Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.
Fundstücke
1) Why the economic war against Russia has failed
Few people in the West are aware of how badly this aspect of the war is going. Europe has itself paid a high price to effect a partial boycott of Russian oil and gas. UK fossil fuel imports from Russia totalled £4.5 billion in 2021; in the year to January 2023 that was – officially – down to £1.3 billion. In 2020 the EU sourced 39 per cent of its gas and 23 per cent of its oil from Russia; in the third quarter of last year this was down to 15 per cent and 14 per cent respectively. […] It was not necessarily wrong to declare economic war on Russia. The country has suffered harm from western sanctions, even if nothing like on the scale that we imagined we could inflict. But if the West is thinking that in future it can fight wars purely by economic means, without bombs or bullets, it is badly mistaken. (The Spectator)
Am faszinierendsten finde ich die Handelszahlen mit Russlands Nachbarstaaten. Die Importe Kirgisiens für Autoersatzteile aus Deutschland etwa sind um 4000% gestiegen. Es gehört wenig Fantasie dazu, sich auszumalen, dass dafür kein kirgisisches Wirtschaftswunder verantwortlich ist. Aber die Hoffnungen über einen Zusammenbruch der russischen Volkswirtschaft als Folge von Sanktionen waren immer schon überzogen. Es braucht auch keinen Zusammenbruch, um Konsequenzen zu haben. Sanktionen heißt, das „long game“ zu spielen. Für mich ist die Situation mit der des Brexit vergleichbar: die Remainer malten sich da auch düstere Zusammenbruchsszenarien aus. Realistischer baer ist, was sich abzuzeichnen scheint: ein langsamer Niedergang, eine enshittification der britischen Volkswirtschaft.
Ähnliches wird auch in Russland passieren. Klar kaufen die über Drittstaaten weiterhin Kram, aber glaubt jemand, das passiert ohne Mark-up? Und sicher, sie kriegen manche Sachen aus dem Westen über diese Umwege immer noch. Aber kriegen sie alles, was sie brauchen? Auf „wir importieren was wir kriegen können in Kleinstmengen über Kirgisien“ lässt sich keine Wertschöpfungskette aufbauen. Mir scheinen die Abgesänge auf die Wirkungen der Sanktionen verfrüht.
Dazu kommt, dass ich die größte Bedeutung der Wirtschaftspolitik vis-a-vis Russland nie in der Zerstörung der russischen Wirtschaft gesehen habe; das kriegen die wie jedes autokratische Regime auch gut selbst hin. Der relevante Punkt ist die Entkoppelung von der russischen Wirtschaft, die Verringerung von Abhängigkeiten. Im Kalten Krieg importierte der Westen sehr wenig Dinge aus dem Ostblock und war daher unabhängiger. Wenn wir es schaffen, Russland wirtschaftlich ignorieren zu können, ist das bereits ein gewaltiger Erfolg der Sanktionspolitik. Und diesen Teil hat das Wirtschaftsministerium auch ziemlich gut hinbekommen. War natürlich auch nicht so schwer, bedenkt man die geringe Größe der russischen Volkswirtschaft. Derselbe Prozess wird bei China weit diffiziler werden.
2) The War on Poverty Is Over. Rich People Won (Interview mit Matthew Desmond)
Matthew Desmond: […] Government programs obviously work. I’ve been with people when they receive a housing voucher. They praise Jesus. They fall on their knees. They pray and weep and cry. We have massive amounts of evidence about the benefits of government spending on anti-poverty programs. But poverty is also about exploitation. We have all these anti-poverty programs that accommodate poverty without disrupting it. They’re not eliminating poverty at the root. […]
Lowrey: Let’s drill down on housing. Talk me through how something wealth-generating for some families is wealth-sapping for others.
Desmond: This is a unique feature of American life. If you go to Germany, a lot of professionals live in social housing. It’s not stigmatized. They’re living shoulder to shoulder with folks that might be in a very different place than they are economically. […]
Lowrey: We’ve seen large declines in the poverty rate in the past few years, after decades of slower progress. How and why did that happen?
Desmond: During COVID, we saw this incredible, bold relief, unmatched since the War on Poverty and the Great Society. If you look at the extended child tax credit, it dropped child poverty 46 percent in six months. If you look at emergency rental assistance, eviction rates drop to the lowest on record. If you look at incomes of families in the bottom half of the distribution—after the Great Recession, it took them 10 years to recover. This time, it took a year and a half. Night and day. I see this as incredible, incredible evidence of what robust government spending can do. But those things are going away. We’re seeing evictions tick up again. We’re seeing the poverty rate tick up again. That should be troubling. (Annie Lowrey, The Atlantic)
Man muss bei solchen Artikeln immer vorsichtig sein, weil die Lage in den USA wirklich eine fundamental andere ist als in Kontintaleuropa. Die US-Gesellschaft erträgt, wie Desmond das im Interview schön formuliert, wesentlich krassere Armutszustände, als dies die europäischen Gesellschaften tun. Ich möchte hier aber vor allem auf die zwei zitierten Punkte eingehen.
Erstens die Wirksamkeit direkter Hilfen. Ich habe das hier schon öfter angesprochen, aber wer Obdachlosigkeit beseitigen will, muss Obdach bereitstellen. It’s as simple as that. Von da an braucht es eine vernünftige Struktur mit Sozialarbeiter*innen, um die Lage der Leute zu stabilisieren, die das nötig haben. Not rocket science. Dafür ist ja Covid auch das beste Beispiel. Da gab der amerikanische Staat direkte Hilfen aus, und lo and behold, sie hatten massive positive Effekte. Wegen der Lust zu strafen ließ man die aber auslaufen, und wenig überraschend ist die Lage jetzt wieder schlecht.
Punkt zwei ist diese Idee, dass in Deutschland Fachkräfte in Sozialwohnungen leben würden. Das zeigt einmal mehr die Gefahr von irgendwelchen „aber in Land X ist es viel besser“-Vergleichen. Nicht nur werden oft genug Äpfel und Birnen verglichen, allzuoft ist es auch schlicht Unfug. Desmond mag ein Experte für US-Armut sein; von Deutschland hat er offensichtlich wenig Ahnung. Der Vergleich wird hier als Brechstange für die eigenen politischen Forderungen genutzt. Das darf man gerne für unsere eigenen Debatten auch im Blick behalten, etwa wenn die Rede auf das Schulsystem (Finnland!), sozialstaatliche Einrichtungen (Skandinavien generell!) oder Einwanderung (Kanada!) kommt, nur um einige zu nennen.
3) The case for rethinking fiscal rules is overwhelming
Are these rules exerting useful fiscal discipline or constraining investment and growth? I believe the latter. They are typically based on the stock of government debt relative to income. We would expect this ratio to vary over time. The greater the challenges facing a nation state, the stronger the case for debt-financed investment in the public goods needed to rise to them. […] Countries with higher net worth also tend to exhibit greater macroeconomic resilience. This then reduces the burden on the state when adverse shocks strike. Our current debt-based fiscal rules, by constraining public investment, have contributed to a reduction in macroeconomic resilience and a bulging of the safety net following shocks. […] Adhering to existing fiscal rules risks underinvesting today in tomorrow’s economic and environmental health. As the evidence of the past few decades demonstrates, debt-based fiscal rules dent growth, weaken macroeconomic resilience and amplify the doom loop. Future generations will rightly consider us bad ancestors if we stick with them. (Andy Haldane, Financial Times)
Ich nehme das vermehrte Auftreten solcher Artikel als Zeichen eines Paradigmenwechsels, den ich bereits seit Längerem prognostiziere. Es wird sicherlich noch eine Weile dauern, bis sich das herrschende Paradigma komplett überholt hat, und es bleibt weiterhin unklar, was an seine Stelle treten könnte – die Linke ist bisher nicht mit sonderlich großartigen oder kohärenten Ideen aufgefallen, weswegen anders als bei den letzten beiden Malen eher ein inkrementeller Umbau wahrscheinlich ist. Aber Ausnahme für Ausnahme, Krise für Krise wird das aktuelle Paradigma mehr und mehr an Bedeutung verlieren, davon bin ich überzeugt.
Im gleichen Zug legten die Grünen das Fundament für die Affäre Graichen. Sie holten den Energie-Experten als Staatssekretär in die Regierung – einen Mann aus einer Denkfabrik, der zwar schon mal elf Jahre im Bundesumweltministerium gearbeitet hatte, aber keine Erfahrung mit politischen Ämtern mitbrachte. Das kann man machen, Expertise von außen bereichert die Politik. Hilfreich wäre es dann aber, das fehlende Gespür für politische Fallstricke anderweitig auszugleichen: durch dahingehend erfahrene Mitarbeiter, durch enge Aufsicht, durch ausführliche Briefings. […] Das Tröstliche für Anhänger der Grünen: Es ist eine Lernkurve zu beobachten, auch wenn sie nicht exponentiell nach oben verläuft und sich im Moment sogar wieder nach unten wenden könnte. […] All das unwidersprochen stehen zu lassen, würde sowohl den Grünen als auch ihrer Sache schaden. Andererseits: In den Abendnachrichten darüber zu jammern, wie gemein doch alle sind, und auf Twitter anzumerken, dass andere Parteien eine viel dickere Skandal-Akte haben – das wirkt nicht sonderlich souverän. Damit kann man die eigenen Reihen schließen. Mehr nicht. (Tobias Schulze, taz)
Der Artikel analysiert in meinen Augen ziemlich gut, woran die Probleme der Grünen liegen. Letztlich ist es eine Unprofessionalität, die ich selbst ja auch schon öfter angemerkt habe. Wenn man von diesen Skandalen überrascht wird und keine Antwort darauf hat, ist das einfach keine gute Grundlagenarbeit. Und dann wird am Nasenring durch die Manege geführt. Es ist die Input-Problematik, die ich in den Kommentaren mit Ralf diskutiert habe: klar gibt es eine Kampagne gegen die Grünen, aber die machen es ihren Gegnern auch echt verdammt einfach. Das lässt sich in meinen Augen nicht wirklich wegdiskutieren. Die FDP hatte seinerzeit in der schwarz-gelben Koalition auch nicht viel freundliche Presse, aber wenn du dazu noch Klopper à la „spätrömische Dekadenz“ raushaust, machst du die Sache echt nicht besser. Ähnlich ist es auch hier.
5) So geht es nicht weiter mit der Arbeitszeit von Lehrern (Interview mit Mark Rackles)
In keinem anderen Bereich des öffentlichen Dienstes und ab einer bestimmten Gehaltsstufe auch in keinem privaten Unternehmen würden Beschäftigte so viele unbezahlte Überstunden machen. Warum nehmen Lehrerinnen und Lehrer das hin?
Grundlage der Arbeitsorganisation an Schulen ist ein uraltes System aus dem 19. Jahrhundert, das nie an die Erfordernisse der modernen Pädagogik angepasst wurde. Wirklich festgeschrieben ist in diesem System nur die Zahl der Unterrichtsstunden pro Woche, die eine Lehrkraft zu erteilen hat, an Gymnasien beispielsweise, je nach Bundesland, 23 bis 27 Unterrichtsstunden, an Grundschulen 27 bis 28,5 Unterrichtsstunden. Alles andere bleibt unbestimmt und hängt davon ab, wie eine Lehrkraft die Arbeit wahrnimmt. […]
Was für Aufgaben sind es, die außerhalb des Unterrichts stattfinden?
Die größten Belastungsfaktoren stecken im bürokratischen Aufwand, im Erfassen von Daten. Warum muss eine teuer bezahlte Lehrkraft so etwas tun, warum muss sie Aufsichten machen? In anderen Ländern machen das Assistenzlehrkräfte oder Studierende. (Hubertus Vollmer, NTV)
Es ist wie so häufig: die Defizite sind längst bekannt, die entsprechenden Lösungen auch. Das Problem ist, dass diese Lösungen teuer wären. Denn wenn man die Arbeitszeit von Lehrkräften vernünftig reformiert – vor allem im Einklang mit aktueller Gesetzgebung; aktuell ist das Klassenzimmer ja ein rechtsfreier Raum – dann kann das gut dazu führen, dass Lehrkräfte plötzlich weniger oder weniger gut unterrichten. In Hamburg, das als einziges Bundesland ein Wochenarbeitszeitmodell hat, stellte man schnell und wenig überraschend fest, dass Lehrkräfte mehr als die vorgeschriebene Zeit arbeiten. Die Antwort der Landesregierung? Sie sollen halt weniger gut arbeiten. Das kann man natürlich machen; eine sonderlich gute Lösung ist das aber nicht.
Ähnliches gilt für die nicht eben bahnbrechende Erkenntnis, dass Lehrkräfte viel zu viele Aufgaben außerhalb des Unterrichts erledigen, für die sie grotesk überqualifiziert sind und die alle wahnsinnige Zeitfresser sind. Nur: würde man diese Aufgaben ausgliedern, müsste man dafür anderes Personal einstellen. An der Stelle schlägt der Föderalismus gnadenlos zu. Lehrkräfte werden vom Land bezahlt, das restliche Schulpersonal von den Kommunen. Würde man diese Aufgaben also neu verteilen, stiege die Last auf die Kommunen. Man muss kein politischer Crack sein um zu erkennen, wo die Vetos solcher Vorschläge herkommen werden.
Resterampe
a) Ganz guter Artikel zum Kommunikationskampf zwischen Lindner und der Letzten Generation.
b) Die Forschung zeigt, dass Autos für den Einzelhandel bei weitem nicht so wichtig sind, wie das in der Debatte propagiert wird.
c) Momentaufnahme einer Machtverschiebung bezüglich ChatGTP.
d) Die Verbotspartei ist wieder dran.
e) Solare Luftschiffe sehe ich auch als Zukunft des Reisens, aber da ist echt noch long way to go.
f) Ganz interessantes Interview zu den globalen Disparitäten.
g) Ich finde dieses Getue wegen familiärer Beziehungen in den Ministerien nur albern. Egal bei welcher Partei.
h) Sehr guter Artikel zu Robert Habeck, in Ergänzung zum letzten Vermischten. Die BILD-Kampagne läuft indessen weiter. Auch die Welt kann das gut.
i) Mal wieder was zu den Benin-Bronzen.
j) Keine bösen Überraschungen.
k) Es ist so ermüdend. Siehe dazu auch: Deutsche Normalität.
l) Elon Musk jetzt auf der Antisemitismusschiene. Dazu der Kotau vor autoritären Regimen. Champion der Meinungsfreiheit, my ass.
m) Durch Progressiv-Twitter lief gerade die Meldung, dass Strom seit dem Atomausstieg billiger, nicht teurer wurde, und mich ermüden solche Zahlenspielereien wahnsinnig. Strom wird im Frühsommer billiger als im Sommer? Potzblitz! Mal davon abgesehen, dass zwei Monate nach einem Event die Aussagekraft aller solcher Zahlen ohnehin gleich null ist. Und davon abgesehen: es ging nur noch um, was, drei müde Meiler? Natürlich ändert das nichts mehr.
n) Ich fühle mich in meiner Kritik an der Kommunikation der Grünen bestätigt.
o) Das Realignment in den USA ist echt krass.
p) Die Ostdeutschen sind teils echt einfach nur lost.
q) Doppelstandards.
r) Frank Schäfflers Realitätsverlust ist auch beeindruckend.
s) Die NYT hat eine großartige Reportage zu Erben und Ungleichheit.
t) Die intellektuelle Verwahrlosung der Libertären.
u) Die FAZ hat einen Bericht über eine Historiker*innentagung zum Thema 1923.
v) Guter Thread von Jonas Schaible zum Thema Lobbyismus.
w) Oh hey, noch ein Postenvergabeskandal in einem Ministerium der die Springerpresse nicht interessiert.
x) Noch ein guter Artikel zu der Misere der Grünen. Typisches progressives Problem, haben auch die Democrats. Richtig machen können sie es eh nicht.
2) The War on Poverty Is Over. Rich People Won (Interview mit Matthew Desmond)
Angeblich gibt es ja in den Großstädten zu wenig Wohnungen. Und das, obwohl der Staat für Bürgergeldempfänger zahlt. Das Problem scheint noch unterkomplex dargestellt.
Irgendwo habe ich mal gelesen, Sozialwohnungen seien zu einem hohen Teil fehlbelegt. Laut Statistik der Meldeämter.
3) The case for rethinking fiscal rules is overwhelming
Ist die Welt nach einer Dekade rasant steigender Staatsverschuldungen eine bessere geworden? Gibt nicht so viele, die das bejahen.
4) Immer wieder im Frühling
Es ist einfach peinlich – von mehr ganz zu schweigen – wenn die Medien zur Illustration des Problems ein selbst gezeichnetes Organigramm der Familienverhältnisse der Clanstrukturen im Klimaschutzministerium publizieren können.
Transparency und Abgeordnetenwatch sind nicht begeistert.
5) So geht es nicht weiter mit der Arbeitszeit von Lehrern (Interview mit Mark Rackles)
Dieses Selbstmitleid ist nur noch nervig.
d) Die Verbotspartei ist wieder dran.
Die Rechtschreibreform ein Furor von Verbotsfetischisten. Sachen gibt’s.
k) Es ist so ermüdend. Siehe dazu auch: Deutsche Normalität.
Gerade läuft ein Prozess gegen Lina E. wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Die als Linksterroristin bezeichnete Angeklagte soll mit einem Netzwerk Jagd auf Rechte und Rechtsextreme gemacht haben.
Ach sorry, das fällt ja nicht wirklich unter Gewalt. *Ironie off*
<v) Guter Thread von Jonas Schaible zum Thema Lobbyismus.
Der Typ ist ja einer der Spitzenreiter im Greenwashing.
3) Gibt es viele, die bejahen würden, dass die Welt ohne diese Verschuldung besser wäre? Das wäre mutig.
5) Ich sag’s dir mal wieder.
3) Derjenige, der Policy Change befürwortet, ist in der Begründungspflicht.
5) Ich mag Menschen mit Leidenschaft what they do for living. Ich bin immer in meinem Job, viele Menschen, die ich kennenlernen durfte, sind waren es ebenfalls. Das ist nicht zwangsläufig eine Sache des Preises. Ein paar meiner Mitarbeiter kann ich selbst im Urlaub kontaktieren – wenn es unbedingt sein muss.
Worauf wollen wir mal stolz sein: Dass wir wunderbar relaxt haben oder dass wir etwas geschaffen haben? Gerade von Lehrern erwarte ich (sic!), dass sie mit Leidenschaft ihrem Beruf nachgehen. Was gibt es Dankenswerteres als junge Menschen ins Leben zu begleiten?
Nein, ich kann dieses Schauen auf die Stechuhr nicht verstehen und nicht respektieren. Konnte ich übrigens noch nie.
3) Derjenige, der Policy Change befürwortet, ist in der Begründungspflicht.
Und dabei ist es noch nicht mal ein Policy Change. In so manchen EU-Staaten haben sich Zentralbanken schon immer als Gehilfen der Politik gesehen, die EZB tut das inzwischen auch ganz ungeschminkt. Bürokratie neigt immer zur Selbstausweitung, wenn man sie nicht konsequent beschneidet. Und wer hätte dafür in Europa schon den Mumm?
Man beschneidet immer gerne die Bürokratie, die Zielen dient, die man ablehnt, und weitet die aus, die den eigenen Zielen dient.
Gib mir bitte mal ein Beispiel. Wann hat jemals ein bürokratischer Apparat irgendwo Bürokratieabbau gefordert und/oder durchgesetzt?
Ein bürokratischer Apparat versucht immer, sich auszudehnen. Jede Institution versucht das. Ob Abteilung im Unternehmen, Behörde oder was auch immer: Ausdehnung ist das Ziel.
3) Nicht zwingend. Du kannst auch in der Begründungspflicht sein, wenn du Mist behalten willst. Aber grundsätzlich hast du Recht, was politische Dynamiken angeht. Das ist ja der Grund dafür, warum Konservative tendenziell stärker sind: change is hard.
5) Wieso sollte sich Leidenschaft und Einhaltung von Arbeitsgesetzen und vertraglichen Vereinbarungen ausschließen?
3) Wie ist das beim Augenarzt? Besser? Oder schlechter? Wenn es nicht besser ist oder Du es nicht sagen kannst, bleibt es wie es ist.
Will ich im Unternehmen, in meinem Bereich Veränderung oder eine Investition durchsetzen, bin ich auch immer in der Begründungspflicht. Gelingt mir nicht detailliert zu begründen, warum eine Änderung zu einer Verbesserung – Profitabilität oder Produktivität – führt, gibt es keine Genehmigung und das Team zieht nicht mit. Ausgerechnet in einer Demokratie soll das anders sein?
5) Ich halte mich nicht an Arbeitsgesetze. Schon gar nicht, wenn es mich betrifft. Ich verlange nicht, dass andere Gesetze bringen. Gerade vor einigen Wochen habe ich meine Führungscrew eindringlich geschult, sich selbst nicht auszubeuten. Das tue ich nämlich auch nicht.
Aber ich entlasse niemals Menschen mit großer Hingabe und Leidenschaft. Arbeitszeitregelungen sind eine juristische Konvention zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Sie sind oft Leitlinen. Aber diese Konvention ändern sich nach politischer Opportunität, Ära und Mentalität der Bevölkerung. Sie orientieren sich selten an wirtschaftlichen Gegebenheiten und Neigungen der Menschen.
Da ich derzeit kein Organ bin, bin ich gezwungen, meine Arbeitszeit zu erfassen. Ich habe das bisher nicht getan, obwohl der Gesetzgeber mich dazu zwingt. Ich habe noch nie in meinem beruflichen Leben, die produktiven Zeiten in der WP ausgenommen, meine Arbeitszeit erfasst. Warum? Wie andere Arbeitnehmer auch nehme ich mir Vorteile – verlängerte Mittagspausen, Home Office u.ä. Und das tun viele Beschäftigte heute auch. Ich sage nichts dagegen, wenn meine Familienväter mal am Nachmittag offline sind, im Gegenteil, ich fördere es. Sie sind immer da, wenn ich sie brauche. So läuft das.
Leidenschaft folgt nicht Normen und Konventionen. Deswegen sind Arbeitsgesetze, die ja die Ausbeutung verhindern sollen und Leidenschaft nicht (völlig) in Einklang zu bringen.
Nur ein Gedanke: stell‘ Dir eine Erzieherin vor, die streng ihre Arbeitszeit und Regeln einhält, wenn Eltern ihr Kind sehr verspätet abholen wollen. Sie informiert die Polizei und das Jugendamt. Wirklich vorbildlich!
Oder der Chirurg, der seine Arbeitszeit vollendet hat, aber einen Notfall reinbekommt. Er dürfte den Schwerverletzten nicht behandeln, so sind unsere Gesetze. Think about!
Seit wann sind denn Gesetze und Verträge plötzlich nur „juristische Konvention“ und nur „Leitlinen“? Bisher galt immer, dass „Opportunität, Ära und Mentalität der Bevölkerung“ egal sind. Aber wie immer gelten Regeln immer nur so lange, wie sie einem selbst nicht im Weg stehen.
Das kommt darauf an, um welche Gesetze es sich handelt. Die Verfassung gibt den Rechtsrahmen und den Bürgern allgemeine Freiheitsrechte. Diese müssen sie nicht wahrnehmen, der Staat muss sie aber achten. Genauso müssen alle staatlichen Institutionen sich an die verbindlichen Aufgaben halten.
Das Strafbuch zählt erschöpfend auf, welche Handlungen unter keinen Umständen geduldet werden. Unterscheidung übrigens zum Ordnungsrecht. Jeder Verstoß wird verfolgt und und in einem öffentlichen Verfahren geahndet.
Das BGB fasst Regelungen des Zusammenlebens. So sind dort allgemeine Regeln für den Vertragsgestaltungen kodifiziert. Der Bürger kann aber hiervon abweichen, er muss sich nicht an das Gesetz halten. So können Ehepartner füreinander den Unterhalt ausschließen oder das genaue Gegenteil. Die Erbfolge kann sich erheblich von der Gesetzesnorm unterscheiden.
Schutzrechte wiederum wie das Arbeitszeitgesetz markieren Mindeststandards des Gesellschaft. Sie dürfen nicht verletzt werden. Nur zur Klarstellung: Ich habe weder zur Verletzung von Gesetzen aufgerufen noch habe ich das hier geschrieben.
Das Arbeitszeitgesetz schützt mich vor der Ausbeutung durch meinen Arbeitgeber. Was aber, wenn ich selbst mich ausbeuten will? Das Arbeitszeitgesetz gilt nicht für die Organe einer Gesellschaft wie Geschäftsführer und Vorstände und auch nicht für Selbständige. Das zeigt ganz klar, dass der Gesetzgeber allein den Arbeitnehmer vor dem Arbeitgeber schützen will.
Wenn ich gegen das Gesetz verstoße, passiert mir daher gar nichts. Weise ich jedoch in der Position des Arbeitgebers Mitarbeiter an oder verhindere nicht, dass sie länger als das Gesetz erlaubt arbeiten, mache ich mich strafbar. Ist damit der Unterschied klar?
Darüber hinaus gibt es noch weitere Formen von Gesetzen wie Steuer- und Handelsgesetze, die dem Bürger detaillierte Vorschriften machen, von denen er wiederum meist nicht abweichen darf. Aber das reicht an dieser Stelle.
Also hör‘ mit diesem regelmäßigen Blödsinn auf. Der passt zu Kids, aber nicht in eine seriöse Diskussion.
Weißt du, wenn du den letzten Satz nicht dahin gepackt hättest, wäre es mir viel leichter gefallen, zu schreiben, dass du deinen Standpunkt gut deutlich gemacht hast und dass mir vorher nicht klar war, wie du es meinst.
Dein letzte Reply hat mich auf die Zinne gebracht. Ich sehe das Recht nicht so wie Du es immer wieder unterstellst. Da bin ich nicht nur stark von meinem Job geprägt. Gesetzestreue ist da unabdingbar.
Sie sprechen da einen wichtigen Punkt an, der besonders auch für Homeoffice kritisch ist: Der Arbeitgeber muss im Rahmen seiner Fürsorge- und Sorgfaltspflicht die Einhaltung der Arbeitszeiten durchsetzen.
Das ist nicht nur eine privatrechtliche Angelegenheit, sondern im öffentlichen Interesse, die Einhaltung von Arbeitszeiten wird u.a. durch den Zoll kontrolliert.
Besonders kritisch ist der Wegfall des Versicherungsschutzes für Haftung und Unfallrisiken. [Anekdotische Evidenz] Ich hatte mal die Situation, dass ein Kollege nach einem überlangen Arbeitstag vom Chef ein Taxi bezahlt bekommen hat, nur um das Risiko eines Wegeunfalls weitgehend auszuschließen.
@ Stefan Pietsch 22. Mai 2023, 11:16
5) So geht es nicht weiter mit der Arbeitszeit von Lehrern (Interview mit Mark Rackles)
Ich bin immer in meinem Job, viele Menschen, die ich kennenlernen durfte, sind waren es ebenfalls. Das ist nicht zwangsläufig eine Sache des Preises. Ein paar meiner Mitarbeiter kann ich selbst im Urlaub kontaktieren – wenn es unbedingt sein muss.
Deine Situation ist leider nicht des Maßstab für den Rest; in weiten Fällen ist Dein Verhalten durch Deine robuste Persönlichkeit bestimmt und ermöglicht Die ein Handeln, dass Du nicht jedem anderen in welcher Position auch immer abverlangen kannst.
Dann vermute ich mal, dass Du eine Position hast, die Dir ein Stückweit aktives unternehmerisches Handeln erlaubt. Deine Mitarbeiter sind in erster Linie im Unternehmen, um Geld zu verdienen; die haben sich dort beworben und sind freiwillig dort. Dann werden Deine Vorgaben und Anweisungen vermutlich als Rahmen akzeptiert, in dem es sich zu bewegen gilt.
Jetzt schau in die Schule: Die Lehrpläne lassen wenig Spielraum zur eigenen Entfaltung. Die Personaldecke ist (wenn ich auf die Erfahrungen mit meinen Kindern schaue) bei 90 Prozent, mit der Hoffnung, dass niemand krank wird oder ausfällt. Schüler, die müssen und nicht immer wollen. Übervolle Klassen, mangelhafte technische Ausstattung, überforderte Rektoren, Null Unterstützung durch übergeordnete Dienststellen, und Vorschriften, Vorschriften, Vorschriften.
Stell Dir vor, dass Du Deinen Job in einem „von oben“ kontrollierten Kombinat der DDR ausüben müsstest, mit realitätsfernen Planzahlen, mit Genossen, die bezahlt werden, unabhängig davon, ob sie Leistung bringen oder nicht …
Dann bist Du etwas dichter dran.
Gerade von Lehrern erwarte ich (sic!), dass sie mit Leidenschaft ihrem Beruf nachgehen. Was gibt es Dankenswerteres als junge Menschen ins Leben zu begleiten?
Keine Ahnung, wie alt Deine Kinder sind, aber bei meinen, die ich als „gut“ erzogen erachte (sagen zumindest alle aus unserem Alter, die sie kennen), hatten meine Frau und ich mehr als einmal den Finger im Hals. Nimm Deine Kinder, wenn sie so richtig übellaunig sind, pack noch ein Dutzend dazu, ergänze das ganze um ein, zwei Fuhren mit Migrationshintergrund und Sprachproblemen, und DANN bring ihnen etwas bei – nur mit Duzi-Duzi-Sagen, ohne Möglichkeit zu Konsequenzen, Strafen etc.
Nein, ich kann dieses Schauen auf die Stechuhr nicht verstehen und nicht respektieren. Konnte ich übrigens noch nie.
Du redest über Schuhe, in denen Du nie gelaufen bist. Du hast nie ein paar Jahre vor Kindern und Jugendlichen gestanden, die sich nicht für Dich interessierte, die Deine Bemühungen bestenfalls nicht zur Kenntnis nehmen etc. Wenn Dir jemand erklären würde, dass Dein Gehalt unverdient ist, weil ja nicht Du die Arbeit machst, sondern Deine Mitarbeiter, wäre man (fast) auf dem gleichen Niveau.
Ich habe eine gute Handvoll Lehrer gesehen, die mir imponiert haben, und einige Handvoll mehr, die ich gerne in den Arsch getreten hätte, weil sie lahm, ungerecht und überfordert waren. Aber niemals wäre ich auf die Idee gekommen, mir solch einen Psycho-Job selbst anzutun.
Mittlerer Weile sollte sich herumgesprochen haben, dass ich Finanzchef bin. Solche beschäftigen sich der rückwärtsgewandter Buchhaltung und der Informationssammelstelle Controlling. Das ist nicht unternehmerisch angelegt. Das Entscheidende ist, was man als Persönlichkeit daraus macht. Ich habe meinen Bereich immer unternehmerisch ausgelegt. Aber das wird einem nicht gegeben. Unternehmer fragen nicht, ob sie dürfen. Sie machen. Und Macht wird einem nicht gegeben oder gar geschenkt. Man nimmt sie sich. Es entspricht nicht meinem Naturell zu fragen.
Ich habe Mitarbeiter, die für mich durchs Feuer gehen, die nur da sind weil ich da bin. Nein, sie arbeiten nicht nur, um Geld zu verdienen. Mit solchen Charakteren kannst Du keinen Krieg gewinnen. Auch so kann man Menschen formen.
Nun wird niemand Lehrer, um sein unternehmerisches Talent auszuleben. Das unterstelle ich wahrlich keinem Lehrer. Und wir wissen ja nicht nur aus unserer eigenen Schulzeit, dass die meisten Lehrer nicht einmal ihren Job ergreifen, um Schüler zu begeistern. Während der Pandemie war das ja auch die Berufsgruppe, die am auffälligsten die Flucht vor der eigenen Aufgabe ergriffen hat.
Meine Erwartung an Menschen, die sich wahrlich ihren Beruf aussuchen können, ist, dass sie ihrem Job mit Leidenschaft nachgehen. Das gilt vor allem für solche, die mit Kindern arbeiten. Kinder für sich einnehmen, mitreißen, das ist nun wirklich keine große Herausforderung. Das ist bei Erwachsenen viel schwerer. Und wenn ein Lehrer an dieser Aufgabe versagt, dann ist das Problem nicht das Objekt, sondern sein fehlendes Talent. Wie bitte, Erwin, willst Du Kinder zum Lernen bringen, wenn Du sie nicht begeisterst? Das ist mir ein Rätsel.
Meine Frau ist Erzieherin, remember? Sie hat in über 30 Jahren jede Gruppe hingebracht, jedes Kind. Meine Frau ist das, was der Pferdeflüsterer bei Vierbeinern ist. Du erziehst Menschen mit Konsequenz, nicht mit Konjunktiven. Als meine Tochter sich im Alter von 8, 9 Jahren im Disney Store auf der Frankfurter Zeil auf den Boden schmiss, weil sie etwas wollte, zog sie sie schlichtweg aus dem Laden. Sie hat nie wieder so ein Theater gemacht. Für sie, das sagt sie heute noch, war das eine Lektion fürs Leben.
Menschen probieren aus, wie weit sie gehen können. Das müsste jedem klar sein, der Menschen, egal ob Kleinstkinder oder ältere Herrschaften, führt. Wer damit nicht umgehen kann, sollte keine Menschen führen.
In der DDR wäre ich sicher etwas mit Macht, aber Rebell gewesen. Weil es meinem Naturell entspricht.
@ Stefan Pietsch 27. Mai 2023, 16:47
Nichts gegen irgendetwas einzuwenden. Und nichts davon sehe ich als Widerspruch zu meinen Ausführungen.
Der Denkfehler, der gelegentlich Dein Urteil trübt, ist die theoretische Hochrechnung solch einer Situation auf Deine Persönlichkeit – das ist mein einzige Vorwurf.
Du gestaltest Deinen Job „unternehmerisch“, weil Du das willst, kannst, in Dir angelegt ist. Du bist eine willensstarke Persönlichkeit mit Drang nach vorne, sicherlich (wenn ich Dich anhand Deiner Beiträge richtig interpretiere) auch bereit zum Einsatz der Ellbogen – eine Art von Persönlichkeit, die normalerweise in die Wirtschaft geht, nicht in den Lehrberuf. Du scheiterst jedes Mal bei dem Versuch, Dich in jemanden hineinzuversetzen, der sich nicht durchsetzen möchte, der die mehr oder weniger ausgeprägt vorhandene Willensstärke nicht dazu nutzen will, sich gegen andere zu behaupten. Und so sehr Du in Regeln eingebunden bist, geben Sie Dir doch eine andere Art von Freiräumen, als Du sie im Lehrberuf hast.
Ich denke, dass Du es in vielen Unternehmen weit bringen würdest, aber ich kann mir auch vorstellen, dass Du als Lehrer (oder vielleicht auch Pfleger) scheitern würdest.
In der DDR wäre ich sicher etwas mit Macht, aber Rebell gewesen. Weil es meinem Naturell entspricht.
Wären wir das nicht irgendwie alle 🙂
@ Stefan Sasse 22. Mai 2023, 10:50
3) Gibt es viele, die bejahen würden, dass die Welt ohne diese Verschuldung besser wäre? Das wäre mutig.
Unsere aktuelle Zinslast beträgt über 40 Milliarden Euro pro Jahr. Der größte Teil der Kredite, die wir damit tilgen bzw. verzinsen, ist in den Konsum gegangen.
Ein bisschen Zurückhaltung in früheren Jahren (in denen der alljährliche Steuerzuwachs doppelt und dreimal so hoch war wie die Inflation), und wir hätten jetzt 20 bis 30 Milliarden mehr verfügbar.
Wie man an den noch höher als wir verschuldeten Ländern sieht, haben Staatsschulden einen negativen Einfluss auf die Gestaltungsmöglichkeit der Politik. Und da das meiste Geld in den Konsum lief, sind die Bürger nicht nur einen recht hohen Lebensstandard gewohnt (schlecht fürs Klima), sondern auch, dass der Staat einspringt, wenn es kneift. Aber diese hohe Erwartungshaltung lässt sich meiner Meinung nach nicht auf Dauer aufrecht erhalten.
(3 – Fiscal rules)
Ein erstaunlicher Text. Man bekommt beim Lesen den Eindruck, dass der Autor noch niemals mit Währungs- oder Fiskalpolitik zu tun hatte – und dann stellt sich raus, er war mal Chefvolkswirt der Bank of England …
Der immense Investitionsdruck, vor dem die ganze Welt dank Energiewende und militärischer Spannungen steht? Und die sich daraus ergebenden Zinsfolgen? Existieren offenbar nicht. Die EZB, die ihr Pulver weitgehend verschossen hat und auch in Prosperitätszeichen ein Krisenprogramm fährt? Nicht der Rede wert. Der schon heute hohe Schuldenstand, der in vielen westlichen Ländern seit Jahrzehnten wächst? Egal. Überhaupt: Die westlichen Regierungen, die seit Jahrzehnten ein Dauer-Keynes-Programm auf Vollgas fahren? Wahrscheinlich weiß er nicht einmal, wer Keynes ist und wie klein die Budgets zu dessen Zeit waren.
Insgesamt fühle ich mich bei diesem Text sehr in meiner Annahme bestätigt, dass vielen Zentralbankern die Realität heute egal ist. Sie fühlen sich wie die Masters of the Universe im US-Börsenboom der 80er Jahre.
l) Ich habe mir deinen „Kotau“ Link angesehen. Die getweetete Grafik stammt aus diesem Artikel:
https://restofworld.org/2023/elon-musk-twitter-government-orders/
Dort ist auch aufgeschlüsselt, welche Staaten am stärksten für die Einmischung verantwortlich sind. Unangefochten auf Platz 1 ist die Türkei (Wahlen + Krieg + autoritäres Hybridregime). Auf Platz zwei folgt jedoch mit deutlichem Abstand zum Rest der Welt: Deutschland.
Ja, aber die Gründe sind völlig andere.
Vorsicht, es geht nicht um rechtswidrige Inhalte (auch da ist D dank NetzDG ganz vorne). Es geht um Regierungswünsche, dass oppositionelle Medienschaffende diesen Kommunikationskanal nicht nutzen können. Selber Grund wie in der Türkei. [Fürs Protokoll: China und Russland sind da rabiater, die sperren im Zweifel Twitter ganz]
Vielleicht bin ich zu naiv, aber ich glaube einfach nicht, dass die BuReg missliebige Inhalte auf Twitter sperren lässt. Also wenn Stefans Invektiven gegen die Grünen hier auf Twitter liefen glaube ich nicht, dass Habeck da bei Musk intervenieren würde. Um was für Interventionen handelt es sich da?
Bei „Querdenkern“ sind ein par Fälle prominent geworden (z.B. Ken Jebsen). Unsympathisch ja, womöglich sogar unappetitlich, aber nicht gesetzeswidrige Inhalte.
Ok, und was sind dann die vielen anderen Fälle?
Das ist genau mein Problem: Regierungen (auch unsere) geben darüber keine Rechenschaft.
Elon Musk ist es in meinen Augen sehr positiv anzurechnen, dass er mit den veröffentlichten „Twitter-Files“ in diese Praxis Licht geworfen hat – wenn auch „nur“ für die USA und dort den Teil, der ihm in den Kram passt.
Ja, das darf gerne transparenter sein.
1) Hier wäre der Hinweis sinnvoll, dass der UN-Menschenrechtsrat mehrheitlich einseitige Wirtschaftssanktionen verurteilt.
2) „Die US-Gesellschaft erträgt, wie Desmond das im Interview schön formuliert, wesentlich krassere Armutszustände, als dies die europäischen Gesellschaften tun.“ Soziale Rechte sind Menschenrechte, ebenso wie Freiheits- oder Partizipationsrechte. Die Aussage „In XY-stan sind die Menschen nun mal Unterdrückung gewohnt“, akzeptierst du ja auch nicht.
4) Und alle anderen Fundstücke zu dem Thema: Es geht nicht um Kommunikation, sondern um politische Hygiene. Natürlich gibt es Vetternwirtschaft, Klüngel etc.. in allen Parteien (siehe g und q und den schönen Widerspruch zwischen deinen Kommentaren). Dagegen hilft nur Transparenz bei Auftragsvergabe, dafür waren die Grünen, als sie noch in der Opposition waren (Neben der Linkspartei übrigens als einzige) : https://www.gruene.de/artikel/fuenf-punkte-plan-fuer-saubere-politik-und-transparenz . Und es geht ja nicht nur um Graichen, in den zwei Jahren hat es einige „graue“ Manöver gegeben, z.B. Familienministerium Auftrag an ZLM.
5) Die Musik steckt im vorletzten Absatz des Interviews: Aufgrund eines BAG-Urteils (vom 13.09.2022) wird es ab Oktober 2023 eine allgemeine Aufzeichnungspflicht der Arbeitszeit geben. Mal sehen, wie viele Kultusministerien diese „schon“ zum Schuljahresbeginn umsetzen und wie viele von dieser Neuregelung „total überrascht“ sein werden.
i) Es sollte klar sein, dass der Staat Nigeria erst einmal souverän ist, wie er mit der zurückgegebenen Raubkunst umgeht. Da ist der Vergleich des Königshauses Benin mit den Hohenzollern in meinen Augen sehr treffend. Aber weil der Fall so aufsehenerregend ist, möchte ich eine Idee anregen: Sollte die Idee „Welterbe“, die bei Bauwerken und Immaterialerbe etabliert ist, nicht auch auf bewegliche Artefakte erweitert werden, mit den daran hängenden Verpflichtungen (Erhalt und Zugang) ? Beim ersten Überdenken finde ich das eine tragfähige Idee.
p) In gewisser Weise ist der Umgang mit Ostdeutschen ein Prüfstein, wie konsequent jemand es mit „woken“ Ansichten hält. Sie können durch ihre unterschiedliche Geschichte und Kultur als ethnische Minderheit gelten, sie werden materiell messbar benachteiligt, in allen Elitenbereichen sind sie unterrepräsentiert. Aber die eigene Geschichtserfahrung wird von den privilegierten Kreisen nicht gewürdigt, wenn sie der etablierten Geschichtserzählung widerspricht (Hoyer, Oschmann).
2) Ich akzeptiere das auch nicht, ich stelle es nur fest.
4) Jepp. In der Opposition fordert sich vieles leicht 😀
5) Ich halte.
i) Wie würde das aussehen?
p) Das führt an der Stelle etwas zu weit, aber ich stimm dir da nicht zu.
i) Wie beim Weltdokumentenerbe:
https://de.wikipedia.org/wiki/Weltdokumentenerbe
Das ist eh schon sehr weit gefasst (z.B. gehört die „Himmelsscheibe von Nebra“ dazu), man könnte genauso auch „bewegliche Zeugnisse menschlicher Kultur und Schaffenskraft“ schützen.
Hm, geht bestimmt. Ich muss ehrlich sagen, da reichen meine Fachkenntnisse nicht weit genug, um die Diskussion fortführen zu können.
1) Sanktionen
Aber die Hoffnungen über einen Zusammenbruch der russischen Volkswirtschaft als Folge von Sanktionen waren immer schon überzogen
Im Grunde genommen erscheint mir diese Hoffnung genauso naiv wie „Wandel durch Handel“ So funktioniert das nicht und es ist auch gar nicht dafür gedacht, schnell messbare Ergebnisse zu liefern. Dafür ist der Einfluss wirtschaftlicher Aktivität oder außenpolitischer Diplomatie auch viel zu gering. Und es gibt ja durchaus Staaten, die werden schon seit 50 Jahren zumindest von der westlichen Welt sanktioniert und da wird immer noch auf Zusammenbruch gewartet.
Ich glaube, man darf dabei nicht nur auf Ergebnisse und andere Länder sehen, sondern es geht immer auch um die Frage der eigenen Haltung. Sehe ich bei wertegeleiteter AP auch so. Wenn man in einer Welt leben möchte, in der nicht einfach andere Länder überfallen werden und gegen Menschenrechte verstoßen wird, muss sich das auch in der Außen/Handelspolitik niederschlagen. Auch, wenn es wehtut und/oder es keinen Effekt hat.
(Idealerweise sollte man dann auch kritisch auf sich selbst blicken und es nicht hinnehmen, dass Flüchtlinge ersaufen btw)
4) bzw die Grünen
Ich hab übrigens bis heute nicht verstanden, wer da der Schwippschwager von wem ist und es interessiert mich auch nicht sonderlich. Übrigens nicht mal bei der CSU, wenn da jemand verwandt/bekannt ist. Man kann das generell und gleichmäßig kritisieren oder eben hinnehmen.
Ja in Deutschland läuft sehr viel über Beziehungen und je kleiner und spezialisierter die Branchen sind, desto mehr hat man ein „jeder kennt jeden“
Und (nein, ich habe jetzt nicht jede verwandtschaftliche Beziehung in sämtlichen Parteien und Ministerien durchleuchtet) grundsätzlich macht es übrigens auch mehr Sinn, als wenn man 5 unbekannte, branchenfremde Leute an ein Spezialwissen-Projekt setzt.
Grundsätzlich haben linke Parteien damit eh mehr Probleme, weil andere Anforderungen an sie gestellt werden, man denke nur an diese Flugmeilen-Nummer. Von daher gibts da auch kein Patentrezept.
Viel schlimmer finde ich, dass man dieses Heizungsgesetz kommunikativ in den Sand gesetzt hat (hatten wir ja auch neulich), da durfte man nun eigentlich nicht auf dem falschen Fuß erwischt werden, aber die Idee, eine Sache auch „zu verkaufen“ scheint bei den Grünen oft noch nicht wirklich angekommen zu sein (und nein, das ist etwas anderes als „eine Sache besser erklären“)
1) Jepp.
4) Verwandtschaft/Bekanntschaft ist ja per se auch nicht das Problem. Graichen hätte sich halt als befangen erklären müssen. Der Typ wäre dann ja trotzdem eingestellt worden, das ist ja der ganze Treppenwitz an der Affäre. Selbstverschuldet.
Die FDP hatte seinerzeit in der schwarz-gelben Koalition auch nicht viel freundliche Presse, aber wenn du dazu noch Klopper à la „spätrömische Dekadenz“ raushaust, machst du die Sache echt nicht besser.
Das Problem an der Argumentation ist, dass die FDP jahrelang Klopper à la “spätrömische Dekadenz” rausgehauen hat. Und zwar unter tosendem Applaus der Medien. Natürlich nur als Neoliberalismus noch “in” war. Dann kam mit der Bankenkrise das große Einsehen und der Ruf nach Rettung durch den starken Staat. Und plötzlich wurde Westerwelle, der einfach so geblieben war, wie er immer gewesen war, dafür abgeschossen, dass er das gesagt hatte, was er immer gesagt hatte. Von Selbstkritik bei den Medien hingegen keine Spur.
DAS ist ebenfalls normal. Ich hab das ja schon vor über einem Jahr für Habeck prophezeit und Recht behalten. Ich prophezeie dasselbe für Pistorius jetzt auch. Die Schmidt-Schnauze ging den Leuten ja auch irgendwann auf den Käse, und Merkel wurde in ihren letzten vier Jahren für denselben Stil dauerkritisiert, der davor immer gefeiert wurde.