Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.
Fundstücke
1) Komm, wir machen es uns „nice“
Aber innerhalb dieser Grenzen stärkt man das kritische Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger, wenn man ihre Urteilskraft zum entscheidenden Maßstab erhebt, statt dem Impuls zu folgen, kontroverse Veranstaltungen abzusagen und bestehende Verträge zu missachten, um einem Konflikt aus dem Wege zu gehen. […] Muss, was wir tun, sagen und schreiben, erfreulich oder immerhin achtsam sein? Soll ausgerechnet Kultur eine Welt abbilden, wie sie nicht ist, nicht war und niemals sein wird? Braucht man eine ideale kulturelle Darstellung einer unvollkommenen Welt auch dann, wenn man sich Kinderbücher, Comics oder Filme aus alter Zeit anschaut, die von Rassismus und Diskriminierung von Minderheiten geprägt war? Genügt dann nicht eine Kontextualisierung, etwa von Mami und Papi beim Vorlesen, um ein Artefakt aus schlechten Zeiten auch heute zugänglich zu machen? Wir schärfen Autonomie und Entscheidungsfähigkeit, wenn wir uns etwas zumuten, wenn wir danach verlangen, uns unser Urteil bitte selbst zu bilden. In der parlamentarischen Demokratie und der offenen Gesellschaft gibt es keine höhere Instanz als den individuellen Willen der Bürgerinnen und Bürger. Ohne jede Qualifikationserfordernis, ohne Prüfung von Intelligenz und Charakter ist man aufgerufen, über die höchsten Institutionen des Landes zu entscheiden. Auf Stimmzetteln gibt es keine Warnhinweise, unter anderen stehen dort ganz schreckliche Menschen mit gruseligen Ideen zur Wahl, getarnt mit ultralieben Berufsbezeichnungen wie „Verwaltungsfachfrau“ oder „Diplom-Gastwirt“. […] Der Sinn von Kultur liegt nicht darin, dich vor Schock und Anstrengung zu bewahren, oder dich vor dir selbst zu warnen, sondern im Gegenteil in der Vermittlung der Erkenntnis, dass es auf dich ankommt. (Nils Minkmar, SZ)
Dieser Beitrag kommt aus der Debatte um die Neuausgaben der Dahl-Bücher, und für mich ist sie symptomatisc für eine Verwirrung, die das Ganze so ermüdend macht. Denn ich unterschreibe jederzeit alles, was Minkmar hier sagt, für die Kultur. Nur: niemand erstellt Neuausgaben für Goethe, Hauptmann oder Juli Zeh, die irgendwelchen Sensibilitäten angepasst wären. Hemingway ist noch genauso lesbar wie Tolkien. Von „Pippi Langstrumpf“ bis „Charlie und die Schokoladenfabrik“ bezogen sich die Maßnahmen auf Kinderbücher. Nur sind diese eben durch Alter, Nostalgie und literarische Qualität in einen merkwürdigen Graubereich gesunken, in dem sie zwar immer noch als Kinderbücher gehandelt werden, gleichzeitig aber irgendwie auch schon zum kulturellen Erbe gehören.
Sie sind aber noch nicht alt genug, dass man die „Jugendbuchausgaben“, wie sie für Klassiker von „Robinson Cruseo“ über „Moby Dick“ zu „Huckleberry Finn“ (die liest ja keiner im Original mit seinen Kindern, verarbeitet hätte. Eigentlich ist das alles eine Nulldebatte: würde man einfach Kinderversionen von Dahls Werken mit großem Aufkleber auf dem Cover „kindgerechte Sprache“ oder so was anbringen und dann eine Prachtausgabe in Leder mit Lesebändchen im Original zeitgleich für die Erwachsenen raushauen, hätte sich das Problem völlig. Aber es ist dieser merkwürdige Zwischenzustand, der unnötige Ambivalenzen schafft und diese Debatte so verquer werden lässt.
2) KI für die Kinder der Reichen
Obwohl das Problem der elterngemachten Hausaufgabe so alt wie die Schule selbst ist, löst erst die neue Software eine moralische Debatte aus. Die Lösung für die (fehlende) Elternhilfe ist die gleiche wie für ChatGPT: die Ganztagsschule. Damit ist nicht gemeint, dass die Schüler und Schülerinnen den ganzen Tag Unterricht haben. Eine Rhythmisierung, also ein Abwechseln des Unterrichts mit Phasen des selbstständigen Lernens und der sozialen Interaktion, ist der Kern einer guten Ganztagsschule. […] In der Ganztagsschule haben alle die gleichen Ressourcen, die gleiche personelle Unterstützung und die gleiche Menge Zeit, das im Unterricht Gelernte zu üben, zu vertiefen und anzuwenden. Die Halbtagsschule hat diese Lernphasen an die Eltern abgegeben, was unter anderem zur klassenbedingten Bildungsungerechtigkeit in Deutschland beigetragen hat. Die Fähigkeiten, die man in der Schule lernt, werden nicht irrelevant, nur weil eine KI sie duplizieren kann. Addieren können, ein Gedicht verstehen und eine Fremdsprache beherrschen – all das sollten Kinder weiterhin in einer gut ausgestatteten Schule selbst lernen. (Ryan Plocher, ZEIT)
Die sozial nivellierende Funktion der Ganztagsschule halte ich für einen sehr relevanten Faktor an der Sache. Das Stöhnen von Eltern über die Belastung durch Hausaufgaben, Referate und Co, die ihre Kinder aus der Schule mitbringen, ist gemeinhin bekannt. Ich leide da auch selbst drunter. Und jede Bildungsstudie seit PISA im Jahr 2000 ergibt verlässlich, dass kaum ein Schulsystem so sozial segregierend ist wie das Deutsche. Wenig überraschend, bedenkt man diese Strukturen. Am Unterricht mitzukommen ist für Kinder nur unter zwei Bedingungen möglich: große intrinische Motivitation und Fähigkeit zur Selbstorganisation – das sind dann die Überflieger, die gerne auch als Paradebeispiel sozialer Aufstiegsgeschichten herangezogen werden, die aber eine verschwindende Minderheit sind – und solche, deren Eltern ihnen helfen, und sei es nur mit der Organisation. Das wird natürlich mit der Zeit besser (und die Fähigkeit der Eltern zu helfen nimmt proportional ab), aber bis dahin ist dank des zweiten deutschen Feauters, der Dreigliedrigkeit, der Drop eh gelutscht.
3) Was läuft schief im Mathi-Unterricht?
2019 untersuchten Forscher der PH Bern «unser Mathematikproblem», analysierten die Gründe fürs «Disengagement», die Rolle von Unterricht und Bewertungspraktiken. Fazit: Die Lehrer sollten stärker für die Bedeutung eines gut strukturierten, verständlichen Unterrichts sensibilisiert werden. Anwendungsnahe Projekte sollten «das Nützliche der Mathematik ungekünstelt» erfahrbar machen. Auch sei die Praxis des strengen Bewertens kritisch zu überdenken. Zudem täten Extra-Angebote für Schwächere not. Es überrascht, dass all dies nicht auf der Hand liegt. Die Erkenntnis, dass die Bewertungsmassstäbe sich in einer Schieflage befinden – und die Schüler unnötig demotivieren – ist nicht neu, gilt aber bis heute. René Fehlmann etwa, Dozent am Lehrstuhl Mathematikdidaktik an der Fachhochschule Nordwestschweiz und selbst Mathematiklehrer, teilt die Einschätzung. Wie auch die, dass sich viele der Fachlehrer (mehrheitlich Männer) noch zu sehr als selektierende, reine Mathematiker verstehen und zu wenig als Vermittler mit Bildungsauftrag. Und: Braucht es das abverlangte geballte mathematische Wissen überhaupt für die viel zitierte Studierfähigkeit? (Alexandra Kedves, Tagesanzeiger)
Dass der Mathematikunterricht ein grundsätzliches Problem hat, ist bereits seit Langem bekannt. Im deutschsprachigen Raum sind die Lernergebnisse im internationalen Vergleich notorisch schlecht, und im innerdeutschen Fächervergleich gehört Mathe routinemäßig zu den Fächern mit den schlechtesten Notenschnitten und der meisten erteilten Nachhilfe. In kein anders Fach investieren Schüler*innen und Eltern auch nur ansatzweise so viel Geld und Energie, und in keinem anderen Fach sind die Ergebnisse so miserabel. Das ist seit Jahrzehnten so, und es wird einfach als Fakt hingenommen.
Und da spielt Element Nummer zwei mit hinein: die Selektion. Viel zu häufig sehen sich Lehrkräfte vor allem als Selektierer, geht es vor allem darum, Matheunkenntnis zu attestieren und dann dem Lernunwillen („Faulheit“) oder Unverständnis („Dummheit“) der Schüler*innen zuzuschreiben. Dass bei einem so weit verbreiteten Problem aber der Kern systemisch sein muss, ist eine Erkenntnis, um die sich die Zunft beharrlich drückt.
Das Ganze wird dadurch nicht besser, dass eine Generation nach der anderen durch diesen Blödsinn geschleust wird und vor allem die Erfahrung weitergeht, „in Mathe auch schlecht gewesen“ zu sein. Eine 5 in Mathe ist gesellschaftlich viel akzeptierter als eine 5 in Deutsch, eine 5 in Physik viel mehr als eine 5 in Religion. Das ist eine merkwürdige Mischung aus Hochachtung einerseits und Missachtung andererseits.
Die ständig vorgebrachte Praxisnähe dagegen siehe ich nicht als Alternative. Mathematik ist nicht praxisnah, und die Versuche, sie praxisnah zu gestalten, sind allesamt peinlich und durchsichtig. Mathe sollte sich da eine Scheibe von Latein abschneiden, die versuchen üblicherweise auch nicht, sich als irgendwie praxisrelevant zu geben. Ist auch nicht notwendig. Mathematik ist letztlich eine abstrakte Wissenschaft, und ich fand es als Schüler immer albern, wenn mir versucht wurde die Praxisnähe dadurch zu verklickern, dass ich ausrechnen kann, ob der Lkw unter die Brücke passt. Das ist von meinem Schüleralltag so weit entfernt, dass es ohnehin abstrakt ist. Da kann man sich gerne ehrlich machen.
4) Der Westen muss die Berechenbarkeit von Diktatoren ausnutzen
Wenn am Sonntag der chinesische Volkskongress für sieben Tage zusammenkommt und künftige Vorhaben abnickt, wird die Welt wieder rätseln. Würde es China tatsächlich wagen, in den kommenden Jahren Taiwan anzugreifen? Demonstrativ spielt Präsident Xi Jinping mit der Drohung. Im Westen wird ein Krieg aber von vielen weiter als unwahrscheinlich abgetan und gerne auf die Irrationalität einer solchen Invasion verwiesen. […] Doch wird Xi Jinping dieses ideologische Projekt rationalen Überlegungen unterordnen? „Vor 20 Jahren konnte man noch sagen, dass die chinesische Führung sich vor allem um wirtschaftliches Wachstum kümmerte. Jetzt ist die Ideologie der zentralste Teil der Machtphilosophie der Kommunistischen Partei“, sagt China-Experte Benner. Im Jahr 2013 machte diese das offiziell. Das lange Festhalten an der Null-Covid-Politik oder dem Unterdrücken alternativer Machtzentren wie der Techindustrie sind eindrückliche Beispiele. „Sie zeigen, dass Peking bereit ist, ökonomische Kosten in Kauf zu nehmen, um ideologische und machtpolitische Ziele zu erreichen“, sagt Benner. Xi sehe es als seine historische Mission an, die Kontrolle über Taiwan zu erlangen – genauso wie Putin es als seine Mission betrachte, sich der Ukraine zu bemächtigen. Der Plan ist, wie der von Putin, offen kommuniziert. Für den Westen kann das eine wertvolle Erkenntnis sein. Sie gibt ihm die Möglichkeit, Xi davon abzuhalten. Allerdings reiche es nicht, Peking wirtschaftlich zu drohen. „Man kann in diesem Fall den Status quo nur perpetuieren, wenn man das militärische Kosten-Nutzen-Kalkül Pekings stark ändert“, so Benner. In der Ukraine könne Xi beobachten, was passiert, wenn man auf dem Schlachtfeld versagt. „Die wichtigste friedenspolitische Aufgabe ist es nun, in effektive Abschreckung Pekings zu investieren.“ (Gregor Schwung, Welt)
Ich fürchte, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ist für den Westen und die Weltordnung generell wirklich nur eine Art Testlauf. Die wahre Herausforderung wird der Umgang mit China sein. Wenn Xi Jinping tatsächlich Taiwan überfallen sollte, haben wir ein ernsthaftes Problem. Und das scheint mit jedem Jahr wahrscheinlicher zu werden, weil Xi wie im Artikel beschrieben den Fokus Chinas von Wirtschaftswachstum zu Machtgewinn und Machtprojektion verschiebt. Dieser Wandel zu einem ideologisch getriebeneren Staat, den wir ja bei Putin über die Jahre ebenso betrachten konnten, kann eine gefährliche Eigendynamik entwickeln – und sorgt auch dafür, dass rationale Kosten-Nutzen-Kalküle eine bestenfalls untergeordnete Rolle spielen.
5) We have nothing to fear but (conservative) fear itself
If we’re talking about Big Five personality traits like neuroticism among liberals, the equivalent Achilles‘ heel for conservatives is their generally low score on openness to experience. This can be understood more easily as fear of new experiences, and conservative media is absolutely built on this. In fact, this is a common misconception about outlets like Fox News. They aren’t especially dedicated to radical politics. They’re dedicated to promoting specific issues that engage the amygdala and spur outrage born of fear. It’s no longer enough, for example, to think that high national debt is bad for economic reasons. Conservatives have been trained to be in desperate fear that the national debt will wreck the country. Likewise, they are afraid of immigrants. They are afraid of gay and trans folks. They are afraid their kids are being brainwashed in school. They are afraid liberals want to outlaw Christianity. Etc. They aren’t just opposed to liberals, they’re driven by intense fear of liberals. (Kevin Drum, Jabberwocky)
Oh mein Gott ist die These von „Neurotik“ für das progressive Spektrum als größtes Problem zutreffend. Da hat Drum auch noch letzthin ein gutes Beispiel mit dieser „feeling unsafe„-Epidemie gehabt. Wie jede Bewegung ermächtigt der Erfolg immer die Radikalen. Die Linken wären die erste Bewegung jemals, die mit Erreichen einiger Ziele Erfolg erklären und sich zufrieden geben würde. Das passiert nie; irgendetwas ist immer noch nicht ausreichend, irgendetwas muss immer beseitigt werden. Und dann kommt es zum overreach und backlash. Beide Phänomene konnten wir in jüngster Zeit bereits mehrfach sehen. Hillary Clinton scheiterte auch am backlash gegen #BlackLivesMatter, und sowohl Trump 2020 als auch die Republicans bei den Midterms 2022 wurden Opfer ihres eigenen overreach und des folgenden backlash. – Inhaltlich stimme ich Drum ansonsten zu.
Resterampe
a) Zutreffende Polemik auf die CSU.
b) Warum Israel keine Verfassung hat. Und noch was vom Verfassungsblog dazu.
c) Die FAZ hat von Justus Bender eine ausführliche Reportage über die Ähnlichkeiten von AfD und Sara Wagenknecht. Ich bin mir aber wie der Autor selbst auch nicht sicher, was daraus genau folgen soll – außer dass eine Wagenknechtpartei das Potenzial hat, die LINKE endgültig aus den Parlamenten zu kegeln, worüber Bender paradoxerweise gar nicht schreibt.
d) Diese Leute sind echt unglaublich.
e) „Niedrigste Komplexitätshürde“ trifft es.
f) Faszinierend, wie sich die öffentliche Meinung im Fall des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine durch die Regierungspolitik ändert.
g) Dieses Framing von wegen „Kriegswirtschaft“ ist echt absurd.
h) Wer sich für den Wirecard-Skandal interessiert, findet hier einiges dazu.
i) Interessanter Überblick über Melonis aktuelle Politik. Ich empfehle auch nochmal unseren Podcast dazu.
j) Interessanter Thread zu den Einsparmöglichkeiten von CO2 und den Kosten.
k) Obamacare bleibt Erfolgsstory.
l) Spannende Debatte zur „Öl“-Protestaktion der LastGen.
n) Kevin Drum hat einen Realitätsschock für das „Millenials geht es super schlecht“-Meme. It’s true as far as it goes, aber was er ignoriert ist der relative Verlust gegenüber der vorherigen Generation.
o) Der Verfassungsblog hat was zum chilenischen Verfassungsprozess, mag gewisse Leser hier interessieren 🙂
Zu 3) Praxisferne:
Du solltest bei Gelegenheit mal mit Realschülern aus den siebzigern sprechen. Die lerneten nicht „Mathe“, sondern „Rechnen“ – und sind genau damit bei Preis- oder „einfachen“ statistischen Interpretationsfragen Gymnasiasten nicht selten deutlich überlegen. Wo Mathe anfangt, wirklich abstrakt zu werden (irreale Zahlen, Differential- und Integralgleichungen, Matritzenrechnungen etc.) ist sie praktisch irrelevant und dient nur noch der Vorbereitung von MINT-Studiengängen.
Zu e)
Ach, tatsächlich? Die Bekämpfung von „Fatshaming“ (öffentlicher Spott über Dicke) war und bleibt ein nur kleiner Teil von „Fat Acceptance“, wo es darum geht, Fettsein als gesund, natürlich und erstrebenswert zu etablieren. Solltest Du das bestreiten, suche ich Dir gerne die entsprechenden Artikel in deutschen „Qualitätsmedien“ raus (SPIEGEL und ZEIT).
Zu i)Meloni and those around her will be able to move the axis of European politics at the next elections.
Was von der herbeiphantasierten „faschistischen Machtübernahme“ in deutschen „Qualitätsmedien“ übrig bleibt.
Zu m)
Erwin hatte hier ja schon entsprechende Kosten eingestellt. Die sich bei gleichzeitig energetischer Sanierung von älteren Häusern noch einmal verdoppeln würden. Das kommt bei vielen Hausbesitzern einer Enteignung gleich, aber hey, „langfristig rechnet sich das schon“. Gesellschaftlich vielleicht, individuell niemals.
Zu n)
Der „relative Verlust“ besteht in was genau?
Gruss,
Thorsten Haupts
@ Thorsten Haupts
Das kommt bei vielen Hausbesitzern einer Enteignung gleich, aber hey, „langfristig rechnet sich das schon“. Gesellschaftlich vielleicht, individuell niemals.
Energetische Sanierung lohnt sich – rein finanziell – im Vergleich zu einem langfristigen, breiten Börseninvestments tatsächlich nie. Und zwar nichts davon. Bzw. es würde sich nur bei stark steigenden Energiekosten lohnen, aber dank der kürzlichen Staatseingriffe wissen wir jetzt ja alle, dass Energiepreise noch politischer sind als gedacht und die Politik sie niemals so hoch steigen lassen werden, dass sie wirksame Verhaltensänderungen verursachen.
Wirklich gute Arbeit der Politik in der letzten Zeit. Not.
zu m)
Ich bin/war mir da selbst unsicher (und medial sind wir irgendwie jetzt eh schon bei: „jede Gasheizung ist 2024 verboten, und ob/wie das gefördert ist, weiß keiner“ angekommen)
Ich glaube, wir haben bei dem Thema ein zu großes Chaos zwischen übergeordneten Nutzen und individuellem Nutzen/Kosten. Mittlerweile bin ich da zu einem ähnlich radikalen Schluss gelangt wie bei kostenlosem Nahverkehr. Anstatt da ein Heiopei mit Bürokratie und zig Sachen anzufangen, soll der Staat halt Heizungen und/oder Solarpaneele vorschreiben und der Staat bezahlt das. Fertig. Ist über die KfW vermutlich leichter umzusetzen als das Wirrwarr heutzutage und auch nicht viel teurer.
@ Ariane
Dann wird alles noch viel teurer als ohnehin schon, und die Behörden würden es noch weniger schaffen.
Nein, am besten wäre auch heute, CO2 über ein konsequentes Cap&Trade-System zu bepreisen, alle anderen Förderprogramme und Pflichten abzuschaffen und alle Investitionsentscheidungen den Bürgern zu überlassen. Dann wäre der Nutzen jeder einzelnen Sanierungsmaßnahme für jeden sofort ersichtlich. Der Staat definiert sauber das Problem, der Markt findet einen Haufen Lösungen.
Der Nachteil wäre natürlich, dass es für sozial Schwächere kaum zu stemmen ist. Aber auch dafür sind gute Lösungen vorgeschlagen worden.
Nichts davon wird leider in Deutschland noch passieren. Es ist keine zielorientierte Politik mehr möglich.
Ich glaube nicht, dass es zwingend (viel) teurer oder gar komplizierter sein müsste. Mit der KfW steht das Instrument ja schon bereit und es wäre dann einheitlich.
Ich bin auch keine Freundin von „der Markt regelt schon“, schon gar nicht bei so einem Thema wie Energie. Da haben wir nämlich dasselbe wie jetzt in Grün, Energie gehört zur Daseinsvorsorge, genau deswegen kann die Politik auch nicht das Einsparthema über den Preis erledigen lassen, ohne regulierend einzugreifen. Auch die Armen brauchen Energie, auch die Reichen wollen nicht zuviel bezahlen und haben zudem die größere politische Macht, also stehen wir wieder vor demselben Problem. Entweder ist es so günstig, dass es schon wieder egal ist oder so teuer, dass komplizierte Hilfen notwendig sind.
Der Preis ist schon ein wichtiger Regulator. Den sollten wir unbedingt nutzen, weil alles sonst viel zu teuer wird. Und wenn das dazu führt, dass sich sozial Schwächere Energie nicht mehr leisten können, müssen wir eben unsere Sozialleistungen aufstocken. Das ist der Preis der Energiewende, aber der reale Preis.
Wir fahren heute genau die entgegengesetzte Strategie: Alles ist unglaublich kompliziert und niemand weiß mehr, was eigentlich wieviel kostet. Soziale Kosten stecken irgendwie in Energiepreisen drin, ohne dass irgend jemand sagen könnte, in welchem Ausmaß eigentlich. Beste Bedingungen für Ineffizienz, d.h. Verschwendung, d.h. verlangsamte Energiewende.
Grundsätzlich stimme ich dir zu. Ich denke auch, dass sich beides durchaus vereinen ließe.
Gut möglich, ja.
3) Genau. „Rechnen“ ist nicht Mathematik. Das sind zwei völlig unterschiedliche Paar Stiefel.
e) Ich bin überhaupt kein Freund von „fat acceptance“. Halte ich für einen kompletten Irrweg. Aber mir fehlen die Fachkenntnisse, um das laut in die Welt rauszuposaunen. Das ist eher mein Bauchgefühl (haha).
i) Ist dir das nicht zu billig?
n) Money!
Das ist eher mein Bauchgefühl (haha).
Mach eine Zeile für den Postillon-Newsticker draus. 🙂
Ah, gibt es natürlich schon:
https://www.der-postillon.com/2017/06/newsticker-1066.html
lol
Zu i)
Nö. Ich habe die apokalyptischen Vorhersagen einiger deutscher Journalisten noch gut im Ohr, ebenso die permanente Verwendung von „Postfaschistin“, ohne dass ich auch nur einen einzigen Beleg dafür gesehen hätte, dass sie etwas „Faschistisches“ getan oder gesagt hätte. Als teils Konservativer kenne ich DAS Spiel zur Genüge.
Jürgen Trittin (GRÜNE) übrigens war längere Zeit Maoist – was in meiner Negativ-Rangfolge mörderischer Ideologien schlimmer ist, als Faschismus – und wurde in westdeutschen Qualitätsmedien nicht ständig als „Postmaoist“ angesprochen. Doppelte Standards halt.
Zu n)
Die heute Jungen verdienen beim Berufseinstieg als Akademiker eher besser, als wir damals. Die meisten Konsumgüter sind relativ zum Einkommen billiger geworden (Gott segne den Kapitalismus). Einzige deutliche Verschlechterung ist die drastische Verteuerung von Wohneigentum – Dank dafür bitte an die EZB und die irrsinnige deutsche Migrationspolitik.
Gruss,
Thorsten Haupts
i) Sie hat echt genug Sachen in die Richtung gesagt; festgemacht wurde das meist am Verhältnis zu Mussolini, der ja wohl unbestritten ein Faschist war. Linken würdest du das nie und nimmer durchgehen lassen. Da musst du mit zweierlei Maß, aus ideologischer Nähe.
n) Ich verdiene deutlich schlechter als ihr damals. Und ich kenne das zur Genüge von anderen Akademiker*innen.
Zu n)
Ach ja? Das rechnen wir für Lehrer, verbeamtet, Single, Einstigesstufe A12 dann mal durch:
Jahresgehalt 1986: 40.840 DM oder 20.881 Euro
Jahregehalt 2021: 45.615 Euro
Inflationsrechner für Jahresgehalt von 1986 auf 2021:
20.881 entspricht nach Inflationsausgleich 37.807 Euro
Benutzte Quellen:
https://oeffentlicher-dienst.info/c/t/rechner/beamte/bund/
https://www.lawyerdb.de/Inflationsrechner.aspx
Nö, sorry Stefan, der Lehrer hat sich gegenüber 1986 um 7.800 Euro brutto verbessert.
Gruss,
Thorsten Haupts
Du Scherzkeks, genau deswegen spreche ich von relativ. Wer vergleicht denn absolute Zahlen? Ich sammle schon seit Längerem Material dazu, ich schau, dass ich endlich mal den Artikel geschrieben kriege, dann kann ich dir genauer aufzeigen, was ich meine.
Relativ also. Wenn sich eine Position relativ (im Vergleich mit anderen) verschlechtert, hat sich eine andere relativ verbessert. Unter dem Strich ein Nullsummenspiel, generational betrachtet?
Nein?
3) Gegenbeispiel: Was ist mit Wahrscheinlichkeitstheorie/Statistik ? Da haben Sie den fließenden Übergang von „Kochlöffelrechnen“ a la Würfeln und Urnenmodell über Bayes-Formel (ein unglaublich wichtiges „intellektuelles Werkzeug“) ,Verteilungen bis zur Testtheorie , und über die Schule hinaus Markov-Ketten, Martingale etc.
Die Umstellung auf die Ganztagsschule als Default würde ich ebenfalls sehr begrüßen – man muss sich aber klar machen, dass dies recht weitgehende Auswirkungen hat, die weit nur über das schulische hinausgehen. Die Schule wird dann zu DEM Bezugspunkt für junge Menschen, da die Ausdehnung der Zeit in der Schule die Zeit für andere Aktivitäten außerhalb der Schule auffrisst. So sind (Sport)- Vereine alles andere als begeistert von der Ganztagsschule. Es sei denn es gelingt uns diese Aktivitäten stärker in die Schulen zu holen. Dafür bedürfte es aber der entsprechenden Ausstattung, sofern es überhaupt räumlich (z.B. Sportplätze) und personell (bspw. Übungsleiter / Trainer / Betreuer) realisierbar wäre.
Als Schüler habe ich beide Welten erlebt und habe die Ganztagsschule mit integriertem AG Angebot (man war defacto von morgens um 09:00 bis Nachmittags um 16:00 Uhr) in der Schule als echt toll empfunden. Länder, die solche Strukturen fahren, haben aber nicht vergleichbare Vereinsstrukturen im Breitensport / Jugendarbeit wie wir Deutschen.
Als Ehrenamtler haben wir überlegt, die Jugendarbeit in die Ganztagsschule zu integrieren, scheiterte aber häufig an der zeitlichen Verfügbarkeit. Wir fanden niemanden, dem es möglich war um 15:00 Uhr eine Gruppenstunde anzubieten.
Völlig korrekt. Ich würde die Sportvereine auch in dieses System integrieren. Das könnte denen helfen. Denn das Personal haben wir aktuell eh nicht.
Als Ehrenamtler haben wir überlegt, die Jugendarbeit in die Ganztagsschule zu integrieren, scheiterte aber häufig an der zeitlichen Verfügbarkeit.
Sehr schöne Idee. Ist das denn rechtlich so ohne Weiteres möglich?
Naja, du musst schon einen Betreuungsvertrag und eine Haftpflichtversicherung für die Betreuer abschließen, aber die Probleme erschienen seitens des Schulträgers allesamt lösbar, das Problem war vielmehr die Verfügbarkeit der Ehrenamtlichen – gerade in der Jugendarbeit sind das ja auch häufig MEnschen im Alter zwischen 18 und 25 die als Schüler / Azubis / Studis unterwegs sind. Die zeitliche Flexibilität wie ich sie noch genießen durfte (bin geboren 1980), haben die jungen Leute heute vielfach nicht mehr.
Ja, das ist generell das Problem. Wir haben weniger Zeit als früher, sowohl die Kids als auch die Eltern. Und darunter leiden Vereine und Ehrenamt als erstes.
Wir haben weniger Zeit als früher
????? Den Nachweis dafür – nicht berücksichtigt die aussterbende Hausfrau – hätte ich ja zu gerne mal gesehen.
(3 – Mathematik in Deutschland)
Passend dazu hier ein erschütternder Ländervergleich Deutschland-Indien:
https://www.youtube.com/watch?v=GhmEYB3Kq-o
Man kann darüber streiten, ob die Situationen wirklich so gut vergleichbar sind, wie er behauptet, aber selbst mit sehr viel Fehlertoleranz bleibt eine beängstigende Diagnose.
Das wird gerade viel geteilt, ich bin noch am Recherchieren, wie das einzuordnen ist.
Zur Einordnung: der indische JEE Advanced ist eine absolute Elitenveranstaltung, bei dem gerade einmal 160.000 pro Jahrgang antreten und nur 1/4 besteht.
https://en.wikipedia.org/wiki/Joint_Entrance_Examination_%E2%80%93_Advanced
Polemische Sottise zur weiteren Einordnung: Man darf nicht die unterschiedlichen Bedingungen vergessen. Indien ist eine Hochkultur mit jahrtausendealter mathematischer Tradition, Deutschland ein barbarisches Waldgebiet, das in letzter Zeit ein paar gute Jahrhunderte hatte. 😉
So was in die Richtung habe ich mir schon gedacht.
(4 – China)
Ich fürchte, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine ist für den Westen und die Weltordnung generell wirklich nur eine Art Testlauf.
Der Westen muss militärisch stärker sein als die Autokratien. Ich hoffe, dass das jetzt auch beim letzten Friedensbewegten mal ankommt. Unsere Wohlstandsverwahrlosung hat dazu geführt, dass wir alles für selbstverständlich halten, selbst unsere Freiheit.
Und ja, es ist gar nicht mehr so selbstverständlich, von „dem“ Westen zu sprechen. Im schlimmsten Fall kann nach der nächsten US-Präsidentschaftswahl schon alles vorbei sein, weil Europa allein natürlich eine Karnevalstruppe ist.
Rüstungsimperialismus check, Kanonenbootpolitik check, Bürde des weißen Mannes check, Wehrertüchtigung check. Bingokarte voll, Schlüsse kannst du selber ziehen.
Wenn Du „des weißen Mannes“ durch „der liberalen Demokratien“ ersetzt und rhetorisch noch einen Gang runterfährst, kommen wir zusammen, würde ich sagen.
Halber Weg: „Christliches Abendland“ ?
Off-topic und auch etwas paradox, aber ich fand ja das Christliche Abendland nicht besonders christlich, als es noch überwiegend christlich war. 🙂
Hatten halt eine sehr archaische Auffassung von „christlich“. Jungkonvertierte Barbaren.
Ja.
1)
Wir hatten das ja neulich am Beispiel von Märchen, wovon heute nur noch die Disney-Versionen bekannt sind. Find ich ne gute Lösung.
Oder wie beim „fliegenden Klassenzimmer“, das einfach alle 20 Jahre oder so modernisiert wird. Das hab ich (sogar noch sehr jung) im Original gelesen und da bräuchte man heute auch zig Erklärungen, einfach weil die Wörter/Umstände nicht mehr gebräuchlich sind. Diese lateinischen Bezeichnungen, Externer, Sextaner, Quintaner, Herthaner usw.
Genau wie die Mädchen/Jungen-Trennung und die Prügeleien schon arg in die Jahre gekommen sind. Jetzt oder bald soll ein neuer Film rauskommen, der in Berlin spielt und ein Mädchen in die Hauptrolle setzt, da bin ich ganz interessiert, wie die Umsetzung ist.
2/3)
Ja erstmal, zur Ganztagsschule. Das Wichtigste, ist die Schüler überhaupt zu befähigen, da ohne irgendwelche externe Hilfe durchzukommen. Und nicht als Feature vorauszusetzen, dass da schon Eltern oder sonstwer/was mithelfen und wer das nicht hat, bleibt eben auf der Strecke.
In puncto Aussieben fehlte mir im letzten Vermischten übrigens auch noch der individuelle, psychologische Effekt. Scheiß doch auf die Volkswirtschaft, hier sind ja nicht nur Wirtschaftsanwälte unterwegs^^
Und wenn das nicht so en vogue wäre, Kinder und Jugendliche auszusieben und zu demotivieren, würden wir heutzutage bestimmt alle weniger mit Achtsamkeitsübungen & positiv-denken genervt.
Zu Mathe generell:
Absolute Zustimmung zum Praxisaspekt. Und zu Thorstens Beitrag, Real- und Berufsschulen haben sehr viel praktischere Anwendungen für Mathe. Hab auch nie verstanden, warum das bis ins Abitur Pflichtfach war, weil man dann einfach in Bereichen ist, in denen man das wirklich nur noch in absoluten Spezialberufen braucht und null Bezug zur Realität hat.
Zumindest eine Unterteilung in hochkomplexe Mathematik und Rechnungswesen wäre vernünftiger.
A propos: Ich mach ja gerade ne kaufmännische Umschulung und selbst wir haben ein bisschen das Problem (obwohl wir nur rechnen und nicht so hochkomplexes Zeug machen).
Aber man fängt erstmal an mit schriftlich Plus, Minus, Mal, geteilt. Sollte man vielleicht noch dunkel wissen, macht aber logisch keiner mehr, allein weil die Fehlerquote zu hoch ist. Und im Gegensatz zu dem, was uns früher erzählt wurde, hat man tatsächlich einen Taschenrechner in der Hose^^)
Nun dürfen wir einen Taschenrechner nehmen (und scheitern allesamt auf der Suche nach der Speichern-Taste), aber auch das ist ja nur ein Zwischenschritt, weil auch niemand sich mehr hinsetzt und ne Buchführung mit Papier und Stift macht. Im Grunde rechnet man ja gar nicht mehr, sondern Excel oder das Programm rechnet. 80% des Faches sind eigentlich ein bisschen überflüssig (wo man denn was eingibt, damit das Programm rechnet, ist nämlich ein eigenes Fach!)
Die Grundlagen sollte man natürlich wissen, aber mir persönlich ist in so einer Umschulung zu lang, bis man an die wirkliche praktisch angewendete Fähigkeit herankommt.
1) Ich kenne weder das Original noch eine Überarbeitung. Kästner ist komplett an mir vorbeigegangen, auch mit Emil und den Detektiven und so. Ansonsten Zustimmung.
2/3) Völlig bei dir.
Kästner ist komplett an mir vorbeigegangen
Sakrileg! (obwohl ich Emil und die Detektive auch nie gelesen hab^^)
1) Zur Sprache: Neue Begriffe sind bei einer Geschichte durchaus ein Mittel eine Atmosphäre herzustellen, die die ‚fremde Welt‘ betont. Ich möchte an eine andere Schulgeschichte erinnern, wo komplett neue Worte vorkommen: Muggel, Quidditch, Horcrux…
Aber einen Fußball-Bonus möchte ich dir für den eingeschmuggelten „Herthaner“ geben. Ich habe sehr darüber gelacht.
Korrekt.
Sehr schön, dass der eingeschmuggelte Herthaner bemerkt wurde 🙂
Mit der Sprache hast du natürlich recht, deswegen gibts da ja einen Harry Potter aus dem Muggel-Haushalt, damit das alles einmal erklärt wird. Man müsste beim fliegenden Klassenzimmer also quasi einfach einen Zeitreisenden einführen. Ginge auch, würde genauso funktionieren und hätte den Charme, dass man weniger an der eigentlichen Geschichte herumfummeln müsste.
Kästner hat da ja auch sehr zeitlos geschrieben und eine Übertragung ins Moderne muss ja auch nicht sein, denn lustigerweise durch die ganzen Disney- und andere Vereinfachungen alter Klassiker sind Kinder ja sehr an so altmodische Settings gewöhnt^^
Kommt immer drauf an, worin das Altmodische genau besteht. Ist es quasi nur window dressing – Prinzessin hier, Ritter dort – oder ist es tiefgreifender, in Normen, subtilen Unterschieden? Dann wird’s stressig. Denn Prinzessin Anna und Königin Elsa sind ja moderne Menschen, die Dress Up spielen. Die sind uns WESENTLICH näher als der Neuzeit. Ein nicht upgedateter Kästner aber kann diverse Fallstricke aufweisen, weil die Weimarer Republik halt alles ist, aber nicht „modern“. Siehe auch Babylon Berlin: das ist ja auch nur Cosplay.
Zur Einordnung : Die Protagonisten von ‚Das fliegende Klassenzimmer‘ sind um die 14 (Tertianer). In der Größenordnung ist das auch etwa das intendierte Zielpublikum Kästners gewesen.
Aber dein ‚Cosplay‘ Argument ist doch der beste Grund, keine Änderungen am Werk durchzuführen, damit die andere Wirklichkeit nicht verwässert wird. Diese Wirklichkeit besteht eben nicht nur aus Unterschieden, sondern auch aus der Gemeinsamkeit des Verständnisses für andere Lebenswelten und (hochtrabend) universeller Werte. Bei einem Buch, das in der Mongolei spielt, erwartest du ja auch, eine grundsätzlich andere Wirklichkeit kennenzulernen.
Ein interessanter Hintergrund noch zur ‚unmodernen‘ Zeit. „Das fliegende Klassenzimmer“ erschien 1933 als die geschichtlichen Umstände dafür gesorgt haben, dass diese Welt in der das Buch spielt, bald der Vergangenheit angehört. Es erschreckt ein wenig, wenn man sich fragt, wie es mit den Kindern in den nächsten 12 Jahren weitergeht.
Jepp, wie gesagt, ich würde das Ding auch nicht umschreiben.
Zustimmung zum interessanten Hintergrund.
Ich würde gerne mal eine Lanze für die Wichtigkeit von Mathematik als Unterrichtsfach brechen – sicherlich ist Mathe ein Schulfach, dass in meinen Augen (und auch aus eigener Erfahrung) absolut mit dem Lehrer steht und fällt, mehr als jedes andere Fach. Da die Inhalt auch in Teilen aufeinander aufbauen, ist ein mangelndes Mathematikverständnis eine Schuld, die Du die ganze Schulzeit mit Dir herumträgst.
Ich würde aber davor warnen wollen, die Qualität des Matheunterrichts herabzusetzen, oder auf Rechnen zu fokussieren. In einem guten MAtheunterricht, lernst du rechnen, aber viele weitere Inhalte, die wichtig sind (nicht nur in MINT Berufen). Du lernst Grundbegriffe der Statistik / Stochastik , wie Du Datenmaterial sinnvoll aufbereiten und welche Tücken Schaubilder haben können, die Geometrie ist wichtig für dein räumliches Verständnis, die Algebra hilft Dir auch etwas aufwändigere Berechnungen durchführen zu können, du verstehst wie Gleichungen funktionieren (lernen mit Unbekannten umzugehen). Nicht zuletzt schult die Analysis Dein Verständnis für Komplexität.
Es wäre daher sehr wichtig, die Qualität des Mathematikunterrichts zu verbessern, in dem man die Lehrkräfte entsprechend befähigt. Die Vermittlung komplizierter abstrakter Zusammenhänge erfordert besondere Menschen die Spaß daran haben, Menschen denen diese Welt häufig fremd ist, dafür zu begeistern. Dabei gilt es die unterschiedlichen Lerntypen anzusprechen.
Ich war als Schüler nicht gut in Mathe und habe in 13 Jahren Schule nur einen guten Mathelehrer erlebt (den ich auch nur ein halbes Jahr hatte). Gut deswegen, weil es eine Lehrkraft war, die nicht Mathe als Friss oder Stirb-Fach begriff, sondern sich auf unterschiedliche Lerntypen eingelassen hat. Letzlich habe ich erst im Studium Zugang zu Mathe gefunden, einfach weil ich einen fantastischen Professor hatte, der Verständnis für uns arme NRW-Mathe-Schlechtvertstehern hatte und die Gabe besaß, uns Mathe so zu vermitteln, dass wir die Lücken aufholen und endlich verstanden. So eine Lehrkraft in der Schule hätte mir (und vielen Mitschülern) viele Probleme ersparen können.
Ich will gar nicht gegen Mathe als Fach argumentieren. Ich argumentiere gegen Mathe als Pflichtfach. Aber dasselbe würde ich auch für meine eigenen Fächer tun.
4)
Ja. Russland ist auch ein gutes Beispiel. Das Problem scheint mir aber viel genereller zu sein. Das haben wir ja sogar schon vor dem 1. WK, als die Handelsbeziehungen so eng wie vorher nie waren. Krieg ist nun mal keine rationale Entscheidung, mindestens seit den Volksarmeen nicht mehr. Dann hätten wir sofort Frieden auf Erden, wenn das objektiv und rational entschieden würde.
Aber das hängt immer mit Ideologie zusammen und es ist mir auch schleierhaft, warum das bei China, Russland und überhaupt so abgetan wird. Oder selbst die Ideologie noch versucht wird zu rationalisieren. Bei Putin wars ja irgendwie dann beides zugleich. Genialer rationaler Stratege und die Ideologie quasi als Opium des Volkes. Und bei Start der Invasion ist man ins nächste Extrem gefallen und hat ihn von heute auf morgen für „komplett durchgeknallt“ erklärt. Womit man sich mit dem ideologischen Unterbau dann auch nicht mehr beschäftigen muss, weil er als komplett Irrer abgetan werden kann. Halte ich für einen sehr gefährlichen, blinden Fleck.
@ Ariana
Und bei Start der Invasion ist man ins nächste Extrem gefallen und hat ihn von heute auf morgen für „komplett durchgeknallt“ erklärt.
Hat das irgend jemand getan?
Ja doch, war schon ne häufige Aussage (natürlich etwas netter formuliert), sowohl in Medien als auch in Interviewaussagen. Entweder Stefan und ich oder noch jemand hatten das auch mal in einem Podcast gestreift.
Es gab ja auch durchaus wirre Aussagen aus Russland nach dem Motto „der verweichlichte Westen ist von Satanismus durchzogen“. Nur: Meiner Meinung nach ist es weder Rationalität noch komplette Geistesverwirrung, dazwischen liegt sehr sehr viel Ideologie und die wird sehr häufig außer Acht gelassen.
Hm, hab ich bestenfalls als Randmeinung wahrgenommen. Klar, was dort in Talkshows gesagt wird, ist teilweise wirklich komplett bekloppt. Aber Putin selbst wird doch klar als jemand dargestellt, der sich in eine Sackgasse manövriert und keine Optionen mehr hat.
Korrekt.
1) Das letzte, was ich zur Dahl Sache gelesen hab (in Print, daher kein Link), war genau das. Die Originale werden als Penguin Classics vertrieben und parallel gibt es Kindereditionen.
1) Sag ich ja. Sturm im Wasserglas, mal wieder. Die Cancel-Culture-Debatte dreht sich nur um sich selbst.
Dass die Werke nun auch wieder im Original vertrieben werden hatte ich in der Diskussion vor ein paar Tagen bereits erwähnt und verlinkt.
Aber, so weit ich das verstehe kam die Ankündigung als Reaktion auf die Debatte. So gesehen hatte sie durchaus einen Effekt und drehte sich nicht nur um sich selbst. Zumindest von denen, denen wirklich etwas am Werk lag.
Sturm im Wasserglas ist das natürlich immer, wenn es nur um ein paar (Kinder)Bücher geht. Aber nach dem Maßstab ist sehr vieles was, auch hier, diskutiert wird irrelevant. Damit wird das zu einem Totschlagargument.
„Eigentlich ist das alles eine Nulldebatte: würde man einfach Kinderversionen von Dahls Werken mit großem Aufkleber auf dem Cover „kindgerechte Sprache“ oder so was anbringen (…) hätte sich das Problem völlig.“
Jein. Denn viele der Änderungen die Du hier unter kindgerechte Sprache fasst sind „so ein Blödsinn.“ (Zitat Stefan Sasse). Und blödsinnige Änderungen kann man durchaus problematisieren, egal ob sie nun aus scheinbar kindgerechten, antirassistischen oder anderen Motiven geschehen.
Ah ok, diese zeitliche Abfolge war mir nicht klar. Aber trotzdem haben wir in der Sache ja keinen Dissens.
Natürlich auch wahr.
Klar kann man das! Aber halt nicht als „Zensur“ oder „woke Diktatur“ oder was auch immer da kommt. Weil da geht es ja nicht um die Qualität der Änderungen, sondern Änderungen, period. Und damit ist die Debatte auch vorbei. So fair das anzuerkennen musst du schon sein.
So was sage ich auch nicht und verteidige solche Aussagen auch nicht. Sich an Idioten bzw idiotischen Kommentaren aufzuhängen ist so einfach wie fruchtlos.
In den vernünftigen Kommentaren wurde eben sehr wohl die Qualität der Änderungen kritisiert. U.a. von dir und mir zitiert. Daher hatte ich ja die „Blödsinn“-Beispiele.
Dass es nur um Kinderbücher gehe; ist übrigens auch falsch. Siehe z.B. hier:
https://variety.com/2023/film/news/james-bond-novels-edited-racism-1235536164/
Meine Position ist konsistent: ich finde die Änderungen genauso doof wie dieses Auf-den-Sockel-stellen des alten Krams.
Ja, sehe ich auch so. Ich finde, dass es bei Dahl viel zu viel des Gut(gemeint)en war. Bei Lindgren und Preußler hingegen, wo das N-Wort und wenig mehr ersetzt wurde, sollten die Leute die sich aufgeregt haben wirklich mal lang und gut im Spiegel betrachten.
Exakt. Da kommen wir 100% zusammen.
1) Mir ist es nicht ganz schlüssig , warum du die „Kinderkultur“ so gering schätzt. Was zeichnet Juli Zeh aus, dass ihre Werke als Kulturgut geschützt sind, während Hans Christian Andersen ruhig von der medialen Verwertungsmaschine bearbeitet werden darf ?
Dazu passend fragt auch niemand nach dem, was die „Zielgruppe“ möchte, sondern in letzter Konsequenz diskutieren zwei privilegierte Gruppen über deren Köpfe hinweg. Hierzu eine ‚ethnologische‘ Beobachtung: Kinderkultur ist sehr konservativ. Manche Kinderreime gehen bis ins Mittelalter zurück – rein durch mündliche Überlieferung.
2) Ohne trollen zu wollen, echtes Interesse: Gibt es eigentlich gute Untersuchungen, dass Ganztagsschulen helfen, soziale Unterschiede auszugleichen oder ist das eine dieser ‚Ist doch klar!“ Aussagen, die man mit hohem Misstrauen betrachten sollte?
3) Wenn du über die Schule hinausblickst, ist Mathematik auch eines der Studienfächer mit der höchsten Abbrecherquote und der Hauptgrund, warum Naturwissenschaften und Ingenieurstudiengänge eine so hohe Abbrecherquote haben. Und hier hast du doch einen Widerspruch, wenn ausgerechnet das Schulfach mit dem hohen Selektionsdruck am wenigsten ‚Hochschulreife‘ erzeugen kann.
4) Gegenthese: China fordert das „Geschäftsmodell“ des Westens heraus, weltweit Konflikte anzustacheln (die natürlich überhaupt keine Stellvertreterkriege sind), indem es Druck ausübt, diese zu beenden – wie zum Beispiel hier:
https://www.sueddeutsche.de/politik/saudi-arabien-china-iran-1.5767413
5) Ich bin sehr misstrauisch, wenn gesellschaftliche Gruppen (auch politische Milieus gehören dazu) pauschal mit Persönlichkeitsmerkmalen charakterisiert werden. Viel zu häufig und einfach ist das nur ein Verbrämen von Vorurteilen.
g) Ich kenne keinen anderen Wirtschaftszweig, der für sich einen festen Mindestanteil an der wirtschaftlichen Gesamtleistung fordert (selbstverständlich finanziert aus Steuermitteln).
Aber schauen wir uns mal ein paar Symptome an:
– Kriegskredite
– Inkaufnahme von Hochinflation
– Ersatzbeschaffung von relevanten Rohstoffen
– Bevölkerung wird zum Rohstoffsparen angehalten
1) Das hat nichts mit Geringschätzung zu tun, das ist eine Copyrightfrage. Andersen darf bearbeitet werden, Zeh nicht.
2) Sehr gute Frage!
3) Ich sag ja, das Fach ist total kaputt.
4) Einfach: nein.
5) Sicher richtig.
1) Sorry, aber dann hast du dich sehr missverständlich ausgedrückt:
„Denn ich unterschreibe jederzeit alles, was Minkmar hier sagt, für die Kultur. Nur: niemand erstellt Neuausgaben für Goethe, Hauptmann oder Juli Zeh, die irgendwelchen Sensibilitäten angepasst wären.“ stellt klar, dass diese Autoren ‚richtige Kultur‘ sind.
„Von „Pippi Langstrumpf“ bis „Charlie und die Schokoladenfabrik“ bezogen sich die Maßnahmen auf Kinderbücher.“ … also sind die etwas anderes, nämlich „eben durch Alter, Nostalgie und literarische Qualität in einen merkwürdigen Graubereich gesunken, … “ also eher weniger ‚kulturwertig‘.
Zum Ende hast du nochmal klargestellt, dass „immer noch als Kinderbücher gehandelt…“ bestenfalls mit der richtigen Patina „irgendwie auch schon zum kulturellen Erbe gehören“ kann.
3) Vielleicht ist der wichtigste „kaputt“ Aspekt die Kompromisslosigkeit, man kann hier nicht ‚verhandeln‘, sondern es gibt nur ‚kann es lösen‘ oder ‚Kann es nicht lösen‘. [Die dritte Variante ‚Ich erfinde Werkzeuge, mit denen sich das Problem lösen lässt.‘ sei den Spezialisten überlassen]. Und diese Kompetenz, ein ‚unnachgiebiges‘ Problem zu lösen, ist etwas, was nur in MINT-Fächern geübt wird.
1) Ah ok, verstehe das Problem. Ich hätte Anführungszeichen nutzen müssen. My bad.
3) Wäre schön, wenn das passierte, aber die Realität in den MINT-Fächern der Schule sieht leider auch anders aus 🙁
3) Wobei der Unterschied zwischen Schulmathematik und Uni ja auch riesig ist; weiter oben schreibt Torsten ja, dass man (frueher?) an der Realschule Rechnen gelernt hat und am Gymnasium Mathe; ich wuerd sagen, dass auch Oberstufen Mathe noch Rechnen ist. Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass Beweise jemals in Klausuren vorkamen, es ging immer um konkrete Probleme.
Korrekt, das kritisieren Mathematiker*innen ja auch immer wieder.
Jein: Hier beißt sich der Wirklichkeitsbezug in den Schwanz. Schulmathematik wird nicht betrieben als Kunst um ihrer selbst willen (was die höchste Auszeichnung für reine Mathematik ist) sondern weil es diese Mathematik ist, die die physische Wirklichkeit bestimmt – in der Theorie. In der Praxis sind so viele Faktoren involviert, dass die Rechenaufgaben auch für Gymnasiasten in stark vereinfachten Bedingungen stattfinden. Und dadurch kommen Realitätschimären heraus wie „Gegeben sei eine punktförmige Kuh im Vakuum…“
Es ist ja dieser Unterschied zwischen anwendungsbasierter Mathematik in der Schule und der reinen Mathematik an der Uni, der fuer die hohen Abbrecherquoten sorgt; auch unter Leuten, die an der Schule gut in Mathe waren.
Wuesst jetzt aber auch nicht, wie man dem beikommen koennte; schon in der Schule mehr reine Mathematik wuerde vielleicht mehr Leute abschrecken als durch eine bessere Vorbereitung nicht abbrechen. Im Endeffekt hast du dann vielleicht ne geringere Abbrecherquote aber absolut weniger Absolventen.
l) Ein kleiner Nachgedanke: Das Grundgesetzdenkmal stellt die Artikel 1 bis 19 in der klaren Fassung von 1949 dar. Die Farbe lässt sich abwaschen, die Textänderungen seitdem bei Art 13 (Asylrecht) und Art 16 (Unverletzlichkeit der Wohnung) nicht. In diese Richtung sollte vielleicht mal über „Schändung“ und „Attacke“ nachgedacht werden.
Generell wäre ein Nachdenken über den Inhalt sinnvoller als über die Form, wie Ariane und ich im Podcast ja auch gesagt haben.