Volker Wissing siebt Jugendliche durch reiche Steuern in der Gesundheitsversicherung von Wuhan aus – Vermischtes 08.03.2023

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.

Fundstücke

1) Ausgesiebt

Damit Jugendliche den für sie richtigen Weg finden, braucht es dringend jemanden, der nah dran ist, hinguckt und in den richtigen Momenten an der Kapuze zieht. In bildungsbürgerlichen Milieus übernehmen das meist die Eltern. An sogenannten Brennpunktschulen fällt diese Rolle dagegen oft den Lehrkräften zu. Doch das ist fatal. Denn obwohl ich dort unzählige engagierte Menschen kennengelernt habe: Niemand kann 30 orientierungslose Kinder gleichzeitig ermutigen und quasi nebenher noch so etwas wie Unterricht halten. […] Denn meine Schüler waren sich ihres Stigmas sehr wohl bewusst. Sie verorteten sich wie selbstverständlich dort, wo sie von der Gesellschaft hingedrängt, wo sie von unserem Bildungssystem geparkt wurden: ganz unten. Sie spürten das, was das Bildungssystem mit seinen leeren Behauptungen über die eigene Durchlässigkeit zu kaschieren versucht: dass es ein Oben und ein Unten gibt und dass diejenigen, die unten starten, in der Regel auch dort bleiben. […] Schafft es ein Kind nach der vierten Klasse aufs Gymnasium, kann man davon ausgehen, dass es ein sozioökonomisch stabiles Elternhaus hat. Kommt ein Kind – unwahrscheinlicherweise – trotz häuslicher Probleme aufs Gymnasium, wird es dasselbe vermutlich bald wieder verlassen. Es wird „ausgesiebt“, um im Gymnasiallehrerjargon zu sprechen. Die Bedürfnisse von Kindern aufzufangen, die sich selbst schon lange aufgegeben haben, erfordert also mehr als ein paar Gespräche im Türrahmen nach Unterrichtsschluss. Das persönliche Engagement vereinzelter Lehrkräfte kann unmöglich das Fundament eines gerechten und erfolgreichen Bildungssystems sein. Doch genauso läuft es derzeit. Unser Bildungssystem vertraut darauf, dass Lehrerinnen und Lehrer an sogenannten Brennpunktschulen Erziehungs- und Bildungsauftrag in Personalunion stemmen – und gibt ihnen gleichzeitig kaum strukturelle Hilfen an die Hand. Das funktioniert nicht. Kann nicht funktionieren. (Lisa Graf, ZEIT)

Tatsächlich ist es ein strukturelles Merkmal des Schulsystems, dass es das Aussieben als Grundaufgabe begreift. Die Struktur der Prüfungen und der Versetzungsordnungen sind stark darauf angelegt, und es mangelt an Strukturen, die einerseits rechtzeitig vor diesem Scheitern bewahren und andererseits dieses Scheitern in produktive Bahnen lenken. Das Sitzenbleiben ist als pädagogische Maßnahme erwiesenermaßen weitgehend wirkungslos, was die Verbesserung von Leistungen angeht. Das ist auch eine Mentalitätsfrage innerhalb der Lehrendenschaft: der Philologenverband etwa ist sehr offen in seiner Kommunikation, dass er die Hauptaufgabe des Gymnasiums darin sieht, „ungeeignete“ Schüler*innen auszusortieren. Meine eigene Erfahrung mit vielen Schulen ist ebenfalls, dass das als Hauptaufgabe betrachtet wird. Man sieht das gerade schön in Sachsen-Anhalt.

Ich halte das für einen grundfalschen Ansatz. „Friss oder stirb“ ist einfach kein guter Ansatz, und in vielen Fällen (natürlich nicht in allen) ließen sich Schulkarrieren durchaus retten. Richtig übel wird es natürlich, wenn wir eh am Ende der Nahrungskette angekommen sind: hier hat das Scheitern anders als beim Gymnasium nicht die Folge, auf eine „niedrigere“ Schulart wechseln zu müssen, sondern komplett aus dem System herauszufallen. Jedes Jahr verlassen tausende von Schüler*innen das Schulsystem ohne Abschluss. Schon der Hauptschulabschluss ist praktisch wertlos, aber diese Leute werden mit unter 20 effektiv aus der Gesellschaft ausgestoßen. Das kann man natürlich machen, aber das ist a) volkswirtschaftlich und b) gesellschaftlich töricht.

2) Warum es nicht gelingt, höhere Steuern für Reiche durchzusetzen (Interview mit Paul Marx, Achim Truger, Helena Vitt und Florian Fastenrath)

MOMENT: In Umfragen spricht sich regelmäßig eine Mehrheit für höhere Besitzsteuern aus. Politisch scheitert es jedoch immer wieder. Gibt es überhaupt einen signifikanten politischen Willen dafür?

Florian Fastenrath: In öffentlichen Umfragen stimmt eine sehr große Mehrheit zu, Vermögenssteuern wieder einzuführen. Der politische Wille dafür ist auch da. Das haben alle Politiker.innen, mit denen wir gesprochen haben, sehr authentisch zum Ausdruck gebracht. Warum die Vermögenssteuer dennoch nicht durchgesetzt wird? Die von uns interviewten Politiker:innen sind überzeugt, dass es eine große Zustimmung dafür gibt, das Thema aber für viele Bürger:innen nicht wahlentscheidend genug ist.

Umfragen kommen auch zu unterschiedlichen Ergebnissen, wenn es von allgemeinen Fragen zu höheren Steuern für Reiche zu konkreten Steuerformen geht. Bürger:innen haben teilweise das Gefühl selber davon betroffen zu sein. Politiker:innen haben den Eindruck, dass offensive Steuerpläne negative Folgen für sie hätten. Sie berichten uns, dass man mit Steuererhöhungen zwar keine Wahlen gewinnen kann, aber durchaus welche verlieren. […]

MOMENT: Sie haben mit Politiker:innen gesprochen, die für höhere Steuern für Reiche sind. Was sagen die, warum es nicht gelingt, das umzusetzen?

Paul Marx: Als erste Antwort kommt immer: die öffentliche Meinung ist dagegen. Umfragen zeigen: Es gibt unter den Bürgerinnen und Bürgern das Gefühl, die Ungleichheit ist zu groß und man sollte etwas dagegen tun. Entscheidend sind aber Mehrheiten für ganz konkrete Projekte. Da wird es aus Sicht der interviewten Abgeordneten schwierig.

Ein Grund dafür in der Wahrnehmung der Abgeordneten ist, dass es der Wirtschaftsseite leichtfällt, mit „Steuermythen“ Sorgen zu schüren. So entstehe in der Bevölkerung der Eindruck, sie selbst würden zum Beispiel mit Immobilienbesitz von höheren Vermögenssteuern betroffen, obwohl es hohe Freibeträge gibt. In den Interviews wurde zum Beispiel viel über Kampagnen der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft gesprochen. […]

Fastenrath: Aufgrund der unterschiedlichen Traditionen und Identitäten der Parteien sind sie in Bereichen wie der Steuerpolitik sehr ungleich aufgestellt. Politischer Nachwuchs tritt in linke Parteien eher ein, um sich um Arbeit und Soziales zu kümmern und weniger um Finanzfragen. Bei den Konservativen gibt es Wartelisten dafür, in die Finanzausschüsse zu kommen. Mitte-Links Parteien suchen dafür händeringend Leute. Da die Steuerpolitik nicht das Herzensthema linker Parteien ist, gibt es auch deutlich weniger Politiker*innen, die hier die notwendige Sattelfestigkeit besitzen. (Andreas Bachmann, Moment)

Ich halte das für eine zutreffende politische Beschreibung. Finanzexpert*innen sind im linken Lager dünn gesät. Dazu kommt, dass es auch komplett an der Infrastruktur der politischen Überzeugungsarbeit fehlt. Während das bürgerliche Lager auf eine Legion von Thinktanks, Stiftungen etc. zurückgreifen kann, fehlt so etwas im progressiven Lager fast völlig. Die bisherigen Versuche, einen solchen Thinktank zu schaffen, sind allesamt wirkungslos geblieben oder gescheitert. Deswegen fehlt auch die Kraft eines echten Gegennarrativs. Ich habe ja schon vor Jahren beschrieben, dass MMT grundsätzlich das Potenzial dafür hätte – quasi analog zur Laffer-Kurve. Aber ein einzelner Dirk Ehnts und ein Marcel Höfgen machen halt noch keinen Sommer, und in Talkshows eingeladen oder interviewt werden die erst recht nicht (schon allein, weil keine Partei das auch nur mit der Kneifzange anfasst). Die Einschätzung, dass die linken Parteien Angst vor diesem Thema haben, scheint mir grundsätzlich schon richtig.

3) Der Mann, der in Wuhan die Fäden zog

Natürlich würde sich James Bond nicht den Feinheiten der globalen Gesundheit widmen. Sein Beschäftigungsverhältnis ist schließlich mit nicht unerheblichen gesundheitlichen Risiken behaftet. Ein Agent mit der Nummer 007 käme nicht auf die Idee, sich die Reden auf einer Veranstaltung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion am 8. Mai 2019 anzuhören. Deren Titel wirkte auch eher wie 08/15, wie deutsche Routine. „Globale Gesundheit stärken, UN-Nachhaltigkeitsziel umsetzen“, so hieß die Tagung. […] Dabei war die Tagung prominent besetzt: Die Bundeskanzlerin hielt die Eröffnungsansprache, drei Bundesminister und der Fraktionsvorsitzende waren anwesend, der WHO-Präsident Tedros Adhanom Ghebreyesus, Experten wie der Berliner Virologe Christian Drosten und Vertreter einflussreicher Stiftungen, wie Joe Cerrell von der Gates-Stiftung und Jeremy Farrar vom Wellcome Trust. […] In ihrer Rede setzte Frau Kickbusch bemerkenswerte Akzente, etwa mit dem Hinweis auf die „geopolitische Veränderung der Welt“ und die weltweit zunehmende „Impfverweigerung“ als eine der großen Herausforderungen der WHO. [… ] Die Veranstaltung moderierte der damalige CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein, der zwei Jahre später mit der sogenannten Maskenaffäre in Verbindung gebracht werden sollte. Damals, nur wenige Monate später, am 7. September 2019, wurde auch das finanzielle Engagement der Gates-Stiftung bei der noch weitgehend unbekannten Mainzer Firma Biontech bekannt gegeben. […] Am 9. November 2015 veröffentlichten die Virologen einen Artikel in der Zeitschrift „Nature Medicine“: In Wuhan hatte man ein neues Virus erschaffen. […] Zudem ging es schon damals um die Frage, ob die Finanzierung der internationalen Zusammenarbeit durch den amerikanischen Steuerzahler überhaupt rechtmäßig gewesen sei. Noch im Oktober 2014 hatte Washington ein Moratorium für künstliche Viren verhängt. […] Unklar ist noch heute, ob Anthony Fauci davon wusste, der große alte Mann der amerikanischen Virologie und Präsidentenberater für die Bekämpfung von Pandemien. […] Das alles ist kein Beweis für die populäre These eines Laborunfalls. Es beweist lediglich die Bereitschaft zu virologischen Bastelarbeiten unter mehr oder weniger gut vernetzten Experten. Ausgerechnet jener Dr. Seltsam namens Peter Daszak initiierte am 7. März 2020 im Medizinjournal „Lancet“ einen Aufruf, der einen Laborunfall kategorisch zur Verschwörungstheorie erklärte. […] Peter Daszaks Aufruf zum Kampf gegen die Verschwörungstheorie eines künstlichen Virus hatten neben anderen zwei Experten unterschrieben, die sich erst im Mai 2019 bei der CDU-Veranstaltung in Berlin über gesundheitspolitische Weltpolitik ausgetauscht hatten: Jeremy Farrar und Christian Drosten. […] „Schneller als uns lieb“ war also, so die Genfer Expertin und Netzwerkerin Ilona Kickbusch, kam die Weltgesundheitspolitik auf die Tagesordnung. […] Christian Drosten entwickelte über Nacht den PCR-Test als eine Art Goldstandard; in Deutschland entwickelte Biontech in wenigen Stunden die Voraussetzungen für einen Impfstoff. […] Das Virus hat die schon im Mai 2019 in Berlin von Ilona Kickbusch angesprochene Impfverweigerung politisch adressiert; es hat die Durchsetzung von digitalen Impfpässen beschleunigt. Dazu kommt die Stärkung der WHO, wie sie Ilona Kickbusch in einem Aufsatz nach dem ersten Pandemiejahr diagnostizierte. (Frank Lübberding, Welt)

Dieser Artikel ist ein absolutes Paradebeispiel dafür, wie man im kultivierten Milieu Verschwörungstheorien verbreitet. Ich empfehle ihn grundsätzlich auch der ganzheitlichen Lektüre ohne meine Kürzungen; mit denen sieht man nur gleich besser, was mein Punkt an der Geschichte ist: eine ganze Latte von Fakten wird aufgelistet, ohne dass je eine konkrete Schlussfolgerung gezogen wird. Lübberding behält stets plausible deniability: er insinuiert nur, „stellt nur Fragen“. Aber entsprechend offene Lesende können sich des Eindrucks gar nicht erwehren, dass alles irgendwie zusammenhängt. Zwar gibt es keinerlei belastbare Belege für die Laborthese, und die Wissenschaft ist sich überwältigend einig, dass sie unwahrscheinlich ist – aber da die Wissenschaft in Lübberdings Narrativ ohnehin durch geschickte Syntax irgendwie ins sinistre Umfeld gerückt wird, macht das alles gar nichts. Irgendwie hängt alles mit allem zusammen, und irgendwie auch nicht. Man fragt ja nur mal.

4) Wir brauchen eine Sündenversicherung

Doch wer etwa den Terrorradlern in der Berliner Innenstadt hinterherschaut, den beschleichen tatsächlich Fragen nach vermeidbaren Krankheiten und ihren Kosten. Und wenn noch dazu den verhaltensblinden Krankenkassen sage und schreibe 17 Milliarden Euro jährlich fehlen, darf man über eine »Sündenpolice« nachdenken. Also über eine persönliche Zusatzversicherung  für Erkrankungen infolge gesundheitsgefährdender wiewohl vermeidbarer Verhaltensweisen. Es ist keineswegs automatisch illiberal, die Leute für bestimmte Sonderheiten ihres Lebenswandels haftbar zu machen. Eigenverantwortung, nennt man das, die Herzkammer liberalen Denkens. […] Bleibt die Trigger-Warnung Gerechtigkeit: Weil sie sich Sündensteuern oder Zusatzversicherungen nicht leisten können, dürfen nur die Ärmeren nicht mehr rauchen, saufen oder Nackensteaks (fr)essen. Der sozialdemokratische Bundesgesundheitsminister twitterte prompt: »Für die große Mehrheit der Bevölkerung geht das nicht.« Das freilich trifft auf viele Dinge des täglichen Lebens zu, aber trotzdem nennen wir das Ganze unterm Strich Soziale Marktwirtschaft – in der etliche Belastungen und Begünstigungen sozial gestaffelt werden. Warum nicht hier? Auf dem Nanny-State-Index jedenfalls ist noch Luft: Entlang von 35 Kriterien ermittelt der Index, wo der größte Regelungsdruck auf Genussmitteln wie Alkohol, Essen und Tabak liegt. Deutschland steht auf Platz 30 von 30. Hier lebt es sich »am besten«, heißt: am sündigsten. Gesamtgesellschaftlich auszuhandeln und auszuhalten, bliebe die Frage, was Sünde ist, was Moral und wo staatliche Übergriffigkeit beginnt. Nicht ganz leicht, aber auch nicht ganz neu: In Wahrheit praktizieren wir das inzwischen jeden Tag, weite Teile der Identitätspolitik handeln von nichts anderem. So sehr mich diese nabelpuhlende Selbstbesprechung ansonsten abstößt, hier könnte sie einen Beitrag leisten: Sollen alle Versicherten wirklich immerfort für die unbelehrbar Doofen und freiwillig Dicken bezahlen? (Nikolaus Blome, SpiegelOnline)

Ich musste beim Lesen dieses Artikels laut lachen. Es ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie sich hehre Prinzipien immer drehen lassen, um die eigenen Vorlieben zu begründen. So sind derartige Steuerungsmaßnahmen entweder blanker Sozialismus, wenn man ihre Ziele ablehnt, oder der Höhepunkt der Marktwirtschaft, wenn man sie begrüßt. Dasselbe gilt für hochmoralisierende Begriffe wie Sünde: Blome ist einer der ersten, der sich über Moralisieren beklagt, wenn es um Dinge geht, die er ablehnt, und hat null Probleme damit, diese Kategorien zu gebrauchen, wenn er sie begrüßt. Das ist genau der Grund, warum ich immer so skeptisch gegenüber der Betonung von Prinzipien bin: effektiv verhalten sich alle so, auch wenn es nicht immer so klar ersichtlich ist wie hier. Da kann man gerne einfach gleich offen zu seinen Zielen sein und dieses ständige Behaupten prinzipieller Kohärenz aufgeben – egal, ob man links, liberal, konservativ oder was auch immer ist.

Bezüglich des eigentlichen Themas: auf der einen Seite habe ich eine gewisse Sympathie gegenüber der Förderung von gesundem Verhalten. Nudges sind einfach ein effektives Mittel, und die Mehrheit lebt ungesund, was so oder so eine schlechte Sache ist, die man schon aus gesellschaftlichem Interesse angehen sollte, vom individuellen Nutzen her einmal ganz abgesehen. Aber Blomes Vorschläge haben zwei riesige Schattenseiten. Sie erfordern erstens einen ungemeinen Überwachungsstaat im Gesundheitssektor, weil nur dann ja tatsächlich Policen auf Grundlage gesunden Lebenswandels gestaltet werden können; nicht eben ein liberales Konzept. Und zweitens laufen sie schlicht darauf hinaus, dass arme Menschen künftig weniger Leistungen aus dem Gesundheitssystem erhalten und insgesamt ungesünder werden (weil sie sich Behandlungen nicht leisten können), während Wohlhabende sich die Zusatzversicherungen leisten können beziehungsweise eh alles aus großzügigen Privatversicherungen bezahlt bekommen.

5) Verkehrswunder gibt es immer wieder

Zum Genießen: dieser Mo­ment, als der Bundesverkehrsminister zur Erfüllung seines Klimaschutzpflichtanteils ein neues deutsches Autobahnwunder ankündigte, fünfspurige Fernstraßen in jede Richtung, und dazu den liberalen Aktivisten-Geist aus dem Verbrennertank befreite. Nimm das, Greta! Auch beim Verkehr, so röhrte es aus Volker Wissing heraus, müsse man der Wissenschaft folgen. Die Verkehrsprognosen seien eindeutig, der Verkehr nimmt enorm zu. Soll heißen: Rührt schon mal den Asphalt an. […] In Wales hat die Regierung in ähnlicher Lage bei voller Fahrt die Handbremse gezogen: Jahrelang sei versucht worden, jammerte das Transportministerium so­eben in den sozialen Medien, den Verkehr durch Straßenbau in den Griff zu bekommen. Vergeblich. „Mehr Straßen und mehr Fahrspuren führten zu immer mehr Verkehr – wie überall auf der Welt.“ Zugegeben, schlichtes empirisches Wissen. Aber wenigstens keine Karikatur von Wissenschaft. (Joachim Müller-Jung, FAZ)

Wenn du als FDP-Verkehrsminister die FAZ verlierst, das ist ja wie als grüner Klimaminister die taz verlieren. Aber Scherz beiseite, Wissings miese Performance setzt sich mit diesem „Gutachten“ nahtlos fort. Natürlich rufen alle Parteien immer solche Wissenschaftler*innen an, die ihnen genehme Ergebnisse präsentieren, aber dieses blanke Leugnen des wissenschaftlichen Konsens‘, wie der hier betrieben wird, ist einfach nur absurd. Was Wissing, Lindner et al hier natürlich für sich in Anspruch nehmen können, ist dem Vox Populi eine Stimme zu geben. Auch wenn die Autoindustrie das Aus für den Verbrenner bei PkW längst auch ohne die Politik beschlossen hat, so ist das nicht eben eine populäre Policy, um es mal milde auszudrücken. Demokratietheoretisch ist das sicher gut, aber für die Zukunft ist diese ideologische Verbohrtheit nicht sonderlich förderlich.

Resterampe

a) Die FAZ hat nochmal einen guten Artikel zum Erdbeben in der Türkei.

b) Analyse der Berlin-Wahl von Frank Stauss.

c) Wird auch Zeit.

d) Ben Hodges: “The only hope the Russians have is that the West loses the will to keep supporting Ukraine”

e) Noch mal ein sehr guter Artikel zur Dahl-Diskussion.

f) Berechtigte Warnung, Russland nicht zu unterschätzen.

g) Verkehrsexperte äußert heftige Kritik am 49-Euro-Ticket.

h) Interessanter Vergleich des Ukraine-Kriegs mit dem Koreakrieg.

{ 195 comments… add one }
  • Tim 8. März 2023, 08:40

    (1 – Aussieben)

    Tatsächlich ist es ein strukturelles Merkmal des Schulsystems, dass es das Aussieben als Grundaufgabe begreift.

    Schrecklich, einfach nur schrecklich. Der Staat ist genau dort besonders fair, wo er besonders fair sein müsste. Mich macht das nicht nur immer wieder wütend, sondern auch ratlos. Und es bestärkt mich in meiner Überzeugung, dass man Bürokrat(i)en nichts überlassen darf, was wirklich wichtig ist.

    • Tim 8. März 2023, 09:08

      … besonders unfair, wo er besonders fair …

    • Thorsten Haupts 8. März 2023, 09:35

      Ja. Die Diskrepanz zwischen der immer wieder betonten Bedeutung von Bildung und der Bildungspraxis wie -finanzierung ist galaktisch. Ändern wird sich daran nichts, Bildung ist wahlkampftechnisch und dem folgend innerparteilich effektiv irrelevant.

    • Stefan Sasse 8. März 2023, 18:39

      Häh?

  • Tim 8. März 2023, 08:58

    (3 -Wuhan)

    Zwar gibt es keinerlei belastbare Belege für die Laborthese, und die Wissenschaft ist sich überwältigend einig, dass sie unwahrscheinlich ist

    „Die Wissenschaft“? Oder die Wissenschaftsinstitutionen? Ich habe mit einigen Biochemikern darüber gesprochen, und die waren sich einig, dass die Indizien für die Laborthese sprechen. Ein Labor, das direkt vor Ort genau an solchen Viren forscht und Gain-of-function-Forschung betreibt, der sehr unwahrscheinliche evolutionäre Sprung des Virus‘ auf die neuen (gefährlichen) Eigenschaften, Chinas mangelnde Kompetenz beim Betrieb von Hochsicherheitslaboren, die totale Informationsabschottung … Es sind wohlgemerkt nur Indizien. Beweise gibt es dank Chinas Nullkooperation ja nicht mal für die Gegenthese.

    Klar ist: Wenn die Laborthese stimmt, wäre dies der Super-GAU der Biochemie und ein sehr schwerer Schlag für die Disziplin. Gain-of-function-Forschung ist ja eigentlich wichtig, aber wenn das Virus dem Labor entstammt, wäre diese Richtung wohl auch im Westen mausetot. Man kann auf jeden Fall die Motivation verstehen, warum die Laborthese aus der Sicht von Wissenschaftsinstitutionen wenig attraktiv ist.

    Bei der Indizienlage würde man in einem westlichen Land vorrangig rund um das Labor ermitteln, aber das wird in China natürlich nicht passieren.

  • Tim 8. März 2023, 09:07

    (Energiewende bei Heizungen – „c) Wird auch Zeit“)

    Waldsterben verboten. Ich wüsste wirklich gern, woher all die neuen Heizsysteme, die Installateure und die Investitionsgelder kommen sollen, mit denen die Heizwende möglich werden soll. Sprechen die Politiker eigentlich mal mit IHK-Vertretern? Bevor sie solche Ziele fürs Wolkenkuckucksheim aufstellen, sollten sie lieber einen Blick in die Realität werfen.

    Hier zeigt sich, dass die deutsche Politik einfach keine strategische Planung kennt. Eine dermaßen umwälzende Entwicklung muss man über Jahrzehnte planen, um abrupte Verwerfungen zu meiden. Schon vor 25 Jahre hätte man den Emissionsrechtehandel … Aber das hatten wir ja schon alles.

    • Stefan Sasse 8. März 2023, 18:42

      Korrekt, aber du kannst ja nicht bei Verboten stehenbleiben und hoffen, dass das tut. Wie du schon sagst – Strategie täte Not.

  • Thorsten Haupts 8. März 2023, 09:19

    Zu 3)
    Was zur Hoelle ist eigentlich genau die Kritik? Irgendeines der genannten Fakten sachlich falsch? Wenn nicht, passt Stefan also die m ögliche Schlussfolgerung nicht, die sich aus den fakten ziehen lässt?

    Zwar gibt es keinerlei belastbare Belege für die Laborthese, und die Wissenschaft ist sich überwältigend einig, dass sie unwahrscheinlich ist …
    Es gibt auch keinerlei belastbare Belege für die Tiermarktthese und nein, „die Wissenschaft“ ist sich mitnichten „überwältigend einig“ – nur die von den Medien befragten, wenigen, Sachkundigen hatten sich – zu dem Zeitpunkt vollkommen beleglos – darauf geeinigt, die Laborthese mittels Beweis durch Behauptung in den Bereich rechtsextremistischer Verschwörungstheorien zu verlegen. Pech, dass ihnen seriöse amerikanische Behörden (von Democrats geführt) da jetzt einen Strich durch die Rechnung machen, bis dahin hatte ihnen in den liberalen Medien ja nicht mal jemand kritische Fragen gestellt.

    Stefan passt es sichtbar nicht, dass man die Laborthese auch nur diskutiert, nach dem Motto, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Die Wissenschaftler, die exakt dasselbe extrem früh in der Pandemie getan haben, sind in meinen Augen vollständig diskreditiert, weil sie nicht als Wissenschaftler, sondern als politische Aktivisten agierte. Etwas, das Luebberding als einer der wenigen Journalisten seit Jahren kritisiert.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 8. März 2023, 18:43

      Oh, danke dass du mir unterstellst, Teil einer weltweiten Verschwörung zu sein. Tatsächlich habe ich einfach nur bisher nichts gelesen, was mich überzeugt – genauso wie du. Warum kommst du auf Abwägung von Fakten zu deinem Urteil, während ich einem Herdentrieb folge? Wie wäre es, wenn du mir das Mindestmaß an Respekt gibst, dass ich halt eine andere Überzeugung habe? Vielleicht kenne ich nur die anderen Quellen nicht, die mich überzeugen würden.

      • Thorsten Haupts 8. März 2023, 19:43

        Oh, danke dass du mir unterstellst, Teil einer weltweiten Verschwörung zu sein.

        ??? Auf so schräge Gedanken käme ich nicht – und geschrieben habe ich das ebenso nirgendwo.

        Warum kommst du auf Abwägung von Fakten zu deinem Urteil, während ich einem Herdentrieb folge?

        Du hast Luebberding – und damit implizit all denen, die ähnlich wie er denken – unterstellt, Geschwörungsgeraune zu verbreiten und die Nicht-Laborthese als einzige belegt dargestellt. Wende bitte Deine zu Recht eingeforderten Masstäbe auch auf Deine Beiträge an ODER beschwer Dich hinterher nicht über reziproke Polemik.

        Und ich habe nirgendwo Deine Überzeugung angegriffen, dass es kein Laborursprung war. Sondern Deine für mich nicht nachvollziehbare Verunglimpfung von Luebberdings Gegenthese-

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Stefan Sasse 9. März 2023, 10:00

          Moment, das sind ja aber zwei Paar Stiefel. Sein Text IST Geschwörungsgeraune. Das heißt nicht, dass an der Laborthese nichts dran ist; es heißt nur, dass Lübberdings Text diesbezüglich argumentatorisch nichts taugt. Möglicherweise gab es auch eine Kennedy-Verschwörung; Oliver Stone taugt dafür nur nicht als Beleg. Ich hoffe du verstehst, was ich meine. Lübberding tut sich und seinem Anliegen mit dem Text einen Bärendienst.

          • Thorsten Haupts 9. März 2023, 10:57

            Okay, das macht Deine Position klarer. Ich teile sie immer noch nicht, aber verstehe jetzt wenigstens, wo Du da stehst.

  • Thorsten Haupts 8. März 2023, 09:31

    Nachklapp zur Laborthese:

    Wer sich einmal am Beispiel durchdekliniert ansehen möchte, wie „überwältigende“ Mehrheiten in der Wissenschaft zustande kommen und wie man andersdenkende Wissenschaftler effizient medial diskreditiert, dem sei „Dieter Köhler, Lübberding Frank, Wie Wissenschaft Krisen schafft“ ans Herz gelegt. Stefans Kinderglaube an die Reinheit des organisierten Wissenschaftsbetriebes ist herzerfrischend kindlich naiv.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • sol1 8. März 2023, 18:52

      „…Dieter Köhler…“

      /// Mehrere Wissenschaftler und medizinische Organisationen kritisierten die Aussagen des Positionspapiers scharf. Der Bundesverband der Pneumologen, Schlaf- und Beatmungsmediziner (BdP) mit Sitz in Heidenheim an der Brenz wies die Äußerungen Köhlers zurück und betonte, dass die Aussagen „keineswegs die Meinung der deutschen Lungenärzte“ wiedergebe.[20] Auch Bernd Lamprecht, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP), wies die Argumente Köhlers als falsch zurück und betonte, dass an den Gefahren durch Feinstaub „wissenschaftlich kein Zweifel“ bestehe.[21] Die Umweltmedizinerin Barbara Hoffmann, Professorin für Epidemiologie an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, warf Köhler unter anderem Falschaussagen vor und „die wirklich überwältigende Beweislage“ an wissenschaftlichen Studien zu ignorieren, die sich „nicht wegdiskutieren“ ließen.[22] Nino Künzli, Vizedirektor des Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Instituts (Swiss TPH) sowie Präsident der Eidgenössischen Kommission für Lufthygiene (EKL), warf Köhler vor, dessen „Erwartung, dass man das dem Patienten ansieht, dass die Luftverschmutzung eine Rolle gespielt“ habe, sei „komplett unwissenschaftlich“. In Hinblick auf Luftschadstoffe gebe es ca. 30.000 Studien. Zudem verwies er darauf, dass das Thema wissenschaftlich unumstritten sei und bezeichnete Köhler als Laien. Auch die anderen Unterzeichner hätten nicht selbst zum Thema geforscht.[23] Er betonte auch, dass Köhlers Forderung, die Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide zu lockern, die ethischen Grundprinzipien der Medizin verletze, da höhere Belastung nachweislich gesundheitliche Schäden und vorzeitigen Tod verursache. Künzli sowie die Umweltmediziner Roy M. Harrison, Michael Brauer und Jonathan Grigg nahmen zum Inhalt des Papiers auch ausführlicher Stellung. Sie betonten die epidemiologische Evidenz zum Thema und wiesen die einzelnen Argumente Köhlers zurück.[24]

      Auch von Medien wurde Köhlers Expertise in Frage gestellt. Auf Nachfrage gab er zu, in seiner Karriere keine einzige peer-reviewte Studie zu Stickoxiden publiziert zu haben, sondern nur einen einzelnen, nicht begutachteten Artikel[25] im Ärzteblatt.[26] Kritiker äußerten aufgrund der Mitautorenschaft von Motorenentwicklern auch Lobbyismusvorwürfe und verwiesen auf Parallelen zu anderen Formen der Wissenschaftsleugnung, bei der in der Vergangenheit ebenfalls „zweifelhaften Experten“ aus der fossilen Energieindustrie bzw. der Tabakbranche versucht hatten, die Existenz des Klimawandels zu leugnen bzw. die Gesundheitsgefahren des Tabakkonsums kleinzureden.[27][28][29][30]

      Der Pneumologe und Gründer des insaf Institut für Atemwegsforschung in Wiesbaden, Kai Michael Beeh, kritisierte, dass der Aufruf weder wissenschaftliche Argumente enthalte noch Studien zitiere, sondern nur bloße Behauptungen aufstelle. Zudem kritisierte er die Art der Berichterstattung über den Aufruf, bei der unter anderem niedergelassene Ärzte zu renommierten Wissenschaftlern gemacht und forschende Wissenschaftler der Lüge bezichtigt worden seien. So sei ein erst zwei Monate zuvor publiziertes Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie[31] mit mehr als 50 Seiten sowie unzählige weitere Studien zum Thema schlichtweg ignoriert worden.[32] ///

      https://de.wikipedia.org/wiki/Dieter_K%C3%B6hler_(Mediziner)

  • Detlef Schulze 8. März 2023, 09:38

    3) … eine ganze Latte von Fakten wird aufgelistet, ohne dass je eine konkrete Schlussfolgerung gezogen wird. Lübberding behält stets plausible deniability: er insinuiert nur, „stellt nur Fragen“.

    Genauso ist es. Das merkt man auch an dem Wort „Laborthese“. Jeder stellt sich was anderes darunter vor. Das kann bedeuten, dass der Virus mutwillig im Labor erzeugt und dann auf die Menschheit losgelassen wurden, evtl. damit Biontech sein Impfstoff verkaufen konnte. Es kann aber auch sein, dass Fledermaeuse zu ganz anderen Zwecken fuer Tierversuche benutzt wurden und eine dieser Fledermaeuse mit dem neues Virus infiziert war und sich ein Tierpfleger dann angesteckt hat. Die eine „Laborthese“ ist eher unwahrscheinlich, die andere durchaus moeglich. Was in Marburg passieren kann, kann auch in Wuhan passieren.

    g) Die Kritik am 49 Euro – Ticket teile ich voellig. Eine Reise-Flatrate fuehrt zur Ueberlastung der Bahn und ist auch oekologische nicht sinnvoll, weil unnoetige Fahrten durchgefuehrt werden. Das Geld ist besser in der Infrastruktur angelegt. Man haette auch gern die Preise senken koennen, so dass jeder Kilometer ca. 10 Cent weniger kostet oder so.

    Nochwas, die Ticketpreise der DB sind ein wahnsinnig undurchsichtiges Wirrwarr aus Flexpreis, Normalpreis, Sparpreis, Supersparpreis, und dass ganze noch fuer Young, Senioren sowie die ganzen Laender- und Verbundtickets. Man muss halt vertrauen, dass die Website einem die niedrigsten Preise vorschlaegt.

    • Tim 8. März 2023, 09:45

      Das kann bedeuten, dass der Virus mutwillig im Labor erzeugt und dann auf die Menschheit losgelassen wurden, evtl. damit Biontech sein Impfstoff verkaufen konnte.

      Das ist sicher nicht die These, die ernstzunehmende Menschen ernst nehmen. 🙂 Mit der Laborthese ist die Unfallthese gemeint. China kann bis heute keine Hochsicherheitslabore betreiben und im Zweifelsfall wird technische Sicherheit immer der „nationalen Sicherheit“ untergeordnet sein.

      China ist kein seriöses Land und kennt keine checks and balances. Das muss man immer im Hinterkopf behalten, wenn man über den Ursprung der Pandemie nachdenkt.

      • sol1 8. März 2023, 11:37

        „Das ist sicher nicht die These, die ernstzunehmende Menschen ernst nehmen.“

        Aber warum streut dann Lübberding Köder für die Aluhut-Fraktion ein wie diesen?

        „Die Veranstaltung moderierte der damalige CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein, der zwei Jahre später mit der sogenannten Maskenaffäre in Verbindung gebracht werden sollte. Damals, nur wenige Monate später, am 7. September 2019, wurde auch das finanzielle Engagement der Gates-Stiftung bei der noch weitgehend unbekannten Mainzer Firma Biontech bekannt gegeben.“

        Ich kann mich übrigens noch gut erinnern, wie er seinen Blog an die Wand fuhr, weil er Russen-Trolle und ähnliche Konsorten im Forum frei gewähren ließ.

        • Tim 8. März 2023, 11:39

          Aber warum streut dann Lübberding Köder für die Aluhut-Fraktion ein wie diesen?

          Seit wann ist Lübberding denn ein ernstzunehmender Autor? Hab ich was verpasst?

        • Thorsten Haupts 8. März 2023, 11:42

          Und hat ihn auf meinen dementsprechenden schriftlichen Hinweis damals genau deshalb auch abgeschaltet – unmoderiert funktionierte einfach nicht, dafür war der Blog zu bekannt geworden.

        • Stefan Sasse 8. März 2023, 18:47

          Ja, das ist auch meine Kritik.

    • Stefan Sasse 8. März 2023, 18:44

      Gegenpunkt: die Bahn ist einfach völlig überteuert.

      • CitizenK 9. März 2023, 07:30

        Gegen-Gegenpunkt: Die Nachbarn sind nicht billiger, aber preis-werter, weil pünktlich und zuverlässig.
        Btw. interessantes Gespräch des DB-Fernverkehrschefs mit Kritikern in der aktuellen ZEIT. Das höchste Lob für eines Vielfahrers für die Hochgeschwindigkeitsstreckte Milano-Rom, in – wo? Italien!

  • Erwin Gabriel 8. März 2023, 10:00

    2) Warum es nicht gelingt, höhere Steuern für Reiche durchzusetzen

    Da schüttelt’s mich wieder.

    Finanzexpert*innen sind im linken Lager dünn gesät. Dazu kommt, dass es auch komplett an der Infrastruktur der politischen Überzeugungsarbeit fehlt. Während das bürgerliche Lager auf eine Legion von Thinktanks, Stiftungen etc. zurückgreifen kann, fehlt so etwas im progressiven Lager fast völlig.

    Lassen wir für dieses Mal Deine interessanten Zuordnungen von „bürgerlich“ und „progressiv“ beiseite: Im Moment ist DIW-Chef Fratzscher ja recht rührig, und trommelt mit allen lauteren und unlauteren Mitteln in diese Richtung.

    Deswegen fehlt auch die Kraft eines echten Gegennarrativs.

    Da fehlt die Kraft des Verstandes. Mit Wohlfühl-Plattitüden wie „die Reichen sollen Ihren Teil …“ etc. haben die „Progressiven“ nur und ausschließlich den schwammigen Wunsch aufzubieten, denen da oben etwas wegzunehmen. Was? Von was? Wem? Keine Ahnung …

    Mich persönlich interessieren die Vermögensverhältnisse von Milliardären und die Besteuerung derselben nicht die Bohne. Aber meine Lebenserfahrung sagt mir, dass man jedes Mal, wenn man mit der Steuer-Flinte auf die Superreichen zielt, das Fadenkreuz nach unten auswandert, und schon sind wieder die Besserverdienenden im Visier. Da hier schon 90% der Steuerlast erbracht wird, ist das für mich nur ein Neid- und Aufhetz-Thema, um sich Stimmen bei der Wahl zu sichern.

    • Thorsten Haupts 8. März 2023, 10:19

      Aber meine Lebenserfahrung sagt mir, dass man jedes Mal, wenn man mit der Steuer-Flinte auf die Superreichen zielt, das Fadenkreuz nach unten auswandert, und schon sind wieder die Besserverdienenden im Visier.

      Yup. Das ist der eigentliche Grund, warum das Thema politisch so wirkungslos bleibt. Niemand mit ein bisschen Lebenserfahrung glaubt Politikern auch nur ein Wort, wenn sie versichern, diesmal ginge es aber wirklich – ganz wirklich – nur um die Superreichen und Hochvermögenden.

      Könnte sich ändern, wenn die Boomer weggestorben sind – die Jüngeren sind gegenüber der Politik erstaunlich naiv. Habe da aber grosse Zuversicht in die Fähigkeit der Politik, das ausreichend schnell zu ändern 🙂 .

      Gruss,
      Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 8. März 2023, 18:45

      Warum genau sind das unlautere Mittel?

      • Erwin Gabriel 8. März 2023, 21:44

        @ Stefan Sasse 8. März 2023, 18:45

        Warum genau sind das unlautere Mittel?

        In seinem jüngsten Beitrag reitet er darauf rum, dass „Reiche“ prozentual weniger Spenden als die unteren Einkommensschichten: Das halte ich für schwer unseriös, weil der Hinweis fehlt, dass – absolut betrachtet – von denen da oben in Summe deutlich mehr kommt als von denen da unten.

        Dann spendet niemand, den ich kenne, prozentual. Wenn mich in einer Fußgängerzone der Wunsch überkommt, etwas Gutes tun zu wollen, schmeiße ich wie alle anderen einen oder zwei Euro in den nächsten Hut. Ich würde nie im Leben auf die Idee kommen, zehn Euro in den Hut zu werfen, weil der Spender neben mir vielleicht Niedrigverdiener ist (oder nur zehn Cent, weil mein Nachbar Besserverdiener ist).

        Dann geht es um die Absetzbarkeit von Spenden, die bei einem Besserverdienenden höher zu Buche schlagen. Ja, von 1.000 Euro bekomme ich als Besserverdienender etwa 400 Euro wieder zurück; ein Geringverdiener würde aber keine 1.000 Euro spenden können.

        Dann hebt er mit moralischem Zeigefinger darauf ab, dass die Reichen in den USA deutlich spendabler sind als hier: Der gesellschaftliche Konsens in den USA ist: Ein moralisches Leben führt jemand, der erfolgreich ist und viel Vermögen erwirtschaftet, aber arm stirbt und den größten Teil seines Reichtums zu Lebzeiten an die Gesellschaft spendet. In Deutschland dominiert die entgegengesetzte Logik: Ein moralisches Leben ist ein sparsames Leben mit großer Akkumulation von Vermögen, das an die nächste Generation vererbt wird.

        Was für ein Schwachsinn. Wenn der reichste Deutsche knapp 40 Milliarden erreicht (nicht falsch verstehen: das reicht vollkommen für einen entspannten Lebensabend), hat man in den USA ein Niveau, dass DEUTLICH höher liegt. Und selbst die Gates‘, Bezos‘ oder Buffets dieser Welt legen sich, selbst wenn sie die Hälfte ihres Vermögens spenden, nicht arm in den Sarg.

        Dann gibt es nicht nur die German Angst, sondern auch den German Neid. Wer in den USA Reichtum erworben hat, gilt als Vorbild, dem man nacheifert, während man hierzulande schon in der Kategorie „gehobener Wohlstand“ scheel angeschaut wird. Als Reicher würde ich meinen Wohlstand so gut wie möglich tarnen, damit ich nicht in die Situation komme, bei einer Spende von einer Million Euro mit Kommentaren konfrontiert zu werden, dass es bei meinem vermuteten Vermögen eine Spende von zwei Millionen hätte sein müssen.

        Dann behauptet Fratzscher Folgendes: In den Vereinigten Staaten liegen vermögensbezogene Steuern dreimal höher als hier.

        Das stimmt einfach nicht. Selbst wenn in den USA einzelne Vermögenswerte wie Grundstücke besteuert werden, haben wir hier bereits die Grundsteuer auf Immobilienbesitz, die ja bei der ganzen Diskussion gerne vernachlässigt wird.

        Dann ist es Schwachsinn, vom Thema „Spendenverhalten“ eine Brücke zum Thema „Vermögenssteuer“ zu schlagen; Spenden sind eine private Entscheidung für etwas, dass man gut findet; Steuern sind Zwangsabgaben ohne jeden Einfluss des Zwangsabgebenden auf die Sinnhaftigkeit der Ausgaben.

        Kurz und gut: Fratzscher kehrt hier mal wieder alles zusammen, um zu erklären, wie ungerecht die Welt ist und dass „die Reichen“ (zu denen ich nicht gehöre, ich weiß) ihren Beitrag nicht leisten. Immerhin: Ein paar Fakten waren dabei, die stimmten – wenn auch in einem Zusammenhang dargestellt, der, höflich formuliert, verfälschend und bestenfalls unvollständig ist.

        Die Vermögenssteuer ist halt sein „… Carthaginem esse delendam“. Fratzscher ist inzwischen Aktivist, kein Wissenschaftler oder Forscher mehr. Für jemanden, der an der Spitze des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung steht und vorgibt, einen wissenschaftlichen Anspruch zu verfolgen, sind solche teils falschen, teil unvollständigen und teils verdrehten Aussagen (nicht zum ersten Mal) ein tiefer Griff ins Klo.

        • Stefan Sasse 9. März 2023, 10:01

          Ah, das verstehe ich völlig und stimme deiner Kritik auch weitgehend zu. Mir ging es in dem Kommentar ja auch allgemein mehr um politische Kommunikation als um die Vermögenssteuer.

          • Erwin Gabriel 9. März 2023, 13:16

            @ Stefan Sasse 9. März 2023, 10:01

            Mir ging es in dem Kommentar ja auch allgemein mehr um politische Kommunikation als um die Vermögenssteuer.

            Darauf zielte meine erste Antwort auch ab.

            In vielen Bereichen sehe ich, dass die Politik allgemein akzeptierte „Wohlfühlziele“ (in diesem Falle „Vermögenssteuer“ postuliert, entweder in dem Wissen, dass diese nicht umsetzbar sind, oder ohne einen Plan und ohne erforderliche Voraussetzungen.

            So kann man die Wählerschaft ein Stück weit bei Laune halten, und sich im Zweifel damit herausreden, dass dieses oder jenes mit den Grünen / der FDP etc. nicht umsetzbar sei. Weiß man in der Regel vorher.

            Mich ärgert diese Verschwendung von Zeit und von Energie, da es genug richtige Probleme gibt, wo beides besser investiert wäre.

            • Stefan Sasse 10. März 2023, 09:03

              Das ist sicher eine faire Kritik. Ich finde es nur generell auffällig, dass die Linke unglaublich schlecht darin ist, Wirtschafts- und Finanzpolitik zu kommunzieren. Ob jetzt Vermögenssteuer oder irgendwas anderes, ist recht egal. Da kacken sie selbst gegen unterdurchschnittliche Bürgerliche einfach ab.

              • Erwin Gabriel 11. März 2023, 16:00

                @ Stefan Sasse 10. März 2023, 09:03

                Ich finde es nur generell auffällig, dass die Linke unglaublich schlecht darin ist, Wirtschafts- und Finanzpolitik zu kommunzieren.

                🙂

                Nun, zumindest EINE Botschaft ist klar: Wir wollen, dass „die Reichen“ mehr zahlen.

                – nicht klar ist, wie man „die Reichen“ überhaupt definiert
                – nicht klar ist, wo man sich eine Obergrenze für die Besteuerung vorstellt
                – nicht klar ist, an welcher Stelle man abgreifen möchte (aktuell spricht man über Vermögenssteuer, ohne zu definieren, was als „Vermögen“ zählt)
                – nicht klar ist, ob man überhaupt weiß, was „die Reichen“ schon leisten
                – nicht klar ist, ob die erhofften Mehreinnahmen in den Konsum oder in die Investition gehen sollen
                – nicht klar ist, inwieweit der Staat selbst finanzielle Freiräume durch Reduzierung/Streichung von Sozialleistungen/Subventionen schaffen kann
                – nicht klar ist, inwieweit der Staat selbst finanzielle Freiräume durch höhere Effizienz schaffen kann

                Du verstehst Den Punkt? Wer sich diese Fragen nicht stellt, hat keine Antworten, die er kommunizieren kann.

                • Stefan Sasse 13. März 2023, 10:44

                  Klar verstehe ich den Punkt. Aber:
                  – nicht klar ist, wie man „Mitte“ überhaupt definiert
                  – nicht klar ist, wie man Steuersenkungen gegenfinanzieren will
                  – nicht klar ist, welche Steuern genau gesenkt werden sollen
                  – nicht klar ist, ob man überhaupt weiß, wie wenig Lohnsteuer „die Armen“ zahlen
                  – nicht klar ist, ob die erfhofften Entlastungen wirklich ankommen

                  Und so weiter. All diese Unklarheiten schaden der guten politischen Kommunikation der Bürgerlichen auch nicht. Und für diese Details interessiert sich ja außerhalb des Fachpublikums auch effektiv niemand. Ich teile völlig deine Kritik bezüglich der Unklarheit, nur herrscht diese auf der anderen Seite auch. Wir müssen quasi die Policy-Debatte von der über Politics trennen. Und mein Punkt ist vor allem, dass die Linke schon bei den Politics abkackt. Verstehst, was ich meine?

                  • Stefan Pietsch 13. März 2023, 12:45

                    Der Punkt ist: Bürgerliche Wähler wollen endlich mehr Leistung für das gleiche Geld (Verbesserung von Produktivität und Effizienz). Linke wollen mehr Staat, wozu es höherer Steuern bedarf.

                    Den Slapstick führt ja gerade Habeck auf: den Bürgern sollen bis auf eine alle Heizungsalternativen verboten werden, zur Deckung der hohen Kosten erhalten sie nach dem Gießkannenprinzip Zuschüsse. Die Begründung von Omid Nouripour war dann gestern abenteuerlich: Da der Zertifikatehandel klassische Heizungen verteuert, sei es sinnvoll, diese gleich zu verbieten und den Bürger zu fordern. Alles doppelt und dreifach mit dem gleichen Ziel und dann fragt man, warum das so teuer sei.

                    Der vorläufige Haushaltsentwurf enthält 70 Milliarden Euro mehr Wünsche der Minister. Warum eigentlich ist es okay, Mehrbedarfe anzumelden, aber unredlich, wenn Bürger wie Erwin und ich auf Minderbedarfe drängen? Warum ist es selbstverständlich, Steuermehreinnahmen für Mehrausgaben zu verplanen, nicht aber, diese für Steuersenkungen zu nutzen?

                    Für Dich ist das selbstverständlich, für uns eben nicht. Nicht in Ordnung ist, dass wir uns rechtfertigen sollen, Du Dich der Rechtfertigung aber entziehst.

                    • Erwin Gabriel 14. März 2023, 00:47

                      @ Stefan Pietsch 13. März 2023, 12:45

                      Der Punkt ist: Bürgerliche Wähler wollen endlich mehr Leistung für das gleiche Geld

                      Mir reicht ja schon die Leistung, die es mal gab, fürs gleiche Geld.

                      Die Begründung von Omid Nouripour war dann gestern abenteuerlich: Da der Zertifikatehandel klassische Heizungen verteuert, sei es sinnvoll, diese gleich zu verbieten und den Bürger zu fordern.

                      Da es einen gewissen Bestandsschutz gibt, rennen halt gerade alle los und bauen sich neue Gasheizungen ein. Ziel erreicht.

                      Der vorläufige Haushaltsentwurf enthält 70 Milliarden Euro mehr Wünsche der Minister.

                      Der vorläufige Haushaltsentwurf enthält 70 Milliarden Euro mehr Wünsche der Minister.

                      DAS ist eine derartige Unverschämtheit …

                      Selbst unter der Berücksichtigung der Tatsache, dass Merkel alles vor die Wand hat fahren lassen, und daher ein gewisser Nachholbedarf besteht.

                      Lindner wird gerade so zum Arsch gemacht.

                    • Stefan Sasse 14. März 2023, 08:01

                      Es ist doch nicht unredlich. Aber du musst dich halt derselben Kritik stellen wie die, die Mehreinnahmen fordern.

                    • Stefan Pietsch 14. März 2023, 09:41

                      Nein, so ist es nicht. Konservative und Liberale haben es ja weitgehend aufgegeben, Steuersenkungen zu fordern. Seit anderthalb Jahrzehnten läuft nur noch der Abwehrkampf gegen auch prozentuale Steuererhöhungen. Das Ergebnis hast Du doch vor ein paar Monaten gesehen: während wir es ja anscheinend als normal aufsehen, Bahnfahrer mit hohen Milliardenbeträgen zu subventionieren und hier die Frage nach der Finanzierung abgewehrt wird mit dem Verweis „das wollen wir doch alle!“, muss Lindner das Selbstverständlichste mit hohem politischen Einsatz durchfechten, den Einkommensteuertarif einigermaßen zu inflationieren.

                      Leute wie Du und CitizenK lehnen sich zurück und sagen: „Das bitte ich doch alles notwendig!“ – Dann brauchen wir auch das Geld dafür, entweder durch Verschuldung oder Steuererhöhungen. Anders ausgedrückt, ich nimmt etwas als gegeben und die Begründungspflicht liegt bei dem, der es ablehnt.

                      Jetzt wird ja ein Sondervermögen für die Bildung gefordert. Hallo! Bildung ist eine originäre staatliche Aufgabe, wieso reichen dafür nicht die üppigen Steuereinnahmen?! Nicht begründungspflichtig … Begründungspflichtig sind jene, die ein Sondervermögen ablehnen.

                      Das ist das, was wir mit besserer Effizienz meinen: der Staat muss, wenn er bei den Bürgern mehr als die Hälfte ihrer Einkommen abräumt, bitte in exzellenter Qualität Sicherheit, Infrastruktur, Bildung und Gesundheitswesen bereitstellt. In all diesen Bereichen sind die Ergebnisse allerdings durchschnittlich bis schlecht, also bitte: Verbessern!!!

                    • Stefan Sasse 14. März 2023, 10:43

                      Um deine Frage mit der Bildung zu beantworten: aus demselben Grund wie bei der Bundeswehr. Jahrzehntelange Unterfinanzierung hat einen solchen Stau ausgelöst, das die laufenden Einnahmen nicht reichen. Es hat schon seinen Grund, dass kein Sondervermögen für Hartz-IV, die Pendlerpauschale oder die Rente gefordert wird.

                    • Stefan Pietsch 14. März 2023, 10:52

                      Du nimmst es als Selbstverständlichkeit hin: Warum unterfinanziert? Am Geld lag’s nicht, auch vor 10 Jahren hat der Staat einen Obolus von rund 50% des Erwirtschafteten kassiert. Warum sollen wir jetzt doppelt zahlen?

                      Das ist doch der Punkt, Stefan: Der Staat erhält bei weitem genug, leistet aber nicht seine originären Aufgaben. Als wir dann die Konsequenzen feststellen (auf die Leute wie ich und Erwin seit langem hinweisen) heißt es: jetzt brauchen wir halt noch mehr Geld.

                      Würdest Du Deinem Installateur, der Dein Bad völlig vermurkst hat, ein zusätzliches Salär geben, in der Hoffnung, dass er es im nächsten Anlauf besser macht? Wohl kaum.

                    • Stefan Sasse 14. März 2023, 13:01

                      Du wirfst zwei Sachen durcheinander: die GESAMTEINNAHMEN des Staates und die Allokation dieser Einnahmen.

                    • Stefan Pietsch 14. März 2023, 13:25

                      Wieso gehört das getrennt?

                      Bei Deinem Gehaltszettel steht unten eine Summe. Diese Summe bestimmt, was Du Dir leisten kannst. Wenn Du den Betrag für Urlaub ausgibst, wirst Du möglicherweise nicht genügend haben, um Dir noch ein Haus und einen Porsche zu leisten.

                      Hast Du kein Haus gekauft, obwohl Du es Dir hättest leisten können – wem klagst Du Dein Leid? Dass Du nicht alles haben konntest? Das ist kindisches Gehabe.

                      Der Staat hat genügend Einnahmen. Ein normaler Mensch kauft sich davon erstmal die Grundbedürfnisse. Beim Staat sind das Sicherheit, Bildung, Infrastruktur. Wenn dann noch übrig ist, kann man sich weiteres leisten. Nur ein Verschwender dreht die Sache um, kauft sich erst alles Mögliche, und wenn dann nicht genügend übrig ist, fängt das Klagen an.

                      Unser Staat ist ein Verschwender. Warum sollen wir ihm ein Sondervermögen geben? Weil wir hoffen, dass er damit nicht verschwenderisch umgeht?

                    • Stefan Sasse 14. März 2023, 17:52

                      Genau, aber das macht der Staat ja nicht. Das ist ja der Punkt. Du kannst ja auch zu einer Frau, deren Mann das ganze Geld versäuft, nicht sagen „brutto habt ihr genug Kohle, blöd dass dein Gatte es für die Bar raushaut“. Das ist ja nicht zielführend. Und dass nach vier Jahrzehnten Sauferei vielleicht ein bisschen Reparaturarbeit nötig ist, sollte einleuchten. Du kannst dich natürlich auf deinen Moralismus zurückziehen, mit dem Zeigefinger wackeln und dich überlegen fühlen, aber außer dir hilft das keinem.

                    • Stefan Pietsch 14. März 2023, 19:09

                      Doch, genau das sagt die Bank, wenn die Frau um einen Kredit ersucht. Kluge Frauen übrigens trennen sich schon frühzeitig von solchen Männern.

                      Ansonsten regnet es halt notfalls durchs Dach. Übrigens hilft der Staat in solchen Fällen nicht. Schlimmer, wie wir im Ahrtal sehen, lässt er nicht einmal Nachbarschaftshilfe zu. Der Staat, Dein Freund und Helfer.

                      Zurück: Du empfiehlst als Methode in solchen Fällen, dem Säufer nicht Kram zu sein und einen Kredit aufzunehmen. Nur, warum sollte der Säufer nicht genau dieses antizipieren? Das machen ja die Grünen: einmal Säufer, immer Säufer. Sie empfehlen für jede Problemlage Kreditaufnahme. Und nur den Nachdenklichen ist klar, das ist keine Dauerlösung.

                      Wir haben nun binnen drei Jahren vier Sonderpakete im Umfang zwischen 60 und 500 Milliarden Euro aufgelegt. Wann sind die Schäden ausgeglichen, wann hört das auf?

                    • Erwin Gabriel 14. März 2023, 20:30

                      @ Stefan Sasse

                      Stefan Pietsch hat Recht.

                      Wenn Dir das Säufer-Beispiel zu brutal ist, nimm folgende Situation: Du hast gebaut, jetzt steigen die Zinsen. Und während Du überlegst, ob Deine Frau und Du wirklich beide ein Auto brauchen, und Du in Gedanken bereits die Urlaubskasse plünderst, um über die Runden zu kommen, möchte Deine Tochter finanzielle Unterstützung für ein Jahr Australien nach dem Abi – nichts davon ist Verschwendung, aber Dein Kreditrahmen bei der Bank ist ausgeschöpft.

                      Mit welchem Argument überzeugst Du Deinen Chef, Dein Netto-Gehalt um 500 Euro nach oben zu bringen (nicht, dass dieser Betrag reichen würde)?

                    • Stefan Sasse 15. März 2023, 08:22

                      Diese Vergleiche hinken allesamt völlig. Ich will auch gar nicht die Steuern erhöhen, by the by. Es ging um die Frage, warum ein Sondervermögen für Bildung geschaffen werden sollte und nicht die laufenden Einnahmen reichen. Ich habe dir das begründet: weil man jahrzehntelang alles hat verkommen lassen. War das eine Fehlallokation von Ressourcen? Ohne Zweifel. Hilft es, das moralinsauer festzustellen und dann tolle Vergleiche à la schwäbische Hausfrau zu ziehen? Nope. Bildung und Bundeswehr sind identisch, was das Problem angeht. Warum wird das von euch bei der Bundeswehr akzeptiert, hier aber nicht?

                    • Erwin Gabriel 18. März 2023, 09:13

                      @ Stefan Sasse 14. März 2023, 08:01

                      Aber du musst dich halt derselben Kritik stellen wie die, die Mehreinnahmen fordern.

                      Wofür?

                      Du scheinst einen Punkt nicht zu verstehen: Die primäre Aufgabe des Staates ist nicht, Geld einzunehmen.

                      Die primäre Aufgabe ist, bestimmte Leistungen sicherzustellen (für die bessere Vergleichbarkeit zum oberen Satz: Geld zum Nutzen der Bürger sinn- und planvoll auszugeben). Wenn der Staat dafür Einnahmen braucht, ist das eine Folge.

                      Falls also der Staat also die Entscheidung für zusätzliche Leistungen trifft, muss er sich überlegen, wo das Geld dafür herkommt. Das können Einsparungen an anderer Stelle, Effizienzsteigerungen oder auch die ständigen natürlichen Steuerzuwächse sein; die Steuereinnahmen durch höhere Abgabenlast für die Bürger zu erhöhen ist also nur eine von mehreren Möglichkeiten, und keinesfalls die, auf die man zuerst kommen sollte.

                      Über Jahrzehnte hat unser Staat im Vergleich zu den Vorjahren deutliche Steuermehreinnahmen (bereinigt, also oberhalb der Inflationsrate) erzielt. Deshalb rechtfertigt die Aufgabe, den Status quo an den Standard-Leistungen des Staats zu erhalten, keinesfalls Steuererhöhungen durch zusätzliche Belastung der Bürger. Wenn diese Mehreinnahmen nicht sinnvoll investiert oder zum Schuldenabbau genutzt, sondern für Konsum verschleudert wurden, sollte das nicht mein Problem sein.

                    • Stefan Sasse 18. März 2023, 14:28

                      Wie gesagt, ich sehe auch keine Notwendigkeit, Steuern zu erhöhen um die Einnahmen zu finanzieren. Die Steuererhöhungen, für die ich bin, sollen Steuerungswirkung haben und dürfen sehr gerne irgendwo wieder rausgekürzt werden – kalte Progression beseitigen, Einkommenssteuer runter, Mehrwertsteuer senken, whatever.

                  • Erwin Gabriel 14. März 2023, 00:17

                    @ Stefan Sasse 13. März 2023, 10:44

                    – nicht klar ist, wie man „Mitte“ überhaupt definiert
                    Menschen, die von Einkünften aus ihrer Tätigkeit leben können, ohne auf staatliche Zuschüsse / Sozialhilfe angewiesen zu sein. Ist unscharf genug, zugegeben, aber deutlich konkreter als „jeder von alleinstehend mit über 2.400 Euro netto“ bis „Milliardär“.

                    – nicht klar ist, wie man Steuersenkungen gegenfinanzieren will
                    durch Entbürokratisierung und höhere Effizenz

                    – nicht klar ist, welche Steuern genau gesenkt werden sollen
                    Lohn- und Einkommenssteuer; Verschiebung der Steuerkurve Richtung höheres Einkommen

                    – nicht klar ist, ob man überhaupt weiß, wie wenig Lohnsteuer „die Armen“ zahlen
                    Oh, doch; aber da es so wenig ist, spielt eine Verschiebung keine große Rolle auf der Einnahmeseite, entlastet aber die Niedrigverdiener.

                    – nicht klar ist, ob die erhofften Entlastungen wirklich ankommen
                    Echt jetzt? Darauf kriegst Du von mir keine ernsthafte Antwort

                    Ich teile völlig deine Kritik bezüglich der Unklarheit, nur herrscht diese auf der anderen Seite auch.
                    Nein

                    Wir müssen quasi die Policy-Debatte von der über Politics trennen. Und mein Punkt ist vor allem, dass die Linke schon bei den Politics abkackt. Verstehst, was ich meine?

                    Ich verstehe, was Du meinst. Aber das eine ist sinnlos, wenn das andere schon Kacke ist.
                    Zu sagen „ich will mehr von meinem Verdienst behalten“ ist eine klare Aussage. „Ich will irgendjemandem, der mehr hat als ich, etwas wegnehmen, sage aber nicht wem, wieviel, wofür, und mich interessiert auch nicht, ob mit dem Geld effizient umgegeangen wird“ ist eine andere Nummer. Aber darauf läuft es hinaus.

                    • Stefan Sasse 14. März 2023, 09:03

                      – Das ist ja auch polemisch. 2400€ netto wird niemand als „reich“ bezeichnen.
                      – Die Worte hör ich wohl. Nur, das hat noch nie geklappt. Das ist dasselbe wie mit linken Vorstellungen von den wachstumsfinanzierten Schulden.

                      Usw. Mein Punkt ist, dass durch übertriebene Klarheit keiner auffällt.

                      Genauso könnte ich die klare Aussage „ich will, dass alle sich angemessen an den gemeinschaftlichen Aufgaben beteiligen“ der unklaren Aussage „ich will zwar möglichst alle Leistungen, aber dafür möchte ich nicht bezahlen, und wie das vereint werden soll interessiert mich nicht“ gegenüberstellen. Das ist letztlich nur Polemik.

                    • Erwin Gabriel 14. März 2023, 20:48

                      @ Stefan Sasse

                      Schade, dass Du mich nicht ernst nimmst. 2.400 Euro netto habe ich schon von einem LINKEn gehört, der alles oberhalb des Median so bezeichnete. Aber das ist genauso wenig meine reale Bezugsgröße wie „Milliardär“, sondern nur als Synonym für die Unschärfe bzw. Spannweite des Begriffs „reich“ gemeint; ich dachte, das wäre klar.

                      „Schulden“ (des Staates) bedeutet IMMER, dass sich jemand bzw. eine Partei etwas leisten möchte, aber nicht selbst dafür bezahlen will.

                      „Ich will, dass alle sich angemessen an den gemeinschaftlichen Aufgaben beteiligen“ ist Wischi-Waschi-Gutmenschen-Wohlfühl-Geschwurbel, bei dem nur „ich will“ klar ist (und auf die Leistung von anderen zielt). Der Rest ist überaus „interpretationsfähig“.

                    • Stefan Sasse 15. März 2023, 08:25

                      Ich nehme dich durchaus ernst. Mir war nicht klar, dass diese Zahl tatsächlich in den Raum geworfen wurde, das ist offensichtlich absurd. Aber passt zur Partei.

                      Parteien zahlen nie selbst für die Sachen, das ist ein Kategorienfehler. Und die Vorstellung, dass Staatsschulden funktional äquivalent zu Konsumkrediten sind, hatte ich auch schon öfter kritisiert.

                      Na klar, darum geht’s mir doch! Das ist alles Wischi-Waschi-Geschwurbel und interpretationsfähig. Das wirkt immer nur für das eigene Lager „total klar“.

        • cimourdain 9. März 2023, 13:11

          Leider kann ich den Gesamtkontext nicht beurteilen, Ihr Link funktioniert nicht, aber „Das stimmt einfach nicht. Selbst wenn in den USA einzelne Vermögenswerte wie Grundstücke besteuert werden, haben wir hier bereits die Grundsteuer auf Immobilienbesitz, die ja bei der ganzen Diskussion gerne vernachlässigt wird.“ ist nicht richtig. Fratzscher hat korrekt gerechnet, der Begriff ‚vermögensbezogene Steuern‘ schließt Vermögen-, Erbschaft-, Grund- und KfZ-Steuer ein – auf beiden Seiten des Atlantiks. [‚Substanzsteuern‘ wäre allerdings klarer.] Und diese machen in Ihrer Gesamtheit in D einen Anteil von 0,9% des BIP aus, in den USA 3,1%.

          • Erwin Gabriel 10. März 2023, 10:00

            @ cimourdain 9. März 2023, 13:11

            https://www.zeit.de/wirtschaft/2023-02/spendenbereitschaft-deutschland-einkommen-haushalte?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F

            Und diese machen in Ihrer Gesamtheit in D einen Anteil von 0,9% des BIP aus, in den USA 3,1%.

            Kein Wunder, wenn hier die Steuerlast schon für normale Einkommen so hoch ist.

            Noch einmal, weil das meiner Einschätzung nach nicht ausreichend wahrgenommen wird:

            Ich bin KEIN Fan von extremen Vermögensunterschieden, habe aber auch kein Problem damit. Wer die ausgleichen will, sollte aber
            – Bildung so hinbekommt, dass zum Berufsstart Chancengleichheit besteht
            – jedem arbeitenden Menschen ermöglicht, eigenes Vermögen aufzubauen

            Ich bin durchaus für Steuern zu haben, wenn man
            – zuerst den Apparat und die Prozesse derart verschlankt, dass nicht solch ein großer Teil des eingenommenen Geldes bereits durch den Verteilprozess verbraucht wird
            – dass man beginnt, die Ursachen und nicht die Folgen von Not und (Scheiß-Wort) „Ungerechtigkeiten“ zu bekämpfen
            – dass man beginnt, die Aufgaben des Staates auf die Bedürfnisse der Menschen zu beschränken, statt aus wahltaktischen Überlegungen eine Leistung nach der anderen rauszuhauen.
            – die Versorgung des Staates nicht aus einer Selbstbedienungsmentalität durchführt. Ich arbeite in erster Linie für mich und meine Familie; will der Staat etwas abhaben, ist’s OK, aber bitte nicht mit dieser arroganten Attitüde, dass ich mein Gehalt eh nicht verdient habe.

            Und auch diesen Punkt will ich klarmachen: Wer seine Chancen nutzt, soll gerne viel verdienen und Karriere machen, wie er will. Wer sie nicht nutzt, darf von mir aus gerne scheitern. Bedingung ist allerdings, dass die Ausgangschancen für alle gleich geboten sind – und zwar nicht durch Bekämpfen von Talent und Ehrgeiz, sondern durch Förderung, Bildung etc. Das sollte die Aufgabe des Staates sein.

  • Erwin Gabriel 8. März 2023, 10:30

    c) Wird auch Zeit.

    In der Tat – nur für was?

    Wir haben schon seit Jahren einen zunehmenden Fachkräftemangel und eine Jugend, die sich grundsätzlich eher in Richtung Studium als in Richtung Ausbildung orientiert. Dann erinnert mich das (Zwangs-)Thema stark an das Pushen in Wärmedämm-Verbundsysteme, wo dann aus Kostengründen der mit Krebs auslösenden Chemikalien getränkte Styropor an die Wand geklatscht wurde; während die giftigen Chemikalien mit der Zeit ins Grundwasser ausgewaschen wurden, ließ der Brandschutz deutlich nach; nach ein paar Jahren hat man dann einen Brandbeschleuniger an der Wand kleben.

    Dann die Kosten: Meine Frau hat das Häuschen von ihrem verstorbenen Vater übernommen, Baujahr 1965, bis dahin nie was modernisiert; haben wir innen für 100.000 Euro auf einen neuen Stand gebracht, inkl. Heizung, Fenster, Türen. Wir haben jetzt den dringenden Wunsch der Mieter, ein Wärmedämm-Verbundsystem aufzubringen. Wir haben über 6 Monate gebraucht, um einen Fachmann zu finden, der uns zum Thema schlau macht, mit Erhebung zum Ist-Zustand und Vorschlägen für sinnvolle und förderwürdige Maßnahmen. Da war die Miete für 4 Monate schon mal weg (die Finanzierungskosten werden natürlich weiter abgebucht).

    Wie laufen auf Kosten von 80.000 Euro (ohne Förderung) zu, oder auf 100.000 Euro (mit Förderung). Das, was wir laut gesetzlichen Vorgaben auf die Mieter umlegen dürfen, verdoppelt fast deren Miete, reicht aber bei weitem nicht, unsere Kosten zu tragen.

    Nun nimm mal ein durchschnittliches Rentner-Pärchen, dass mit Kosten wie Wärmedämmung, Fenster und Türen neu, zwangsweise neues Heizsystem etc. konfrontiert wird, und dass mangels Ahnung vom Thema einfach nur sein Portemonnaie aufmachen kann, in das jeder nach Bedarf hineingreift.

    Ein weiteres Beispiel für eine Politik, bei der das Ziel klar ist, aber der Weg dahin noch nicht gebaut. Für mich ist „progressiv“ inzwischen ein Synonym dafür, sich einen schlanken Fuß zu machen.

    • Tim 8. März 2023, 11:03

      @ Erwin Gabriel

      Wie laufen auf Kosten von 80.000 Euro (ohne Förderung) zu, oder auf 100.000 Euro (mit Förderung)

      Neulich einen lustigen Artikel zu diesem Thema gelesen: Das für diese Förderung zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (übrigens vollkommen gaga, diese Aufgabenzuweisung) braucht aktuell 10(!) Monate für die Bearbeitung der Förderanträge, weil für die irrsinnigen bürokratischen Prozesse zu wenig Personal vorhanden ist. Selbst in seinem eigenen Verantwortungsbereich hat der Staat mangelhaft geplant.

      Mit anderen Worten: Er torpediert seine eigenen Prioritäten.

      In seriösen gesellschaftlichen Bereichen würde man mindestens von grober Fahrlässigkeit ausgehen, bei Vater Staat ist es halt die übliche Inkompetenz.

      • Erwin Gabriel 8. März 2023, 16:27

        @ Tim 8. März 2023, 11:03

        Das für diese Förderung zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (übrigens vollkommen gaga, diese Aufgabenzuweisung) braucht aktuell 10(!) Monate für die Bearbeitung der Förderanträge, weil für die irrsinnigen bürokratischen Prozesse zu wenig Personal vorhanden ist.

        Ja. Ist schon verrückt.

        Hab mich übrigens gewundert, dass noch keine Antwort dabei ist, die Steuererhöhungen fordert, da der Staat ja offenbar zu wenig Personal hat.

        Wie viele Millionen mehr für Förderzwecke überblieben, wenn man den überbordenden Vorschriftenwust zusammenstreicht, hat aber noch niemand berechnet.

    • Thorsten Haupts 8. März 2023, 11:20

      Für mich ist „progressiv“ inzwischen ein Synonym dafür, sich einen schlanken Fuß zu machen.

      😆

    • Kning4711 8. März 2023, 14:39

      Absolut richtig – schon alleine die Ersetzung einer 15 bis 20 Jahre alten Gasheizung senkt den Gasverbrauch zwischen 30 und 40 % – hab das erst vor kurzem selbst hinter mir.
      Eine Wärmepumpe hätte das dreifache der Gasheizung gekostet – Förderung gab es nicht (die Töpfe sind leer) und warten konnte ich auch nicht, denn die alte Heizung war kaputt.
      Zumal müssen für den breiten Einsatz von Wärmepumpen weitere Voraussetzungen geschaffen werden (Stichwort Überlastung im Stromnetz) – um diese Zeit zu überbrücken (und Heizen bezahlbar zu halten) wäre es doch sinnvoll eher im Bereich Regulatorik einzugreifen und den Einbau modernster Brennwertthermen vorzuschreiben. Wenn wir 50 % der alten Heizungsanlagen austauschen, sparen wir 15 bis 20 % Gas und der begleitenden Emissionen – das mag für das 1,5 Grad Ziel nicht ausreichend sein, bringt aber uns aber schon deutlich weiter, als eine Wärmepumpenflicht, die für sehr viele Menschen nicht finanzierbar und unzureichend vorbereitet ist.

    • Stefan Sasse 8. März 2023, 18:45

      Wie schon gesagt: Kritik teile ich völlig, es fehlt die Strategie dahinter.

  • Stefan Pietsch 8. März 2023, 11:22

    1) Ausgesiebt

    In meinem Abiturjahrgang 1986 ist kein einziger durchgefallen, im Jahrgang zuvor waren es zwei. Im Grundstudium lag die Versagerquote bei so 40-50 Prozent, im Examen im niedrigen einstelligen Bereich.

    Tatsächlich geht es darum, das Geeignete für Menschen zu finden. Nicht jeder ist zu einem theorielastigen Schulabschluss oder für ein wirtschaftswissenschaftliches Studium geeignet. Ein Abschluss ist vor allem ein Prädikat nach außen: derjenige verfügt über die bescheinigten Fähigkeiten. Doch was ist von einer Schule zu halten, die einem geistig behinderten Mädchen in der fünften Klasse nur Einser erteilt?

    Ein Abiturient ist heute einfach nur ein Idiot, der es mit Helikoptereltern, gutem Zureden, lustlosen Lehrern mit anspruchslosen Inhalten und dem Verständnis, am richtigen Ort zu sein, zum höchsten Bildungsabschluss gebracht hat.

    Man muss sich nicht mit Studien beschäftigen um im internationalen Vergleich zu sehen: die Bescheinigung höchster Bildungsabschlüsse macht ein Volk nicht zu einer Ansammlung geistiger Überflieger.

    • Stefan Sasse 8. März 2023, 18:47

      Deine Fähigkeit, Ressentiments im Dutzend billiger abzuladen, ist beeindruckend.

  • Stefan Pietsch 8. März 2023, 11:29

    2) Warum es nicht gelingt, höhere Steuern für Reiche durchzusetzen (Interview mit Paul Marx, Achim Truger, Helena Vitt und Florian Fastenrath)

    Hat Deutschland einen Mangel an hohen Steuern? Klar, für jemanden, der darüber nachdenken muss, ob eine Teilung des erwirtschafteten Einkommens zwischen Bürger und Staat im Verhältnis 1:2 fair ist, können Steuern nicht hoch genug sein. Und ja, leider haben die meisten das Gefühl verloren, was sie eigentlich verdienen und eigentlich haben könnten, wenn sie nur auf die unterste Zeile ihrer Gehaltsabrechnung schauen. Sie wissen nicht – und sind damit so borniert wie sie es Amerikanern immer unterstellen – dass in fast jedem Land der Welt mehr Netto vom Brutto verbleibt. Dafür bekommt man dann Sicherheitsorgane, die nicht schützen, Schulen, die keine Bildung vermitteln, heruntergekommene Sozialwohnungen, abgespeckte Renten und Eisenbahnen, die nicht fahren. Klingt nicht nach einem guten Deal.

    Weil jeder, der nur etwas hat, viel Steuern zahlt, wissen die Leute auch: jede Steuererhöhung macht bei ihnen Halt.

    Immerhin, etwas hat man nach diesem Artikel gelernt: Beamte in der Finanzverwaltung sind grundsätzlich CDU-/ FDP-Anhänger, wenn sie sich gegen Vermögensteuern aussprechen und einer Vereinfachung des Steuersystems das Wort reden.

    • Erwin Gabriel 9. März 2023, 13:27

      @ Stefan Pietsch 8. März 2023, 11:29
      2) Warum es nicht gelingt, höhere Steuern für Reiche durchzusetzen

      Hat Deutschland einen Mangel an hohen Steuern? Klar, für jemanden, der darüber nachdenken muss, ob eine Teilung des erwirtschafteten Einkommens zwischen Bürger und Staat im Verhältnis 1:2 fair ist, können Steuern nicht hoch genug sein.

      Ich arbeite in erster Linie für mich und meine Familie, und der Staat will davon etwas abhaben. Ich lese aber immer wieder Kommentare, die darauf hinauslaufen, dass es meine Hauptaufgabe sei, den Staat zu versorgen, und ich mit der Höhe der Steuern und Abgaben schon deswegen zufrieden sein müsse, weil es Leute gibt, die weniger haben. Aber keiner dieser Leute stellt ernsthaft die Frage nach der Sinnhaftigkeit, geschweige denn nach der Effizienz der Ausgaben.

      Das ist für mich dann wieder die Bestätigung, dass es in erster Linie nicht um Hilfe und Unterstützung für Bedürftige, sondern ums neidgetrieben Wegnehmen geht.

      • CitizenK 9. März 2023, 17:29

        Hab mal das KI-Orakel befragt.
        Got this reply: By raising taxes on the wealthy, we can ensure that everyone has access to the same basic resources, such as education and healthcare. We can also ensure that our public services are adequately funded, so that everyone can benefit from them. It is also important to note that the wealthy have the resources to pay taxes without feeling the burden in the same way that lower income people do.
        😉

        • Stefan Pietsch 9. März 2023, 23:40

          … bezogen auf die USA in der Pandemie. Hey, ich nehme sofort (!) die Steuersätze der USA. Deal!

      • Stefan Sasse 10. März 2023, 09:04

        Ich behaupte sicher nicht, dass es die Hauptaufgabe von irgendwem sei, „den Staat zu versorgen“.

        • Erwin Gabriel 11. März 2023, 16:27

          @ Stefan Sasse 10. März 2023, 09:04

          Ich behaupte sicher nicht, dass es die Hauptaufgabe von irgendwem sei, „den Staat zu versorgen“.

          Du hast vielleicht noch keinen entsprechenden Aufruf verfasst, aber das ist das einzige, was noch fehlt.

          Auch Du bist ein Verfechter von Steuererhöhungen, ohne zu überlegen, welchen Sinn das angesichts einer solchen Bürokratie überhaupt macht. Letztendlich stellst (nicht nur) Du mit Deinen Forderungen dem Staat einen Freibrief aus, verschwenderisch bzw. uneffektiv zu sein.

      • Ralf 12. März 2023, 02:14

        und der Staat will davon etwas abhaben

        Der Staat will überhaupt nichts. Einer sachlichen Debatte ist es nicht dienlich, wenn man gesellschaftliche Strukturen anthropomorphisiert.

        Der Staat bist unter anderem Du und Deine Familie und die Community um Dich herum. Das, was Du als “Willen” misinterpretierst, sind die Gemeinschaftsregeln, auf die wir, die wir wählen gehen, uns demokratisch geeinigt haben.

        • Stefan Pietsch 12. März 2023, 08:52

          Das ist eine auf der linken politischen Seite beliebte, dennoch völlige Missinterpretation des Staates. Wesentliche Aufgaben sind weder demokratisch festgelegt worden noch unterliegen sie parlamentarischer Kontrolle.

          Schon die Verfassung dieses Landes wurde von einem kleinen Gremium entworfen. Darin sind die Grundrechte und die Organisation des Staates nebst der Steuerhoheit festgelegt. Dass die gemeinsame Verfassung nie dem Volk zur Abstimmung vorgelegt wurde, sahen auch Linke bis 1990 und noch darüber hinaus als einen gravierenden Mangel. Man war auch auf der linken politischen Seite der Ansicht, dem Volk müsse eine gemeinsame Verfassung zur Abstimmung vorgelegt werden. Inzwischen ist man jedoch auf der linken politischen Seite mehrheitlich der Ansicht, dass selbst die Verlagerung von wesentlichen Rechten des Deutschen Bundestages wie der Erhebung von Steuern ohne direkte Befragung der Bürger durchgeführt werden sollte.

          Die Grundrechte sind der Wesenskern der Abgrenzung zwischen Bürger und Staat. Schon darin liegt die Erklärung, dass wir niemals eins mit dem Staat sein können. Staat und Bürger sind Gegensatzpaare mit in der Sache liegenden gegensätzlichen Interessen. Die Pandemie hat dies überdeutlich gezeigt, auch der moderne Staat und seine Bürokratie haben ein großes Interesse, wesentliche, naturgegebene Rechte des Bürgers einzuschränken und zu behindern.

          Die Begründung ist, wie schon zu Kaiser Wilhelms Zeiten: Es geschieht ja zu unser aller Wohl. Linke machen sich das heute besonders gern zu eigen, Ironie der Geschichte. Doch auch bezüglich Corona zeigt sich: die meisten Übergriffe des Staates waren unnötig oder zu viel. Wenn Sie zu viel oder zu wenig essen, ist das Ihre Sache. Wenn ich mich von lieben Personen nicht verabschieden oder sie lange nicht sehen kann, weil der Staat aus irgendeinem irren Schutzverständnis das untersagt, ist das keine Lappalie!

          Nach allgemeinem Verständnis hat der Staat bestimmte Leistungen bereit zu stellen. Da gehen auch Liberale mit. Nur, weder wendet der Staat dafür den wesentlichen Teil seiner Mittel auf noch tut er dies gut und in ausreichendem Umfang. Einen Dienstleister lasse ich so lange antanzen, bis er das Bad richtig und wie vereinbart gefliest hat. Und zahle keinen Cent mehr. Wenn der Staat eine Straße nicht ausbessert, muss man Jahrzehnte auf die Reparatur warten. So würde ich selbst nicht handeln und so würde ich es Vertragspartnern niemals durchgehen lassen.

          Staat und Bürger sind nicht eins! Dass ausgerechnet Linke sich die Argumentation von Anhängern der Monarchie zu eigen gemacht haben, zeigt, wie sehr sich die einstigen Revoluzzer der Geschichte verändert haben.

          • Ralf 12. März 2023, 12:30

            Gesetze und sogar die Verfassung können geändert werden, wenn die Parteien den politischen Willen dazu haben und die entsprechenden demokratischen Mehrheiten vorhanden sind. Es ist Ihr Pech, dass es zu Änderungen in Ihrem Sinne weder den politischen Willen bei den Parteien noch im Volk demokratische Mehrheiten gibt.

            • CitizenK 12. März 2023, 13:41

              In der bei Neo-Liberalen beliebten Gleichsetzung des Staates mit einem „Dienstleister“ zeigt sich das Elend dieses Staatsverständnisses. Bourgeois, nicht Citoyen.

              • Ralf 12. März 2023, 13:52

                Ja. Guter Punkt.

              • Stefan Pietsch 12. März 2023, 14:32

                Schlimm, wenn er nicht einmal das ist. Es gibt wohl kein Volk, dass sich so mit seinem Staat identifiziert, wie wir Deutschen. Das ist aber nur eine weitere Absonderlichkeit dieser Nation.

                Ich habe nur aus einem einzigen Grund Bereitschaft, Steuern zu zahlen – und das ist auch der einzige Grund, warum der Staat verfassungsrechtlich Steuern erheben darf: Damit er Leistungen bereitstellt. Jemand, der Leistungen bereitstellt, ist ein Dienstleister, egal wie sehr Sie ihn lieben. Eine Prostituierte bleibt auch dann eine Käufliche, wenn Sie sich in sie verlieben.

              • Thorsten Haupts 13. März 2023, 10:00

                Prima, dann skizzieren Sie doch bitte in wenigen Sätzen IHR Verständnis von Staat. Stefan P hat eine konsistente Position, die ich übrigens explizit nicht teile, in wenigen Sätzen erläutert. Also, wie sieht Ihr Gegenentwurf aus?

                Gruss,
                Thorsten Haupts

                • CitizenK 13. März 2023, 12:05

                  Zunächst die negative Abgrenzung: Zu einem Dienstleister besteht ein Vertragsverhältnis auf Augenhöhe. Ich muss es nicht eingehen und wenn, kann ich ihm kündigen. Schon gar nicht bin ich ein Teil des Dienstleisters. Beim Staat schon.
                  Mein Staatsverständnis beruht – wie letztlich auch das unserer Verfassung – auf den Ideen eines -natürlich fiktiven – Gesellschaftsvertrags. Von Hobbes/Locke/Rousseau/die Gründerväter der USA („We, the people…“ über 1848/1919/1949.
                  Der Staat ist ein Gemeinwesen, mein Verhältnis zu ihm hat jedenfalls mehr Ähnlichkeiten mit einem Verein als mit dem zu einem Handwerker (dem Bad-Installateur von Stefan P., dessen Vergleich mit einer Prostituierten für sich spricht).
                  Dass dieser Verein nicht immer gut geführt wird, steht dem nicht entgegen.
                  Auch nicht die Idee der Grundrechte, die gegen Übergriffe der Organe schützen.

                  Auch nicht, dass ich nicht unmittelbar die Regeln bestimmen kann, das geht auch bei einem großen Verein nur über Delegierte und Institutionen.

                  • Thorsten Haupts 13. März 2023, 13:25

                    Der berühmte fiktive Gesellschaftsvertrag 🙂 . Bin leise amüsiert, habe das nämlich auch mal geglaubt. Was dagegen spricht:

                    – Die Unmöglichkeit, die Vertragspartner konkret zu benennen
                    – Der Unwille, diesen Gesellschaftsvertrag explizit zu machen, was heute über einmal pro Generation angesetzte Abstimmungen ganz einfach wäre
                    – Die Unmöglichkeit, den Vertrag individuell zu kündigen. Inuwischen absolut, das es auf der Erde kein „freies“ Territorium mehr gibt, man also nur einen fiktiven durch einen anderen (ähnlichen) fiktiven Vertrag ersetzen kann
                    – Die automatische Vererbung einer einmal erteilten „Zustimmung“ über viele Generationen

                    Und damit habe ich nur die klaffend offenkundigen Schwachstellen benannt.

                    Für mich ist der fiktive Gesellschaftsvertrag inzwischen nur noch eine intellektuell sehr dünne Spielerei. Nett für die, die nicht weiter drüber nachdenken.

                    Stefan Ps Position „Staat als Dienstleister“ ist deutlich konkreter und ebenso deutlich konsistenter.

                    Gruss,
                    Thorsten Haupts

                    • CitizenK 13. März 2023, 15:50

                      Konsistent wäre dann, dem Dienstleister zu kündigen und in die Wildnis zu gehen wie weiland Emerson.

                    • Stefan Sasse 14. März 2023, 08:02

                      Das ist auf dem Niveau einer Erstsemesterdiskussion, sorry. „So deep, bro!“

                    • Thorsten Haupts 15. März 2023, 15:26

                      Voll die argumentative Widerlegung, Bro.

              • Erwin Gabriel 13. März 2023, 11:06

                @ CitizenK 12. März 2023, 13:41

                In der bei Neo-Liberalen beliebten Gleichsetzung des Staates mit einem „Dienstleister“ zeigt sich das Elend dieses Staatsverständnisses. Bourgeois, nicht Citoyen.

                „Elend“ also – wieder mal diese Mischung aus linker Arroganz und Ignoranz. Andere Sichten werden nicht dadurch entkräftet, dass Du sie beleidigst, sondern durch Argumente, die Die einmal mehr nicht lieferst.

                Ich halte wie Stefan Pietsch unseren Staat durchaus für eine Art Dienstleister. Es gibt hoheitliche Aufgaben, zu denen der Staat verpflichtet ist, die Regeln unterliegen, die ich einklagen kann.

                Dass ich das so sehe (soll heißen, dass es mal anders war), liegt am Staat selbst, der seine „Pflichten“ mehr und mehr ausweitet und immer stärker, Dienste leistend, in das Leben der Bürger:innen eingreift. Diese Sicht impliziert, dass der Staat ein stückweit mir gegenüber rechenschaftspflichtig ist, genauso, wie ich dem Staat gegenüber ein stückweit rechenschaftspflichtig bin (Steuern, Einhaltung von Gesetzen etc.). Beschreibt das nicht das Verhältnis von Dienstleister und Kunde?

                Wo siehst Du das anders?

                • CitizenK 13. März 2023, 13:16

                  Einen Teil hab ich bei Thorsten H. beantwortet, einen anderen hat Ralf übernommen (Probleme der repräsentativen Demokratie).
                  Für den Erhalt der Demokratie finde ich es wichtig, dass sich die Bürger als Teil, als Akteure empfinden, nicht als Gegenspieler. Die überzogene Staats-Aversion ist in anderen Staaten berechtigt, bei uns eher nicht. Wenn wir Schurkenstaaten und Diktaturen außen vor lassen, bleibt vielleicht ein Dutzend Staaten, bei denen es besser läuft.
                  Ich will auch einen effektiveren Staat. Wie die Skandinavier zeigen, geht das auch, ohne ihn in der Badewanne zu ersäufen.

                  • Erwin Gabriel 13. März 2023, 16:06

                    @ CitizenK 13. März 2023, 13:16

                    Einen Teil hab ich bei Thorsten H. beantwortet, einen anderen hat Ralf übernommen (Probleme der repräsentativen Demokratie).

                    Was soll ich dazu sagen? Dazu haben sich Stefan P. und Thorsten H. schon klar ausgedrückt.

                    Für den Erhalt der Demokratie finde ich es wichtig, dass sich die Bürger als Teil, als Akteure empfinden, nicht als Gegenspieler.

                    Aus meiner Wahrnehmung nach der falsche Ansatz; umgekehrt wird deutlich eher ein Schuh draus. Der Staat darf nicht jede Entscheidung treffen, die er mag, während ich das mitzutragen habe.

                    Im Gegenteil: Er muss sich erklären, muss mich überzeugen, damit ich die Entscheidungen mittrage.

                    Nicht falsch verstehen: Ich bin nicht gegen den Staat, und trage durchaus Vieles mit. Vieles wiederum nicht; das gilt in erster Linie für die vielen Entscheidungen, die getroffen wurden, als man keine Entscheidungen traf (Zustand Pflege-, Gesundheits-, Bildungssystem, Infrastruktur) oder die man bewusst traf, und negative Folgen unter Täuschen der Bevölkerung verschwieg (EU-Zinspolitik, Bundeswehr, Zuwanderung, Maut).

                    Wenn Du nicht das Gefühl hast, hier seit Jahren kräftig verarscht worden zu sein, dann möchte ich gerne Dein nächster Versicherungsberater werden.

                    • CitizenK 14. März 2023, 14:56

                      Du diskriminierst gerade einen Leistungsträger und stellst ihn unter Generalverdacht;-)
                      „Verarscht“ wäre überzeugender, käme es nicht von jemand, der sonst den autonomen Bürger postuliert, der immer besser weiß, was für ihn gut ist, als der Staat.

            • Stefan Pietsch 12. März 2023, 14:28

              Sie ignorieren Ihre eigene These. Ihre Behauptung war, wir seien der Staat, weil wir, natürlich mit Mehrheitsentscheidung, uns Regeln setzen.

              Das stimmt nicht. Die Grundrechte wurden von einem kleinen Gremium festgelegt und sie sind – anders als Sie behaupten – unveränderlich. Es gäbe sicher Mehrheiten, das Individualrecht auf Asyl abzuschaffen. Es ist aber mit noch so großen Mehrheiten nicht legalistisch möglich.

              Und unsere Verfassung ist ja bewusst so gestaltet, dass Regeln nur unter sehr schweren Bedingungen verändert werden können. Es ist eben keine Mehrheitsentscheidung.

              Sie selbst, und da widersprechen Sie sich, haben vor Wochen angemerkt, dass die Politik ja oft eben nicht dem Mehrheitswillen folgt. Was ich prinzipiell richtig finde, war für Sie Anlass zu genereller Kritik.

              Politiker werden auf Zeit gewählt. Sie werden dafür gewählt, die Sache des Volkes zu regeln. Das sind Dinge (res), welche der Einzelne nicht selbst regeln kann. Ich kann z.B. nicht den Bau einer Autobahn initiieren, noch planen, beauftragen oder bauen. Die Autobahn gehört mir aber am Ende nicht, ich habe kein irgendwie geartetes Eigentumsrecht an ihr. Das wäre aber notwendig, damit Ihre These irgendeinen Sinn hätte.

              Damit werden Bürger und Staat aber nicht eins. Und das ist mein entscheidendes Gegenargument, das Sie der Einfachheit ignorieren. Wenn Sie Erwin Gabriel den Vorwurf machen, sein Diskussionsstil sei einer Debatte nicht förderlich – Ignoranz des anderen ist auf jeden Fall schädlich.

              • Ralf 12. März 2023, 14:54

                Erwin Gabriel stört sich meinem Lesen nach am Steuerrecht, nicht an Grund- und Menschenrechten.

                Wenn Sie Grund- und Menschenrechte abschaffen wollen, haben Sie in der BRD in der Tat ein politisches Problem. Und ich füge an: Das ist auch gut so.

                • Stefan Pietsch 12. März 2023, 18:37

                  Nein, Erwin stört sich daran, nichts Adäquates für sein Geld („Dienstleistung“) für sein Geld zu bekommen, aber ständig mit Forderungen nach noch höheren Steuern konfrontiert zu werden.

                  Ich arbeite in erster Linie für mich und meine Familie, und der Staat will davon etwas abhaben. (..) Aber keiner dieser Leute stellt ernsthaft die Frage nach der Sinnhaftigkeit, geschweige denn nach der Effizienz der Ausgaben.

                  Ich schreibe nicht, dass ich die Grundrechte abschaffen will. Woher haben Sie da?! Ich schreibe, dass sie anders als von Ihnen behauptet, nicht demokratisch festgelegt wurden.

                  Was ich befremdlich finde: Sie verteidigen weder Ihre These noch setzen Sie sich mit meiner Argumentation auseinander.

                  Ich finde auch die Überhöhung des Demokratieprinzips befremdlich. Laut unserer Verfassung ist das Demokratie- wie Rechtsstaatsprinzip die Grundlage für staatliche Entscheidungen. Sie werden demokratisch und nach rechtsstaatlichen Regeln getroffen. Mehr sagt das nicht. Dadurch wird der Bürger nicht Teil des Staates, wie Sie behaupten.

                  Das Demokratieprinzip gilt nicht nur für die Zusammensetzung des Parlaments, das durch Wahlen bestimmt wird. Es gilt auch für alle innerstaatlichen Entscheidungen, bei denen der Bürger eben nicht beteiligt ist. Gesetze und der Haushalt müssen mit Mehrheit entschieden werden, ebenso die Bestimmung der Besetzung von Organen, Behördenleitungen usw.

                  Das Demokratieprinzip macht den Bürger nicht zum Beteiligten des Staates. So steht es weder im Grundgesetz noch ist es so gemeint.

                  • Ralf 12. März 2023, 18:39

                    Dadurch wird der Bürger nicht Teil des Staates, wie Sie behaupten.

                    Ich behaupte nicht, dass der Bürger Teil des Staates wird. Ich behaupte, dass wir Bürger der Staat sind.

                    • Stefan Pietsch 12. März 2023, 19:13

                      Jetzt sind wir im Bereich der Wortklauberei und da macht es keinen Spaß mehr.

                      Sie meinen, die Summe aller Bürger sei der Staat. Ich als einzelner Bürger bin ein Teil aller Bürger. Aber ich sehe, Sie haben keine Lust, Ihre Position weiter zu begründen und sich auseinanderzusetzen, daher Punkt hier.

                    • Erwin Gabriel 13. März 2023, 11:16

                      @ Ralf 12. März 2023, 18:39

                      Ich behaupte nicht, dass der Bürger Teil des Staates wird. Ich behaupte, dass wir Bürger der Staat sind.

                      Grundgesetz, Artikel 1, Absatz 3:
                      Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

                      Die Grundrechte schränkten den Staat ein zum Schutz der Bürger:innen.

                    • Stefan Sasse 14. März 2023, 08:00

                      Korrekt. Was im Übrigen auch das Gejammer über „Meinungsfreiheit“ so albern macht, wenn Unternehmen oder Privatpersonen eine Meinung nicht haben wollen. Auch das scheint man so oft erklären zu können, wie man will.

                    • Ralf 13. März 2023, 12:24

                      Die Grundrechte geben die Leitplanken vor für das Miteinander in unserer Gesellschaft.

                    • Stefan Sasse 14. März 2023, 08:01

                      Nein, sie sind Abwehrrechte der Bürger*innen gegen den Staat. Das Miteinander der Gesellschaft regelt das BGB.

                  • Erwin Gabriel 13. März 2023, 16:19

                    @ Ralf 13. März 2023, 12:24

                    Die Grundrechte geben die Leitplanken vor für das Miteinander in unserer Gesellschaft.

                    🙂

                    Treffen sich zwei Psychiater zu Zeiten des Dritten Reiches. Begrüßt der eine den anderen mit „Heil Hitler“. Antwortet der andere „Heil ihn doch selbst“.

                    So ein platter Scherz hätte Dir in den späten 30er- oder frühen 40er-Jahren des letzten Jahrhunderts den Tod gebracht. Deshalb stehen im Grundgesetz Sätze zur unantastbaren Würde des Menschen, der Versammlungs- oder Meinungsfreiheit.

                    Ist das Recht auf Asyl eine Leitplanke für das Leben von uns Bürgern miteinander, oder eine Verpflichtung des Staates?

                    • Ralf 13. März 2023, 16:35

                      Deshalb stehen im Grundgesetz Sätze zur unantastbaren Würde des Menschen, der Versammlungs- oder Meinungsfreiheit.

                      Das ist ein Mythos. Was uns vom Hitler-Regime unterscheidet, ist nicht ein netter Satz in der Verfassung, sondern das Regime selbst. Hätte derselbe Satz in der Weimarer Verfassung gestanden, hätte Hitler ihn ignoriert, genauso wie er viele andere Sätze in der damaligen Verfassung ignoriert hat.

                      Das Grundgesetz gibt uns symbolische Leitplanken. Was die Gesellschaft daraus macht, ist eine völlig andere Frage. Und im Zweifel schützt eine Verfassung niemanden.

                    • Stefan Sasse 14. März 2023, 08:53

                      Jein. Natürlich schützt die Verfassung nicht, wenn sie jemand mit Gewalt beseitigt. Aber gerade deswegen gilt sie ja unter der Prämisse des Rechsstaats, alles andere macht ja keinen Sinn.

                    • Ralf 14. März 2023, 09:09

                      Dein Argument ist zirkulär: Die Verfassung schützt den Bürger gegen den Staat. Aber nur unter Bedingungen, unter denen dem Bürger vom Staat keine Gefahr droht.

                    • Stefan Sasse 14. März 2023, 10:41

                      Nein, das ist nicht korrekt. Mir droht vom Staat jederzeit Gefahr, denn der Staat hat das Gewaltmonopol. Die Exekutive kann mich willkürlich jederzeit treffen, wenn sie nicht in Schranken gehalten wird.

                    • Ralf 14. März 2023, 12:03

                      Die Exekutive ist an Gesetze gebunden, solange sie nicht willkürlich ist. In dem Augenblick, in dem die Exekutive willkürlich wird und bereit ist ihr Gewaltmonopol zu missbrauchen, schützen Dich auch Gesetze (oder die Verfassung) nicht mehr.

                      Das ist genauso wie beim Geld. Der intrinsische Wert einer Banknote ist null. Es ist ein wertloses Stück Papier. Der praktische Wert entsteht erst dadurch, dass alle relevanten Player an den Wert glauben.

                    • Stefan Sasse 14. März 2023, 13:02

                      Klar. Aber wir sind in einem System, in dem die Exekutive normativ an Gesetze gebunden ist. Und deswegen schützen sie uns auch. Gäbe es die Gesetze nicht, wäre die Regierung ja an nichts gebunden.

                    • Ralf 14. März 2023, 13:32

                      Sicher. Ich argumentiere ja auch nicht für die Abschaffung der Verfassung (oder der Gesetze). Mein Argument ist, dass die Verfassung halt symbolische Leitplanken einzieht. Sie gibt einen Rahmen vor, der unser Zusammenleben regelt. Ihr Nutzen ist unbestritten in einem Umfeld, in dem alle relevanten Player sie nicht nur juristisch achten, sondern ihren Geist teilen. In dem Augenblick, in dem letzteres nicht mehr gegeben ist, wird die Verfassung wertlos. Sie wird dann entweder abgeschafft, ignoriert oder so verzerrt interpretiert, dass sie ihre Funktion nicht mehr erfüllt. Deshalb kann eine Verfassung niemals Bollwerk gegen Extremisten sein.

                    • Stefan Sasse 14. März 2023, 17:52

                      Da haben wir keinen Dissens.

                    • Thorsten Haupts 14. März 2023, 17:05

                      @Ralf: Korrekt.

                • Erwin Gabriel 13. März 2023, 11:26

                  @ Ralf 12. März 2023, 14:54

                  Erwin Gabriel stört sich meinem Lesen nach am Steuerrecht, nicht an Grund- und Menschenrechten.

                  Dann hast Du mich nicht richtig verstanden. Ich sehe die Notwendigkeit, Steuern zu zahlen, durchaus ein.

                  Mich stört aber das Selbstverständnis, mit dem der Staat trotz erheblich „natürlich“ steigender Steuereinnahmen den Hals nicht vollkriegt. Und mich stört, dass der Staat bei (oft genug selbst verursachtem) steigenden Finanzbedarf nie auf die Idee kommt, bei sich selbst zu sparen oder die Bürokratieeffizienz zu erhöhen.

                  Wenn Sie Grund- und Menschenrechte abschaffen wollen, …

                  Was soll das denn jetzt? Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Es gibt genügend Staaten mit niedrigeren Steuersätzen, die Grund- und Menschrechte einhalten; es gibt genügend Staaten, die Grund-und Menschenrechte nicht einhalten, aber Steuern erheben.

                  • Ralf 13. März 2023, 12:29

                    Das habe ich doch geschrieben. Du bist mit der gegenwärtigen Ausprägung des Steuerrechts nicht einverstanden und würdest Dir eine Anpassung in Deinem Sinne wünschen. Das heißt ja nicht, dass Du Steuern grundsätzlich abschaffen willst.

                    Was ich hingegen bei Dir garnicht sehe, ist dass Du Grundrechte abschaffen oder einschränken möchtest. Dass hatte Kollege Pietsch suggeriert und das habe ich entsprechend zurückgewiesen.

                    • Erwin Gabriel 13. März 2023, 16:26

                      @ Ralf 13. März 2023, 12:29

                      Das habe ich doch geschrieben.

                      Nein.

                      <Du bist mit der gegenwärtigen Ausprägung des Steuerrechts nicht einverstanden und würdest Dir eine Anpassung in Deinem Sinne wünschen.

                      Nein. Ich bin nicht mit der Attitüde des Staates einverstanden, über mein Einkommen verfügen zu wollen, als hätte er einen Anspruch darauf.

                      Über Summen oder aktuelle Ausprägungen des Steuerrechts habe ich mich nicht geäußert, nur über diesen arroganten Anspruch des Staates (der von vielen mitgetragen wird, die von anderen Entscheidungen verlangen, die sie selbst nicht betreffen).

                      Ich wehre mich gegen die Arroganz des Staates, anderen ein bestimmtes verhalten vorzuschreiben, ohne selbst die mindesten auch nur die geringsten Grundregeln einzuhalten.

                      Was ich hingegen bei Dir gar nicht sehe, ist dass Du Grundrechte abschaffen oder einschränken möchtest. Dass hatte Kollege Pietsch suggeriert …

                      Hatte er nicht (jedenfalls nicht meiner Wahrnehmung nach).

                    • Ralf 13. März 2023, 16:55

                      Hatte er nicht (jedenfalls nicht meiner Wahrnehmung nach)

                      Keine Ahnung wie man eine Kritik an der Unveränderlichkeit der Grundrechte sonst noch deuten kann, aber ok …

                      Ich bin nicht mit der Attitüde des Staates einverstanden, über mein Einkommen verfügen zu wollen, als hätte er einen Anspruch darauf.

                      Hmmm … Du bist also nicht gegen Steuern oder gegen das Steuerrecht, hast aber ein Problem mit der Attitüde des Staates Steuern zu erheben.

                    • Stefan Pietsch 13. März 2023, 17:03

                      Ich schreibe nicht, dass ich die Grundrechte abschaffen will. Woher haben Sie da?! Ich schreibe, dass sie anders als von Ihnen behauptet, nicht demokratisch festgelegt wurden.

                      Wo sehen Sie da Kritik an der Unveränderlichkeit der Grundrechte?! Sie stellen eine Behauptung auf, mit der Sie begründen, warum wir alle der Staat seien. Dann erweist sich die Behauptung als falsch. Daraus wird dann etwas Absurdes, ich hätte Kritik an den Grundrechten geübt.

            • Erwin Gabriel 13. März 2023, 10:54

              @ Ralf 12. März 2023, 12:30

              Gesetze und sogar die Verfassung können geändert werden, wenn die Parteien den politischen Willen dazu haben und die entsprechenden demokratischen Mehrheiten vorhanden sind.

              Ja, und?

              Welche „großen“ Entscheidungen der letzten Jahrzehnte wurde unter Einbeziehung der breiten Wählermeinung getroffen?

              Die Abgabe maßgeblicher Verantwortung und Entscheidungsbefugnisse an die EU? Die Sparvermögen- und Renten-entwertende Niedrigzinspolitik? Die Zerlegung der Bundeswehr? Die Vernachlässigung von Bildung, Pflege, Infrastruktur? Nichts davon wurde „demokratisch“ diskutiert oder gar entschieden.

              Der Ablauf ist:
              – Ich wähle einen direkten Kandidaten und eine Partei. Die Direkt-Kandidat:innen werden genauso von der Partei bestimmt wie der Indirekt-Kandidat:innen, die über die Landesliste in den Bundestag einrücken. Dort entscheiden diese Abgeordneten in der Regel nach Fraktionszwang bzw. Parteivorgaben.
              – Parteien bilden eine Regierung. Alle vorgelegten Gesetzesentwürfe entsprechen ausschließlich den Interessenlagen der beteiligten Parteien; da, wo sich eine Partei gegenüber einer anderen durchsetzt, muss sie bei einer anderen Gelegenheit Abstriche machen.

              Nun höre ich immer wieder, dass ich, wenn ich etwas ändern soll, selbst aktiv in die Politik gehen muss. Dazu eine Zahl: Wir haben in Deutschland etwa 60 Millionen Wahlberechtigte. Wenn davon nur 0,1 Prozent politisch so engagiert sind, dass sie aktiv mitgestalten wollen (ich denke, dass es spürbar mehr sind), hätten wir immer noch 60.000 Kandidaten für den Bundestag.

              Die Chancen, außerhalb des vorhandenen Parteiensystems sich politisch engagieren zu können, sind so gering, dass ich meine Zeit lieber dafür aufbringe, meine Familie zu ernähren. Dass ich mich deshalb mit allem klaglos abzufinden habe, was ohne mein Mitwirken geschieht, ist eine alberne Vorstellung.

              • Ralf 13. März 2023, 12:21

                Was Du ansprichst, sind die praktischen Probleme, die die repräsentative Demokratie mit sich bringt. Die leugne ich nicht. Und Du hast da sicherlich einen Punkt. Die Situation ist allerdings die, dass all diese Entscheidungen, die Du als “gegen den Bürgerwillen” getroffen interpretierst – wobei in der Praxis in der Regel unklar ist, was die Bürger eigentlich “wirklich” wollen – eben scheinbar nicht ausreichend wichtig waren, dass sie das Momentum aufgenommen hätten politische Entscheidungen zu beeinflussen. Mit anderen Worten: Wären den Wählern diese Dinge wirklich wichtig gewesen, hätten sie mehr Druck machen können (sie hätten z.B. ihre Abgeordneten angerufen oder wären in großer Zahl demonstrieren gegangen). Wenn die politischen Vertreter diesen Druck verspürt hätten, wären zumindest einige auf einen alternativen Kurs eingeschwenkt. Denn die wollen ja wiedergewählt werden. Und wären diese Themen den Bürgern so wichtig, dass sie wahlentscheidend würden, dann würde ein Beharren auf unpopulären Entscheidungen eben zur Abwahl der Regierung führen.

                Was wir aber sehen ist das Gegenteil. Angela Merkel ist viermal hintereinander gewählt worden. Und bei der “fünften Wahl” sind die SPD (ihr ehemaliger Koalitionspartner) und die CDU (die ehemalige Kanzlerpartei) die stärksten Parteien geworden – Olaf Scholz nicht nur implizit, sondern explizit mit der Botschaft, die “neue Merkel” zu sein. Das sieht mir nicht so aus, als ob die Wähler/Bürger mit den Entscheidungen und politischen Entwicklungen der vergangenen Jahre unglücklich wären. Und das schließt auch das Steuerrecht ein. Die einzige Partei, die sich für ein Steuerrecht einsetzt, das eher entlang Deiner politischen Präferenzen läuft, fliegt derzeit übrigens gerade aus einem Landtag nach dem anderen. Und das obwohl es deren Hauptthema ist. Auch das ermutigt mich nicht zu glauben, dass es in der Bevölkerung ein starkes Gefühl gäbe, wir benötigten dringen eine lautere Stimme für Steuersenkungen …

                • Thorsten Haupts 13. März 2023, 14:00

                  Völlig korrekt, mit nur einer Einschränkung – es gab niemals zuvor einen Regierungschef, der von grossen Teilen der deutschen Medien (alle linksliberalen plus der gesamte ÖRR) derartig unkritisch behandelt wurde, wie Angela Merkel. Hat der Kenntnis über die tatsächlichen Defizite des deutschen Gemeinwesens nicht gut getan – ich erinnere mich an Tims Seufzer vor kurzem, er hätte sich einfach nicht vorstellen können, dass man eine Institution wie die Bundeswehr systematisch ruinieren kann.

                  Gruss,
                  Thorsten Haupts

                  • Ralf 13. März 2023, 14:13

                    Das wäre ein überzeugendes Argument, wenn nicht zuvor schon Helmut Kohl, den die Medien zwei Jahrzehnte lang als saumagenverfressene, minderintelligente Birne diffamiert haben, ebenfalls viermal wiedergewählt worden wäre. Dieselben Medien übrigens, die zur Hochzeit des Neoliberalismus unisono pro-Schröder und seine Reformen waren. Schröder wurde dann ja bekanntlich abgewählt. Ich deute das nicht als Hinweis für die Allmacht der Medien …

                    • Stefan Sasse 14. März 2023, 08:47

                      Das ist auch ein blödsinniges Narrativ.

                  • Stefan Sasse 14. März 2023, 08:05

                    So nicht korrekt. Merkel wurde von rechts sehr unkritisch behandelt, bis sie gegen rechte Glaubenssätze verstieß, und in der Zeit von links sehr kritisich betrachtet. Das ist geflippt in ihrer Regierungszeit. Ansonsten stimme ich dir aber zu. Merkel ist ein Phänomen, und kein gutes.

                • Erwin Gabriel 13. März 2023, 16:50

                  @ Ralf 13. März 2023, 12:21

                  Wären den Wählern diese Dinge wirklich wichtig gewesen, …

                  Das Einzige, was Kanzlerin Merkel (nach vier Jahren ständiger Vorankündigungen im Fernsehen) zur unvorbereiteten Aufnahme von 2 Millionen Flüchtlingen einfiel, war der Satz „wir schaffen das“. Innenminister Thomas de Maizère hatte damals als „Problemlösung“ zwar 2.000 neue Stellen fürs Ministerium genehmigt, sich aber nicht gefragt, wo die herkommen und wie die ausgebildet werden sollen (Helmut Kohl hatte sich beim Thema Einheit noch ein stückweit aus dem Beamtenbestand der Republik bedient). Man hat, um (nicht nur die eigenen) Staatsfinanzen zu sanieren, ein Jahrzehnt Nullzinspolitik betrieben in dem Wissen, dass Aktienkurse und Immobilienpreise explodieren werden, während Renten und Ersparnisse der „kleineren Leute“ den Bach runtergehen.
                  Hat das die Wähler nicht interessiert, oder hat man Ihnen mögliche Folgen einfach verschwiegen?

                  Angela Merkel ist viermal hintereinander gewählt worden.
                  Vermutung meinerseits: Nicht, weil sie den Leuten erklärt hat, was sie wusste, sondern weil sie es bewusst verschwieg oder bewusst falsch darstellte.

                  Die einzige Partei, die sich für ein Steuerrecht einsetzt, das eher entlang Deiner politischen Präferenzen läuft, fliegt derzeit übrigens gerade aus einem Landtag nach dem anderen.

                  Ja, ich weiß. Sie fliegt aber nicht raus, weil sie Steuererhöhungen verweigert, sondern weil der Rest der Bande so tut, als ließe sich die Welt retten, wenn man nur „die Reichen“ „ein wenig stärker“ zur Kasse bitten würde. Das ist ideologische Propaganda, nicht mehr. Würden die Grünen offen sagen, welche Konsequenzen ihre Wunschpolitik für jeden einzelnen hat, würden sie aus den Parlamenten fliegen.

                  Es tut mir immer wieder weh, wenn ich Leute wie Dich oder Citizen sehe, die sich, getrieben von ihrem Wunschdenken und ihrem beneidenswerten Idealismus, so sehr von der Realität entfernen.

                  Es geht nicht um die Höhe der Steuern, sondern darum, wieviel Geld für welche Projekte zur Verfügung steht. Und wenn es möglich ist, für Projekte mehr Geld auszugeben, indem man effizienter arbeitet, sollte das die erste Wahl sein, anstatt die Verschwendung auf ein neues Level zu heben.

                  Das in irgendeiner Form gegen dieses Vorgehen an-argumentiert wird, verstehe ich nicht.

                  • Ralf 13. März 2023, 17:04

                    Bei mir bist Du mit der Merkel-Kritik an der falschen Adresse. Ich habe bei allen vier Wahlen gegen sie gestimmt.

                    Ansonsten scheint Dein Problem zu sein, dass Deine politische Vision halt keine Mehrheit hat. Das ist verständlicherweise ärgerlich. So ging es mir jahrelang, während der Agenda-Hochzeit, als überall die neoliberalen Reformen hochgejubelt wurden. Entsprechend groß ist jetzt meine Schadenfreude. Aber Politik kommt und geht in Wellen. Das heißt irgendwann wird auch der schlanke Staat wieder populär werden. Also irgendwann, wenn Bankenkrise, Coronakrise, Klimakrise und Ukrainekrise, die alle nach einem starken schützenden Staat rufen, vergessen sind. Bis dahin wirst Du wohl leider damit leben müssen, dass die Mehrheit der Menschen nicht das will, was Du willst. So ist nun mal die Demokratie …

                    • Erwin Gabriel 14. März 2023, 00:39

                      @ Ralf 13. März 2023, 17:04

                      Bei mir bist Du mit der Merkel-Kritik an der falschen Adresse. Ich habe bei allen vier Wahlen gegen sie gestimmt.

                      Zielte auch nicht gegen Dich, sondern gegen Merkel.

                      Ansonsten scheint Dein Problem zu sein, dass Deine politische Vision halt keine Mehrheit hat.

                      Ich habe (nur als Beispiel) kein grundsätzliches Problem mit dem Abschalten von Atomkraft, Gas-, Kohle oder Ölkraftwerken. Ich habe kein grundsätzliches Probleme mit Stromerzeugung über Windräder oder Photovoltaik. Ich habe aber ein großes Problem damit, Atom, Gas, Kohle und Öl abschalten zu wollen, solange keine Windräder parat stehen (und das Genehmigungsverfahren für ein Windrad sechs Jahre dauert).

                      Ich habe weder ein Problem mit dem Auto noch damit, den Autoverkehr zu Lasten des öffentlichen Verkehrs auszubauen. Ich habe ein Problem damit, das Auto fast schon gewaltsam auszugrenzen, während man die Bahn vor die Wand fährt.

                      Ich habe kein Problem damit, die Grenzwerte für Wärme- oder Schalldämmung und Brandschutz hochzufahren und so das Bauen zu verteuern, aber damit, zeitgleich die Zinsen hochzufahren und die Zuschüsse zu streichen.

                      Ich habe auch kein Problem damit, Steuern zu zahlen, aber damit, dass mit der Begründung von zusätzlichen Leistungen ständig mehr Steuern gefordert werden, während die Grundleistungen von Bundeswehr über Infrastruktur bis Verwaltung) sich stetig verschlechtern.

                      Ich habe kein grundsätzliches Problem mit Kriegsflüchtlingen oder Asylsuchenden, aber damit, in der Welt herumzuposaunen, dass hier jeder willkommen ist (doch, hat das BAMF gemacht und erklärt, über welche Schlupflöcher man hier zu Aufenthaltsrechten kommt), obwohl man immer noch nicht weiß, wie man hier vernüftig mit den Leuten umgehen muss, um Ghetto-Bildung zu verhindern; zeitgleich scheißt man trotz Fachkräftemangel jedem vor den Koffer, der hier arbeiten will (ich rede nicht von den Sonntagsreden, sondern von der realen Politik).

                      Wenn Du also unter politischer Vision abbuchen kannst, dass ich bei Blödmannentscheidungen ohne Sinn und Verstand die Wut bekomme, hast Du Recht.

                      Aber ich vermute, dass Du was anderes gemeint hast.

                    • Erwin Gabriel 14. März 2023, 00:41

                      Korrektur:
                      Ich habe weder ein Problem mit dem Auto noch damit, den Autoverkehr zu Lasten zu Gunsten des öffentlichen Verkehrs ausumzubauen. Ich habe ein Problem damit, das Auto fast schon gewaltsam auszugrenzen, während man die Bahn vor die Wand fährt.

                    • Stefan Sasse 14. März 2023, 09:04

                      Wer grenzt denn das Auto gewaltsam aus? Wir sind so ein Autoland!
                      Die Bahn dagegen wurde Jahrzehntelang an die Wand gefahren, richtig.

                    • Ralf 14. März 2023, 00:49

                      Aber ich vermute, dass Du was anderes gemeint hast.

                      Ich hatte mich lediglich auf Deinen Ruf nach Steuersenkungen bezogen.

                      Ansonsten rennst Du bei mir mit dem Ruf nach mehr Effizienz und weniger Bürokratie offene Türen ein. Ist halt nur in der Praxis nicht ganz so einfach. Wähler belohnen sowas meistens nicht. Dafür schreien die Verlierer von Reformen immer laut. Die möglichen zukünftigen Gewinner hingegen schweigen. Und in der Politik muss man meist Kompromisse schließen – intern in der Regierungspartei, extern mit dem Koalitionspartner, noch externer mit der Opposition im Bundesrat. Und wenn man versucht alle happy zu machen, setzt man sich am Ende zwischen alle Stühle. Zuhause auf der Couch sitzend zu kritisieren, ist halt immer einfach …

                    • Stefan Sasse 14. März 2023, 09:04

                      Das ist so ein Problem. Alle wollen immer in der Theorie Entbürokratisierung, aber es passiert nie.

                    • Stefan Sasse 14. März 2023, 08:57

                      Jepp, ich habe auch nie meine Stimme für die CDU abgegeben. Und nur ein einziges Mal für Merkels Koalitionspartner; 2005.

                  • Stefan Sasse 14. März 2023, 08:56

                    Vermutung meinerseits: Nicht, weil sie den Leuten erklärt hat, was sie wusste, sondern weil sie es bewusst verschwieg oder bewusst falsch darstellte.

                    Kein*e Politiker*in wird jemals rausposaunen, was zur eigenen Abwahl führt. Da ist Merkel sicher nicht allein. Kohls verheerende Einigungspolitik („blühende Landschaften“, remember?) war keinen Deut besser und hat uns Kosten verursacht, gegen die Merkels Politik sich geradezu milde ausnimmt. Das ist nichts Neues, und es nimmt mir auch Medien und Wählende (vor allem Letztere) zu sehr aus der Verantwortung.

                    • CitizenK 14. März 2023, 14:58

                      Ja. Diese Fixierung auf Personen ist in einer Demokratie nicht angebracht.

          • Erwin Gabriel 13. März 2023, 11:12

            @ Stefan Pietsch

            Die Grundrechte sind der Wesenskern der Abgrenzung zwischen Bürger und Staat. Schon darin liegt die Erklärung, dass wir niemals eins mit dem Staat sein können.

            Ein paar Blicke nach Russland, nach Afghanistan oder in den Iran zeigen, dass man dort zwar menschen- und Grundrechte nicht einhält; aber es handelt sich dennoch auch dort um die gleiche Institution „Staat“.

            Staat und Bürger sind nicht eins, und die Grundrechte schützen den Bürger vor dem Staat. Ist mir unerklärlich, wie oft man diese Selbstverständlichkeit wiederholen muss, bis sie (hoffentlich) irgendwann mal ankommt.

        • Erwin Gabriel 13. März 2023, 10:30

          @ Ralf 12. März 2023, 02:14

          Der Staat will überhaupt nichts.

          Der Staat bist unter anderem Du und Deine Familie und die Community um Dich herum

          Das sehe ich anders. Der Staat ist eine Institution, keine Community. Was immer auch kommuniziert oder andernorts geglaubt wird – aus Sicht des Staats ist die erste und wichtigste Aufgabe des Staats der Selbsterhalt. ALLES ANDERE ORDNET SICH DEM UNTER.

          Die Betrachtungsweise des Staats ist demnach nicht „Wie kann ich mich beschränken“ oder „Welche Belastungen kann ich meinen Bürgern auferlegen“, sondern „Wie erhöhe ich meine Bedeutung“ oder „Wie viel Geld brauche ich dafür, und wo kann ich mir das holen“.

          Das gleiche gilt für die Legislative und die Exekutive, wobei hier noch die Interessen anderer Institutionen (= Parteien) eine Rolle spielen.

          Das, was Du als “Willen” missinterpretierst, sind die Gemeinschaftsregeln, auf die wir, die wir wählen gehen, uns demokratisch geeinigt haben.

          Die Institution Staat hat Vertreter (=Regierung), die sich wiederum auf andere Institutionen (=Parteien) stützen. Seitdem ich mich intensiver mit Politik beschäftige, erlebe ich den Staat als ein Gebilde, das versucht, die Bürger abhängiger zu machen und ihnen mehr und mehr die Verantwortung zu entziehen; die Ausnahme Gerhard Schröder will ich nicht unerwähnt lassen.

          Aber dass sich der Staat dem Willen der Wähler fügt (bestenfalls Rosinenpickerei in Richtung Selbsterhalt) und alles nur zum Wohl meiner Community geschieht, ist absurd.

  • Stefan Pietsch 8. März 2023, 11:35

    3) Der Mann, der in Wuhan die Fäden zog

    Ich muss zugeben, da den Faden verloren zu haben. Aber die Labortheorie ist doch kein Voodoo, wenn selbst der amerikanische Geheimdienst diese für valide hält. Das Plappermaul Trump, der gerne streng geheime Erkenntnisse herumtrompetete, plauderte ja früh vom „China-Virus“.

  • sol1 8. März 2023, 11:40

    2) „…und in Talkshows eingeladen oder interviewt werden die erst recht nicht…“

    Sahra Wagenknecht ist das gelungen, aber die hat es irgendwann vorgezogen, Schwachsinn zu Themen wie Rußland oder Corona zu verbreiten.

    • Stefan Sasse 8. März 2023, 18:47

      Eben. Reichensteuern waren da nicht eben das Dauerbrennerthema.

      • sol1 9. März 2023, 02:33

        Na ja, um 2010 herum war ja die Finanz- und Eurokrise das Riesenthema, und Wagenknecht ist es damals gelungen, die Debatte zu prägen. Siehe den Abschnitt „Rezeption“ zu ihrem damals erschienenen Buch:

        https://de.wikipedia.org/wiki/Freiheit_statt_Kapitalismus

        Fabio De Masi war übrigens damals ihr wissenschaftlicher Mitarbeiter, und der ist vor einem halben Jahr aus der Linken ausgetreten, offenbar weil er nicht in den internen Streit hineingezogen werden wollte.

        • Stefan Sasse 9. März 2023, 10:02

          Meine Erinnerung trügt möglicherweise, aber sie scheint mir heute wesentlich präsenter als damals. Grundsätzlich aber hast du natürlich Recht, dass sie da schon eine große Stimme war.

          • sol1 9. März 2023, 11:00

            Die war damals so populär, daß es Anfang 2014 einen gewaltigen Aufschrei gab, als sie bei „Lanz“ mal hart angefaßt worden war.

            Kurz danach übernahm sie die Kreml-Propaganda zur Ukraine, was dann wiederum das alte Meme der „Hummerkommunistin“ reaktivierte.

  • sol1 8. März 2023, 11:43

    d) Interessanter Punkt:

    /// I counter with the standard arguments against encouraging Ukraine to take Crimea back: the peninsula holds a particular place in the Russian imagination and losing it might prompt Vladimir Putin to use nuclear force. But Hodges pushes back politely on both points. He warns against overstating ordinary Russians’ commitment to the conflict: “When somebody says that Crimea is a holy land for them… for holiday, maybe, but not [to the point where they are] willing to put on a uniform.” And Hodges notes that where tactical nuclear weapons may have had a theoretical use during the Cold War, “to hit a place where you could create a gap in Nato defences”, there would be no equivalent benefit for Russia today, while it would incur an immense international cost (including the opprobrium of China, its one powerful ally). “So much downside for little upside. In fact, I can’t even think of an upside.” ///

    Ich hatte auch schon länger den Verdacht, daß die Krim für die gewöhnlichen Russen nicht heiliger ist als Mallorca für die Deutschen.

  • Stefan Pietsch 8. März 2023, 11:47

    4) Wir brauchen eine Sündenversicherung

    Wie so oft: Gerne alle in einen Topf. Blome ist nach seiner Selbstbezeichnung einer Konservativer und hat keineswegs etwas gegen Moral im öffentlichen Leben. Aber man kann nicht einer äquivalenten Kostenbelastung das Wort reden, aber bei den Folgekosten des eigenen Lebenswandels aufhören. Wer Autofahrer zur Kasse bitten will, weil sie uns angeblich Lebensraum wegnehmen und unserer aller Umwelt schädigen, kann doch kaum stoppen wenn es darum geht, jene zahlen zu lassen, die unser Solidarsystem in Gesundheit, Pflege und Rente über Gebühr strapazieren. Wie geht das zusammen?

    Özdemir arbeitet ja an einem Gesetz, Werbung für Ungesundes stark einzuschränken. Also auch keine Milchreklame mehr.

    Es ist übrigens keineswegs in Deutschland so, dass sich nur Arme ungesund ernähren. Anders als in den USA erkennt man in Deutschland an der Figur nur charakterliche Defizite.

    Und zweitens laufen sie schlicht darauf hinaus, dass arme Menschen künftig weniger Leistungen aus dem Gesundheitssystem erhalten und insgesamt ungesünder werden (weil sie sich Behandlungen nicht leisten können), während Wohlhabende sich die Zusatzversicherungen leisten können beziehungsweise eh alles aus großzügigen Privatversicherungen bezahlt bekommen.

    So viel Unsinn in einem Satz. Die Streichung von Zahnersatzleistungen aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen hat doch – anders als von Linken behauptet – nicht dazu geführt, dass wieder viele Zahnlose herumlaufen, sondern dass die Menschen mehr Prophylaxe betreiben. So funktioniert Markt.

    Private Krankenversicherungen funktionieren so, dass grob der Versicherte die Kosten seines Tuns selbst trägt. Unternehmen sind keine Wohlfahrtseinrichtungen, wie Du anscheinend meinst. Und privat Versicherte sind wenig vom Solidargedanken getrieben. Wird ein Tarif zu teuer, flüchten sie. Das Prinzip hat sich offensichtlich bewährt, ganz im Gegensatz zum Solidarprinzip des Staates.

    Und was ist dagegen zu sagen, wenn Reiche die Kosten ihres Tuns selbst tragen?

    • cimourdain 9. März 2023, 12:46

      „Es ist übrigens keineswegs in Deutschland so, dass sich nur Arme ungesund ernähren. Anders als in den USA erkennt man in Deutschland an der Figur nur charakterliche Defizite.“ Das macht jeweils einen Fünfer in die Kasse für Nationalstereotype, für Klassismus und für Bodyshaming. Dreifach kassiert bei zwei Sätzen … „Sündenabgaben“ machen doch manchmal Spaß.

  • Stefan Pietsch 8. März 2023, 11:54

    5) Verkehrswunder gibt es immer wieder

    Die BAB 3 zwischen Aschaffenburg und Nürnberg war jahrzehntelang 4-strahlig. Staus zu jeder Tag- und Nachtzeit auf der Strecke, die eine der wichtigsten Adern für den Transport von Waren quer durch Europa ist. Unmengen an Lebenszeit wurde dort vergeudet. Der Verkehr wuchs, weil das Transportaufkommen wuchs und die Bahn kein konkurrenzfähiges Unternehmen ist. Das ist der wesentliche Aspekt, der bei der Unsinnstheorie unberücksichtigt bleibt: Das Verkehrsaufkommen wächst ständig, egal ob Straßen gebaut werden oder nicht. Wenn nicht, gibt es eben einen Infarkt und darum geht es Linken ja eigentlich: Die Dinge zum Erliegen bringen.

    Jedenfalls, seit einigen Jahren ist die BAB 3 in dem Bereich weitgehend 6-strahlig, zwischen Würzburg und Nürnberg wird mit Hochdruck gearbeitet. Ergebnis: die Zeiten von Ewigkeitsstaus auf der Strecke sind nach Jahrzehnten vorbei, Lebenszeit gewonnen. Dort, wo Autobahnen nicht ausgebaut werden, kommt man dem Infarkt immer näher.

    • Thorsten Haupts 8. März 2023, 12:30

      Das ist der wesentliche Aspekt, der bei der Unsinnstheorie unberücksichtigt bleibt: Das Verkehrsaufkommen wächst ständig, egal ob Straßen gebaut werden oder nicht.

      Soviel Realitätsbeschreibung verträgt dieses Blog einfach nicht, gleich biegt da jemand mit einem Arroganzvorwurf um die Ecke 🙂 .

      • Stefan Sasse 8. März 2023, 18:49

        Es steht dir jederzeit frei zu gehen.

      • CitizenK 9. März 2023, 08:05

        „Das Verkehrsaufkommen wächst ständig“

        … ist also eine Naturgewalt, gegen die man nichts machen kann. Man muss auch die Lager just in time auf die Autobahn verlegen oder – wie Zalando – seine Retouren kreuz und quer durch die Landschaft karren, Shrimps zum Puhlen und Kartoffeln zum Schälen – ist ja billig. Und liefert Argumente für neue Autobahnen. Und die Bahn ist selbst schuld, dass sie in der Vergangenheit zu wenig Geld bekommen hat.
        Die Diskussion bestätigt wieder mal Stefans (Sasse)These: Prinzipienreiter steigen sofort ab, wenn ihre Grundsätze ihren Interessen in die Quere kommen: Die am lautesten die deutsche Arroganz und Besserwisserei beklagen, finden die beim Straßenverkehr auf einmal ganz prima.

        • Thorsten Haupts 9. März 2023, 08:46

          … ist also eine Naturgewalt, gegen die man nichts machen kann.

          Nope. Aber ich benutze gerne Ihre Beispiele – wenn man die gesetzlich unterbindet, verteuert das mehr oder weniger alle Produkte massiv, ist also mit erheblichen Wohlstandsverlusten verbunden. Ebenso mit erheblichen Wettbewerbsnachteilen, macht man das national. Und erheblich meint hier z.B. in der Produktion (Lagerhaltung) das Ausscheiden der deutschen Industrie aus dem Wettbewerb.

          Darüber hinaus löst z.B. Lagervorratshaltung das Verkehrsproblem erst einmal gar nicht, solange man dieselben Transportwege (LKW) nutzt, weil die bewegten Mengen ja durch Vorratshaltung um 0% abnehmen. Einen positiven Verkehrseinfluss hätte man erst dann, würde man die Mengen statt kleinteilig (LKW) in grossen Mengen per Bahn bewegen. Und das kann aktuell selbst theoretisch gar nicht klappen, Abhilfe frühestens in 20 Jahren.

          Also machen Sie sich bitte ehrlich – wäre die De-Industrialisierung Deutschlands für Sie ein verkraftbarer Preis zur erheblichen Reduzierung des Verkehrsaufkommens? Und bitte keine deutschen Ausweichargumente a´la „Es muss doch möglich sein, a und b zu vereinbaren“. Nein, zumindest nicht kurzfristig.

          Gruss,
          Thorsten Haupts

          • Stefan Sasse 9. März 2023, 10:04

            Ich stimme dieser grundsätzlichen Argumentationslinie – „wir können nicht kurzfristig die Lage verändern“ – zu 100% zu. Was mich massiv stört ist, dass ihre Proponenten üblicherweise a) die Versäumnisse der Vergamngenheit ignorieren und b) auch nicht bereit sind, anzufangen. Das wird als Argument für Nichtstun gebraucht. DAS stört mich. Ja, ein massiver Schienenausbau braucht 20 Jahre. Korrekt. WARUM FANGEN WIR DANN NICHT ENDLICH AN? Stattdessen wird die Zeitdauer als Argument benutzt, nichts zu tun. Das ist ein Ausweichverhalten, das ich ansonsten nur von Schüler*innen kenne.

            • Stefan Pietsch 9. März 2023, 10:57

              Das läuft doch seit über 2 Jahren, Du hast das nur noch nicht gemerkt. Aber jeder Kunde der Deutschen Bahn merkt das. Die massiven Verspätungen sind der Output. Wobei man ja fragen darf, warum ein Logistikunternehmen nicht in der Lage ist, die durch sich selbst verursachten Hindernisse in seiner Zeitplanung zu antizipieren.

              Wenn wir bei Streckenerweiterungen sind, dann hat die Bahn die gleichen Probleme wie beim Ausbau der Autobahnen und Umgehensstraßen: Der gesamte Rechtsweg dauert rund 20 Jahre, bevor ein Spartenstich erfolgen kann. Willkommen im Deutschland 2023.

              Außerdem: eine Trasse, die heute neu gelegt wird, muss in den 20 Jahren vollständig erneuert werden. Das ist keine Einmalgeschichte.

              • Stefan Sasse 9. März 2023, 11:04

                Das gilt doch für Autobahnen auch, oder?

                • Stefan Pietsch 9. März 2023, 11:32

                  Nicht ganz. Die Merkel-Regierung hatte da immer die Bremse reingehauen, während die Bahn nicht nur die üblichen Investitionsbudgets, sondern vor 2 oder 3 Jahren auch ein Sonderbudget bekommen hat.

                  Nur bekommt sie das gar nicht so schnell ausgegeben wie es freigegeben ist.

                  • Stefan Sasse 10. März 2023, 09:02

                    Ich meinte die Notwendigkeit der Erneuerung.

                    • Stefan Pietsch 10. März 2023, 11:48

                      Ja, die Notwendigkeit zur Erneuerung gibt es bei allen Verkehrsträgern, übrigens auch bei Flughäfen.

                      Was die Vergleiche mit der Bahn so schräg macht: Es ist seit Jahrzehnten der politische Wille, dass das Schienennetz dem „privaten“ Unternehmen Deutsche Bahn gehört. Folglich ist es schon aus rechtlichen und Wettbewerbsgründen notwendig, dass die Bahn dann auch ihre Erhaltungs- wie Erweiterungsinvestitionen selbst trägt. Das tut sie nicht einmal, denn ihr Cash Flow gibt das nicht her. Folglich subventionieren Bund und Länder die Bahn durch Zuschüsse in der normalen Größenordnung von 3-5 Milliarden Euro p.a. Dazu erhält die Bahn jedoch noch ein „Sondervermögen“ (schöner Begriff übrigens 😉 ) für den Ausbau ihres Schienennetzes, weil praktischerweise ist der Bund ja auch Eigentümer des „privaten“ Unternehmens Deutsche Bahn.

                      In diesem Sinne hat der Bund stets sein Unternehmen bevorzugt. Die großen Probleme des Verkehrsträgers Schiene resultieren aus der politischen Organisation des Monopolisten Deutsche Bahn, nicht am Geld und nicht an der angeblichen Bevorzugung der Straße.

                    • Stefan Sasse 10. März 2023, 12:00

                      Jepp, die Struktur der Bahn ist beknackt. Man hat das schlechteste beider Welten. Wüppers hat das in „Betriebsstörung“ gut herausgearbeitet, hier rezensiert http://www.deliberationdaily.de/2021/02/buecherliste-januar-2021/

                    • Stefan Pietsch 10. März 2023, 12:20

                      Darauf können wir uns einigen. Die Bahn hat zu viele ungelöste Zielkonflikte, was sie sein will, was sie anbieten will und wer ihre Kunden sein sollen. Ihre Beschreibung: alles von allem alles.

                      Ich mache das gerne an einem Beispiel deutlich: Ein Auto, dass ein Kombi, ein Familien-Van, ein Cabrio und ein Coupe in einem ist, vereint alle geforderten Eigenschaften aller Gruppen. Nur leider ist so ein Auto völlig unverkäuflich. Jedes Unternehmen, jedes Produkt, jeder Mensch braucht ein Profil, was er sein will – und was nicht.

                      Eine Bahn, die dem Flugzeug Konkurrenz machen will, aber auf der Strecke Frankfurt – Köln an der Milchkanne Limburg hält, kann solche Ansprüche nicht einlösen.

                    • Stefan Sasse 13. März 2023, 10:42

                      Den größten Irrsinn finde ich ja DB Schenker. Völliger Wahnsinn.

        • Stefan Pietsch 9. März 2023, 11:20

          Man muss auch die Lager just in time auf die Autobahn verlegen oder – wie Zalando – seine Retouren kreuz und quer durch die Landschaft karren, Shrimps zum Puhlen und Kartoffeln zum Schälen – ist ja billig.

          Wie meist sind Sie ein paar Jahrzehnte hinter der Entwicklung. Just in Time war ein Konzept der Neunziger-/ Nullerjahre, dort befinden Sie sich gerade argumentativ. Die Autobahnen in Deutschland wurden in den Neunzigern verstopft.

          Die Häfen Hamburg, Bremen, Antwerpen und Rotterdam versorgen ganz Mittel- und große Teile Osteuropas mit Waren. Kann man natürlich nicht wissen, wenn man sich nicht damit beschäftigt. Die Versorgungsadern fließen eben durch Mitteleuropa – raten Sie mal, was die große Region in Mitteleuropa bildet… Tatam!

          • CitizenK 10. März 2023, 07:24
            • Thorsten Haupts 10. März 2023, 11:20

              Wenn ich Stefan P. richtig verstehe, ist sein Argument, dass der Treiber für das Verkehrsaufkommen in den letzten 20 Jahren nicht mehr JiT oder JiS darstellt – der Drops wurde in den neunzigern gelutscht – sondern der innereuropäische Warenverkehr. Was ich für plausibel halte, die entsprechenden Warnungen, dass Deutschland notwendigerweise (geographisch) das Haupttransitland Europas wird, kenne ich seit dem Zusammenbruch des Warschauer Paktes.

              Gruss,
              Thorsten Haupts

              • Stefan Sasse 10. März 2023, 11:52

                Daher ja auch die Forderung nach der Maut für Ausländer, oder?

                • Erwin Gabriel 13. März 2023, 16:55

                  @ Stefan Sasse 10. März 2023, 11:52

                  Daher ja auch die Forderung nach der Maut für Ausländer, oder?

                  Ja, da diese mit ihren Schwerlastern unsere Infrastruktur beanspruchen, ohne sich an den Kosten zu beteiligen; Deutsche zahlen KFZ-Steuer

                  • Stefan Sasse 14. März 2023, 08:56

                    Ich hab bei der Debatte den Überblick verloren, woran eine sinnvolle Lösung da hakt. Wir haben doch eigentlich inzwischen eine Lkw-Maut, oder?

                • Thorsten Haupts 13. März 2023, 21:39

                  Yup, die war vollkommen berechtigt. Und im Rückblick z.B. auf die ungestraft regelwidrige Behandlung von Migration in vielen europäischen Ländern wünschte ich, die Deutschen hätten sich damals in dieser Frage über europäisch entgegenstehende Regelungen einfach hinweggesetzt.

                  • Thorsten Haupts 13. März 2023, 21:50

                    Besonders sichtbar hier:
                    https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%BCterverkehr
                    (Zum Abschnitt „International“ scrollen)
                    Durch Deutschland läuft beim Strassenverkehr ein gutes Viertel des Güterverkehrs der gesamten Europäischen Union.

                  • Stefan Sasse 14. März 2023, 08:59

                    Nein, sorry. Entweder wir haben Verträge und rechtsstaatliche Prinzipien, oder wir haben sie nicht. Dass andere sie brechen ist kein Grund, das auch zu tun. Das sollte für liberale Bürgerliche eigentlich selbstverständlich sein, oder?

            • Stefan Pietsch 10. März 2023, 12:12

              Das ist maximal manipulativ.

              Der Artikel geht auf eine Studie von Hermes Euler aus dem Jahr 2021 (Pandemie) ein. Darin sagen die Autoren wörtlich:

              »Die meisten Unternehmen werden allein wegen der Kosteneffizienz schrittweise zur ›Just in time<-Lagerhaltung zurückkehren«, sagt der neue Deutschlandchef der Allianz-Tochter, Milo Bogaerts. »Hamstern ist auf Dauer schlicht zu teuer.«

              Der SPIEGEL macht daraus seine Beschreibung, was Just in Time sei und eine Tatsache.

              Bei »Just in Time« wird die Lagerhaltung praktisch auf Schiffe, Bahnen oder Lkw verlegt. Statt eventuell benötigtes Material länger auf Lager zu halten, werden dabei genau die benötigten Teile zeitlich passgenau angeliefert. Das spart Kosten und erhöht die Flexibilität, kann aber schnell die Produktion lahmlegen, sobald die Lieferungen ausbleiben.

              Sie nehmen das auf. Nur, das sagt die Studie nicht.

              Der Konsum boomt; er dürfte seinen Höhenflug fortsetzen und somit weiterhin für eine hohe Nachfrage sorgen. Die Lager sind in den meisten Branchen ebenfalls wieder auf Vorkrisenniveau gefüllt. Selbst bei Halbleitern dürfte sich die Lage nach und nach entspannen.

              Natürlich betreiben Unternehmen Lagerhaltung als Puffer. Nur ist die zentrale Frage, was für ein Puffer. Schon drei Monate alte Artikel lösen eine Wertberichtigung aus. Bei einem Jahr muss ein Wert des Vorratsvermögens vollständig abgeschrieben werden. Im B2C-Geschäft sind die Vorgaben noch strenger, welcher Konsument kauft schon Ware, die 3 Monate auf Lager lag?

              Nur damit Sie mal einen Begriff über die Kosten von Lagerhaltung bekommen (ich arbeite aktuell in einem Bereich, der kein Lager benötigt): Allein die handels- und steuerrechtlich vorgeschriebenen Aufbewahrungsrückstellungen für die Dokumentationspflichten sind mit einem sechsstelligen Betrag dotiert. Nur dafür, dass Papier vor sich hinschimmeln darf.

              Kein Unternehmen kann sich Ladenhüter in größerer Zahl leisten, das führt zum Exitus. Und das ist Leuten wie Ihnen wie solchen Journalisten wie dem SPIEGEL nicht bekannt. Da geht es nicht um hohe Profitmargen, sondern Existenzen. Fehlkalkulationen in dem Bereich der Warenwirtschaft sind existenzgefährdend. Das war z.B. für eine Sparte des Modeverkäufers Esprit vor wenigen Jahren so.

              Lager sind für die Sicherstellung eines Betriebs von wenigen Wochen. Grundsätzliche Störungen beim Nachschub können sie niemals kompensieren.

    • Tim 8. März 2023, 13:47

      @ Stefan Pietsch

      Das Verkehrsaufkommen wächst ständig, egal ob Straßen gebaut werden oder nicht.

      Finden Sie das überraschend? Wir haben hier eine öffentliche Leistung, deren direkte Nutzung kostenlos ist. Es ist eine allgemeine Staatsleistung, die durchs Steueraufkommen finanziert wird. Es ist die natürlichste Sache der Welt, dass die Menschen da freudestrahlend zugreifen. Wenn wir künftig jedem Bürger monatlich 200 Euro zahlen, der einen Misthaufen vor sein Haus kippt, werden genau das viele Leute tun. Sind Misthaufen also sinnvoll? Die Inanspruchnahme subventionierter Leistungen ist kein Beweis für die Sinnhaftigkeit dieser Leistungen. Daran besteht doch nun wirklich kein Zweifel.

      Die Gretchenfrage ist aber eine andere. Halten Sie Autobahnen im Speziellen und die Dichte unseres Straßennetzes im Allgemeinen für ökologisch vertretbar?

      • Kning4711 8. März 2023, 14:24

        Ich glaube man muss beides tun: Straßennetze erhalten und punktuell dort ausbauen, wo wir deutliche Nadelöhre / Engpässe haben. Gleichzeitig die Verkehrstransformation vorantreiben, in dem die Bahn endlich die Mittel erhält, eine Alternative für den Individualverkehr zu sein. Das wird Zeit dauern, aber aktuell werden Straßen auf Zuruf ( bzw. auf Basis Jahrzehntealter Planfeststellungverfahren) ohne konkrete Datengrundlagen gebaut, während der Schienenbau stockt (73 neue Schienenkilometer in Deutschland 2022, sagt eigentlich schon alles).
        Als Kompensation wäre es ein leichtes, das Ganze mit dem Tempolimit zu flankieren, aber diese Fetischisierung des Geschwindigkeitsrausches verbaut jeglichen Spielraum. Wir könnten uns ja auch erstmal auf ein 24 monatiges Experiment einigen mit entsprechender Evaluierung was das Tempolimit gebracht hat (Eingespartes CO2, Staulänge und Häufigkeit, Unfallanzahl und Unfallopfer, etc.), bevor wir ein Tempolimit komplett umsetzen.

        • Stefan Pietsch 8. März 2023, 18:16

          Die Bahn hat, anders als jedes andere Verkehrsmittel, kein Problem mit der Bereitstellung von Investitionsmitteln. Die Tragik ist, sie kann seit Jahren die ihr zugeteilten Mittel nicht vollständig ausschöpfen. Und die Bahn hat im letzten Jahrzehnt ihre wachsenden Mittel vorrangig für die Erhöhung der Personalkosten als des Investitionsbudgets genutzt. Alle Airlines mussten in der Pandemie auf eigene Kosten ihre Flotte verringern und einmotten. Die Bahn fuhr mit leeren Zügen durch die Gegend, die Mitarbeiter hatten keine Kurzarbeit und waren trotzdem arrogant mit unter die Nase.

          Die Pandemie ist vorbei und der Flugverkehr wächst exponentiell, während die Bahn immer noch Schwierigkeiten hat, ihre früheren Kunden (solche wie mich z.B.) zurückzugewinnen.

          Und nein, sorry, wenn der Staat einmal eine Maßnahme eingeführt hat, gibt es kein Zurück mehr. Als jemand, der praktisch sein ganzes Erwerbsleben lang den Soli zahlt, weiß ich, was von solchen Zusagen zu halten ist. Der Soli ist eine Sonderabgabe (Ergänzungsabgabe) gemeint für besondere Anstrengungen des Staates. Dieser Staat muss sich anscheinend über Generationen ganz besonders anstrengen. Dieser Staat konnte selbst die pandemischen Maßnahmen nur sehr schwer wieder zurücknehmen, obwohl sich die gesamte zivilisierte Welt bereits von Maskenpflichten und Zugangsbeschränkungen verabschiedet hatte.

          Wer soll bitte evaluieren?!? Dieser Staat macht keine Kosten-/ Nutzenanalyse. Da brauchen Sie sich nur diese alberne Studie des Bundesumweltamtes anzusehen. In dem Moment, wo ein Tempolimit eingeführt wäre, gäbe es keine politische Kraft mehr, das zurückzudrehen, selbst wenn der liebe Herrgott herabsteigen würde und „Freie Fahrt für freie Bürger“ skandieren würde. Selbst Gegner eines Tempolimits ziehen nicht in Zweifel, dass so ein paar Tonnen CO2 eingespart werden könnten. Wäre das genug? Den Grünen auf jeden Fall und damit wäre es für sie ein Erfolg. Aber in der Kosten-/Nutzen-Abwägung ist es laut Bundesumweltamt (bis Steffi Lemke von den Grünen die Leitung des Umweltministeriums übernommen hat) vernachlässigenswert.

          Sorry, Kning4711, aber Ihr Vertrauen in die Rechtschaffenheit und Seriosität des deutschen Staates ist mir längst abhanden gekommen.

          • Kning4711 8. März 2023, 21:23

            Andere Länder haben es auch geschafft: Wie auch Unternehmen die erfolgreich bleiben wollen, muss auch der Staat Datengetrieben agieren unf entsprechend korrigieren. Deswegen kann man Experimente wagen, Akzeptanzkriterien definieren und eine automatische Ablauffrist ins Gesetz einbauen. Wenn das nicht mehr möglich sein sollte, dann können wir den Laden auch gleich schließen…

            • Stefan Pietsch 8. März 2023, 22:30

              Das sind wir schon zusammen…

              Wir sind nicht andere Länder. Wenn ich eins in den letzten Jahren begriffen habe, dann das. Deutschland nimmt sich für alles Sonderwege heraus. Und nochmal: die deutsche Politik hat mich mit ihren Überredungskünsten verloren, als sie 2020 aus guten Gründen den Soli abschaffte, sie ihn aber für Teile behielt und damit ein zentrales Versprechen der langen politischen Linien brach. Das darf man in einem demokratischen und Rechtsstaat nicht ungestraft – was ich übrigens hier damals schon kundgetan habe.

              Solche Versprechen sind für die Tonne, das ist eine bewiesene Tatsache. Und nochmal, ich kann mir keine Situation vorstellen, wo die Politik wieder zu einem dann Status quo ante zurückkehren würde, in dem es kein Tempolimit gäbe. Das geben schon nicht die Mehrheitsverhältnisse her. Oder können Sie sich eine Situation vorstellen, wo die Grünen ihren Anhängern erklärt, dass man jetzt nach reiflicher Überlegung unter Kosten-/Nutzen-Abwägungen doch wieder „Freie Fahrt für freie Bürger“ gelten ließe? Never ever!

              Die heutige Situation ohne generelles Tempolimit gibt es nur, weil SPD und Grüne keine Aussicht auf eine eigene Mehrheit haben, die sie zur Einführung eines Tempolimits bräuchten. Würden Union oder FDP jedoch mitmachen, wären sie umgekehrt darauf angewiesen, dass SPD oder Grüne einer Abschaffung zustimmen. Wir schaffen es nicht einmal, trotz exzellenter Argumente den Atomausstieg aufzuschieben, obwohl eine große Mehrheit inzwischen dafür wäre. Dann machen wir das erst recht nicht mit dem Tempolimit.

              Und schon gar nicht, wenn man auf Vertragstreue der linken Parteien angewiesen wäre.

              Dieses Land hat in der Pandemie eine Politik für alternativlos erklärt, die mit massiven Grundrechtseinschränkungen daherging. Sie erklärte gegen den Sinn der Verfassung ein Grundrecht für über allen anderen stehend.

              Es gibt kein Auslaufgesetz, keins, das sich selbst abschafft. Ob dies gesetzgeberisch überhaupt zulässig wäre, halte ich nicht für zweifelsfrei.

      • Stefan Pietsch 8. März 2023, 18:15

        Das stimmt ja nicht. Autofahrer können die Straßen nicht kostenlos nutzen. Die kostenlose Nutzung steht ganz am Ende eines langen Investitionsprozesses.

        Zu Beginn steht eine sehr teure Investition in ein Automobil. Dann werden Steuern fällig. Die Nutzung der Straße selbst mag kostenlos sein, aber nicht das Fahren darauf. Dies ist in Deutschland besonders teuer, denn man benötigt dafür Kraftstoff. Wer kein Geld für Benzin hat, kann nicht fahren, der überlegt nicht, ob die Nutzung der Straße kostenlos ist. Also, das ist eben kein Free Riding. Würde der Staat 1 Euro pro 100 Kilometer als Goodie fürs Fahren ausloben, würden wahrscheinlich nicht mehr fahren. Denn Sie müssen ihre Kosten für Benzin und Abnutzung gegenrechnen. Damit bliebe unterm Strich immer ein Minus, das Gegenteil Ihrer Behauptung.

        Infrastrukturen sind die Lebensadern einer Gesellschaft. Ohne Straßen hätte es das Römische Reich so nicht gegeben. Und da sind wir schon in der Antike. Und die Menschheit bemühte sich immer, Schnelltrassen zu entwerfen. Sie argumentieren also von einem sehr hohen Ross.

        Warum sind Autobahnen eine ökologische Frage? Die Gegner des Individualverkehrs und Befürworter von Tempolimits machen ihre politische Position doch nicht vom Antrieb abhängig. Bisher hat noch niemand gefordert, Tempolimit ja, aber nur für Verbrennungsmotoren.

        Das Auto ist umweltfreundlicher als das Flugzeug. Und als jemand, der sich in anderen Ländern wie den USA, Spanien, Australien oder Chile etwas auskennt, weiß ich: lieber fahren wir hier auf Autobahnen von Hamburg nach München als dass diese Strecke geflogen wird. Das Auto ist auch gegenüber dem Bus das bessere Verkehrsmittel, wenn dieser mit 20% Auslastung durch die Gegend fährt und die Leute so lange darauf warten müssen dass sie ihre Termine verpassen.

        Ich habe längere Zeit in Berlin gearbeitet. Dabei habe ich alle zur Verfügung stehenden Verkehrsmittel genutzt: Das Flugzeug, die Bahn und das Auto. Ergebnis: die Transportträger nehmen sich nichts selbst auf einer Strecke, auf der die Bahn ihre ganzen Vorteile ausspielen können sollte.

        Seit der Pandemie habe ich mir geschworen, die Bahn erst wieder zu nutzen, wenn sie deutlich ihren Service und Pünktlichkeit verbessert hat. Ein Unternehmen, dass stolz darauf ist, seine Kunden von der Polizei abführen zu lassen, hat nicht alle Latten am Zaun.

      • Erwin Gabriel 8. März 2023, 21:51

        @ Tim 8. März 2023, 13:47

        Wir haben hier eine öffentliche Leistung, deren direkte Nutzung kostenlos ist. Es ist eine allgemeine Staatsleistung, die durchs Steueraufkommen finanziert wird.

        Um die direkte Nutzung mit einem Auto „kostenlos“ durchzuführen, muss man einen ganzen Batzen Steuern zahlen, die man nur dann und deshalb zahlt, wenn und weil man ein eigenes Auto fährt. Nur für Radfahrer (und Fußgänger, wenn man Bürgersteige als Teil der Straße begreift) ist die Nutzung kostenlos.

  • Thorsten Haupts 8. März 2023, 12:37

    zu 5)
    Klar kann man das, was der Verkehrsminister macht, in polemischer Absicht so beschreiben. Realiter würde jede andere Planung dazu führen, dass Bahnalternativen frühestens in 20 Jahren zur Verfügung stehen, vorher KANN man das Bahnaufkommen gar nicht wesentlich steigern. Nur ohne Strassensanierung und -ausbau kollabieren halt bestimmte Strecken und die an sie angeschlossenen Regionen weit vorher. Das nicht einmal zu wissen (vorsätzlich verschweigen würden „Experten“ und „Journalisten“ ja niemals etwas), ist Klippschulniveau.

    Ganz grundsätzlich habe ich mit dem Theorem, mehr Strassen würden mehr Verkehr generieren, ohnehin ein massives Problem, weil es für Konsequenz anstelle von Koinzidenz keinen überzeugenden Treiber gibt. Viel wahrscheinlicher scheint mir, dass es den Bedarf an der Strasse durch steigendes Verkehrsaufkommen gibt und das auf breiter ausgebauten Autobahnen nur sichtbar wird, was ohne halt Dörfer und Nebenstrecken verstopft.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

  • sol1 8. März 2023, 19:05

    h) „…the conflict — which claimed as many as three million lives and destroyed entire cities —…“

    Mit einer Million Toter pro Jahr war demnach der Krieg wesentlich blutiger als der jetzige in der Ukraine.

    • cimourdain 9. März 2023, 09:36

      Aber von den Toten waren ’nur‘ 150.000 Chinesen und 40.000 US-Amerikaner. Und wen interessieren bei einem Stellvertreterkrieg die Menschen des betroffenen Landes – außer dass man sie unbedingt auf die ‚richtige‘ Seite ziehen muss ?

      • Thorsten Haupts 9. März 2023, 11:02

        Diese wunderbare Leichtfertigkeit, bei einem 100% glasklaren Angriffs- und Eroberungskrieg von „Stellvertreterkrieg“ zu sprechen und der angegriffenen Seite und deren Alliierten damit das Recht auf Verteidigung abzusprechen … Haben Sie doch bitte wenigstens den Mut, dann auch klar und deutlich auszusprechen, was Sie sich offenkundig wünschen: „Leute, wenn Ihr bewaffnet angegriffen werdet, legt Euch auf den Rücken und macht die Beine breit. Alles andere ertrage ich nicht.“

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • cimourdain 9. März 2023, 16:44

          Leider bestätigen Sie meine Aussage. Die drei Millionen Toten sind Ihnen keine Silbe Wert – stattdessen eine Begründung, warum dieser Krieg von unserer Seite her gerechtfertigt war. Die „Kämpfen oder Untergehen“ Phrasen nutzen den Toten gar nichts.

          • Thorsten Haupts 9. März 2023, 18:16

            Die Toten sind – leider – völlig unvermeidbar, sobald sich der Verteidiger bewaffnet gegen einen angriff wehrt und der Angreifer seinen Angriff nicht einstellt. Die einzige Alternative des Verteidigers besteht in Kapitulation. Die Toten sind die alleinige Entscheidung des Angreifers, case closed.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

            • Stefan Sasse 10. März 2023, 09:07

              Ich meine – Kapitulation kann natürlich immer eine Option sein. Ich sehe etwa die dänische Kapitulation 1940 nicht als sonderlich verwerflich an. Da bestand einfach keinerlei Chance. Aber im Fall Ukraine bin ich völlig bei dir.

              • Thorsten Haupts 10. März 2023, 11:28

                Die Dänen litten ja auch unter der deutschen Besatzung vergleichsweise wenig, was nach der Nazi-Rassenlehre zu erwarten war – immerhin waren Dänen ein hoch“arisches“ Volk.
                Natürlich ist Kapitulation immer eine Option, nur wenn der Verteidiger das nicht will, trägt noch immer der Angreifer die Alleinschuld an der Todesquote des Krieges. Niemand sonst.

                Und ich sehe keinerlei berechtigte Zweifel daran, dass Polen 1939, Südkorea 1950 ebenso wie die Ukraine 2022 nicht kapitulieren woll(t)en. Und das schliesst für mich einfach die Frage, die ganze Rhetorik danach (Stellvertreterkriege etc.) ist einfach Banane (wo wenigstens gutwillig vorgebracht).

                Gruss,
                Thorsten Haupts

                • Stefan Sasse 10. März 2023, 11:53

                  Keinerlei Widerspruch und 100% Zustimmung; wollte nur deutlich machen, dass es grundsätzlich die Alternative gibt.

    • Stefan Sasse 9. März 2023, 09:58

      Unzweifelhaft.

  • cimourdain 9. März 2023, 09:09

    1) In gewisser Weise ein Nachtrag zu Fundstück 2 vom 06.03.23: Ich finde Die Beobachtung von Herrn Pietsch interessant und plausibel, dass die eigentlichen Prüfungen der Teil des Schulsystems ist, wo am wenigsten ‚gesiebt‘ wird. Dazu passend möchte ich die Vermutung aufstellen, dass standardisierte schriftliche Individualprüfung das Verfahren ist, bei dem das soziale und kulturelle Kapital des Schülers (Herkunft) die geringste Rolle spielen.

    2) Kleiner Kritikpunkt: Das Interview bezieht sich ‚eigentlich‘ auf Österreich. In Deutschland ist es sehr vergleichbar. Hier eine Analyse, mit wichtigen Hinweisen, warum die Grünen vom Thema Vermögensbesteuerung abgerückt sind:
    https://www.lobbycontrol.de/reichtum-und-einfluss/die-macht-des-grossen-geldes-lobbyismus-und-grossspenden-im-wahlkampf-92921/

    3) Die Frage ‚Zoonose oder Laborunfall‘ ist eigentlich ziemlich irrelevant (außer, dass es Gelegenheit gibt, ‚Westchauvinismus‘ zu betreiben). Viel spannender ist die Grenzlinie zwischen Nichtverschwörung und „Verschwörung“. Es ist normal und sinnvoll, dass sich Fachleute und interessierte ‚Stakeholder‘ zu einem Thema zusammentreffen. Es ist auch normal und sinnvoll, dass diese in einer Krise als erste genaue Vorstellungen haben, wie diese zu behandeln ist – und es ist auch verständlich, dass dieser Plan nicht unbedingt in der Realität so funktioniert. Es ist auch normal, dass mit diesem Expertentum Firmen Geld verdienen.
    Kritisch wird es, wenn Entscheider diese Netzwerke zur persönlichen Bereicherung zu Lasten Dritter nutzen ( der erwähnte „Maskendealer“ Nüßlein) oder dazu nutzen, eine eigene Agenda durchzudrücken (z.B. die Versuche, eine E-Identität einzuführen).

    4) Das, was diese Argumentation so heuchlerisch macht, ist das Vermengen von zwei unterschiedlichen Ideen: Moral und Gerechtigkeit.
    Moral (der Begriff ‚Sünde‘ ist da bezeichnend) ist im liberalen Rechtsstaatbegriff eine schwierige Kategorie. Eigentlich sollten Dinge entweder erlaubt oder verboten/reglementiert sein, aber ‚unerwünscht‘ ist keine gute Rechtskategorie.
    Das Gerechtigkeitsargument funktioniert aber nicht, wenn es selektiv angewandt wird: Mit der Begründung „Warum soll ich für die höheren Kosten, die die Lebensweise anderer verursacht, aufkommen?“ kann man umgekehrt für günstigere Tarife bei der Rentenversicherung plädieren, wenn jemand ein ungesünderes (und damit statistisch kürzeres) Leben führt.
    Und nicht zuletzt gibt es die ganz konkrete Frage, warum sich Blome dafür interessiert. Als freischaffender Journalist ist er sicher in der PKV mit deren gesundheitsabhängigen Tarifen versichert.

    • Stefan Sasse 9. März 2023, 10:09

      1) Dem ist leider nicht so, weil der Weg zu den Prüfungen dabei komplett ausgeblendet. Klar, in der Prüfung selbst ist der Stand für alle gleich. Aber der Rest halt nicht. Die alte Karikatur bringt es auf den Punkt: https://static.twoday.net/LisaRosa/images/Traxler.gif Das Aussieben findet vorher statt. Die Prüfung bestätigt das nur noch.

      2) Ich glaube, da steckt weniger Korruption dahinter als die politischen Gründe.

      3) Irrelevant? Wenn China durch selbstverschuldete Fehler eine globale Pandemie ausgelöst hätte, fände ich das schon ziemlich relevant.

      4) Das ist eine großartige Rechtskategorie. Alles, was verboten ist, ist per Definition unerwünscht. Unerwünscht ist etwa offene Gewalt auf der Straße, deswegen ist sie verboten. Unerwünscht ist Mord, deswegen ist er verboten. Unerwünscht ist das Brechen von Verträgen, deswegen ist es verboten. ALLES, was verboten ist, ist unerwünscht.

      Ich interesse mich auch für die Rente und die GKV, obwohl ich privat versichert bin und mal Pension bekomme. Ich würde mal annehmen, dass Stefan auch privat versichert und in seiner Altersvorsorge nicht von der GRV abhängig ist, und trotzdem interessiert er sich dafür. Warum denn nicht?

      • Stefan Pietsch 9. März 2023, 11:30

        1) Dein Argument scheint zu sein, alle durchzulassen, es könnte ja ein Talent mit schlechten Noten dabei sein. Das ist wiederum für andere keine Option.

        4) Ich würde mal annehmen, dass Stefan auch privat versichert und in seiner Altersvorsorge nicht von der GRV abhängig ist, und trotzdem interessiert er sich dafür.

        Ich war in früheren Jahren in der PKV, bin allerdings vor längerer Zeit zurückgewechselt. Obwohl ich damit hohe Rückstellungen, die für die Altersbeiträge dämpfend wirken, aufgegeben habe, warum mir zum einen das Beitragsrisiko zu groß. Zum anderen erleichtert es meine Lebensplanung, nicht in Deutschland an eine Versicherung gebunden zu sein.

        Die Privatversicherungen verdienen seit längerem nicht mehr gut an den Kunden. Dort schlägt sich eben auch der demographische Effekt nieder. Hohe Beiträge, niedrige Renditen – das ist keine gute Mischung. Wirklich attraktiv ist die PKV nur noch für Beamte und Unternehmer / Selbständige mit Aussicht von höheren sechsstelligen Jahreseinkommen im Alter. Das ist ein verdammt kleiner Kreis und ich habe keine Garantie, so gut situiert zu sein.

        Die gesetzliche Rente bildet in meiner Altersvorsorge eine Basis. Nicht mehr und nicht weniger. Deswegen und aus Fairnessgründen bin ich nicht bereit, auf nur einen Cent mir zustehender Altersbezüge zu verzichten – und sei’s für angeblich verarmte Rentner.

        • Stefan Sasse 10. März 2023, 09:01

          1) Das scheint mein Argument vielleicht für dich zu sein, ist es aber nicht.

          4) Ich würde auch nie verlangen, dass du oder irgendjemand anderes auf zustehende Beträge verzichtest.

          • Stefan Pietsch 10. März 2023, 11:39

            1) So habe ich es gelesen und Du lieferst ja auch keine weiteren Argumente. Man liest eben nur, dass das Selektieren schlecht sei. Okay, also nicht selektieren.

            4) Von Linken ist mir in den Jahrzehnten häufig das Argument begegnet, man solle dann doch verzichten. Also doppelt Bestrafung statt logischer Prozess. Beispiel: Wenn Du gegen bestimmte Sozialleistungen bist, dann verzichte doch darauf. Ja, aber die wurden doch mit meinen hohen Steuern bezahlt, die Steuern wären ja nicht so hoch, würden wir die Sozialleistungen auch an Gutverdiener nicht zahlen. Ich konnte mich immer für höhere Erbschaftsteuern erwärmen. Doch warum sollte ich beiden: hohe Erbschaftsteuern und hohe Einkommensteuern? Ich habe (fast) mein gesamtes Arbeitsleben den Höchstsatz zur Rente gezahlt, obwohl ich dem Zwangssystem mit Staffelung kritisch ablehnend gegenüberstehe. Aber natürlich, wenn ich schon die Beiträge zahlen musste, will ich auch jeden zustehenden Cent daraus haben.

            • Stefan Sasse 10. März 2023, 11:56

              1) Das ist so einfach nicht korrekt. Lies das nochmal: ich beschreibe das Problem als „Aussieben als Grundaufgabe“. Dass jemand, der sich etwa völlig verweigert oder völlig ungeeignet ist, die Anforderungen zu erfüllen, weiter ausgesiebt wird – völlig egal welches System wir verwenden – versteht sich von selbst. Meine Kritik ist, dass das Aussieben, das Herausfallen aus dem System, die allerletzte, schlimmste, seltenstmögliche Konsequenz sein soll – und nicht das erste Mittel, wie es leider von vielen verstanden wird. Das ist ein sehr anderer Argumentationszweig. Aber der ist halt differenzierter als die pauschale Polemik.

              4) Ich würde so was nie bringen. Wenn du einen Anspruch hast, hast du denn, fertig aus. Du kriegst nichts geschenkt, also musst du auch nichts schenken. Ich bin deswegen ja auch keiner, der ständig Milliardäre zur Philantropie aufruft.

      • cimourdain 9. März 2023, 16:40

        1) Dann fällt aber das Problem auf die Lehrer zurück, die es nicht schaffen, alle Schüler auf die Prüfungen vorzubereiten, sondern die „untauglichen“ lieber schon im Vorfeld aussortieren.

        2) Korruption wird auch nicht erwähnt, aber „sich nicht mit einer mächtigen Lobby anlegen wollen sondern lieber Großspenden bekommen wollen“ ist halt zwar ein politischer Grund aber kein besonders nobler.

        3) Schau dir doch die Wirklichkeit internationaler Zusammenarbeit an: Dieses S4 Labor in Wuhan arbeitet bei Forschung mit dem RKI zusammen, erhält Forschungszuschüsse der EU und Aufträge von US-Pharmaunternehmen. Das Personal ist International.
        Und bei dem Chemieunfall in Ohio würdest du den Satz „Die USA haben eine Umweltkatastrophe verursacht“ auch zurecht als antiamerikanischen Blödsinn kennzeichnen. Wenn du also bei China auf diese Art Rhetorik zurückgreifst, sehe ich da Brokkoli zwischen den Zähnen.

        4) Alle deine Beispiele setzen ‚verboten‘ und ‚unerwünscht‘ gleich. Warum willst du einen trennscharfen klaren Begriff durch einen schwammigen ersetzen/ergänzen?

        Weil der Balken „Unterschiedliche Sozialsysteme“ eine Unwucht darstellt, die alle die ‚Moralunwuchten‘ weit in den Schatten stellt. Deshalb ist naheliegend, dass diese nur ein Scheinproblem sind, das aufgestellt wird, um darüber hinweg zu täuschen.
        Btw: Wieso bekommt ein Lehrer Privatschule (nicht verbeamtet) eine Pension?

        • Stefan Sasse 10. März 2023, 09:06

          1) Which is my point. Das Ganze ist natürlich kompliziert: einerseits hast du ein Problem mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen (Zeit vor allem), andererseits damit, dass die Defizite üblicherweise ja schon lange vor der Prüfung auflaufen.

          2) Jo. Wird mir aber in linken Kreisen überbetont, muss ich sagen.

          3) Oh nice. Danke für die Metapher. 🙂

          4) Wir verbieten selten erwünschte Dinge. Das ist doch letztlich deckungsgleich.

          Weil der betreffende Lehrer verbeamtet ist.

  • Thorsten Haupts 9. März 2023, 09:28

    Eigentlich sollten Dinge entweder erlaubt oder verboten/reglementiert sein, aber ‚unerwünscht‘ ist keine gute Rechtskategorie.
    Kräftiger Beifall von der Seitenlinie 🙂 . Eines der Themen, an denen ich auf öffentliche Diskussionen am stärksten gereizt reagiere. Einer der Grundpfeiler (freie Presse) der westlichen Zivilisation versteht täglich mehrfach demonstriert deren Grundlagen nicht.

  • cimourdain 10. März 2023, 08:57

    1) Nachtrag: Ich bin auf dieses Video gestoßen worden, wo ein Mathematiker die indischen Abschlußanforderungen für Mathematik mit denen von NRW vergleicht und als Bonus noch eine Realschulprüfung von vor 50 Jahren ansieht:
    https://www.youtube.com/watch?v=GhmEYB3Kq-o

    • Thorsten Haupts 10. März 2023, 09:10

      Ohne mir das Video angesehen zu haben – wo und wann gab´s denn die höheren Anforderungen?

      • cimourdain 13. März 2023, 11:18

        die indische Prüfung ist sehr viel anspruchsvoller – allerdings vergleicht er unterschiedliche Sachen, das ist ein Test für Elite-Ingenieur-Universitäten.

        • Thorsten Haupts 14. März 2023, 17:02

          Danke.

  • cimourdain 10. März 2023, 11:34

    (noch ein eigenes Fundstück): Ein nicht ganz unberechtigt giftiger Kommentar zur „feministischen Außenpolitik“
    https://www.neulandrebellen.de/2023/03/feministische-kolonialpolitik/

    • Thorsten Haupts 10. März 2023, 21:30

      Ich spiesse mal den letzten Satz dieser hübschen Polemik auf, weil er die Blindstelle dieser und anderer Ergüsse markiert:

      Ganz so, als wollten alle so sein wie wir. Und genau das – wollen sie ja gerade nicht.

      Doch, wollen sie. Überall da, wo die herrschenden Eliten es nicht wollen, gibt es bezeichnenderweise weder eine Wahl noch eine halbwegs freie Presse. Die Schnittmenge von Faschismus, Sozialismus oder Theokratie mit freien Wahlen, Rechtsstaat und freier Presse ist zero, weltweit. Und mir ist bisher kein Fall bekannt, in dem ein Volk in einer freien Wahl gesagt hätte „Och nö, lasst uns mit westlichen Werten zufrieden, wir ziehen absolute Monarchie, faschistische oder sozialistische Diktatur vor!“

      Was nichts anderes heisst, der Artikelschreiber akzeptiert die Verlautbarungen der herrschenden Autokraten als „Volkswillen“. Das kann man machen, aber besonders hell ist man dann nicht. Freundlich ausgedrückt.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

  • CitizenK 15. März 2023, 07:06
  • CitizenK 15. März 2023, 08:45

    Anmerkung zum Sondervermögen Bildung:
    Das Problem der (Schul-)Bildung löst man derzeit tatsächlich ohne zusätzliches Geld
    (ceterum censeo von E. G.): Bei unserem Jüngsten fällt derzeit etwa die Hälfte der Unterrichtsstunden aus wegen erkrankter Lehrer. Drei Wochen vor der Abschlussprüfung.

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