Bohrleute 68 – Von Gratismut und Rattenfängern, mit Ariane Sophie

Zusammen mit Ariane spreche ich über die Proteste gegen Rechts, was nicht gleichbedeutend mit Protesten gegen Rechts ist. Kontext ist wichtig.

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(Musik: Intro aus Accou – Sarabande BWV 1002 (Partita No.1 for violin solo in B-minor), Outro aus Accou – Bourree (I.S. Bach BWV 1002, Violin Partita No 1 in B minor))

 

{ 51 comments… add one }
  • Stefan Sasse 1. Februar 2024, 14:21

    Noch ein typischer Fall zur besprochenen Problematik:
    https://x.com/ProffromBerlin/status/1752985206359838809?s=20

  • CitizenK 2. Februar 2024, 16:39

    Der „andere Blick“ von jenseits des Hochrheins:

    „Im Zuwachs der AfD manifestiert sich nicht die Schwäche der deutschen Demokratie, sondern eine gesamteuropäische Entwicklung.
    Doch nur die Deutschen demonstrieren. Sind Franzosen, Finnen oder Dänen blind für das Menetekel? Schlafwandeln sie in den Untergang ihrer Demokratie?
    Nein, die anderen Europäer neigen nur nicht zum Manisch-Depressiven. Sie oszillieren nicht zwischen Überschwang und Weltuntergangsstimmung. Sie haben sich nie Illusionen über die Auswirkungen der ungesteuerten Migration auf das politische System gemacht und verzweifeln deshalb nicht, weil die Rechtspopulisten Konjunktur haben.“ (Der Andere Blick, NZZ 2.2.24)

    Die Deportationspläne – völlig überschätzt. Die Maaßen-Beobachtung – komplett daneben. Der Reichsbürger-Putschplan – eine Lachnummer.

    So kann man das offenbar auch sehen. Ungarn und Polen werden übrigens nicht erwähnt.

    • Ariane 2. Februar 2024, 22:55

      Klar werden Ungarn und Polen nicht erwähnt, das würde nämlich mit dem „alles total harmlos-Hysterie!“-Vorwurf nicht mehr zusammenpassen, im Falle von Ungarn kann man den Antisemitismus nicht mal mehr auf links-muslimische Seiten abwälzen.

      Das ist schon alles ne ganz gute Übung, denn wir werden – fürchte ich – im Laufe des Jahres noch etliche solcher Artikel lesen.

      • CitizenK 3. Februar 2024, 10:36

        Die These: Rechtspopulisten vom Schlag der AfD sind in mehreren europäischen Staaten im Parlament und sogar an der Regierung – nur die Deutschen stellen sich an.

        Ich würde das gern zur Diskussion stellen, zumal sie aus dem Vorzeige-Land Schweiz kommt. Und gibt es nicht von dort starke Unterstützung (Spenden) für die AfD?

        • Ariane 3. Februar 2024, 16:32

          Puh, du kannst ja Fragen stellen! 😉
          Da müsste man sich nun vermutlich sehr gut mit den Parlamentssystemen und Parteiengeschichten in mehreren Ländern auskennen – was ich im Detail nicht tue.

          Es ist schon richtig, dass Deutschland da sensibler mit politischen Rändern ist. In beiden Richtungen übrigens, in anderen Parlamenten sitzen auch Kommunisten, von denen die LINKE noch meilenweit entfernt ist.
          Und nicht jede Extremrechtspartei ist gleich, Meloni und Le Pen haben sich ja auch genötigt gesehen, sich von der AfD zu distanzieren. Und die unterscheiden sich wiederum stark von jemandem wie Orban.

          Also hm. Ich kann schon verstehen, dass das für einen Schweizer NZZler komisch wirkt, vielleicht übertrieben hysterisch. Aber deswegen muss es das nicht sein, wir haben in Deutschland ja gute Gründe, warum wir sensibler als andere Länder auf Radikalinskis reagieren. Und gibt genug Länder, die zeigen, dass radikale rechte Parteien nicht im Rahmen der FDGO bleiben, dass das kein Automatismus ist, finde ich jetzt nicht so arg tröstlich.

  • Ariane 2. Februar 2024, 23:20

    Ich hatte ja diesen Rassegesetz-Verweis-Urteilsspruch im Podcast kurz erwähnt, da flog noch nicht viel mehr als das Zitat herum:
    Zum einen sei „die polnische Sprache als slawische Sprache den arischen Sprachen zuzuordnen“. Zudem erschließe sich nicht, „wieso der Begriff ‚arisch‘ der nationalsozialistischen Rassenideologie zuzuordnen ist. Insofern sei nur auf das Reichsbürgergesetz vom 15.09.1935 hingewiesen, in dem in § 2 I geregelt ist, dass Reichsbürger nur der Staatsbürger sei, der deutschen oder artverwandten Blutes sei“.

    Die taz hat sich jetzt dankenswerterweise mal die Mühe gemacht, den ganzen Fall und auch die weiteren Hintergründe aufzudröseln:
    https://taz.de/Roland-Ulbrich-aus-der-AfD-Sachsen/!5985904&s=ulbrich/

    Ich bin von der „inhaltlich stellen“-Sache ja noch nicht so ganz überzeugt. Weil ich glaube, das geht nur auf einem gemeinsamen Fundament der rechtsstaatlich-liberalen Demokratie und wenn das nicht gegeben ist, ist es wenig sinnig, über Renten- oder Verkehrspolitik zu diskutieren. Kann ja gerne „jemand“ machen, aber ich für mich lehne das rigoros ab.

    Aber: ich glaube bei sowas wie diesem Schiedsspruch ist es wichtig, nicht nur das Zitat einmal durchzujagen, sondern sich auch mit dem dahinterstehendem Kontext und den Prozessen zu beschäftigen. Sonst wird das nämlich schnell als hysterische Aufregung abgetan, weil halt irgendein Nazi weinselig auf ner Bierzeltrede Nazisachen gesagt hat. Aber genau das ist es ja nicht, sondern das liest sich jetzt alles nicht wie ein krass ungewöhnlicher Vorgang.

    Auch bisschen unklar, wie das nun weitergeht
    Nach einem Widerspruch ist den AfD-Richtern wohl doch aufgefallen, dass die nationalsozialistischen Rassegesetze seit 1945 nicht mehr gelten, man hat aber nur Teile widerrufen, der Nichtausschluss bleibt bestehen. Für die anderen Unterzeichner gibts wohl keine Konsequenzen und m.W. ist Ulbrich erstmal nur als Richter zurückgetreten, unklar ob da Ausschlüsse folgen (und die Bestand hätten).

    • Thorsten Haupts 3. Februar 2024, 00:58

      Ich mach das wirklich ungerne – aber darf ich freundlich darauf hinweisen, dass bis 1999 die Vorstellung, nur jemand mit biodeutschen Eltern sei „Deutscher“ gültiges Verfassungsrecht war? Und die 180 Grad Kehrtwende danach schlicht nicht jede/r mitgemacht hat? Bis 1999 waren Sie Verfassungsfeind, wenn Sie Staatsbürgerschaft in Deutschland anders begründeten, als mit Blut (Abstammung). Die damals 20jährigen sind heute 46, die damals 40 jährigen heute 65 …

      Ich persönlich finde es abenteuerlich albern, von allen, die mit der damaligen Abstammungslehre im Grundgesetz grosswurden, zu erwarten, sie hätten sich bis heute halt anpassen müssen. Obwohl ich die „deutsches Blut“-Lehre schon damals für Quatsch mit Sosse hielt.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

      • Ariane 3. Februar 2024, 01:26

        Ich weiß gar nicht, worauf du dich beziehst. Außerdem hab ich doch neben dem Zitat noch diesen äußerst langen Link gebracht, wo der Kontext mitgeliefert wird.

        Ich hab doch gerade argumentiert, wie easy es ist, Dinge zu relativieren, wenn man den Kontext nicht kennt. *weint*

        Aber bitte, es ging hier absolut nicht um Staatsbürgertum oder auch nur etwas entfernt damit Verwandtes.
        Irgendeine Polin hatte bei Facebook gemeint, sie wäre arisch. Da gab es ein Parteiausschlussverfahren (wegen des Begriffs!) Das wurde mit obenstehender Begründung abgelehnt.

        Ich persönlich finde es abenteuerlich albern, von allen, die mit der damaligen Abstammungslehre im Grundgesetz grosswurden, zu erwarten, sie hätten sich bis heute halt anpassen müssen
        Ich hoffe, du findest es etwas weniger albern, zu erwarten, dass ein Jurist(!) wissen sollte, dass die Nürnberger Rassengesetze seit 1945 nicht mehr gelten und man – möglichst gar nicht – aber schon 3x nicht in einem Schiedsgerichtsverfahren auf sie verweisen sollte.

        Mir wirklich unbegreiflich, wie du daraus ein „alte Menschen sind nicht auf dem neuesten Stand in Sachen Staatsbürgerschaft“ machst.

        • Thorsten Haupts 3. Februar 2024, 11:20

          Ich hoffe, du findest es etwas weniger albern, zu erwarten, dass ein Jurist(!) wissen sollte, dass die Nürnberger Rassengesetze seit 1945 nicht mehr gelten …

          Yup, ungenau und flüchtig gelesen, mein Fehler.

          • Ariane 3. Februar 2024, 14:44

            Kein Ding, hat mir ne schöne Recherche beschert, was denn 1999 eigentlich beim Staatsbürgerrecht geändert wurde^^

            • Stefan Sasse 5. Februar 2024, 07:52

              Oh, schreib nen Artikel drüber, fänd ich total spannend!

      • Stefan Sasse 3. Februar 2024, 08:51

        Nein, da warst auch kein „Verfassungsfeind“. Du wolltest das nur ändern.

        • Thorsten Haupts 3. Februar 2024, 11:19

          Gut, dann bist Du heute also auch kein Verfassungsfeind, wenn Du zur Staatsbürgerschaft qua Abstammung zurückwillst?

          • Ariane 3. Februar 2024, 14:53

            Ach Quatsch, das sind bürokratische Prozesse, die einen legalen Status (Staatsbürgerschaft) regeln. Das steht sowieso nicht im Einzelnen in der Verfassung.
            Für Deutschland war das sowieso ganz praktisch, weil das Staatsgebiet sich ja alle naselang geändert hat.

            • Dennis 3. Februar 2024, 15:53

              Richtig. Das Staatsbürgerschaftsrecht der Bundesrepublik Deutschland hat keinen Verfassungsrang. Demzufolge waren die angesprochenen Änderungen 1999/2000 KEINE Verfassungsänderungen. Die Union hätte der damaligen Regierung Schröder/Fischer vermutlich nicht zur 2/3-Mehrheit verholfen^.

              „Abstammungslehre des Grundgesetzes“ steht irgendwo weiter oben. Typischer Fall von Fake. Die gab es nie.

              • Thorsten Haupts 3. Februar 2024, 16:47

                Stimmt, da hat mich meine Erinnerung getrogen.

                Dementsprechend ist jemand, für den deutsche Staatsbürger nur Kinder von Deutschen werden können, kein Verfassungsfeind, er will nur ein anderes Staatsangehörigkeitsrecht, als das geltende. Danke für die Korrektur.

                Gruss,
                Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 3. Februar 2024, 08:50

      Genau dieses Fundament brauchen wir natürlich. Wenn wir das nicht haben, bin ich bei Thorsten, dann können wir den Laden zumachen.

      • Thorsten Haupts 3. Februar 2024, 17:07

        In den hübschen Wein des „gemeinsamen Fundamentes“ muss ich dann auch ne Menge Wasser giessen. Das wurde von Teilen der politischen Linken, begleitet vom Goodwill der liberalen Leitmedien UND von linken, gewählten Politikern, lange vor unserer Zeit aufgekündigt.

        Die sicher vorhersehbar gewaltsamen Wackersdorf und Startbahn West-Demonstrationen, die Kasernenblockaden oder die ausnahmslos in Ausschreitungen abgleitenden 1. Mai Demos waren der – offen so vorgetragene – Versuch, politische und mit demokratischer Mehrheit legitimierte Entscheidungen zu unterlaufen bzw.deren Vollzug so kostspielig zu machen, dass sie nicht mehr vollzogen wurden.

        Das wäre an sich nicht so schlimm, schliesslich kann eine entschlossene Mehrheit die Blockade einer Minderheit leicht überwinden? Nicht, wenn die überwiegende Berichterstattung und Kommentierung zu dem Thema sich (bis in die frühen 2000er hinein) immer auf die Seite der Blockierer und Gewalttäter stellt, wegen (beliebiges „berechtigtes“ Anliegen einsetzen).

        Dass man sich jetzt von linksliberaler Seite empathisch des „gemeinsamen Fundamentes“ erinnert, ist eine derartig widerliche Heuchelei, dass mir dazu nichts mehr einfällt.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • CitizenK 3. Februar 2024, 21:03

          Wackersdorf gehört nicht wirklich in diese Reihe. Es war der Landrat, der letztlich seine Position geändert und letztlich das Projekt gestoppt hat: „Mir wurde ja gesagt, dass das ein Betrieb mit 3.200 Arbeitsplätzen wird und ein sauberer Betrieb ohne gefährliche Schadstoffe und so weiter. Da war ich zunächst einmal dafür. Bis ich gemerkt hab, dass die ja uns anlügen und die Unwahrheit sagen, und dann war die Sache für mich erledigt. Dann bin ich vom Befürworter zum Gegner geworden.“ (im Interview im DLF)

          • Thorsten Haupts 6. Februar 2024, 15:42

            Wackersdorf gehört nicht wirklich in diese Reihe.

            Doch, gehört es. Die Absicht der fast ausnahmslos gewalttätigen Demonstrationen war die Verhinderung der Umsetzung demokratisch legitimierter Beschlüsse. Und genau darum ging es mir.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

    • sol1 3. Februar 2024, 19:25

      Schiedsgerichte sind in „normalen“ Parteien eine ziemlich unspektakuläre Angelegenheit – dort ist im Grunde jeder froh, wenn es genug Juristen mit zu viel Freizeit gibt, die diese Arbeit übernehmen.

      In einem extremistischen Haifischbecken wie der AfD ist das völlig anders, weswegen da Leute reindrängen, die in erster Linie ihre eigene Seilschaft schützen wollen. Im Saarland gab es da neulich einen besonders absurden Fall:

      https://www.sr.de/sr/home/nachrichten/politik_wirtschaft/landesschiedsgericht_absetzung_kreisvorstand_afd_saarbruecken_100.html

      • Ariane 5. Februar 2024, 21:26

        Oh man, das ist ja wieder was Schönes zum Festlesen. Langweilig wirds bei denen nicht, danke für den Link!
        Aber ja, deswegen war ich für die Taz-Aufdröselung ganz dankbar. Abseits des Irrsinns von arischen Sprachen und Verweis aufs Nürnberger Rassegesetz ist der Weg dahin ja fast die größere Frage.

  • sol1 3. Februar 2024, 17:27

    Ein paar Anmerkungen:

    Correctiv ist nicht eindeutig links einzuordnen. Zwar kommt mit Jean Peters einer der Autoren aus der aktivistischen Ecke, aber die ebenfalls an der Recherche beteiligte Anette Dowideit war zuvor zwanzig Jahre lang bei der WELT. Hier ein Podcast mit ihr über die Hintergründe und die mediale Aufbereitung:

    https://uebermedien.de/91428/wie-viel-theater-braucht-investigative-recherche/ (32:08 min)

    Während die Union nun unter Druck steht, die Brandmauer höher zu ziehen (nun will man auch den Gastgeber des Treffens aus der Partei werfen: https://www.rnd.de/politik/cdu-stellt-villa-adlon-besitzer-ultimatum-zum-parteiaustritt-I3APY4HYNRF3BKO5OCIH7KICJ4.html), schreitet die Radikalisierung der AfD weiter voran, wie auch die Hetzrede von Alice Weidel diese Woche ium Bundestag gezeigt hat.

    Von Weimarer Verhältnissen sind wir zum Glück weit entfernt, wie du ja auch angemerkt hast – im Vergleich mit der SA sind die IB-ler jämmerliche LARPer:

    https://www.welt.de/kultur/plus249661508/Weimarer-Verhaeltnisse-Warum-Massendemonstrationen-nicht-immer-gegen-Nazis-helfen.html

    Erfreulicherweise erinnert die taz an den Wert der „bürgerlichen Antifa“:

    https://taz.de/Demos-gegen-die-AfD/!5985933/

    Und die FAZ macht sich die Mühe, die AfD-Propagandastrategie ausführlich zu entlarven:

    https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/geheimtreffen-mit-afd-in-potsdam-so-verdreht-die-partei-die-realitaet-19487104.html (paywallfrei: https://www.msn.com/de-de/nachrichten/other/geheimtreffen-in-potsdam-so-verdreht-die-afd-die-realit%C3%A4t/ar-BB1hysAl)

  • ERwin Gabriel 3. Februar 2024, 19:00

    Ich habe mich echt schwergetan, Euch zuzuhören. Erst mal erklärt Ihr, keine Ahnung zu haben, was da alles passiert, und dass Ihr seid vollkommen überrascht seid, dass der Correktiv-Bericht so eine Reaktion erzeugt. Da weiß ich dann gleich, was ich von Euren Einordnungen zu halten habe.

    Kleiner Hinweis: Du hast immer noch eine (ob schweigend oder nicht) recht große Mehrheit dagegen, so viele Flüchtlinge in unser Land zu lassen und zu teuer zu versorgen. Eine Mehrheit wünscht immer noch, dass Menschen ohne Aufenthaltstitel abgeschoben werden, und dass unsere Regierung sich und unsere Behörden endlich in einen Zustand setzt, geltendes und gesprochenes Recht umzusetzen; wenn ich Zuwanderer trotz anderslautender Gesetze und Urteile nicht loswerde, darf ich sie erst gar nicht aufnehmen. Wer solche Ansichten vertritt, bewegt sich im demokratischen Raum und steht mit beiden Füßen auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
    Etwas GANZ ANDERES ist, Menschen mit Migrationshintergrund, die einen deutschen Pass haben, aus dem Land zu werfen. Da bewegt man sich doch schon arg in den Spuren der NSDAP.

    • Ariane 3. Februar 2024, 19:28

      Etwas GANZ ANDERES ist, Menschen mit Migrationshintergrund, die einen deutschen Pass haben, aus dem Land zu werfen. Da bewegt man sich doch schon arg in den Spuren der NSDAP.

      Vielleicht wurde das nicht so deutlich, nichts anderes haben wir behauptet. Wir meinten mit „nichts Neues“ auch keine Diskussionen über legale Abschiebungen von Leuten ohne Aufenthaltstitel. Meine Güte, das ist etwas ganz anderes.
      Sondern konkret ähnliche Treffen mit ähnlichen Diskussionen wie die von Correctiv dokumentierte. Auch die sind nicht so ungewöhnlich in rechtsextremen Kreisen, die schreiben ja auch Bücher drüber. Unsere Verwunderung galt daher konkret der Frage, warum nun genau diese Recherche und dieses Treffen einmal die ganze Blase durchstoßen hat. Oder meinetwegen auch umgekehrt, warum hat es vorher niemanden interessiert. (und ich möchte nicht ausschließen, dass es vielleicht wirklich am Bezug auf Wannseekonferenz und Deportation lag, obwohl ich das extrem kritisch sehe)

    • Stefan Sasse 5. Februar 2024, 07:54

      Was war denn sonst der Auslöser…?

      Ich weiß nicht, wo du eine gegenteilige Analyse gehört haben willst.

      Exakt.

  • Thorsten Haupts 3. Februar 2024, 21:21

    Hmmmmmmm.

    Zu dem Themenkomplex vielleicht von Interesse:
    https://www.nzz.ch/international/es-gab-keinen-masterplan-remigration-zu-besuch-im-potsdamer-landhaus-adlon-ld.1775950

    Auszüge: … Der Hausherr sitzt im ersten Stock, in der derzeit freien Mastersuite mit Blick auf Garten, See und Eichhörnchen. Eine klare Lüge sei die Rede vom Geheimtreffen, sagt er. Correctiv hat diese Bezeichnung aufgebracht, übernommen wurde sie reihum. Dabei, beharrt Wilderink, sei das Haus an dem fraglichen Tag frei zugänglich gewesen, ohne zusätzliches Sicherheitspersonal, es habe neben den Tagungsteilnehmern auch andere Gäste gegeben. Der inkognito anwesende Correctiv-Reporter sei ein und aus gegangen, abgesehen vom Speisesaal im Erdgeschoss, wo das Treffen stattgefunden habe …
    … Correctiv beruft sich auf «sehr viele Quellen», die von dem Medium aber nicht näher spezifiziert werden. Die Frage der NZZ, ob ein Wortprotokoll der Veranstaltung vorliege, beantwortet der Chefredaktor Justus von Daniels mit dem Hinweis, Quellenschutz sei «der wichtigste Grundsatz unserer Arbeit». …
    … Wilderink fasst im Gespräch zusammen: «Es gab kein Geheimtreffen, es gab keinen Masterplan Remigration, es wurde nie über die Abschiebung von deutschen Staatsbürgern gesprochen.» Da lege er seine Hand ins Feuer. Correctiv habe um das Faktum eines Treffens herum «ein Lügenkonstrukt aufgebaut, das an keiner Stelle haltbar ist»

    Und damit behalte ich mir das Urteil vor. Ich vertraue „Correctiv“ nicht mehr, als der AfD …

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • sol1 4. Februar 2024, 00:54

      Die NZZ, die ja schon im Fall Franco Albrecht dessen Märchen aus der Hand gefressen hatte und deren Deutschland-Büro auch sonst eine Ansammlung von Totalversagern ist.

      /// Bei der ehemaligen Partnerin handelt es sich um die Biologin Mathilda Huss, der etwa «Zeit online» vorwirft, «eng in der rechtsextremen Szene vernetzt» zu sein. ///

      Da wird dann natürlich unterschlagen, welche Vorwürfe gegen sie nicht nur in diesem, sondern auch in anderen Artikeln gegen sie vorgebracht wurden.

    • Ariane 5. Februar 2024, 21:51

      Die Correctiv-Recherche und das dahinterliegende Ereignis sind nicht einzigartig, ein Vertrauen in genau diese Veröffentlichung ist nicht nötig. Ich habe hier drüber zb gerade von der Welt die Analyse von Krahs Buch verlinkt.

  • Ralf 3. Februar 2024, 22:01

    Ihr wundert euch im Podcast, warum die Massendeportationspläne News waren, die in Deutschland so eingeschlagen haben. Dabei war doch nicht neu, dass Rechtsextreme sowas planen.

    Tatsächlich wäre niemand erstaunt gewesen, wenn sich die NPD mit ein paar Skinheads und einer rechtsextremen Burschenschaft getroffen hätte und entsprechende Pläne diskutiert hätte. Aber hier war die AfD zentral beteiligt. Und viele haben leider immer noch nicht verstanden, was das für eine Partei ist. Außerdem waren da mehrere CDU-Politiker involviert. Und Freunde aus dem Kreis von Maaßen. Deshalb der Aufschrei.

    Ansonsten überschätzt ihr meiner Meinung nach die Bedeutung dieser Demonstrationen. Ein Wunder, dass ihr da eine Stunde lang drüber reden konntet. Schließlich sind die Proteste ja nicht Ausdruck dessen, dass vormalige AfD-Sympathisanten bekehrt wurden, sondern da geht eben dasjenige Segment der Gesellschaft auf die Straße, dass die AfD ohnehin nicht gewählt hätte.

    Kurz nach dem Bekanntwerden der Massendeportationspläne erinnere ich übrigens einen Zeitungsartikel, der beschrieb, dass sich die Umfrageergebnisse der AfD kein Stück geändert haben. Im Podcast redet ihr hingegen von 2-3%, die die AfD eingebüßt haben soll. Keine Ahnung, wer da Recht hat. Und ob die möglichen geringen Verluste wirklich einen echten Sinneswandel oder einfach den Social-Desirability Bias reflektieren. Und wie langfristig das Ganze ist. Eigentlich es ist aber egal. Die Verluste der Nationalsozialisten sind im besten Falle minimal.

    Und es muss sich auch noch zeigen, ob die Demonstrationen nicht am Ende ein Sieg der Rechtsextremen sind. Das Gefühl Opfer zu sein oder an die Wand gedrängt zu werden, stärkt normalerweise die Verblendeten im Rausch ihrer ideologischen Blase. Und als Teilerfolg haben die Nationalsozialisten den Begriff “Remigration” bereits jetzt normalisiert. Die Verschiebung des Overton-Fensters ist seit den 90ern die zentrale Strategie dieser Kreise. Bei der nächsten Konferenz zum Thema werden sicher keine zwei Millionen Menschen mehr auf die Straße gehen. “Remigration” wird dann “old News” sein und die Gesellschaft desensibilisiert. In zwei Jahren sitzen dann Intellektuelle bei Maischberger und diskutieren pro und contra Remigration.

    Eine Bemerkung wurde im Podcast am Anfang noch gemacht: Wie dumm doch die Leute seien, die behaupten die Machtergreifung stünde unmittelbar bevor. “Heute ist nicht 1933”, weiß der Moderator.

    1925 war übrigens auch nicht 1933. Und das Argument ist ein Strohmann.

    Tatsächlich ist es schockierend, dass selbst bei praktisch Vollbeschäftigung und saftigen Lohnsteigerungen in den vergangenen Jahren, folgend auf eine lange Phase wirtschaftlicher Stärke, eine nationalsozialistische Partei zweitstärkste Kraft im Land ist, mit der plausiblen Aussicht in mehreren Flächenbundesländern nicht nur stärkste Kraft zu werden, sondern möglicherweise sogar die Alleinregierung mit absoluter Mehrheit zu stellen. Was soll denn dann erst werden, wenn hunderttausende Menschen arbeitslos werden, weil sie durch einen KI-Algorithmus ersetzbar sind? Was soll erst werden, wenn die Kosten des Klimawandels richtig durchschlagen und die Menschen sich das tägliche Leben nicht mehr leisten können? Was soll erst werden, wenn sich die Arbeitslosigkeit verschärft, weil Betriebe abwandern, die aufgrund des Fachkräftemangels keine qualifizierten Mitarbeiter mehr finden? Was soll erst werden, wenn die Russen und Chinesen ihren Einfluss in Afrika nutzen, um weitere Armutsmigrationswellen nach Europa zu initiieren? Was soll erst werden, wenn China in Taiwan einfällt und in der Folge die deutsche Exportindustrie kollabiert? Was wenn Trump Präsident wird und Putin als nächstes einen Aufstand der russischen Minderheit im Baltikum anzettelt?

    Und die strukturellen Ursachen, die zur Abwendung der Menschen von der Demokratie und unserem System führen – insbesondere das Internet mit seinen sozialen Medien und die private News-Industrie, in der Information käuflich ist und dem Profit dient – bestehen unverändert und verschärfen sich. Ich hab den Artikel nicht gelesen, weil er hinter einer Paywall ist, aber dem Spiegel entnehme ich heute den folgenden Teaser: “WhatsApp ist die beliebteste App Deutschlands. Mutterkonzern Meta baut den Messenger zu einer öffentlichen Plattform aus – auch, um endlich Geld zu verdienen. Die Gefahr: Die App könnte zum Verstärker von Hass und Hetze werden.”. Sagt der Spiegel, wohlgemerkt – nicht ich. Albert Einstein definierte Wahnsinn mal als “immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten”.

    Und so: Ja – heute ist nicht 1933. Aber es fehlen plausible Argumente, weshalb nicht bald 1933 sein könnte. Sechzig Jahre lang wäre das in Deutschland unvorstellbar gewesen.

    • sol1 4. Februar 2024, 01:04

      /// Kurz nach dem Bekanntwerden der Massendeportationspläne erinnere ich übrigens einen Zeitungsartikel, der beschrieb, dass sich die Umfrageergebnisse der AfD kein Stück geändert haben. Im Podcast redet ihr hingegen von 2-3%, die die AfD eingebüßt haben soll. Keine Ahnung, wer da Recht hat. ///

      Das läßt sich leicht nachprüfen. Bei fünf Instituten läßt sich seit Mitte Januar ein Rückgang von 3 % feststellen:

      https://www.wahlrecht.de/umfragen/

      /// Albert Einstein definierte Wahnsinn mal als “immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten”. ///

      Das ist nicht von Einstein.

      Aber dafür das hier:

      „Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein.“

      https://www.profil.at/wissenschaft/zitate-von-albert-einstein-richtig-6107724

      • Ralf 4. Februar 2024, 01:12

        Das ist nicht von Einstein.

        Wird ihm scheinbar fälschlicherweise zugeschrieben. Danke für die Korrektur. War mir nicht bewusst.

        Und es ist schade, dass er es nicht gesagt hat. Denn es stimmt ja … 😉

    • Stefan Sasse 5. Februar 2024, 07:58

      Ja, aber dass die AfD in so was drinsteckt ist eigentlich nicht neu – dass ist unsere Verwunderung. Bisher hat das trotz zahlreicher Belege ja auch niemand gestört. Ich weiß einfach nicht, was es an dem Correctiv-Ding ist, dass ausgerechnet das explodiert ist. Ich freu mich natürlich drüber, ich versteh es nur nicht.

      Ich rechne auch nicht mit einem Bekehren; ich finde die Demonstration von Pro-Demokratie so wichtig!

      Umfragen: sagen wir ja im Podcast explizit? Margin of Error und so. Wir hoffen halt mal.

      An die Wand drücken: Ich kann es nicht mehr hören. ALLES stärkt angeblich immer die AfD. Demonstrieren. Nicht demonstrieren. Über sie reden. Nicht über sie reden. Inhaltlich stellen. Inhaltlich nicht stellen. Egal was, immer sagt irgendjemand Kluges, dass es der AfD hilft. Und die Argumente sind auch immer plausibel! Aber: wenn ALLES der AfD hilft, können wir den Laden dicht machen.

      Weimar: Unser Argument ist, dass weder 1925 noch 1933 eine so breite demokratische Mehrheit existierte. Die haben wir aber unzweifelhaft noch.

    • Ariane 5. Februar 2024, 22:05

      Dabei war doch nicht neu, dass Rechtsextreme sowas planen.
      Wie Stefan auch erwähnte, unser Erstaunen ist ja gerade, dass diese Correctiv-Recherche plötzlich so einen Turnaround verursacht hat, gerade weil es so gar nicht einzigartig ist.
      Mir solls recht sein, wer bin ich, das in Frage zu stellen^^

      Und es muss sich auch noch zeigen, ob die Demonstrationen nicht am Ende ein Sieg der Rechtsextremen sind.
      Also wenn dieser langanhaltende, größte Massenprotest in der deutschen Geschichte mit zusätzlichen Bekenntnissen von Wirtschaftsunternehmen und Promis dann auch nur zum Sieg der Rechtsextremen führen. Dann kann man wohl nix mehr tun. Ernsthaft, was denn noch? 100% Zustimmung zur Demokratie und Ablehnung von Rechtsextremen? Gabs nie, gibts nie, wirds nie geben. Aber dieser extrem breite Aufruhr PRO Demokratie und Liberalismus ist eine extreme Unterscheidung zu ’33, ich finde ihn sogar wichtiger als einzelne Verfassungs-Paragraphen.

      Und vielleicht gehts ja auch einmal ein einziges Mal nicht um die AfD-Heinis und ihre verirrten Wähler*innen. Ob der Abwärtstrend sich nun fortsetzt oder nicht. Ich halte diesen Aufruhr für die Nicht-AfDler für wichtiger und wirkmächtiger.

      • Ralf 5. Februar 2024, 23:44

        Ich glaube, Du missverstehst mich da. Und Stefan zuvor auch schon. Mir geht es nicht darum zu sagen, dass es für die AfD immer gut ist – dann wenn die Leute gegen sie auf die Straße gehen und auch dann wenn die Leute nicht gegen sie auf die Straße gehen.

        Mir geht es um den Punkt, dass viele – und ihr meinem Eindruck nach auch – auf diese Proteste schauen und befriedigt feststellen, dass ja doch alles noch in Ordnung ist in Deutschland. Da ist sie ja nun: Die große Mehrheit der Demokraten auf der Straße.

        Aber die Menschen, die da zu den Demonstrationen gehen, sind nicht Ausdruck einer stark veränderten Stimmungslage im Land. Sie sind nicht Ausdruck eines langfristigen Sinneswandels. Sie sind nicht Ausdruck einer Abkehr von Wählern von den Nationalsozialisten. Tatsächlich haben sich die Wahlvorhersagen für die AfD allenfalls minimal verschoben. Es hat sich praktisch nichts verändert. Nur das Segment, das auch zuvor bereits die AfD nicht gewählt hätte, protestiert jetzt halt. So what?

        Und für eine Machtergreifung braucht es keine Mehrheit. Die NSDAP hatte 1933 auch keine absolute Mehrheit. Sie fand halt einen Koalitionspartner. Heute gibt es mehrere Kleinparteien, bei denen ein Wachstum im Zuge der bevorstehenden Krisen (es sind viele und ich hab einen Teil von ihnen in meinem Post oben aufgezählt) plausibel ist (Wagenknecht-Partei, Maaßen-Partei, Freie Wähler) und die sich als mögliche Steigbügelhalter anbieten. Auch in der CDU und in der FDP gibt es signifikante dahingehende Strömungen. Und eine Zersplitterung der Parteienlandschaft kombiniert mit einem schwachen Abschneiden vieler Kleinparteien unter der 5%-Hürde kann eine absolute Mehrheit auch mit nur knapp über 40% der Stimmen ermöglichen (z.B. 41,0% AfD, 20% CDU, 7,0 SPD, 6,0% Grüne, 5,0% FDP, 4.9% LINKE, 4,8% Wagenknecht-Partei, 3,8% Maaßen-Partei, 4,5% Freie Wähler, 3% Sonstige). Das heißt, die Machtergreifung ist auch gegen eine Mehrheit von Demokraten möglich, wenn die sich nur ungeschickt genug auf diverse Kleinparteien in einem zersplitterten Parteiensystem wie dem unseren aufteilen.

        Unsere Situation ist deshalb brandgefährlich. Eigentlich müssten wir reagieren. Eigentlich müssten wir an die strukturellen Ursachen des Aufstiegs der Nationalsozialisten rangehen. Stattdessen geben wir auf und singen uns selbst ein Schlaflied. Und nochmal: Die großen kommenden Krisen haben noch fast überhaupt nicht auf unsere Gesellschaft durchgeschlagen. Wir stehen mit der AfD bereits als zweitstärkster Kraft am Beginn einer möglicherweise jahrzehntelangen Durststrecke mit massiven Wohlstandseinbußen und Einbußen der Lebensqualität, mit fundamentalen gesellschaftlichen Transformationen, mit Aufstiegen und Abstiegen breiter Segmente unserer Communities. Wie soll unser System das im jetzigen Zustand überleben?

      • Stefan Sasse 6. Februar 2024, 07:53

        Exakt!

  • cimourdain 4. Februar 2024, 23:16

    Gerade wenn die Sympathien so klar sind wie hier, wäre es für die Analyse hilfreich gewesen, wenn ihr diese gedanklich etwas beiseite legt. Denn in meinen Augen haben die beiden „Kritikpunkte“, die ihr so energisch zurückweist, zumindest einen wahren Kern:

    – „Demonstration FÜR die Regierung“: Zumindest nicht Demonstration gegen Regierung oder EU, obwohl beide in Sachen Migration eine reale Politik machen, der wie vom Wunschzettel der AfD abgelesen wirkt und auch sehr konkret demokratiegefährdende Regulierungen (z.B. Digital Service Act) liefern. Nein, es richtet sich nicht gegen Machthaber sondern gegen Opposition.

    – „Gratismut“ Deshalb müssen diese Demonstranten weder damit rechnen, dass die (staatsnahen) Medien dagegen eine „Hetzkampagne“ fahren noch dass es gegen Sie staatliche Repression gibt – etwas was in den letzten Jahren nicht selbstverständlich ist, wie andere Protestbewegungen (gegen die Coronapolitik oder gegen Aufrüstung und Kriegsbeteiligung) belegen.

    • Ralf 4. Februar 2024, 23:48

      Mir ist nicht klar, weshalb bei einer Demonstration gegen Nazis erwähnenswert ist, dass die Protestierenden nicht gegen die Ampel oder gegen die EU auf die Straße gegangen sind. Sie sind auch nicht gegen Dachdecker, gegen Flaschenöffner oder gegen Portugal auf die Straße gegangen.

      Was die Gefahr demokratiegefährdender Regulierung angeht, bin ich bei Dir. Dass irgendwer Politik vom Wunschzettel der AfD abschreibt, ist hingegen absurd. Wie der Wunschzettel der AfD aussieht, wissen wir ja jetzt: Massendeportation aller, die nicht deutsches Blut haben (was auch immer “deutsches Blut” sein mag) und auch derer, die sich für Migranten eingesetzt haben nach Afrika. Niemand in der Ampel oder in der EU schreibt sowas auf irgendeine Agenda.

      Die (staatsnahen (für sich schon ein inhaltlich falscher Begriff)) Medien fahren keine Hetzkampagnen und es gab auch keine staatliche Repression gegen Regierungskritiker in den vergangenen Jahren – weder bei der Covid-Politik, noch bei Fragen von Aufrüstung oder Kriegsbeteiligung. In beiden Fällen sind kritische Stimmen mehr als umfangreich – insbesondere übrigens in den “staatsnahen” Medien – zu Wort gekommen. Zur besten Sendezeit. Ihre Meinungen sind breit diskutiert worden. Dutzende Male. Und im Falle der Covid-Zeit sind aktive Zuwiderhandlungen gegen die rechtliche Lage wieder und wieder und wieder gnädig von der Polizei übersehen worden. Anders als Klimademonstranten sind Querdenker nirgendwo niedergeknüppelt worden. Ich hab den Eindruck, Dich stört hier in erster Linie, dass Deine persönliche Meinung nicht das dominante öffentliche Narrativ ist.

      • Stefan Sasse 5. Februar 2024, 08:00

        +1

      • cimourdain 5. Februar 2024, 14:13

        Auch wenn im Text davor viel halbrichtiges enthält, dein Schlusseindruck trifft zugegebenermaßen den Nagel auf den Kopf: Mich stört tatsächlich, dass meine Meinung nicht das dominante öffentliche Narrativ ist. Meine Meinung ist nämlich, dass es in der Politik (und nicht nur dort) grundsätzlich wichtig ist, Dinge differenziert zu sehen. Das ist unangenehm und nicht immer einfach (wie du manchmal eindrucksvoll demonstrierst), deshalb hier ein paar Tips:

        – Realitäten sind nicht schwarz-weiss sondern Grautöne. In Bezug ist das mittelgraue Verschieben des Overton Fensters durch die Regierenden(!) und deren konkrete Gesetze (aktuell: Bezugsschein) für mich beunruhigender, als die dunkelgraue Rhetorik einer radikalen Partei oder die Phantasien einer Kabale innerhalb dieser Partei. Aber das ist Geschmackssache.

        – Rede mit Leuten anstatt über sie. Das, was für dich eine normale Auseinandersetzung mit Andersdenkenden ist, erscheint Betroffenen als „Hetzkampagne“. Mir nicht (deshalb die Anführungszeichen), aber ganz gegenstandslos (siehe Punkt 1) ist der Vorwurf nicht, es gab und gibt diffamierende Ausdrucksweise gegen Regierungskritiker. Ich nenne mal als Beispiel „Lumpenpazifisten“.

        – Alle machen Propaganda. Eine ungefärbte Darstellung ist nicht möglich und die Auswahl der „wichtigen“ Nachrichten ist immer vom Medium abhängig. Massenmedien tendieren immer dazu, die Narrative der Herrschenden und der Mächtigen zu übernehmen, deshalb ist es wichtig auch Gegennarrative zumindest offen anzuhören.

        – Dazu gehört auch, Fakten, die einem nicht gefallen, nicht zu ignorieren. Selbstverständlich gab es Polizeigewalt gegen „Querdenker“. Es gab berufliche Repressionen und Zensur.

        • Ralf 5. Februar 2024, 19:25

          (1) Ja, Realitäten sind nicht schwarz-weiß. Und ja, das langsame Verschieben von Grenzen durch amtierende Regierungen macht auch mir Sorge. Aber im Unterschied zur braunen Brut, sind amtierende Regierungen abwählbar. Weil es Demokraten sind. Und weil Demokraten auf Siege bei Wahlen angewiesen sind, sind Regierungen auch für Stimmungen in der Bevölkerung empfänglich. Dein Problem ist da in erster Linie, dass halt keine Mehrheit in der Bevölkerung existiert, die Dein Narrativ unterstützt. Oder – wenn es eine Mehrheit gibt – ist ihr das Thema nicht besonders wichtig. In dem Fall empfehle ich Dir, einfach abzuwarten. Stimmungen drehen sich periodisch. Ich hab mich genauso gefühlt wie Du, als in den 90er Jahren und 2000er Jahren überall der Neoliberalismus gehypt wurde. In jeder Talkshow. Dauernd. Jahrelang. Und dann kam der Lehman Brothers-Kollaps und die Bankenkrise und die Stimmung drehte sich. Der Neoliberalismus kam aus der Mode. Also einfach mal Geduld bewahren …

          (2) Es gibt immer irgendwen, der zu irgendwas etwas Unpassendes sagt. Ich würde den Begriff “Lumpenpazifisten” niemals verwenden. Ich weiß noch nicht mal, was das sein soll – außer einer offensichtlichen Beleidigung. Ich kenne auch keinen meiner Freunde, der einen solchen Begriff verwendet. Ich habe den Begriff nie im Fernsehen gehört – kein Nachrichtensprecher, kein Moderator, kein Talkshow-Host hat den in meinem Beisein verwendet. Für mich stellt sich die Frage nach dem Sinn eine Aussage als repräsentativ für die Gegenseite darzustellen, wenn auf der Gegenseite praktisch niemand diese Aussage teilt.

          (3) Massenmedien sind viel zu heterogen, als dass sie als Gruppe die “Narrative der Herrschenden und Mächtigen” übernehmen könnten. Die magst die Ampel nicht? Lies halt die FAZ oder die Welt. Du magst die CDU nicht? Dann lies halt die taz. Opposition findest Du immer. Und tatsächlich würde ich sogar das Gegenteil Deiner These behaupten. Politiker werden in Talkshows extrem heftig und polemisch angegangen. Moderatoren geht es meist in erster Linie darum Politiker vorzuführen, “Gotcha-Momente” zu produzieren. In kaum einer politischen Talkshow fehlen Begriffe wie “ratloseste Regierung”, “schlechtester Kanzler”, “unfähigste Koalition”. Vom Kuschelkurs mit den Regierenden sehe ich in der Realität überhaupt nichts.

          (4) Sorry, das stimmt einfach nicht. Von beruflicher Repression und Zensur in der Covid-Krise oder von Gewalt gegen Querdenker, kann überhaupt keine Rede sein. Jemandem kein Megaphon in die Hand zu drücken, ist nicht Zensur. Einen Arzt, der Krebspatienten Homöopathie verschreibt, aus dem Verkehr zu ziehen, ist nicht berufliche Repression. Zensur ist, wenn der Staat Kritiker mundtot macht. Mundtot war aber in der Covid-Krise nun wirklich niemand. Wer damals mal einen Blick ins Internet geworfen hat weiß: “Mundtot” sieht anders aus.

          • cimourdain 6. Februar 2024, 00:01

            3) Auch hier haben wir eine Grauzone und sehr viel gefühlte Wahrheiten beiderseits. Die Empirie (im letzten Vermischten hat Stefan wieder eine Studie präsentiert) gibt ein durchwachsenes Bild. In wichtigen Sachthemen herrscht eine mediale Schlagseite von bis zu 80% (Brenner Stiftung). Alle Politiker kommen nicht gut weg, Regierung etwas besser als Opposition und deutlich besser als Gruppen ohne realistische Machtoption. Regierungsparteien haben eine höhere Präsenz als Opposition, was auch der Doppelrolle als Legislativentscheider und Exekutive liegt. etc.. Wie gesagt eine durchmischte Bilanz, aber von den Medienleuten kommt in dieser Richtung exakt keine Selbstkritik.

            4) Wurden 2021 „Querdenker“ Facebook-accounts gelöscht? Ja oder nein ? Wurden Lehrverträge mit Akdemikern gekündigt oder sachgrundlos nicht gekündigt? Natürlich wirst du ganz tolle Gründe dafür anführen, warum das gerechtfertigt ist – am Ende bleibt es Zensur und Repression.

            • Ralf 6. Februar 2024, 01:20

              (3) Regierungsparteien haben viel Präsenz in den Medien, weil sie aktive Verantwortung tragen und ihre Politik erklären müssen. Und in praktisch jeder Sendung ist auch ein Repräsentant der Opposition vertreten. Kleinparteien kommen verzerrt oft zu Wort, wenn sie charismatische Führer haben (Westerwelle, Wagenknecht, Aiwanger). Aber dass die ÖDP weniger Präsenz in den Medien hat als die SPD, die den Kanzler stellt, sollte doch niemanden verwundern.

              (4) Das Löschen von Social Media-Accounts stellt keinen Akt von Zensur dar. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist das Recht die Meinung frei zu äußern. Nicht das Recht eine große Zuhörerschaft zu haben. Und bei privaten Betreibern mit Hausrecht ist es noch absurder von Zensur zu sprechen. Genauso könntest Du einem Türsteher in der Disco, der Dich abgewiesen hat, Freiheitsberaubung vorwerfen. Im übrigen hat das Recht auf freie Meinungsäußerung auch Grenzen, z.B. wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet ist – und selbstverständlich wird hier in der Realität juristisch abgewogen.

              Was die Akademiker angeht – denen kann man normalerweise garnicht kündigen, weil die Beamte sind. Da wäre ich auf die konkreten Beispiele gespannt, wenngleich ich Schlimmes befürchte, wenn Du bereits im Voraus einschränkst, dass sich bei den entsprechenden Fällen wohl plausible Gründe finden lassen werden, für das Geschehene. Fest steht, dass niemand an einer Universität seinen Job verliert, weil er eine wissenschaftlich begründete andere Meinung hat. Ohne schwerwiegende Verstöße gegen die wissenschaftliche Ethik ist das völlig unvorstellbar. Da müsste jemand z.B. völlig in das Lager der Verschwörungstheoretiker abgedriftet sein.

              Mal als Beispiel dafür, was möglich war in der Covid-Zeit: Im Oktober 2020 warb der Virologe Hendrik Streeck öffentlich – und gegen die erdrückende Mehrheit der Fachleute – für Alternativen zu Lockdowns. Streeck behauptete, Deutschland könne 20.000 Neuinfektionen am Tag gut verkraften. Die Politik – insbesondere die CDU mit Achim Laschet an der Spitze, der mit dem Image des “großen Öffners” in die kommende Bundestagswahl ziehen wollte – fand in dieser Einzelmeinung, die Bestätigung, die sie suchte. Sie verzögerte den Lockdown, bis er unausweichlich wurde. Zwischen Oktober 2020 und März 2021 starben in Deutschland schließlich fast 74.000 Menschen. Das schlimmste Massaker auf deutschem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg. Eine Katastrophe unbeschreiblichen Ausmaßes. Und das Ganze in dieser Größenordnung völlig überflüssig. Nur Wochen bevor das schützende Vakzin verfügbar wurde, das Zehntausende gerettet hätte. Hat diese folgenreiche, katastrophale Fehlentscheidung Hendrik Streecks Karriere irgendeinen Abbruch getan? Nope. Er ist immer noch der Leiter der Virologie in Bonn. Er trat sogar weiter auf und agitierte weiter gegen Lockdowns. Auch später noch. Im Fernsehen war er Dauergast. Soll mir nochmal einer erzählen, in Deutschland würde Zensur herrschen …

            • Stefan Sasse 6. Februar 2024, 07:55

              3) „Exakt keine“ ist falsch. Schließlich verlinke ich Berichte darüber… „Zu wenig“ gerne.

      • Ariane 5. Februar 2024, 22:06

        Zustimmung im großen und ganzen.
        Mir ist nicht klar, weshalb bei einer Demonstration gegen Nazis erwähnenswert ist, dass die Protestierenden nicht gegen die Ampel oder gegen die EU auf die Straße gegangen sind. Sie sind auch nicht gegen Dachdecker, gegen Flaschenöffner oder gegen Portugal auf die Straße gegangen.
        Schön gesagt 😉

    • Stefan Sasse 5. Februar 2024, 08:00

      – Das hat doch damit auch nix zu tun?!

      – Die „staatsnahen“ Medien (du meinst vermutlich ÖRR…?) fahren keine Hetzkampagnen gegen irgendwen, auch nicht gegen die Coronademos oder Friedensdemos oder whatever.

    • Ariane 5. Februar 2024, 22:11

      Nein, es richtet sich nicht gegen Machthaber sondern gegen Opposition.

      Nein, tut es nicht. Es richtet sich gegen Rechtsextremismus und für Demokratie. Wer da gerade in der Regierung oder Opposition ist, spielt gar nicht so eine große Rolle. (btw ist zb die LINKE oder die CDU auch in der Opposition, bitte nicht so tun als hätten wir nur eine Oppositionspartei in Deutschland)

      2) Nein, ich halte das für falsch. Erstmal gab es keine Hetzkampagne und wie ich im letzten Vermischten anmerkte, diese Einzel-Homestories, warum Leute bei Querdenken oder Pegida oder auch bei Bauernprotesten demonstriert haben, waren sogar zahlreicher.

    • cimourdain 6. Februar 2024, 09:34

      Nachtrag und Relativierung zum 1. Punkt: Bei Demonstrationen in anderen Städten wurde durchaus auch die Bundesregierung in Reden deutlich kritisiert (Quelle: Zeitzeugengespräche). Vielleicht waren die Demos nur in München so handzahm.

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