Donald Trump wird in Jogginghosen Rektor einer Schule auf Bahntrassen und unterrichtet Medienbildung – Vermischtes 03.04.2023

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.

Fundstücke

1) Florida principal forced to resign after Michelangelo’s David statue shown during class // BREAKING: Unbelievably trivial story somehow becomes national news

A principal at a Florida charter school was forced to resign after parents complained that a sixth-grade lesson featuring Michelangelo’s David statue was pornographic. The incident occurred during a Renaissance art lesson at Tallahassee Classical School when children were shown the statue, a nude depiction often considered one of the most famous sculptures in Western civilization. However, the Tallahassee Democrat reported that parents reacted angrily, with at least one saying the material was pornographic and others wanting to be able to approve the lessons before they occurred. The principal, Hope Carrasaquilla, resigned „after she was given an ultimatum by the school board to resign or be fired,“ BBC News reported. The Democrat added that Carrasaquilla reportedly believed her resignation was directly related to the David lesson. […] However, in a heated interview with Slate, Bishop pushed back against the assertion that Carrasaquilla’s resignation was based simply on children being shown the statue. Rather, he said, it was based on an „egregious mistake“ the school made by not giving parents advance notice that David would be shown, something he says occurred in prior years. „We’re Florida, OK? Parents will decide. Parents are the ones who are going to drive the education system here in Florida,“ Bishop said. (Justin Klawans, The Week)

In previous years the school notified parents about their plans for teaching Renaissance art. This year they failed to do that. That’s the school’s side of the story. I don’t know who’s telling the truth, of course. But if they’ve taught David before with no problem, it seems likely that notification really was the issue. So here’s what we’ve got: A few parents at a conservative school didn’t want their sixth-grade children to see artwork of nudes. They wanted to be notified beforehand so they could pull their kids from that particular lesson. At about the same time, for this lapse and for other reasons, the board fired the school’s principal. In what way is this even much of a local news story, let alone a national one? (Kevin Drum, Jabberwocky)

Die Geschichte wurde in meiner Timeline viel geteilt (und hat  es mit der üblichen mehrtätigen Verspätung natürlich mittlerweile auch in die deutschen Medien geschafft, was Adrian Daubs These vom Kulturtransfer einmal mehr bestätigt). Sie scheint auch schön zu belegen, dass „Cancel Culture“ eben auch (und gerade) in den rechten Kreisen ein Dauerproblem ist. Aber wie Drums Einordnung zeigt, ist das so nicht haltbar. Der Rektor hatte wohl eine längere Geschichte von Verstößen, und das hier war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Ein ungemein blöder Tropfen, aber das ist eben die Kehrseite eines Hire-and-Fire-Systems. Man kann auch problemlos für totalen Mist entlassen werden.

Aber Drum übersieht in meinen Augen ein entscheidendes Problem. So wenig die Geschichte als Beispiel für konservative Cancel Culture taugt, so sehr legt sie die Bruchlinien der konservativen Elternideologie bloß. Wenn das Wahlrecht der Eltern über allem steht, kommt solcher Unfug dabei heraus, bei dem die Schule den Eltern das Recht einräumt, die Kinder vom Unterricht freizustellen, wenn Renaissance-Kunst besprochen wird. Und das von dem politischen Spektrum, das sich über Trigger-Warnings lustig macht. Auch die sind kein progressives Phänomen; das scheint mir viel mehr eine amerikanische Obsession zu sein, die langsam, aber sicher, ihren Kulturtransfer hierher vollzieht (siehe die Debatte um „Tauben im Gras“).

2) How about if we indict Donald Trump for something serious?

This strikes me as pretty trivial, and I have my doubts that a jury would convict Trump if it goes to trial. We should probably save our legal firepower for something more serious. And like it or not, public opinion matters too. One of the mistakes that Republicans made in their impeachment jihad against Bill Clinton was misjudging public opinion. To them, Clinton lied under oath, and a lie is a lie. It was an open and shut case. But the public never really agreed. To them, it mattered what the lie was about. In Clinton’s case, he was lying about having an affair with a White House aide. To most people, this seemed (a) not all that big a deal, (b) completely unrelated to his fitness as president, and (c) something that of course he lied about. Anybody would. Come on. Democrats may be making the same mistake here. To us, Trump falsified his business records, and a lie is a lie. It’s an open and shut case. But the public, as usual, will care what the lie was about. They’re likely to think it’s (a) not all that big a deal, (b) completely unrelated to his fitness as president, and (c) something that of course he lied about. He was being blackmailed! Come on. So tread carefully here. (Kevin Drum, Jabberwocky)

Ich teile Drums Bauchschmerzen bezüglich des Trump-Prozesses völlig. Die Reaktion der Republicans wäre bei allem dieselbe gewesen, selbst wenn er jemanden ermordet hätte (sein Ausspruch von 2015, nach dem er auf der Madison Avenue jemanden erschießen könnte, ohne ein*e Wähler*in zu verlieren, bleibt für diese korrekt), und die Democrats würden auch eine Anklage wegen jaywalking als relevanten Ausdruck des Rechtsstaats unterstützen. Aber es geht um die (zunehmend schrumpfende) Zahl von Wechselwähler*innen (man sollte sie hüten, sie die „Mitte“ oder „Moderat“ zu nennen), die durchaus von solcherlei Dingen zu beeindrucken sind. Die Republicans verloren diese Leute 1998, und möglicherweise haben die Democrats nun dasselbe Problem – auch wenn sie natürlich nur mittelbar etwas dafür können; anders als das Impeachment gegen Clinton handelt es sich ja um keinen politischen, sondern einen juristischen Prozess, aber diese Feinheit dürfte in der Debatte keine Rolle spielen.

3) Debatte um Jogginghosen in der Schule: Welche Kleidung ist für Schülerinnen und Schüler angemessen?

Jogginghosen seien Funktionskleidungsstücke, die zum Sport oder zum Entspannen getragen werden, sagte eine Sprecherin. «Sportler tragen auf dem Sportplatz ihr Trikot als Arbeitsuniform und nach getaner Arbeit die Jogginghose in ihrer Freizeit. Schulzeit ist Arbeitszeit, daher hat die Jogginghose dort keinen Platz.» Arbeitskleidung, Uniformen und Dresscodes seien sozial gewachsen. «Mit der Kleidung wird eine bestimmte Aufgabe, Autorität oder Zugehörigkeit ausgedrückt. Aus diesem Erfahrungsschatz heraus lässt sich die Jogginghose im Alltag nicht beziehungsweise nicht zu einer wertvollen Aufgabe zuordnen und stößt auf Widerstände.» Dass die Jogginghose nicht gesellschaftlich akzeptiert sei, zeige sich bereits durch die Diskussionen um das Kleidungsstück. […] Ganz anders sieht es Modeschöpfer Thomas Rath. Der 56-Jährige, der «selber ein großer Fan der Jogginghose» ist, sieht das Kleidungsstück deutlich gesellschaftsfähiger: «Die Akzeptanz der Jogginghose hat stark zugenommen, aber nicht nur unter dem Aspekt des Homeoffice sondern auch durch den großem Einfluss der Streetwear in unserem Alltag, welcher wichtig ist und uns jung hält.» Ein Jogginghosen-Verbot lehnt Rath, der unter anderem als Juror bei «Germany’s Next Topmodel» zu sehen war, ab. «Die Jahre des Modediktats sind, Gott sei Dank, vorbei und wir können uns individuell kleiden», sagte Rath. Auch eine Jogginghose könne gepflegt aussehen. (News4Teachers)

Ich hasse diese Kleidervorschriftsgeschichten an den Schulen. Es gehört für mich zu meinen größten Errungenschaften, dass ich das bei uns an der Schule verhindert habe, als es vor zwei Jahren in die Schul- und Hausordnung aufgenommen werden sollte. Üblicherweise haben diese Kleiderregeln einen stark sexistischen Einschlag und betreffen vor allem bauchfreie Tops und tiefe Ausschnitte; mit der Joggginghose haben die konservativen Kulturkrieger endlich ein Unisex-Kleidungsstück gefunden, auf das sie ihre moralistische Kanonen richten können. Die Attraktivität von Jogginghosen hat in den letzten Jahren erkennbar zugenommen; inzwischen werden sie von signifikanten Mengen der Schüler*innen getragen. Und wir reden hier nicht von den Gammelmodellen, die ich bei mir zuhause zu tragen pflege; das sind oft teure Designerstücke.

Warum bin ich so gegen diese Verbote? Zum einen sind sie Ausdrücke eines übergriffigen Moralismus und Paternalismus, den ich ablehne. Zum anderen hat die Schule einen Erziehungsauftrag, dem durch plumpe Verbote nicht wirklich nachgekommen wird. Wenn die Schüler*innen lernen sollen, warum in der Schule eine Jogginghose verboten sein soll (und die Argumente, wie oben verlinkt, sind leider sehr schwach), dann muss man das mit ihnen thematisieren und nicht durch die Schul- und Hausordnung regeln. Und zuletzt haben wir das Problem, dass Jogginhosenverbote vermutlich illegal sind. Die Schüler*innen haben ein Recht auf Bildung; ihnen diese zu verwehren, weil sie Kleidungsstücke tragen, die komplett legal sind, ist…problematisch. Das wartet nur auf die erste Musterfeststellungsklage.

4) Zwischen Verschwörung, Gewalt und Pornos

Haben Sie schon erlebt, dass ein Kind plötzlich nur noch ein Thema im Kopf hatte, das zuvor gar keine Rolle gespielt hat? Und Sie fragten sich, wie es dazu kommen konnte? Glückwunsch, Sie waren dabei, wie das Interesse vom Algorithmus gesteuert wurde […] Nur ein Fach könnte man politisch aufladen und unterstützen, es deutlich von anderen Fächern abgrenzen und damit seine Wichtigkeit durchbringen. Mit einer eigenen Lobby. Ist eine solche Forderung aber nicht ein wenig zu viel angesichts eines Algorithmus? Wenn es doch „nur“ die Sucht wäre. Wenn es doch „nur“ die Bilder wären. Wenn es doch „nur“ die Spiele wären. […] Ich spreche aus der Perspektive eines Lehrers, der in einem allgemeinbildenden Gymnasium lehrt, und zwar meist Kinder, die von ihren Eltern unterstützt werden. Die auf ihre Eltern zugehen oder fragen, was sie tun sollen. Meistens. Was ist mit denen, in denen das soziale Umfeld nichts auffängt, in dem die Kinder noch länger in den auf sie zugeschnittenen sozialen Medien hängen, einfach deshalb, weil es die beste Möglichkeit ist, sich zu beschäftigen, die es noch gibt. Die keine anderen kulturellen Zugänge haben? […] Wir müssen handeln! Es führt kein Weg daran vorbei! Medienbildung erschöpft sich nicht in kreativen Videos, unterhaltsamen Podcasts oder kollaborativen Blogbeiträgen. Zu verstehen, was uns nach unten zieht, muss Aufgabe derjenigen Institutionen sein, deren Auftrag es sein soll, jeden einzelnen fit für eine Gesellschaft zu machen. Eine Gesellschaft, die längst eine digitale Gesellschaft ist. (Bob Blume, Deutsches Schulportal)

Ich bleibe nicht überzeugt von einem Fach „Medienbildung“, weil der Anspruch weiterhin sein muss, dass Medienbildung in allen Fächern stattfindet. Dass das bisher überhaupt nicht passiert ist vollkommen richtig, ist aber ein Versagen des Schulsystems allgemein und der Lehrkräfte im Speziellen. Die allermeisten Lehrkräfte haben keine Ahnung von Medien und einen beschämend geringen Kenntnisstand für das Digitale generell; das fängt schon bei Office-Anwendungen an, die sie eigentlich täglich brauchen sollten. Die Kaprizierung auf das Fach „Medienbildung“ trägt nur dazu bei, diese Verantwortung weiter abzuschieben. Aber es wäre halt Arbeit für das Kultusministerium und die Schulbürokratie, die Lehrkräfte umfassend fortzubilden und die Medienbildung nachzuhalten; diese Auslagerung macht daher allen Beteiligten weniger Arbeit.

5) Trasse durch den Landkreis: „Wir wissen, wie Protest geht!“

Nie zuvor hat Kai Schierhorn so schnell eine so wichtige Entscheidung getroffen. Er glaubte, den Ort für sein Leben und seine Familie gefunden zu haben: 684 Quadratmeter Grundstück in Seevetal, abseits von Autobahnen und Zugverkehr, vom Donnern des Güterbahnhofs. Zwei Jahre dauerte es, bis das gemütliche Friesenhaus einzugsbereit war. Es sollte ein besonderes Haus werden, eins, das mit seinem Charme zum alten Dorfkern passt. […] Wie berichtet, plant die Bahn im Zuge des Deutschlandtakts den Ausbau der Strecke zwischen Hamburg und Hannover. Neben dem Ausbau der Bestandsstrecke über Lüneburg, Uelzen und Celle gibt es Pläne zum Bau einer neuen Trasse entlang der A 7 durch den Landkreis Harburg, die dort auf massiven Widerstand der Anwohnerinnen und Anwohner stößt. Auch Kai Schierhorn gehört zu diesen Gegnern. „Wenn die Bahn die neue Trasse baut, werden wir massiv betroffen sein“, sagt er. „Dann wird es auch hier richtig laut.“ […] Kai Schierhorn und die vielen engagierten Ramelsloher haben noch etliche Pfeile im Köcher. „Wir hier in Ramelsloh wissen, wie Protest geht“, sagt der Geschäftsführer. […] „Mit Bauernschläue kann man Großprojekte verhindern.“ […] Die Bahn hat im Zuge des Trassenausbaus Hamburg – Hannover drei Grundvarianten – bestandsnaher Ausbau, bestandsnaher Ausbau mit Ortsumfahrungen und bestandsferner Neubau– untersucht. Jede Variante hätte Auswirkungen – für die Menschen an der Trasse, aber auch für jene, die von einer guten Bahnverbindung profitieren würden. (Hanna Kastendieck, Hamburger Abendblatt)

Ich habe keinen Zweifel, dass diese Leute wissen, wie Protest geht. Das ist ein super Beispiel dafür, warum in Deutschland nichts vorangeht. Schierhorn hat sein Grundstück zu einem Zeitpunkt gekauft, als der Trassenausbau bereits in Planung war. Das hätte er bei seinem Kauf bedenken müssen. Dass Grundstücke im aktuellen Umfeld kaum zu haben sind und er daher zugreifen musste, als sich die Chance auftat, sehe ich sofort, aber warum die Gemeinschaft ihn dann vor den Folgen zu schützen hat, erschließt sich kaum. Solche Partikularinteressen werden gegenüber dem Kollektivinteresse viel zu hoch gewichtet. Deswegen haben wir zu wenig Windräder, zu wenig ÖPVN, zu wenig Internet, zu wenig von allem. Verhinderungsinteressen sind immer stärker als Durchsetzungsinteressen.

Resterampe

a) Die Behauptung von Olaf Scholz, der Lehrkräftemangel sei überraschend gekommen, ist noch eine größere Frechheit als bezüglich der russischen Aggression. Falk Steiner hat ihm eine schöne Rechnung gemacht. Wenn jemand jetzt Lehramt zu studieren anfängt, würde das vielleicht gerade so für Kinder reichen, die jetzt geboren werden. An der weiterführenden Schule, wohl gemerkt; der Mangel an den Grundschulen bleibt davon unberührt.

b) Schöner Artikel zum neuesten Kulturkriegaufreger in Berlin.

c) Es ist Fefe, aber dieser Gedanke zum Fachkräftemangel scheint nicht aus der Luft gegriffen.

d) Unser Lehrer Doktor Specht würde AfD wählen. Zeigt auch super schön, wie alt dieser beknackte Diskurs schon ist.

e) Keine Ahnung wie zutreffend dieser Vergleich zwischen den Lebenshaltungskosten in Deutschland und UK ist, aber wenn es stimmt wäre es schon krass.

f) Wissler fordert die Abschaffung von Hausaufgaben. Das Argument, dass das eigentlich eine Aufgabe der Schule sei, teile ich zu 100%.

g) Immer weniger Kinder können Rad fahren. Sehe ich bei unseren Kids und deren Peers auch; die Straßen sind einfach zu gefährlich geworden.

h) Noch ein Take zum neuen Wahlrecht. Und noch einer.

i) Wie früher Kinder im Namen der Erziehung misshandelt wurden ist echt krass.

j) Ein Beitrag in der beliebten Reihe „warum schwächelt die FDP„?

k) Das Ausmaß, in dem Trump die Reaktion auf Covid verkackt hat, ist echt Wahnsinn.

l) Verpflichtende Mehrarbeit für Lehrkräfte ist sicherlich das beste Mittel gegen den Mangel.

m) Entgleisung des Bundesrechnungshofs.

n) Woke Is Just Another Word for Liberal. Jepp.

o) Ein bisschen geschichtlicher Hintergrund zum Thema „russische Krim“.

p) Ich hätte ja nicht gedacht, dass ich mal die JuLis lobe, aber so was von. Ich hab das bereits vor ein paar Monaten prophezeit: die Route dieser ständigen Provokationen führt unweigerlich ins Überziehen. Endstation Tichys Einblick.

q) Lesenswerter Thread über Schule im sozialen Brennpunkt. Ich hab echt Respekt für solche Leute, ich kann so was überhaupt nicht. Ich bin einfach kein Social Worker. Ich wäre völlig verloren in so einer Situation, eine schlechte Lehrkraft im mittleren Burnoutstadium vor dem 40. Geburtstag.

r) Ganz gute Zusammenfassung der Koeppen-Debatte.

s) Noch mehr zum Berliner Volksentscheid mit sehr guten Grundsatzargumenten zu Volksentscheiden, die ich nur unterschreiben kann.

{ 60 comments… add one }
  • Ariane 3. April 2023, 09:35

    2) Trump

    Ich bin da sehr zwiegespalten. Einerseits kann ein Präsident (oder PolitikerIn) keinen Freibrief für illegale Handlungen haben. Aber mir gehts da ähnlich wie mit der Wahlrechtsreform. Die Absichten mögen noch so hehr sein und man mag sich soviel Mühe geben, wie man will. Am Ende ist es trotzdem politisch. Und das zu leugnen, macht es eher schwieriger statt besser.

    3) Jogginghosen

    Applaus und Zustimmung zu deinem Kampf gegen Kleidervorschriften^^
    Die gesellschaftspolitische Bedeutung in einer Stunde zu diskutieren, finde ich ne charmante Idee, ist spannender als man denkt und jeder kann was dazu sagen und hat irgendeine Art von Meinung dazu. Kommt vermutlich auch mehr bei rum als bei dem, was die Knigge-Gesellschaft dazu schreibt:

    Zitat:
    Dass die Jogginghose nicht gesellschaftlich akzeptiert sei, zeige sich bereits durch die Diskussionen um das Kleidungsstück.
    Ja Mensch, das ja mal ein Argument! Damit dürfte ich bis heute keine Hose tragen, ob Jogging oder nicht.

    Ich würde übrigens nie in Jogginghose das Haus verlassen, bin aber sehr angetan vom schon länger anhaltenden Trend, bequeme Kleidung gesellschaftsfähig zu machen. Und ungebügelte, bei dem Trend bin ich sofort dabei!

    Als Frau ist das ja ne Dauerproblematik, schick (aber bitte nicht zu sexy!) angezogen zu sein und sich in Kleidung noch halbwegs wohlzufühlen – oder laufen zu können und zum Glück hat sich da in Gesellschaft und Modeindustrie wirklich viel getan.

    g) Radfahrende Kinder

    Jep, obwohl das mMn nicht zwingend nur der Verkehr ist (den gabs in unserer Jugend auch schon), sondern oft auch die Stadtplanung. Bzw siehe Punkt 5 – der Wunsch nach einem Haus ist größer als die Umgebung mitzubedenken. Einige Wohngebiete – gerade mit Einfamilienhäusern – sind hier echt nah an den Hauptstraßen ohne Möglichkeit nach hinten rauszukommen, da können Kind und Tier nicht eine Sekunde aus den Augen gelassen werden.

    Ich bin auch ein Stadtkind, aber wir hatten mehrere Mehrfamilienhäuser in einer Sackgasse, so dass innen ein recht großes, freies Gebiet war und drumrum die Hauptstraßen. Da konnten wir im Kindergartenalter problemlos alleine rumwuseln, wenn ich jedes Mal einen Erwachsenen zum Radfahren gebraucht hätte, könnte ich das heute auch nicht (so gut) und meine Kindheit wäre generell nur halb so schön gewesen.

    j) FDP

    Ich will das Thema eigentlich nicht generell wieder aufmachen, aber der Artikel ist gut.
    Denn die FDP-Ultras (sichtbarster Repräsentant ist z.B. Wolfgang Kubicki) schlagen alle möglichen modernen Wähler*innen der FDP mit Schmackes in die Flucht.

    passt ja auch zur JuLi-Aussage aus p). Obwohl ich gar nicht finde, dass die FDP politisch (!) den Klimaschutz in ihr Repertoire aufnehmen muss, aber die Gegnerschaft ist politisch unklug. Auf dem Terrain gibts da einfach nichts zu gewinnen. Wie die SPD bei Debatten um innere Sicherheit, egal was sie sagen oder fordern, das Spiel ist vor Anpfiff bereits verloren.

    • Stefan Sasse 3. April 2023, 14:34

      2) Jepp, ich hadere da auch sehr damit.

      3) Wir besitzen nicht mal Bügeleisen und Bügelbrett. ^^

      g) Das wäre bei uns nicht das Problem, wir liegen da eigentlich ideal. Trotzdem sind die Kinder sehr wenig eigenständig draußen.

      j) Ja.

  • schejtan 3. April 2023, 10:21

    e) Mal meine persoenlichen Erfahrungen, auch wenn der Vergleich London vs. Gelsenkirchen nicht unbedingt repraesentativ fuer UK vs. DE ist:

    1) Miete: Sicherlich am meisten verzerrt im Vergleich zum nationalen Durchschnitt. Ich sag mal einfach nur, dass mich, besonders nachdem ich Anfang des Jahres doch mal aus ner WG in eine eigene Wohnung gezogen bin, die Artikel ueber die deutsche Mietkrise zum Lachen bringen.

    2) Rente: Schwierig direkt zu vergleichen; die britische State Pension ist ja unabhaengig vom vorherigen Einkommen. Gutverdiener bekommen im direkten Vergleich daher weniger, Geringverdiener wohl etwas mehr. Ausserdem sind Arbeitgeber dazu verpflichtet ihre Angestellten bei nem Pension Fund anzumelden und da paritaetisch einzuzahlen. Ist zwar keine staatliche Rente, praktisch gesehen sollte man das wohl aber auch dazurechnen.

    3) Gehalt/Steuern: Haengt wohl auch stark von der Arbeit ab. Ein Freund, der hier Baecker war, hat immer gesagt, dass er hier deutlich mehr verdienen kann als in Deutschland. Ein anderer, der im Investmentbanking taetig ist, sowieso. Noch ein anderer hat bei seiner Rueckkehr nach Deutschland netto ein drittel weniger verdient. Steuern (+Abgaben) sind hier definitiv niedriger, andererseits geht halt mehr fuer private Vorsorge drauf, wenn man denn will.

    4) Nahrung und so: Da fehlt mir mittlerweile der Vergleich; bin zwar relativ haeufig noch in GE, werde dann aber von Mutter zwangsbekocht. Was ich gut vergleichen kann ist Bier. Und da hat GE mit London mitterweile fast aufgeschlossen.

    5) Transport: Kommt drauf an, was man vergleicht. Einzelfahrten sind hier in London ungefaehr gleich teuer und nicht selten sogar guenstiger als aehnliche Fahrten im Ruhrpott. Was hier jedoch fehlt sind die grossen Rabatte fuer Monatskarten, sodass zum Beispiel Pendeln dann halt schon deutlich teurer ist. Und was Zuege angeht: |Vor ein paar Jahren habe ich fuer ne ICE Fahrt erster Klasse von Muenchen in den Pott dass gleiche gezahlt, was man hier ungefaehr fuer ne 2 Stundenfahrt mit Regionalzuegen zahlt.

    • Stefan Sasse 3. April 2023, 14:36

      e) Danke!!!
      3) Ich denke, der Finanzsektor zahlt klar besser, da brauchen wir nicht streiten. Aber ich vermute, dass du bei Aldi besser verdienst als bei Tesco.
      5) Großraum London geht, alles andere ist furchtbar nach meiner Erfahrung.

      • schejtan 3. April 2023, 19:42

        3) Aus der Branche kenn ich jez keinen persoenlich, daher kann ich da auch keine persoenliche Anekdote liefern. Wenn man sich mal den Mindestlohn anguckt stehen 12€ die Stunde gegen 10.42£ die Stunde (ab einem Alter von 23 Jahren) was beim momentanen Kurs so ziemlich das gleiche ist.

        5) Eine Freundin war mal in Glasgow. Da ist das Busnetz wegen verschiedener Gesellschaften mit ihren eigenen Tarifen so wirre, dass die beste Option darin besteht, sich ein Tagesticket fuer die Sightseeing Busse zu kaufen und einfach die zu benutzen.

  • Dennis 3. April 2023, 12:42

    b)
    Ähm….Düsseldorf und ausnahmsweise nicht Berlin in diesem Fall. 🙂

    Ferner ist auf dem Bild in der Taz das Straßenschild in ganzer Schönheit gar nicht zu sehen, lediglich das der Querstrasse Lessingstr. Passt zwar auch zum Thema, aber hier das Ganze nochmal ausführlich zum Genießen bzw. zum Aufregen; woker geht’s nicht und komplett grün-versifft 8)

    https://www.gruene-duesseldorf.de/arabisches_strassenschild_ellerstrasse/

    • Erwin Gabriel 3. April 2023, 14:24

      @ Dennis 3. April 2023, 12:42

      Hätte mich auch gewundert, wenn das arabisch-sprachige Schild unter das deutschsprachige angeschraubt worden wäre.

      • cimourdain 4. April 2023, 08:53

        Weil Höhe ein wenig vor Vandalismus schützt ?

        • Erwin Gabriel 4. April 2023, 12:34

          Wenn Du irgendwo in Deutschland eine Moschee in der Nähe einer modernen Kirche siehst (soll heißen, nicht Kölner Dom etc.), wird das Minarett höher sein als der Kirchturm. Aus Prinzip.

          • cimourdain 4. April 2023, 21:45

            Ich weiss nicht, welches Beispiel Ihnen konkret da vorschwebt, aber da können einen Wahrnehmung und Perspektive täuschen.
            Eine lokalpolitischen Anekdote hierzu: 2005 wollte DITIB im München-Sendling eine Zentralmoschee bauen. Dagegen gab es Widerstand, weil die 41m hohen Minarette zu dominant für den Platz wären. Am Ende hat die bayerische Staatsregierung die Baugenehmigung abgesägt. Der Clou: Einen Häuserblock weiter steht die Korbinianskirche (neubarock, BJ 1926) mit zwei 55m Türmen.

            • Erwin Gabriel 5. April 2023, 01:33

              1926 – deswegen schrieb ich „moderne Kirchen“.

              Ich bin grundsätzlich kein Freund von Religion (erst Recht nicht von den drei monotheistischen aus dem Nahen Osten, ganz besonders nicht vom Islam). Ist immer so eine Art „Schwanzvergleich“.

          • Stefan Sasse 5. April 2023, 07:52

            Ok, cool. Schwanzvergleiche funktionieren nur, wenn der andere auch mitspielt.

  • sol1 3. April 2023, 12:54

    j) Die Analyse stützt sich auf diese Studie, wo die Präferenzen der Milieus auf S. 68 aufgelistet werden:

    https://library.fes.de/pdf-files/dialog/12764.pdf

    Der Spagat der FDP zwischen „leistungsorientierten Liberalen“ (überdurchschnittliche Präferenz für CDU / FDP) und „antimodernen
    Konservativen“ (überdurchschnittliche Präferenz für AfD / FDP) spiegelt sich wieder im Spagat der Linken zwischen „sozial engagierten Demokraten“ (überdurchschnittliche Präferenz für SPD / Grüne / Linke) und „desillusionierten Abgehängten“ (überdurchschnittliche Präferenz für Linke / AfD / Nichtwahl).

    • Stefan Pietsch 3. April 2023, 13:20

      Nur sind die antimodernen Konservativen eine wesentlich kleinere Gruppe und finden sich hauptsächlich bei der AfD. Eine Studie der FES von 2006 kam zu dem Ergebnis, dass Leistungsindividualisten und etablierte Leistungsträger (geteilt mit der CDU) hauptsächlich FDP wählen.

      • sol1 3. April 2023, 20:19

        „…eine wesentlich kleinere Gruppe…“

        So groß ist der Unterschied nicht: Leistungsorientierte Liberale: 12 % – antimoderne Konservative 8 %.

        „…und finden sich hauptsächlich bei der AfD…“

        Das gibt die Studie nicht her, die nur an der von mir zitierten Stelle auf die Parteiaffinität eingeht.

        Interessant der Blick auf das Informationsverhalten der antimodernen Konservativen:

        „Überdurchschnittliche Internetnutzung; soziale Netzwerke; politische
        Online-Nachrichten“

        Kein Wunder, daß diese Gruppe die Foren von FAZ und Welt zu dominieren scheint.

        „…2006…“

        Merkste selber, ne?

        • Stefan Pietsch 3. April 2023, 20:55

          Also mein Excel sagt, 12% wären 50% mehr als 8%. Auf welches Ergebnis kommen Sie?

          Regelrechte Klimaschutzhasser finden sich in Deutschland aber fast nur noch bei den sogenannten „Antimodernen Konservativen“ (8%). Die hassen allerdings alles – Gleichberechtigung, Toleranz, Weltoffenheit, soziale Umverteilung etc. Meist wählen diese auch AfD.

          Ist aus dem Link, den Stefan mitgegeben hat. „Meist“ heißt auf jeden Fall mehr als die Hälfte. Wie auch sonst sollte die AfD auf 15-16 Prozent Zustimmung kommen? Das wäre unmöglich ohne den Großteil dieser doch sehr kleinen Gruppe der Antimodernen Konservativen. Wenn aber das Gros – sagen wir 6% zur AfD gehen, blieben noch 2% für die Liberalen. Die FDP erreichte aber bei den Bundestagswahlen seit 2005 immer über 10% (Ausnahme: 2013, 2005 waren es 9,8%). Da sind 2% schon ein sehr kleiner Teil.

          Vielleicht sollten Sie bei FDP-Anhängern nicht über nur das Übel sehen.

          Die Zusammensetzung sozio-kultureller Gruppen und deren Einstellungen ändern sich aus naheliegenden Gründen nicht im Jahresrythmus. Und wie Sie sehen bildet die Gruppe der stark leistungsorientierten Individualisten weiterhin die wichtigste Wählergruppe der FDP. Da hat sich zu 2006 praktisch nichts geändert.

          • sol1 4. April 2023, 02:21

            „Ist aus dem Link, den Stefan mitgegeben hat.“

            Blogger überspitzen manchmal etwas, was sie anderswo aufgeschnappt haben. Aus dem Spiegel her solltest du jemanden kennen, der das ganz gerne selber macht.

            „Wie auch sonst sollte die AfD auf 15-16 Prozent Zustimmung kommen?“

            Kleiner Tip – die weiteren AfD-affinen Zielgruppen „desillusionierte Abgehängten“ und „politikferne Einzelkämpfer“ kommen auf zusammen 24 %.

            „Wenn aber das Gros – sagen wir 6% zur AfD gehen, blieben noch 2% für die Liberalen.“

            Eine realistischere Betrachtungsweise wäre: 3 % AfD, 2 % FDP.

            Nehmen wir an, daß weitere 3 % für die FDP von den „leistungsorientierten Liberalen“ kommen, dann kommen von den restlichen sechs Gruppen 2 bis 3 % zu den derzeitigen Umfragewerten von 6 bis 7 %. Und um die geht es, nicht um die Wahlergebnisse von Anno dazumal.

            „Vielleicht sollten Sie bei FDP-Anhängern nicht über nur das Übel sehen.“

            Wo tue ich das?

            „Die Zusammensetzung sozio-kultureller Gruppen und deren Einstellungen ändern sich aus naheliegenden Gründen nicht im Jahresrythmus.“

            Im Abstand von Jahrzehnten tun sie das durchaus.

            • Stefan Pietsch 4. April 2023, 11:01

              Die AfD rekrutiert aber nicht die Hälfte ihrer Wähler aus dem Lager der Nicht-Wähler. Zudem waren Nicht-Wähler in vorherigen Wahlen Wähler. Studien hierzu haben immer wieder gezeigt, dass der eigentliche Kern von Wahlverweigerern deutlich kleiner ist. Setzen Sie das mit ein Drittel an, kommen Sie mit 8% auf den extrem volatilen Teil der Wählerschaft. Wie gesagt, die AfD erreicht aber zwischen 12 und 16 Prozent. Und hier ist die naheliegende Gruppe die der antimodernen Konservativen. Auf diese hatte es ja Friedrich Merz hauptsächlich abgesehen. Schon eine Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung von 2016 kam zu dem Schluss, dass die Gruppe der wütenden Nichtwähler keine Attraktivität besitzt, denn sie sind extrem untreu.

              Weshalb ich die Studie von 2006 herangezogen habe, hat einen einfachen Grund: Die FES führte damals aus, dass die Gruppe der leistungsorientierten Individualisten den Kern der FDP-Wählerschaft ausmacht. Sie neigen zu den Liberalen, haben aber die Union als Zweitbesetzung. Dort sind wiederum die Etablierten zuhause. Wenn Sie den auf die FDP entfallenden Anteil mit gerade 3% taxieren, wo diese Gruppe 12-15 Prozent ausmacht, folgt das eher dem Ziel, die FDP als Hort von Gestrigen zu brandmarken, nicht jedoch Studien und Wahlergebnissen. So vergessen Sie auch, dass die Liberalen besonders bei jungen Menschen populär ist. Ewiggestrige?

              Im Abstand von Jahrzehnten tun sie das durchaus.

              Den Punkt gebe ich Ihnen. Jedoch erfolgt in 16 Jahren auch keine dramatische Verschiebung. Nach meiner Beobachtung scheint z.B. die Gruppe der leistungsorientierten Liberalen leicht abgenommen zu haben.

              • sol1 4. April 2023, 11:55

                „Wenn Sie den auf die FDP entfallenden Anteil mit gerade 3% taxieren, wo diese Gruppe 12-15 Prozent ausmacht, folgt das eher dem Ziel, die FDP als Hort von Gestrigen zu brandmarken, nicht jedoch Studien und Wahlergebnissen.“

                Diese Gruppe macht 12 % aus, nicht 15 %. Die Annahme, daß die FDP aus beiden genannten Gruppen jeweils ein Viertel der Stimmen bekommt, ist naheliegend.

                Und der Rechnung die aktuellen Umfragewerte zugrunde zu legen, läßt sich mit den Ergebnisse der letzten Landtagswahlen rechtfertigen. Wo ist da also eine „Brandmarkung“?

                • Stefan Pietsch 4. April 2023, 13:56

                  Die alte FES-Studie taxierte den Bereich mit so 15%. Die Meinung, eine Studie könne den statistischen Wert einer Gruppe so punktuell abgrenzen, ist mit den Regeln der Stochastik nicht zu machen. Deswegen habe ich den Bereich so umrissen.

                  Wie kommen Sie auf ein Viertel? Gewürfelt?

                  Die FDP erreicht seit rund 20 Jahren bei Bundestagswahlen jeden 9. bis 10. Wähler. Das ist ungeachtet von Umfragen sehr stabil. Umfragen sind Momentaufnahmen, sie entsprechen nicht den tatsächlichen Einstellungen.

                  Ich habe mir mal die Wahlergebnisse von Wiesbaden genommen. Warum Wiesbaden? Ich bin gerade in der hessischen Landesstadt und hier erzielt die FDP traditionell deutlich überdurchschnittliche Ergebnisse. Wiesbaden ist so die klassische FDP-Stadt. Im Speckgürtel der Metropole Frankfurt, eine der reichsten Städte Deutschlands.

                  Schaue ich auf den Zeitpunkt des Aufkommens der AfD, fällt ins Auge, wie sehr die Union gelitten hat. 2014 stürzt sie von 37 auf 30 Prozent. Hiervon erholt sie sich nicht mehr, während die FDP von dem Tief 2013 / 2014 wieder auf luftige Höhen entschwebte.
                  https://wahlergebnisse.wiesbaden.de/a-web/_wahl/basis001.pdf

                  Das passt definitiv nicht zu Ihren Überlegungen.

    • Ariane 5. April 2023, 07:53

      Danke für den Link!

  • cimourdain 3. April 2023, 12:57

    b) Kann es sein, dass die automatische Textergänzung auf „Kulturkriegsaufreger in…“ dir immer „Berlin“ vorschlägt ? Diesmal liegt der Ort des Dramas in Düsseldorf.

  • Kning4711 3. April 2023, 15:11

    zu 5
    Ich fürchte es liegt an der Intransparenz und der Langsamkeit der Beteiligten. Zunächst kann ich als Eigentümer einer Immobilie nur auf Umwegen in Erfahrung bringen, ob mein Grundstück von einer planerischen Maßnahme betroffen ist.
    Selbst wenn ich es dann weiß, ist noch lange nicht gesagt, wie und ob es passiert. Es sei denn es sind existentielle Themen wie bspw. der Abriss der Immobilien, weil der Grund dem Braunkohltagebau weichen muss. Hinzu kommt mangender Mut der politisch Verantwortlichen: Mit einer neuen Bahntrasse mache ich mir eben nicht nur Freunde, aber die Themen müssen gut und konsequent kommuniziert werden. Heute ist häufig aber eher ein: „denken Sie dran irgendwann könnte mal hier die Eisenbahn ausgebaut werden / die Autobahn / der Flughafen erweitert werden“. Das Irgendwann vollzieht sich dann in derartiger Zeitlupe, dass es dann einem wiederum willkürlich vorkommt.

    Die Mittel wären da – die Bundesländer könnten schon heute ausweisen, wo Windräder gebaut werden sollen und Anwohner jetzt schon informiert werden. Aber dafür fehlt politischer Wille und Know How.

    Gutes TEmplate wie die Kommunikation gut aufbereitet werden kann ist die Endlagersuche für den atomaren Müll in Deutschland. Leider kriecht dieser Prozess und hier wird es sicherlich spannend, sobald erste Regionen in die konkrete Auswahl kommen.

    • Stefan Sasse 3. April 2023, 16:22

      Die Endlagersuche zieht sich jetzt seit 40 Jahren, und wir sind noch nicht mal bei der „engeren Auswahl“. Das kann in meinen Augen kein Vorbild sein. Ansonsten:
      Als wir 2016 unser Haus gekauft haben, informierte ich mich über die Neubaupläne auf den Ackern nebenan. Die zogen sich zu dem Zeitpunkt auch schon fast 20 Jahre (weil, natürlich), aber überrascht hat mich der Beginn des Baus 2018 dann eher nicht.

      • cimourdain 4. April 2023, 09:01

        Finnland will 2024 das erste Endlager überhaupt eröffnen:
        https://yle.fi/a/74-20013058

        • Stefan Sasse 4. April 2023, 09:15

          Ja, ich kenne die Story. Schauen wir mal, wie das läuft.

        • Thorsten Haupts 4. April 2023, 11:05

          Finnland hat zwei Vorteile: Massenweise Granit und eine halbwegs rationale politische Kaste. Die sind bei der Planung (ca. 15 Jahre her) gar nicht erst auf die völlig abwegige Idee gekommen, sie müssten Müll für ne Million Jahre lagern. Diese deutsche Gespensterdebatte haben die Finnen durch ein sicheres Felslager mit Rückholbarkeit des Mülls ersetzt. Völlig richtig davon ausgehend, dass man auch Atommüll mit technischem Fortschritt zunehmend besser behandeln kann, als die Deutschen sich noch an frei erfundenen Fantasiezahlen der angeblichen Fukushima-Strahlenopfer berauschten.

          Gruss,
          Thorsten Haupts

          • Stefan Sasse 5. April 2023, 07:49

            Fukushima war ja wegen der Unfallgefahr. Atommüll ist NIMBY.

      • Kning4711 4. April 2023, 10:27

        Die Kommunikation ist aber sehr gut und transparent, jedoch ist die Geschwindigkeit unterirdisch.

        • Stefan Sasse 5. April 2023, 07:48

          Dafür und für 5 Euro gibt’s n Sandwich bei Subways.

        • Ariane 5. April 2023, 08:09

          Es gibt da noch andere Probleme, die Zeiträume sind teilweise sehr sehr lang (und ungewiss) von Planung zu Konkretisierung und es bedarf Zeit und Aufwand, sich zu informieren. Das tun die meisten Menschen nicht (ich auch nicht). Das liegt irgendwo in den Behörden, langweiligen Stadtsitzungen und im hinteren Teil einer unterfinanzierten Lokalzeitung.

          @Stefan
          Wo hattest du denn Infos bekommen über Baupläne in deiner Nähe? Bei der Bauaufsicht?

          Ich bin überhaupt keine Freundin dieser Initiativen, weil die oft wirklich nur jede Veränderung verhindern wollen und da oft ein Egoismus bei ist, siehe Haus ist vielleicht weniger wert, aber es wird etwas gebaut, das für Verkehr, Stadt, sonstwas wichtig ist.

          Wir hatten hier in Achim lange Streitereien über das Logistikzentrum Amazon und jetzt tobt schon ewig ein Kampf über ein neues Industrie- oder Gewerbegebiet, das irgendwann mal ausgewiesen werden soll. Ich liebe ja immer noch die Überschrift „Demo gegen Krieg, Nazis und Achim-West!“

  • cimourdain 4. April 2023, 11:21

    1) Eigentlich sind diese Kulturkampf-stille Post-Geschichten eine super Gelegenheit, Medienkompetenz einzuüben, indem man versucht herauszufinden, was wirklich passiert ist. Ein etwas detaillierterer Artikel stützt dein Bild mit ein paar Detailergänzungen:
    https://www.npr.org/2023/03/27/1166079167/tallahassee-classical-michelangelo-david-principal-fired
    – Es geht um Sechstklässler (für Ariane: Quintaner) an einer charter-school (private Trägerschaft, öffentliche Finanzierung)
    – Die Renaissance Werke gehörten zum regelmäßigen Kunstunterricht, allerdings wurden die Eltern sonst per Mail ‚vorgewarnt‘.
    – Das ist diesmal unterblieben
    – Die Rektorin war ziemlich neu im Amt (3/4 Jahr) und ist wohl mit dem Kuratoriumsvorsitzenden nicht besonders gut klargekommen
    – Da hat wohl dieser die Beschwerden als Gelegenheit genutzt, die „ungeliebte Neue“ loszuwerden

    2) Da bin ich bei Ariane, ein solcher Prozess ist immer politisch, insbesondere in den USA, wo Staatsanwälte politisch gewählte Beamte sind und in diesem konkreten Fall der zuständige Staatsanwalt (New York) Demokrat.

    Aber in diesem Zusammenhang möchte ich eine andere Idee als Denkballon in den Raum werfen: Wir sind uns ziemlich einig, dass es Unfrieden brächte, wenn Politiker (wie z.B. Andi S.) wegen schlechter Amtsführung rechtlich zur Verantwortung gezogen würden. Was wäre aber, wenn wir uns am Gesellschaftsrecht orientieren: Wenn bei einer AG eine neue Geschäftsführung gewählt wird, wird auch abgestimmt, ob die alte entlastet (d.h. von Haftungsansprüchen weitgehend befreit) wird. Wäre es nicht sinnvoll, eine solche rückwirkende Vertrauensabfrage gegenüber der vergangenen Regierung bei demokratischen Wahlen einzubringen?

    3) „Wenn die Schüler*innen lernen sollen, warum in der Schule eine Jogginghose verboten sein soll, […] dann muss man das mit ihnen thematisieren […]“ Das ist ein toller Gedanke. Hast du konkrete Erfahrungen, wie man mit Schülern gemeinsam „Regeln für das Auftreten“ (geht ja nicht nur um Kleidervorschriften) in der Klasse erarbeitet ?

    4) Bob Blume geht es ziemlich klar um Gefahrenaufklärung. Leider ist da Schule – egal ob in eigenem Fach oder nicht – nicht gerade gut. Denk einfach an das Thema Drogen“aufklärung“.

    g) Es geht ja nicht nur um Radfahren, auch Schwimmen können immer weniger und auch Kinderärzte geben regelmäßig wegen Bewegungsmangel Alarm. Insgesamt spiegelt das wieder, dass es in unserer Gesellschaft starke Incentives für Bildschirmtätigkeiten und weniger starke für Bewegung gibt. Beispiel: Die Eintrittspreise für Sporteinrichtungen waren schon vor 2022 ganz schön hoch, und jetzt etwas, was da eine echte Bremse darstellt.

    q) Wenn dich das Thema genauer als ein Tweet interessiert: Hier hast du die Bevölkerungsentwicklung der Krim nach Ethnien: https://en.wikipedia.org/wiki/Demographics_of_Crimea#/media/File:Ethnic_Population_of_Crimea_18th%E2%80%9321st_century.png
    Da kannst du neben den russischen und ukrainischen Einwanderungen die Auswirkungen der Aufstände 1780, des Krimkriegs, Stalins Deportationen und der Rückkehr nach 1989 sehen.

    • Stefan Sasse 5. April 2023, 07:51

      1) Genau.

      2) Nein. Sorry, aber das würde nichts ändern. Also, am Problem der Politisierung von Recht.

      3) Klassenregeln allgemein gesehen ja. Da können solche Sachen auch drunter fallen.

      4) Wir sind da halt auch keine Expert*innen dafür, das ist so ein bisschen das Problem.

      g) In meinen Augen sind stark geänderte Erziehungsverhalten die Ursache dafür. Das kann ich zumindest in meinem Umfeld beobachten. Dieses „Kinder zum Spielen rausschicken“ existiert praktisch überhaupt nicht mehr.

      q) Danke!

      • Ariane 5. April 2023, 10:42

        g) In meinen Augen sind stark geänderte Erziehungsverhalten die Ursache dafür. Das kann ich zumindest in meinem Umfeld beobachten. Dieses „Kinder zum Spielen rausschicken“ existiert praktisch überhaupt nicht mehr.

        Ganz spannende Frage eigentlich. Ich wurde auch nicht wirklich „zum Spielen rausgeschickt“, ist ja auch so eine Selbstdynamik. Wenn die Freunde nicht draußen rumlungern, geht man weniger raus. Im Vergleich zu heute kommt mir meine Kindheit recht unreguliert vor, ich hatte keine Fernseh/Medienzeiten, konnte naschen was ich wollte usw. Da waren wirklich nur Sicherheitsfragen relevant, pünktlich nach Hause kommen, sagen, wo man ist, Schlüssel nicht verlieren usw. Schwimmen lernen – weil man direkt an der Ostsee wohnte.
        Meine Eltern waren allerdings auch sehr jung und ich war ein halbes Schlüsselkind, heute kommt mir vieles sehr viel gelenkter vor. Im Guten wie im Schlechten

    • Ariane 5. April 2023, 08:42

      Es geht um Sechstklässler (für Ariane: Quintaner)

      Gnihi 😀

      2)
      2) Da bin ich bei Ariane, ein solcher Prozess ist immer politisch, insbesondere in den USA, wo Staatsanwälte politisch gewählte Beamte sind und in diesem konkreten Fall der zuständige Staatsanwalt (New York) Demokrat.

      Stimmt, da hab ich nicht mal dran gedacht. Richter-Ernennungen sind glaub ich auch viel politischer btw, ich glaube das funktioniert selbst in den unteren Ebenen wie beim Verfassungsgericht, also die Parteien müssen sich da irgendwie einigen und zustimmen.

      Naja, eine Wahl ist ja irgendwie schon auch eine Abstimmung über vorangehendes Verhalten. Alles andere scheitert mMn schon am Mangel an Information. Mir ist gerade erst aufgefallen, dass wir eine Familienministerin Paus haben, die lief für mich total unter dem Radar. Ich hab keine Ahnung, ob die gute oder schlechte Arbeit macht und jetzt nicht unbedingt Zeit und Muße, mich durch Tonnen langweiliger Akten zu wühlen, um herauszufinden, was die so macht.
      Deswegen bin ich immer skeptisch, wenn ich als normale Bürgerin (die vermutlich besser informiert ist als der Durchschnitt) mehr Entscheidungen als die normale Wahl treffen soll.

    • Stefan Pietsch 5. April 2023, 10:08

      Wenn bei einer AG eine neue Geschäftsführung gewählt wird, wird auch abgestimmt, ob die alte entlastet (d.h. von Haftungsansprüchen weitgehend befreit) wird. Wäre es nicht sinnvoll, eine solche rückwirkende Vertrauensabfrage gegenüber der vergangenen Regierung bei demokratischen Wahlen einzubringen?

      Aber diese Abstimmung gibt es doch. Sie nennt sich Wahlen. Tatsächlich wird den Organen einer Gesellschaft nur höchst selten die formale Entlastung verweigert. Die meisten Kapitalgesellschaften haben ohnehin strategische Investoren oder die Gründereigentümer höchst selbst sorgen für das notwendige Vernunft. Die Verweigerung der Entlastung erfolgt fast nur aus symbolischen Gründen und wird meist im Folgejahr nachgeholt.

      Was soll das also im Falle einer demokratischen Kontrolle bringen? Und darum geht es eigentlich. Die eigentliche Exekutive findet in Behörden und Ämtern statt, die wiederum nicht gewählte Köpfe haben. Minister üben, analog zu Aufsichtsräten, nur eine Aufsicht aus. Und ja, sie geben auch die langen Linien, die Strategie vor. Nur, diese Strategie ist ja vom Wähler durch Wahlen abgesegnet. Die CSU beispielsweise hat 2017 wegen dem Wahlkampfschlager Maut hohe Zustimmung erreicht. Wenn Andi Scheuer gegen jede Rationalität und juristischen Rat eine PKW-Maut einführen wollte, handelte er damit im Auftrag des Souveräns.

      Oder nehmen wir den Fall einer besonders dysfunktionalen Staatseinheit, das Land Berlin. Es ist nach Expertenansicht die am schlechtesten regierte Hauptstadt in Westeuropa und Nordamerika. Dennoch stimmten vor wenigen Wochen über die Hälfte der Wähler für Parteien der lange regierenden Koalition. Das ist doch eine Entlastung, oder?

      Und haben wir eigentlich derzeit einen Überschuss fachlich hochkompetenter Politiker? Ich würde die Frage mit Nein beantworten. Die Haftung hochzuschrauben, schreckt noch mehr Menschen vom Politikbetrieb ab, das kann ich Ihnen aus der Wirtschaft berichten. Wer geht noch in große Verantwortung, wenn er sich durch Fehlentscheidungen – die in der Natur der Sache liegen! – selbst ruinieren kann? Nur Scharlatane. Das kann niemand wollen.

      So ist die Forderung nach persönlicher Haftung bei politischen Entscheidungen zwar populistisch, aber auch ziemlich unsinnig.

      • Thorsten Haupts 5. April 2023, 13:51

        So ist die Forderung nach persönlicher Haftung bei politischen Entscheidungen zwar populistisch, aber auch ziemlich unsinnig.

        Ich gehe sogar noch weiter – enorm gefährlich. Die eifrigsten Propagandisten dieser Idee sind nach meiner Beobachtung fast immer politische Radikale, die entzweder ernsthaft glauben oder so tun, als könne man bei politischen Entscheidungen auf den ersten Blick „schädlich“ von „nützlich“ unterscheiden, zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung. Das ist undemokratischer, gefährlicher, populistischer Unfug in Reinkultur.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Stefan Sasse 5. April 2023, 14:15

          Ja, ich halte das auch für einen gefährlichen Irrweg. Aber das sage ich an dieser Stelle seit Jahren.

      • cimourdain 5. April 2023, 16:27

        Danke für Ihre Einschätzung. In vielen Punkten teile ich ihre Bedenken, aber das zentrale Argument passt in meinen Augen nicht:

        Wahlen sind bestenfalls Indikator, aber keine verbindliche Aussage.
        Unklar ist, wie viele ‚zähneknirschend das kleinere Übel‘ wählen. Wie viele Konservative haben trotz Unzufriedenheit mit der Merkel-Administration 2021 CDU gewählt, einfach weil die sogenannte „Alternative“ ihnen zu eklig war?

        Außerdem wählt man ja nur einen Baustein eines Gesamtpakets. Am Beispiel CSU 2017: Da haben 93,8% der Wähler nicht CSU gewählt, selbst wenn Sie sich auf Bayern beschränken sind es immer noch 55,8%)

        Und selbst bei Ihrem Beispiel Berlin sind die Zahlen nicht so klar: Selbst wenn Nichtwähler und ungültige Stimmen (v.a. vote blanc) weggerechnet werden (obwohl beide Gruppen eher Richtung unzufrieden tendieren), haben die Parteien der früheren Regierung 18,4%+18,4%+12,2%=49% der Stimmen bekommen, 51% sind gegen sie.

        • Stefan Pietsch 5. April 2023, 16:57

          Doch, Wahlen sind laut unserer Verfassung eine bindende Aussage. Alles andere sind theoretische Annahmen und Unterstellungen.

          Sie konstruieren die Situation so, dass Sie immer Recht haben und keine politische Maßnahme sich auf die Legitimation des Wählers stützen kann. Ich habe hier schon mehrmals geschrieben: Eine Argumentation, wo eine Position immer richtig ist und eine andere immer falsch, ist per se selbst falsch.

          Die CSU hat die relative Mehrheit in Bayern erhalten. Die Maut besitzt damit mehr demokratische Legitimation als sagen wir die Heizungsnovelle von Robert Habeck. Oder die Kindergrundsicherung.

          55% der Bürger haben laut neusten Umfragen der Ampelregierung das Vertrauen entzogen. Folgerichtig rangieren die Parteien in Summe in den Umfragen unter der Kanzlermehrheit. Da scheint das zu funktionieren.

          Rot-Grün-Rot hatte in Berlin nicht immer die Mehrheit. Und als ich vor Wochen schrieb, die Wähler hätten die CDU mit einem Regierungsauftrag versehen, triumphierte Stefan, die hätten ja keine absolute Mehrheit bekommen. Wenn wir also solche Ausschläge nicht als Willensäußerung akzeptieren, was soll dann eine formale Entlastungsverweigung bringen? Was ist Ihr Ziel?

          Unzufriedene gibt es auch unter den Eigentümern von Kapitalgesellschaften mehr als genug. Doch Unzufriedenheit ist keine ausreichende Kategorie, die Entlastung von der Haftung, und sei es nur symbolischer Art, zu verweigern.

          Und Haftungsfragen sind heute eine elementare Kategorie, wenn man Leute für Führungsaufgaben gewinnen will. In meinem Konzern gilt für viele Tochterunternehmen ein Gewinnabführungsvertrag, ein sogenannter EAV (Ergebnisabführungsvertrag). Dies entlastet Geschäftsführer und Vorstände von der gesamtschuldnerischen Haftung und verlagert sie auf die Konzernspitze. Ende letzten Jahres sollten die EAVs gekündigt werden. In der Führungs-Crew gab es große Aufregung. Niemand nimmt das so einfach hin. Mehr Haftung bedeutet höhere Entschädigungen in Form von Entgelten und umfangreicheren Versicherungsschutz. Wollen Sie das ernsthaft auf der politischen Ebene?

          • Stefan Sasse 5. April 2023, 18:47

            Du wirfst ständig Umfragen und Wahlen durcheinander. Das geht einfach nicht, sorry. Was die Ampel macht ist genauso legitimiert wie was die CSU in ihrer Koalition in Bayern macht. Legitimationsgrundlage ist eine demokratische Mehrheit im Bundestag (Landtag), fertig.

            • Stefan Pietsch 5. April 2023, 19:21

              Nein, tue ich nicht. Ich habe immer wieder meinen Standard beschrieben, an den ich mich halte: Umfragen dann, wenn weder Wahlergebnisse noch tiefere Studien zur Verfügung stehen. Sind diese vorhanden, dienen Umfragen nur der Unterstützung. Wahlergebnisse sind harte Daten, Umfragen weiche.

              Meines Wissens nach gab es eine demokratische Mehrheit im Bundestag für die Maut. Also worüber reden wir?

          • cimourdain 6. April 2023, 09:12

            nein, mir geht es nicht um die persönliche Haftung im juristischen Sinne. Da haben Sie wie gesagt schon oben sehr stichhaltige Argumente gebracht. Mir geht es um die Idee, einem Entscheidungsgremium im Nachhinein das Vertrauen auszusprechen – oder eben nicht. Das kann auch ein rein symbolischer Akt ohne Rechtsfolgen sein.

            Wichtig ist die Rückmeldung in einem formalen Rahmen. Denn – da bin ich bei Ihnen – Wahlen sind (durch die Rahmensetzung) bindende Aussagen, Umfragen a la ‚Sonntagsfrage‘ sind Larifari.

            Denn in einem Mehrparteiensystem kann man aus den relativen Mehrheitsverhältnissen keinen „Wählerwillen“ erkennen, die Rechenbeispiele sollten das eigentlich verdeutlichen.

            Und hier könnte eine direkte Abfrage Klärung bringen. Zum einen zwingt es den Wähler dazu sich mit der Frage „Habe ich mich in den letzten Jahren gut vertreten gefühlt.“ auseinanderzusetzen (Was Politikverdrossenheit dämpfen könnte). Zum anderen konfrontiert es die alte Regierung mit einem klaren (weil verbindlichen) „Abschlusszeugnis“.

  • Thorsten Haupts 5. April 2023, 22:37

    Zu m)
    Die Kritik an sich geht völlig in Ordnung, ich habe davon qua Interview des GA mit dem Chef vorgestern erfahren. Ja, das gilt auch für die klare Benennung der physikalischen Unmöglichkeit der von der Bundesregierung verkündeten Ausbauziele (ich nehme Wetten von 1:10 an, dass die gerissen werden – und nicht marginal).

    Was nicht in Ordnung geht, sind die weitreichenden POLITISCHEN Forderungen, die sich aus der Kritik auch gar nicht ableiten lassen. Trotzdem ist es mir lieber, eine dazu extra geschaffene Behörde redet mal Klartext und schiesst übers Ziel hinaus, als der sonst übliche gedrechselte und verdruckste Behördensprech im vorpolitischen Raum. So wird die Kritik wenigstens öffentlich beachtet (und morgen wieder vergessen sein).

    Momentan ist es vollkommen gleichgültig, wo man hinsieht oder hinfasst – Deutschland kann es nicht, weil es nicht will.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 6. April 2023, 11:38

      Dir ist das, fürchte ich, lieber, wenn es deinen Präferenzen entgegenkommt.

      • Thorsten Haupts 6. April 2023, 17:47

        Aha. Welche Präferenzen wären das im konkreten Fall?

        • Stefan Sasse 7. April 2023, 11:01

          Staatliche Ausgaben zu begrenzen.

          • Thorsten Haupts 7. April 2023, 22:58

            ????? Die Kritik des Rechnungshofes richtet sich mitnichten auf „staatliche Ausgaben“, sondern auf die Effizienz der Mittelverwendung, den Fokus und die Organisation des Unternehmens „Deutsche Bahn“. In allen drei Kritikpunkten völlig berechtigt.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

  • Thorsten Haupts 5. April 2023, 22:56

    Zu 1) Und das von dem politischen Spektrum, das sich über Trigger-Warnings lustig macht.

    Yup.

    Auch die sind kein progressives Phänomen; das scheint mir viel mehr eine amerikanische Obsession zu sein, die langsam, aber sicher, ihren Kulturtransfer hierher vollzieht …

    Nein. Wir haben als politische Studenten bereits in den neunzigern einen Kulturwechsel live miterlebt – links wie rechts wurde die kampfbereite und streitbare ältere Garde abgelöst durch die „seid nett zueinander“-Fraktion. Das hat sich einfach linear fortgesetzt. Die heutigen öffentlichen politischen Streits unter grosso modo Fünfzigjährigen sehen für mich als politisch Sozialisierter der achtziger aus wie Kindergeburtstage. Und bei den Jüngeren hat die Vermeidung der Gefühlsverletzung von vermeintlich Benachteiligten (ethnische Gruppen, Geschlechtswechsler, Frauen, Geringverdiener – also so 80% der Bevölkerung) den Rang eines religiösen Dogmas erreicht.

    Also bei denen, die medial publizieren und Beachtung finden, nicht bei den ca. 90% nicht medial repräsentierten. Und das reicht völlig aus, Kulturtransfers braucht man dafür nicht. Wenn ich kein Gefühl von irgendwem irgendwo bei irgendeinem Thema (Ausnahme: gutverdienende weisse Heterosexuelle) verletzen darf, hört die politische Debatte auf, sobald EIN Benachteiligter (TM) das fordert, weil sein Gefühl verletzt wurde. Das ist gleichzeitig natürlich der unvermeidbare Kältetod einer Demokratie, aber das hat den jungen Akadmikern halt nie einer beigebracht 🙂 .

    Ich habe deshalb überhaupt kein Problem damit, dass über den „Elternwillen“ im Kern derselbe Mechanismus von rechts genutzt wird. Das Grundüprinzip wurde von links in der Politik etabliert, dann werden den Progressiven ja wohl auch die ebenso vorhersehbaren wie unvermeidbaren Ergebnisse gefallen?

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • cimourdain 6. April 2023, 09:19

      „Kältetod einer Demokratie“ ist ein Bild, das mir sehr gut gefällt. Eigenkreation?

      • Thorsten Haupts 6. April 2023, 10:23

        Ja.

    • Stefan Sasse 6. April 2023, 11:38

      Angefangen haben immer die anderen, nicht? 🙂

      • Thorsten Haupts 6. April 2023, 14:31

        Mir wurscht, wer angefangen hat – such Dir jemanden aus, ich unterschreibe. Wichtig ist nur, wer sich medial und politisch durchsetzt – und das ist in GB/USA bis heute eineindeutig, in Deutschland auf dem Wege. Kann sich natürlich ändern, wenn die deutschen Rechtspopulisten so stark werden, wie die italienischen. DANN passe ich meine Argumentation an.

        Mir ging´s hier ohnehin eher darum, dass es keiner „amerikanische Obsession“ braucht, um zu dieser Form von öffentlicher Debatte zu kommen – die war schon im Embryonalstadium, als ich die Hochschule verlies.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Stefan Sasse 7. April 2023, 10:59

          Die Sache ist halt: Das Zeug kommt aus den USA, und der Weg der Debatten und ihrer Attraktivität lässt sich auf dem Weg direkt nachweisen. Siehe Adrian Daubs Buch.

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