Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal komplett zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.
Fundstücke
1) Big government is back. How will we pay for it?
Auf dem Jackson Hole Symposium äußerte Professor Barry Eichengreen von der University of California düstere Prognosen hinsichtlich der während der Pandemie und der Finanzkrise angehäuften öffentlichen Schulden. Er und der IMF-Ökonom Serkan Arslanalp argumentierten, dass diese Schulden in absehbarer Zukunft nicht signifikant abnehmen werden, da das Wirtschaftswachstum wahrscheinlich nicht ausreicht, um sie zu reduzieren, und Regierungen eher dazu neigen, die Ausgaben zu erhöhen, anstatt sie zu kürzen. Dies stellt den Konsens über kleinere, weniger interventionistische Regierungen infrage, der seit den 1980er Jahren vorherrscht. Faktoren wie die Pandemie, der Übergang zu grüner Energie und geopolitische Spannungen haben zu mehr staatlichem Eingreifen in entwickelten Volkswirtschaften geführt. Die Finanzierung dieser Interventionen stellt jedoch eine Herausforderung dar, da höhere Kreditkosten es bereits verschuldeten Ländern erschweren, die Anleihemärkte zu nutzen. Die Erhöhung von Steuern ist politisch heikel, und es könnte untragbar werden, jüngere Arbeitnehmer zu besteuern, um Leistungen für ältere Bürger zu finanzieren. Die Rückkehr des fiskalischen Aktivismus erfordert eine Überprüfung der Fiskalpolitik, möglicherweise einschließlich neuer Einnahmequellen und Vermögensteuern. Diese Änderungen in der Besteuerung haben Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum, die fiskalische Glaubwürdigkeit und die gesellschaftliche Gerechtigkeit. (Emma Agyemang/Chris Giles, Financial Times)
Ich prophezeie schon seit längerem einen Paradigmenwechsel in der Wirtschaftspolitik. Die Quadratur des Kreises, auf der einen Seite keine zusätzlichen Schulden aufnehmen zu wollen und niemanden durch höhere Steuern zu belasten, den aktuellen Leistungsstandes des Staates beizubehalten (was abseits der Rhetorik völliger Konsens ist) und gleichzeitig Zukunftsaufgaben angehen zu wollen, kann auf Dauer nicht aufrechterhalten werden. An irgendeiner Stelle müssen Anpassungen vorgenommen werden. Ich halte es immer noch für wahrscheinlicher, dass dies auf dem Feld der Schuldenbegrenzungen geschehen wird, aber auch Steuererhöhungen sind grundsätzlich ein heißer Kandidat. Woran ich überhaupt nicht glaube, das ist eine signifikante Senkung der Ausgaben. Das ist weder praktikabel noch politisch durchsetzbar.
2) Union will Abgaben für Arbeitnehmer und Steuern für Unternehmen deckeln
Die Spitze der Unionsfraktion im Bundestag, angeführt von Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, hat ein Maßnahmenpaket zur Ankurbelung der deutschen Wirtschaft vorgeschlagen. Dieses Paket beinhaltet Vorschläge zur steuerlichen Entlastung von Bürgern und Unternehmen sowie zur Förderung von Investitionen und Energieausbau. Die Union fordert eine Investitionsoffensive, die Wirtschaft, Klima und Energie verbindet. Eine „Belastungsbremse“ soll die Sozialabgaben bei 40 Prozent deckeln. Überstunden und Arbeit im Rentenalter sollen steuerfrei sein. Die Gesamtsteuerbelastung von Unternehmen soll bei 25 Prozent gedeckelt werden. Die Union strebt einen Strompreis von unter 20 Cent pro Kilowattstunde an und fordert eine Senkung der Stromsteuer auf das EU-Minimum. Die Netzentgelte sollen halbiert werden. Zudem sollen steuerliche Anreize für private Investitionen geschaffen und unnötige Bürokratie abgebaut werden. Die Union plant auch Anreize, um ältere Arbeitnehmer länger im Berufsleben zu halten, indem bis zu 2000 Euro monatlich steuerfrei verdient werden können. Die Unionsfraktion hofft offenbar, dass diese Vorschläge ihre Umfragewerte verbessern, die seit Monaten unter der 30-Prozent-Marke liegen. (Handelsblatt)
Das ist ein hervorragendes Beispiel für die an dieser Stelle oft beklagte Tendenz, Politik zu entpolitisieren. Um der ganzen Absurdität noch die Spitze aufzusetzen fordert die FDP eine „Subventionsbremse“. Mich wundert ehrlich gesagt, das die LINKE oder SPD nicht schon längst eine Steuersenkungsbremse und die Grünen eine Bremse für irgendetwas anderes gefordert haben (mir fehlt gerade die Fantasie für das passende Beispiel). Es ist eine völlige Absurdität und führt die gesamte Demokratie ad absurdum. Selbstverständlich hat der Vorschlag der CDU genauso wie der der FDP keine Chance auf Umsetzbarkeit; es ist allen Beteiligten auch klar, dass das reines Wahlkampfgetöse und dummes Geschwätz ist. Aber auf der anderen Seite ist immer die Gefahr, dass die Dummschwätzer irgendwann ihren eigenen Unsinn glauben und dann eine Schuldenbremse ins Grundgesetz schreiben.
3) Die Automatisierung und doppelte Sinnlosigkeit von Korrekturen
In einer Weiterbildungsveranstaltung wurde gezeigt, wie DeepL Write Texte orthografisch, grammatikalisch und stilistisch korrigieren kann. Im Vergleich zur manuellen Korrektur durch Menschen sind KI-Tools wie DeepL Write genauer und automatisieren den Korrekturprozess. Dies führt dazu, dass das manuelle Korrigieren von Texten, auch in der Schule, zunehmend sinnlos wird, obwohl es für viele Lehrkräfte nach wie vor eine unverzichtbare Fleiß- und Pflichtübung darstellt. Björn Nölte wies in einem Vortrag darauf hin, dass Korrekturen wenig zur Kompetenzentwicklung beitragen. Er verwies auf eine Studie von John Truscott, die zeigte, dass Korrekturen einen geringen positiven Effekt auf die Schreibgenauigkeit haben, wenn überhaupt. Als Alternative schlägt der Autor vor, Schülerinnen und Schülern Hinweise auf Fehlerquellen zu geben und sie dazu aufzufordern, diese in Zukunft zu vermeiden. Zudem empfiehlt er den Einsatz von Tools wie DeepL Write, um Texte selbst zu überarbeiten und Fehler zu eliminieren. Dies ermöglicht es Lehrpersonen, mehr Zeit für gezieltes Feedback zu verwenden und den Schülerinnen und Schülern zu helfen, korrekte Texte zu verfassen. Insgesamt betont der Autor, dass die manuelle Korrektur von Texten in vielen Fällen nicht sinnvoll ist und alternative Ansätze effektiver sein können. (Philippe Wampfler, Schule Social Media)
Es ist ein typisches Zeichen für etwas, woran das Schulsystem schon seit langem krankt: der Mangel an einer Umsetzung oder auch nur Anerkennung von Forschungsergebnissen. Die Pädagogik, Erziehungswissenschaft und Didaktik produzieren permanent wertvolle Erkenntnisse – wobei es nach wie vor einen eklatanten Mangel an empirischen Belegen gibt, weil viel zu wenig Mittel für empirische Forschung im eigentlichen Unterricht zur Verfügung stehen – die überhaupt keine Beachtung finden. Die Studie von Truscott ist da nur ein besonders prägnantes Beispiel: wir Lehrkräfte verbringen einen unglaublichen Anteil unserer Arbeitszeit damit, komplett sinnlose Korrekturen anzufertigen, die nicht nur nicht rezipiert werden, sondern potenziell sogar schädlich sind. Es gibt zahlreiche solche Baustellen im Bildungssystem, wo aus reiner Tradition, weil man es halt immer schon so gemacht hat, und aus der lautstarken wie unwissenden Überzeugung der Öffentlichkeit, der Schüler*innen, der Eltern und auch der Lehrkräfte selbst eine Anpassung nicht möglich ist. Ein anderes solches Gebiet sind Hausaufgaben: ihre Wirksamkeit ist zumindest hochgradig fraglich, vor allem in der Form, in der sie im Allgemeinen praktiziert werden. Und dennoch werden sowohl Schüler*innen als auch Eltern jahraus, jahrein damit gequält.
Trotz wirtschaftlicher Turbulenzen und einer abnehmenden Anzahl von offenen Stellen auf dem deutschen Arbeitsmarkt haben viele Unternehmen Schwierigkeiten, ihre sogenannten „Blue-Collar-Jobs“ zu besetzen. Diese Jobs erfordern überwiegend körperliche Arbeit und umfassen Bereiche wie Handwerk, Industrie, Einzelhandel und Dienstleistungen. Laut einer Analyse von Forsa im Auftrag von onlyfy by Xing sehen sich 93 Prozent der befragten Unternehmen mit Problemen bei der Besetzung offener Stellen konfrontiert. Die Gründe für den Fachkräftemangel sind vielfältig: 83 Prozent der Unternehmen gaben an, dass es generell zu wenig Arbeitskräfte auf dem Markt gibt. 62 Prozent klagten über unzureichende fachliche Qualifikationen der Bewerberinnen und Bewerber, und 55 Prozent nannten hohe Gehaltsansprüche der Kandidaten als Herausforderung. Die Dauer der Stellenbesetzung beträgt bei 44 Prozent der Unternehmen drei bis sechs Monate. Besonders betroffen sind der Dienstleistungssektor und die Industrie. Gleichzeitig sind 37 Prozent der Blue-Collar-Arbeitnehmer offen für einen Jobwechsel, und 21 Prozent sind unzufrieden mit ihrer aktuellen beruflichen Situation. Besonders die Generation Z zeigt eine hohe Wechselbereitschaft. Die Unzufriedenheit der Arbeitnehmer resultiert aus hoher Arbeitsbelastung, Gehaltsfragen und zwischenmenschlichen Problemen am Arbeitsplatz. Jobsicherheit, ein attraktiver Standort und gutes Führungsverhalten sind für die Arbeitnehmer entscheidende Faktoren bei der Wahl eines neuen Arbeitgebers. Die flexible Arbeitszeitgestaltung ist ebenfalls von großem Interesse. Hassler betont, dass die Bedürfnisse der Blue-Collar-Arbeitnehmer in der Diskussion um den Fachkräftemangel stärker berücksichtigt werden sollten, da sie die Mehrheit des Arbeitsmarktes ausmachen. Unternehmen müssen attraktiver werden, um den Fachkräftemangel zu bewältigen. (Rendrikje Rudnick, Business Insider)
Ich finde diese Betrachtung des Fachkräftemangels immer wieder merkwürdig. So ist eine der großen Schlussfolgerungen, die hier im Artikel gezogen wird, dass Unternehmen attraktiver für Bewerber*innen werden müssen. Nur: das mag natürlich dem individuellen Unternehmen helfen, aus einem begrenzten Pool einen größeren Anteil abzubekommen, es löst aber nicht das gesamtwirtschaftliche Problem des Mangels. Dieses lässt sich nur beheben, indem in den jeweiligen Mangelbranchen ausgebildet wird. Gerade hier allerdings bestehen seitens der Unternehmen seit vielen Jahren große Defizite. Diese Eigenverantwortung der Unternehmen für die Heranbildung des Nachwuchses wird viel zu wenig thematisiert; Stattdessen besteht eine merkwürdige Anspruchshaltung der Wirtschaft gegenüber dem Staat, dass dieser für gut ausgebildeten Nachwuchs zu sorgen habe, der den Unternehmen sozusagen schlüsselfertig zur Verfügung steht. In eine ähnliche Kerbe schlägt auch dieser Gastartikel im Spiegel. Auffällig ist zudem als Nebenbemerkung, wie verbreitet Probleme mit der pünktlichen Zahlung des Gehalts zu sein scheinen. Wenn Unternehmen nicht einmal das hinbekommen, brauchen sie auch nicht über Fachkräftemangel zu meckern.
Der Leitartikel im SPIEGEL behandelt die Affäre um Hubert Aiwanger, den stellvertretenden Ministerpräsidenten Bayerns und Vorsitzenden der Freien Wähler. Aiwanger hat Vorwürfe zurückgewiesen, dass er in den 1980er Jahren an der Verbreitung eines antisemitischen Hetzblatts beteiligt war. Die Medien, darunter die Süddeutsche Zeitung und der SPIEGEL, haben darüber berichtet und forderten Aiwanger auf, die Vorwürfe zu klären. Aiwanger hingegen bezeichnete dies als eine Kampagne gegen ihn und versuchte, das Vertrauen in die Medien zu untergraben. Der Leitartikel argumentiert, dass Aiwanger nicht daran interessiert sei, die Wahrheit ans Licht zu bringen, sondern vielmehr versuche, das Vertrauen in die Journalisten zu zerstören. Die Affäre dreht sich um Antisemitismus und Hass gegen Juden, ein ernstes Thema, bei dem Aufklärung von großem Interesse wäre. Aiwanger habe jedoch die Chance zur Aufklärung vertan und versuche stattdessen, das Vertrauen in die Medien zu untergraben. Die AfD profitiere von solchen Angriffen auf die Medien, da sie ihre eigene Ideologie verbreiten könne und Menschen in rechten Blasen isolieren könne. Der Artikel betont die Notwendigkeit, das Vertrauen in die Medien aufrechtzuerhalten und kritisiert den Missbrauch des Begriffs „Kampagne“, um Zweifel an den Medien zu säen. (Dirk Kubjuweit, Spiegel)
An den Rändern links wie rechts ist die Ablehnung „der Medien“ bereits seit Langem, wenn nicht sogar schon immer, ein zentraler Teil der politischen Strategie und der eigenen Identität. Ich erinnere mich noch an meine eigene deutlich linke Phase, in der ich davon überzeugt war, dass die „Mainstream-Medien“ alle effektiv gleichgeschaltet, nicht vertrauenswürdig und in einem permanenten Kampagnenmodus seien. Die NachDenkSeiten hatten darauf ja quasi ihre ganze Existenz aufgebaut. Heute kriecht diese Haltung zunehmend in das bürgerliche Spektrum. Was früher einmal den Rändern vorbehalten war, ist bei der CDU zunehmend offizielle Strategie geworden. Das Feindbild Medien, ganz besonders natürlich dass der Öffentlich-Rechtlichen, ist absolut besorgniserregend und passt leider ins Muster der rechten Kräfte weltweit. Es ist zerstörerisch für die Demokratie und wird am Ende, wie Kubjuweit hier beschreibt, auch nur denjenigen nützen, die die Demokratie ablehnen. Die Bürgerlichen rufen hier Geister, die sie nicht mehr loswerden werden.
Resterampe
a) Das tolle an den ÖRR ist, dass sich sowohl Rechte als auch Linke darüber beklagen können. Was eher für eine mittige Ausrichtung spricht, die halt vieles abdeckt.
c) Das Scheitern der Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien.
d) Kann es sein, dass die deutsche Autobranche echt ganz schön viel Einsatz auf eFuels legt? Wenn das nicht klappt, wird ihr Abstieg noch dramatischer als ohnehin.
e) „Everything is bad, I’m doing fine.“ Echt weird.
f) Mal wieder mehr empirisches Material für die mittlerweile sattsam bekannt beste Strategie gegen Obdachlosigkeit, die wegen der Lust zu strafen nicht gemacht wird. Hier noch mehr zum Thema.
g) Es geht aufwärts mit der US-Wirtschaft. Bidenomics works.
h) Ich hab vor einer Weile mal einen Artikel mit Ariane über toxische Weiblichkeit geschrieben; der Podcast hier greift das Thema auf.
i) Der Podcast zum Thema Clankriminalität ist spannend.
3) Was im Schulalltag und umgangssprachlich „Korrigieren“ genannt wird, müsste eigentlich „Fehlersuchen-und-Anstreichen“ zwecks Punkte- bzw. Notenvergabe heißen. Für eine wirkliche „Berichtigung“ mit Verbesserungsvorschlägen fehlt oft die Zeit. Die neuen Tools sind da eine Chance.
Diese Schul- und Hausordnung macht mich allerdings etwas ratlos:
„Während des Unterrichts und auf den Fluren ist die Nutzung von privaten mobilen Endgeräten erlaubt, insbesondere wenn Lehrkräfte den Auftrag, die Geräte zu nutzen, erteilen. Tagesvoucher werden veröffentlicht. Bei Tests, Klassenarbeiten und Prüfungen gilt jedoch bereits das Mitführen dieser Geräte als Täuschungsversuch.“
Richtig.
Absurd.
Man muss dem ganzen zugute halten, dass Tagesvoucher unbürokratischer klingt als Erlaubnisschein.
😉
Zugute halten, muss man auch, dass das Ganze für Schulen noch Neuland (unironisch) ist. Unterricht digital, aber Prüfungen total analog, das passt nicht zusammen. Dazu auch Bob Blume (min 33:00)
https://www.ardmediathek.de/video/zur-sache-baden-wuerttemberg/sendung-vom-21-09-2023/swr-bw/Y3JpZDovL3N3ci5kZS9hZXgvbzE5MjU5NzM
(Ganze Sendung sehenswert)
Exakt!
(4 – Fachkräftemangel)
Stattdessen besteht eine merkwürdige Anspruchshaltung der Wirtschaft gegenüber dem Staat, dass dieser für gut ausgebildeten Nachwuchs zu sorgen habe,
Bildung ist eine der wichtigsten Staatsaufgaben (bzw. sollte es sein), darüber herrscht über alle politischen Lager hinweg ausnahmsweise Einigkeit. Und Unternehmen zahlen viel Steuergeld für die zunehmend fragliche Bildungsleistung unseres Staats.
Was ist an dieser Anspruchshaltung bitte „merkwürdig“?
Dass der Anspruch ueber eine generelle Schulausbildung oder eine schon spezialisierte aber immer noch nicht berufsspezifische Uniausbildung hinausgeht, sondern da schon haeufig gefordert wird, dass Fachkraefte mit passgenauen Faehigkeiten und Erfahrungen irgendwo herkommen ohne von den Unternehmen ausgebildet zu werden. Vor ein paar Jahren gab es mal eine Umfrage unter IT Unternehmen, in der sich jemand darueber beschwert hat, dass der Fachkraeftemangel so schlimm ist, dass er sogar schon frische Uniabsolventen einstellen muss, und der Staat halt irgendwie dafuer sorgen soll, dass Leute mit relevanter Berufserfahrung zur Verfuegung stehen.
Eben.
@ schejtan 19. September 2023, 09:46
Dass der Anspruch ueber eine generelle Schulausbildung oder eine schon spezialisierte aber immer noch nicht berufsspezifische Uniausbildung hinausgeht, …
Die Unternehmen, die ich kenne, wollen keine vorausgebildeten Mini-Fachleute. Warum auch? Das vorhandene Fachwissen wäre in der Regel falsch oder unbrauchbar, und müsste den Azubis erst mal wieder ausgetrieben werden.
Was (wie ich finde, zurecht) erwartet wird: Kenntnisse aus dem Hauptschul-Abschluss, als da sind ordentliches Deutsch in Wort und Schrift, rudimentäre Mathe-Kenntnisse (= die vier Grundrechenarten, Prozentrechnung, Dreissatz) und wg. Digitalisierung ein bisschen Englisch. Aber das ist für die Bewerber:innen für Bau- oder Handwerksbetriebe in der Regel nicht gegeben.
Vor ein paar Jahren gab es mal eine Umfrage unter IT Unternehmen, in der sich jemand darueber beschwert hat, dass der Fachkraeftemangel so schlimm ist, dass er sogar schon frische Uniabsolventen einstellen muss, und der Staat halt irgendwie dafuer sorgen soll, dass Leute mit relevanter Berufserfahrung zur Verfuegung stehen.
Das ist Dummsabbelei, und sollte Dir klar sein, ohne dass Dir das jemand sagt. Natürlich gibt es bei anderen Unternehmen erfahrene, gut ausgebildete, in der Regel teure Kräfte (nicht genug für alle, aber es gibt sie). Hier ist eher das Problem, dass so viele Student:innen lieber etwas Einfacheres studieren wollen als ein MINT-Fach.
@schejtan
Ich arbeite seit langer Zeit in der IT und ich kann Dir sagen, dass in der IT niemand von Uni-Absolventen Berufserfahrung fordert. Die von Dir erwähnte „Umfrage“ klingt wenig fundiert, um es einmal ganz vorsichtig zu formulieren.
IT-Leute zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich permanent selbst weiterbilden, es geht in diesem Metier auch gar nicht anders. Das Wissen von heute ist in 5 Jahren nichts mehr wert – wenn man nicht gerade für eine Behörde arbeitet …
Ich erwarte vom Staat, dass Uni-Absolventen folgendes können/haben:
– gutes Englisch
– Überblickskenntnisse in allen relevanten Bereichen
– kritisches Denken
– Kenntnisse wirtschaftlicher Zusammenhänge
– in allem zumindest ein bisschen internationale Perspektive
@Stefan Sasse
Ist das die „merkwürdige Anspruchshaltung“, die Du meinst?
Wie gesagt, dass ist schon ein paar Jahre, kann mich daher an die Details oder nen Link nicht mehr erinnern. Die Aussage ist mir jedoch im Gedaechtnis geblieben.
Deine Anforderungen kann ich durchaus unterschreiben (abgesehen von den wirtschaftlichen Zusammenhaengen, die nicht unbedingt fuer jeden Job relevant sind), aber wie gesagt, die Aussagen von Unternehmern, Personalern etc. (oder zumindest die, die es in die Medien schaffen und damit den Diskurs dominieren) gehen schon stark in die Richtung „Wir wollen quasi fertig ausgebildete Menschen und der Staat hat dafuer zu sorgen“, so grob zusammengefasst.
Zu der Selbstfortbildung von ITlern: Das weiss ich auch, ebenso dass haeufig verlangt wird, dass die in ihrer Freizeit noch irgendwelche persoenlichen Programmierprojekte haben. Da frag mich dich dann schon, warum es nicht (auch) in der Verantwortung der Unternehmen liegt, dafuer zu sorgen, dass ihre Mitarbeiter die notwendigen Fortbildungen macht, sondern dass in ihre Freizeit verlagert wird.
„Verlangen“ kannst Du als Arbeitgeber in der IT schon seit langem nicht mehr viel. IT-Projekte haben aber sehr oft ganz automatisch einen hohen Recherche- und Forschungsanteil, der dann eben zugleich auch Weiterbildung ist. Man kann das heute überhaupt nicht mehr trennen, und das Gequatsche (oft) linker Politiker zu dem Thema kann man getrost ignorieren.
Darüber hinaus arbeiten junge Entwickler in ihrer Freizeit oft an eigenen Projekten, stimmt. Gern auch experimentell. Das erhöht noch mal ihre Chancen, nächstes Jahr bei Google anzufangen, zum doppelten Gehalt.
Die IT-Welt ist ein Arbeitnehmermarkt. Wer mit seiner linken Brille hier irgendwo Ausbeutung wittert, kennt die Situation nicht.
Na gut, wenn jemand sich aus eigener Motivation privat weiterbildet, ist das ja deren Sache. Problematisch wird es halt schon, wenn es vorausgesetzt wird. Ich kenn zwar auch ITler, deren Unternehmen private Programmierobjekte vertraglich untersagen, aber die, die der Meinung sind, dass man neben dem Beruf noch private Projekte haben muss, sind schon in der Mehrzahl.
@ schejtan 19. September 2023, 19:06
… die Aussagen von Unternehmern, Personalern etc. (oder zumindest die, die es in die Medien schaffen und damit den Diskurs dominieren) gehen schon stark in die Richtung „Wir wollen quasi fertig ausgebildete Menschen und der Staat hat dafuer zu sorgen“, so grob zusammengefasst.
Ist mir noch nicht untergekommen. Kann das sein, dsas Du was verwechselst?
Die sagen es natuerlich nicht direkt und es mag sein, dass ich Einzelaussagen zu stark gewichte.
@ schejtan 20. September 2023, 09:44
Die sagen es natuerlich nicht direkt und es mag sein, dass ich Einzelaussagen zu stark gewichte.
Ah, OK. Wenn da ein Halbstarker unbedingt seinen Rüssel in die Kamera oder vors Mikrofon halten wollte, um „aufzurütteln“, wird das Ganze nachvollziehbar. 🙂
Danke
Weil „Bildung“ etwas anderes ist als „Ausbildung“. Der anspruch des bildungssystems ist nicht, fertig ausgebildete fachkräfte bereitzustellen.
Nein, aber Menschen, die Rechnen, Lesen und Schreiben können. Und bei Abiturienten, dass sie einen Dreisatz können.
Staatliche Berufsschulen nehmen nur Schüler auf, die in einem Ausbildungsverhältnis sind. Früher haben Industrie und Handwerk wie selbstverständlich über den eigenen Bedarf ausgebildet.
@ CitizenK 19. September 2023, 11:31
Früher haben Industrie und Handwerk wie selbstverständlich über den eigenen Bedarf ausgebildet.
Früher gab es genug Bewerber:innen, so dass man ein paar mehr nahm und nur die besseren von ihnen behielt. Gab damals viel Geschrei dazu (bzw. dagegen). Heute hat man einen Bedarf von drei Leuten, und es melden sich mit Glück zwei Klippschüler der Qualität, dass Du denen nicht mal Deinen Rasenmäher anvertrauen würdest. Da ist es schwierig, „über Bedarf“ auszubilden.
Das ist zu einseitig. Unser Junior hat – mit sehr guten Zeugnissen – sich bei mehreren Unternehmen (Bank, Industrie) um einen Ausbildungsplatz beworben und von den meisten noch nicht mal eine Eingangsbestätigung und eine Absage erhalten. Er studiert jetzt an einer Dualen Hochschule – den Aufnahmetest hat mit weit über- durchschnittlicher Punktzahl bestanden.
Soweit die IT keine Reply-Routine eingerichtet hat, gibt es grundsätzlich keine Eingangsbestätigung. Das bedeutet gar nichts. Ebenfalls gar nichts bedeutet es, keine Absage zu erhalten. Ein Grund ist ein juristischer Grundsatz: Im Zweifel wenig oder nichts sagen. Tatsächlich schützen sich Unternehmen heute sehr umfangreich gegen alle möglichen Klagen, insbesondere nach dem AGG.
Hier führe ich mein übliches Lamento an: Der Staat hat die Kommunikation zwischen den Bürgern völlig verunmöglicht. Konnte man früher noch durch einen persönlichen Anruf erfahren, warum man den Job nicht bekommen hat, äußern sich Unternehmen nicht mehr dazu. Jede Aussage bietet Potential für eine Klage, und wer will das schon? Das Beste ist noch über einen Headhunter zu arbeiten, aber das läuft nicht bei Schulabgängern.
Konnte man früher noch durch einen persönlichen Anruf erfahren, warum man den Job nicht bekommen hat, äußern sich Unternehmen nicht mehr dazu.
Yup! Das wohl grösste Hindernisse für persönliche Weiterentwicklung und angemessene eigene Einschätzung. Keine Chance auf Rückmeldung mehr – das AGG hat diese früher auch von mir genutzte Chance effizient gekilled.
Gruss,
Thorsten Haupts
Das hat es. Was mir völlig schleierhaft ist: Linke wie CitizenK oder sol1 erfahren, dass ihre guten Regelungsabsichten verfehlt werden, scheinen daraus aber nicht die geringsten Konsequenzen zu ziehen. Bei CitizenK sind es die nicht beabsichtigten Folgen des AGG, die er seltsamerweise nicht auf das Gesetz bezieht, bei sol1 war es die kurze Debatte über die E-Auto-Förderung.
Eine eMail (Textbaustein) bietet doch keine Handhabe für eine Klage! Das persönliche Beispiel habe ich angeführt, weil es halt nicht immer am LesenSchreibenRechnen liegt.
Die aus gute Ausbilder bekannten Unternehmen hier in der Region haben alle ihre Ausbildungplätze besetzen können.
Doch, tut es. Und das ist das Ergebnis der reformierten Rechtslage.
Fangen wir mit dem Nutzen an: Wofür benötigen Sie eine Eingangsbestätigung? Sie haben eine E-Mail versandt an die Adresse, die Sie kopiert haben. Trauen Sie sich selbst nicht? Replys auf E-Mails zu erhalten, ist im Zweifel nur nervig.
Für Absagen hat sich die 4-Wochen-Regel eingebürgert. Wer nicht innerhalb einer Monatsfrist eine Reaktion erhält, kann seine Bewerbung als abgelehnt betrachten.
So, das sind die neuen Regeln. Warum? Sende ich als potentieller Arbeitgeber eine Empfangsbestätigung, ist juristisch unstrittig, dass ich die Unterlagen des Bewerbers erhalten habe. Wird die Stelle besetzt, stehe ich als Arbeitgeber gegenüber abgelehnten Kandidaten in der Beweispflicht: Das Unternehmen muss auf Anfrage beweisen, dass es den einzelnen Kandidaten nicht wegen der Kriterien des AGG diskriminiert hat.
Sie halten das für albern? Findungsreiche Bewerber finden das nicht und reichten diesbezüglich Klagen ein. Folgen des AGG. Sendet das Unternehmen keinen Reply, kann es bei Ablehnung behaupten, die Bewerbung gar nicht erhalten zu haben. Rufen Sie an, bekommen Sie eine mündliche Bestätigung.
So haben sich beide Seiten auf den oben beschriebenen Modus Operandi geeinigt.
Und wo wir bei Benehmen sind: Bei Bewerbern greift eine Unsitte um sich, das sogenannte Ghosting. Der Bewerber ist im weiteren Prozess nicht mehr ansprechbar, statt das Unternehmen zu informieren, dass er die Bewerbung nicht aufrecht erhält.
Dieser Tunnelblick: Die Linken….
Eine standardisierte eMail („… dass wir Ihre Bewerbung nicht weiter….“) ist doch juristisch nicht angreifbar. Die SAP (Eingangsbestätigung und Absage) hat doch sicher eine qualifizierte Rechtsabteilung?
Große Unternehmen leisten sich das und nehmen ein Risiko (darüber reden wir). Kleine und mittlere Unternehmen tun das nach meiner Erfahrung höchst selten.
Wenn das Risiko durch Missbrauch des Gesetzes so besteht, ist das nachvollziehbar.
In § 22 AGG steht deutlich:
Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.
Indiz ist eben ein sehr weit gefasster Begriff. Und so sieht es auch die Rechtsprechung. Aber wie gesagt, das war politisch so gewollt und kein Fehler im System. Die Konsequenz ist das, was wir gerade diskutieren.
Zustimmung. Dieses Gesetzt ist eher gut gemeint als gut gemacht (falls das bei dem Thema überhaupt möglich ist).
Besonders absurd: JEDE Stellenanzeige erscheint jetzt mit m/w/div.
wo liegt da das problem?
Kein Problem, nur halt sinnlos.
Ja, das ist in der Tat ein Problem. solche dilematta haben wir im Datenschutz ja auch ständig.
Glückwunsch an ihn!
Ausbildungsplatz beworben und von den meisten noch nicht mal eine Eingangsbestätigung und eine Absage erhalten.
Dass oft nicht mal eine Eingangsbestätigung kommt und Bewerbungen erstmal in einem schwarzen Loch verschwinden, wundert mich auch. „Vielen Dank, Zeug erhalten, wir melden uns“ ist ja schnell geschrieben, gerade heute wo viel über E-Mail läuft (wo man besonders gerne eine Eingangsbestätigung bekommt). Macht hier manchmal auch schon die Runde, dass das ja unglücklich ist beim Fachkräftemangel, wenn keiner mehr da ist, der Personal einstellt.
1) Big government is back. How will we pay for it?
… gleichzeitig Zukunftsaufgaben angehen zu wollen …
Den meisten graust inzwischen davor, wollte der deutsche Staat seinen bisherigen Leistungsstand beibehalten. Und bei den geführten Debatten über höhere Steuern und mehr Neuverschuldung geht es mitnichten um Zukunftsaufgaben, das hat gerade die laufende Haushaltsdebatte im Vorfeld überdeutlich gezeigt. Es geht darum, wie mit mehr Steuern oder mehr Schulden mehr Sozialausgaben (ökonomisch: mehr Konsum) finanziert werden kann. Diese Debatte ist unehrlich und wird teilweise verleumderisch geführt.
2) Union will Abgaben für Arbeitnehmer und Steuern für Unternehmen deckeln
Obwohl allen Parteien in den Koalitionsgesprächen klar war, dass die FDP nur unter drei Bedingungen den Sprung macht, hetzen Granden der Grünen wie der SPD seit Monaten gegen die Bedingungen der Ampel: keine höheren Steuern, Einhaltung der im Grundgesetz vereinbarten Schuldenbremse, kein generelles Tempolimit auf Autobahnen. Im Gegenzug bekamen die linken Parteien bisher ihre gesamten Wünsche in der Gesellschafts-, Sozial- und Umweltpolitik erfüllt.
2) Was ein Unfug. „Alle Wünsche“, „hetzen“, my ass. Aber ja, diese drei Haltelinien waren von Anfang an klar. Hab ich auch nie bezweifelt und in all meinen analysen geschrieben.
2) Es sind ja längst nicht mehr nur Fraktionsmitglieder, sondern die Spitze der Parteien: Ricarda Lang, Robert Habeck, Saskia Esken, Lars Klingbeil, die ganz offen und unverklausuliert für höhere Steuern und mehr Neuverschuldung plädieren. Da fragt man sich schon: Sind die so doof oder tun sie nur so? Sie wissen genau: Die 3 Mantras sind unverhandelbar und Grundlage, dass sie die Regierung bilden.
Hat Lindner die Erhöhung des Mindestlohns in Frage gestellt? Hat Lindner die Kindergrundsicherung oder die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts nur ein einziges Mal in Frage gestellt? Nein. Die gleiche Disziplin wünsche ich mir von den genannten Personen.
@ Stefan Pietsch 19. September 2023, 12:13
2) Da fragt man sich schon: Sind die so doof oder tun sie nur so?
Politiker sind nie „doof“. Die wissen alle, was sie tun.
Hat Lindner die Erhöhung des Mindestlohns in Frage gestellt? Hat Lindner die Kindergrundsicherung oder die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts nur ein einziges Mal in Frage gestellt? Nein. Die gleiche Disziplin wünsche ich mir von den genannten Personen.
Zustimmung.
Aber die Gründe für die linken Themen sind „richtig“ und für die liberalen Themen „falsch“; schon sind Absprachen hinfällig.
Nochmal, ich frage mich, was könnte da für eine strategische Überlegung hinterstecken? Denn sonst gilt: Sind die doof?
Zumindest von den Parteiführern (aktuelle und ehemalige) kann erwartet werden, was die Grundlagen der Zusammenarbeit sind. Und wer es immer noch nicht im Kopf hatte, dem hat Christian Lindner das vor einigen Tagen noch einmal klar gemacht. Dazu sind Forderungen nach Steuererhöhungen und Verschuldung nicht gerade die Themen, mit denen man Wahlkämpfe rocken kann, von einer kleinen Wählerklientel abgesehen.
Bei Habeck klang das neulich in den Tagesthemen auch eher nach Entschuldigung: wir würden ja, aber die böse FDP (nicht das Grundgesetz) steht dagegen. Also ablenken vom eigenen Nichtkönnen. Das betont aber dann die eigene Schwäche und ist eben auch nicht strategisch klug.
@ Stefan Pietsch 19. September 2023, 17:25
Nochmal, ich frage mich, was könnte da für eine strategische Überlegung hinterstecken?
Die Agenda, gut vor den eigenen Leuten dazustehen.
Zumindest von den Parteiführern (aktuelle und ehemalige) kann erwartet werden, was die Grundlagen der Zusammenarbeit sind.
Ja.
Dazu sind Forderungen nach Steuererhöhungen und Verschuldung nicht gerade die Themen, mit denen man Wahlkämpfe rocken kann, von einer kleinen Wählerklientel abgesehen.
Das Thema lautet nicht „Wir erhöhen die Steuern und machen mehr Schulden“. Das Thema lautet „Wir retten die Welt vor dem Klimatod. PS: Dazu müssen wir die Steuern für die Reichen erhöhen.“
Bei Habeck klang das neulich in den Tagesthemen auch eher nach Entschuldigung: wir würden ja, aber die böse FDP (nicht das Grundgesetz) steht dagegen. Also ablenken vom eigenen Nichtkönnen. Das betont aber dann die eigene Schwäche und ist eben auch nicht strategisch klug.
„…schon sind Absprachen hinfällig.“
Die Absprachen wurden in einer anderen Welt getroffen, vor der Pandemie, vor dem Überfall auf die Ukraine und vor der massiven Beschleunigung der Erderwärmung, schneller als selbst die die Pessimisten angenommen hatten.
Man könnte fast vom Wegfall der Geschäftsgrundlage sprechen.
Durch diese Veränderungen ist eine neue Situation entstanden.
Klar: Das gilt auch für Soziales und Ökologisches.
Aber einfach zu sagen „die FDP wäre sonst gar nicht….“ und muss sich nicht bewegen, ist nicht wirklich ein Argument.
@ CitizenK 19. September 2023, 19:52
Die Absprachen wurden in einer anderen Welt getroffen, vor der Pandemie, vor dem Überfall auf die Ukraine und vor der massiven Beschleunigung der Erderwärmung, schneller als selbst die die Pessimisten angenommen hatten.
Man könnte fast vom Wegfall der Geschäftsgrundlage sprechen. Durch diese Veränderungen ist eine neue Situation entstanden.
Definitiv nicht. 🙂
Nichts an den Situationen ließe sich beispielsweise durch ein Tempolimit lösen. Die minimalen Einsparungen, die sich dadurch erreichen ließen, hättest Du auch durch die AKWs einsparen können; das Angebot der FDP, Atomkraft weiterlaufen zu lassen im Tausch gegen Tempolimit, wurde abgelehnt.
Die Punkte, auf denen die FDP beharrt, sind doch (vom nicht wirklich relevanten Tempolimit) sehr gut begründet. Steuererhöhungen in einer Größenordnung, dass sich damit die anstehenden Probleme lösen lassen, killen die Wirtschaft; Schuldenaufnahme in einer Höhe, die anstehenden Aufgaben zu lösen, killen die Wirtschaft und vieles mehr erst morgen, aber unwideruflich.
Wir haben in den letzten jahrzehnten absurd hohe Summen in Projekte gesteckt, die nicht funktionieren, weil unser System nicht funktioniert. Wie an anderer Stelle beschrieben: Wenn ein genehmigungsverfahren für ein großwindrad 6 Jahre braucht, und der Transport der Flügel an den Aufstellungsort 150 Genehmigungen und monatelange Planungen erfordert, ist nicht Geld das Problem, sondern die Struktur. Wenn wir Hunderte Milliarden Euro aufwenden, um den Abgehängten zu helfen, die aber immer weiter abgehängt werden, ist nicht Geld das Problem, sondern die Struktur. Bei den Summen, die in Umlauf sind, gibt es gewaltige Fehlplanungen, falsche konzeptionelle und systemische Entscheidungen, verkehrte Ausrichtungen, sinnlose Projekte, Verschwendungen hoch drei, Entscheidungen nach „Moral“ oder „versuchter Wählerkauf“.
Da kannst Du Geld reinschmeißen, bis der Arzt kommt, das ist dann halt weg.
In Deutschland glaubt man alle Probleme mit Geld zu erschlagen – die öffentlichen Hausehalte sind (auch Inflationsbereinigt) so groß wie nie und dieses Land bekommt kein Projekt mehr auf die Kette.
Vollste Zustimmung – und das ist der Punkt den ich echt nicht kapiere. Gesetze und Verordnungen zu entschlacken kostet erstmal nix und würde SOOOOO viel bringen. Warum betreibt das niemand ernsthaft.
Gutes Beispiel ist auch das Bauen: In Deutschland gibt es 3.500 Baunormen die in der Praxis niemand mehr richtig anwenden kann. Statt Rechtssicherheit wird Rechtsunsicherheit produziert und zudem wird der ganze Prozess quälend langsam. Beispiel die Diskussion um die Niedrig-Energie-Häuser: Wenn wir doch eigentlich anstreben den großteil unserer Energie regenerativ zu erzeugen, also ohne CO2 Emissionen, warum ist es dann noch so wichtig, wieviel Energie ein Haus verbraucht. Wir diskutieren über E40 Häuser, einen Standard den du weder wirtschaftlich modernisieren kannst, noch relevant wäre, wenn wir bei der energetischen Transformation voran kämen. Das passt alles vorne und hinten nicht mehr zusammen.
Genau das.
Weil es noch lange dauert, bis genügend regenerative Energie verfügbar sein wird? Zu lange? Die dann vorrangig woanders gebraucht wird?
Was ich wirklich nicht verstehe: Alle reden vom Bürokratie-Abbau. Aber ich kenne bisher keine Liste mit den Vorschriften, die vorrangig weg sollen und können. Was die Regierung (unter Beteiligung der FDP) da in Meseberg vorgelegt hat, ist einfach lächerlich.
@ CitizenK 21. September 2023, 08:52
Weil es noch lange dauert, bis genügend regenerative Energie verfügbar sein wird? Zu lange? Die dann vorrangig woanders gebraucht wird?
Weil man alles gleichzeitig will, was nicht geht. Wie schon geschrieben: Mit aktuellen Energiestandards kostet das Bauen von Wohnraum in der Großstadt zwischen 15 und 20 Euro. Im Moment bricht der Wohnungsbau derart heftig zusammen, wie es das noch nie zuvor gegeben hat.
Soviel ich weiß, sieht es beim Wohnungsbau in Österreich und Schweden deutlich besser aus – bei sehr ähnlichen Energiestandards (Details unten). Liegt die Ursache für das Problem in Deutschland nicht doch eher woanders?
„Deutschland
In Deutschland gelten seit 2022 die Anforderungen der EnEV 2022. Die EnEV 2022 schreibt vor, dass Neubauten einen Primärenergiebedarf von maximal 70 kWh/m²a haben. Für Bestandsgebäude gelten ebenfalls strenge Anforderungen. So müssen Bestandsgebäude, die nach 1978 errichtet wurden, bis 2040 auf einen Primärenergiebedarf von maximal 70 kWh/m²a saniert werden.
In Österreich gelten seit 2022 die Anforderungen der ÖNORM B 18001:2022. Die ÖNORM B 18001:2022 schreibt vor, dass Neubauten einen Primärenergiebedarf von maximal 60 kWh/m²a haben. Für Bestandsgebäude gelten ebenfalls strenge Anforderungen. So müssen Bestandsgebäude, die nach 1970 errichtet wurden, bis 2050 auf einen Primärenergiebedarf von maximal 60 kWh/m²a saniert werden.
In Schweden gelten seit 2022 die Anforderungen der Energiesparverordnung (Lag om energieffektivisering). Die Energiesparverordnung schreibt vor, dass Neubauten einen Primärenergiebedarf von maximal 60 kWh/m²a haben. Für Bestandsgebäude gelten ebenfalls strenge Anforderungen. So müssen Bestandsgebäude, die nach 1997 errichtet wurden, bis 2030 auf einen Primärenergiebedarf von maximal 60 kWh/m²a saniert werden.“
Quelle: Google.
@ CitizenK 22. September 2023, 06:33
Soviel ich weiß, sieht es beim Wohnungsbau in Österreich und Schweden deutlich besser aus – bei sehr ähnlichen Energiestandards (Details unten). Liegt die Ursache für das Problem in Deutschland nicht doch eher woanders?
Du hast dahingehend Recht, dass solch ein Problem nie nur einen Grund hat.
– Hier gibt es mehr Menschen, und daraus abgeleitet einen deutlich höheren Bedarf an Wohnraum, was das Problem nicht gerade einfacher macht.
– Der Vorschriftenwust ist hier doch noch etwas größer. Jedes Bundesland hat seine eigene Landesbauordnung mit abweichenden Regeln; von dem, was die einzelnen Kommunen in den jeweiligen ausgewiesenen Baugebieten an Vorgaben obendrauf legen, mal ganz zu schweigen.
– Der Wohnungsbau wurde über Jahrzehnte vernachlässigt, da die Bevölkerungsentwicklung rückläufig war. Wir müssen also nicht nur für den aktuellen Bedarf bauen, sondern den Bedarf von 20 Jahren aufholen.
– Die öffentliche Hand lässt sich immer wieder gerne überraschen, etwa von erforderlichen Veränderungen durch den Klimawandel.
– Wir haben, anders als andere Länder, seit Jahren eine extrem hohe Zuwanderung. Diese Menschen brauchen zusätzlichen Wohnraum.
– Genehmigungsverfahren laufen analog bzw. per Papier. Von den über 860 Einreichungsstellen für Bauanträge ermöglicht keine den digitalen Bauantrag.
– Der Fachkräftemangel schränkt schon jetzt die Leistungsfähigkeit von etwa zwei Dritteln der Am Bau beteiligten Unternehmen ein.
– Wir haben einen extremen Mieterschutz. Wenn etwa ein Mieter den Garten nicht pflegt, hast Du halt Pech. Dann schreibt die öffentliche Hand beispielsweise vor, Mieter aktuell über ihre Energie- oder Wasserverbräuche zu unterrichten. Die Messsysteme sind teuer, in der Regel proprietär (kriegst Du nur, wenn Du den Dienst eines Ablese-Dienstleisters in Anspruch nimmst, funktioniert nur in seinem System) oder nicht erhältlich.
Und wer als privater Immobilienbesitzer an einen „faulen“ Mieter gerät, verliert grundsätzlich erheblich Geld.
– Es gab Förderungen, die eingestellt wurden. Aus dem Verhalten der Bundesregierung zu urteilen, hofft die wohl, dass die private Wirtschaft Wohnungen für 20 Euro pro Quadratmeter baut und mit 6 bis 8 Euro pro Quadratmeter in den Markt gibt.
– Anspruchshaltung / Moral; Wer sein Haus oder eine Wohnung nicht dämmt, ist ein Schwei. Wer es tut und die Kosten auf die Mieter umlegt, ist auch eins. Mieter und Gesetzgeber erwarten ein Stück weit Perfektion von Vermietern, vermieteten Häusern und Wohnungen, gleichzeitig aber auch viel „Verständnis“ für die „kleinen Schwächen“ der Mieter. hier herrscht ein starkes Ungleichgewicht, so dass viele sich wirklich überlegen, in diesen Bereich zu investieren, ich würde es nicht mehr tun.
Aus dem Verhalten der Bundesregierung zu urteilen, hofft die wohl, dass die private Wirtschaft Wohnungen für 20 Euro pro Quadratmeter baut und mit 6 bis 8 Euro pro Quadratmeter in den Markt gibt.
Das Kernproblem der deutschen Wohnungsmisere. Wir haben in den letzten 10 Jahren mehrere Millionen Menschen zusätzlich ins Land geholt, die alle eine Sozialwohnung brauchen und beanspruchen können, während reihenweise Wohnungen aus der Sozialbindung fielen und immer weniger neue gebaut wurden.
Anstatt sich auf das Problem zu konzentrieren und es zu lösen (drastischer Abbau kostensteigernder Bauvorschriften, mehr Geld für sozialen Wohnungsbau) kannten viele unserer Politiker und die meisten Qualitätsmedien ausschliesslich „gierige“ Vermieter und Wohnungsunternehmen – und versuchen bis heute, eine erkennbare Mangelsituation mit Zwangsmassnahmen (Mietendeckel etc.) zu „heilen“. Als ob das jemals irgendwo funktioniert hätte.
Flächendeckendes Politik- und Medienversagen. Wenn mal wieder jemand fragt, warum Wähler und Medienkonsumenten unzufrieden sind …
Gruss,
Thorsten Haupts
Richtig, aber du unterschlägst die andere Seite: dass die Vorstellung, staatlicherseits Wohnungen zu bauen, Häresie darstellte und darstellt.
Das ändert nichts an dem Grundproblem, das Erwin so beschrieb:
Aus dem Verhalten der Bundesregierung zu urteilen, hofft die wohl, dass die private Wirtschaft Wohnungen für 20 Euro pro Quadratmeter baut und mit 6 bis 8 Euro pro Quadratmeter in den Markt gibt.
Die Baukosten werden ja nicht günstiger, weil der Staat es übernimmt. Im Gegenteil, häufig eher teurer. Das heißt aber, dass der Staat / die Gesellschaft entsprechend hoch subventionieren muss, damit am Ende eine Wohnung für 6-8 Euro herausspringt. Woher kommt das Geld?
Da ist es doch vernünftiger, den Griff in den Regelungen zu lockern, dass Bauen für 8 Euro möglich wird. Das geht in anderen europäischen Ländern ja auch.
Kein Widerspruch! Ich schreib seit vielen Jahren, dass da dereguliert werden muss. Da trägst bei mir Eulen nach Athen.
Die Kindergrundsicherung hat Lindner praktisch zu Tode gekürzt. Das würdest du umgekehrt niemals akzeptieren.
Wie kommst Du zu dieser Behauptung? Du meinst, weil Madame Paus gar nicht wusste, was ihr nicht vorhandenes Konzept kosten würde – sie schmiss 11, 7 und 4 Milliarden Euro in die Debatten – und man sich am Ende auf 2,4 Milliarden Euro zusätzliche Haushaltsmittel einigte, habe Lindner die Kindergrundsicherung „zu Tode gekürzt“?
Im Koalitionsvertrag steht nichts von Erhöhung oder zusätzlichen Kosten. Zu den Finanzen einigten sich die Parteien:
In einem Neustart der Familienförderung wollen wir bisherige finanzielle Unterstützungen – wie Kindergeld, Leistungen aus SGB II/XII für Kinder, Teile des Bildungs- und Teilhabepakets, sowie den Kinderzuschlag – in einer einfachen, automatisiert berechnet und ausgezahlten Förderleistung bündeln. Diese Leistung soll ohne bürokratische Hürden direkt bei den Kindern ankommen und ihr neu zu definierendes soziokulturelles Existenzminimum sichern.
Eine Leistungsausweitung wie von der Familienministerin in Aussicht gestellt, war nie vereinbart worden. Das ist dann immer Sache von Koalitionsverhandlungen.
Wir müssen uns auch mal die Relationen vor Augen führen: Paus wollte 11 Milliarden Euro an zusätzlichen Leistungen, während die Koalition sich kaum auf ein Konjunkturpaket für die gesamte Wirtschaft in Höhe von 5,5 Milliarden Euro einigen kann (und Paus stoppte). Für die Einkommensteuerzahler – das sind diejenigen, die am Ende auch die Kindergrundsicherung finanzieren – stehen zum Inflationsausgleich („Kalte Progression“) über 2 Jahre gerade 10 Milliarden Euro zur Verfügung. Und das war den linken Parteien ja schon zu viel.
Da stimmen auf linker Seite Maß und Mitte nicht. Und Du bestätigst immer wieder das Vorurteil von Erwin, Thorsten und mir: ein Problem löst sich damit, dass Geld drauf geworfen wird. Besteht das Problem noch, wurde halt nicht genug geworfen.
Über die Ziele der Kindergrundsicherung kannst Du Dich ja im Koalitionsvertrag informieren. Das Bürokratiemonster, das die ahnungslose Frau Paus geschaffen hat, hat damit wenig bis nichts zu tun.
https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/1990812/1f422c60505b6a88f8f3b3b5b8720bd4/2021-12-10-koav2021-data.pdf?download=1
Geben Sie Stefan S ein wenig Vertrauenskredit – die Berichterstattung in den deutschen Qualitätsmedien zu dem Thema war unterirdisch – besonders bei der Kindergrundsicherung habe ich niemals eine Bezugnahme auf deren wichtigste Grundlage gesehen, nämlich den Koalitionsvertrag. Statt dessen ellenlange Sermone zu WünschDirWas und der „Blockade“ der FDP. Deutscher Medienstandard.
Gruss,
Thorsten Haupts
Den hat er – nur tut er sich immer wieder schwer damit, meinen Aussagen zu trauen oder er liest sie nicht. Denn zur Kindergrundsicherung hatte ich genau das schon vor zwei Wochen geschrieben.
Die Sache ist nicht so schwer: Frau Paus ist schlichtweg als Familienministerin inkompetent. Das eigentliche koalitionäre Ziel, die Zusammenführung von Leistungen, wird sie wahrscheinlich verfehlen, aber sie hat gezeigt, dass sie mehr Geld für Kinder fordert. Mission accomplished!
@ Thorsten Haupts 20. September 2023, 09:55
… die Berichterstattung in den deutschen Qualitätsmedien zu dem Thema war unterirdisch – besonders bei der Kindergrundsicherung habe ich niemals eine Bezugnahme auf deren wichtigste Grundlage gesehen, nämlich den Koalitionsvertrag. Statt dessen ellenlange Sermone zu WünschDirWas und der „Blockade“ der FDP. Deutscher Medienstandard.
Yep
@ Stefan Pietsch 20. September 2023, 10:56
Das eigentliche koalitionäre Ziel, die Zusammenführung von Leistungen, wird sie wahrscheinlich verfehlen, aber sie hat gezeigt, dass sie mehr Geld für Kinder fordert. Mission accomplished!
Das meinte ich mit der Agenda „vor den eigenen Leuten gut dastehen“.
war ja beim heizungsgesetz genauso.
„Im Koalitionsvertrag steht nichts von Erhöhung oder zusätzlichen Kosten“
Diese werden aber auch nicht ausgeschlossen, sondern eher angedeutet:
„… und ihr neu zu definierendes soziokulturelles Existenzminimum sichern.“
Das lesen Sie daraus? Das ist eine sehr weitgehende (und wohlwollende) Interpretation.
Ich habe dargelegt, dass die FDP bisher klaglos alle Wünsche von SPD und Grünen aus dem Koalitionsvertrag erfüllt habe, während die beiden linken Parteien die drei Essentials keine Steuererhöhungen, Einhaltung der Schuldenbremse, kein allgemeines Tempolimit jede Woche durch ihre Spitzen in Frage stellen.
Auch die Kindergrundsicherung wird klaglos erfüllt, das soziale Prestigeprojekt der Grünen. Der Kern des Konzepts war immer die Zusammenlegung der Leistungen. Obendrauf bekommen die Grünen noch, dass der Staat die Eltern selbst auf den Leistungsanspruch aufmerksam machen muss – eine völlige Neujustierung im internationalen Sozialrecht. Sie können sich wahrlich nicht beschweren. Tun sie aber.
Eine Erhöhung war nicht vereinbart. So wie auch kein Konjunkturprogramm oder Steuersenkungen. Solche politischen Initiativen sind Verhandlungssache im Koalitionsausschuss und im Kabinett. Einen „Anspruch“ einer Partei gibt es nicht. Die Spitzen von SPD, Grünen und FDP hatten sich allerdings auf ein kleines Konjunkturpaket geeinigt, was die Grünen dann wieder selbst boykottierten. Soweit zur Zuverlässigkeit der Partei, die Stefan ja so gerne lobt.
„Obendrauf bekommen die Grünen noch, dass der Staat die Eltern selbst auf den Leistungsanspruch aufmerksam machen muss – eine völlige Neujustierung im internationalen Sozialrecht“
Das bekommen nicht „die Grünen“, sondern die Kinder!
Sie (und vermutlich niemand hier im Forum) weiß, wie es ist, wenn die Miete fällig wird, aber das Geld „vom Amt“ auf sich warten lässt. Beispiel aus dem Bekanntenkreis:
Kinderzuschlag (gute Sache) – Antrag im Januar, Auszahlung im August.
Wohngeld – Bearbeitungszeit 4 Monate, immer wieder Unterlagen nachgefordert, die z. T. schon eingereicht waren.
BaföG – automatisch gekürzt, weil ein Geschwister mit der Schule fertig wurde – also ob dadurch weniger Ausgaben anfallen würden.
Nein, das bekommen eben nicht die Kinder. Die Grünen bekommen eine Gesetzesänderung in ihrem Sinne, von der kein Kind in Deutschland erfährt. Der politische Wunsch von Familienministerin Paus wird erfüllt. Noch einmal die Gegenfrage: Was erfüllen die Grünen der FDP dafür? Antwort: Nichts.
Ansonsten ist alles fake, so wie Sie es erzählen. Zum Generellen: Wie so oft fordern Sie Sonderbehandlungen und Sonderrecht für Menschen mit Transferansprüchen. Doch, CitizenK, vor dem Gesetz sind alles Bürger gleich!
Sie zeigen Null Empathie, wenn Erwin oder ich hier kritisieren, wie Bürger und Unternehmen mit Vorschriften zu kämpfen hätten. Dann heißt es von Ihnen lapidar:
1. Bisher wurde keine konkreten Regelungen genannt, die überflüssig seien. Wenn sich die Bauvorschriften binnen zwei Dekaden verfünffacht haben, dann doch nur zum Nutzen von Bürgern und Umwelt.
2. Wohlhabende Bürger und Unternehmen können sich ja Berater und Hilfskräfte leisten. Es ist Ihnen egal, dass die meisten ihre Zeit und Finanzen nicht in Sachen stecken wollen, die der Staat zur Selbstbefruchtung betreibt.
Nun zu den Details:
Das Sozialrecht sieht den Langzeitarbeitslosen nicht als Fall an, der spontan vom Himmel fällt. Der Anspruch auf Bürgergeld (Hartz-IV, Sozialhilfe) entsteht, wenn jemand länger als 1 Jahr seinen Lebensunterhalt nicht selbst durch Erwerbsarbeit bestreiten kann. Wer arbeitslos wird, muss sich drei Monate vorher beim Arbeitsamt melden und umfangreiche Anträge ausfüllen – obwohl er eine Versicherungsleistung beansprucht, für die er Beiträge geleistet hat. Versäumt er die rechtzeitige Meldung, erlischt ein Teilanspruch.
Dabei müssen Bürger und Unternehmen mit oft schwierigen Beamten und Staatsdienern kämpfen, solchen, die einen Sachverhalt zehnmal erklärt bekommen müssen. Das ist eben die Klasse der Staatsbediensteten. Bürgergeldempfänger haben keinen de-luxe-Anspruch.
Sie lassen sich viel erzählen von Betroffenen. Das muss aber so nicht der Wahrheit entsprechen. Die Leute erzählen Ihnen mit Sicherheit nicht, dass sie vielleicht geistig etwas zurückgeblieben sind, aggressiv aufgetreten usw. Sie nehmen die Erzählungen eins zu eins.
Kein Kind kommt aus der Armut, wenn die Eltern nicht arbeiten. Das ist das Ergebnis internationaler Studien. Das Beste, was man für Kinder als Staat leisten kann, ist die Eltern in Arbeit zu bringen – egal, welche! Sie dagegen empfinden es schon als Zumutung, wenn Langzeitarbeitslose sich überhaupt melden und über ihre Anstrengungen Auskunft geben müssen. Den Kindern tun Sie damit nichts Gutes.
Jeder Bürger muss mehr Einkommensteuer zahlen, wenn ein Kind mit der Ausbildung fertig ist. Wieso sollte das BAföG nicht gekürzt werden? Aus Sicht des Staates hat der Bürger weniger Kosten. Ich habe noch nie gelesen, dass Sie für die Beibehaltung des Kinderabzugs im Einkommensteuerrecht plädiert hätten. Im Gegenteil: Sie wollen sogar, dass bei Ehepartnern die gegenseitige Fürsorge nicht mehr vollständig anerkannt wird.
Wie gesagt, Transferempfänger sollten keine De-Luxe-Kunden des Staates sein.
Dass Bessergestellte auch Probleme mit Behörden haben, ist mir bekannt. Deren Stimme ist hier im Blog stark vertreten – nicht so die der Schlechtergestellten. Hier ist wohl kaum jemand, der sich um die Miete des nächsten Monats Sorgen machen muss.
In meinem Beispiel geht es nicht um Arbeitslose, sondern um einen Geringverdiener (Dienstleistungssektor). Den BaföG-Punkt habe ich verkürzt dargestellt, sorry. Hier geht es um Bürokratie und Nicht-Zusammenarbeit der Ämter. Schulbescheinigung, Änderungsantrag – das dauert, die Miete muss aber trotzdem bezahlt werden.
Das ist, mit Verlaub, völlig egal. Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich. Auch Unternehmen kommen häufig in Schwierigkeiten, weil der Staat nicht entsprechend zahlt. Sie glauben, hinter Unternehmen stehen immer solvente Menschen, die ja zuschießen und auf das Geld warten können. Das ist ein großer Irrtum. Die wenigsten Unternehmen besitzen eine solche Liquidität, dass sie Krisen mehrere Monate durchhalten.
Ich habe als Student auch meinen Lebensunterhalt mit BAföG bestritten. Ich hatte keine reichen Eltern. Allerdings habe ich auch immer gejobbt und so monatlich umgerechnet 1.400 Euro zusätzlich gehabt (allerdings nur für 5 Monate), das gilt ja nach Ansicht mancher politisch Interessierter als unanständig.
Ich habe sehr viel Verständnis für die Finanznöte von Menschen mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Als Finanzchef entscheide (und genehmige) ich immer wieder Vorschüsse und Hilfen, bekomme Kenntnis von Lohnpfändungen.
Nur, der Staat hat seine Leistungen und Zahlungen so zuverlässig zu erbringen wie er das von seinen Bürgern verlangt. Das ist dann wieder so die Maßlosigkeit, die mich am Staat, aber auch an Linken so aufregt: Sie verlangen immer umfangreichere Berichtspflichten, Dokumentationen und Prüfbereitschaft von normalen Bürgern wie Unternehmen, haben aber jedes Verständnis, dass der Staat so fehlerhaft und langsam arbeitet.
Warum macht das eigentlich nichts mit Ihren politischen Überzeugungen, frage ich mich. Um Ihnen ein weiteres Beispiel zu geben, wie der Staat Unternehmen zu Tode reguliert, etwas aus meinem Bereich:
Für Unternehmen gilt seit Jahresanfang das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Zum einen ist das ein Monstrum an Berichtspflichten, was nicht nur ganze Abteilungen beschäftigen wird. Die meisten Unternehmen werden ihren gesetzlichen Pflichten nicht ohne externe Unterstützung von WP-Gesellschaften und Rechtsanwälten nachkommen können. Damit nicht genug. Das Gesetz korrespondiert mit weiteren Regelungen, die in der Pipeline sind, so von der EU die Taxonomie und die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (European Sustainability Reporting Standards). Und es ist eine Verordnung gegen Zwangsarbeit geplant. Alles Regelungen mit ähnlicher Stoßrichtung und ähnlichen, aber doch anderen Berichtspflichten und Adressaten.
Und all das finden Sie gut.
@ CitizenK 22. September 2023, 20:44
Hier ist wohl kaum jemand, der sich um die Miete des nächsten Monats Sorgen machen muss.
Doch, ich. Als Vermieter.
@ CitizenK 22. September 2023, 07:24
Beispiel aus dem Bekanntenkreis:
Kinderzuschlag (gute Sache) – Antrag im Januar, Auszahlung im August.
Wohngeld – Bearbeitungszeit 4 Monate, immer wieder Unterlagen nachgefordert, die z. T. schon eingereicht waren.
BaföG – automatisch gekürzt, weil ein Geschwister mit der Schule fertig wurde – also ob dadurch weniger Ausgaben anfallen würden.
Wie schon oft beschrieben: All das weist auf strukturelle Probleme, u.a. überbordende Bürokratie, Personalmangel in den Ämtern und fehlende Digitalisierung hin, aber nicht auf zu wenig Geld.
Stimmt, das war auch nicht mein Votum. Die Zusammenführung ist wichtig, vordringlich. Selbst wenn die Geld kosten sollte, was ich nicht weiß.
Und danke für die ausführliche Antwort bei der Wohnungsfrage (geht dort nicht weiter). Klingt einleuchtend.
@ CitizenK 22. September 2023, 20:09
Stimmt, das war auch nicht mein Votum. Die Zusammenführung ist wichtig, vordringlich. Selbst wenn die Geld kosten sollte, was ich nicht weiß.
Keine Einwände
@ Stefan Sasse 20. September 2023, 08:17
Die Kindergrundsicherung hat Lindner praktisch zu Tode gekürzt.
Nein. Es gibt ressortübergreifend abgestimmte Budgets, damit müssen die Ministerien klarkommen. Wenn Frau Paus mehr will und nicht kriegt, hat nicht der Finanzminister die Kindergrundsicherung zu Tode gekürzt.
Diese Budgets sind ja aber kein naturwissenschaftliches Gesetz.
Stefan Sasse 23. September 2023, 09:10
Diese Budgets sind ja aber kein naturwissenschaftliches Gesetz.
Das ist wieder so eine „Ja, aber …“-Antwort, mit der ich so gar nichts anfangen kann. Die Regierung steckt die Köpfe zusammen, jeder legt seine Wünche auf den Tisch, und dann wird das Vorhandene auf die Ressorts aufgeteilt. Das entscheidet doch niemand alleine.
Du hast halt immer wieder die Tendenz, dass sich
ein jedes Ministerium denkt, was an „Wünsch Dir was“ on top schön wäre. Und wenn das nicht genehmigt wird, hängt man in der Öffentlichkeit den Finanzminister hin, anstatt die eigenen Budgets in Ordnung zu bringen (bzw. die Bürokratie abzubauen und die Effizienz zu erhöhen).
Als ob Christian Lindner Spaß daran hätte, kleine kinder zu quälen, indem er Geld, was auf der Straße herumliegt, in seine Privatschatulle packt und den Schlüssel dazu wegwirft.
Mein Punkt ist: das Finanzministerium gibt den Rahmen vor, der fällt denen ja nicht in den Schoß. Klar will jedes Ministerium maximales für sich rausholen, das liegt in der natur der sache.
So ist es nicht. Das Finanzministerium macht Vorgaben gemäß den bisherigen Ausgaben und Verpflichtungen. Das ist der gegenteilige Ansatz einer Zero-Base-Budgeting-Philosophie. Soweit neue Schwerpunkte zu setzen sind, erfolgt das immer (!) in Abstimmung mit dem Regierungschef / Koalitionspartner. Der Finanzminister hat da weder von seiner Kabinettsrolle noch politisch das Gewicht, eigene Akzente zu setzen.
So war es auch diesmal. Die Ministerien sandten ihre Budgetentwürfe an das Finanzministerium (Bottom-up-Planung). Die Finanzer kürzten linear die geplanten Ausgaben im Verhältnis zu den erwarteten Einnahmen. Der Entwurf wurde mit dem Kanzleramt abgestimmt, wo im Einvernehmen mit dem Finanzminister die Entscheidung getroffen wurde, den Bundeswehretat von den Kürzungen auszunehmen.
Die gekürzten Haushaltspläne wurden als Pauschalvorgaben an die Minister zurückgegeben (Top-Down-Ansatz). Und dann war der Streit entbrannt, einzelne Minister wollten von den Kürzungen ausgenommen werden. Deswegen schlugen die Grünen und Teile der SPD vor, einfach die Schuldenbremse weiter auszusetzen oder Steuererhöhungen in Betracht zu ziehen.
Aber: Die Grünen hätten in der Koalitionsrunde auch eine Verschiebung der Prioritäten anstoßen können: Weniger Subventionen im Wirtschaftsministerium, dafür eine Erhöhung des Etats der Familienministerin. Wahrscheinlich hätte man dann über eine Verschiebung der Prioritäten sprechen können. Nur, der Ansatz der Grünen war eben: einfach höhere Ausgaben.
P.S.: So wird meist auch in Unternehmen geplant, Bottom-up, dann Top-Down, Prioritätensetzung des Vorstandes, Geschäftsführung, Feintuning. Der Finanzchef hat mit seinem Controlling nicht die Autonomie, eigene Prioritäten zu setzen.
Ok, das ist fair.
4) Unternehmen in Industrie, Handel und Dienstleistung klagen über Fachkräftemangel – das sind die Gründe
Vor 15 Jahren forderten SPD und Gewerkschaften eine Ausbildungsabgabe für Unternehmen, die keine Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen. Konsequent müssten die gleichen Leute heute von ausbildungsunwilligen Jugendlichen eine Abgabe verlangen.
Das Thema ist zu vielschichtig, als sie so holzhammermäßig zu kommentieren. Seit 2014 sind Millionen meist junger Männer nach Deutschland gezogen, die potentiell für die Blue Collar-Jobs in Frage kämen. Doch der Staat rückt den Unternehmen mit seinen Sozial- und Beschäftigungsangeboten auf die Pelle. Und es ist nun mal so: 3.000 Euro und mehr lassen sich am Markt für einfache Tätigkeiten einfach nicht refinanzieren.
Vor der Ausbildung steht die schulische Erziehung. Und hier wird die Qualität des Staates in Fünf-Jahres-Schritten immer schlechter. Inzwischen bekommt es das Schulsystem nicht einmal mehr hin, Grundschülern die Basis für Rechnen, Schreiben und Lesen zu vermitteln. Wie sollen Unternehmen dann mit der miesen Qualität von Schulabgängern arbeiten?
5) Die AfD lacht schallend
Leider sind die ÖRR in einem desaströsen Zustand und einseitig ausgerichtet. Das stellt inzwischen ja eine Studie nach der anderen fest. Klar, für Linke, für die alles rechts der SPD rechtsradikal ist (CDU = „gemäßigte Nazis“), finden einen solchen ÖRR mittig.
zu 4)
Seit rund 20 Jahren betreue ich das Thema Ausbildung bei uns im Betrieb und leider muss man konstatieren, dass das Vorwissen, dass Bewerber mitbringen nicht besser geworden ist. Wir sprechen hier über Menschen, die sich für IT Berufe interessieren: Fachinformatiker, IT-Engineers, IT-Kaufleute – in der Regel haben diese Abitur, oder die Fachhochschulreife erlangt. Mit zusätzlichem betrieblichen Unterricht kann man da noch gegenhalten und kompensieren. Die Anzahl, aus denen Du auswählen kannst, wird auch geringer. Anekdotisch / nicht empirisch kann ich sagen, dass die Bewerber mit Migrationshintergrund signifikant engagierter und erfolgreicher beim Abschluss ihrer Ausbildung sind (schaut man auf die Prüfungsergebnisse unserer Azubis bei der IHK).
Im Blue Collar Bereich sind wir ein Stück weit Opfer unseres eigenen Bildungserfolgs, bzw. Arroganz. Es hat sich leider gesellschaftlich ein Bild verfestigt, dass nur Hauptschüler und Leute die zu doof für die Uni sind ein Handwerk ergreifen. Ich sehe das häufig (wie gesagt anekdotisch), wie geringschätzend Menschen in meinem Umfeld über HAndwerker sprechen. Ich finde das Handwerk hat sich wirklich bemüht die Jobs Attraktiv zu machen und wenn Du nicht gerade Schreiner bist, hast Du im Handwerk goldene Zeiten vor Dir. Fakt ist auch: es ist unangenehme Arbeit – sie ist bei weitem nicht mehr so körperlich belastend wie noch vor 30 Jahren (Arbeitsschutzbestimmungen sei dank) – aber eben fordernd. Sie wird in meinen Augen adäquat entlohnt, wenn Du einen vernünftigen Unternehmer hast.
Die größte Schwäche liegt in meinen Augen ein Stück weit im Verlust von Erziehungswerten wie: Pünktlichkeit, Gewissenhaftigkeit und ein Stück weit auch Lernbereitschaft. Das ist für mich nur ein partielles Versagen der Schule, sondern insb. Versagen der Eltern, denen es offenbar nicht mehr gelingt den Kindern diese Werte anzuerziehen.
@ Kning 19. September 2023, 11:31
zu 4)
Anekdotisch / nicht empirisch kann ich sagen, dass die Bewerber mit Migrationshintergrund signifikant engagierter und erfolgreicher beim Abschluss ihrer Ausbildung sind (schaut man auf die Prüfungsergebnisse unserer Azubis bei der IHK).
Zustimmung für die, die durchhalten. 2016 hat ein großes deutsches Bauunternehmen 100 geflüchteten syrischen Jugendlichen eine Ausbildung geboten. Nach 12 Monaten war nur noch einer da. Aber der war richtig gut.
Ich sehe das häufig (wie gesagt anekdotisch), wie geringschätzend Menschen in meinem Umfeld über Handwerker sprechen.
Erlebe ich genauso.
Die größte Schwäche liegt in meinen Augen ein Stück weit im Verlust von Erziehungswerten wie: Pünktlichkeit, Gewissenhaftigkeit und ein Stück weit auch Lernbereitschaft. Das ist für mich nur ein partielles Versagen der Schule, sondern insb. Versagen der Eltern, denen es offenbar nicht mehr gelingt den Kindern diese Werte anzuerziehen.
Die von links gerne geschmähten Sekundärtugenden …
Aber da stimme ich für einen wachsenden Teil der Jugend zu.
Die Dynamik die du beschreibst ist sicher existent. Das Handwerk hat dieses imageproblem aber natürlich teilweise auch selbstgemacht; wie gesagt, die haben einfach zu lange erwartet, alles handgefüttert zu bekommen. Ich bin immer sehr skeptisch bei diesen „früher waren die Werte besser“-Geschichten.
@ Stefan Sasse 20. September 2023, 08:04
Das Handwerk hat dieses Imageproblem aber natürlich teilweise auch selbstgemacht; …
Die Jobs waren und sind, wie sie waren und sind, und werden durch die Anforderungen der Kunden geprägt. Ich habe 1974 eine Lehre als Elektriker begonnen, und saß im Casting mit 50 anderen; sieht heute etwas anders aus. Zum Bau-Boom nach der Einheit gab es bis zu 1.000.000 Mitarbeiter im Baugewerbe, keine 10 Jahre später waren es nur noch 500.000 (vielleicht erinnerst Du Dich noch an die groß aufgemachte, aber letztendlich vergebliche „Rettung“ des großen Baukonzerns Philipp Holzmann).
Nun zu sagen, was in den vergangenen Jahrzehnten auf Unternehmer- oder Branchenseite angeblich falsch gemacht wurde. ohne gesellschaftliche (Bevölkerungsrückgang, sich verändernde Anforderungen) oder konjunkturelle Herausforderungen zu berücksichtigen, führt in keiner Hinsicht zu sinnvollen Ergebnissen.
… wie gesagt, die haben einfach zu lange erwartet, alles handgefüttert zu bekommen.
Warst damals dabei, was? 🙂
Zutreffend: Die Erwartungshaltungen sind immer hoch.
Auch zutreffend und gelernt: Sie werden NIE erfüllt, weil sich Politiker früher nicht für das Thema interessiert haben.
Ja, ist sicher ein Amalgam an Gründen. Unschuldig ist aber keiner.
@ Stefan Sasse 23. September 2023, 09:00
Ja, ist sicher ein Amalgam an Gründen. Unschuldig ist aber keiner.
Rechthab-Antwort, mehr nicht.
– Das die Bauindustrie „so weit zurück“ ist, liegt an deren größtem Kunden, der öffentlichen Hand. Dort wurde die Digitalisierung verschlampert. Fast alle Ausschreibungen analog, oft fehlerbehaftet (mit der Besonderheit, dass Du zu einer Ausschreibung der öffentlichen Hand keinen verbesserungsvorschlag einreichen darfst; muss es nehmen, wie es ausgeschrieben ist, wie unsinnig auch immer). Projektplanungen konnten dort digital nicht verarbeitet werden.
Die deutschen Top-Unternehmen sind genauso weit bei der Digitalisierung wie die englischen oder skandinavischen Top-Unternehmen; Großaufträge aus der Großindustrie (Mercedes, Bosch, Frankfurter Flughafen) laufen digital und reibungslos.
– Für den Fachkräftemangel kannst Du die Bauindustrie auch nicht verantwortlich machen; das sind halt keine Schreibtisch-Jobs, und der Mangel geht außerdem durch ALLE Branchen.
– Für die überbordende Bürokratie kann die Bauindustrie auch nichts.
1) Big government is back. How will we pay for it?
Ich prophezeie schon seit längerem einen Paradigmenwechsel in der Wirtschaftspolitik.
Self Fulfilling Prophecy, initiiert von Leuten, die mehr von Versorgungsleistungen als von den Ergebnissen eigener Arbeit träumen.
Da wird den Leuten in guten Zeiten von (fast) allen Seiten eingeredet, wie schlecht es ihnen geht, und dass deshalb die Sozialausgaben erhöht werden müssen – sind ja gute Zeiten, und Geld ist deshalb vorhanden. Und wenn es schlechter läuft, will auf einmal jeder auf dem Level des bisherigen Optimums gerettet werden, und eine wolkige Gerechtigkeitserklärung nach der anderen wird hinausposaunt.
Die Quadratur des Kreises, auf der einen Seite keine zusätzlichen Schulden aufnehmen zu wollen und niemanden durch höhere Steuern zu belasten, den aktuellen Leistungsstandes des Staates beizubehalten (was abseits der Rhetorik völliger Konsens ist) und gleichzeitig Zukunftsaufgaben angehen zu wollen, kann auf Dauer nicht aufrechterhalten werden.
Wie kommst Du darauf? Der Leistungsstand des Staates verschlechtert sich trotz seit vielen Jahren überproportional steigenden Steuern laufend (Bildung, Pflege, Infrastruktur, Wohnungsbau etc.), während wir inzwischen über 50 Prozent der Steuereinnahmen ausgeben, um „umzuverteilen“; gleichzeitig bleiben sozial und finanziell Schwache immer weiter zurück.
Du tust immer so, als sei unser System grundsätzlich in Ordnung und habe nur etwas zu wenig Geld, was man mit nur ein wenig höheren Steuern richten könnte – vollkommen naiv und illusorisch. Unser System ist so ausgelegt, dass es die Abgehängten geben MUSS, dass die von uns vermittelte Bildung nicht ausreicht, die sozialen Deckelungen zu durchbrechen. Da hilft es nicht, hohe Steuern (Beispielrechnungen habe ich hier schon oft genug gepostet) noch weiter zu erhöhen. Das verteuert das Ganze, ohne etwas besser zu machen.
Der Konsens bezog sich darauf, dass nichts signifikant weggemacht wird. Da sind wir uns ja einig.
@ Stefan Sasse 20. September 2023, 08:21
Der Konsens bezog sich darauf, dass nichts signifikant weggemacht wird. Da sind wir uns ja einig.
Nein. Man müsste, nur von der Summe betrachtet, mindestens 25 -, nixcht unbegrenzt 50 % der Ausgaben streichen. Wir halten das, was gerade läuft, nicht unbegrenzt durch.
Immer noch nicht mein Punkt. Mein Punkt ist: keine (!) Partei würde das machen.
@ Stefan Sasse 23. September 2023, 09:01
Immer noch nicht mein Punkt. Mein Punkt ist: keine (!) Partei würde das machen.
Nachdem Du Deinen Punkt zweimal
geändertklargestellt hast, kann ich zustimmen.Nötig wäre es trotzdem.
Nachdem du den Punkt zweimal
bewusstmissverstanden hast: ja, sicher, kein Widerspruch.@ Stefan Sasse 25. September 2023, 15:36
Nachdem du den Punkt zweimal
bewusstmissverstanden hast: ja, sicher, kein Widerspruch.Vorab:
Missverständnis? Vermutlich. „Bewusst“? Keinesfalls.
Hab’s mir nochmal durchgelesen. Der Unterschied zwischen unseren Standpunkten war in der Tat, dass ich vom Erforderlichen ausging, Du nicht.
Ja, Konsens: wird sich keine Partei trauen.
Ich wollte dir damit nur deinen durchgestrichenen Vorwurf spiegeln, fand ich ein bisschen gürtellinig. 😉
@ Stefan Sasse 26. September 2023, 17:35
Ich wollte dir damit nur deinen durchgestrichenen Vorwurf spiegeln, fand ich ein bisschen gürtellinig.
Alles gut soweit; ich hatte nur meinen Eindruck wiedergegeben. Da Du Dich öfter mal auf diese Art wegduckst …. 🙂
2) Union will Abgaben für Arbeitnehmer und Steuern für Unternehmen deckeln
Das ist ein hervorragendes Beispiel für die an dieser Stelle oft beklagte Tendenz, Politik zu entpolitisieren.
Dein Kommentar ist ein hervorragendes Beispiel für realitätsfernes Gesabbel.
Um der ganzen Absurdität noch die Spitze aufzusetzen fordert die FDP eine „Subventionsbremse“. Mich wundert ehrlich gesagt, das die LINKE oder SPD nicht schon längst eine Steuersenkungsbremse und die Grünen eine Bremse für irgendetwas anderes gefordert haben
Bitte mache Dir mal die Mühe, darüber nachzudenken, warum eine Subventionsbremse sinnvoll sein könnte. Der andere Stefan hatte dazu schon des Öfteren ein paar kluge Worte gefunden und hier gepostet.
Ansonsten mach Dir/mir bitte mal eine Liste mit bemerkenswerten Steuersenkungen der letzten Jahre, sowie eine Übersicht über erhöhte Steuern und Abgaben sowie eine Übersicht über gestiegene Sozialausgaben.
Nur damit Du verstehst, wovon Du da redest.
Ich sage nicht, dass es sinnlos ist, Subventionen einzuschränken. Ich sage, dass es Quatsch ist, das pauschal zu verrechtlichen. Vielleicht denkst du nach, bevor du realitätsfernes Gesabbel verbreitest.
@ Stefan Sasse 20. September 2023, 08:22
Ich sage nicht, dass es sinnlos ist, Subventionen einzuschränken. Ich sage, dass es Quatsch ist, das pauschal zu verrechtlichen.
Dann habe ich Dich missverstanden, liest sich in meinen Augen komplett anders.
Aber auch dann teile ich Deine Meinung nicht. Man kann das Ziel „Subventionsabbau“ genau wie auch „Bürokratieabbau“ oder „Senkung des Energieverbrauchs“ pauschal vorgeben.
Ich sage nicht, dass es sinnlos ist, Subventionen einzuschränken. Ich sage, dass es Quatsch ist, das pauschal zu verrechtlichen.
Das Ziel ja, aber keine konkrete Zahl. das war schon bei der schuldenbremse quatsch.
Die Schuldenbremse des Grundgesetzes ist keine konkrete Zahl, sondern eine variable Ausformung z.B. im Verhältnis zum BIP. Ist das gesamte Erwirtschaftete niedrig, kann der Staat sich auch nominell nicht hoch verschulden. Das ist doch vernünftig, das gilt im gesamten Kreditwesen sowie der Messung der Staatsverschuldung als seriöses Kriterium. Was hast Du dagegen?
ich glaube, wir haben das schon oft genug besprochen. du weißt ganz genau, was ich dagegen habe. Die Frauenquote übrigens gibt auch keine klare Zahl, sondern eine variable Ausformung im Verhältnis zu den angestellten Personen. Total vernünftiges und seriöses Kriterium. Was hast du dagegen?
Das ist mir bei solchen Äußerungen eben wieder unklar. Im Prinzip ist Deine Position, der Souverän (Bundestag) solle die Verschuldung immer selbst festlegen – mit einfacher Mehrheit. Da ist kein weiteres Kriterium, selbst die altes Version – nicht höher als die Investitionen – spielst Du normalerweise nicht. Ist das korrekt?
Aber hier sagst Du, dass die Kriterien nicht „flexibel“ genug seien. Aber im Grunde plädierst Du doch gegen jedes Kriterium. Richtig?
Es gibt eine Reihe von Gründen, dass ich eine Frauenquote ablehne. Parteien können das ja gerne für sich festlegen, das habe ich zu akzeptieren. Aber der Staat hat mir als Bürger nicht vorzuschreiben, wie ich die Leitungsorgane meines Unternehmens besetze.
Die Quote ist eine Anforderung, was mindestens erfüllt sein muss. Was bei einem Frauenanteil von 70 Prozent ist, darüber gibt die Quote keine Auskunft. Nicht trivial: bei den Grünen sind 75% der Spitzenposten in Partei- und Fraktionsführung mit Frauen besetzt, das gesamte Führungskonstrukt hat ein Geschlechterverhältnis von 6:2.
Die Schuldenbremse erlaubt dem Staat sogar Kreditpakete in dreistelliger Milliardenhöhe. Keine Frage, es ist eine Selbstfesselung, um den Schaden für die Allgemeinheit (!) gering zu halten. Wenn aber ein Unternehmen im Vorstand keine Frau hat, tritt für die Allgemeinheit kein Schaden ein.
Nein, wir haben mit dem Stabilitäts- und Wachstumsgesetz eine ganze Reihe von Kriterien; dazu kommen die bereits bestehenden Zielvorschriften.
Ein Schaden für die Allgemeinheit tritt im individuellen Unternehmen nicht ein, keine Frage. Aber im Aggregat halt schon.
Da steht in § 5, was ich Dir vorgelegt habe:
(1) Im Bundeshaushaltsplan sind Umfang und Zusammensetzung der Ausgaben und der Ermächtigungen zum Eingehen von Verpflichtungen zu Lasten künftiger Rechnungsjahre so zu bemessen, wie es zur Erreichung der Ziele des § 1 erforderlich ist.
Warum so kompliziert? Du hättest nur bestätigen müssen.
Da bist Du schon begründungspflichtig, warum eine allgemeine Quote dem Gemeinwohl dienen sollte. An der Empirie kannst Du das nicht belegen.
1. Weibliche Organe in Publikumsgesellschaften verdienen im Schnitt mehr als ihre männlichen Kollegen, was auf eine gewisse Knappheit an geeigneten Personen schließen lässt, die die Quote erfüllen könnten.
2. Es dient grundsätzlich nicht dem Gemeinwohl, massiv in Grundrechte (Eigentum, Vertragsfreiheit) einzugreifen. Dann kann man das mit den Grundrechten gleich sein lassen.
3. Gibt es für Frauen im hochqualifizierten Bereich keine erhöhte Arbeitslosigkeit, die auch als Indiz einer Benachteiligung zählen könnte.
Tatsächlich ist die der geeigneten Personen für Toppositionen absolut dünn. Die Qualifikation bemisst sich dabei nicht eindimensional, sondern nach einer Fülle von Kriterien. Kristina Schröder hat dazu die richtigen Worte gefunden.
Die übliche frauenpolitische Logik leitet aus der schlichten Tatsache, dass es gleich viele Frauen und Männer gibt, diese aber in DAX-Vorständen, bei Germanistikstudenten und unter Teilzeitarbeitskräften ungleich vertreten sind, einen Handlungsauftrag ab. Dieser sei erst dann erfüllt, wenn die Gleichstellung, also die anteilig gleiche Vertretung beider Geschlechter in allen gesellschaftlichen Bereichen und Positionen, erreicht ist. (..).
Sie wählen immer noch häufig das falsche Studienfach, den falschen Ehemann und die falsche Steuerklasse. Und nach der Geburt des ersten Kindes scheiden sie länger als ihr Mann ganz aus dem Beruf aus. Natürlich nicht alle Frauen. Aber bei 1.000 zufällig ausgewählten Männern und 1.000 zufällig ausgewählten Frauen wird sich diese Tendenz sehr klar zeigen, und zwar kulturübergreifend. Es gibt sogar Hinweise, dass dieses unterschiedliche Verhalten der Geschlechter gerade in besonders freien Ländern besonders ausgeprägt ist.
https://www.focus.de/politik/gleichstellung-macht-die-welt-nicht-besser_id_204360414.html
4) Unternehmen in Industrie, Handel und Dienstleistung klagen über Fachkräftemangel – das sind die Gründe
Nur: das mag natürlich dem individuellen Unternehmen helfen, aus einem begrenzten Pool einen größeren Anteil abzubekommen, es löst aber nicht das gesamtwirtschaftliche Problem des Mangels.
Stimmt. Das Problem hat mehrere Ursachen:
• Zu wenig Menschen – in technischen Berufen und gehobenen Positionen rückt für zwei erfahrene Kollegen ein unerfahrener Kollege nach.
• Anspruchsdenken – jeder möchte sich selbst verwirklichen (ob als Influencer, Türsteher vor dem Club, der entscheidet, welche Mädels reindürfen, oder sonst was), erwartet aber von anderen, dass Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten lange geöffnet haben, dass Busse fahren, morgens die Brötchen bereitstehen. Gerade diese Kategorie von Nachwuchs zeigt wenig Respekt vor Jobs und Tätigkeiten wie Bäcker, Verkäufer oder Bedienung.
Fehlende Ausbildungsplätze (nicht gemessen am Bedarf der Unternehmen, sondern am Bedarf der Schulabgänger) gehört nicht dazu.
Dieses lässt sich nur beheben, indem in den jeweiligen Mangelbranchen ausgebildet wird. Gerade hier allerdings bestehen seitens der Unternehmen seit vielen Jahren große Defizite. Diese Eigenverantwortung der Unternehmen für die Heranbildung des Nachwuchses wird viel zu wenig thematisiert; Stattdessen besteht eine merkwürdige Anspruchshaltung der Wirtschaft gegenüber dem Staat, dass dieser für gut ausgebildeten Nachwuchs zu sorgen habe, der den Unternehmen sozusagen schlüsselfertig zur Verfügung steht.
Vor zwei Wochen war der Ausbildungsleiter eines Bauunternehmens bei der TV-Sendung Monitor zu Gast. Sein erster Satz in die Kamera: „Bewerber bei uns bringen in der Regel drei Dinge mit: eine 5 in Deutsch, eine 5 in Mathe, eine 5 in Englisch“.
Ein mir bekannter Baustoff-Hersteller sucht händeringend Azubis. Die zahlen deutlich über Tarif, und wer die Ausbildung mit „Gut“ besteht, darf auf Firmenkosten für sechs Monate in die USA. Sie hatten vor 5 Jahren das letzte Mal einen Auszubildenden mit Abitur.
Wenn Unternehmen nicht einmal das hinbekommen, brauchen sie auch nicht über Fachkräftemangel zu meckern.
Das ist derart weit weg von der Realität, dass ich echt fassungslos bin. 😐
5) Die AfD lacht schallend
Die Bürgerlichen rufen hier Geister, die sie nicht mehr loswerden werden.
Ja, wie immer sind die Schuldigen leicht verortet. Aiwanger ist ein Fall für sich, den kann man mögen, muss aber nicht. Und wenn beispielsweise alles, was in Richtung Einwanderung in unser Sozialsystem unternommen wird, als mittig und nicht als ideologisch verkauft wird, dann passt das auch – zumindest für linke Sozialromantiker. Hab hier schon öfter geschrieben, dass ich deutsche Medien, die durchgängig sachlich und neutral über deutsche Themen berichten, in Deutschland nicht mehr finden kann.
dass ich deutsche Medien, die durchgängig sachlich und neutral über deutsche Themen berichten, in Deutschland nicht mehr finden kann.
Ich bin neulich auf tagesschau.de über folgenden Artikel gestolpert:
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/riester-rente-anbieter-gelder-100.html
Und dort insbesondere über diesen Abschnitt:
„Jede dritte Riester-Police vereinnahmt sogar 30 Prozent für Gebühren. Diese setzen sich aus Provisionen, Millionengehältern der Vorstände, Werbung und Renditen für die Aktionäre zusammen.“
Ein Tagesschau-Journalist(!) ist also der Meinung, dass die einzigen Kostenarten bei Versicherungen Provisionen, Millionengehälter der Vorstände, Werbung und Renditen sind. Die Person hat also entweder wirklich überhaupt keine Ahnung oder ist völlig verblendet von ihrer Ideologie.
Natürlich war die Riester-Rente schon bei ihrer Entstehung völliger Quatsch. Ich gehe aber jede Wette ein, dass die Tagesschau damals brav die Riester-Propaganda der Bundesregierung abgespielt und von einer wichtigen neuen Säule der Altersversorgung gefaselt hat.
Ein Medium, in dem Aussagen dieser Art möglich sind, ist nicht ernstzunehmen.
Also, ich höre, lese und sehe ständig Berichte zu überforderten Kommunen (Brandbriefe von Bürgermeistern), Problemen bei in den Kitas und Schulen mit den Flüchtlingskindern, überforderten Ausländerämtern undundund.
In Tageszeitungen, den ÖR Medien – das Internet ist ja auch in Deutschland zugänglich. Und die NZZ versteht sich mittlerweile auch als Medium für den Großen Kanton.
@ CitizenK 19. September 2023, 20:03
Also, ich höre, lese und sehe ständig Berichte zu überforderten Kommunen (Brandbriefe von Bürgermeistern), Problemen bei in den Kitas und Schulen mit den Flüchtlingskindern, überforderten Ausländerämtern und und und.
Den Punkt muss ich Dir geben und meine Kommentierung also dahingehend einschränken. Aber zu vielen wichtigen Themen (Bildung, Bundeswehr, Corona, Flüchtlinge, Wohnungsbau) gibt es keine ideologiefreie Berichterstattung. Bestimmte Fakten musst Du Dir selbst aus Statistiken zusammenpuzzeln.
Sachorientierte Berichterstattung gibt es generell fast nicht. Will so gut wie niemand haben.
f) Mal wieder mehr empirisches Material für die mittlerweile sattsam bekannt beste Strategie gegen Obdachlosigkeit, die wegen der Lust zu strafen nicht gemacht wird.
Das war beim ersten Mal falsch, und wird durch die vielen Wiederholungen nicht besser. Und komm mir nicht mit „so heißt der Artikel nun mal“; Du suhlst Dich da immer wieder drin, vermutlich, weil es so gut gegen „Bürgerliche“ geht.
Ich nehme eine gewisse Grundaggression bei dir gerade wahr…
Und die Dauerunterstellung „Lust zu strafen“ ist natürlich vööööllig aggressionsfrei …
selbstverständlich, böse sind immer die anderen 😉
@ Stefan Sasse 20. September 2023, 08:23
Ich nehme eine gewisse Grundaggression bei dir gerade wahr…
Nur eine gewisse Gereiztheit, weil Du damals eine knackige Überschrift über sachlich richtige Kommentierung gestellt hast, und das seit Jahren immer wieder vorholst.
Selbstverständlich, böse sind immer die anderen
Sieh an, mal wieder Dein typisches Totschlag-Argument.
Aber inzwischen glaube ich, dass Du Recht hast. Bei dieser Attitüde spüre ich die gewisse Grundaggression bei mir selbst
Ich hab die Überschrift geändert. So ok? https://www.deliberationdaily.de/2022/08/die-lust-zu-strafen/
@ Stefan Sasse 23. September 2023, 09:03
Ich hab die Überschrift geändert. So ok? https://www.deliberationdaily.de/2022/08/die-lust-zu-strafen/
Entweder verstehst Du meinen Punkt nicht, oder Du hast in meinen Augen eine sehr verqueere Einstellung zu Thema.
Strafe ist für mich eine gesellschaftlich und sozial wichtige Funktion bzw. erforderliche Reaktion auf Fehlverhalten. Jeder Polizist hätte doch lieber die Straße frei, als Knöllchen zu schreiben, jedem Richter oder Staatsanwalt wäre doch lieber, dass der Betrug / Diebstahl / Mord / whatever gar nicht erst geschieht, als ihn verhandeln zu müssen.
Keine Frage von „Lust“ oder „Bedürfnis“, sondern gesellschaftliche Notwendigkeit.
Das real zu beobachtende Verhalten mancher Polizisten und Staatsanwälte weckt erhebliche Zweifel an diese überaus optimistischen Sichtweise.
@ CitizenK 25. September 2023, 06:44
Das real zu beobachtende Verhalten mancher Polizisten und Staatsanwälte weckt erhebliche Zweifel an diese überaus optimistischen Sichtweise.
Natürlich gibt es Einzelpersonen, bei denen das zutrifft. Aber das ist kein systembedingtes Verhalten. Das findest Du überall, auch auf der Autobahn, in der Krankenpflege oder in der Bildung. Aber nur weil der eine oder andere Lehrer gerne „etwas strenger“ zur Sache geht, würde ich die Schule nicht als ein System bezeichnen, dass auf der „Lust am Strafen“ basiert.
Ich will nicht ausschließen, dass der eine oder andere Polizist, Staatsanwalt, Pfleger oder Lehrer auch durch Erlebnisse von Ohnmacht in ihrem beruflichen Alltag stark geprägt werden, und dann gelegentlich zu Übertreibungen neigen.
Aber der Ansatz, dass man Straftaten sozusagen als normal und gegeben hinnimmt und über sie kein Wort verliert, um sich dann über die aufzuregen, die bei der Strafverfolgung der eigenen Meinung nach eventuell ein paar Punkte über den 100 Prozent liegen (und dabei die nicht zu berücksichtigen, die „zu“ milde, zurückhaltend oder desinteressiert sind), finde ich einfach daneben.
Sicher, aber da steht „jeder“. Ich registriere auch jeden netten, verständnisvollen Polizisten. Aber es gibt halt immer wieder die anderen.
@ CitizenK 26. September 2023, 19:17
Sicher, aber da steht „jeder“.
Oh Mann, Citizen, Du suchst es Dir auch immer wieder passend zurecht. Wenn ich sage, dass „jeder“ mal schlechte Laune hat, habe ich natürlich keine 8 Milliarden Menschen persönlich befragt.
Und wenn Du schreibst, dass es „immer wieder“ die anderen gibt, ist das Deinerseits auch nicht mit Studien belegt. Ausnahmen bestätigen die Regel, wie es heißt.
Ich registriere auch jeden netten, verständnisvollen Polizisten. Aber es gibt halt immer wieder die anderen.
Kannst Du das Verhältnis in belegbare Zahlen fassen, oder ist das genauso pauschal formuliert, wie Du es mir vorwirfst? Oder ist es so, dass Du diejenigen Polizisten, die dem alten Mütterchen über die Straße helfen, „verständnisvoll“ und „nett“ nennst, und „immer wieder die anderen“ sind die armen Schweine, die jedesmal antreten müssen, wenn irgendwelche K-Gruppen zum 1. Mai mal wieder Berlin in Schutt und Asche legen?
Sollte irgendeine Person (Polizei, Lehrer etc.) bei der Arbeit Lust daran empfinden, anderen einen reinzuwürgen, sind das jedenfalls individuelle Probleme, keine systemischen.
ich zweifle ja nicht am grundsätzlichen sinn von strafe als konzept, darum ging es ja auch nie, sondern darum, dass es ein Bedürfnis/Gefühl/Lust whatever you call it gibt, sie einzusetzen, wo sie kontraproduktiv ist. Das scheinst du nicht zu verstehen oder eine verqueere Einstellung zum Thema zu haben? Bisher hast du dich am „erotischen“ Aspekt der Lust gestört, deswegen hab ich den weg. Was wäre denn dein Überschriftenvorschlag ZU DEM BESTEHENDEN ARTIKEL?
@ Stefan Sasse 25. September 2023, 15:38
ich zweifle ja nicht am grundsätzlichen sinn von strafe als konzept, darum ging es ja auch nie, sondern darum, dass es ein Bedürfnis/Gefühl/Lust whatever you call it gibt, sie einzusetzen, wo sie kontraproduktiv ist.
Du hast keinen Artikel darüber geschrieben, dass es Strafen (oder von mir aus: Strafkonzepte) gibt, die kontraproduktiv sein können und deswegen unterlassen werden können. Du hast keinen Artikel darüber geschrieben, wie man sich dem Thema sinnvoll und mit Augenmaß nähern kann.
Bisher hast du dich am „erotischen“ Aspekt der Lust gestört, …
Gehört in das Thema ja auch nicht rein …
Was wäre denn dein Überschriftenvorschlag ZU DEM BESTEHENDEN ARTIKEL?
Ich halte Deinen Denkansatz für falsch, weil Du an den Stellen, wo Dein vermutlich gemeinter Punkt „Manchmal sind Strafen nicht der richtige Weg“ nicht über Lösungen nachdenkst, sondern einen angenommen Grund für das „falsche“ Vorgehen besprichst. Aber wenn ich Deine Prämisse nicht teile, mag ich mir auch keine Überschrift aussuchen, die diese aus meiner Wahrnehmung nach falsche Prämisse stützt.
Grundsätzlich akzeptiere ich, dass Strafkonzepte nicht in allen Situationen gleich gut funktionieren. Da, wo es wissenschaftlich erforscht und belegt bessere Lösungen gibt, die aber in der Öffentlichkeit abgelehnt werden, ist es meist eine Frage der Aufklärung.
So, wie ich meine lieben Mitmenschen (angefangen bei meiner Frau) einschätze, ist es aber eher ein Problem des Straftäters, wenn er etwas abkriegt. Gibt es auf Seiten der Täter Schwund – so what, die hätten den Mist mal lassen sollen.
Der Ansatz, dass sich eine Strafe nach der Tat (und nicht nach einem möglichen problematischen Hintergrund des Täters) richtet, ist überaus stringent und nachvollziehbar, und viel einfacher zu vermitteln als z.B. „der hatte eine schwere Kindheit“.
„Strafen sind nicht die Lösung“?
@ Stefan Sasse 26. September 2023, 17:37
„Strafen sind nicht die Lösung“?
Als Überschrift? Wenn da noch ein „nicht immer die beste“ reinkommt, gehe ich mit 🙂
Erledigt. Dann können wir das thema ja mal beerdigen 😀
Kindergarten. Die Überschrift war gut, egal ob ich sie teile.
3) Lass mich mal ein ketzerische Vermutung anstellen: Dieses Anstreichen von Rechtschreibfehlern dient gar nicht der Rechtschrift selber, sondern ist dazu da, Schülys per negativer Motivation (vulgo Drill) eine wichtige Fähigkeit beizubringen, nämlich die, auch bei Routineaufgaben (Schreiben) auf Kleinigkeiten zu achten.
4) Wir reden von mindestens drei verschiedenen Gruppen von „Fachkräften“: Einmal voll beruflich ausgebildeten Handwerkern, die im dualen Ausbildungssystem qualifiziert werden. Zum zweiten die Facharbeiter in Industriebetrieben, die wegen spezifischer Anforderungen nur der Betrieb selber ausbilden kann. Und zum dritten die Hilfskräfte v.a. im Dienstleistungsbereich, die (wenn überhaupt) nur eine kurze „Grundausbildung“ erhalten haben (z.B. Pflegehelfer). Dass alle drei Gruppen hier unter Fachkräfte behandelt werden, ist imho ein Indiz, wie (vorhandene) Engpässe instrumentalisiert werden.
5) und a) Ernsthaft: Mehrere verschiedene Leute kritisieren eine Organisation, also macht sie alles richtig? Die Links-Rechts-Koordinate spielt da wenig Rolle, interessant ist die Dimension der Staatsnähe. Und es sind vor allem staatsferne Gruppen (die an den Rändern häufiger sind) und natürlich Ex-Journalisten wie Bräutigam/Klinkhammer, von denen die schärfste Kritik an den Leitmedien kommt.
3) Wenn, dann funktioniert es nicht.
Wenn es nicht funktioniert, dann braucht es mehr davon.
Ah. Das Dead Horse Theorem 🙂 .
4) Muss erstmal Cimo zustimmen, dass da sehr unterschiedliche Branchen zusammengewürfelt werfen.
Mir ist noch was anderes aufgefallen
Unternehmen im Handwerk, der Hotellerie oder im Einzelhandel (…)
Die Umfrage zeigt, dass 45 Prozent der Befragten über eine zu hohe Arbeitsbelastung klagen.
Handwerk könnte man hier vielleicht noch durch Pflege/Soziales ersetzen. Hier sind wir ja schon einen Schritt weiter als „wird zuwenig ausgebildet“ Mittlerweile würden die alle gerne ausbilden, aber jeder weiß, dass die Arbeitsbedingungen da nicht gut sind. Das hilft ja einem einzelnen Unternehmen schon gar nicht mehr, der vielleicht bessere Bedingungen hat, weil das Image in den letzten 10-20 Jahren komplett ruiniert wurde und denen das jetzt auf die Füße fällt.
Würde ich Kning auch recht geben, dass sich das Handwerk da schon ein Stück rausgearbeitet hat, und sowieso keine Jobs für Dummies und da hat sich in den Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren auch viel getan.
Gerade bei Hotels, Gastronomie und Einzelhandel (ohne Lebensmittel) kommt dann noch das Problem dazu, dass die in der Coronazeit enorm viel Personal abgebaut haben und das nicht so schnell wieder aufbauen können. Ist mir neulich wieder aufgefallen, dass viele Branchen wie eben Einzelhandel oder Gastronomie, die sonst lieber gerne 2 Festangestellte auf 10 geringfügig Beschäftigte hatten, jetzt direkt feste Arbeitsplätze anbieten.
Und dann kommt man ja auch schnell in so Negativspiralen rein, wenn man eh wenig Personal hat, sinken die Arbeitsbedingungen noch weiter und gegensteuern wie zb mit besseren Arbeitszeiten oder 4-Tage-Woche wird noch schwieriger. Und dann sind Leute auch irgendwann weg – und zwar ganz aus der Branche. Wir haben bei uns – über alle Umschulungsangebote hinweg – bestimmt 45% die irgendwas mit Gastronomie gemacht haben und 45% Pflege/Soziales
h) Ich hab vor einer Weile mal einen Artikel mit Ariane über toxische Weiblichkeit geschrieben; der Podcast hier greift das Thema auf.
Ganz spannend, obwohl ichs echt gut fände, wenn man nicht erstmal ne halbe Stunde lang erstaunt feststellt, dass auch Frauen Arschlöcher und/oder toxisch weiblich sein können. No shit sherlock!
Paar Dinge sind mir aufgefallen:
1. Ich finds immer ganz schrecklich, wenn ein „toxischer-Verhaltenstausch“ als Fortschritt geframed wird. Ob das nun verstärkter Lookismus mit Schönheitsoperationen bei Männern ist oder die Gründung von Frauenbünden analog zu Männerbünden.
Nee echt nicht. Mal abgesehen davon, dass man dann zwei Probleme statt eins hat (Männerbünde und Schönheitsdruck bei Frauen sind ja nicht weg), finde ich das auch brutal unehrlich. Ich kann das doch nicht – schon gar nicht aus feministischer Sicht – kritisieren und dann plötzlich feiern, nur weil andere das jetzt auch machen.
2. Dass Mütter oft für andere Mütter die Hölle sind, stimmt. Ist aber häufig auch ein inner circle Problem. Genau wie Frauen vielleicht eher über Nagellack von anderen Frauen lästern, weil Männer da einen anderen oder eher gar keinen Bezug zu haben. Gibts bei Männern bestimmt auch (finde zb dass der Trainingszustand unter Männern untereinander ne größere Rolle spielt als dass das die Frauen interessiert) oder vielleicht haben Männer ja noch andere Beispiele aus ihren Geheimgesprächen.
3. Das mit den „Pick-me-Girls“ ist ganz spannend, obwohl das ja furchtbar schwammig ist und ich jetzt schon öfter drüber gestolpert bin und entweder war jedes Mal was ganz anderes gemeint oder es war so allgemein doofes Verhalten, sprich danach war man auch nicht schlauer.
Aber^^ Ich war früher eins, also in dem Sinne, dass ich wirklich länger so weiblich assoziierte Sachen abgelehnt hab. Gar nicht um bestimmte Frauen abzuwerten oder mehr Erfolg bei Männern (hä?) zu haben, sondern einfach so. Ergibt sich ja gerade in der Jugend dann von selbst, weil ich eher so bei den „Nerds“ war bzw die Normalos und man automatisch damit in Konkurrenz zu den „Girlies“ (also bei uns war das die Perlenkettenmafia, war ja keine amerikanische Highschool^^) stand. Und als Gegenposition zur anderen toxisch weiblichen Fraktion, die meint, man findet keinen Mann, wenn man nicht top geschminkt ist und kochen/nähen kann.
Insofern gibts im damaligen Artikel da bestimmt eine Leerstelle. Und mir fällt das besonders auf, weils da bei mir in den letzten Jahren – Jahrzehnt vielleicht sogar – so einen Break gab, dass ich mittlerweile tatsächlich festgestellt hab, dass Girliekram auch spaßig und lustig ist und das ja nichts Schlechtes im Leben ist. Mehr Glitzer wagen und so. Ist als Erwachsene vielleicht auch einfacher, wenn man nicht so diesen Festlegungs/Cliquendruck hat wie als Heranwachsende.
Sehr spannend, danke!
„… dass auch Frauen Arschlöcher und/oder toxisch weiblich sein können.“ Können wir nicht toxische Männlichkeit, toxische Weiblichkeit und toxische *Queerness zum Oberbegriff „toxisches Menschsein“ zusammenfassen ?
Eine leichter umsetzbare Alternative wäre, auf diesen ganzen „toxisch“ Quatsch einfach zu verzichten?
In Bezug auf Personengruppen auf jeden Fall. Der Begriff „toxische Beziehung“ hat imho allerdings genügend Aussagekraft um ihn stehenzulassen.
Ich trenne da schon sehr bewusst. Man kann sich wie ein Arschloch verhalten, ohne dass es was mit toxischer Weiblichkeit zu tun hat und umgekehrt. Und einen besseren Begriff hab ich da noch nicht.
Aber zur Klarstellung, glaub mein Beispiel war damals irgendwie der Satz „Du könntest mehr aus dir machen“ in dem Sinne, dass wenn man sich aufwendig schminkt, eine echte Frisur hat, Nagellack Pipapo, ist man besseres Heiratsmaterial. Das ist nicht arschlochig gemeint, sondern schon mehr so ein halbes Kompliment (naja). Unterliegt aber der patriarchalen Logik, dass die Frau schön zu sein hat (nicht einfach so, sondern man investiert auch noch sehr viel Zeit, Geld und Nerven hinein, um einem gängigen Schönheitsideal zu entsprechen) um einen Mann zu finden und zu heiraten. Und das ist etwas, was auf Frauen zielt (und meist auch von Frauen kommt)
Und eben was ganz anderes als eine normale Beleidigung.
Unterliegt aber der patriarchalen Logik, dass die Frau schön zu sein hat …
Ich kannte und kenne eine Reihe von Frauen und Männern, die für sich selbst gerne „schön“ sein wollen. Ganz ohne „patriarchale Logik“.
Meiner Meinung nach funktioniert das nicht getrennt, wenn du nicht direkt eine patriarchale Logik, aktuelles Schönheitsideal oder wie immer du es nennen willst, leugnest.
Niemand wächst in einem luftleeren Raum auf und lebt darin. Wir meinen mit schön ja zb nicht das Schönheitsideal des Mittelalters, in dem Frauen möglichst blass und rundlich sein sollten und Männer Strumpfhosen trugen, um auf ihre Beine aufmerksam zu machen. Dass das heute als schwul und tuntig tituliert wird, ist übrigens genauso patriarchale Logik, falls jemand meint, das gelte nur für Frauen.
Aber: seine eigene Haltung dazu findet man nur in Bezug auf die Gemeinschaft, in der man lebt und aufwächst. Das kann man nicht irgendwie alleine machen und auch nicht in Bezug auf Zeiten, Orte die man nicht erlebt hat.
Niemand wächst in einem luftleeren Raum auf und lebt darin.
Schön. Stimmt. Und? Spielt solange überhaupt keine Rolle, wie es genügend andere Schönheitsideale mit einer minimalen Verbreitung gibt und man von niemandem gezwungen werden kann, ein bestimmtes Ideal zu akzeptieren.
Ich mache auch freundlich drauf aufmerksam, dass die Schönheitsideale der Unterschicht in westlichen Ländern (ca. 20% der Bevölkerung) von denen der oberen Mittelschicht und Oberschicht (ca. 10% der Bevölkerung) sichtbar und ziemlich drastisch divergieren, weshalb ich schon in Frage stelle, ob es überhaupt noch so etwas wie ein „herrschendes“ Schönheitsideal gibt.
Aber selbst wenn, ist das ziemlich wurscht, weil man sich seine eigene Nische selber aussuchen kann. Und das schon seit sehr vielen Jahren.
Die menschliche Gesellschaft, in der es nicht eines oder sehr wenige konkurrierende Ideale für Verhalten und Aussehen gibt, existiert nicht und wird voraussichtlich nie existieren. Das zu beklagen, wenn man die folgenloseFreiheit hat, sich anders zu entscheiden, erscheint mir einfach sinnlos oder selbstmitleidig.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich beklage mich doch gar nicht^^ Ihr rutscht da schnell ins Persönliche, aber etwas zu analysieren und zu diskutieren, heißt ja nicht, dass ich hier persönlich mich beklage, dass es mir als Frau schlecht geht und ihr männlichen Diskutanten daran schuld seid, weil ihr Männer seid. Außerdem bin ich ja direkt genug, dass ihr das dann wüsstet 😉
Auch wenn das Thema natürlich näher ist als Verhältnisse in China oder so.
Schön. Stimmt. Und? Spielt solange überhaupt keine Rolle, wie es genügend andere Schönheitsideale mit einer minimalen Verbreitung gibt und man von niemandem gezwungen werden kann, ein bestimmtes Ideal zu akzeptieren
Richtig, aber das meinte ich auch nicht. Man wird nicht gezwungen von irgendjemandem. Aber man ist quasi gezwungen, eine Haltung dazu zu finden. Jeder, ob Mann, Frau, alt oder jung macht sich Gedanken zu seinem Aussehen. Und das kann man nicht alleine, das orientiert sich am Umfeld. Natürlich gibt es noch ein Schönheitsideal, aber auch Konventionen. Was zieht man zu einem Bewerbungsgespräch an, zu einer Beerdigung, Hochzeit, Party, etc.
Man kann sich entscheiden, dagegen zu verstoßen und dass einem das alles egal ist oder manchmal egal. Aber auch das ist eine Haltung, die man erst für sich entwickeln muss.
Aber man ist quasi gezwungen, eine Haltung dazu zu finden. Jeder, ob Mann, Frau, alt oder jung macht sich Gedanken zu seinem Aussehen.
Ahemmm. Hundertprozentig richtig. Aber die Intensität erreichte in meinen jungen Jahren ihren Peak (Frauen) zwischen 15 und 25 (Männer 18 bis 30) und liess danach nach. Ich kann mir keine Gesellschaft auch nur vorstellen, in der Jugendliche und junge Erwachsene sich KEINE Gedanken zu ihrem Aussehen machen und eine Haltung dazu entwickeln müssen 🙂 . Denn sowohl das Partnerwahlverhalten von Männern als auch das von Frauen ist gerade in diesen jungen Jahren stark an passende optische Reize gebunden. Und daran würde die Abschaffung der Reste des „Patriarchates“ genau nichts ändern.
Gruss,
Thorsten Haupts
klar, es wäre wesentlich einfacher, wenn die andere seite einfach schwiege.
@ Stefan Sasse 21. September 2023, 11:08
Klar, es wäre wesentlich einfacher, wenn die andere Seite einfach schwiege.
sic!
????? Welche „andere“ Seite?
Wenn wir mal die vielen radikalen Irren weglassen, die jedes als „männlich“ wahrgenommenes Verhalten unter „toxisch“ ablegen, um Männern einen zu machen …
Welcher Erkenntnisgewinn steckt darin, bestimmte a-soziale Verhaltensmuster in bestimmten Situationen unter „toxisch“ abzulegen und mit diesem Label öffentlich hausieren zu gehen?
Gruss,
Thorsten Haupts
Weil es von nicht-toxischen Verhaltensweisen unterschieden wird.
@ Stefan Sasse 23. September 2023, 09:09
Weil es von nicht-toxischen Verhaltensweisen unterschieden wird.
Ächz
Kleb ein Label drauf, und Du kannst auf das Label schimpfen, ohne Dich mit Fakten auseinandersetzen zu müssen.
Beinahe so wie mit Grün und Links, nicht?
Wir kommen nicht umhin, Dinge zu benennen. Sonst können wir nicht drüber diskutieren.
„Toxische Männlichkeit“ umfasst in der Müllhalde der veröffentlichten Diskussion jede Menge an Verhaltensweisen, die nicht automatisch a-sozial oder gesellschaftsschädlich sind und das weisst Du auch. Nicht-toxische Verhaltensweisen sind in der veröffentlichten Diskussion automatisch und ausnahmslos „weiblich“, das „toxisch“ ist den Männern vorbehalten. Der von Dir verlinkte Podcast ist ein Einhorn …
Das Zusammenführen vieler verschiedener Verhaltensweisen unter das Label „toxisch“ dient gerade nicht dem sauberen Trennen von sozialem und a-sozialem Verhalten, sondern bewirkt das exakte Gegenteil – jeder kann sich unter dem in die Debatte geworfenen Begriff seinen persönlichen Cocktail an „Finde ich scheisse“ gedanklich zusammenrühren. Schuld sind immer „Die Männer“, es sei denn, die weinen öffentlich häufig, schreiben alle 5 Minuten bedeutungsschwere Selbstreflexionen über 5 DIN A4 Seiten und benutzen zum Kampf gegen ihre toxische Männlichkeit täglich Gesichts-MakeUp.
Auch das gehört übrigens zu dem Mix an Gründen, warum Rechtsradikale in der westlichen Welt immer stärker werden. Mich persönlich kratzt es nicht, was ein Haufen stupider Schreiberlinge und Videoproduzenten wöchentlich über toxische Männlixhkeit auskotzen, aber diese Unabhöngigkeit haben die wenigsten und sie ist im Kern auch asozial. Die Mehrheit unterwirft sich entweder dem Verdikt oder sucht sich eben die deutlichst erkennbare Opposition.
Gruss,
Thorsten Haupts
Nicht-toxische Verhaltensweisen sind in der veröffentlichten Diskussion automatisch und ausnahmslos „weiblich“, das „toxisch“ ist den Männern vorbehalten.
das ist unter einer Debatte über toxisch weibliches Verhalten doch eher merkwürdig^^
Und hängt halt enorm damit zusammen, was man in den Zusammenhängen liest und diskutiert. Denn aus einem Mangel an Frauen in dieser Kommentarspalte finden Debatten über toxische Weiblichkeit dann eher woanders und auf einem anderen Level statt. (als Stefan mir den Link schickte, hatte ich zb nebenbei eine Diskussion bei Twitter darüber, ob die Gilmore Girls Pick-Me-Girls sind (unentschieden) oder über Sophie Passmanns Meinung zu Schönheitsoperationen.)
Von daher werbe ich mal dafür, die Kommentare bei der NZZ und taz nicht als „den Debattenstand“ zu framen.
Exakt.
Mich persönlich kratzt es nicht, was ein Haufen stupider Schreiberlinge und Videoproduzenten wöchentlich über toxische Männlixhkeit auskotzen,
soso
Yup 🙂 .
nein, weil das ja andere dimensionen hat.
„Und all das finden Sie gut.“
Wie können Sie das wissen, obwohl ich noch kein Wort dazu geschrieben habe? Sie schreiben über die Auswirkungen von Bürokratie und Ämter-Unfähigkeit im Unternehmensbereich, ich im Sozialbereich. Jeder, wo er Einblick hat.
Ausgangspunkt dieses Strangs war die Kindergrundsicherung. Deren Kernbereich ist die Zusammenführung der verschiedenen Zuständigkeiten, damit nicht bei verschiedenen Ämtern (die sich teilweise gegenseitig beschäftigen) immer neue Anträge mit immer neuen Nachweisen gestellt werden müssen. Spart den bedürftigen Bürgern Zeit und Nerven und dem Staat Geld. Was die Grünen Ihrer Meinung nach „obendrauf“ kriegen: Mit Verlaub: Tolle Sozialgesetze zu machen in der Erwartung, dass ein großer Teil der Berechtigten sie nicht nutzt, ist unehrlich. Einen solchen Staat will ich nicht.
Unser Sozialsystem bietet viele Hilfen, mehr als in den meisten Ländern der Welt mit Ausnahme Skandinaviens. Diese zu bündeln ist doch in unser aller Interesse. Deshalb finde ich die Reduzierung auf reine Machtarithmetik („was kriegt die FDP“) ziemlich befremdlich.
@ CitizenK 23. September 2023, 08:11
Sie schreiben über die Auswirkungen von Bürokratie und Ämter-Unfähigkeit im Unternehmensbereich, ich im Sozialbereich. Jeder, wo er Einblick hat.
Grundsätzlich fair.
Ausgangspunkt dieses Strangs war die Kindergrundsicherung. Deren Kernbereich ist die Zusammenführung der verschiedenen Zuständigkeiten, damit nicht bei verschiedenen Ämtern (die sich teilweise gegenseitig beschäftigen) immer neue Anträge mit immer neuen Nachweisen gestellt werden müssen. Spart den bedürftigen Bürgern Zeit und Nerven und dem Staat Geld.
Wenn es denn so klappt, gerne einverstanden.
Unser Sozialsystem bietet viele Hilfen, mehr als in den meisten Ländern der Welt mit Ausnahme Skandinaviens.
Ja. Teuer.
Da diese Hilfen aber ineffizient verteilt werden, die Verteilungsschlüssel nicht zwingend an Bedürftigkeit ausgerichtet sind, auch noch in vielen Teilen vergeblich.
Diese zu bündeln ist doch in unser aller Interesse.
Volle Zustimmung!
Deshalb finde ich die Reduzierung auf reine Machtarithmetik („was kriegt die FDP“) ziemlich befremdlich.
Es geht nicht um die „Reduzierung auf reine Machtarithmetik, sondern um die grundsätzliche Möglichkeit der Zusammenarbeit. Denk Dir das mal in die andere Richtung: Statt SPD stellt die CDU den Kanzler, etwa Friedrich März. CDU und FDP sind sich über die Richtung der Politik einig, brauchen aber die Stimmen der Grünen, um die Regierung überhaupt bilden zu können.
Die Grünen haben nur drei wichtige Kernpunkte in den Koalitionsverhandlungen erreichen können: ein 50-Mrd.-Euro-Paket zum Schutz gegen den Klimawandel, spezielle Programme zur Förderung von Flüchtlingen sowie das Abschalten der Atomkraftwerke samt Förderung von erneuerbaren Energien. Nach einem Jahr stellt man fest, dass man die Energie aus den Atomkraftwerken doch braucht, weil es momentan zu kostspielig ist, die erneuerbaren Energien umzusetzen; Das 50-Mrd.-Paket soll drastisch gekürzt werden (Schuldenbremse), und die Förderprogramme für Flüchtlinge werden auf unbestimmte Zeit verschoben, da man das Geld für die Bundeswehr braucht (weil Putin in Moldawien einmarschiert ist). Aber von den Grünen wird weiterhin erwartet, die vereinbarte Streichung von Sozialhilfen und Steuersenkungen mitzutragen.
Du magst das reine Machtarithmetik nennen. Doch warum sollten die Grünen sich darauf einlassen?
Sie sind mit den Ergebnissen nicht zufrieden, aber mit allen Maßnahmen, die zu den Resultaten geführt haben. Deswegen haben Sie es sehr wohl gewollt. Wenn ich darauf hinweise, dass seit 2005 die Bauvorschriften um den Faktor fünf gestiegen sind, war Ihre Standarderwiderung, wir wollten ja nicht wie in Drittwelt-Ländern leben (das war übrigens Ihre Einordnung zum Baustandard von 2005). Wenn heute kaum gebaut und kein billiger Wohnraum angeboten wird, dann finden Sie das zwar nicht in Ordnung. Aber jeden Hinweis, dass Ihre politischen Vorschläge (Regelungsdichte, Mieterschutz, Mietpreisbremse) genau dahin führen würden / könnten, haben Sie immer beiseite gewischt.
Ab Anfang Oktober beginnt für Finanzer wie mich die heiße Phase. Sie dauert bis März 2024. Forecast, Budget, Betriebsprüfung, Prüfung durch Sozialkassen, Jahresabschluss, Jahresabschlussprüfung halten alle Mitarbeiter des Finanzwesens für 3-5 Monate unter Strom. Die Berichtspflichten von normalen, durchschnittlich großen Unternehmen sind immens. Und da wird jetzt noch ordentlich draufgepackt. Wie stellen Sie sich das vor, wie ein Mehr noch bewerkstelligt werden soll?
Wir sind in der Schlussphase der Betriebsprüfung 2014 – 2017, Dauer 4 Jahre. Praktisch kein Mitarbeiter aus der Zeit ist noch im Unternehmen, dazu ist die Fluktuation heute weit zu hoch. In der Folge kann das Unternehmen zu einzigen Sachverhalten keine perfekte Auskunft mehr geben. Ich sehe da inzwischen eine perfide Strategie der Betriebsprüfung: Häufige, enervierende Nachfragen erschöpfen den Steuerpflichtigen so sehr, bis er die Segel streichen muss. Das gibt der BP die Handhabe, tatsächliche Aufwendungen nicht anzuerkennen, weil nicht ausreichend belegt.
Der Staat hat unbegrenzt Zeit, lässt dem Bürger aber nur teils enge Fristen. All das haben Sie immer gut gefunden – außer Sie sind selbst betroffen. Sie wollen immer mehr und intensivere Prüfungen, mehr staatliche Prüfer, mehr Regulierung. Aber mit dem Resultat wollen Sie nichts zu tun haben.
Warum darf der Staat Bürger, die auf Kosten der Steuerzahler Geld und Unterhalt wollen, nicht in die Mangel nehmen, wenn er das bei jedem Normalbürger auch tut? Erklären Sie mir, warum Sie für Bürger erster und zweiter Klasse plädieren. Bitte.
Ausgangspunkt war meine Behauptung, die FDP habe ihren linken Partnern alle Wünsche aus dem Koalitionsvertrag erfüllt. Umgekehrt werden die FDP-Spitzen und ihre Anhänger im Wochentakt von den Spitzen (!) der SPD und Grünen mit Forderungen nach weiterer Aussetzung der Schuldenbremse, Steuererhöhungen und Tempolimit genervt.
Dann kam von Stefan die Behauptung, Lindner habe die Kindergrundsicherung bis zur Unkenntlichkeit gekürzt. Was dann nicht weiter belegt werden konnte, außer dass der Finanzminister nicht 11 Milliarden Euro zusätzlich für ein nicht vorhandenes Konzept ausgeben wollte. Nur mal zur Einordnung, CitizenK: Der Sozialetat wächst einfach so um 22 Milliarden Euro, da ist die Kindergrundsicherung ebenso wenig drin wie die Erhöhung des Bürgergeldes. Für die Förderung einer in der Rezession befindlichen Wirtschaft haben wir überragende 5,5 Milliarden Euro übrig, was bekanntlich der Familienministerin schon zuviel war. Wer hat da den Schuss nicht gehört?
Sie reden sich die Dinge schön. Lisa Paus hat außer Milliarden nichts zu bieten. Bisher ist sie an der eigentlichen Aufgabe, die Ansprüche zu bündeln, grandios gescheitert. Aber Stefan hat eben nur im Kopf: für die Kindergrundsicherung wird weniger ausgegeben als gefordert.
Ansonsten sind Sozialleistungen etwas, was der Sozialstaat bedürftigen Menschen unter bestimmten Bedingungen anbietet. Aus diesem Grundkonzept wollen Sie alles streichen, die Bedürftigkeit, den Nachweis der Bedürftigkeit und die Hol-Pflicht des Bürgers. Welches Land der Erde geht so vor und wieso glauben Sie, wir Deutschen seien allen anderen Ländern so überlegen?
Wenn wir die Sache auf den Kopf stellen, warum führen wir nicht auch eine Pflicht des Staates ein, Unternehmen, aber auch Normalbürger ständig über ihre ihre Möglichkeiten zu informieren? Ein Staat übrigens, der seit langem es seinen Bediensteten verbietet, die Bürger bei der Steuererklärung zu beraten, ihnen Hilfestellungen zu geben oder gar Möglichkeiten der Gestaltung anzubieten.
Warum immer so zweierlei Maß, CitizenK?
Bleiben wir beim Thema: Kindergrundsicherung. Sie könnten auch einfach mal zugeben: Das Grundanliegen ist richtig. Das hat mit dem Verhalten von Betriebsprüfern nichts zu tun. Wenn das Projekt hilft, abertausenden Kindern eine Zukunft zu geben, lohnt sich das auch für uns alle: Arbeitskräfte und Steuerzahler statt Transferempfänger.
Warum gibt es eigentlich beim Kindergeld keine Holpflicht und warum kriegen das auch Millionäre? Ist das keine Sozialleistung? Auch bei bei der Subvention für Diesel und Flugbenzin gibt es weder eine Bedürftigkeitsprüfung noch eine Holpflicht. Überhaupt gibt es eine merkwürdige Inkonsistenz in der Diskussion über Sozialleistungen. Von liberaler und konservativer Seite wird ja immer die Eigenverantwortung der Bürger betont und Eltern wüssten besser als der Staat, was für ihre Kinder gut sei. Für alle Eltern gilt das aber offenbar nicht.
Was Paus‘ Konzepte angeht – ob die was taugen, müsste man genauer unter die Lupe nehmen. Aber so weit waren wir noch gar nicht vor lauter Koalitionsarithmetik. Zwar: Das Jonglieren mit Milliarden lässt nichts Gutes ahnen, das muss im politischen Prozess zurechtgerückt werden. Die Sinnhaftigkeit der Kindergrundsicherung ist weitgehend Konsens.
Sie hängen die Latte so tief wie es nur gut: Nun zählt allein die gute Absicht. Aber mit Verlaub, welche Partei hat überhaupt schlechte Absichten? Auch die Vorstellungen der FDP die Bürger von einer rekordhohen Steuerlast zu entlasten, ist doch absolut richtig. Das könnten Sie auch mal zugeben.
Nein, ich werde nicht dafür bezahlt, gute Absichten zu haben. Und ich messe Politik auch nicht an den guten Absichten, sondern den Ergebnissen. Und hier ist zu konstatieren, dass Paus eher ein Bürokratiemonster schafft.
Den Populismus haben Sie voll drauf, das sagte ich Ihnen schon vor kurzem. Sie beginnen den ersten Absatz mit „Bleiben wir beim Thema: Kindergrundsicherung.“, um gleich im zweiten Absatz überzugehen in „Auch bei bei der Subvention für Diesel und Flugbenzin gibt es weder eine Bedürftigkeitsprüfung noch eine Holpflicht.“ Ihre guten Absichten währen nicht einmal eine Minute im Lesefluss.
Ich habe gesagt, Sie drehen ein rechts- und sozialstaatliches Prinzip, dass in der gesamten zivilisierten Welt gilt, um. Sie sind begründungspflichtig, und mehr als „Ich halte das für sinnvoll“. Davon gehe ich aus. Wieso glauben Sie klüger als alle anderen zu sein?
Von liberaler und konservativer Seite wird ja immer die Eigenverantwortung der Bürger betont und Eltern wüssten besser als der Staat, was für ihre Kinder gut sei. Für alle Eltern gilt das aber offenbar nicht.
Das ist ja auch so. Konservative und Liberale sind da, wie sagt Stefan? Good Faith. Aber man kann schon nach wenigen Jahren erkennen, ob das funktioniert oder nicht. Wenn Eltern nach sechs Jahren ihr Kind nicht schulpflichtig gebracht haben, wenn Kinder in dem Alter nicht ihre Zähne putzen, Schuhe binden und rückwärts laufen können, haben Eltern grundsätzlich versagt. Das ist nicht entschuldbar.
Wie in dem Zusammenhang schon oft geschrieben, entspricht es der Lebenserfahrung, dass man in einem gemeinsamen Haushalt ein gemeinsames Budget verwaltet. Deswegen entspricht das Ehegattensplitting der Lebenswirklichkeit der meisten Ehepaare. Ich kenne kein Paar, wo das nicht der Fall ist. Ich sehe keinen Grund, warum das in Sozialhaushalten nicht so sein sollte. Sie etwa? Dann bedeutet aber eine Erhöhung der Zahlungen an Kinder die Erhöhung der Transfers an sämtliche Haushaltsmitglieder. Kinder profitieren nach allen normalen Erwartungen nur anteilig von Zahlungen, die von der Gesellschaft eigentlich nur für sie allein gedacht sind.
Es ist doch nicht so schwer: Wenn die einzige Möglichkeit, Kinder aus Armut zu befreien, darin liegt, die Eltern zum Arbeiten zu bringen, dann sind Erhöhungen der Transferzahlungen per se kontraproduktiv. Ist das wirklich schwer? Wenn es Ihnen so um das Soziale geht, müsste es Sie befremden, dass vor allem Mehrpersonenhaushalte mit überdurchschnittlicher Kinderzahl von Arbeitslosigkeit betroffen sind.
Zur Erinnerung: Auch die FDP hat immer das Konzept vertreten, die Sozialleistungen (übrigens nicht nur für Kinder) zusammenzulegen. Mehr noch: Die FDP vertritt das Konzept, Bedürftigen einen Pauschalbetrag zukommen zu lassen und nicht Einzelleistungen. Das war auch mal die Idee der Arbeitsmarktreformen, bevor Sozialrechtsprechung und Sozialpolitik dieses Schritt für Schritt zerlegten. Es sind die Soziallinken, die Transferempfängern keine Eigenverantwortung zutrauen.
„….haben Eltern grundsätzlich versagt“. Deshalb muss der Staat unterstützend eingreifen. Im Interesse der Kinder, aber auch der Allgemeinheit: Kindergrundsicherung. Lindners Ansatz, das Geld in die frühkindliche Förderung zu investieren, ist grundsätzlich richtig, wirkt aber erst sehr langfristig.
„nicht entschuldbar.“ Trotzdem: Lösungen suchen, nicht Schuldige. Siehe oben.
Sie haben auch die Frage noch nicht beantwortet, warum beim Kindergeld das „rechts- und sozialstaatliche(s) Prinzip, das in der gesamten zivilisierten Welt gilt“, nicht gilt.
Ich wiederhole mich: Jede Erhöhung der Zahlungen an Kinder im Transferbezug landet im allgemeinen Budget des Haushalts und kommt damit nicht vollständig den Kindern zugute. Die Streueffekte sind nicht nur umso größer, je mehr Personen im Haushalt leben. Solche Pauschalerhöhungen wirken als Blocker aus der Armut.
Sie nennen es Schuldige, wo es in einer freiheitlichen Gesellschaft um Verantwortung geht. Verantwortung ist immer klar zu benennen.
Ich warte.
Soweit ich weiß, ist das empirisch nicht haltbar, aber ich lass mich natürlich widerlegen.
Es gibt keine Möglichkeit, das seriös zu belegen. Der Gesetzgeber geht jedoch von Haushaltseinkommen aus. Das tut er im Sozialrecht ebenso wie im Steuerrecht (Ehegattensplitting, Kinderfreibetrag). Auch die Wissenschaft arbeitet unter diesen Annahmen (Panel des DIW).
Die Annahme, die Kindergrundsicherung würde ausschließlich für die Kinder des Haushalts verwendet, weicht also diametral von den Annahmen des Gesetzgebers in anderen Bereichen wie der Wissenschaft ab.
Nochmal: Das behauptet doch auch niemand. Aber wenn die Familie durch das zusätzliche Einkommen die Möglichkeit hat, mal in den Zoo (teuer) oder ins Kino (inzwischen auch teuer) zu gehen oder einen Ausflug in eine andere Stadt zu machen oder gar Urlaub, dann kommt das den Kindern zugute. Auch die Erfahrung, in einem Restaurant zu essen (nicht nur bei McD), ist ein Teil der Sozialisation.
Wenn mir Mitarbeiter über ihr Einkommen klagen, sage ich immer: Schaut auf Euren Gehaltszettel. Der Betrag ganz oben ist das, was ihr verdient.
Die Kinobesuche meiner Kindheit kann ich an einer Hand abzählen. Wer heute mit zwei Kindern ins Kino geht, Anfahrt und Popcorn mitgerechnet, ist leicht einen Hunderter los. Das hat schon etwas von Luxus. Aber das ist kein Problem. In meiner Kindheit waren Kinostreifen erst nach 20 Jahren im Fernsehen verfügbar, heute bereits nach Wochen im Streaming.
Auch für den jährlichen Strandurlaub Pauschal hat es immer gereicht und reicht es auch heute. Fragen Sie mal in den Touristikbüros nach den Sommerbuchungen.
Wenn Sie versuchen, das über Transfers zu steuern, werden Sie scheitern. Bekommt eine prekär lebende Familie monatlich 100€ mehr, werden der Kinobesuch und das Restaurant auch nicht auf der Prioritätenskala nach oben rutschen. Das ist eine völlig weltfremde Annahme. Menschen arbeiten und leben nach Prioritäten. Auch wenn ihr Einkommen steigt, werden sie nicht plötzlich Dinge priorisieren, die sie bisher als vernachlässigbar angesehen haben.
Gerade hast du aber noch im Brustton der Überzeugung erklärt, deine These sei korrekt.
„Ausschließlich“ ist auch ein unhaltbarer Maßstab, aber „weitgehend“ würde ja schon passen.
@ Stefan Sasse 24. September 2023, 18:30
Soweit ich weiß, ist das empirisch nicht haltbar, aber ich lass mich natürlich widerlegen.
Soweit ich weiß, gilt das auch in die andere Richtung, aber …
Wohl kaum.
@ CitizenK 24. September 2023, 16:26
„….haben Eltern grundsätzlich versagt“. Deshalb muss der Staat unterstützend eingreifen.
Ja, unbedingt. Aber nicht, in dem er nur wieder Geld in die Hand gibt und nach dem Prinzip Hoffnung in genau diese Familien gibt, die es schon vorher nicht hinbekommen haben. Du wirst kein klügerer, besserer oder sorgsamerer Vater, weil man Dir mehr Geld gibt.
Wieder mal eine Lösung, die nichts besser, aber vieles teurer macht. Mein Tip fürs nächste Jahr: Weil die Ergebnisse nicht passen, muss man mehr Geld ausgeben.
PS: Wie Stefan P. kenne ich das mit der gemeinsamen Familienkasse auch. Ich kenne Paare mit getrennten Kassen, aber die sind durch die Bank weg nicht verheiratet (meist Beziehungen nach Scheidungen) und ohne gemeinsame Kinder unterwegs. ich teile seine Einschätzung.
Schuld war Ihre Wortwahl (“nicht zu entschuldigen “).
Wiederholung unnötig, behauptet niemand.
Der Rest ist Ideologie. Sonst wäre die Armut in der Zeit vor dem Sozialstaat von selbst verschwunden. Und in Ländern ohne soziales Netz nicht existent.
… und aus „etwas ist nicht zu entschuldigen“ machen Sie eine Schuldsuche (die es nicht braucht), statt den Mangel an Verantwortung. So handhabe ich das beruflich nicht, aber da ist jeder anders.
Wiederholung unnötig, behauptet niemand.
Doch Stefan müssen Sie überzeugen.
Das ist intellektueller und wissenschaftlicher Quatsch. Im Gegensatz zur Zeit vor dem modernen Sozialstaat messen wir heute Armut relativ. In absoluten Werten gibt es heute in Westeuropa praktisch keine Armut mehr. Sie vergleichen Äpfel mit Birnen und frönen da wieder ihrem populistischen Element.
Nehmen wir also die Armutsdefinition von 1900, der UN oder der EU? Sagen Sie’s und dann diskutieren wir seriös.
„… Mangel an Verantwortung“. Dann erklären Sie mir doch bitte den Sinn der Aussage. Ein Verhalten, das nicht zu entschuldigen ist, muss bestraft werden. Ich gehe aber davon aus, dass physisch und psychisch gesunde Eltern ihre Kinder nicht derart vernachlässigen. Und wenn doch – aus charakterlosem Mangel an Verantwortung, dann sollten die Kinder so wenig wie möglich darunter leiden.
Armutsbegriff. Natürlich der relative. Absolute Armut gibt es Europa -dank dem Sozialstaat – wohl nur noch unter den Roma in Südosteuropa. Aber Ihre Aussage war pauschal: Staatliche Hilfen in Geldform verfestigen die Armut. Das trifft nur auf einen sehr kleinen Teil zu, die man „verfestigte Hartz-4er“ genannt hat.
Wenn man kein Glück hat (Reiche Eltern, Erbschaft, Lottogewinn, Goldfund im Garten), führt der Weg aus der Armut über Arbeit. Soweit d’accord. In den Haushalt in meinem Beispiel arbeiten beide. Die Frage ist, ob der Mann neben der Schichtarbeit in der Gastronomie noch einen zweiten Job annehmen muss und ob die BaföG-Empfängerin (dieauch einen Job hat) das betreute schwierige Kind und/oder ihr Studium vernachlässigen soll. Mein Punkt: Da sie die – von der politischen Mehrheit festgelegten – Kriterien für BaföG, Kinderzuschlag und Wohngeld erfüllen, dann sollte ihnen nicht noch bürokratisch-schikanös das Leben schwer gemacht werden.
„Strafen“ ist eine Disziplinarmaßnahme um jemanden von seinem unerwünschten Tun abzubringen. Verantwortung und Konsequenz sind dagegen unabhängig auf den Sachverhalt oder das Objekt gerichtet.
Machen wir das am Beispiel eines Fußballtrainers fest. Ein Spieler hält sich nicht an die taktischen Vorgaben und trainiert schlecht, obwohl er es sehr wohl besser könnte. Wenn der Trainer ihm eine Denkpause auf der Tribüne verordnet, ist das eine Disziplinarmaßnahme (Strafe). Um die Mannschaft erfolgreich zu machen, wird das Spielsystem umgestellt. In der Folge fällt ein Außenstürmer weg zulasten eines Mittelfeldspielers. Der bisherige Stürmer verliert seinen Stammplatz, weil er das neue Anforderungsprofil nicht erfüllt. Später wird der Trainer wegen anhaltender Erfolglosigkeit entlassen.
Letztere beiden fallen in die Kategorie Verantwortung und Konsequenz.
Bei Dreijährigen lässt sich erkennen, wie ihr Entwicklungsstand ist. Hängen Kinder in ihrer Entwicklung weit zurück, müssen Konsequenzen folgen, um ihnen nicht dauerhaft zu schaden. In den Nullerjahren (ich denke, das ist unverändert) ergaben Studien, dass wenige Kinder stark zurückbleiben. Natürlich gibt es Eltern, die ihren Kinder aus Desinteresse, Unerfahrenheit, Dummheit, Ignoranz (Motive gibt es viele) nicht die notwendige Fürsorge angedeihen lassen. Dann müssen daraus Konsequenzen folgen.
Kinder leben häufiger in prekären Verhältnissen als im Mittel die Bevölkerung. Familien, ihn denen mindestens ein Elternteil erwerbstätig ist, unterscheiden sich nicht vom Mittel. Es lässt sich nicht verhindern, dass Kinder (zeitweise) in Armut leben. Aber es lässt sich sehr wohl verhindern, dass sie überdurchschnittlich und dauerhaft in Armut aufwachsen.
Mein Punkt: Da sie die – von der politischen Mehrheit festgelegten – Kriterien für BaföG, Kinderzuschlag und Wohngeld erfüllen, dann sollte ihnen nicht noch bürokratisch-schikanös das Leben schwer gemacht werden.
Mein Punkt: Die Bürger sollten generell nicht bürokratisch- schikanös behandelt werden. Während Sie eine Lex „angeblich Benachteiligte“ verlangen, fordere ich die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Steht so übrigens in unserer Verfassung. 😉
… die wir beide hoch halten 😉
„… Gleichheit aller Bürger – klar doch. Ich kann halt nur für die sprechen, deren Verhältnisse ich kenne. Das ausgearbeitete Fußball-Gleichnis kann ich mangels Fußball-Verstand (keine Ahnung) leider nicht nachvollziehen.
Sie könnten das auch auf die Metaebene heben: Aufgrund dessen, was Sie sehen, könnten Sie allgemein schlussfolgern, wie bürokratisch der deutsche Staat angelegt ist und wie bürgerunfreundlich oft gearbeitet wird. So entsteht der Eindruck, Ihnen ginge es allein um eine bestimmte Klientel.
Ich finde Fußballgleichnisse klasse, weil Teams mit 11 Spielern ganz gut die Komplexität des Interagierens von Menschen abbilden. Aber okay. Wenn Eltern mitten im Schuljahr erkennen, dass die Versetzung ihres Kindes gefährdet ist, könnten sie Nachhilfe vereinbaren. Das mag für das Kind als Strafe empfunden werden. Aber das Ziel ist eben nicht das Kind zu disziplinieren, sondern für sein Wohl die Versetzung sicherzustellen. Wenn als Konsequenz einer schlechten Note das Handy für einen begrenzten Zeitraum eingezogen wird, ist das klar eine Disziplinarmaßnahme (Strafe), denn es richtet sich allein gegen das Kind, das sich falsch verhalten hat, ist aber keine Maßnahme zur Sicherung des mittelfristigen schulischen Erfolges.
„Doch, ich. Als Vermieter.“
Du kokettierst. Nach meiner Erfahrung sichern sich Vermieter ab durch Schufa, Gehaltsnachweise, Bürgschaften, Kaution.
Meine Tochter hat eine überteuerte Wohnung in Randlage nur bekommen durch eine selbstschuldnerische Bürgschaft der Eltern und natürlich eine Kaution in Höhe von 3 Monatsmieten. Bei dem bestehenden Wohnungsmangel ist das Risiko des Miet-Ausfalls gering. Nachmieter stehen Schlange.
@ CitizenK 25. September 2023, 08:46
[„Doch, ich. Als Vermieter.“]
Nach meiner Erfahrung sichern sich Vermieter ab durch Schufa, Gehaltsnachweise, Bürgschaften, Kaution.
Schufa und Gehaltsnachweise geben nicht die innere Einstellung wieder. Meinen Fall hatte ich schon beschrieben: Energiepreise steigen, Mieter heizen nicht mehr, kriegen Schimmel, kürzen die Miete um 25%. Wir wollen die Gebäudehülle dämmen, die Mieter weigern sich, weil sie sich dann die Miete nicht mehr leisten könnten. De facto läuft das auf eine Mietsenkung von 25% hinaus, und wir sind die bösen, weil wir eine Schimmelbutze vermieten. Inzwischen werden Haus- und Gartenpflege vernachlässigt, Kommunikation in erster Linie über Mieterschutzverein.
Verlust bislang: etwa 2.000 Euro (bzw. 1.000 Euro pro Wohnung; mehr, als diese Miete kostet).
Kaution darf übrigens nur genutzt werden, um nach dem Auszug der Mieter verbliebene Schäden zu richten (normale Abnutzungsspuren gelten nicht); alle Reparaturen sind nachweispflichtig und können im Nachgang beanstandet werden. Hinterlässt der Mieter die Wohnung in einwandfreiem Zustand, hat er losgelöst von eventuellen Mietschulden Anspruch auf die Kaution.
Das stimmt natürlich. Sehr ärgerlich, solches Verhalten. Kaution ist nicht für Mietschulden? Wusste ich nicht.