Die Deutschen haben ein gestörtes Verhältnis zu Unternehmertum, wirtschaftlichem Risiko und Kapitalanlagen. Zehn Jahre Minuszinsen und außerordentlich soziale Familienunternehmen sorgten für keinen Mentalitätswandel. Für jeden Ökonomen, der sich noch eine gewisse Nüchternheit bewahrt hat, ist längst klar, dass der deutsche Staat sich in seinen Aufgaben überdehnt hat. Nichts bekommt dieser Staat noch solide auf die Kette, Gesetzesaktivismus ersetzt dabei fachliche Kompetenz und füllt die Leere in den Bürostuben. Ein Drittel der deutschen Grundschüler besitzt keine Mindestkompetenzen in Lesen und Rechnen, mehr als die Hälfte der unter Vierzigjährigen will nicht Vollzeit arbeiten. Das mögen alles gute Grundlagen für ein geruhsames Leisuretime-Leben zu sein. Wirtschaftlicher Wohlstand lässt sich auf diesem Wege nicht erreichen. Bis hin zu den Beamten beim Bundesrechnungshof wird der Ökonomenzunft und insbesondere Unternehmern angst und bange um dieses Land. Fast vierzig Prozent der Erwerbsbevölkerung werden in den nächsten fünfzehn Jahren in den Ruhestand entschwinden und damit die wirtschaftliche Basis nachhaltig erschüttern. Die Dramatik der Lage ist inzwischen sogar in der Politik angekommen. Wenn ein Olaf Scholz, der maßgeblich an der Einführung der Frührente, vulgo Rente mit 63, beteiligt war, nun deren Auslaufen fordert, wenn selbst ein Linker wie Kevin Kühnert Sorgen um den Standort artikuliert, dann ist die Botschaft selbst bei politischen Hasardeuren angekommen.
Allein, dieses Land hat sich längst davon verabschiedet, auf Erkenntnisgewinn mit strukturiertem, mutigem Handeln zu reagieren. So diskutieren deutsche Politiker, Ökonomen und Wissenschaftler seit gefühlt einem Jahrhundert über eine stärkere Substanzierung der staatlichen Rente durch Kapitaldeckung. Eigentlich ist der Befund klar und eindeutig. Spätestens in den Achtzigerjahren hat die Erkenntnis Einzug gehalten, dass die Erwerbsbevölkerung schrumpfen wird. Ein System, das darauf baut, alte Menschen per Umlageverfahren durch die Aktiven zu finanzieren, bekommt automatisch Probleme. Das wusste schon jemand mit Kenntnis der Grundrechenarten der Grundschule Sauerland. Aber, siehe oben, mit den mathematischen Fähigkeiten ist es ja nicht so gut bestellt.
Kein anderes entwickeltes Land setzt so stark wie wir auf ein staatliches Umlagesystem ohne jede Kapitalunterlegung, vielleicht mit Ausnahme der uns kulturell am nächsten stehenden Österreichern. Das Ergebnis ist genauso eindeutig: Das deutsche System der Altersvorsorge ist eines der teuersten der Welt, bei den Kosten liegen wir weit im oberen Drittel. Ganz anders das Bild bei der Ertragskraft, hier erhalten die deutschen Rentner relativ wenig und liegen im unteren Drittel mit ihren Alterseinkünften.
Doch die Konsequenz der meisten aus diesen Fakten ist: Wir brauchen mehr in ein System, das eine miese Rendite erbringt. Doch Rendite lässt sich nicht steigern, wenn man die Kosten erhöht, aber die Erwartung an den Ertrag höchstens linear zum Einsatz steigt. Bestenfalls. Aber Fakten haben uns Deutsche noch nie überzeugt, mehr dazu weiter unten.
Der Konstruktionsfehler der Aktienrente
Als die Europäische Zentralbank die Zinsen anfing zu drücken entstand die Idee, mit dem gesparten Geld des Staates für Zinsen Aktienspekulation zu betreiben. Es ist ja auch zu verführerisch, wenn der Staat sogar Zinsen für seine Schulden erhält, was läge da näher als die Verschuldung auszuweiten und damit so Vernünftiges anzustellen wie Investitionen zu tätigen oder auch nur die Altersvorsorge zumindest ein bisschen auf Kapitaldeckung umzustellen? Leider mag niemand die Widersprüche erkennen. Schulden schaffen kein Kapital, schon gar nicht als Automatismus. Zwischenzeitlich steigen die Zinsen weltweit ziemlich zügig, weil sich die Theorien über gedrucktes Finanzkapital, das zu Sachkapital destilliert wird, nicht bewahrheiteten. Und dann ist der politische Ehrgeiz gebremst.
Der Staat will mit einem Anlagenkapital von 10 Milliarden Euro, kreditfinanziert, starten. Das ist lächerlich gering, wenn man sich die Dimensionen betrachtet. Allein die Ausgaben der Deutschen Rentenversicherung steigen jährlich um 12 Milliarden Euro, sie beliefen sich im Jahr 2021 auf knapp unter 350 Milliarden Euro. Hinzu kommen rund 70 Milliarden Euro für die Pensionen von Beamten. Beide Zahlen explodieren derzeit geradezu. Die Aktienrente ist da nicht einmal der Ansatz eines Systemwechsels. Dabei ist Christian Lindner zugute zu halten, dass er mittel- und langfristig einen dreistelligen Milliardenbetrag bereitstellen will. Nur, politisch ist das nicht annähernd durchsetzbar, denn zu den Mittelumschichtungen ist die Gesellschaft nicht bereit.
Nur in einem so staatsverliebten Land wie Deutschland kann man auf die Idee verfallen, aus Schulden Kapitalvermögen generieren zu wollen. In den Nullerjahren versuchten das die hiesigen Kämmerer der Städte und Kommunen. Mit der Finanzkrise endeten sie in der Überschuldung, weil super-schlaue Finanzartisten meinten, eine Anlage in einem überhitzten Immobilienmarkt sei eine geniale Idee. Genialer Plan.
Ein Buchhalter als Idol
Der Name Mackenroth erlebte hierzulande einigen Ruhm. Der (natürlich deutsche) Ökonom stellte im Strom der Einführung der gesetzlichen Umlagerente durch Kanzler Adenauer die These auf, dass eine Altersvorsorge keiner Kapitalfundierung bedürfe. Interessanterweise löst Mackenroth heute große Begeisterung aus, wo die Geschichte der Umlagerente eigentlich zeigt, dass der Staat permanent mit Gesetzen und Steuern intervenieren muss um das System am Laufen zu halten. Ein Erfolgsausweis sieht anders aus. Aber Mackenroth passt noch aus anderen Gründen wie die Faust aufs Auge zur deutschen Mentalität.
Seine Theorie basiert auf einer buchhalterischen Interpretation von wirtschaftlicher Entwicklung. Das ist zumindest originell, denn Prosperität hat gar nichts mit Buchhaltung zu tun. Niemand außerhalb unserer Grenzen konnte sich für den Buchhalter begeistern, alle anderen OECD-Länder hielten den Verzicht auf Kapitalunterlegung der Altersvorsorge für keine gute Idee. Heute jammern deutsche Sozialpolitiker über die geringen Renten. Auf die Idee, Buchhalter zu Anführern zu machen, kommen eben nur die Deutschen.
Auch Basiskenntnisse über die Funktionsweise der Wirtschaft sind zwischen Flensburg und Bodensee nur rudimentär ausgeprägt. Wir hören Kapital und denken an Geldscheine aus den Tresoren der EZB. Tatsächlich gliedert sich der Begriff in drei Kategorien, die miteinander in Beziehung stehen, aber für sich bedeutsam sind.
1. Finanzkapital
Den meisten am geläufigsten ist das Geldkapital. Es ermöglicht den Einsatz von Kapital für Investitionen und im Produktionsprozess und erleichtert den Einsatz dort, wo Kapital am produktivsten ist. Anders als viele meinen lässt sich Finanzkapital jedoch nicht beliebig schöpfen, z.B. durch die Computer der Notenbanken. Geld braucht immer einen Bezug zum Sach- oder Realkapital einer Volkswirtschaft. Löst sich der Zusammenhang auf, inflationiert das Geld. Das Finanzkapital bleibt gleich, es verändert sich nur im realen Wert.
2. Sachkapital
Der Klassiker der Kapitaltheorie. Unternehmer bauen einen Kapitalstock aus Maschinen und erwirtschaften so Wohlstand. Doch seine Bedeutung ist im Schwinden begriffen.
3. Human Kapital
Massiv an Bedeutung gewonnen hat das Humankapital, das Wissen von Mitarbeitern, Management, Wissenschaft, Patenten, Lizenzen usw. Die Bilanzen von Unternehmen bestehen heute immer weniger aus Grund und Boden sowie Sachanlagen, sondern hauptsächlich aus Forderungen und angearbeiteten Aufträgen.
Menschen schaffen heute hauptsächlich Werte. Verliert ein Unternehmen seine wichtigsten Mitarbeiter, ist selbst ein mit vielen Millionen bewerteter Konzern nur noch eine Klitsche. Die Profitabilität, die die Menschen in Unternehmen schaffen, ermöglicht erst eine hohe Bezahlung und die Anwerbung weiterer, hochqualifizierter Mitarbeiter. Der Versuch, mit Geldkrediten neue Mitarbeiter zu werben und zu bezahlen, führt dagegen in die Insolvenz. Im Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung ist Kapital knapp, wir haben von allem zu wenig.
Kapitalmarkt ohne Grenzen
Die zentrale Frage, die in den letzten Tagen im Blog aufgeworfen wurde, war: Kann die Wirtschaft überhaupt so viel (Finanz-) Kapital vertragen? Nachdem die Frage nach dem Sinn und Unsinn der kreditfinanzierten Kapitalbildung geklärt wurde und die wirtschaftliche Bedeutung der politischen Absicht einer Aktienrente eingeordnet wurde, wenden wir uns mangels Masse dem Grundsätzlichen zu.
Selbst Konservative beschäftigen sich auch an dieser Stelle lieber mit Theorien statt Fakten. Kann eine Volkswirtschaft so viel Kapitalzufuhr vertragen, dass es für auskömmliche Renten reicht? Für einen Ökonomen erscheint allein die Frage abstrus, Mackenroth hin oder her. Nehmen wir dazu das Beispiel Blackrock. Der US-amerikanische Investitionsgigant verwaltet über 10 Billionen Dollar Anlagevermögen. Das ist die Hälfte des deutschen Kapitalstocks. Blackrock hat keine Probleme, mit hohen Renditen zu investieren. Dabei legte die Aktie trotz Wirtschaftskrise binnen fünf Jahren um 50 Prozent zu. Zum Vergleich: Die deutsche Eckrente stieg im gleichen Zeitraum, mit Pufferung durch Steuern, um gerade 17 Prozent. Das ist Armut per System.
Vor allem nutzen die Manager das, was Kapitalanlagen heute ausmachen: sie gehen in die Märkte, die Wachstum und Profitabilität versprechen. Ein Land, das rasant altert, eine stark schrumpfende Erwerbsbevölkerung besitzt, wenig Innovationskraft aufweist, von Technologien aus dem 19. Jahrhundert lebt und nur einen überschaubar intelligenten Nachwuchs besitzt, täte gut daran, sein aufgebautes Vermögen jenseits der Grenzen zu investieren. Amerikaner besitzen mehr wirtschaftliche Kompetenz. Ihre Investitionen in Deutschland und Europa schrumpfen dramatisch.
Der Kern von Prosperität
Überhaupt unterliegen die Deutschen auch bei Kapitalanlagen einem fulminanten Irrtum, der aus ihrem Buchhalterdenken resultiert. Die meisten glauben – und das zog sich auch durch die Argumentation der letzten Tage – Unternehmen müssten mehr Gewinn erwirtschaften, damit die Renten bezahlt werden könnten. Doch nur Kleinanleger schielen auf die jährliche Dividende, Profis schauen auf die langfristigen Entwicklungsmöglichkeiten. Die Dividende macht nur einen sehr geringen Teil der Vermögensentwicklung einer Kapitalanlage aus.
Anleger werden vermögend und reich durch die Wertsteigerungen ihrer Investments. Und Werte werden durch Know-how und Wissen geschaffen. Nicht durch Grund und Boden, und nicht mehr durch den Kauf von Maschinen. Die Börse ist dabei unerbittlich. Unter den 200 wertvollsten Unternehmen der Welt befindet sich kein einziger deutscher Konzern. Das verwundert nicht, schließlich sind wir Deutschen die Sachverwalter unserer Vergangenheit. Selbst Kevin Kühnert scheint es verstanden zu haben. Wenn wir nichts mehr anzubieten haben, verarmen wir.
Angenommen es gäbe eine Zauberfee (alternativ den Weihnachtsmann), die per Zauberspruch die jährlichen Umlagerenten in Kapital verwandeln könnte, so hätte das kaum messbare Auswirkungen. Der Kapitalstock der deutschen Volkswirtschaft beträgt 20 Billionen Euro, da ist selbst ein Investitionskapital von 400 Milliarden Euro praktisch nichts. Dazu sind deutsche Unternehmen chronisch unterfinanziert und mit zu wenig Eigenkapital ausgestattet. Das verwundert nicht, schließlich werden die Erträge dieses Landes in ein Umlagesystem geschüttet, das zunehmend einem Fass ohne Boden gleicht.
Die Summe des Eigenkapitals deutscher Unternehmen liegt gerade zwischen 60 und 70 Milliarden Euro. In Relation zu den Bruttoanlageinvestitionen von fast 800 Milliarden Euro jährlich ist die Eigenkapitalausstattung auch im internationalen Vergleich außerordentlich gering.
Vor allem aber: Einen Kapitalstock aufzubauen, braucht vor allem viel Zeit. Genau das ist etwas, das Deutschland im Angesicht der demographischen Verwerfungen nicht hat. Wir sind wieder einmal viel zu spät. Wissenschaftler hatten früh darauf hingewiesen, dass sich das Fenster für Veränderungen an der Struktur der Altersvorsorge mit der Jahrtausendwende schließt. Die Politik unternahm damals noch einen, allerdings untauglichen, Versuch etwas Kapitalbildung voranzutreiben. Heute wären wir 20 Jahre zu spät dran. Übersetzt bedeutet das, was an dieser Stelle schon oft geschrieben wurde: Ein Systemwechsel mitten im Sturm ist ökonomischer Wahnsinn und führt nur zu exorbitanten Kostensteigerungen. Oder wie man in Frankfurt sagt: Der Markt ist verlaufen.
Politik und Gesellschaft haben aus ökonomischer Borniertheit alle Vorteile einer Kapitaldeckung ihrer Altersvorsorge weggeworfen. Die anderen Mitgliedsländer der OECD zeigen, wie es geht und zahlen ihren Rentnern wesentlich höhere Ruhegelder. Wir Deutschen dagegen glauben, den ökonomischen Unsinn von Jahrzehnten mit dem ewigen Anzapfen der „Reichen“ und mehr Schulden heilen zu können und sind bereit, immer neue Torheiten zu begehen. Immer und immer wieder.
Allein in den letzten 10 Jahren platzierte die Politik mit der Mütterrente in zwei Auflagen sowie einem neuen Frühverrentungsprogramm völlig unnötige Kostenbomben im System, die mit ihrem Volumen die angedachte Aktienrente um ein Vielfaches übersteigen. Auch Hubertus Heils Mindestrente ist vor allem ein Beschäftigungsprogramm für Beamte. Von den heutigen Ausgaben von 1,7 Milliarden Euro landen direkt 0,4 Milliarden in der Verwaltung. Ineffektiv, teuer – aber populär. So glauben die Deutschen, die Zukunft bestreiten zu können.
Ökonomische Unvernunft hat negative ökonomische Folgen. Deutschland hat sich mit seiner Sozialpolitik auf einem sehr langen Weg in eine Sackgasse manövriert, aus der es erst in 15-20 Jahren ein Entrinnen gibt. Leider haben die Menschen die Botschaft immer noch nicht verstanden. Sie meinen, der bis heute noch vitale Teil der Gesellschaft solle für die eigenen Torheiten aufkommen. Seit dem ich arbeite, bekämpfe ich politisch das System der Umlagenrente. Über Jahrzehnte wurde ich gezwungen, einen höheren sechsstelligen Betrag in ein System einzubezahlen, von dessen Wirtschaftlichkeit ich nicht überzeugt bin und damit Vermögensvernichtung betreiben musste. Die, welche dies immer anders gesehen haben, wollen Menschen wie mich nun zweimal bestrafen und für die eigenen Fehler und Fehleinschätzungen zahlen lassen. Das hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun.
Deutschland müsste binnen weniger Jahre einen Billionenbetrag aktivieren, um mit der Aktienrente die sozialen Folgen der töricht und verschwenderisch konstruierten Umlagenrente auffangen zu können. Dazu fehlt der politische Wille, es würde kurzfristigen Verzicht über einige Jahre zugunsten eines nicht bezifferbaren Vorteils ab vielleicht 2030 verlangen. Die heutigen Möglichkeiten, noch systemverbessernd einzugreifen, sind äußerst gering. Wenn solche Traumschlösser wie Aktienrenten nicht wirken, hilft nur länger arbeiten. Das scheint die Politik langsam, sehr sehr langsam zu begreifen.
„Die, welche dies immer anders gesehen haben, wollen Menschen wie mich nun zweimal bestrafen und für die eigenen Fehler und Fehleinschätzungen zahlen lassen.“
Genau das ist es, was mich ebenfalls seit Jahrzehnten wütend macht. Ich hätte ja überhaupt nichts dagegen, wenn Idioten idiotische Entscheidungen treffen und dafür geradestehen müssen. Aber sie verlangen mit unglaublicher Chuzpe, dass ich mitzahle.
Ich bin zwar in der glücklichen Lage, dass ich keinen Cent direkt in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen muss (die ja längst pleite ist), aber über meine Steuerzahlungen kriegen die Hasardeure mich eben doch.
Und dann muss ich mir von widerlichen Figuren wie Heil oder Kühnert auch noch Vorhaltungen machen lassen? Diese sozialpolitische Arroganz finde ich noch unerträglicher als die finanzpolitische Dummheit, die Stefan Pietsch beschrieben hat.
Die Rentenlücke wird auch weiterhin über die Steuer finanziert werden.
Macht also keinen Sinn, sich darüber aufzuregen. „Pleite“ ist die Umlage-Rente damit also nicht, sie hat nur einen negativen cash flow 😉
Trotz sich nach rechts bewegender Sterbetafeln blieb der Rentenbeitrag erstaunlich konstant. Seit 1973 bewegt er sich zwischen 18 und 20,3%. Aktuell liegt er bei 18,6%. (https://www.sozialpolitik-aktuell.de/files/sozialpolitik-aktuell/_Politikfelder/Alter-Rente/Datensammlung/PDF-Dateien/abbVIII43a.pdf). Bis 2030 ist eine Anhebung auf 22% geplant.
Bisher wurden die Zuschüsse aus den Steuern nie mehrheitlich in Frage gestellt. Der „negative cashflow“ erscheint schon ein bisserl hoch. 78,9 Mrd Euro jedes Jahr, also 79 / 460 -> 17% des Bundeshaushalts. Also schon für viele erstaunlich umfangreich.
Ich wüßte aber nicht, wie wir das jetzt noch solide ändern könnten. Ein Wechsel hin zu einem teilweise kapitalgedeckten System zieht ja erstmal Mittel. Und die nächsten 30 Jahre werden schon so nicht einfach. 1964 war der geburtenstärkste Jahrgang. Die sind heute 58.
@ Lemmy Caution
Denke auch nicht, dass es eine realistische Chance auf Besserung gibt. Dazu bräuchte man mindestens ein gewisses Wählerpotenzial. Das Maß an Wohlstandsverwahrlosung ist aber in Deutschland dermaßen groß, dass ich fast nirgendwo ein Interesse an Zukunft bzw. strategischer Planung sehe. Und wenn die Leute dann irgendwann mal die Folgen ihrer eigenen Entscheidungen spüren, machen sie andere dafür verantwortlich, wie es Stefan Pietsch oben ja schön beschrieben hat.
Vielen Dank für die ausführliche Darstellung!
Ich habe die Hoffnung auf Reform verloren. Welche politische Mehrheit wollte das organisieren? Die Union und die SPD beziehen den Großteil ihres Wählerklientels eben aus jener Altersgruppe, die am meissten bei einer Reform verlieren würden.
Das letzte Mal versuchte sich die Union 2005 an einem Reformversprechen und verlor fast eine sicher gewonnene geglaubte Wahl. Ohne eine Lagerübergreifende Koalition der Willigen wird es keine Reform geben.
Danke!
Welche Reform wollen Sie? Es ist doch offensichtlich, dass das System dem Wunsch und der Mentalität der Deutschen entspricht. Es ist auch zu spät, etwas zu ändern. 2002 / 2003 kippten die Mehrheitsverhältnisse, seit dem sind die Ü55jährigen in der Überzahl. Als Rentner oder kurz davor lassen sie keine Veränderung zu, die zu Lasten ihrer Altersbezüge ginge. Entsprechend war die Politik seitdem. Und ich muss sagen: Mit 55 lasse ich mir meine Ansprüche auch nicht mehr nehmen, warum auch? Ich habe praktisch mein gesamtes Berufsleben (gegen meinen Willen) den Höchstsatz gezahlt und soll jetzt, weil ja ein paar Alte in Armut fallen könnten, verzichten? Sorry, no bonus.
@ Stefan Pietsch 19. Dezember 2022, 18:45
Es ist doch offensichtlich, dass das System dem Wunsch und der Mentalität der Deutschen entspricht.
Das sehe ich etwas anders. Die deutsche Mentalität lautet: Wasch mich, aber mach mich nicht nass“. Natürlich will man ein System, dass zukunftssicher ist, ohne den Staat zu zerlegen. Und idealerweise will man nicht nur eine sichere, sondern auch höhere Rente. Man will nur den Preis dafür nicht bezahlen.
Es ist auch zu spät, etwas zu ändern.
Wahr, leider. Wobei die Rente eben nur ein Teil des Problems ist. Wie Du zurecht schreibst, geht es auch um die Pensionen, die nicht nur höher als die Renten sind, sondern für die auch von den Beamten keine Altersvorsorgebeiträge gezahlt wurden.
Und ich muss sagen: Mit 55 lasse ich mir meine Ansprüche auch nicht mehr nehmen, warum auch?
Ja, warum auch? War teuer genug.
Wessen Mentalität ist das denn nicht?
@ Stefan Sasse 20. Dezember 2022, 10:19
Wessen Mentalität ist das denn nicht?
Meine
Bewundernswert.
Hab vier Töchter.
lol
@ Kning4711 18. Dezember 2022, 10:15
Zustimmung!
Diese Rants sind einfach nicht zielführend.
Du wirst ja für dich hinreichend ausgesorgt haben.
Viel interessanter wäre es, wenn Du dir ein anderes Land mit besserem Rentensystem rauspickst und die Unterschiede sachlich darstellst.
Praktische Tip für junge Leute:
– Mit etwa 35 solltet ihr euch langsam Gedanken machen, wie ihr das mit der Rente organisieren wollt.
– Dafür müsste man mit 35 Jahren eine Beschäftigung im Ausblick haben, die hinreichend Möglichkeiten zur Ersparnissbildung bietet. Um dieses Thema also besser früher kümmern.
– Mit 38 kann man dann mit dem Sparen beginnen. Gibt da verschiedene Modelle: Rürup, Riester oder etwas anderes. Aus meiner Sicht wichtig ist, dass das Ersparte möglichst von der Einkommenssteuer befreit ist. Aus diesem Grund sind Rürup und Riester besser als ihr Ruf. Bei absehbar deutlich über den Bedürfnissen liegenden Einkünften kann man auch in der ersten Hälfte seiner 40er anfangen. So hab ich das gemacht.
– Unsere Lebenserwartung ist echt hoch. Deshalb muss man ordentlich einzahlen. 5-stellig im Jahr könnte ausreichen, der Höchstsatz für steuerbefreites Rürup ist für 2022 25.639 Euro im Jahr. Wenn man ein wenig später anfängt mit den Rücklagen, kann man also einen Zwischenspurt einlegen, für jedes Jahr wäre das aber maßlos übertrieben, zumal man ja auf Renteneinkommen auch Steuern zahlt.
– Investieren am besten in Fonds oder ETFs (try google). Dafür sollte man sich ein wenig für Finanzthemen interessieren, oder man konsultiert eine Person, der man vertraut. Die einmal getätigte Entscheidung sollte einen gewissen Bestand haben. Sparen für die Rente hat so wenig wie möglich mit Daytrading zu tun. Über die Jahre profitiert man einfach von den steigenden Kursen und Ausschüttungen. Hier ein Beispiel für so eine Kursentwicklung: https://www.finanzen.net/fonds/flossbach-von-storch-global-quality-h-lu0097333701 . Da dann auf 5 Jahre oder maximal klicken. Man verschenkt schon eine Menge, wenn man das nicht nutzt.
– Noch stärker für Freelancer aber eigentlich für alle empfehle ich einen weiteren „Spartopf“, der dann nicht steuerbefreit ist, aber über den man dann frei entscheiden kann.
Grundsätzlich geben mir die Rücklagen eine gewisse Freiheit. Das ist je nach Job unterschiedlich. Bei mir wären das: Wenn
– die Projektgruppe mal wieder zu sehr ins toxische abkippt
– die Technologie-Entscheidungen untolerierbar werden
– irgendwelche nervigen Projektverantwortlichen eingesetzt werden
– ich mich dauerhaft falsch eingesetzt fühle
kann ich das Vertragsverhältnis beenden.
Einkommensverluste für das Jahr bedeuten weniger Steuern, weniger Jahresbeitrag in die Rürup-Rente und weniger Ersparnisse, aber der Stand ist ja über meinem Bedarf.
Diese Freiheit habe ich erst in meinen 50ern erreicht.
Den wichtigsten Tipp, den ich bekommen habe war sehr früh mit dem Sparen fürs Alter anzufangen. Schon als Azubi habe ich VWLs bekommen und sukzessive den Beitrag über die Jahre erhöht.
Zum Glück war es ein Fond auf Aktienbasis und ich habe den Rat der Eltern ignoriert einen Bausparvertrag abzuschließen.
Ich fürchte aber für die Generation 40 bis 50 wird es fast zu spät sein, denn neben der eigenen Altersvorsorge, werden wir die Pflege unserer Eltern und unsere Kinder finanzieren müssen. Die Rente ist ja nicht das einzige System mit Fass ohne Boden, die Pflegekasse sieht nicht besser aus. Die Auswirkungen sind ebenso gravierend, denn die Pflege des Angehörigen ist eine zeitaufreibende und psychisch zermürbende Aufgabe, wenn man keine Sicherheit hat einen guten Pflegeplatz zu bekommen.
Die ersten Firmen denken drüber nach im War of Talents von der Firma gesponserte qualitativ hochwertige Pflegeplätze bereitzustellen, daran lässt sich erkennen, was die Firmen von der deutschen Pflegesituation halten.
Ich befürchte eher, das „Sparen anfangen mit Lehre“ bei vielen eher zu Untätigkeit führt. Man kann auch mit 42 damit anfangen, dann aber für ein paar Jahre ernsthaft.
Betriebsrenten haben sich für Berufseinsteiger oft deutlich verschlechtert. Vorher hatten die sich angesichts der Verschiebung der Sterbetafeln verkalkuliert.
Der Staat hat mit seinen Steuerbefreiungsangeboten rund um Riester und Rürup im Grunde Angebote geschaffen, die für Gutverdiener attraktiv sind. Viele nutzen die nicht. Für ein Durchschnittsgehalt bringen diese Angebote deutlich weniger:
1. profitiert man weniger von der Steuerbefreiung
2. durch das geringere Sparvolumen profitiert man absolut deutlich weniger von den Kursgewinnen.
Mit 60 Tsd bringt ein Kursgewinn von 7% 4,2 Tsd
Mit 260 Tsd bringt ein Kursgewinn von 7% 18,2 Tsd
Da die Wertpapiere in diesem Jahr stark gefallen sind, wäre jetzt ein günstiger Zeitpunkt für einen Einstieg.
Was soll das Lemmy? Ich respektiere vollständig die Mehrheitsentscheidungen in Deutschland. Ich respektiere, wenn die Mehrheit einem System der Altersvorsorge folgt, das ich mit Verve ablehne. Ich akzeptiere notgedrungen, dass ich über mein Erwerbsleben gezwungen wurde, ein Vermögen in ein System einzuzahlen, das mir nicht rentabel und tragfähig erscheint. Nur erwarte ich, dass die Mehrheit dann auch bereit ist, die Konsequenzen ohne Murren zu tragen.
Die Mehrheit befürwortet seit Jahrzehnten einseitig das Umlagesystem zur Alterssicherung aus verschiedenen Gründen:
1. Das Umlagesystem erscheint am besten geeignet, Gleichheit und sozialen Ausgleich sicherzustellen.
2. Die Bürger erhalten gemäß ihren Einzahlungen eine abgestufte Rente. So wird die Lebensleistung der Erwerbstätigen berücksichtigt.
3. Das Umlagesystem erscheint am sichersten, auch in Wirtschaftskrisen stabile Rentenzahlungen zu gewährleisten.
Rentabilität der Einzahlungen und die Höhe der Renten waren nie das zentrale Argument. Ersteres wird erst gar nicht gemessen und den Bürgern als Entscheidungskriterium mitgeteilt, letzteres wurde als gegeben vorausgesetzt.
Die Deutschen haben für diese Gewährleistungen gut bezahlt. Wie an anderer Stelle gezeigt, sind die Deutschen wegen des Rentensystems weniger vermögend als andere Länder mit niedrigerem Pro-Kopf-Einkommen. Umgekehrt ist der deutsche Staat relativ vermögend und kann über hohe Mittel verfügen. Es besteht kein Zweifel, dass die Mehrheit dies befürwortet, sowohl 1970 als auch 2022.
Ich verstehe dann nicht, warum heute von Menschen Debatten über die Höhe der staatlichen Renten geführt werden. Die aktuellen Renten sind das Ergebnis der genannten Prämissen und der vorhandenen Einzahlungen. Nirgends steht, dass die Bürger einen Anspruch auf eine Rente oberhalb des sozialen Existenzminimums hätten. Um Dir die Folgen unserer Gerechtigkeitsprinzipien vor Augen zu führen, ein kleines Beispiel:
Nach derzeitigen Berechnungen kann ich nach 40 Jahren Erwerbstätigkeit und Einzahlungen immer im Spitzenbereich mit einer Rente von 2.400 Euro rechnen (plus / minus). Eine Teilzeitkraft mit Mindestlohn und 35 Jahren Erwerbstätigkeit erhält eine Grundrente von über 900 Euro. Das ist das, was in Deutschland unter sozialer Gerechtigkeit kombiniert mit dem Prinzip der „Lebensleistung“ gemeint ist. Während ich ein Vermögen einbezahlt habe, hat die Teilzeitkraft einen sehr überschaubaren Betrag geleistet.
Es ist klar, dass ich mit 2.400 Euro im Alter meinen Lebensstandard nicht halten kann. Die Umlagenrente macht mich also relativ arm. Doch der Staat muss mir den Betrag garantieren, denn er darf mich nicht enteignen. Das ist der Vorteil des Rechtsstaates. Mir ist also heute, mit 55, egal, wie der Staat das Geld auftreibt und ob andere mit ihrer Rente auskommen. Ich habe mich an die Regeln gehalten und verlange das nun auch umgekehrt.
Über 40% der Haushalte hat weniger als 100€ im Monat zur freien Verfügung. Da ist kein Spielraum für weiteres privates Sparen, wie Du es empfiehlst. Das ist eine Luxusdebatte, wenn Du diesbezüglich Tipps gibst – und ohnehin nur zu dem Mehr von dem Falschen rätst. Wir haben uns für ein System entschieden, das nicht die gute Versorgung, sondern die Sicherheit und Gleichmäßigkeit der Rentenbezüge in den Blick nimmt. Diese Kriterien werden erfüllt. Es gibt also kein Problem.
@ Stefan Pietsch
Wenn ich zu Deinem Beitrag schreibe, was ich denke, wird meine Antwort noch länger als Dein Beitrag. Nicht, dass ich noch etwas Gehaltvolles ergänzen könnte; ist ja alles zutreffend.
Einer meiner Brüder, 63, Frührentner, kinderlos, wählt seit Jahren die Partei, die ihm die beste Rente verspricht. Er weiß, dass das volkswirtschaftlich und gesellschaftlich Schwachsinn ist, aber das juckt ihn nicht die Bohne. Nach ihm die Sintflut? Warum nicht, er kriegt nichts mehr davon mit. Er ist da bei weitem nicht der Einzige.
Die Mentalität der Mehrheit der Deutschen hat sich doch sehr verändert. Verallgemeinert ausgesprochen: Die Politik hat Bequemlichkeit für jeden ohne entsprechende Gegenleistung versprochen, viele Wähler haben ihre Erwartungshaltung daran angepasst. Nun, da die Zeiten härter werden, fühlen sich viele verraten, weil der Staat ihre Vorstellungen von Wohlstand nicht garantieren kann. Wobei, das nur nebenbei erwähnt, die meisten dieser Anspruchsvollen sehr viel dafür getan haben, dass genau diese Situation eintritt – da ist das ganze NIMBY-Getue um die Energiewende und den Klimawandel (Thorsten hat ja schon mal angedeutet, wie leicht und problemlos sich Erfordernisse der Wirtschaft wie SuedLink umsetzen lassen) nur eines von vielen Bequemlichkeits-Indizien.
Es macht sich halt jeder etwas vor, so gut er eben kann. Beispielsweise die Mär von „ein Leben lang hart gearbeitet“ kann man getrost in die Tonne treten; Arbeit kann sicherlich anstrengend und belastend sein, aber das ist sie für die allermeisten – das ist nicht „hart“, sondern „normal“.
Auch „das ganze Leben lang“ … Wer ab einem Alter von 20 die folgenden 45 Jahre arbeitet und dann noch 30 Jahre in Rente leben will, hat 60 % seiner Erwachsenenzeit gearbeitet, und will sich die folgenden 40 % ausruhen. Nicht, dass ich dagegen Einwände hätte, sich am Lebensabend zur Ruhe zusetzen. Man muss sich halt nur über die Verteilung klar sein: Wenn jemand nach 45 Jahren Arbeit nochmal 30 Jahre lang versorgt sein will (idealerweise nicht auf dem Niveau seines Einstiegsgehalts), müsste er auch 40 % seiner Einkünfte beiseite packen. Rechnet man ein, dass es nicht jeder schafft und wir eine Solidargemeinschaft sind, müssten es mindestens 50 sein (da ist der erforderliche Beamtenapparat zur Verteilung oder die aufwendigere Krankenversorgung noch nicht mitgerechnet).
Standardmäßig jammert man aber schon über die 20 % – die in den unteren Einkommen, weil das von dem wenigen, was sie verdienen, schon ganz schön viel ist; im oberen Bereich, weil die nachher erbrachte Leistung bei weitem nicht mit der eingezahlten Summe in Einklang zu bringen ist.
@ Stefan Sasse, Citizen K. & Co.
Stefan P. hat hier ja ein paar Zahlen genannt. Rechnet das mal hoch auf die Situation, dass die nächsten zehn , zwanzig Jahre (beim schon jetzt starken Facharbeitermangel) für etwa zwei Berufseinsteiger drei erfahrene Kräfte den Arbeitsmarkt verlassen. Sie fallen nicht nur als Einzahler weg, sondern werden zukünftig die Rentenkasse belasten. Wie soll das gehen?
@ Erwin Gabriel
„Die Politik hat Bequemlichkeit für jeden ohne entsprechende Gegenleistung versprochen, viele Wähler haben ihre Erwartungshaltung daran angepasst.“
Danke für die tolle Formulierung. Da wird der Junkie-Charakter der Politik mitsamt der Entwöhnungsfolgen sehr schön deutlich. Das ganze Elend in einem kurzen Satz zusammengefasst.
Ich bin aber immer unsicher bei der Dynamik. Wie viele Leute wählen tatsächlich so, und wie direkt ist die Verbindung zwischen Wahlversprechen, Wahlentscheidung und Policy-Ergebnis?
@ Stefan Sasse 19. Dezember 2022, 11:28
Ich bin aber immer unsicher bei der Dynamik. Wie viele Leute wählen tatsächlich so, und wie direkt ist die Verbindung zwischen Wahlversprechen, Wahlentscheidung und Policy-Ergebnis?
Welche Botschaften haben sich durchgesetzt, welche Parteien haben ihren Ansatz verändert? Inzwischen kommt keine Partei mehr (FDP außen vor, AfD nur für „Deutsche“) ohne Wohlfahrtsversprechen daher. Das Merkel sich so lange halten konnte, lag nicht an harter Wirtschaftspolitik und Leistungsforderungen, sondern in der stillschweigenden Akzeptanz sozialdemokratischer Ziele.
Der Logik der (im Idealfall) 60%- / 40%-Prozentrechnung lässt sich nicht widersprechen, daher wird sie ignoriert, und das fehlende Geld (nicht nur für die Rente, sondern auch für viele andere Sozialleistungen) von anderer Seite zugeschossen. Das geschieht über vergleichsweise hohe Lohn- und Einkommenssteuern (=Besserverdienende), vergleichsweise hohe Unternehmenssteuern (und da fehlt das Geld, wie Stefan Pietsch zu Recht schreibt, oft genug für anderes), und natürlich ( da kommen die „Nicht-Reichen“ ins Spiel) Verbrauchssteuern, deren Einnahmen um so höher sind, je mehr der Staat ausschüttet.
So gesehen ist Deine Frage eher hypothetischer Natur. Deutschland ist nach Japan (und nach Monaco, aber das zählt wohl nicht wirklich) das Land mit der „ältesten“ Bevölkerung. Glaubst Du, dass bei einer solchen Wählerstruktur irgendetwas nicht an den „Alten und Schwachen“ ausgerichtet ist? Wir haben jetzt schon den höchsten Standard (die paar Promille, die kleinere Länder wie Dänemark oder Holland eventuell haben mögen, spielen – verglichen mit dem Rest der Welt – keine Rolle), und immer noch fällt allen Parteien und allen Wählern nur ein, wo man „verbessern“ muss, wo noch was „fehlt“.
Aber den Preis dafür will niemand zahlen.
Ich bezweifle das alles gar nicht, mir ging es eher um konkrete Policys. Mein Gefühl ist, dass alle Parteien schauen müssen, als Pro-Rente dazustehen, also als Partei, die „für die Rentner*innen da ist“. Aber konkrete Versprechen im Sinne einer Policy scheinen mir dem EINDRUCK gegenüber eine geringe Rolle zu spielen. Korrigiere mich, wenn ich falsch liege.
@ Stefan Sasse 20. Dezember 2022, 10:14
Ich bezweifle das alles gar nicht, mir ging es eher um konkrete Policys.
z.B. Mütterrente, Bürgergeld
Genau so was meine ich. Ich bin extrem skeptisch, dass jemand jahrelang, sagen wir, CDU gewählt hat und dann sagt „hey, die SPD hat die Mütterrente durchgesetzt, dafür belohne ich die mit meiner Stimme“. Oder fast noch abwegiger: „Die haben die Mütterrente im Programm, die wähle ich“. Wenn, dann passiert das nach dem Motto „Die SPD macht am ehesten was für die Rentner*innen“, aber genau da kommt meine Argumentation ins Spiel: obwohl Rente mit 63 und Mütterrente das fraglos für das letzte Jahrzehnt wahr machen, hat die Partei durch die Rente mit 67 dermaßen an Glaubwürdigkeit verloren, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass sie jemand wegen dieser konkreten Policies wählt.
Oh, da kannst Du einiges noch lernen. Erinnerst Du Dich noch an den Wahlslogan der SPD 1998? Die neue Mitte und so. Viel war davon die Rede. Gleichzeitig versprach die Partei, den demographischen Faktor in der Rentenversicherung, den der Arbeitsminister Norbert Blüm einführen wollte, gesetzgeberisch wieder zurückzunehmen. Die Reform der Formel hätte zur Konsequenz gehabt, dass die Renten in der Zukunft weniger stark gestiegen wären als zuvor.
Bekanntlich gewann die SPD die Wahl. Viele führten das auf den Reformwillen der Bevölkerung, auf das tolle Tandem Schröder / Lafontaine und noch einige andere Sachen zurück. Ich habe in der Wahlnacht die Analysen genau studiert, sie liefen damals im Teletext (Internet war noch nicht so verbreitet). In keiner Altersgruppe konnte die SPD so gravierend zulegen wie bei den über 60jährigen. Ein Wunder! Besonders alte Menschen waren besonders reformfreudig! Wenn Du es findest, kannst Du die Analysen nach Altersgruppen gerne publizieren. Ich hab’s mir gemerkt. Der Swing der Alten von der CDU zur SPD war maßgeblich für den Wahlsieg Schröders. Das ist die historische Wahrheit.
Die Union hat die Lektion gelernt. Nie wieder danach trat sie für eine Reform der Rentensicherung ein. Man kann es ihr nicht verübeln.
Völlig. Genau daher auch mein Argument, dass nichts die SPD so sehr zerstört hat wie die Rente mit 67. Es war eben nicht Hartz-IV.
Ich glaube diese Geschichten nicht, ich halte sie für Legenden. Der Ärger und die Enttäuschung von Wählern hält nicht ewig, siehe die FDP. 2013 aus dem Bundestag gewählt, vier Jahre später mit hohem Ergebnis zurückgekehrt. Die französischen Sozialisten haben keine Rente mit 67 eingeführt und sind trotzdem auf eine Restgröße geschrumpft.
Interessanter ist da doch die Wähleranalyse von 2017. Gerade die Grünen haben ein klares Profil und, ähnlich wie die Union, einen sehr hohen Anteil an Stammwählern in Relation zur Gesamtzahl ihrer Wähler. Die FDP schneidet in dieser Relation sehr schlecht ab. Der SPD fehlt es dagegen an einem Profil. Sie wird repräsentativ zur Gesamtwählerschaft gewählt. Das erklärt eben auch, warum die Partei 2021 von 14 auf 26 Prozent steigen konnte. Erfolg wird seit langem durch Profil bestimmt: Fußballmannschaften brauchen eine Handschrift, Unternehmen ein vom Wettbewerb abgehobenes Image. Die SPD ist das C&A oder OPEL der Politik. Jeder kennt es, die meisten finden es ganz gut, aber nur wenige kaufen es.
Du vergleichst da Umfragen und Wahlergebnisse. Wenn du das machst musst das für alle tun, aber ich halte es für problematisch (welche Umfragen, von wann?) und unvergleichbar. Würde nur BTW-Ergebnisse hernehmen.
Nein, das tue ich nicht. Solche Tiefanalysen erhält man zwar tatsächlich nur durch Befragungen, aber es gibt keine Vergleichsgröße dazu. Was soll das sein? Wahlergebnisse selbst besitzen keine Tiefe, schließlich weißt Du nicht, wer was gewählt hat, ob reich oder arm, Arbeiter oder Selbständiger, Mann oder Frau. Das Wahlergebnis zeigt Dir nur, Partei A hat Stimmen gewonnen und Partei B Stimmen verloren.
Aber die Wähler von Parteien besitzen wie Konsumenten Profile. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass eine Person mit meinem Profil und grundsätzlichen Einstellungen je die Linkspartei, die AfD oder auch die Grünen wählt. Wenn aber Hinz und Kunz ein Produkt kauft bzw. Partei C wählt, dann hat diese kein erkennbares Profil.
Auch verstehe ich nie Deine Einschränkung auf Bundestagswahlen. Bei Regionalwahlen entscheiden ganz wesentlich zwei Faktoren: Beim Sieger der „Kandidatenfaktor“ und sonst die übliche Parteipräferenz. Gerade in Deinem Bundesland regieren die Grünen nur wegen dem Spitzenkandidaten.
Gerade die Analysen von Landtagswahlen zeigen, dass die SPD heute weniger mit „sozialer Gerechtigkeit“ identifiziert wird. Das ist aber ein äußerst schwammiger Begriff, unter dem jeder etwas anderes versteht. Darunter kann man die Einführung von Hartz-IV als auch die Rente mit 67 subsummieren, aber auch die Mütterente, die Rente mit 63, den Mindestlohn, die Mietpreisbremse usw. Solche Begriffe sind kaum zu operationalisieren, woraus ein Kernproblem der sozialdemokratischen Politik der letzten 20 Jahre resultiert. Die SPD hat es mit einer Fülle von Einzelmaßnahmen probiert und sich dabei immer weiter von ihrer Kernklientel entfernt. Offensichtlich war diese Methode nicht erfolgreich.
Du mutmaßt. Das ist immer die schlechteste aller Lösungen.
Ich will nur keine Umfrageergebnisse und Wahlergebnisse durcheinanderwerfen. DAS ist reine Mutmaßung. Auch kannst du Regionalwahlergebnisse und Bundestagswahlergebnisse nicht vergleichen. Das ist doch nicht kontrovers?
Du wählst die Methodik, womit Du möglichst wenig Daten und Informationen hast und damit umso mehr auf Mutmaßungen angewiesen bist. Welcher Sinn sollte darin liegen? Die Ergebnisse von Bundestagswahlen sind so selten und damit bereits bei einem Zyklus von zwei Wahlen untauglich, weil sich Ansichten und Interessen von Menschen zumindest in Dekaden deutlich verändern. Tiefere Kenntnisse lassen sich daraus nicht gewinnen. Der Vorteil von Wahlen: sie liefern harte, belastbare Fakten. Nur, warum dann die Analyse auf seltene Ereignisse wie Bundestagswahlen beschränken?
Die Studie basierte auf der Befragung von 22.000 Personen in 18.000 Haushalten, nämlich der Auswertung des SOEPs. Nach stochastischen Methoden ist das eine Studie mit sehr validen Ergebnissen, auch wenn Du das anders sehen magst. Die Wissenschaft ist nicht auf Deiner Seite.
Sind die Wähler in der liberalen Demokratie nicht der Souverän – also der Auftraggeber für die Politik?
@ CitizenK 19. Dezember 2022, 13:00
Sind die Wähler in der liberalen Demokratie nicht der Souverän – also der Auftraggeber für die Politik?
Aber natürlich. Doch die Auftraggeber der für die Politik erwarten Wunder. Um gewählt zu werden, verspricht die Politik diese Wunder, kann dann aber nicht liefern.
Reaktion der Wähler ist dann nicht, die Ansprüche zurückzuschrauben, sondern die nächste Partei zu wählen, die das Wunder verspricht.
Braucht es also eine gelenkte Demokratie? Nicht government BY the people, sondern FOR the people?
Schumpeter, wenn ich mich richtig erinnere.
Government BY the people ist nur in dem Sinne gemeint, als dass die Legitimation sich aus dem Volk speist.
Ich weiß nicht. Wunder verspricht die Politik wahrlich nicht. Wunder wäre so was wie „jeder kriegt ein Pony“, und das macht die Politik wahrlich nicht. Schau dir mal die Rhetorik an, da wird ständig gesagt, was alles nicht geht. Ich würde das eher charakterisieren als ein „es muss sich nichts ändern“. Das wäre natürlich auch ein Wunder, aber nicht in dem sinne, wie man das landläufig versteht.
@ Stefan Sasse 22. Dezember 2022, 19:14
Wunder verspricht die Politik wahrlich nicht. Wunder wäre so was wie „jeder kriegt ein Pony“, und das macht die Politik wahrlich nicht.
„Die Rente ist sicher“ ist solch ein Wunderversprechen. Das Problem an der Sache ist halt, dass die eine Regierung verspricht, und alle folgenden Regierungen liefern müssen (dieses Renten-Versprechen ist inzwischen 25 Jahre alt).
Ja, der Staat kann die Rente „sicher“ machen. Kostet halt sehr viel, und das Geld fehlt woanders.
Der dritte Aspekt, der immer wieder ausgeblendet wird, ist die unglaubliche Ineffizienz unseres Systems. Kostet noch mehr Geld, das woanders fehlt.
Das ist über 30 Jahre her. Ich habe nicht das Gefühl, dass groß Wunder versprochen wurden. Manchmal hofft man auf eine selbsterfüllende Prophezeiung (man denke an Steinbrück/Merkel 2009 mit den Einlagen, was ja auch funktioniert hat, aber letztlich ein Wunderversprechen war), aber die landläufige Idee, dass die Politik völlig absurde Versprechungen machen würde kann ich beim besten Willen nicht erkennen.
Deswegen bin ich bei deiner Kritik völlig dabei – der Staat kann das machen, das ist kein Wunder. Aber genau das wird ja nicht versprochen, seit 2001 nicht mehr.
Ich hab keine Ahnung, ehrlich gesagt. Ich sehe halt auch nicht, wie sicherlich 60% der Beschäftigten signifikant was beiseitelegen sollen.
@ Stefan Sasse
Hätte uns doch bloß jemand schon vor 25 Jahren gewarnt, dass wir mehr investieren müssen, statt soziale Wohltaten zu verteilen.
Aber diese neoliberalen Hetzern damals waren halt neoliberale Hetzer.
Die wollten auch nicht investieren. Das war das Problem. Auf der einen Seite soziale Ausgaben, auf der anderen Austerität. Team Investment war heimatlos.
Ich hab die Debatte in den 90ern ziemlich intensiv verfolgt. Es gab zwei große Lager. Das eine forderte höhere Löhne und sozialen Ausgleich, das andere den klassischen Dreiklang Forschung/Bildung-Infrastruktur-Entbürokratisierung.
Wobei – stimmt so nicht. Eigentlich waren es ein großes und ein kleines Lager. Allerdings war das kleine Lager in der Parteipolitik immerhin noch ein wenig vertreten, heute gibt es da praktisch nichts mehr.
Diese schmeichelhafte Darstellung könnte ich so natürlich für die Gegenseite auch aufmachen, aber…wozu?
Der Vorwurf von wegen Sehnsucht nach Leissure-Leben unter den Jungen ist Quatsch. Die Anzahl der Studenten in MINT Fächern hat in den letzten 15 Jahren deutlich zugenommen: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1050875/umfrage/studierende-in-mint-faechern-in-deutschland-nach-geschlecht/
Ich erlebe es schon mal, dass deutlich unter 40 jährige meinen Job besser machen als ich.
Denke ein wenig halbherzig darüber nach, in einem open source Projekt anzuheuern. Aus persönlichen Rendite Überlegungen wäre das eine Marketing-Maßnahme. Wenn ich da wirklich sinnvolle Dinge beisteuere, wäre das gut für den Lebenslauf und ich könnte darüber auch vielleicht Kontakt zu Kunden knüpfen. In der engeren Auswahl ist das Projekt einer jungen Deutschen, die ich auf allenfalls Anfang 30 und vielleicht noch jünger einschätze.
Aus meinem direkten Erleben in Projekten in den letzten bald 25 Jahren bestanden die Problemfälle immer darin, dass sich ältere Manager von nicht mehr ganz jungen Architekten oder Entwicklern in katastrophale Technologie und Methologie-Entscheidungen haben treiben lassen. Aktuell erlebe ich einen ähnlichen Fall: Architektur blockiert eigentlich geplante und dringend benötige technologische Renovation und wird darin vom Management unterstützt.
Ich ordne gerade die Belege für die Sektion Weiterbildung meiner Steuererklärung. Das ist ein höherer 4 stelliger Betrag und ich hab keine einzige Konferenz on-site besucht. Sehe das eher als Privileg und ich mach das gerne, aber ich frag mich immer, wie viel immer laut ständig zu wenig Fortbildung rumprangernde FDP-nahe Leute in i.h.r.e Fortbildung investieren. Brauchen sie vielleicht, weil sie haben ja das Buch von Mises gelesen.
Guckst Du da:
https://www.welt.de/vermischtes/article241286015/Work-Life-Balance-Immer-mehr-Arbeitnehmer-haben-immer-weniger-Lust-zu-arbeiten.html
Fakten, Fakten, Fakten – und die Theorien vergessen.
Klar, ist das reiner „die Jugend von heute“-Blödsinn.
… aber Lesen zählt nicht zu Deinen Kernkompetenzen?
Wieso geht die Frage an mich? Es waren und sond doch eure politischen Freunde, die dringend benötigte Arbeitskräfte ( gegen den Protest der Arbeitgeber) abschieben ließen und lassen. Manchmal mit falschen Vorgaben zum Amt gelockt – statt Verlängerung des Status klicken die Handschellen. Ausbildungsverhältnisse werden oft nicht begonnen, weil der Aufenthalts-Status unklar ist. Wer will es den Ausbildern verdenken?
@ CitizenK 19. Dezember 2022, 12:56
Es waren und sind doch eure politischen Freunde, die dringend benötigte Arbeitskräfte ( gegen den Protest der Arbeitgeber) abschieben ließen und lassen.
Seitdem wir uns hier kennen, schreibe ich über Facharbeitermangel und darüber, dass wir qualifizierte Zuwanderung brauchen. Seitdem wir uns hier kennen, schreibe ich gegen die blauäugige Zuwanderung in unser Sozialsystem. Was soll also das Gejammer?
Wenn Du es vermagst, schlüssele doch bitte mal die Zahlen auf, wie viele (Millionen) Zuwanderer wir seit (weils rund ist) 2010 haben, wie viele davon auf eigenen Füßen stehen (= ohne Zuzahlung durch den Staat über die Runden kommen), und nenne noch bitte den ANteil derjenigen, die abgeschoben wurden, obwohl sie in Ausbildung / Arbeit waren. Alles über ein Promille würde mich wundern.
Zugegeben: Das Promille, selbst wenn es bezogen auf die Gesamtsituation irrelevant ist, zu viel. Aber jeder besseren Lösung steht momentan im Weg, dass jede:r Bewohner:in der Bundesrepublik (woher auch immer, warum auch immer, mit welchen Fähigkeiten auch immer gesegnet) hier „menschenwürdig“ versorgt werden muss (was häufig bedeutet: über das Niveau hinaus, dass man aus der Heimat kennt).
Der „Souverän“ hätte deutlich weniger Probleme mit Zuwanderung, wenn er wüsste, dass hier nicht ein konkurrent um Ressourcen, sondern ein finanzieller Unterstützer des Systems antritt.
Diese grenze wollen aber Deine „politischen Freunde“ nicht ziehen.
Yup!
Die BASF hat seit 10 Jahren ein Programm zur Ausbildung von Fachkräften aus Spanien. Anfangs gingen alle zurück – trotz der hohen Jugend-Arbeitslosigkeit dort. Jetzt bleiben fast alle. Stichwort: Willkommenskultur. Kaum ein Unternehmen folgt dem Beispiel. Also: Nicht alle Schuld bei den Politikern suchen.
https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/ludwigshafen/basf-10-jahre-ausbildungskooperation-spanien-100.html
@ CitizenK 22. Dezember 2022, 16:39
Stichwort: Willkommenskultur.
Keine grundsätzlichen Einwände. Aber kein Deutscher / Inder / Chinese / Mexikaner etc. (wer auch immer, woher auch immer, wohin auch immer) wird in seiner Heimat von seinem Arbeitgeber über den Standard hinaus besonders besonders aufgefangen. Ich habe wirklich nicht viel Zeit im Ausland verbracht, jeweils nur sehr wenige Wochen in den USA und in Japan, aber nach Feierabend saß ich stets alleine da. Kenne keinen, bei dem es anders war.
Wenn man die Leute haben – und halten- will, sollte man das doch ändern, oder?
Große Unternehmen hätten die Fähigkeiten dazu, die mittleren und kleineren können sich zusammentun. Gemeinsam mit staatlichen und halbstaatlichen (Kammern, Innungen) Institutionen. Es ist doch offensichtlich, dass etwas getan werden muss.
Wie bei der Energieversorgung wundert es mich, dass hier gerade diejenigen nach dem Staat rufen, die das sonst verurteilen.
@ CitizenK 31. Dezember 2022, 10:23
Wenn man die Leute haben – und halten – will, sollte man das doch ändern, oder?
Und wenn man die Leute – warum auch immer – nicht mehr braucht, ändert man es wieder, uhnd mobt diese Leute raus?
Grundsätzlich sollte derjenige, der zum Arbeiten hierher kommt, Deutsch / Englisch beherrschen. Der / die Betreuer müssten aber mehrere Dutzend Sprachen behrrschen und in unterschiedlichen Kulturen bespaßen können. Sehr einseitiges Geschäft.
Große Unternehmen hätten die Fähigkeiten dazu, …
Da arbeiten schon viele mit Migrationshintergrund.
… die mittleren und kleineren können sich zusammentun.
Zusammentun? Das sind doch Konkurrenten um das Personal.
Ansonsten: Welchen Aufwand muss ich betreiben, dass sich drei Spanier in meinem Unternehmen wohlfühlen? Die gehen abends um 20:00, 21:00 Uhr auf den Marktplatz, den es nicht gibt, setzen sich dort in ein Cafe („draussen nur Kännchen“), und wundern nsich, wie tot das seit 18:00 Uhr ist.
Gemeinsam mit staatlichen und halbstaatlichen (Kammern, Innungen) Institutionen.
Hast Du mit denen mal zusammengearbeitet? Da gilt es schon alos Kulturschock, wenn jemand seinen Schreibtisch verrückt.
Es ist doch offensichtlich, dass etwas getan werden muss.
Es ist doch offensichtlich, dass Dein lobenswerter guter Wille Deine praktischen Erfahrungen häufig übertrifft. Schau, was Dir Spaß macht, was Dich zufrieden und glücklich macht. Dann schau, was Dein Arbeitgeber (außer Geld und Arbeitsumgebung) dazu beiträgt.
Was soll „getan“ werden?
… dass hier gerade diejenigen nach dem Staat rufen, die das sonst verurteilen.
Der Staat bremst. Der Ruf lautet „geh endlich aus dem Weg!“
frohes neues Jahr!
E.G.
Ebenfalls ein gutes neues Jahr!
Der Staat bremst, ja. Aber auch dagegen können sich Unternehmen gemeinsam besser aufstellen. Gemeinsame Interessen können stärker sein als Konkurrenzdenken. Die gibt es auch um Azubis – trotzdem gibt es überbetriebliche Ausbildungszentren.
Die Produktionshalle „unserer“ Bäckerei brannte dieser Tage aus. Die Konkurrenten nutzten das aber nicht, um Filialen, Kunden und Mitarbeiter zu schnappen, sondern liefern als „befreundete“ Bäckereien ein Grundsortiment, damit der Konkurrent überlebt.
Rausmobben? Wie kommst du darauf, dass die Leute bald nicht mehr gebraucht werden? Die Lage wird ganz sicher nicht besser, sondern schlimmer.
Pflege (Kinderkliniken!), Heizungsbauer, PV-Bauer usw. – von dir doch mehrfach hier thematisiert?
Für Professoren haben die Unis Programme: Hilfe bei Wohnung, Schule für die Kinder, Job für den Partner. Gut möglich, dass wir das bald auch für die Ebenen darunter brauchen.
Zwei der OECD-Länder, die höhere Renten haben, machen das schlicht über höhere Beiträge: Österreich und Frankreich. Wie bei den Gesundheitskosten ist das einfach eine Entscheidung, wofür man das Geld ausgibt.
Bevor man das Umlageverfahren als große Dummheit schlechtredet, sollte man nicht vergessen:
“ Nach einer Umfrage der amerikanischen Tochtergesellschaft des Münchner Versicherungskonzerns fürchten sich drei Fünftel der Amerikaner am meisten davor, länger zu leben, als das Geld für ihre Rente reicht. Nur für zwei Fünftel ist die größte Sorge der Tod.“ Und:
„Investmentformen und Diversifikationsstrategien, die den Leuten helfen sollten, ihre Pensionsziele zu erreichen, haben sie nicht beschützt“, resümiert Gary Bhojwani, der Vorstandschef des auf Rentenversicherungen spezialisierten Versicherers Allianz Life“
https://www.faz.net/aktuell/finanzen/aktien/altersvorsorge-kursverluste-bedrohen-renten-der-amerikaner-11124901.html
Auch wenn die Rendite der Umlagerente niedriger ist – die Zahlung hört auch in einer Finanzkrise nicht einfach auf.
Aber lieber CitizenK, ich habe überhaupt kein Problem, wenn Sie das Umlageverfahren gut finden. Das ist für mich völlig in Ordnung. Und wenn Sie mit den Renten zufrieden sind, ebenfalls. Nur, da wir schon mit das Höchste zahlen, gibt es eben auch nicht mehr. Das ist der Deal. Ich beschwere mich nicht über das Umlageverfahren, Sie beschweren sich nicht über niedrige Renten. Mehr sonst in der Antwort an Lemmy.
Österreich hat keine Pflegeversicherung. Die können wir also abschaffen. Frankreich (und Österreich) haben eine gesündere Bevölkerungsstruktur, weil sich die Menschen nicht das Kinderkriegen gespart haben. Das ist nämlich auch ein Teil des Deals, den die Menschen in Deutschland nicht eingehalten haben: Umlagesystem bedingt eine substanzerhaltende Geburtenrate.
Wie viele Menschen haben in Deutschland Angst vor dem Alter? Hierzu fehlt bei Ihnen der Vergleichswert. Es gibt schließlich immer Menschen, die Angst vor Altersarmut haben, ist ja auch in Deutschland kein neues Thema und wurde öfters von Ihnen aufgebracht. Das hat sich wohl erledigt?
Welche Rendite? Alles dazu finden Sie im Artikel.
@ CitizenK 19. Dezember 2022, 13:19
Zwei der OECD-Länder, die höhere Renten haben, machen das schlicht über höhere Beiträge: Österreich und Frankreich. Wie bei den Gesundheitskosten ist das einfach eine Entscheidung, wofür man das Geld ausgibt.
Eine typische Citizen K.-Antwort.
Österreich und Frankreich haben eine jüngere Bevölkerung; kein Wort zu den anderen 35 OECD-Staaten oder zu den anderen über 190 Ländern auf der Welt. Kein Wort zu Finanzierbarkeit bei uns, wenn (wie von mir beschrieben und auch aufgrund der Geburtenrate dokumentierbar) sich das Verhältnis zwischen Einzahlern und Empfängern gerade rapide verschlechtert.
Ansonsten sie
Nach meinem (begrenzten) Kenntnisstand stimmen wesentliche Voraussetzungen des Artikels einfach nicht:
1) Deutschlands Rentensystem ist bisher nicht so schlecht, wie dargestellt:
a) https://www.focus.de/finanzen/altersvorsorge/deutschland-nur-platz-13-das-sind-die-besten-rentensysteme-der-welt_id_11340742.html
b) https://de.statista.com/infografik/20121/ranking-der-besten-laender-fuer-rentner-weltweit/
2) Die Rentenbeiträge heute sind um knappe 2% niedriger, als in den neunzigern. Im Vergleich zu Österreich oder Frankreich, worauf andere Kommentatoren schon hinwiesen, wäre da noch sehr viel Luft nach oben.
3) Der Rentabilität von Aktienanlagen steht ein deutlich erhöhtes Risiko gegenüber. Ich habe bei Kollegen selbst zweimal erlebt, wie die Insolvenz grosser Pensionsfonds (einmal GB, einmal USA) erhebliche Teile der Alterssicherung dieser Kollegen über Nacht rückstandsfrei vernichtete.
Insgesamt bleibe ich dabei, dass in jedem Falle (aktien- oder umlage- oder sonstwie finanziert) die Rente von den jetzt Lebenden erwirtschaftet werden muss (wie auch sonst) und ich absolut nicht erkennen kann, dass dieses Grundproblem beim Wechsel von einem Umlageverfahren zu einem kapitalstockgedeckten Individualverfahren auch nur ansatzweise zu lösen ist. Auch Stefan Ps Beitrag bleibt hier jede Gegenargumentation schuldig, weshalb ich das auch für unlösbar halte.
Letztlich bleibt bei sinkenden Geburtenraten nur der Dreiklang aus steigendem Renteneintrittsalter, sinkenden Renten und höheren Beiträgen (wurscht, ob aus Steuern oder Sozialabgaben). Und für mich bleibt es dabei, dass ein aktienfinanzierte Rente exakt dieselben Probleme bekäme PLUS das Verlustrisiko (Firmenpleiten) und erhebliche Schwankungsrisiken (Finanzkrisen bzw. -flauten).
Übrigens gingen meine oben genannten britischen und US-amerikanischen Kollegen auch forsch davon aus, durch ihre Privatvorsorge besser dazustehen, als durch eine „Staatsrente“. Vor der Pleite ihrer Rentenversicherer …
Gruss,
Thorsten Haupts
Ein wesentlicher Unterschied besteht:
Im Umlagefinanzierten System ist es wichtig, dass die Anzahl der Einzahler und der Leistungsbezieher in Deutschland in einem ausgewogenen Verhältnis zu einander stehen.
In der Kapitalgedeckten Rente bspw. auf Aktien. Bekomme ich ja den Effekt, dass zwar noch immer die Einzahler aus Deutschland brauche, das Geld jedoch weltweit investiert werden kann und ich damit eine deutlich bessere Rendite habe, als im Beispiel Umlagefinanzierung. Insofern könnte ein solches System sicherlich besser ein schlechteres Verhältnis zwischen Einzahlern und Leistungsbeziehern abfedern, als die reine Umlage.
Ja, es gibt Kursschwankungen und Krisen, aber bei der Rente reden wir über langfristige Horizonte und da war bislang die Rentabilität der Aktienmärkte nahezu unschlagbar.
Ich denke aber auch, dass es wichtig ist, wie die erfolgreichen Länder in besagtem Fokusartikel auf mehrere Säulen zu setzen. Erschwingliches Eigentum, Betriebsliche Altersvorsorge, sind wichtige Komponenten die Altersarmut vorbeugen.
ad 1. Deutschland leistet 10,2% des BIPs an Rentenzahlungen. Der OECD-Schnitt liegt bei 7,7%. Österreich wendet 13% auf. Insgesamt liegen wir damit auf Platz 11 und im oberen Drittel. Bei den Rentenzahlungen sieht das Bild umgekehrt aus. Deutsche Rentner erhalten gerade 41,5% ihres vorherigen Entgelts, das OECD-Mittel liegt deutlich höher bei 52%. Das ist das, was Sie als gut bezeichnen. Das hätte ich dann doch näher von Ihnen begründet, warum ein System gut ist, wo man relativ viel einzahlen muss, aber relativ wenig herausbekommt.
ad 2) Das ist falsch. 1999 wurden die Rentenbeiträge durch eine Umwidmung in Steuern gedrückt. Ohne diese Maßnahme lägen die Beiträge heute über dem Niveau von Anfang der Neunzigerjahre.
Relevant ist der Gesamtkontext. Die Südländer beispielsweise pulvern hohe staatliche Mittel in die Altersvorsorge, haben aber kein Geld für die soziale Absicherung gegen andere Risiken. Österreich liegt bei der Einkommensteuer unter Deutschland und bei den Sozialbeiträgen geringfügig darüber. Das Gesamtpaket zählt.
ad 3) Das ist falsch. Je breiter gestreut desto mehr minimiert sich das Risiko gegen Null. Selbst einen Wertpapier-Analphabeten kann ich beauftragen, einen Sparauftrag für den ETF World aufzulegen. Verlieren kann er damit praktisch nicht. Genauso könnte ich behaupten, die Umlagenrente sei unsicher, schließlich könnten sich irgendwann die verbliebenen Erwerbstätigen weigern, noch in die Rentenversicherung einzubezahlen.
Zu 1)
Meine Quellen habe ich verlinkt. Deren Antwort bleibt wie von mir beschrieben – das deutsche System gehört nicht ins untere Drittel (wie von Ihnen postuliert), case closed.
Zu 3)
Sie sind jetzt gefühlt der tausendste, der mir erzählt, er habe das absolut todsichere und unfehlbare Rezept zur risikolosen Geldvermehrung gefunden. Sie erlauben bitte, dass ich das mit meiner Lebenserfahrung für Unfug halte 🙂 .
Insgesamt interessieren mich Details auch nur ganz am Rande. Mich interessiert nur die Grundsatzfrage – kapitalgedeckt versus umlagegedeckt – und genau dort vermisse ich befriedigende Antworten, warum kapitalgedeckt grundsätzlich besser sein soll. Und darauf gab es bisher nur die Antwort von kning – nisher ungenutzte Anöagemöglichkeiten ausserhalb der deutschsprachigen Demographie. Akzeptiere ich, aber die Antwort hat aus meiner Warte eine begrenzte Halbwertszeit und enthält grosse Risiken.
Gruss,
Thorsten Haupts
Genau das war auch immer mein Problem an dem Ganzen, und die Antworten (bzw. ihr Fehlen) überzeugen mich nicht.
Zu 1): Ich verstehe Sie nicht. Ihre Links nehmen eine Bewertung und Einschätzung vor. Dabei bewerten sie das deutsche System keineswegs gut.
Gerade Sie sollten wissen, wie man die Ertragskraft einer Investition bewertet. Warum äußern Sie sich dazu nicht? Was sagt es Ihnen, dass die Deutschen gemessen im Verhältnis des Erwirtschafteten (BIP) deutlich über dem OECD-Schnitt für ihre Altersvorsorge zahlen? Das heißt doch, dass wir viel ausgeben müssen, wie für ein Apple-Tablet im Vergleich zu einem Billig-Tablet. Ist das eingängig?
Wie messen wir Ertrag? Doch darin, was wir auf die Kralle (Konto) bekommen, oder? Das bezieht die OECD der besseren Vergleichbarkeit wegen auf das frühere Erwerbseinkommen. Persönliche Bemerkung: machen Sie das nicht bei ihren Ersparnissen? Jedenfalls, in dem Ranking liegt Deutschland deutlich unter OECD.
Noch einmal die Frage: Was sagen Ihnen diese unbestreitbaren Fakten?
Zu 3): Genau das habe ich nicht gesagt. Der Artikel sagt, dass es die meisten Länder besser machen. Alle, die es besser machen, haben ein klares Mischsystem. In den Mischsystemen bildet ein Umlagesystem die Basis, die das Minimum abdeckt, aber selten mehr. Umlagesysteme sind genau dafür, sie verschaffen ein Mindestmaß an Sicherheit. Ich habe mich nie gegen diese Grundierung ausgesprochen.
Nur, dann braucht ein Mischsystem eben eine deutliche Ertragskomponente. Und seit Marx sollten wir wissen, dass Kapital typischerweise höhere Erträge abwirft als Arbeit. Es ist dann töricht, aus Arbeit einen höheren Ertrag als aus Kapital zu erhoffen. Das ist der Fehler im deutschen System. Wir haben aus dem vermeintlichen Gefühl von sozialer Gerechtigkeit sehr lange ausschließlich auf ein reines Umlagesystem gesetzt.
Dieses Entweder / Oder ist der typisch deutsche Blödsinn. Kein seriöser Kapitalanleger legt alle seine Eier in einen Korb.
Zu 3)
Okay, das trifft es IMHO dann schon deutlich eher. Grundrente (ca. 200 Euro höher als alle Leistungen der Sozialhilfe/Hartz IV zusammengerechnet) plus Eigenvorsorge ist meine Präferenz seit den späten achtzigern, als das heutige Problem bereits – offenkundig (!) – sichtbar wurde. Dass die Politik für mehr als 30 Jahre geschlafen hat, ist unbestreitbar
Gruss,
Thorsten Haupts
Eine Grundrente kann sich nur geringfügig über der Sozialhilfe bewegen. 200€ auf niedrigem Niveau ist nicht geringfügig.
Wieso die Politik?! Es kann nicht der geringste Zweifel daran bestehen, dass die Bevölkerung absolut einverstanden war mit dieser Politik – und es bis heute ist. Im Gegenteil, ginge es nach den Mehrheiten, hätte es noch mehr Umverteilung gegeben.
Es kann nicht der geringste Zweifel daran bestehen, dass die Bevölkerung absolut einverstanden war mit dieser Politik
Ja. Und? Das ist der menschliche default – für einen Menschen, der aus Überzeugung Unbequemlichkeit für ein Ziel wählt, zeige ich Ihnen 100, die das nicht tun. Von politischer Führung erwarte ich noch immer, dass sie tut, was notwendig ist und dafür um Akzeptanz wirbt.
Gruss,
Thorsten Haupts
Es sei denn, es geht um den Genderstern, nicht? 😉
Nö, da leuchtet mir die Notwendigkeit nicht ein.
Und weil es dir nicht einleuchtet, dürfen Politiker*innen nicht um Akzeptanz werben? Merkwürdiger Standard.
Mein Missverständnis. Um Akzeptanz dürfen sie natürlich jederzeit werben. Nur nicht dekretieren.
War schon verwundert 😀
Das ist der menschliche default (..) Von politischer Führung erwarte ich noch immer, dass sie tut, was notwendig ist und dafür um Akzeptanz wirbt.
Mit anderen Worten: Sie erwarten, dass Politiker „bessere“ Menschen sind. Das ist abwegig. Der Wesenskern der Demokratie ist, dass dem Mehrheitswillen Geltung verschafft wird. Dieses zu kritisieren, legt die Axt an unsere zivile Ordnung.
Adenauer gewann mit der dynamischen Rente, weil Millionen Rentnern ob ihres früheren Verhaltens Altersarmut drohte. Das war eine Gefahr, die über ein Jahrzehnt mindestens angehalten hätte. Logisch, dass diese Deutschen für ihr historisch verantwortungsloses Verhalten nicht die Folgen tragen wollten, in einem aufblühenden Land.
Meine Oma hat eine karge Rente bekommen. Ihr Mann starb mutmaßlich 1944 in den Karpaten. Zuvor hatte das Reich einen Großteil seines selbständigen Betriebs enteignet. Sie hatte für die Fehler bezahlt, wobei ich nicht einmal wusste, ob sie je die NSdAP gewählt hatten. Ich vermute nein.
Nein, ich erwarte von Politikern, dass sie mit ihrer Verantwortung wachsen. Wie alle Fähigen in verantwortlichen Funktionen – geboren wurde für die niemand.
@ Thorsten Haupts 20. Dezember 2022, 16:58
Mich interessiert nur die Grundsatzfrage – kapitalgedeckt versus umlagegedeckt – und genau dort vermisse ich befriedigende Antworten, warum kapitalgedeckt grundsätzlich besser sein soll.
Das ist eine Schwarz-Weiß-Frage, auf die es keine sinnvolle Antwort gibt. Beide Elemente unterliegen Risiken. Die Schwächen des Umlageverfahrens offenbaren sich gerade aufgrund der wirklich starken Verschiebungen zwischen Einzahlern und Empfängern. Solche Effekte kann man mit kapitalgedeckten Elementen deutlich reduzieren.
Die Umstellung unseres Rentensystems erfordert Zeit und Kosten, und wie Stefan P. zu recht schreibt, ist der Zug hier abgefahren. Bitter ist, dass der Schaffner jahrzehntelang gepfiffen hat, ohne dass wir einsteigen wollten. Jetzt würde jede Änderung am Konzept der Rente zu Revolten führen.
Auch, ob das Rentensystem „gut“ oder „schlecht“ ist, lässt sich nicht einfach mit „ja“ oder „nein“ beantworten. Die Leute die vor ein paar Jahren in Rente gingen, stehen etwas besser da als ich, die Leute, die nach mir in Rente gehen (ich schätze Dich zehn, fünfzehn Jahre jünger ein als ich) werden schlechter dastehen.
Darüber hinaus werden, um das Rentenniveau bei schwindenden Einzahlern und steigenden Empfängern halbwegs halten zu können (Gleiches gilt für die Kranken- und Pflegeversicherung), deutlich größere Steueranteile in unser Sozialsystem pumpen müssen. Schon 2019 lagen die Zuschüsse für die Rente bei über 27 % (für Sozialabgaben bei insgesamt bei über 50 %).
Viel Geld, das woanders fehlt.
Das finde ich das krasseste: dass die Notlage der Rente nicht alle gleichermaßen trifft, sondern dass die alten bevorzugt werden. Methusalem-Komplex und so.
Bei einer Durchsachnittsrente von 1.600 Euro versus das Medianeinkommen von etwas über 3.000 ist das ne steile These …
Ich rede von den Renten! Natürlich nicht Rentner*innen im Vergleich zu Arbeitnehmer*innen.
sehr weite Zustimmung, nur find ichs ein bisserl defätistisch. Vielleicht besteht auch die Tendenz, mit zu wenig Problembewußtsein an das Thema heranzugehen. Ich schätze das Risiko, dass die Fonds Pleite gehen als extrem gering ein. Bei mir wären das in Faß 2 (Rürup) 1x Floßbach und Storch, 1x Allianz und 1x DWS. Faß 3 (freestyle ohne Steuerbefreiung) ist ein bisschen, aber auch nicht viel riskanter, d.h. branchenfokussierter ETF, regionaler ETF, Flossbach von Storch Fond und chilenische Staatsanleihen. Lief alles dieses Jahr echt nicht gut aber davor und hoffentlich in den nächsten Jahren.
Einen Menschen 25 Jahre zu finanzieren – ob aus selbst oder von anderen erarbeiteten Mitteln – kostet einfach eine Menge Geld.
Das deckt sich auch mit meinem Wissensstand und meinen Vorbehalten.
@ E. G. (Zuordnung funktioniert nicht, sorry)
Hier war von Versäumnissen die Rede, ich habe ein weiteres benannt. Bezüglich der Größenordnung hast du natürlich recht, es geht aber auch um die Grundeinstellung, das mögliche Potential nicht genutzt zu haben.
Beispiel: Angeblich fehlen über 50000 Berufskraftfahrer – dafür braucht man keine langjährige Ausbildung.
Die von dir genannten Probleme
– Beitragszahler – Rentenempfänger und
– deutlich längerer Rentenbezug
sehe ich auch, anders einige meiner „politischen Freunde“, zugegeben.
Was ist falsch an meinen Beispielen? Beide
haben höhere Beiträge UND ein niedrigeres Renteneintrittsalter. (Bei der ÖBB konnte man lange mit 55 in Rente – wie heute noch bei der SNCF). Der Logik „höhere Beiträge – höhere Renten“ kann man kaum widersprechen. Die Frage ist , ob man das will. Wenn nicht, dann halt länger arbeiten oder besser eine flexible Altersgrenze. Die „Aktienrente“ finde ich als Ergänzung eine gute Idee, leider spät und zu klein.
Wenn eine relevante Zahl von Gering- oder gar Normal-Verdienern eine Rente unter Sozialhilfeniveau erhält, muss das ausgeglichen werden. Entweder gleich durch Zuschuss in die Rentenkasse oder später dann durch Sozialhilfe (was umständlicher und teuerer und weniger menschlich ist – siehe Lennys Argument).
P.S. Wenn alle hier das Hohe Lied der Kapitaldeckung singen, darf ich doch an die Nachteile erinnern?
Nochmal: Der Artikel beschäftigt sich nicht mit Theorien, sondern Fakten. Fakten, die sich über Jahrzehnte gezeigt haben.
Können Sie mal bitte das Naturgesetz oder den Grundgesetzartikel zitieren, wonach eine Rente unter Sozialhilfeniveau nicht erlaubt ist? Und wo steht, dass es ehrenrührig sei, zum Sozialamt zu gehen?
Du redest Politik.
Ich will Versicherungsmathematik.
Ja, aber wir können hier nur die politische Situation diskutieren. Und gerade angesichts der Inflation müssen heute viele Annehmlichkeiten wie Urlaub streichen. Wir reden nicht von Leuten wie uns beiden, was soll das bringen? Mich trifft die Inflation praktisch nicht, ich kann das sehr entspannt sehen. Aber das gilt eben für die meisten nicht. Und die müssen zwangsweise voll auf die staatliche Rente setzen.
Ich rede unten über Versicherungsmathematik und auch – ein wenig ungewöhnlich – mein Geld. Wirklich aus der Verzweifelung, dass wir so nicht weiterkommen.
Wenn ich die versicherungsmathematischen Grundlagen habe – und ich hoffe die von meiner Versicherung geben mir die Formel – können wir über Sinn oder Unsinn von kapitalgedeckter Rente für die Leute mit geringeren Einkünften reden. Bin da letzte Woche auch mit diesem Latino-Akademiker auf twitter leicht verzweifelt. Mein Ärger ist nicht gegen dich gerichtet. Die ganze Debatte krankt daran, dass praktisch alle von „Butter bei die Fische“ zurückschrecken.
Wie kommst Du eigentlich darauf, dass eine kapitalgedeckte Rente das ist, was ich meine?
Zur Historie: In Deutschland gab es bis zum 2. Weltkrieg die kapitalgedeckte Rente. Dann zerschoss eine Generation in zwei Weltkriegen ihre Altersvorsorge, weil sie meinte, im Osten noch Landgewinne erzielen zu können. Die Umlagerente war ein Produkt der Verzweiflung, nicht der klugen ökonomischen Überlegung in freier Wahl. 1950 war nämlich nichts mehr da, womit man die Rente hätte unterlegen können.
Ich wußte nicht, dass die deutsche Rentenversicherung vor 23er Hyperinflation und WKII starke Elemente der Kapitaldeckung hatte, aber es stimmt. Danke. Faszinierend.
https://www.bpb.de/themen/soziale-lage/rentenpolitik/291895/eine-kurze-historie/
Aber welchses Verfahren willst Du?
Ein international Übliches. Vor allem eins, bei dem die Erwerbstätigen an den Erträgen der Volkswirtschaft partizipieren und entsprechend gut gestellt bei der Altersvorsorge sind.
Dieser ganze deutsche Blödsinn mit Riester- und Rürup-Rente, mit Betriebsrente und Kapitallebensversicherung pulvert den Großteil der Mittel in die Absicherung rein, womit das Eigentliche, der Ertrag, minimiert wird. Das begreifen die Skandinavier, die Niederländer, die Schweizer, die Amerikaner. Warum um Gottes Willen nicht die Deutschen?!?
Der Punkt ist ein anderer: Anders als die Befürworter der Umlagerente meinen, ist das heutige System aus der Not geboren. Hätten wir nach dem Krieg noch ein intaktes Land gehabt, wären Hitlers Eroberungsfeldzüge erfolgreich gewesen, würde heute niemand die Erfolge der „dynamischen Rente“ anpreisen.
Nur, weil eine Generation, die dann auf Bittgang gegangen war, völlig verantwortungslos zwei Kriege angezettelt hat, um andere Länder auszurauben, haben wir heute dieses System. Auch Putin versucht die Eroberungsstrategien des 19. Jahrhunderts. Die Ukraine wird ausgeraubt, die Bevölkerung getötet oder vergewaltigt und der Rest wird zerbombt um das Land hinter den Imperialisten zu bringen. So verachtenswert, und dennoch gibt es hier bis heute Bewunderer von Putin. So wie es früher Bewunderer von Hitler gab. Die nehmen sich nichts.
Natürlich ist das „erlaubt“. Kostet aber zusätzlich Geld, Zeit und Nerven.
„Ehrenrührig“? Darum geht es nicht (obwohl die meisten Menschen das so erleben). Die Frage verwundert angesichts Ihrer Aversion gegenüber Behörden. Anträge, Papierkrieg, Wartezeiten, Unverständliche Behördensprache.
???
Bei der Grundrente mussten wir erleben, dass, wenn der Staat es auf einfach probiert, es meist teurer wird. Eigentlich sollte es umgekehrt sein. Die Grundrente geriet ob des Verlangens der SPD wesentlich teurer als notwendig. Und am Ende produzierte sie doch hohe Verwaltungskosten. Von 1,7 Milliarden Kosten sind 0,4 Milliarden Euro für die Verwaltung.
Richtig gemacht würde man den Leuten eine niedrige Pauschale zahlen. Wer den Aufwand nicht scheut, kann ja einzeln beantragen und dann vielleicht mehr herausholen. Nur hat er dann auch die Kosten.
Sagen Sie mal, wieso meinen Sie, Papierkrieg, Anträge, Wartezeiten, unverständliche Behördensprache sei nur etwas für „normale“ Bürger, Wohlhabende und Unternehmen? Warum meinen Sie, vermeintlich Bedürftigen das ersparen zu müssen? Sind für Sie nicht alle Menschen vor dem Gesetz gleich?
Wohlhabende haben für den Umgang mit Behörden ihren Steuerberater oder Anwalt. Wer im Alter eine Rente unterhalb der Grundsicherung bezieht, hat das in aller Regel nicht. Und meist auch nicht die Vorbildung, das selbst zu tun. Aber auch die reicht oft nicht, wie ich bei der Unterstützung bei Anträgen (Wohngeld, Kinderzuschlag) erfahren habe. Das geht dann ungefähr so: „…im Sinne von § x, 3. Buch SGB, Abschnitt y Ziffer z, 2. Halbsatz“… Ohne fremde Hilfe schaffen das die Wenigsten. Wirkliche Gleichheit vor dem Gesetz gibt es nur mit einer materiellen Mindest-Grundlage.
Wenn’s denn Steuergeld sparen würde. Das aber das tut nur, wenn es nicht in Anspruch genommen wird. Warum die Verwaltung der Grundrente 400 Mio. kosten soll, erschließt sich mir nicht. Evtl. wäre eine Pauschalisierung sinnvoller gewesen, aber das hebelt mein Argument nicht aus.
@CitizenK 20. Dezember 2022, 07:07
Wohlhabende haben für den Umgang mit Behörden ihren Steuerberater oder Anwalt.
Losgelöst vom Rest der Diskussion: Das ist kein Argument für nix.
Schon, Erwin. Wenn ein auch nur etwas unterdurchschnittlich gebildeter und/oder intelligenter Mensch mit Behördenformularen nicht mehr zurecht kommt, hat dessen Staat etwas grundsätzlich falsch gemacht und schafft ein automatisches, aber eben vermeidbares (!), Gefälle zwischen Menschen mit und ohne Geld.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich glaube, dass die deutschen Behörden bei ihrer Kommunikation „etwas falsch machen“ ist die Untertreibung des Jahres.
@ Thorsten Haupts 20. Dezember 2022, 17:01
Schon, Erwin.
Mein Punkt war „losgelöst vom Rest der Diskussion“. Dass man sich einen Steuerberater oder Anwalt leisten kann (in vielen Fällen = muss), ist auch Getrieze, das nicht gerade wenig Geld kostet.
Wenn ein auch nur etwas unterdurchschnittlich gebildeter und/oder intelligenter Mensch mit Behördenformularen nicht mehr zurecht kommt, hat dessen Staat etwas grundsätzlich falsch gemacht und schafft ein automatisches, aber eben vermeidbares (!), Gefälle zwischen Menschen mit und ohne Geld.
Kein Widerspruch. An der Stelle stimme ich mit Dir und Citizen K. (und noch mehr mit Stefan Sasse) überein.
Ist das Ihr rechtsstaatliches Verständnis?
Für das Entstehen eines Rechtsanspruchs und die Erfüllung von Angabeerfordernissen spielen die Einkommensverhältnisse des Bürgers keine Rolle. Der Staat hat seine Gesetze, Formulare und Anforderungen so abzufassen, dass ein Bürger mit durchschnittlichem Bildungsgrad diese befolgen und Informationen geben kann.
Wie kommen Sie darauf, dass es Wohlhabenden Bürgern zuzumuten ist, einen Teil ihres Einkommens für die Erfüllung von Bürgerpflichten in Expertenrat zu investieren, nicht jedoch weniger Vermögenden? Wo steht das, woraus ergibt sich das? Darüber hinaus erhalten sozial Bedürftige kostenlosen Rechtsschutz. Im Gegensatz zu Wohlhabenden müssen sie nicht für die Inanspruchnahme von Rechtsrat bezahlen, selbst wenn ihr Fall von Anfang an aussichtslos ist.
Vor allem aber: Eine Pauschalierung muss eine Win-Win-Situation für beide Seiten sein. Das ist es bei der Mindestrente eben nicht. Im Steuerrecht sind die Pauschbeträge so niedrig, dass jemand wie ich sich die Mühe machen muss, den Einzelnachweis zu führen. Ich habe dafür erheblichen Aufwand, während ein anderer, der praktisch keine abziehbare Ausgaben hat, vom Steuergesetzgeber die Pauschbeträge geschenkt bekommt. So funktioniert das mit der Pauschalierung. Und warum werden bei uns Transferempfänger so viel besser behandelt als jene, die das Ganze finanzieren?
Zu meinem „rechtsstaalichen Verständnis“:
„Ronen Steinke: Wir haben alle die gleichen Rechte, das stimmt, aber von ihnen Gebrauch zu machen, muss man sich auch leisten können. Wer als Angeklagter vor Gericht steht und nicht Jura studiert hat, kennt weder die Regeln des Verfahrens noch seine Rechte. Dafür braucht man einen Anwalt. Wer den nicht bezahlen kann, hat schlechtere Chancen auf einen fairen Prozess. Statistisch sind in solchen Verfahren die Freisprüche deutlich seltener und die Strafen höher. Damit wird ein wesentliches Element des Rechtsstaats ausgehöhlt, das Versprechen des Grundgesetzes, Artikel 3: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“
https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-thema/wirtschaftskanzleien-2022/ungerechtes-recht-ronen-steinke
Das trifft wie gezeigt nicht zu.
Und da steht nichts von den Tücken der Verwaltung. Diesen unterliegt – und das kann ich Ihnen aus privater wie professioneller Sicht bestätigen – ausschließlich jeder.
@ CitizenK 19. Dezember 2022, 17:46
[@ E. G.]
Zuordnung funktioniert nicht, sorry
Mag sein; sorry dann.
Für mich wird das Thema unbefriedigend diskutiert.
Ich möchte die versicherungsmathematischen Grundlagen geklärt wissen. Da habe ich noch nicht alles geklärt. Ich nenn jetzt auch mal ein paar Zahlen.
1. Ich bekomme von der Deutschen Rentenversicherung des öfteren ein Schreiben, in dem meine aktuelle Rentenbezugshöhe vermerkt sind. Da steht ein sehr hoher 3-stelliger monatlicher Betrag. Habe ich mir in meiner nicht so kurzen Zeit als abhängig Beschäftigter erarbeitet. Immerhin mehr als meine Oma. Die hatte einen hohen 3-stelligen D-Mark. Ok, mit der Inflation wird mich Oma Hanna bei meinem Renteneintritt vielleicht in diesem Punkt überholt haben.
2. Ich zahle relativ viel in die Rürup Rente ein. Nach Konsultationen mit zwei Versicherungs-Experten, die ich von Projekten kenne, rechne ich pro 100 Tsd Euro aus der Ansparphase mit 450 Euro Rente pro Monat.
Was ich nun versuchen werde herauszubekommen: Die Formel, mit der meine Rürup-Versicherung tatsächlich die Auszahlung berechnet.
Letzte Woche habe ich mich auf twitter mit einem Lateinamerikanischen Sozialversicherungsexperten aus Akademia (vermutlich Kolumbianer) ausgetauscht. Der wusste die Formel für die Auszahlung der chilenischen AFP auch nicht. Er hielt meine 450 Euro Theorie für ein bisschen, aber nicht viel untertrieben.
Die Formel hängt stark von den Sterbetafeln (try google) ab. In den letzten Jahren haben die sich wegen erhöhter Lebenserwartung verschlechtert. Das ist das eigentliche „Problem“, d.h. eigentlich ist es ja schön, dass wir länger leben.
Mein Rentenziel beträgt 4.000 Euro im Monat als Minimum. Daneben will ich noch das 3. „Faß“, also meine Sicherheitsrücklagen als nicht niedrigen 6-stelligen Betrag ins Alter tragen.
Mir sind in Ihrer Argumente einige Dinge aufgefallen, die ich nicht unkommentiert stehen lassen möchte:
1) Für jemanden, der für sich ökonomisches Denken beansprucht, und den Mangel eines solchen bei jeder Gelegenheit beklagt, ist Ihre Geringschätzung der Buchhaltung – also des Rückgrats jeglichen ökonomischen Denkens – befremdlich.
2) Diese erklärt aber zumindest ein wenig die Hemdsärmligkeit, mit der Sie in Ihrer Erläuterung von „Kapital“ zwischen die bilanzfähigen Posten Finanz- und Sachkapital das nicht bilanzierte (außer im Profisport) Humankapital. Hineinbringen und unter diesem Punkt auch noch Forderungen hineinwerfen.
3) Kommen wir zu Gerhard Mackenroth. Dieser war im übrigen kein Buchhalter, sondern kam aus einer anderen Erbsenzählerdisziplin: Sozialstatistik. Sein Theorem ist in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung eigentlich trivial: Sozialausgaben sind Konsumausgaben und müssen aus laufend Erwirtschafteten gedeckt werden. Dass dies im übrigen genauso ein Argument gegen die Schuldenfinanzierung solcher ist, möchte ich hier auch erwähnen.
4) „Nur in einem so staatsverliebten Land wie Deutschland kann man auf die Idee verfallen, aus Schulden Kapitalvermögen generieren zu wollen.“ Ist angesichts solcher privatwirtschaftlicher Finanzmarktkonstrukte wie CDOs ein wenig kontrafaktisch.
5) Sie bewerben den Investmentfond Blackrock als Alternative, verschweigen aber das Klumpenrisiko, das eine solche Menge verwalteten Kapitals für Finanzmärkte darstellt. Von dem gesellschaftlichen Risiko, dass eine solche Kapitalkonzentration als Machtfaktor darstellt, ganz zu schweigen. Blackrock hat jedenfalls schon eine Lobbyistin in Habecks-Wirtschaftsministerium festinstalliert.
6) Sie gehen bei dem Flickenteppich an Altersvorsorgemodellen nur auf die Rentenversicherung (und ein wenig steuerfinanzierte Beamtenpensionen) ein. Dass es auch noch berufsständische Versorgungswerke gibt, Betriebsrenten (für die im übrigen zwar Rückstellungen, aber keine Rücklagen gebildet werden müssen) sowie steuersubventionierte Ponzi-Scam (Riesterrente) sollte zumindest erwähnt werden.
7) Das habe ich in den 90ern alles schon gehört. Jetzt, nach einem Vierteljahrhundert, geburtenstarken Jahrgängen, die aus der Erwerbstätigkeit fallen, und mehreren Finanzkrisen steht die Rentenversicherung immer noch – und gar nicht so schlecht.
3) Nur wenn man davon ausgeht, dass Staatsschulden aus vorher akkumuliertem Kapital gespeist werden.
5) Das war genau meine Ausgangsfrage.
6) Nicht zu vergessen Pensionen.
ad 1): Die Buchhaltung ist rückwärtsgewandt. Sie gibt Auskunft über die Vergangenheit, sie kann die Zukunft nicht erklären. Das sehen Sie daran, dass bei Übernahmen die Kaufpreise des Erwerbs nicht aus den Buchwerten des Unternehmens hergeleitet werden können. Die Buchhaltung ist auf Krücken wie „Verteilung des Kaufpreises“ auf die Anlagegüter (retrograde Methode) und Goodwill-Bildungen angewiesen. Das ist aber keine Erklärung, sondern Vollzug des Offensichtlichen.
Ich bin Finanzchef eines größeren Konzerns. Und damit auch für die Buchhaltung verantwortlich.
ad 2): Der Wert des Humankapitals findet sich in den Personalaufwendungen. Ihr Anteil an den Gesamtkosten wie im Vergleich zu den Abschreibungen ist in den letzten 20 Jahren enorm gewachsen. Aktivierungsfähig sind sie nicht, das stimmt.
ad 3): Ich habe nicht gemeint, dass er von Beruf Buchhalter sei. Seine Theorie ist eine Buchhaltertheorie, wie ich schon in einem früheren Artikel schrieb.
ad 4): Widerlegt nicht meine Aussage.
ad 5): Ich bewerbe nicht Blackrock. Ich mache anhand der größten Kapitalsammelstelle die unterschiedliche Ertragsentwicklung von Kapital versus Umlagesystem deutlich. Ich habe keine Anteile an Blackrock.
ad 6): Alle haben die gleichen Probleme. Wenn Sie wüssten, wie heute Unternehmen mit Pensionsrückstellungen ohne einen korrespondierenden Kosten „Forderungen gegenüber Versicherungen“ zu kämpfen hätten, würden Sie an dieser Stelle nicht danach fragen.
ad 7): Das erscheint Ihnen nur so, weil der Staat in den letzten 25 Jahren die Kostensteigerungen über das Steuersystem abgepuffert hat und die Umlagenrente von einer dramatischen Ausweitung der Frauenerwerbsarbeit wie Erhöhung der Beschäftigung von Ü50jährigen profitiert. Doch dieses Potential ist inzwischen erschöpft, weder Frauen noch ältere Beschäftigte wollen noch mehr arbeiten. Gleichzeitig schrumpft die Erwerbsbevölkerung ab 2024 geradezu sturzfallartig. Das wurde nie anders gesagt. Es wurde immer gesagt, ab 2024 beginnen die harten Jahre. Dass wir heute schon die Ausläufer durch niedrige Renten spüren, ist eher ein Alarmsignal.
Die Politik weiß um die Dramatik. Was meinen Sie denn, warum Finanzministerium im Konzert mit dem Arbeitsministerium seit 2014 die Fortschreibung des Tragfähigkeitsberichts bezüglich der Rentenentwicklung verweigert? Der aktuelle Status der Bundesregierung geht, anders als bei den anderen Posten der Staatsfinanzen, von einem Ende der Rente im Jahr 2025 aus. Darüber hinaus gibt es keine offiziellen Prognosen der Politik. Das war in früheren Jahren des Berichts anders. Die Staatsfinanzen werden für 20-25 Jahre prognostiziert – ohne die Rentenversicherung.
Was ich an Stefans Position nicht verstehe:
SP: Dieser ganze deutsche Blödsinn mit Riester- und Rürup-Rente, mit Betriebsrente und Kapitallebensversicherung pulvert den Großteil der Mittel in die Absicherung rein, womit das Eigentliche, der Ertrag, minimiert wird.
LC: Man kann doch Rürup und Riester-Renten auswählen, die in Wertpapiere anlegen. Da hat man doch einen Ertrag. Man kann sich die Wertpapiere aus einer bei meinem Anbieter immer längeren Liste auswählen. Das sind normale Fonds namenhafter Anbieter wie DWS, Flossbach von Storch, Allianz sowie inzwischen auch ein paar ETFs. Bin da „all in“ in 3 verschiedene Fonds und das läuft insgesamt gut. 2022 natürlich nicht so, aber die Erträge der letzten Jahre übersteigen das deutlich.
Der Wesenskern der Riester-Rente ist die Versicherungsleistung. Das Gros der Verträge sind daher auch Versicherungsverträge und keine Fondssparverträge. Bei der Versicherung hast Du einen Versicherungsträger. Für diesen fallen nicht nur Verwaltungskosten an, es werden auch ziemlich hohe Absicherungskosten fällig. Dazu sind Versicherungen an bestimmte, meist ertragsschwache Anlageformen zur Verzinsung des Kapitals gebunden. Das Gleiche gilt für Betriebsrenten und Kapitallebensversicherungen.
Sicher, der Anleger bekommt eine regelmäßige Zahlung in seiner inaktiven Phase. Nur geht der Großteil der Verzinsung des Anlagenkapitals eben für die verschiedenen Absicherungsmaßnahmen und Verwaltungskosten drauf. Sinnvoller sind da Anlageformen, bei denen der Ertrag weitgehend ungefiltert auf die Auszahlungen durchschlägt. So ist das ja auch bei den staatlich gemanagten skandinavischen Fonds. Aber wir Deutschen brauchen eben die dreifache Absicherung und verzuckern das dann mit steuerlichen Vergünstigungen. Kein Mensch bräuchte die steuerliche Abzugsfähigkeit, wenn das Produkt selbst hochlukrativ wäre.
Du kannst dir doch AUSSUCHEN, ob Du einen Riester mit Fondsparvertrag kaufst.
In meinem Rürup hab ich alles in Fonds investiert. Die Absicherung kannst Du frei wählen und ist bei mir sehr gering. 2020 hatte ich Ertrag aus Kursentwicklung + Fondsausschüttungen von 12%. 2019 sogar 20%. 2021 muss ich irgendwie falsch abgeheftet haben. War aber auch gut.
Manche Jahre verliert man. 2018 hatte ich den Höchstbetrag einbezahlt, aber insgesamt verloren. Das Schreiben aus dem Jahr finde ich auch nicht mehr. Dieses Jahr wird *bitter*.
Rürup Seite von check24 sagt:
„Bei der fondsgebundenen Rentenversicherung gibt es keine Garantien. Die Beiträge werden in aktive Aktienfonds oder passive Indexfonds investiert. Wie hoch die Rente ausfällt, hängt von der Entwicklung der Fonds ab und steht erst zu Rentenbeginn fest. Diese Form eignet sich vor allem dann, wenn Sie Ihre gesetzliche Rente aufbessern möchten und die Rürup-Rente als zusätzliche Vorsorge gedacht ist.“
https://www.check24.de/ruerup-rente/
In meinem Schreiben gibts immer so einen „Garantiebetrag“. Das ist aber nur eine mittlere 4 stellige Summe. Vermutlich hab ich beim Abschluß hybrid mit einem sehr geringen Garantie-Betrag gewählt. Muss mal mit denen reden. Im Grunde macht das keinen Sinn.
Noch mal: Die Hälfte der Bevölkerung hat kein Geld übrig, um noch zusätzlich zu sparen. Du führst eine Luxusdebatte und eine über die beste private Anlageform.
Wir reden nicht davon, was Du oder ich machen würden. Neben der Rente halte ich nichts von Kapitallebensversicherungen, Rentenpapieren und gemanagten Fonds. Ich brauche keine Absicherung, ich lebe auch sonst ohne größere Versicherungen. Ich weiß, das gilt für die meisten nicht, aber das entspricht meiner Lebenseinstellung.
darunter auch 6 von BlackRock.
wkn Nummern:
DE0005933931
IE00B53L3W79
IE00BKBF6H24
IE00BYX2JD69
IE00B4L5Y983
IE00B4L5YC18
Man kann die in das Suchfeld auf dieser Seite eingeben und erhält Details zu Kursentwicklung über die letzten Jahre und weiteres.
Der IE00B4L5YC18 ergab über die letzten 5 Jahre über 50% Rendite und die letzten 12 Jahre über 200%.
Ich würde mal so sagen: Der die das Aktienrentner:in kann nicht von Renditen/betriebswirtschaftlichen Gewinnen allein leben (Verluste werden ja weggeträumt), vielmehr geht die Rente an die Substanz, sprich: Aktien werden verkauft. Ist ja eigentlich auch der Sinn der Sache, andernfalls könnte man sich die ganze Operation „Altersversorgung“ (aller Art) in Geldform generell schenken.
Es ist also notwendig, dass die zukünftigen Aktienrentner Käufe nachschieben. Falls das nicht zutrifft, ist die Rente kein großer Genuss^.
Das klingt schon verdammt nach Umlage und, egal welches „Modell“ man sich so einfallen lässt: Es gibt keines, das den Begriff UMLAGE nicht rechtfertigt, auch wenn Letzteres hinter irgendwelchen Vorhängen verborgen wird.
Interessant auch die Idee, dass die Entwicklung der letzten 30 Jahre oder so bei der klassischen Rentenversicherung keine Aussage für die Zukunft zulässt (angeblich wird die ganz schrecklich), die Entwicklung an den „Märkten“ aber schon. In den letzten 30 Jahren jedes Jahr durchschnittlich soundsoviel Wertaufbesserung – das bleibt so^. Letzteres beruht übrigens wesentlich auf Inflation (Assetinflation; die Urasche liegt in der Geldschwemme, die in diesem Fall komischer Weise „gut“ ist) und weniger darauf, dass irgendwelche ganz tollen Manager um ein Vielfaches toller waren als z. B. vor den 80ern.
Sparen fürs Alter geht nur in echt, also immer von der Butter und der Wurst was zurücklegen und das dann nach Jahrzehnten für Jahrzehnte aufbrauchen. Nicht sehr praktikabel, namentlich bei den Dienstleistungen, namentlich der berühmten Pflege, bei der traditionell die Nachkommen zuständig sind. Das ist heute immer noch so, auch wenn sich es um Nachkommen anderer Leute handelt. Hört sich auch nach „Umlage“ an. Auch für die erhöhte Frequenz von Arztbesuchen im Alter wird schwierig, wenn es gar keine Ärzte mehr gibt (for the sake of argument mal extrem ausgedrückt). Kinder kriegen die Leute immer, soll der Adenauer in seiner Expertise zur Rentenreform 1957 gesagt haben. Wie dem auch sei: Sich davon unabhängig machen, falls das nicht stimmen sollte, ist schwierig^. Aber die da draußen in fernen Erdteilen folgen ja noch dieser Tradition – könnte man einwenden. Die holen wir uns dann einfach, natürlich nur handverlesen. Auch ’ne Idee (über moralische Implikationen könnte man noch nachdenken), ist aber auch ne Art „Umalge“. „Wir brauchen Einwanderung“ – heißt es, aber warum eigentlich?
Okay, bei gewissen Gütern geht das mit dem Sparen in echt, wie die eigenen vier Wände oder auch das Sofa, auf dem man auch noch mit 80 drauf sitzen kann, wenn einem die Kratzer nichts ausmachen.
Mit anderen Worten: Wir Rentner leben von der aktuellen Produktion und nicht von unserer eigenen früheren. Typischer Fall von Umlage. Es kommt darauf an, dass die Jüngeren unsere in Geld ausgedrückten Titel (irgendwas mit Fonds, z.B., oder auch echte Aktien) akzeptieren, also die Verkäuflichkeit gegeben ist. Verkaufsdruck ohne Kaufdruck wird jedenfalls häßlich – für die Verkäufer. Das direkte Abliefern von Knete an die Alten ohne den Sparumweg ist am Ende des Tages prinzipiell nichts anderes (oder umgekehrt).
Privatistische Konzepte („ich bin unabhängig“) funktionieren jedenfalls nicht. Diesbezüglich haben die Konservativen/Traditionalisten (falls es die noch gibt) und womöglich die Sozen der alten Schule recht, und die Liberalen unrecht (vereinfacht ausgedrückt^).
Der die das Aktienrentner:in kann nicht von Renditen/betriebswirtschaftlichen Gewinnen allein leben (Verluste werden ja weggeträumt)
Darum ging es nicht. Es geht auch nicht um Theorien und Philosophien. Wenn der Großteil der OECD-Länder höhere Renten als Deutschland zahlen kann, dann sind das Fakten. Ich will auch keinen Systemwechsel, wieso sollte ich das mit 55 wollen? Ich habe mich eingerichtet. Ich wusste immer, dass die gesetzliche Rente nicht reicht, um meinen Lebensstandard im Alter abzusichern. Und das, obwohl wir 20% unseres Einkommens monatlich dahingeben. Das ist eine ganze Menge.
Also, kein Systemwechsel. In 15 Jahren möchte ich einfach meine Altersbezüge überwiesen bekommen und gut is‘. Und ich möchte weit mehr überwiesen bekommen als einer mit 35 Jahren Teilzeitbeschäftigung bei Mindestlohn. Comprende? Vor allem möchte ich mich nicht mehr mit Kommentatoren auseinandersetzen, die über niedrige Renten klagen, die Vermögensverteilung anprangern, mir an mein gespartes Vermögen wollen und dennoch die Umlagenrente als die beste aller Welten anpreisen. Da passen dann ein paar Dinge nicht zusammen. Wenn wir uns darauf verständigen können, haben wir für die nächsten 20 Jahre hier kein Diskussionsthema mehr. Okay? Andernfalls sollten Sie irgendwann mal anfangen zu erklären, warum die Umlagenrente so toll ist, wir sehr viel dafür zahlen und dennoch die Staatsrente hinten und vorne nicht reichen soll.
Aber ich habe keine Sorge: das werden Sie nicht tun, schließlich ist die Umlagenrente das Beste, was uns passieren konnte. 😉
Ich fühle mich hier langsam wie ein Versicherungsvertreter…
Kapitaldeckungsverfahren funktioniert vereinfacht so:
Es gibt eine Ansparphase, in der Du in Anlagen mit Rendite einzahlst.
Dann gibt es die Auszahlungsphase.
Vorher werden die Aktien verkauft und die Versicherung zahlt dir einen monatlichen Betrag. Die Auszahlungshöhe richtet sich nach der Höhe des angesparten Kapitals und der Länge der Auszahlung. Die Länge der Auszahlung wird mit einer mathematischen Formel aus den Sterbetafeln ermittelt.
Wenn Du gestorben bist, brauchst Du kein Geld mehr, also kann der gesamte angesparte Betrag ausgezahlt werden.
Sofern Du bereits während der Ansparphase einen hohen Betrag angespart hast, profitierst Du sehr von den Kursgewinnen.
Mit angesparten 300 Tsd und 10% Gewinne für dieses Jahr erhöht sich dein angespartes Kapital um 30 Tsd. Natürlich gibt es auch Jahre, in denen die Kurse fallen, aber über einen langen Zeitraum steigen die Kurse.
der einzige beitrag der wirklich an den kern des problems geht, chapeau.
eine aktienrente ist am ende nichts weiter als neokolonialismus, [].
aber das problem wäre so nur mittelfristig gelöst, da der trend global zur sinkenden geburtenrate geht und wir in ein paar jahrzehnten das absolute, weltweite bevölkerungsmaximum erleben werden, mit sinkender gesamtbevölkerung danach.
und damit kommen wir in den kommunismus und der erkenntnis, dass kapital eben nicht arbeitet, alle werte werden von menschen geschaffen und sonst niemandem. ich weiß nicht, ob produktivitätsgewinne durch ki, automatisierung, roboter, das auch nur annähernd ausgleichen können.
ich weiß, ich weiß, stefan pietsch geht es eigentlich um die ineffizienzen im umlageverfahren, aber die sind eigentlich trivial, schließlich würde das umlageverfahren auch funktionieren, hätten wir genug kinder, so wie die jahrzehnte davor.
Kapitaldeckung ist *keine* Lösung für die gesamte Gesellschaft. Dafür ist das Durchschnittsgehalt einfach zu gering. Die Leute können nicht genug Kapital ansparen, um im Schnitt 25 Jahre ohne Arbeitseinkommen zu überleben.
Es werden immer Transfers hin zu den Personen mit weniger Mitteln geben.
Experten empfehlen ein Mischsystem aus Umlage- und Kapitaldeckungsverfahren. Damit verringert sich die notwendige Höhe der Transfers von Steuereinnahmen ins Rentensystem.
Aber eine Transformation von einem System mit Umlageverfahren zu einem Mischsystem mit Kapitaldeckung erfordert erstmal zusätzliche Mittel. Die in die Kapitaldeckung fliessenden Mittel sind ja *erstmal* dem Konsum entzogen.
In der Alterspyramide gibts Zeiträume, in denen die Jahrgänge wieder stärker werden: 1975 bis 1988 etwa. Irgendwann verabschieden sich die geburtenstarken Jahrgänge zwischen 1959 und 1969 aus dem Rentensystem durch ihren Tod. Vielleicht gibt es dann Möglichkeiten, das System teilweise auf Kapitaldeckung umzustellen.
https://service.destatis.de/bevoelkerungspyramide/index.html
Wünschenswert wäre ein solches Mischsystem, aber auch dann blieben Transfers zum Rentensystem hin notwendig. In den 90ern und 00ern waren wir noch zu sehr mit dem staatlichen Finanzierungsbedarf beschäftigt, der sich aus der Wiedervereinigung ergab.
Ich schreibe die ganze Zeit: ab 2040 um den Dreh wird sich die Lage beruhigen. Warum diskutieren wir heute über ein anderes Rentensystem, wo wir uns nicht einmal trauen, die Kosten und Folgen für die nächsten 15 Jahre zu beziffern?
Ich wiederhole mich – und vielleicht könntest Du darauf eingehen: alle -ausschließlich alle – Länder mit einem tragfähigen und ergiebigen Rentensystem bauen auf Mischsysteme. Beispiel Schweiz: Während wir in Deutschland 20% der Erwerbseinkommen und noch einmal 7% über den Umweg des Steuersystems in das Umlagesystem kippen, gehen andere moderat vor. Die Eidgenossen zahlen 10% (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil) in eine umlagenfinanzierte Grundrente. Das lehnen wir seit Jahrzehnten ab. Dann haben sie eine zweite, verpflichtende Säule mit Kapitalbeteiligungen. Und das Sahnehäubchen ist freiwillig. Damit erhalten die Schweizer eine Rente, die uns auch unter Berücksichtigung der höheren Lebenshaltungskosten vor Neid erblassen lässt. Allein schon die Rente aus der ersten und zweiten Säule verschafft den Eidgenossen ein Alterseinkommen auf deutschem Niveau – und das bei der Hälfte der Entstehungskosten.
Das ist der Trigger, Lemmy: Wir hätten die dynamische Rente auf eine Grundrente zurückfahren müssen, um dann Spielraum für andere Rücklageformen zu schaffen. Das haben wir nicht getan, weil Konservative und Sozialdemokraten das über Jahrzehnte torpediert haben. Und deswegen haben wir niedrige Altersrenten und große Unterschiede.
Das war politisch und von der Gesellschaft gewollt. Also sollen alle mal für die nächsten 15 Jahre Ruhe geben. Dann gehe ich in Rente und bekomme die Höchstrente. Die ist zwar relativ niedrig, aber ich freue mich über den Neid der Gesellschaft. 😉
vamos por partes
1) Meine eigene Rente basiert zu einem deutlich überwiegendem Teil aus einer kapitalbasierten Risiko-Rente und eben keiner umlagefinanzierten Versicherungs-Rente. Unser Rentensystem eröffnet diesen Weg. Freiberuflern zugegeben mehr als anderen, aber jeder kann steuerbefreit jährlich bis zu ca 26.000 Euro minus Einzahlung in staatliche Rente in eine kapitalgedeckte Risiko-Rente umleiten. Sinn macht das hauptsächlich für Leute mit guten Einkommen. Andere können über Riester andere staatliche Begünstigungen in Anspruch nehmen.
2) Das deutliche Übergewicht der Umlagefinanzierung in Deutschland erklärt sich aus der Geschichte. Nach dem 2. Weltkrieg war die Kapitaldeckung zerstört und nach dem Fall der Mauer gab es einen außergewöhnlichen Finanzierungsbedarf für die Wiedervereinigung. Alternativlos war dies sicher nicht, aber Deutschland hatte es sicher schwerer als die Schweiz den Kapitaldeckungsanteil der Rentenversicherung auszubauen.
3) Wir sind uns wohl einig: Ein System mit Kapitaldeckung generiert zusätzliche Mittel und ist somit grundsätzlich zu präferieren. Irgendwann sollte der Weg zu einem Mischsystem beschritten werden.
4) Die Transition zu einem Mischsystem mit Kapitaldeckung ist nicht so einfach. Zunächst werden dadurch dem System Mittel für die Auszahlung entzogen.
5) Viele Leute erhalten heute eine Rente deutlich unterhalb von 2000 Euro. Den gewaltigen Unterschied zu einer Grundrente sehe ich da nicht, zumal ja auf Rente seit einer Gesetzesänderung in den 00er Jahren Steuern gezahlt werden müssen.
6) Den Schmerzpunkt für die Renten sehe ich um das Jahr 2044. Dann sind die 1964 geborenen 80.
Du nennst die Gründe, warum ich heute vor einer Systemumstellung eindringlich warne. Zu diesem Zeitpunkt ist das maximal teuer. Es gab bessere Zeitpunkte in der Vergangenheit und es gibt bessere nach 2040. Jetzt ist das einfach eine unsinnige Debatte.
Die Sozialhilfe liegt irgendwo oberhalb von 900€. Schon Biedenkopf machte Anfang der Neunzigerjahre deutlich, dass eine Grundrente nicht wesentlich über dem Sozialhilfesatz liegen könne, sonst würde das System nicht nur besonders teuer, der Sinn der Grundrente würde auch ins Absurde geführt. Erst durch die Zusatzkomponenten soll die Rente ja auf ein generöses Niveau geführt werden.
Du solltest nicht die gesamten Staatsfinanzen aus dem Blick verlieren. Eine alternde Gesellschaft generiert weniger Wachstum und Staatseinnahmen auf der einen Seite, verursacht aber stark steigende Ausgaben im sozialen Sektor, im Umbau der Infrastruktur und nicht zuletzt im Gesundheitssystem und Pflegebereich.
MAcht es überhaupt Sinn, Sozialhilfe, Grundrente etc. zu trennen?
Ja, zumindest solange es in Deutschland kein Grundeinkommen gibt. Jeder Mensch wird alt und ist auf ein Alterseinkommen angewiesen. Aber nicht jeder wird bedürftig. Deswegen muss im Sozialstaat die Bedürftigkeit nachgewiesen werden, nicht jedoch das Alter.
Die Grundrente bildet das Fundament der Altersvorsorge. Sie ist immer nur als Basis der gesamten Alterseinkommen zu sehen, was übrigens auch für ärmere Schichten gilt. Das ist analog zu anderen Bereichen. Auch Kapitalanleger sollten seriös finanziert, ihrem Portfolio immer stabile Werte wie Gold, Festgeld und Renten beimischen. Darauf werden die eigentlich ertragreichen Teile gebaut – beim Portfolio genauso wie bei einer lukrativen Rente.
Rentner sollten, das ist eigentlich Common Sense, nicht gleich zu erwerbsfähigen Sozialhilfeempfängern behandelt werden. Deswegen auch eine kleine Schippe drauf bei der Grundrente. Obwohl in Deutschland die Durchschnittsrente relativ niedrig ausfällt, ist unser derzeitiges System wie gezeigt ziemlich teuer. Das hat eine Reihe von Gründen. Neben den aufgezählten (hoher Anteil von Alten etc.) wirkt, dass ehemals untere Einkommensbezieher relativ hohe „Erträge“ erhalten, Sonderzahlungen einfließen (in den Neunzigerjahren konnten Frauen mit einer Einmalzahlung hohe Ansprüche erwerben) und eben auch deutliche Ausreißer nach oben an Gutverdiener. Das sogenannte Äquivalenzprinzip gepaart mit dem Sozialprinzip der Rente macht das System außerordentlich teuer.
Das ist immer so, wenn Prinzipien gemischt werden. Eine Grundrente nach Umlageprinzip sichert nur das Notwendigste ab, das allerdings für jeden. Investments in ertragreiche Formen – und Kapital hat meist in der Geschichte höhere Erträge abgeworfen als Arbeit – folgen dem Prinzip der Leistungsfähigkeit. Einige Länder packen dazwischen eine Mischform wie einen Staatsfonds, der von allen Erwerbstätigen Anteile einsammelt, dieses aber in Kapital investiert. Ich finde das wie gesagt gut und vorteilhaft und habe das immer vertreten. Die Mehrheit sah es immer anders.
Ja, ich sehe die politische Logik dahinter. Danke.
Ernsthafte Frage: rechnest du damit, dass die Renten ab 2040 wieder steigen, selbst wenn wir nichts am bestehenden System ändern? Ich frage für jemand, der aktuell noch unter 40 ist. 😛
Dazu kann ich keine seriöse Aussage treffen, weil viele entscheidende Faktoren heute unbekannt sind.
Wie entwickelt sich die Lebenserwartung in den nächsten 20 Jahren?
Wie sieht das Wanderungssaldo aus? Deutschland wird aggressiver versuchen Kompetenzen aus anderen Regionen zu bekommen.
Wie entwickelt sich die Kinder-pro-Frau Zahl?
Die politische Unzufriedenheit mit dem aktuellen System wird vermutlich über die nächsten 20 Jahre zunehmen, weil
a) immer mehr Einnahmen aus Steuern in das System transferiert werden müssen
b) viele Rentner mit ihren Renten unzufrieden sein werden. Das ist übrigens schon heute so. Ich konnte das in dem Bekanntenkreis meiner Eltern beobachten: Da wurden manche Leute ohne Betriebsrente kalt erwischt.
Deshalb wird es vielleicht einen move zu einem Mischsystem mit mehr Kapitaldeckung geben, wenn sich die demographischen Relationen zeitweise etwas entspannen würden.
Ich habe jedenfalls für mich irgendwann deutlich entschieden, das mit den zusätzlichen Einkommensquellen im Alter irgendwann sehr ernst zu nehmen. Man kann da auch zu einem Berater seiner Bank gehen, da es ja für Zusatz-Renten staatliche Förderung gibt. Meine Schwester hat das sehr intensiv in Anspruch genommen. Diese Berater übertreiben aus meiner Sicht aber etwas mit den entdeckten Versorgungslücken.
Nehmen wir einfach eine lineare Entwicklung an. Alles andere ist ja noch unseriöser.
In my world there is no such a thing as a economic model with a linear development. 😉
https://www.youtube.com/watch?v=qFfnlYbFEiE
Wenn sich die Leute über Ökonomen beklagen erschiessen die oft nur den Überbringer der Nachricht, dass das diese Welt da draussen chaotisch und schwer einzuhegen ist. Obwohl Stabilisierung oft das Ziel ökonomischer Politik sein sollte. Nicht immer, weil dann gehen sämtliche Impulse für Wachstum verloren gehen.
Das ist eine schwer zu beantwortende Frage. Der Clou jeden Umlagesystems (auch Unternehmen haben Kostenumlagesysteme) ist ja, dass immer genügend Mittel da sind, um die entstandenen Kosten zu decken, wie hoch sie auch sein mögen. Die Grenzen der Umlage sind theoretischer Art. Faktisch werden sie jedoch durch den Willen des Umlagefinanzierenden begrenzt.
Eine Umlage ist leicht zu tragen, wenn es viele Finanzierende und wenige Kostenempfänger gibt. Wie gesagt, da gibt es in keinem Umlagesystem einen Unterschied. Das politische Commitment in Deutschland ist, dass 20% der Einkommen als Umlagenabgabe tragbar sind. In den kommenden Jahren kann diese nach dem politischen Willen bis auf 24% steigen. Die Politik weitet also den Bereich des Erträglichen um weitere 20% aus. Rentenmathematiker kommen dabei auf ein Rentenniveau von 48%. CitizenK hat hier, durchaus zurecht, eingeworfen, es sei ja eine Frage, was man sich leisten wolle. Grundsätzlich wäre auch ein Rentenniveau von 60% denkbar, vorausgesetzt man fände dabei noch genügend Beitragszahler die bereit sind, deutlich über 30% ihres Einkommens für Rentenzahlungen abzugeben.
Zwischen 2025 und 2040 ist das Verhältnis zwischen (potentiellen) Beitragszahlern und Rentenempfängern besonders schlecht. Es gibt verhältnismäßig wenige Erwerbstätige und besonders viele Alte. Das ist seit Jahrzehnten bekannt. Da die Rentenempfänger als frühere Beitragszahler einen Eigentumsanspruch gegenüber dem Staat haben (Artikel 14 GG), kann die Rente nicht beliebig abgesenkt werden. Da steht nicht nur das sozialpolitische Argument dagegen. Das bedeutet, die Beitragszahlungen (und Steuerzuschüsse) müssen für diesen Zeitraum deutlich erhöht werden, um dem Rechtsanspruch der Alten folgen zu können.
Nach 2040 / 2045 ist die Politik wieder freier. Zwar wird das Verhältnis Beitragszahler / Rentenempfänger nicht mehr auf das Niveau der Siebziger- bis Neunzigerjahre zurückkehren, aber es wird sich entspannen. Der Spielraum ließe sich dann wieder für Korrekturen nutzen:
1) Das Beitrags- / Steuerniveau wird von einem sehr hohen Stand wieder auf ein langfristig erträgliches Maß zurückgeführt. In diesem Falle blieben die Renten vergleichsweise niedrig, zumindest deutlich über das Jahr 2050 hinaus.
2) Die Renten werden erhöht, das Beitragsniveau bleibt sehr hoch.
3) Die Spielräume werden für eine Umstellung des Systems hin zu dem international verbreiteten Mischsystem genutzt. Auch in diesem Falle blieben zu Beginn die Renten relativ niedrig.
Was Deine Generation jedoch im Blick behalten sollte, was jedoch wenig beachtet wird: Im Tragfähigkeitsbericht der Bundesregierung vom Jahr 2020 ging der Bundesfinanzminister, Olaf Scholz hieß er, noch von einem dauerhaft sehr niedrigen Zinsniveau aus, so dass die Staatsfinanzen trotz der demographischen Entwicklung weitgehend auf einem niedrigen Stand gehalten werden könnten. Bei einer langfristigen Rückkehr zum durchschnittlichen Zinsniveau der vorangegangenen Jahrzehnte von 3% dagegen droht der Schuldenstand des Landes auf über 180% des BIPs im Jahr 2060 zu wachsen. Welche Handlungsspielräume ein Staat unter solchen Bedingungen hat, kann jeder an Italien und Griechenland betrachten. Es empfiehlt sich, die Seiten 43-48 aufmerksam zu lesen.
Für die Politik ergeben sich aus ihren eigenen Analysen einige Handlungsmaßnahmen:
1) Die in den Zehner- und Zwanzigerjahren auseinandergelaufenen Kosten müssen wieder unter Kontrolle gebracht werden. Der Staat braucht ein stärkeres Kostenregime und die Konzentration auf seine wesentlichen Aufgaben.
2) Die Erwerbstätigkeit von Alten (Rente mit 70 und darüber) sowie der Frauen (derzeit 32 Stunden) muss weiter erhöht werden. Die Potentiale hierfür sind jedoch weitgehend erschöpft, da beide Gruppen nicht länger als bisher arbeiten wollen und ihr Gewicht bei Wahlen hoch ist.
3) Die Sozialversicherungen unterliegen einer Phase der Leistungskürzung und nicht Leistungsausweitung.
Das ist nicht viel, was als Maßnahmen bleibt. Wie gesagt, jedem, der politisch über Renten und Schulden diskutiert, ist der Tragfähigkeitsbericht der Bundesregierung wärmstens ans Herz zu legen. Er zeigt, wie gering die Spielräume in einer rasant alternden Bevölkerung sind.
Danke!
Genau das ist auch meine Grundsatzkritik, die von den Kapitalfans nur unzureichend andressiert wird.
Kapitalgedeckte Altersvorsorge kann einfach nicht jeder machen, mindestens global gesehen, was auch an Mackenroth liegt. Hierzulande ist die Investitionsquote der Unternehmen ja schon seit Jahrzehnten flach wie ein Brett, was sich auch weltweit ausbreitet. Es gibt schlicht zu wenig Anlagemöglichkeiten für alle. Deswegen gibts ja auch Vermögenspreisinflationen u.a. beim Betongold.
Ohne neuen Weltkrieg wird das nichts 😉
Das Hauptproblem des Umlageverfahren sind die zu niedrigen Löhne verursacht durch neoliberale Ideologie. Die Kapitalquote steigt seit Jahrzehnten und die Lohnquote fällt entsprechend. Vgl. dazu Flassbecks „Goldene Lohnregel“. Wenn die Produktivität steigt, muss eben auch der Lohn des produktiveren Arbeiters entsprechend steigen und eben nicht ans Kapital gehen. Dann könnten die Arbeitnehmer eben auch wesentlich mehr Rentner finanzieren.
Nicht das wir uns falsch verstehen: Ein Mischsystem kann aus o.g. Gründen trotzdem funktionieren, wenn der Kapitalanteil entsprechend klein ist bzw. mehr als so eine Art Bonus gesehen wird.
Ganz vergessen: Falls höhere Löhne nicht reichen kann man ja auch zusätzlich zur Kapitalertragssteuer auf Kapitaleinkünfte noch eine Rentensteuer einführen.
Klar, aber das Argument gilt ja generell: wenn die Kapitalrenditen nicht reichen, kann man ja einfach die Steuern erhöhen um die Renten zu bezahlen. Ein schier unerschöpflicher Quell…
Kapitalerträge werde glaube ich pauschal nur mit 25% besteuert im Gegensatz zu Lohneinkommen. Daher würde sich das anbieten.
Das ist falsch.
Was hat dieser Artikel damit zu tun? Ich rede hier im Kontext offensichtlich von Einkünften von Privatpersonen. Frau Klatten und ich zahlen beide von unseren Dividenden von BMW-Aktien besagte 25%. Da könnte man doch überlegen, das eher ähnlich wie Arbeitseinkommen progressiv zu besteuern.
Nein, zahlt sie nicht. Für Frau Klatten findet die Abgeltungsteuer keine Anwendung. Lesen Sie dazu § 32d Abs. 2 Nr. 1b EStG.
Warum ist das „falsch“?
„Durch Zahlung der Abgeltungssteuer wird die Steuerpflicht von Privatanlegern als abgegolten betrachtet. Das führt dazu, dass die versteuerten Kapitalerträge in der Einkommensteuererklärung nicht mehr aufgeführt werden müssen“
https://www.buchhaltung-einfach-sicher.de/steuern/abgeltungssteuer
Im Gegensatz zu früheren KESt ist das also keine Vorauszahlung, die angerechnet wird. Wie der Name sagt, ist die Steuer damit abgegolten. Dividenden unterliegen also einem Steuersatz von 25 %, nicht dem persönlichen Steuersatz. Wer darüber liegt, profitiert.
„Kapitaleinkünfte werden niedriger besteuert als (hohe) Arbeitseinkünfte“ ist demnach nicht „falsch“.
Ein wesentlicher Rechtsgrundsatz lautet, dass ein Sachverhalt nicht zweimal rechtlich gewürdigt werden darf. Das leuchtet Ihnen im Strafrecht ein, es gilt aber auch für alle anderen Rechtsbereiche. So auch im Steuerrecht. Wenn Sie erben, zahlen Sie einmal die Erbschaftsteuer. Keine Regierung kann danach kommen und sagen, Sie müssten jetzt ein zweites Mal Erbschaftsteuer auf das Erbe zahlen. Genauso löst es keine neue Steuerpflicht aus, wenn Sie Ihr Gehalt von Konto A zu Konto B schieben. Es bleibt das gleiche Einkommen.
Die 20 Kommanditisten einer KG erzielen einen Gewinn von 100. Dieser Gewinn wird einmal der Einkommensteuer unterworfen und sie zahlen rund 48 Prozent (Reichensteuer + Soli). Jetzt wandeln diese Unternehmer ihre KG in eine GmbH um. Im nächsten Jahr erzielen sie wieder einen Gewinn von 100. Auf diesen zahlen sie in der GmbH rund 30 Prozent Ertragsteuer. Dann wird die Abgeltungsteuer auf den ausgeschütteten und versteuerten Gewinn fällig. Diese beträgt etwas mehr als 26 Prozent. Die Rechnung lautet auf 70 ausgeschütteter Gewinn werden insgesamt 18,4 Ertragsteuer fällig. Früheren Kommanditisten, die insgesamt 48 Ertragsteuern gezahlt haben, zahlen mit der Abgeltungsteuer 48,4 Ertragsteuer.
Jetzt sagen Sie: das ist ja total ungerecht. Die müssten ja noch einmal neu besteuert werden. Preisfrage: weshalb? Als die GmbH 30 Ertragsteuern gezahlt hat, tat sie das im Namen ihrer Eigentümer. Eine GmbH kann der eigenen Frau keine Dessous kaufen, die GmbH fährt nicht in Urlaub. Es sind immer Menschen, die durch Mittelzufluss sich etwas leisten können. Nicht Rechtsformen, in denen Menschen tätig sind.
Ertragsteuer in dem Beitrag meint wohl die Körperschaftsteuer. Die hatte ich nicht berücksichtigt. Danke für die Erklärung.
Die GmbH ist eine juristische Person mit beschränkter Haftung…die zahlt nicht im Namen ihrer Eigentümer, sondern in ihrem eigenen Namen. Wenn die jurstische Person pleite geht, haften dafür ja für gewöhnlich auch nicht die Eigentümer bzw. nur mit ihrer Kapitaleinlage. Die zahlen laut Ihrer Rechnung in Summe also praktisch das gleiche an Steuern, haften aber nur beschränkt. Mal davon abgesehen, dass man bei einer GmbH mannigfaltige Möglichkeiten hat, vor Gewinnsteuer die potenziellen Überschüsse anderweitig zu „verwenden“.
Wobei wir wahrscheinlich die ganze Zeit von verschiedenen Unternehmensgrößen ausgehen…Sie denken wahrcheinlich mehr an kleinere und ich an größere.
Die GmbH ist eine juristische Person mit beschränkter Haftung…die zahlt nicht im Namen ihrer Eigentümer, sondern in ihrem eigenen Namen.
Wie kommen Sie darauf? Eine Kapitalgesellschaft hat Organe. Der Geschäftsführer (Vorstand bei einer AG) wird ausschließlich von den Anteilseignern / Aktionären bestellt. Diese können ihn jederzeit abberufen. Die Eigentümer können dem Vorstand per Satzung enge Vorgaben machen. Eindeutig handelt ein Vorstand damit als Treuhänder der Eigentümer. Die Eigentümer bestimmen jederzeit über die Höhe der Gewinnausschüttung.
Wenn eine Kapitalgesellschaft versteuerten Gewinn ausschüttet, ergibt sich durch den Vorgang keine Vermögensmehrung und auch kein zusätzliches Einkommen / Gewinn. Es gibt also nichts, was zusätzlich zu besteuern wäre. Wenn Sie 5.000 Euro verdienen, dies versteuern und ihrer Frau zum Ausgeben überlassen, entsteht dadurch ja auch kein zusätzliches Einkommen, das der Besteuerung unterworfen werden könnte.
Ihr Bild ist sehr unique. Sie lassen sich durch den Begriff der Abgeltungsteuer verwirren. In früheren Zeiten besteuerte der Steuergesetzgeber hauptsächlich die Kapitalgesellschaft. Die Eigentümer konnten sich die gezahlte Steuer anrechnen lassen und bekamen – je nach individuellem Steuersatz – gezahlte Steuern zurück. Ihre Sicht galt also noch nie.
Dieses Verfahren ist in Zeiten internationaler Anleger zu kompliziert und behindert grenzüberschreitende Investitionen. Denn immer, wenn jemand Dividenden ausgeschüttet bekommt, müsste er ja in dem Land auch eine Einkommensteuererklärung abgeben. Deswegen besteuern fast alle OECD-Länder nach dem zweigeteilten Prinzip der Abgeltungsteuer. Ja, das ist keine deutsche Besonderheit. Deutschland war hier mit der Umstellung spät dran und führte sie erst über Umwege (Halbeinkünfteverfahren) ein.
Außerhalb Deutschlands findet unternehmerisches Handeln weitgehend in haftungsbeschränkten Rechtspersönlichkeiten statt. Deutschland ist auch hier besonders. Doch niemand würde Milliardenrisiken eingehen, wenn die Haftung nicht irgendwo endet – wobei internationale Gesetzgeberin den vergangenen zwanzig Jahren diese Grenzen deutlich aufgeweicht haben. Und niemand würde Menschen abseits der Geringfügigkeit beschäftigen, wenn er vollumfänglich für Fehler, Einstellungen und Entlassungen haften müsste.
Das weiß der Staat. Und so profitiert die Gesellschaft von der Haftungsbeschränkung. Die Kapitalgesellschaften bezahlen umgekehrt einen Preis für die Haftungsbeschränkung, nämlich immer die Höchststeuersätze.
Es scheint unser Pech zu sein, dass ausgerechnet wir Deutschen nicht machen können, was alle anderen machen.
In Deutschland wie überhaupt in Kontinentaleuropa wird wenig investiert, weil wir Investitionen aus ideologischen Gründen unattraktiv machen. Selbst die Errichtung von Windparks und Solarfirmen funktioniert hier ja nur mit immensen Subventionen.
Ansonsten bekommen Sie wie ich das sehe Ihre Informationen nicht zusammen. Und garnieren das dann noch mit Fake News. So steigt seit 15 Jahren die Lohnquote, gemessen am Verhältnis von Arbeitnehmerentgelten zu Gewinneinkünften und befindet sich auf einem All-Time-Peak.
Die Zeit der Nationalökonomien ist seit 50 Jahren vorbei. 40 Prozent des BIP sind Exporte, 33 Prozent Importe, so ungefähr die Relationen. Da kann man kaum davon ausgehen, dass das Spielen an Löhnen nach Gutdünken keine Auswirkungen auf Beschäftigung hätte. Oder die Verlagerung von Investitionstätigkeit. Daneben sind in den letzten 10 Jahren die Lohnstückkosten in Deutschland so stark gestiegen wie in keinem anderen OECD-Land.
Kapital hat den unbestreitbaren Vorteil gegenüber Arbeit, dass es mobil ist. Wenn es in Deutschland keine interessanten Investitionsobjekte gibt, dann aber sicher in Texas. Und trotzdem könnte die deutsche Altersvorsorge davon partizipieren. Eigentlich toll, oder?
Dann könnten die Arbeitnehmer eben auch wesentlich mehr Rentner finanzieren.
Die Renteneinkommen steigen nicht? Tatsächlich sagen Sie wie die Vertreter dieser Theorie etwas völlig anderes. Die Arbeitsnehmer sollen prozentual (!) mehr von ihrem Einkommen abgeben als bisher. Begründung: sie könnten es ja, weil sie auch mehr verdienen. Seltsamerweise kommen Sie nicht auf den doch eigentlich naheliegenden Gedanken, dass Menschen erst einmal ihren Verdienst wie auch ihre Lohnerhöhungen für sich haben wollen und es nicht spannend finden, dann höhere Beiträge für die Alten zu zahlen.
Im Artikel habe ich darauf hingewiesen: Wir sehen 20 Prozent Rentenbeitragszahlung eigentlich als die Spitze. Und die sind wir bereit, auf 24 Prozent auszuweiten. Denken Sie, dass da auch 35-40 Prozent gingen, denn das bräuchten wir für ein Rentenniveau von 60%?
Flassbeck ist nun wirklich keine gute Quelle. Der Mann hat in seinem Leben so oft danebengelegen, dass er das als Erfolgsmerkmal verkauft.
„In Deutschland wie überhaupt in Kontinentaleuropa wird wenig investiert, weil wir Investitionen aus ideologischen Gründen unattraktiv machen. “
Was sind denn diese Gründe?
„Ansonsten bekommen Sie wie ich das sehe Ihre Informationen nicht zusammen. Und garnieren das dann noch mit Fake News. So steigt seit 15 Jahren die Lohnquote, gemessen am Verhältnis von Arbeitnehmerentgelten zu Gewinneinkünften und befindet sich auf einem All-Time-Peak.“
Das riecht etwas nach Strohmann. Ich sprach von Kapitaleinkünften insgesamt und nicht nur von Gewinneinkünften. Laut destatis liegt die Wahrheit zumindest seit 2012 wohl irgendwo zwischen unseren beiden Meinungen. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/30461/umfrage/hoehe-der-lohnquote-in-deutschland/
„Die Zeit der Nationalökonomien ist seit 50 Jahren vorbei. 40 Prozent des BIP sind Exporte, 33 Prozent Importe, so ungefähr die Relationen. Da kann man kaum davon ausgehen, dass das Spielen an Löhnen nach Gutdünken keine Auswirkungen auf Beschäftigung hätte. Oder die Verlagerung von Investitionstätigkeit.“
Was hat der Außenhandel bzw. unsere notorischen Exportüberschüsse mit Investitionsflaute im Inland zu tun?
„Daneben sind in den letzten 10 Jahren die Lohnstückkosten in Deutschland so stark gestiegen wie in keinem anderen OECD-Land.“
Wenn dem so wäre, frage ich mich, warum dann die Reallöhne es nicht sind: https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/Realloehne-Nettoverdienste/Tabellen/liste-reallohnentwicklung.html#134646
„Kapital hat den unbestreitbaren Vorteil gegenüber Arbeit, dass es mobil ist. Wenn es in Deutschland keine interessanten Investitionsobjekte gibt, dann aber sicher in Texas. Und trotzdem könnte die deutsche Altersvorsorge davon partizipieren. Eigentlich toll, oder?“
Geht so. Bei Investitionen hierzulande würden wesentlich mehr inländische Arbeitnehmer partizipieren und somit auch Lohneinkommen.
Ihre letzten Absätze verstehe ich im Kontext nicht so ganz. Die dortigen „wir“ oder auch „Vertreter dieser Theorie“ sind nicht ich. Renten sollten auch normaler Weise nicht prozentual identisch oder gar höher als die Reallöhne stiegen.
Was sind denn diese Gründe?
Investitionen werden getätigt, wenn der Investor sich eine Rendite davon verspricht. Die Renditeerwartungen in Nordamerika und Südostasien sind wesentlich höher als in Europa. Deswegen fließen dort die Auslandsinvestitionen hin. Amerikanische Investoren haben 2021 rund 50 Milliarden Dollar weniger in Deutschland investiert als im Vorjahr. Zum Vergleich: China, um das sich viele Debatten drehen, investiert insgesamt gerade knapp 10 Milliarden Euro in Deutschland.
Deutschland besteuert Kapitalerträge (siehe Debatte) und persönliche Einkommen überdurchschnittlich hoch. Unternehmensgründungen dauern überdurchschnittlich lange, selbst Frankreich hat sich hier mehr verbessert. Zahlreiche neue Technologien wie die Biotechnik, die Gentechnik und die Kernenergie sind nicht gewünscht und werden mit politischen Maßnahmen und Regulierungen vertrieben. Die Bürokratiepflichten von Unternehmen sind überdurchschnittlich hoch. Die Bauvorschriften sind die höchsten der Welt, was Bauen extrem teuer und wenig lukrativ macht. Die Gesellschaft alt, geistig wenig beweglich und nicht unternehmerisch denkend.
Von Oktober 2021 bis Oktober 2022 verlor der DAX 20% seines Wertes, der Dow Jones aber nur 16%.
Die Arbeitnehmerentgelte am Volkseinkommen betrugen 2020 72,2%. Ein Allzeit-Höchstwert. Zehn Jahre zuvor waren es 68,0%. Das ist das Gegenteil ihrer Behauptung.
Was hat der Außenhandel bzw. unsere notorischen Exportüberschüsse mit Investitionsflaute im Inland zu tun?
Ich rede nicht von Exportüberschuss. Ich rede davon, dass unser BIP sehr weit international verflochten ist. Wir erwirtschaften viel im Ausland und wir beziehen viel vom Ausland. Zu sagen, ich schaue jetzt einfach mal, dass die Löhne, die Unternehmen in Deutschland an Arbeitnehmer zahlen, besonders hoch sind, egal wie es im Ausland aussieht, wird dem Problem nicht gerecht. Es ist eine nationalistische Betrachtung.
Wenn dem so wäre, frage ich mich, warum dann die Reallöhne es nicht sind:
Weil Sie sich anschauen müssen, was Reallöhne sind.
Bei Investitionen hierzulande würden wesentlich mehr inländische Arbeitnehmer partizipieren und somit auch Lohneinkommen.
Ja. Jetzt müssen wir nur noch dafür sorgen, dass inländische und ausländische Unternehmen in Deutschland investieren. Das scheint ein bisschen schwierig.
Renten sollten auch normaler Weise nicht prozentual identisch oder gar höher als die Reallöhne stiegen.
Warum nicht? Ihre Begründung fehlt. Darüber hinaus ist das keine ökonomische, sondern eine politische Frage. Die Renten werden hauptsächlich politisch festgelegt. So lange das so ist, ist die Ökonomie raus.