair, whatever findet.

            Wäre auch aus meiner Sicht kein Grund.

            Warum ist vox populi hier plötzlich relevant?

            Da hast Du nicht richtig gelesen; vox populi ist und bleibt irrelevant, hab nichts anderes behauptet.

            Ah, ich weiß: weil es das eine Mal konträr und das andere mal konplementär zu eurer politischen Haltung verläuft.

            Weck mich mal, wenn Dir an Stellen, an denen Du nicht weiter kommst, ein anderes „Argument“ einfällt. 🙂

            • Stefan Sasse 6. Februar 2024, 07:57

              Dafür wurde aber echt viel darauf verwiesen, dass die Bevölkerung das nicht gut findet.

              • Erwin Gabriel 9. Februar 2024, 11:00

                @ Stefan Sasse 6. Februar 2024, 07:57

                Dafür wurde aber echt viel darauf verwiesen, dass die Bevölkerung das nicht gut findet.

                Passiert in die andere Richtung auch. Ist dort genauso irrelevant.

  • Ralf 1. Februar 2024, 22:00

    willst du keine Streiks von Leuten mit Verhandlungsmacht, musst du ihnen entgegenkommen.

    Oder Du hältst die negativen Folgen aus, lässt Dich nicht erpressen und exerzierst an den Lokführern ein Exempel. Wie bei jeder Verhandlung sollte es eigentlich um einen Kompromiss gehen. Das heißt, dass beide Seiten zu Fairness und Maß aufgerufen sind und dass am Ende etwas rauskommen muss, mit dem alle leben können. Wer seine Macht missbraucht, dem muss man Einhalt gebieten – alles andere wäre ein Moral Hazard. Meinetwegen können die Lokführer streiken, bis sie schwarz sind. Der Staat sollte FlixBus bewerben und LKW-Fahrern eine Sonderzahlung geben …

    • Stefan Sasse 2. Februar 2024, 11:59

      Seit wann sollte sich der Staat so einmischen?

      • Ralf 2. Februar 2024, 12:44

        Ist das eine generelle Frage an die Community oder eine Frage an mich persönlich als bekennender Freund des starken Staats? 😉

        • Stefan Sasse 2. Februar 2024, 15:11

          War eine ziemlich generelle, weil mich diese Argumentation verwundert.

      • Stefan Pietsch 2. Februar 2024, 12:52

        Der Staat ist Regelsetzer. Im Arbeitskampf erleben wir seit Jahrzehnten, dass die Waffen völlig ungleich verteilt sind. Während Gewerkschaften seit langem ohne einen Tag der Verhandlung zu „Warnstreiks“ aufrufen und vor allem Dritte und nicht den Arbeitskampfgegner schädigen, haben Arbeitgeber praktisch keine Mittel.

        Es ist die Aufgabe des Staates, für faire Kämpfe zu sorgen. Sonst lehnst Du solche Eingriffe ja auch nicht ab.

        • Stefan Sasse 2. Februar 2024, 15:11

          Ja, die Machtgleichgewichte sind in der Tat völlig ungleich bei den Arbeitgebern. Stimme ich dir total zu.

          • Stefan Pietsch 2. Februar 2024, 15:37

            Es wäre ja schön, wenn Du mal ein Argument bringen würdest, wenn Du auf ein Argument antwortest. Was können Arbeitgeber Streiks entgegenhalten? Aussperrungen. Nur sind die seit 40 (!) Jahren nicht mehr en vogue, weil sich Unternehmen damit selbst ins Knie schießen. Streik und Aussperrung sind die Arbeitskampfmittel. Doch während Streiks gerade im Öffentlichen Dienst immer früher und schärfer gegen Dritte gerichtet wird, können Arbeitgeber dem nur zusehen.

            Selbst wer blind und taub ist, kann nicht übersehen, dass Arbeitgeber seit Jahrzehnten nicht mehr zu Arbeitskampfmitteln greifen.

            Jetzt bist Du dran und ich möchte gern ein Argument hören.

            • Stefan Sasse 3. Februar 2024, 08:47

              Die allermeisten Arbeitnehmenden sind viel zu schwach, um wirkungsvoll zu streiken. Es gibt einige Bereiche, in denen sie – wie die GDL – sehr mächtig sind und Durchsetzungskraft haben. Aber der Großteil der Beschäftigten kann es nicht.

              • Stefan Pietsch 3. Februar 2024, 10:37

                Das ist eine Behauptung. Und ein Vorurteil, entstanden vor urlanger Zeit. Sie stimmt spätestens in der heutigen Zeit nicht.

                Marktmacht bestimmt sich nach Marktbedingungen. Wer Vertragsverhandlungen führt, weiß das. In vielen Märkten haben Unternehmen große Schwierigkeiten, ihre Belegschaften zu halten und Sollstellen zu besetzen. Das weißt Du auch. Die Fluktuation in Unternehmen ist in den letzten 20 Jahren stark gestiegen, das Gros aller Arbeitsverhältnisse wird nicht vom Arbeitgeber, sondern vom Arbeitnehmer gekündigt. Das entspricht meiner breiten Berufs- und Branchenerfahrung und der Statistik.

                Wenn Fluktuation zunimmt, ist das ein deutliches Indiz, dass Arbeitnehmer mehr Möglichkeiten haben. Das ist Marktmacht. Und das gilt über alle Ebenen hinweg. Wer sein Stammrestaurant mehrere Jahre besucht, wird kaum Kellner antreffen, die jahrelang dort arbeiten. Viele Lokale schließen heute zeitweise, weil sie kein Personal finden. In den letzten Tagen war viel von der „Bettkantenentscheidung“ die Rede. Auch hohe Fehlzeiten und Umfragen zum Krankfeiern zeigen sehr deutlich die stark gestiegene Macht der Arbeitnehmer. Ebenso spricht der Anstieg der Produktivlöhne wie der rekordhohe Anteil der Arbeitnehmerentgelte am Volkseinkommen für die große Macht der Arbeitnehmer.

                Vorurteile helfen nicht weiter.

                Politik und Unternehmensleitung haben der GDL alle Instrumente für ihre herausragende Stellung in die Hand gegeben. Kein privates Unternehmen würde so töricht handeln. Lokführer sind mit technischen Möglichkeiten in vielen Bereichen theoretisch entbehrlich. Doch die Politik wollte es sich nicht mit den Arbeitnehmervertretern verscherzen.

                Der Markt ist gerade dafür da, dass nicht eine Partei umfangreiche Macht erlangt. Doch die Politik hat jahrzehntelang Wettbewerber der DB daran gehindert, in Deutschland Marktanteile zu gewinnen – angefangen beim parteiisch ausgelasteten Streckennetz. Der Staat hat vor 30 Jahren die Bahn von allen Altschulden entlastet, die Beamten übernommen und es in die abhängige Selbständigkeit entlassen. Trotz hoher Zuschüsse hat die Bahn heute 35 Milliarden Euro Schulden, ein marodes System und geriert sich ungehindert als Platzhirsch, der Wettbewerber aussperrt.

                Das Chaos und die Nicht-Leistung der Bahn ist politisch gewollt.

                • Stefan Sasse 5. Februar 2024, 07:50

                  Dass die DB völlig kaputt ist, brauchen wir nicht diskutieren.

                  Was die Marktmacht angeht: ja, die ist zuletzt dank der Konjunktur gestiegen. Aber das hat den Gewerkschaften wenig geholfen. Wo die vorher stark waren sind sie in der Lage noch stärker – und wie im Fall der GDL sehr, sehr stark -, wo nicht wie im Fall von ver.di geht halt weiter nicht viel.

                  • Stefan Pietsch 5. Februar 2024, 19:43

                    Das sind nicht meine Punkte. Die wenigsten Unternehmen sind perfekt, schon gar nicht auf der Zeitschiene. Entscheidend ist, ob das Managment die Leistungen des Unternehmens verbessert und es profitabler macht. Die Bahn zeigt über viele Jahre keine Fortschritte.

                    Die rationale Reaktion auf Marktmacht ist die Begrenzung und Reduzierung. Die Politik dagegen verhält sich indifferent. Sie verhält sich so, weil sie Partei und in einem Konflikt zwischen Parteinahme für Arbeitnehmer und öffentlichem Interesse ist.

                    • Thorsten Haupts 6. Februar 2024, 15:44

                      Die rationale Reaktion auf Marktmacht ist die Begrenzung und Reduzierung.

                      Was in einem natürlichen Monopol sehr schwierig, IMHO unmöglich, wird.

                    • Stefan Pietsch 6. Februar 2024, 16:56

                      Deswegen lehnen Liberale Monopole ab.

                      Aber wo reden wir bei der Bahn von einem natürlichen Monopol?

                    • Thorsten Haupts 6. Februar 2024, 17:40

                      Schienen kann man nur einmal bauen.

  • Thorsten Haupts 2. Februar 2024, 00:22

    Ich habe keine Ahnung, warum das Verhältnis zwischen GDL und Bahn so schlecht ist …

    Ich klär Dich da gerne auf: Erstens hat kein, auch kein sozial eingestellter, Arbeitgeber, gerne zwei konkurrenzgewerkschaften im hause, von denen auch noch beide beanspruchen, die Gesamtbelegschaft zu vertreten.

    Und wenn dann einer dieser besagten Gewerkschaften ein Zeitarbeitsunternehmen gründet, das den offen ausgesprochenen Zweck hat, Dir Deine Fachkräfte abzuwerben, um sie dann teuer zu vermieten (auch an Dich), dann bist Du vermutlich auch leise angepisst.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 2. Februar 2024, 12:00

      Wait, what? 😀 Was hat es mit dem Zeitarbeitsunternehmen auf sich?

      • Stefan Pietsch 2. Februar 2024, 12:56

        Die GDL betreibt ein Unternehmen, über das sie Lokführer weitervermittelt.

        In dem Konzern, in dem ich arbeite, werden auch hochqualifizierte Arbeitskräfte vermittelt. In 2023 und 2024 können Arbeitsgeber bis zu 3.000 Euro ihren Mitarbeitern steuerfrei zukommen lassen. Viele Auftraggeber haben die im Entsendebetrieb auch getan, mein Konzern hat in dem Bereich noch keine Prämie ausgeschüttet. Preisfrage: Welche Arbeitsbedingungen gelten? Muss mein Konzern die Prämie an alle oder nur an die entsendeten Mitarbeiter zahlen? Inwieweit ist das gerecht?

        • Thorsten Haupts 2. Februar 2024, 14:21

          Die GDL betreibt ein Unternehmen, über das sie Lokführer weitervermittelt.

          Und das mit dem explizit verkündeten Ziel, Lokführer der Bahn abzuwerben … Ich halte das ja für gewerkschaftlichen Machtmissbrauch, etwa gleichzusetzen einem Unternehmen, dass seine eigene „Gewerkschaft“ gründet und mit der Tarifverträge schliesst.

          • Stefan Sasse 2. Februar 2024, 15:15

            Hör ich zum ersten Mal 😀 Das ist tatsächlich ziemlich weird. Danke!

        • Stefan Sasse 2. Februar 2024, 15:12

          Kann ich nicht beurteilen, fehlen mir Kontext und Sachkenntnis.

          • Stefan Pietsch 2. Februar 2024, 15:54

            Genau aus diesem Grund habe ich Dir die Frage gestellt. Mir geht es um den Abgleich Deiner politisch-moralischen Vorstellungen zu einer Regelung, die auf der Sachebene zwangsläufig in einem Konflikt steht. Ich erwarte keine Fachexpertise, denn das ist arbeitsrechtlich komplex und wir mussten uns intern auch erst schlau machen. Also noch einmal der Versuchsaufbau:

            Die Verleihfirma A überlässt der Entleihfirma B den Arbeitnehmer C. Die Verleihfirma A hat sowohl für den produktiven Bereich (Mitarbeiter leisten Service bei Kunden) als auch intern eigene Mitarbeiter, denen sie keine Inflationsprämie zahlt.

            Auch Entleihfirma B beschäftigt neben Zeitarbeitskräften hauptsächlich eigene Mitarbeiter. Das Unternehmen zahlt seinen Mitarbeitern eine Prämie in Höhe von 3.000 Euro.

            Frage: Hat der Mitarbeiter C, der einen Arbeitsvertrag mit Verleihfirma A besitzt, einen Anspruch auf eine Prämie? Soweit dies bejaht wird, wie kann das mit den anderen Mitarbeitern bei A zusammengehen?

            Falls man die Frage verneint, wie verhält es sich damit, dass alle anderen Mitarbeiter bei B eine Prämie erhalten?

            Ich fand diese Fragen hochspannend, bevor wir rechtssicher waren, haben wir das intern intensiv besprochen. Deswegen würde mich Deine (nicht ganz knappe) Einschätzung interessieren.

            • Dennis 2. Februar 2024, 22:35

              Dazu muss man u.a. wissen, ob der Vorgang vom AÜG erfasst wird oder nicht. Konzernintern und bei Werkverträgen muss das nicht unbedingt der Fall sein. Wenn AÜG zu bejahen ist, muss man die Tarifvertragsituation beim Verleiher kennen. Fragen über Fragen.

              Zitat Stefan Pietsch:
              „Die GDL betreibt ein Unternehmen, über das sie Lokführer weitervermittelt.“

              Das würde die GDL natürlich bestreiten und formal stimmt das auch nicht. Es handelt sich um eine Genossenschaft, die – wie das in dieser Rechtsform immer ist – von den Genossen betrieben wird. Die GDL selbst hat keine Genossenschaftsanteile. Mitgliedern der GDL wird empfohlen, „privat“ Anteile zu erwerben. Das ist offensichtlich auch „sauber“ und ausreichend geschehen, sonst gäbe es keine Eintragung („e.G.“) und keine Mitgliedschaft im Prüfungsverband.

              Was steckt dahinter? Der Weselsky (übrigens CDU-Mitglied, plädiert für die „soziale Marktwirtschaft“, und weist „Klassenkampf“ entrüstet zurück) führt einen regelrechten Privatkrieg gegen den Vorstand der DB AG und natürlich gegen der DB-Hofgewerkschaft EVG. Und ein gut geführtes Unternehmen scheint die DB AG ja tatsächlich nicht zu sein^. Über die anderen Unternehmen der Schienenbranche äußert er sich eigentlich immer lieb und nett. In einem Interview hat er nur wenig verklausuliert zu verstehen gegeben, nur Lokführer von der DB AG abwerben zu wollen (der Begriff „abwerben“ wird natürlich vermieden) und die anderen diesbezüglich in Ruhe zu lassen. Ob dieses riskante Manöver, das hauptsächlich dem Überleben der GDL dienen soll, diesen Zweck erfüllt, wird man sehen. Die „privaten“ Genossenschaftler (also die Zeichner) müssen jedenfalls GDL-Mitglieder sein und die Genossenschaft folgt dem AÜG und hat einen Verleiher-Tarifvertrag – mit der GDL^^. Damit das funzt, muss der ja das Leistungsniveau der DB AG übertreffen. Auch kann es sein, dass man – mit derDB AG in der Weise dealt, Lokführer insbesondere aus dem Cargo-Bereich der DB freundlicherweise und geräuschlos und übernehmen, wenn DBseitig das Züglefahren selbst nach und nach – wie bisher schon – vermehrt verkauft wird.

              • Stefan Pietsch 3. Februar 2024, 09:57

                Ja, Dennis, ich sehe, dass Sie sich melden und es wissen. Aber Sie sind jetzt nicht dran. 🙂

                Wieder sind Sie gut im Stoff, aber ich habe diese Infos bewusst nicht mitgegeben, weil ich von Stefan etwas Grundsätzliches erfahren will. Es geht mir nicht um Expertenwissen, sondern Einschätzungen – und Verständnis. Alles andere in der Antwort an Stefan.

            • Stefan Sasse 3. Februar 2024, 08:49

              Einen Anspruch im rechtlichen Sinne hat C vermutlich nicht, wenn das die Frage ist. Aber ich hab doch keine tiefgehende Ahnung von Arbeitsrecht. Ich hatte zwei Fortbildungen zu Betriebsratsrecht vor vielen Jahren und was ich mir halt so angelesen habe seither. Das kann ich schlicht nicht sagen, nicht meine Expertise.

              • Stefan Pietsch 3. Februar 2024, 10:21

                Wie Dennis vermutet geht es um ANÜ, sogenannte Arbeitnehmerüberlassung. Bei ANÜ-Verträgen gelten die Arbeits- und Entgeltbedingungen des entleihenden Unternehmens.

                Entsprechend musste mein Konzernunternehmen den entliehenen Mitarbeitern die Prämie zahlen. Diese wird dann an den Kunden weiterbelastet. Dies sorgt für ziemlichen Wildwuchs dort, wo der Leihmitbarbeiter eigentlich seinen Arbeitsvertrag hat, nämlich bei dem Leihunternehmen. Einige der operativ arbeitenden Mitarbeiter haben eine Prämie von 3.000 Euro erhalten, andere 1.500 und manche gar nichts. Dazu hat die Stammbelegschaft nichts bekommen.

                Wer sich das intern betrachtet, versteht, dass eine solche Rechtslage zu deutlichen Spannungen führt. Wie sollen so unterschiedliche Prämienzahlungen erklärt werden? Alle haben ja schließlich einen Arbeitsvertrag mit dem gleichen Arbeitgeber.

                Die Regelung wurde von der Politik geschaffen, weil sie eine Benachteiligung und Schlechterstellung von Zeitarbeitern unterstellt. Es sollte eine Ausbeutung von vermutet schlechter gestellten Zeitarbeitskräften verhindert werden. Nur gilt die Annahme eben nicht pauschal. Zeitarbeitskräfte gibt es in der Breite der Entgeltskala. Die Motive, auf solche Arbeitsverhältnisse zurückzugreifen, sind für alle drei Parteien vielfältig und keineswegs eindimensional.

                In der Branche, in der ich derzeit tätig bin, wird sehr viel mit Freelancern im IT-Bereich gearbeitet. Sie sind sehr teuer, entsprechend muss ein sehr hoher Tagessatz an den Kunden (übrigens alles öffentliche Auftraggeber in dem Konzernbereich) verrechnet werden. Die Margen sind mit 8-20 Prozent nicht so, dass sie für ein profitables Geschäft aussreichen.

                Am liebsten würde man die meisten Freelancer unter Vertrag nehmen. Dann ließen sich im Verleih ausreichend höhere Margen zwischen 20 und 40 Prozent erzielen. Leider wollen die meisten Freelancer nicht und lehnen ein Vertragsverhältnis auf Basis der Festanstellung rigoros ab. Das ist verständlich: Ein Erwerbstätiger, der nicht das geringste Beschäftigungs- und Auslastungsrisiko hat, hat ein vernachlässigbares monetäres Interesse, sich auf ein Lohnverhältnis einzulassen, das genau dieses Nicht-Risiko der Auslastung abfedert.

                Das ist das, was die Kritiker übersehen: Ein Arbeitsverhältnis ist eine Art Versicherung. Sie zahlt auch dann, wenn der Erwerbstätige gerade keinen Auftrag hat oder wegen Urlaub oder Krankheit nicht arbeiten will oder kann. Ein Freiberufler muss die Kosten dieser Ausfallzeiten selbst tragen.

                Arbeitnehmer wie in der speziellen Form der Zeitarbeit müssen eine Prämie an ihren Arbeitgeber zahlen. Leider versteht die Politik nicht, dass sie Regeln für alle und nicht für besondere Fälle schaffen muss, die immer gelten. Mit bestimmten, vorurteilsgeprägten Bildern an den Gesetzestext heranzugehen, schafft mehr Probleme als gelöst werden.

                P.S.: Bei Werkverträgen wäre die Prämie nicht zu zahlen gewesen.

                • Thorsten Haupts 3. Februar 2024, 16:52

                  Es sollte eine Ausbeutung von vermutet schlechter gestellten Zeitarbeitskräften verhindert werden.

                  Yup, hat mich damals auch masslos geärgert. Die Politik hatte tatsächlich überhaupt keine Ahnung von dem riesigen Segment an hochqualifizierten Zeitarbeitern, geschweige denn, von der Weiterreichung der Freelancer über (meist) die Consultingbranche an Unternehmen für Projekte aller Art. So ist das, wenn Politik keine Verbindung zur Lebensrealität vieler hunderttausender Menschen mehr hat.

                  Gruss,
                  Thorsten Haupts

                • Stefan Sasse 5. Februar 2024, 07:45

                  Der Großteil der Zeitarbeit fällt halt unter diesen Verdachtsfall. Ja, es gibt die von dir beschriebenen Freelancer, aber die Mehrheit profitiert vermutlich von dieser Grundannahme. Wäre jetzt mein uninformiertes Bauchgefühl. Mag aber sein, dass das noch ein Überbleibsel aus den 2000er Jahren ist, denn da war das DEFINITIV so.

                  • Thorsten Haupts 5. Februar 2024, 14:53

                    … denn da war das DEFINITIV so …

                    Mir fehlen ausreichend Fakten, um das zu bestreiten – genaue Zahlen hat meines Wissens niemand – aber schon damals kamen z.B. etwa 50% der Projektleute im Anlagenbau (einschliesslich Ingenieure) und ein Teil der akademisch qualifizierten Belegschaft sogar im Automobilbau (Zulieferer) über Arbeitnehmerverleih. Von daher wäre ich mit einer DEFINITIVEN Behauptung ausserordentlich vorsichtig 🙂 .

                    Gruss,
                    Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 5. Februar 2024, 18:09

                      Ok point taken. Ich rede im Endeffekt von dem durch die Agenda2010 angefeuerten Boom.

                  • Stefan Pietsch 5. Februar 2024, 19:44

                    Ich hab‘ einen Artikel geschrieben. Wann soll ich ihn freischalten?

      • Erwin Gabriel 2. Februar 2024, 14:23

        @ Stefan Sasse 2. Februar 2024, 12:00

        Wait, what? 🙂 Was hat es mit dem Zeitarbeitsunternehmen auf sich?

        Das hier: https://www.fair-train.de/

        Da sollte die Bahn gleich mal ein Streikbrecher-Büro aufmachen …

      • Dennis 4. Februar 2024, 10:56

        „Wait, what? Was hat es mit dem Zeitarbeitsunternehmen auf sich?“

        Guckst du Weselsky:

        https://www.youtube.com/watch?v=IwxK4ixD17c

        Da hat man Gelegenheit, 2 1/4 Stunden Weselsky zu genießen 🙂 Für die ganz harten Politikjunkies und wenn man alle anderen Freizeitvergnüglichkeiten schon durch hat.

        Natürlich sind die Aussagen nicht zum Nennwert zu nehmen, aber man erfährt schon wie der Typ so tickt. Von der alten Schule jedenfalls. So ähnlich wie der selige Herr Kluncker, zum Beispiel.

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