Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.
Fundstücke
1) Years of austerity are now writ large on the UK state
No one wants this. We know that, essentially, every child that the state successfully moves from the care of the local authority to that of a family has better life chances and, cynically, costs the state a lot less in the long run. Why has it happened? Well, in part because we’ve had a prolonged period in which the government was trying to cut spending but didn’t really have a particularly sophisticated plan to shrink the state. There’s not a big overarching intellectual theory that you can apply to what the Conservatives have or haven’t stopped funding since 2010. Instead, there is an electoral theory of cutting state spending, which is why so many of the cuts have ended up falling on local government. Now there are broadly two schools of thought in the Tory party on this. First, best embodied by Kemi Badenoch, who ran for the Conservative leadership before ultimately backing Rishi Sunak, is the problem that the UK state is still doing things it shouldn’t be doing. But instead of stepping back from whole areas it is just doing an awful lot of things incredibly badly. Second, best embodied by Jeremy Hunt, who ran for the Conservative leadership before ultimately backing Rishi Sunak, is that there are really good electoral reasons why the Conservative party does these things and that the party needs to prioritise getting the big-ticket items of health and education functioning as well as possible if it is going to survive and thrive. (Stephen Bush, Financial Times)
Ich denke, Stephen ist hier auf dem richtigen Dampfer. Mir scheint, dass diese Theorie auch mit erklären hilft, warum so viele Liberale so enttäuscht mit liberale Regierungszeiten sind. Wenn ich an die Debatten hier im Blog bezüglich Austerität denke, wird ja gerne betont, dass wir die eigentlich nie hatten, dass die geistig-moralische Wende nie stattfand und Thatcher und Reagan ja eigentlich auch nie wirklich so radikal kürzten wie das gerne behauptet wird. Und all das ist ja wahr! Vielleicht liegt ein Grund mit darin, dass eben auch neoliberale Radikale, wenn sie an die Macht kommen, den Gesetzen politischer Schwerkraft unterworfen sind. Und dann machen sie die Dinge, die einfach sind, weil keine Interessengruppen sich wehren, statt die Dinge, die sie eigentlich machen wollten und die aus ihrer Sicht zumindest deutlich sinnvoller wären. Aus dem gleichen Grund haben wir ja gerade auch einen grünen Wirtschafsminister, der fleißig in Erdgasinfrastruktur investiert statt in Erneuerbare.
Bücker: Die Aufgaben, die neben der Erwerbsarbeit wichtig sind, umfassen viel Zeit. Und diese Zeit kann absehbar nicht professionalisiert aufgefangen werden. 65 Prozent der Kleinkinder unter drei gehen nicht in die Kita und werden überwiegend von Müttern und Großeltern betreut. Ähnlich sieht es bei der Pflege der Angehörigen aus. Viele, die keine Erfahrung damit haben, denken, dass die Mehrheit der pflegebedürftigen alten Menschen in Seniorenheimen lebt. Aber die überwiegende Mehrheit wird häuslich gepflegt – von Angehörigen. Auch diese Care-Arbeit wird häufiger von Frauen übernommen. Privat und unbezahlt.
BI: Sie haben angedeutet, das könne theoretisch professionell aufgefangen werden.
Bücker: Aber es dauert sehr lange, diese Strukturen zu schaffen. Dafür müsste das professionelle Care-System massiv ausgebaut werden. Aber absehbar haben wir die Fachkräfte nicht, nicht in der Kinderbetreuung, den Ganztagsschulen und auch nicht in der Pflege. Wenn es gut läuft, dann könnten wir in 20 bis 25 Jahren mit dem Care-System so weit sein, dass alle Eltern, die wollen, in Vollzeit arbeiten können. Und das wird in der politischen Debatte und in Wirtschaftsmedien nicht ausreichend diskutiert: Die Vollzeit-Erwerbsquote von Frauen in den nächsten fünf Jahren auf das Niveau der Männer zu bringen, ist unrealistisch, solange im Care-Bereich nicht ein Wunder passiert. […]
BI: In Familien ist die Arbeitszeit der Frau auch häufiger die „Verfügungsmasse“. Das Kind ist krank – die Frau bleibt zu Hause.
Bücker: Das wird häufig mit Gehaltsunterschieden erklärt. Paare haben dann eine sehr simple Sicht auf die Wertigkeit ihrer Zeit. Wer mehr verdient, geht der höherwertigen Erwerbsarbeit nach. Wer weniger verdient, betreut das Kind. (Isabell Prophet, Business Insider)
Ich muss zugeben, dass ich mit Bückers neuem Buch (auf das sich dieses Interview bezieht) nicht viel anfangen konnte; ich habe die Lektüre schnell abgebrochen. Aber ihre Analyse ist zutreffend. Noch immer wird ein Großteil der Carearbeit von Frauen übernommen, was Hinderungsgrund Nummer 1 für den anhaltenden Gender-Pay-Gap ist. Allein, die Feststellung hilft recht wenig – die kontroversen Fragen sind ja die Ursachen und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen.
Ich bin nicht sonderlich überzeugt, dass es eine Art „natürliche“ Vorliebe der Frauen für Teilzeit und Carearbeit gibt; ich halte das für ein gesellschaftliches Konstrukt, für ein Produkt von Erwartungshaltungen, die von frühester Kindheit an eingeimpft werden. But reasonable people may disagree. Aktuell gibt es keine Möglichkeit, das für die eine oder andere Interpretation zu klären.
Gleiches gilt natürlich für die daraus zu ziehenden Konsequenzen. Bücker hat sicher Recht wenn sie betont, dass an und für sich die meisten Mittelschichtenfamilien das Geld als höchsten Wert betrachten und theoretisch gesehen alle kürzer treten könnten, aber ich halte das für eine unzulässige Individualisierung. Es schiebt die Schuld auf die Familien ab und nimmt die strukturellen Faktoren aus der Verantwortung.
3) Warum die Frauen in Ostdeutschland mehr verdienen
ZEIT ONLINE: Blieb diese Einstellung nach der Wiedervereinigung in Ostdeutschland bestehen?
Beblo: Ja und nein. Es gab einen Bruch. Nach der Wiedervereinigung haben viele Frauen in Ostdeutschland ihre Jobs verloren.
ZEIT ONLINE: Warum gerade Frauen?
Beblo: Etliche Unternehmen waren marode und wurden nach der Wiedervereinigung geschlossen oder von Westfirmen übernommen. Und diejenigen, die als erstes entlassen wurden, waren die Frauen – auch weil man davon ausging, dass es noch einen Mann gibt, der die Familie ernähren kann. Einen „Familienvater“ entlässt man ungern, da gibt es mehr Hemmungen. Ich finde, dass allein der Begriff „Familienvater“ viel aussagt. Eine „Familienmutter“ gibt es nicht.
ZEIT ONLINE: Wer waren die Frauen, die weiterhin arbeiteten?
Beblo: Diejenigen in besseren Positionen und mit höheren Gehältern. Mit ein Grund dafür, weshalb die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen in der ehemaligen DDR in den Neunzigerjahren kleiner geworden ist. Dies ist ein gutes Beispiel für eine paradoxe Entwicklung bei der Chancengleichheit. (Lea de Gregorio, ZEIT)
Die Erkenntnis, dass der Feminismus der 1990er und 2000er Jahre vor allem eine Mittel- und Oberschichtenveranstaltung war, ist wahrlich nicht neu; ich habe das schon 2010 formuliert (nicht, dass ich auf den Artikel und die Folgen sonderlich stolz wäre…). Es zeigt auch gleichzeitig, dass Statistiken immer täuschen können, wenn man sie nicht kritisch anschaut. Nehme ich den Boden raus, steigt der Durchschnitt – ohne dass das allzuvielen Leuten helfen würde. Das ist ja, wenn ich nicht irre, auch der Vorwurf der Mindestlohngegner*innen – dass quasi das Lohnniveau vor allem durch ersatzloses Webrechen statistisch steige. Ich halte das für falsch, aber die Möglichkeit sollte man nicht zu leichtfertig von der Hand weisen; zumindest taugen reine Durchschnittsstatistiken nicht als Beleg.
4) One Worrying Sign for Democrats in the Midterm Results
DeWine and Kemp have several things in common. But one of the most conspicuous is that both stumbled into public conflicts with Donald Trump as a result of their refusal to back his denial of the 2020 election results. After Kemp certified his state’s vote count, Trump cast him as one of the MAGA movement’s great betrayers, and recruited a primary challenger to oust the GOP incumbent. DeWine, meanwhile, went on CNN shortly after the 2020 race was called and said that Biden had “clearly” won, and that Trump should begin preparing for a peaceful transition. In response, Trump attempted (though ultimately failed) to find a credible primary challenger to back against DeWine. In 2022, Republican candidates with strong ties to Donald Trump — and, more specifically, his attempts at election subversion — tended to dramatically underperform other GOP candidates. Given that pattern, it seems plausible that Kemp and DeWine owed some of their success to the aura of “moderation” they secured merely by being (1) objects of Trump’s ire, and (2) opponents of coups. (Eric Levitz, New York Magazine)
Ich hab das im letzten Vermischten schon bezüglich Ron deSantis angesprochen. Die Gefahr ist groß, dass sich die Extremisten normalisieren, indem sie sich von Trump distanzieren, ansonsten aber business as usual betreiben. Angesichts dessen, dass die Sorge um die Demokratie ein wesentlich größerer Grund für die Erfolge der Democrats bei den Midterms waren als zuerst angenommen, würde eine solche Normalisierung eine sehr negative Dynamik für die Partei bedeuten. Schon Bidens Wahl 2020 hat viel von der Identifizierung der GOP mit Trump gelebt. Und wenn man die obigen Zahlen ansieht, erkennt man eine winning strategy der GOP – sofern sie ihren lunatic caucus unter Kontrolle bringt.
5) Gestrandet mit Anna Schneider
Es muss schön sein, zu den Anna Schneiders dieser Welt zu gehören, zu den mündigen Bürgern, die ihre Freiheit im Sinne Sartres heroisch begreifen. Alle anderen sind für sie Hasenherzen. Wenn jemand sich etwas nimmt, was auch ein anderer will, mag das dessen Freiheit begrenzen. Es darf nur nicht das Ziel sein. Böse klingt das, aber ist ein wenig Verderbtheit nicht viel spannender als das Schwimmen mit dem Strom der Achtsamen? Vor zwei Wochen ist bei dtv Anna Schneiders erstes Buch erschienen. Es heißt „Freiheit beginnt beim Ich“ und legt nahe, dass die Autorin nicht bloß die Marke Springer vertritt, sondern es mit dem Radikalindividualismus ernst meint. Es stehen viele Sätze darin, an denen man nichts aussetzen kann, „Freiheit ist Freiheit“ zum Beispiel oder „Ohne Freiheit ist alles nichts“. Auch Kant hat seinen Auftritt. Eine der Kernaussagen ist, dass die Freiheit seit der Pandemie umgedeutet wurde, von der individuellen zur kollektiven. […] Warum kann der Begriff der Freiheit so leicht und folgenlos vereinnahmt werden? Er ist so fluide wie die Sache, die er bezeichnet. Wir definieren Freiheit so, wie wir unseren Alltag erleben, und abstrahieren dabei nach Belieben von dem einen oder dem anderen der beiden Elemente, die man aus dem Begriff nicht streichen kann. Da ist zum einen die Abwesenheit von Zwängen. Und zum anderen eine legitimierte übergeordnete Gewalt, die das Recht des Einzelnen auf Freiheit durchsetzt und schützt. Wegen ihrer Ambivalenz kann die Freiheit das Gegenteil dessen bewirken, was sie schaffen soll: Furcht, Isolation und Ohnmacht. Ein Liberalismus, der diese Ambivalenz anerkennt, ist im Kern sozial. Und das Kernlose, was Schneider für Springer als Liberalismus verkauft, ist beunruhigend. (Elena Witzeck, FAZ)
Anna Schneiders Erfolgsrezept ist recht simpel: Genauso wie Ulf Poschardt ist sie ein professioneller Troll. Sie haut die maximale Version jeder möglichen These raus und bürstet alles auf Krawall. Das garantiert ihr Aufmerksamkeit. Dahinter ist allerdings recht wenig. Wie Witzeck ja in geradezu sadomachistischer Gründlichkeit herausarbeitet, hat Schneider praktisch keine intellektuelle Substanz. Dasselbe gilt, wie erwähnt, aber auch für ihren Boss Ulf Poschardt. Begnadete Polemiker sind sie dagegen beide. Und die Gefahr ist in beiden Fällen, dass sie durch das Geschäftsmodell Krawall, das eine ständige Steigerung und Grenzdehnung erfordert, irgendwann überziehen – man denke nur an Rainer Meyer. Die Endstation dieser Entwicklung ist beinahe unausweilich Tichys Einblick oder ein YouTube-Kanal à la Reichelt.
6) So begründen AfD-Politiker ihre Parteiaustritte
Es könnte natürlich stimmen, was die Leute sagen. Dass sie immer geradeaus waren und die anderen krumm. Wären da nicht Austrittserklärungen, in denen die Missstände schon vor Jahren angeprangert wurden und demnach bekannt waren. Wer Missstände kennt und sie öffentlich leugnet, ist selbst krumm. Als gemäßigte AfD-Politiker zum ersten Mal die Extremismusgefahr erkannten, nahmen es ihnen viele ab. Als immer neue Generationen von „Gemäßigten“ alle Jahre wieder die gleiche Entdeckung machten, wurde es unglaubwürdig. Steffi Brönner, die frühere stellvertretende AfD-Vorsitzende von Thüringen, ist ein Beispiel. Sie trat 2017 von ihrem Amt zurück und prophezeite, dass bald ein Parteiausschlussverfahren gegen sie laufen werde, weil sie gegen die Extremisten gekämpft hatte. „Sollte es so kommen, kann dann auch niemals mehr ein Mitglied eines Tages sagen, es wäre ihm nicht bewusst gewesen, in welche Richtung sich die Partei ‚verschoben‘ hat“, schrieb sie. Es kam so, 2018. Trotzdem zeigen sich AfD-Mitglieder bis heute überrascht von der Radikalisierung. „Die Partei entwickelt sich beständig weiter nach rechts“, berichtete der Abgeordnete Emden vier Jahre nach Brönner. Das hatte er offenbar nicht gewusst – und trat empört aus. [… ] So können AfD-Politiker, die im nächsten oder übernächsten Jahr austreten wollen, auf einen ganzen Kanon an Austrittsliteratur zurückgreifen. Folgen sie den Traditionen ihrer Vorgänger, lautet ihre Erklärung wie folgt: „Die AfD ist zwar ein verkommener Haufen, es gibt in dieser Mafia aber viele Mitglieder, die völlig seriös sind. Ich verlasse die Partei nach einem verlorenen Kampf um Posten, aber das ist nur ein zeitlicher Zufall. Der Austritt hat inhaltliche Gründe. Ich kann das Verhalten meiner Parteifreunde, die ich trotz ihrer Fehler lange verteidigt habe, einfach nicht mehr mittragen. Die Partei war vor sieben, vor vier oder vor zwei Jahren noch seriös, nun nicht mehr. Das lässt mir keine Wahl, denn ich bleibe mir stets treu.“ (Justus Bender, FAZ)
Eine nicht uninteressante Analyse, die Bender da hinlegt. Nur, was sich daraus genau ergibt, lässt er offen. Natürlich ist es nervig, dass diese Leute sich inszenieren, als ob sie irgendwie integer seien (und nicht jahrelang problemlos in einer proto-faschistischen Partei unterwegs waren), aber auf der anderen Seite sollten wir das glaube ich einfach schlucken (egal wie bitter es schmeckt) und alle Abweichler*innen aus der AfD, so irgendmöglich, willkommen heißen und wieder integrieren. Da hat im Übrigen auch die CDU eine wichtige gesellschaftliche Funktion, weil deren rechter Flügel der einzige realistische demokratische Hafen ist, den diese Leute anlaufen können. Siehe auch Fundstück 6 oder diesen guten Artikel.
Doch knapp ein Jahr, nachdem Friedrich Merz die Führung übernahm, wirkt es, als habe die Union den konservativen Tunnelblick der frühen Nullerjahre für sich wiederentdeckt. Sogar die Formulierungen sind dieselben wie damals. Das Bürgergeld der Ampel blockierte sie mit der Behauptung, Arbeit müsse sich lohnen, und bei der doppelten Staatsbürgerschaft warnt sie vor einer „Einwanderung in die Sozialsysteme“. Man wartet fast auf das Revival des absoluten Tiefpunkts dieser Zeit, als sich der damalige CDU-Oppositionspolitiker Jürgen Rüttgers mit dem Plakatslogan „Kinder statt Inder“ ins Abseits stellte. […] Jüngst twitterte Friedrich Merz eine entlarvende Bestrafungsfantasie. „Ich weiß, die meisten werden im Gefängnis nicht besser“, schrieb der frühere Richter über die Klimaaktivisten, die vorübergehend den Hauptstadtflughafen blockiert hatten, „aber solange sie sitzen, ist draußen Ruhe.“ Was für ein brutaler und gleichzeitiger hilfloser Satz von jemandem, der gern die Richtlinienkompetenz für das ganze Land hätte. Merz steht da allerdings keineswegs allein. In Teilen des bürgerlich-liberalen Lagers scheint die Dämonisierung der Letzten Generation und überhaupt des Klimaaktivismus so weit fortgeschritten, dass die Maßstäbe vollkommen verrutscht sind. Viel zu selten, wenn überhaupt, ist von Reflexion über die eigenen klimapolitischen Versäumnisse zu lesen, die zum Entstehen dieser Bewegung führten. Noch zu Zeiten von Pegida war da deutlich mehr Selbstkritik, da war es ein großes Thema bei der Union, wo und wie man die „besorgten Bürger“ nicht richtig verstanden hatte. (Christian Bangel, ZEIT)
Ich bin bezüglich der Frage sehr zwiegespalten. Einerseits sind die von Bangel (richtig) dargestellten Probleme der CDU eine Folge des Versuchs, ihr „Profil zu schärfen“ und AfD-Wählende zurückzugewinnen. Bisher geht das nicht großartig auf. Zwar rangiert die CDU in Umfragen unter dem absoluten Nullpunkt von 2021, aber für mich fühlt sich das ein bisschen an wie Peer Steinbrücks relativer Erfolg 2013 gegenüber Steinbrücks Ergebnis von 2009. Die nächsten Bundestagswahlen sind noch eine Weile hin, aber soweit bringt mich nichts von meiner generellen These ab, dass die CDU den Weg der SPD weitgehend nachvollzogen hat und für die absehbare Zukunft unter 30% bleiben wird.
Auf der anderen Seite könnte der Preis für diese „Profilschärfung“ sehr hoch sein. Zwar ist es mit eine Aufgabe der Opposition, Krach zu machen, weswegen ich der CDU deutlich mehr goodwill gebe als viele andere (besonders meine Twittertimeline schäumt gerade über vor völlig überzogenen Extremismus-Vorwürfen), aber der Preis für diese „Profilschärfung“ und die Attraktivität für einige wenige AfD-Abweichler*innen besteht leider in einer deutlichen Verschärfung des Diskurses und der Förderung von Ausgrenzung und Hass.
Man kann natürlich immer fragen, wem mit Pessimismus gedient ist, und zu der einfachen Antwort kommen: dem Pessimisten allein. Zugleich drängt aber auch die Frage, ob dieser Pessimismus nicht eine freundliche Neubewertung verdient, wo der handlungsorientierte Optimismus an seine Grenzen gerät. Und das tut er ganz zweifellos. Polemisch ließe sich sagen: Der einzige Punkt, an dem Franzen irrte, ist der Zeitraum. Die Undurchführbarkeit aller konsensualen Klimaziele seit der Pariser Konferenz 2015 ist schließlich bereits drei Jahre nach Franzens Text höchst absehbar, und zwar nicht nur im katastrophalen gesellschaftlichen Klima der USA, aus dem heraus Franzen damals schrieb, sondern etwa auch in Deutschland: Wo in einer Akutkrise jeder Kubikmeter Gas wichtiger war als ein grundlegender gesellschaftlicher Wandel, wo sich auch soziale Fragen nur zu leicht gegen Erfordernisse des Klimaschutzes ausspielen ließen, besteht ja eben überhaupt keine Hoffnung auf ernsthaften Klimaschutz in absehbarer Zukunft. Mit jeder hinzukommenden gesellschaftlichen Gegenkraft von rechts, links, oben und unten wird klarer: Dieser Kampf ist nicht zu gewinnen. Und wirklich jeder hat (oft tatsächlich gute) Gründe, ihn nicht zuerst in seiner Zeit und seinem Raum führen zu wollen. […] Doch was ist die Alternative, die wir gerade erleben? Was, wenn das ständige Beschwören des Auswegs nur immer tiefer in die Ausweglosigkeit führt? Wer ein Problem immer nur mit einer vermeintlich passenden Lösung beschreibt, nährt zugleich den Glauben an sie. Er nährt auch den Glauben daran, dass sich jemand darum kümmert, in Politik, Forschung, Gesellschaft, auch Medien. Einem falschen Anschein aber gilt es grundsätzlich zu widersprechen, ganz abgesehen davon, dass auch wohlfeiler Optimismus – offensichtlich – deaktivieren kann. (Jonathan Schneider, ZEIT)
Die Unfähigkeit, etwas Substanzielles gegen den Klimawandel zu unternehmen, ist in der Tat ebenso augenfällig wie das aktive Leugnen, dass die Pariser Klimaziele de facto unerfüllbar geworden sind. Wir haben es mit einem echten Sandwich-Problem zu tun. Aber noch viel schlimmer ist, dass während auf der einen Seite fragwürdige Protestaktionen immer verbreiteter werden es in manchen Kreisen gerade en vogue wird, einfach aufzugeben. Die in Fundstück 5 bereits diskutierte Anna Schneider etwa verkündet in Talkshows und Interviews beständig, dass wir „uns anpassen“ müssen.
Diese Idee der Anpassung ist kaum möglich, aber das ist nur die naturwissenschaftliche Seite der Debatte. Was ich so auffällig finde ist der Normalitarismus, den Schneider hier an den Tag legt: um in der Gegenwart keine Einschränkungen erleben zu müssen („Freiheit“) fordert sie massivste Einschränkungen in der Zukunft (die erwähnte Anpassung). Es ist eine intellektuelle Bankrotterklärung, denn wenn das Freiheit sein soll, dann weiß ich auch nicht. Erwartet Schneider (als pars pro toto) etwa, dass diese Anpassung nicht in Einschränkungen bestehen werden? Es ist einfach nur normalitaristische Verantwortungslosigkeit.
9) Tweet
Wir wollen keine #Einwanderung in die Sozialsysteme, sondern die Einladung in den #Arbeitsmarkt. Wer hart arbeitet und gut integriert ist, soll Deutscher werden können. Wer sich nicht integrieren will, hat hier keine Perspektive. Das gehört zur Wahrheit dazu. #Staatsangehörigkeit
— Christian Dürr (@christianduerr) November 28, 2022
Dieser Tweet ist symptomatisch für die ganze beknackte „Debatte“ um das Einwanderungsrecht. Für sich genommen ist jeder dieser Sätze weitgehend unkontrovers. Wer will schließlich eine Einwanderung in die Sozialsysteme? Eine Einladung in den Arbeitsmarkt ist auch sinnvoll, schließlich ist ohne Erwerbsarbeit ein selbstbestimmtes Leben in Deutschland unmöglich. Dass wer hart arbeitet und gut integriert ist Deutscher werden soll, lehnen gerade auch nur CDU und AfD ab. Wer sich nicht integrieren will, hat keine Perspektive – offensichtlich. Sich mit diesen Thesen als großer Truth-Teller zu inszenieren ist ziemlich billig, weil man dafür kaum Widerspruch bekommen dürfte.
Der Widerspruch kommt durch die Kombination dieser Thesen. Da haben wir etwa die Wortwahl, die etwas merkwürdig ist. Dürr spricht von einer „Einladung in den Arbeitsmarkt“, macht aber im übernächsten Satz deutlich, dass wer die Einladung ablehnt, hier keine Perspektive hat. Das ist keine Einladung, das ist eine Bedingung. Und erneut, es ist durchaus fair, die zu formulieren! Aber dann sollte man nicht Euphemismen verwenden. Mein größtes Problem aber ist die Verknüpfung von Integration und Arbeit.
Denn ja, alle sollten die Einladung erhalten, und im Großen und Ganzen gilt auch, dass wer nicht arbeiten WILL sich einer Integretation und damit Perspektive verschließt. Aber Dürrs Worte schließen all jene aus, die aus unterschiedlichen Gründen nicht arbeiten können. Was ist etwa mit Leuten, die keine Arbeit finden? Aktuell ist das glücklicherweise nicht so das Problem, aber was passiert in der nächsten Rezession? Irgendwann kommt wieder eine. Was gilt mit diesen Regeln, wenn wir wieder wie in den 2000er Jahren vier Millionen Arbeitslose haben? Was ist mit Leuten, die krank sind, oder die jemanden pflegen müssen, oder Kinder betreuen? Schließlich würden wir da ja auch Deutsche nicht als unintegriert sehen.
Das alles ist natürlich eine Menge, was man einem Tweet vorwirft – vermutlich äußert sich Dürr in anderen Kontexten differenzierter. Aber die Debatte besitzt vor allem dank der CDU (siehe Fundstück 6) gerade eine große Schärfe in diesem Bereich, und man sollte sich nicht glauben, dass diese Tonlage von potenziell zuwandernden Fachkräften – die man ja unbedingt will und braucht! – nicht gehört werden würde. Es hat schon Gründe, warum Deutschland nicht sonderlich attraktiv ist, und die liegen nicht nur in der Bürokratie.
10) Das langsame Sterben der Schuldenbremse
Auf dem Debattenkonvent der SPD hat sich kürzlich eine interessante Anekdote zugetragen. Ausgerechnet ein gewisser Kevin Kühnert, sonst alles andere als ein ordnungspolitischer Gralshüter, hielt seine Jusos davon ab, die Abschaffung der Schuldenbremse zu fordern. Der SPD-Generalsekretär überzeugte seine Genossen mit einem simplen Argument: Schulden sind nicht das Problem der SPD. Die beschafft uns doch der Christian Lindner von der FDP. Und zwar durch Sonderetats abseits des regulären Haushalts. Dass ein notorischer Schuldenbremser-Verachter wie der SPD-Generalsekretär nicht mal mehr die Notwendigkeit für deren Abschaffung sieht, zeigt, wie ernst die Verfassungsregel von großen Teilen der Politik noch genommen wird: nämlich gar nicht. […] Bundesfinanzminister Lindner brüstet sich zwar damit, die Schuldenbremse im Bund 2023 ja einzuhalten. Doch angesichts von parallel einer halben Billion Euro Schulden in Schattenhaushalten hat der FDP-Chef seine Glaubwürdigkeit als Lordsiegelbewahrer der Verfassungsregel längst verloren. […] Richtig ist allerdings auch: Die starre Schuldenbremse deutschen Typus‘ hat die Tricksereien erst mitbefördert. Gut gemeint, erwies sich die Schuldenbremse in ihrer jetzigen Ausprägung als zu enges Korsett, aus dem sich die Politik nun mit aller Macht herausschält, um finanziell Luft für die Bewältigung der Krise zu gewinnen. Eine Abschaffung der Schuldenbremse wäre nicht sinnvoll. Wissenschaftlich ist die bindende Wirksamkeit von Schuldenregeln lange belegt. Wer die Schuldenbremse retten will, muss sie reformieren. Und die Verschuldungsgrenzen auf das europäische Level anheben. (Martin Greive, Handelsblatt)
Ich sag es immer wieder: die Schuldenbremse ist de facto tot. Sie überlebt den Kontakt mit der Realität einfach nicht. Dass ausgerechnet Lindner derjenige ist, der sie konstant aushebeln muss, ist eine Ironie der Geschichte; vielleicht auch ein „Only Nixon can go to China“-Moment. Was mir völlig unklar ist, ist Greives geradezu hilflos-alberne Forderung, sie zu reformieren und auf europäisches Level zu heben. Als hätten wir nie den Vertrag von Maastricht gehabt! Man kann mit einem Stück Papier nicht die Realität aufhalten, ganz egal, wie nett es formuliert ist.
11) The Far Right Is Getting What It Asked For
Ye’s Infowars disaster is emblematic of something that seems to be happening across the far right. Although their messaging is always noxious and hateful, right-wing shock jocks and politicians like to employ thinly veiled innuendo and dog whistles to rally their audience. The game is to push the boundaries of social acceptability but leave just enough room to deny culpability when things go off the rails. Then they can blame political opponents for bias and censorship when they’re criticized or suspended by the supposedly “woke” left. But things are taking a turn, and it’s not just about Ye. Though it’s always been a sewage system for political sludge, Twitter has recently lifted its floodgates under Elon Musk’s ownership, reinstating banned accounts, suspending researchers without cause, and drastically reducing content moderation overall. The New York Times reported today that hate speech has “soared” on the platform in the weeks since Musk’s takeover. And there’s reason to suspect that things may get even worse: Musk said yesterday that he wants to foreground “view count” on every tweet, which could encourage attention-grabbing and incendiary posts even more than the platform already does. It’s a dog-catches-car moment: Republicans are getting what they asked (and tweeted) for, and finding that it makes them uncomfortable by association (in public at least). The makeshift walls have crumbled around the far right, and it’s flummoxing those who try to launder their message for a wider audience. (Charlie Warzel, The Atlantic)
Passend zu Fundstück 4 haben wir hier diese Art der Radikalisierung im Spektrum der Republicans. Das ganze Ye-Desaster ist genauso auffällig wie das Space-Karen-Getrolle von Elon Musk. So widerlich dieser ganze Dreck auch ist, die Unfähigkeit der Partei, sich davon zu distanzieren, könnte dafür sorgen, dass es ihnen nicht wirklich gelingt, von der genannten Fähigkeit zur Distanzierung wenigstens auf nationaler Ebene zu profitieren. Anders ausgedrückt: wenn ein republikanischer Präsidentschaftskandidat weiterhin mit Leuten wie Ye und Musk, Fuentes und Co verknüpft bleibt, haben die Democrats eine Chance. Und haben damit ihre messaging agenda auf dem Präsentierteller. Sie müssen sich dazu nur eine Scheibe von ihren Gegnern abschneiden: nachdem man sie jahrzehntelang als Sozialisten und Terrorismus-Versteher beschimpft hat, ist es eine gewisse Ironie der Geschichte, dass sie den Spieß nun umdrehen können.
Resterampe
a) Sehr guter Punkt bezüglich der niedrig hängenden Früchte. Haben unsere Liberalen hier dafür eine Erklärung? Würde mich interessieren.
b) Was für ein puberäter Bullshit.
c) Zum ersten Mal wählten 2022 mehr Wohlhabende Democrats als Republicans.
d) Diese Haltung finde ich auch super problematisch.
e) Echt super ekliges Verhalten.
f) Superreiche überziehen kritische Journalist*innen mit Klagen, um sie mundtot zu machen. Meinungsfreiheit und so. Gilt immer nur für die Mächtigen.
g) Eine KI gewinnt jetzt „Diplomacy“. Danke für den Hinweis!
h) Gutes Interview zum Thema „Ignorance in Politics“. Danke an Dokkeratops!
i) Alice Schwarzer ist so lost.
j) Deutschland verstößt mal wieder massiv gegen EU-Recht.
k) Leider ist diese Fahrrad-Auto-Satire ziemlich nahe an der Wahrheit.
l) Über ein Sechstel (!) aller (!!) Strafgerichtsprozesse befasst sich mit Fahrerflucht nach Unfällen. Nur mal wieder so zum Thema Autokultur und wo die üblichen Verdächtigen merkwürdig ruhig sind, wenn es um Vorbeugung und Strafverschärfung geht.
m) Es droht keine Lohn-Preis-Spirale, offensichtlich. Stattdessen sinken die Reallöhne dramatisch. Aber das war von Anfang an klar. Voller Erfolg der Löhne-Senk-Lobby.
n) Interessanter Artikel zu Jesus und den Jünger*innen.
o) Das Vertrauen der Schüler*innen in die Schule ist auf einem absoluten Tiefpunkt.
p) Stop taking billionaires at their word.
q) Die Erfolge der 4-Tage-Woche in Irland klingen schon recht spektakulär.
r) Did Redistricting cost Democrats the House? Überraschend komplexe Antwort.
s) Eine interessante Analyse des Grabenkriegs in der Ukraine.
t) Gute Gedanken zur Kita-Krise.
u) Zum Thema „verramschen“.
(1 – Years of austerity are now writ large on the UK state)
„Wenn ich an die Debatten hier im Blog bezüglich Austerität denke, wird ja gerne betont, dass wir die eigentlich nie hatten, dass die geistig-moralische Wende nie stattfand und Thatcher und Reagan ja eigentlich auch nie wirklich so radikal kürzten wie das gerne behauptet wird. Und all das ist ja wahr!“
Na endlich! Ich glaube, Du kommst bei diesem Punkt langsam in der Realität an. 🙂
„Vielleicht liegt ein Grund mit darin, dass eben auch neoliberale Radikale, wenn sie an die Macht kommen, den Gesetzen politischer Schwerkraft unterworfen sind.“
Es ist sogar noch einfacher: Wirklich radikale Neoliberale haben eigentlich nur Gegner, da sie allen ihre Pfründe streichen wollen. Neoliberalismus ist ein systemischer Ansatz, keine Interessengruppen-Politik. Genau hier liegt das tiefe Missverständnis der Linken, Rechten und der politischen Mitte.
(3 – Frauen in Ostdeutschland)
„Das ist ja, wenn ich nicht irre, auch der Vorwurf der Mindestlohngegner*innen – dass quasi das Lohnniveau vor allem durch ersatzloses Webrechen statistisch steige.“
Da irrst Du. Das Argument ist, dass der Mindestlohn kein soziales Problem beseitigt und auch noch nie irgendeins beseitigt hat, mit anderen Worten: Symbolpolitik ist. Oder um es mit einem anderen (inversen) symbolpolitischen Schmarrn zu vergleichen: Der Mindestlohn verhindert ebenso sehr Armut, wie ein Mietpreisdeckel Wohnungsnot lindert – gar nicht. Beides ist den Symbolpolitikern allerdings völlig egal. Sie sind nur an einem billigen Tool interessiert, das problemlos politischen Gewinn bringt.
(10 – Schuldenbremse)
„Ich sag es immer wieder: die Schuldenbremse ist de facto tot. Sie überlebt den Kontakt mit der Realität einfach nicht.“
Leider plausibel. Es ist genau dasselbe wie bei der Energiewende. Solange die Menschen keine schädlichen Folgen des Klimawandels spüren, werden sie die Energiewende nicht unterstützen. Schulden sind wie CO2-Emissionen oder Krebszellen. Man kann lange damit leben.
@ Tim 5. Dezember 2022, 09:34
Zustimmung zu allem
es grüßt
E.G.
1) Den Schuh darfst du dir für Investitionen und ausgaben natürlich umgekehrt genauso anziehen 🙂
3) Das halte ich nach wie vor für Quatsch.
10) Jepp. Nur sind sie dazu nicht mal real.
„m) Es droht keine Lohn-Preis-Spirale, offensichtlich. Stattdessen sinken die Reallöhne dramatisch.“
Äh – genau diese Inflationsfolgen hast Du noch vor kurzem energisch bestritten. Und jetzt ist es also „offensichtlich“? Ich schätze, dass die Reallohneinbußen bei niedrigen Löhnen am stärksten zu spüren sind.
Dass wenn die Löhne nicht steigen, die Inflation aber nicht, die Reallöhne sinken ist jetzt nicht eben atemberaubende Erkenntnis.
Technisch führen auch die Steigerung zu Beharrungsinflation. Nur halt weniger.
Wenn die an der Produktion von Katzenfutter beteiligten Beschäftigten 5% mehr Lohn erhalten, muss der Preis des Endprodukts ceteris paribus um 5% steigen.
Mit dem Reallohnverlusten von 5% (bei 10% Inflation) leisten die Beschäftigten aber einen wichtigen Beitrag, dass die Inflation irgendwann dann wirklich zu Ende geht. Die Unternehmen aber halt auch, weil sie bisher nur einen Teil ihrer Preis an die Endverbraucher weitergegeben haben.
In Chile funktioniert dieses Dämpfen wesentlich schlechter. Hier Kurve der letzten 12 Monate -> https://www.inflation.eu/de/inflationsraten/chile/aktuelle-vpi-inflation-chile.aspx
„Wenn die an der Produktion von Katzenfutter beteiligten Beschäftigten 5% mehr Lohn erhalten, muss der Preis des Endprodukts ceteris paribus um 5% steigen.“
Nein. Es sei denn die Kosten für Katzenfutter wären zu 100% Lohnkosten.
Exakt das.
ceteris paribus, d.h. unter der Annahme, dass Gewinnerwartung des Unternehmers und Kosten für Betriebsmittel konstant bleiben.
Wenn die Kosten für die Betriebsmittel gleich der allgemeinen Inflation – also 10% – sind, müsste der Unternehmer den Preis weiter erhöhen.
Das hat aber nix damit zu tun, dass die 5% unterinflationäre Lohnerhöhungen zur Inflation in der nächsten Periode beiträgt, nur eben zu einer geringeren Rate als in der Vorperiode.
Ich mein das eher definitorisch, aber durchaus ernst.
Wenn der Lohn 100% der Betriebskosten ausmacht, die Löhne um 50% gesenkt werden und der Unternehmer seinen Gewinn konstant halten will, dann wirkt sich das auch auf die Inflation aus, nur halt mit einem negativen Vorzeichen.
Deflation = negative Inflation.
Jede Änderung der Nominal-Löhne verändert die Inflation der betrachteten Periode.
2) „Menschen treffen viele Entscheidungen nicht anhand des Geldes. Aber bei der Kinderbetreuung passiert es auf einmal“ (Interview mit Teresa Bücker)
Bücker: Das wird häufig mit Gehaltsunterschieden erklärt. Paare haben dann eine sehr simple Sicht auf die Wertigkeit ihrer Zeit. Wer mehr verdient, geht der höherwertigen Erwerbsarbeit nach. Wer weniger verdient, betreut das Kind.
Wenn man mal davon ausgeht, dass beide Elternteile ihre Kinder annähernd gleich gut betreuen können, fällt „Qualität der Betreuung“ als Entscheidungskriterium schon mal aus. Dann ist die Entscheidung „nach Verdienst“ eine logische, rationelle und keineswegs herzlose Entscheidung.
Ich bin nicht sonderlich überzeugt, dass es eine Art „natürliche“ Vorliebe der Frauen für Teilzeit und Care-Arbeit gibt; ich halte das für ein gesellschaftliches Konstrukt, für ein Produkt von Erwartungshaltungen, die von frühester Kindheit an eingeimpft werden. But reasonable people may disagree. Aktuell gibt es keine Möglichkeit, das für die eine oder andere Interpretation zu klären.
Natürlich haben wir als Vorbild die Natur (etwa durch unsere Familienmitglieder aus dem Tierreich, die Affen). Darüber hinaus kannst Du in Skandinavien – das in Sachen neutrale Männlein-Weiblein-Sozialisierung am weitesten fortgeschritten ist und am wenigsten „sozialen Geschlechterzwang“ ausübt – Folgendes sehen: Die Gauß’sche Verteilungskurve zugrunde gelegt, interessieren sich Frauen grundsätzlich mehr für Menschen, Männer eher für Dinge.
9) Tweet: Einwanderung in die Sozialsysteme
Das ist keine Einladung, das ist eine Bedingung.
Das ist äußerst schwache Semantik – bestenfalls. Wenn ich in den Arbeitsmarkt einlade, gilt die Einladung eben nur für den Arbeitsmarkt und nicht für die Sozialsysteme.
Denn ja, alle sollten die Einladung erhalten, …
Warum auch die, die nicht zum Arbeiten herkommen? Ergänzt um die nicht nur von mir seit Jahren gestellte und von Dir seit Jahren unbeantworteten Frage, wann es denn genug ist? Gerne auch unter Berücksichtigung relevanter Realitäten wie Geldknappheit, Energieknappheit, Wohnungsmangel, Mangel an Kita-Plätzen etc.
Es hat schon Gründe, warum Deutschland nicht sonderlich attraktiv ist, und die liegen nicht nur in der Bürokratie.
Wie kommst Du darauf? Deutschland ist seeeehr attraktiv, allerdings nicht unbedingt für Arbeitswillige, sondern eher für Freunde unseres überaus leistungsstarken Sozialsystems. Das zeigt doch die seit Jahren hohe Zahl der Zuwanderer.
10) Das langsame Sterben der Schuldenbremse
Ich sag es immer wieder: die Schuldenbremse ist de facto tot. Sie überlebt den Kontakt mit der Realität einfach nicht.
Ausschlaggebend für diese Entwicklung ist einzig, dass die seit Jahrzehnten steigenden Staatseinnahmen immer stärker in den Sozialbereich fließen, während Investitionen und Modernisierungen verschlafen wurden. Wobei ich mich hier ein wenig einschränken muss: Klar ist das nun mal die Realität, wenn auch von Ahnungslosen selbstgewählt und keineswegs unvermeidlich.
Das nun seit einiger Zeit ausgerechnet die Sozialromantiker Schuldenerhöhungen fordern mit dem Ziel, endlich strukturelle Probleme bei Verkehr, Umwelt, Digitalisierung, Wohnen, Bildung, Pflege etc. zu bekämpfen, nachdem sie all die Jahre das vorhandene Geld in „ihre“ Kanäle gelotst haben, ist schon scheinheilig hoch drei.
k) Leider ist diese Fahrrad-Auto-Satire ziemlich nahe an der Wahrheit.
l) Fahrerflucht
Über ein Sechstel (!) aller (!!) Strafgerichtsprozesse befasst sich mit Fahrerflucht nach Unfällen. Nur mal wieder so zum Thema Autokultur und wo die üblichen Verdächtigen merkwürdig ruhig sind, wenn es um Vorbeugung und Strafverschärfung geht.
Wieder eine ideologisch geprägte, kurzsichtige Betrachtung. Die hohe Zahl der Fälle liegt u.a. daran, dass man hier anhand von Nummernschild und Fahrzeugbeschreibung sehr gut erkennen kann, wer was verbrochen hat. Was ich (als Fußgänger sowie als Rad- und als Autofahrer unterwegs) immer wieder feststelle, ist, dass Radfahrer sich mindestens genauso oft danebenbenehmen wie Autofahrer (spätestens gegenüber Fußgängern).
Nur zum Provozieren: Radfahrer, die Autos zerkratzen oder mal eine Beule in die Tür treten, etwa weil sie sich (nach Missachtung der Vorfahrt, bei Rot über die Ampel rasen oder Einbahnstraßen verkehrt herum befahren) bedrängt fühlen (was nicht in jedem Fall heißt, dass das auch stimmt), sind viel schwerer zu identifizieren. Darüber hinaus werden viele Fälle von Vandalismus (Kratzer in der Türe) oder Rücksichtslosigkeit im Verkehr bzw. in Fußgängerzonen in der Regel nicht angezeigt, und wenn, dann wg. Geringfügigkeit oft nicht verfolgt.
m): Sinkende Reallöhne
Es droht keine Lohn-Preis-Spirale, offensichtlich. Stattdessen sinken die Reallöhne dramatisch. Aber das war von Anfang an klar. Voller Erfolg der Löhne-Senk-Lobby.
It’s the economics, stupid!
Als das mit den Preissteigerungen losging, hast Du Dich noch gefreut, weil sich so Deiner Wahrnehmung nach die Chance bot, die Löhne hochzuziehen. Stefan Pietsch, Thorsten Haupts, ich und andere haben damals versucht, Dir zu erklären, dass ein Hersteller praktisch keine Spielräume für Lohnerhöhungen hat, wenn Energiekosten, Einkaufspreise für Rohstoffe, Logistikkosten etc. steigen, aber die Kunden nicht bereit sind, mehr zu bezahlen als im Vertrag steht. An diese Schere gehen Unternehmen inzwischen Pleite.
Reales Beispiel: Wenn für ein spezielles Siemens-Relais, dass man für eine Maschinensteuerung braucht, sich in der Lieferzeit von sechs Wochen auf zwei Jahre verschiebt, der Preis von 1.500 auf über 20.000 Euro steigt und Du als Hersteller eine Strafklausel für Nichteinhaltung einer Lieferfrist stehen hast, ist keine Luft mehr für nix. Dann nimmt der Unternehmer Verluste in Kauf, um seine Mitarbeiter nicht an die Luft setzen zu müssen.
Hier ist der Begriff „Realität“ mal wirklich angebracht (weil man hier, anders als bei Schuldenbremse und Ausbau üppiger staatlicher sozialer Leistungen nicht selbst den Daumen draufhat). Das hat nix mit „Löhne-Senk-Lobby“ zu tun.
2) Sie kritisiert ja genau diese Prioritätensetzung.
9) Letzthin behauptete Stefan Pietsch noch, dass „niemand“ aus dem Westen nach Deutschland kommen wolle. Das ist schon „Argument unattraktiv“. Was die Einladung angeht: mein Punkt sind nicht die, die kommen, sondern die, die da sind. Was machst du, wenn jemand nicht arbeiten kann, aus welchen Gründen auch immer? Die Integration auf Arbeit zu verengen erscheint mir zu kurz gesprungen.
10) Sicher, aber wer ohne Scheinheiligkeit ist, werfe das erste Grundgesetz.
k/l) Ich weiß nicht, wie weit verbreitet dieser Vandalismus ist, da hätte ich gerne irgendwelche Zahlen dazu.
m) Nun, dann freu dich dass du mich überzeugt hast 🙂
Zu m)
Können wir alle mal die Füsse bis zum Ende der Lohnrunden 2023 stillhalten und DANN entscheiden, ob es Reallohnverluste gab? Am unteren Ende der Lohnpyramide schon mal nicht, dafür sorgt die drastische Erhöhung des Mindestlohnes auf 12 Euro ganz sicher, solange die Inflation unter 20% bleibt.
Ich halte es für möglich, dass es leichte (unter 5%) Reallohnverluste gibt, aber mitnichten für ausgemacht.
Darüber hinaus ist eine Lohn-Preis-Spirale in allen Bereichen der Wirtschaft unwahrscheinlich, in denen die Löhne nur noch den deutlich kleineren Teil der Unternehmenskosten ausmachen, also z.B. in allen bereichen der Massenfertigung. Sollte es zu solch einer Spirale kommen, erhöht das überall da, wo möglich, den Druck zur Automatisierung – Ersatz von menschlicher Arbeitskraft durch Maschinen. Auch wenn ich damit zu einer Minderheit gehöre, halte ich das für ebenso gut wie notwendig. Der deutsche Bau bspw. ist nicht der effizienteste, insbesondere beim Bau kleinerer Wohneinheiten.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ok, halte still. Sofern du mir erlaubst, gegebenenfalls dann drüber wütend zu sein? 🙂
@ Stefan Sasse 5. Dezember 2022, 22:24
Ok, halte still. Sofern du mir erlaubst, gegebenenfalls dann drüber wütend zu sein? 🙂
Eigentlich nicht, da Du Dir diese Entwicklung gewünscht hast (wenn auch nicht das vermutliche Ergebnis). 🙂
Ich habe mir eine Lohninflation gewünscht. Immer und explizit. Verzerre hier nicht meine Darstellung.
Das haben hier aber mehrere anders in Erinnerung. Explizit habe ich in Erinnerung, auf Deine offene Einstellung zu Inflation reagiert zu haben. Du meintest damals, Inflation sei kein Problem, so lange die Löhne entsprechend angehoben würden. Ich habe an dem Punkt deutlich meine Skepsis hinterlegt, dass gerade geringere Einkommen nicht von solchen einfachen Ursache-Folgewirkung-Beziehungen profitieren würden.
Sag ich doch.
@ Stefan Sasse 6. Dezember 2022, 11:59
Ich habe mir eine Lohninflation gewünscht. Immer und explizit. Verzerre hier nicht meine Darstellung.
Du hast, als hier die ersten warnenden Stimmen aufpoppten, sinngemäß gesagt, dass Du mit Inflation kein Problem hast, da das („hopefully expecting“) zwangsläufig zu Lohnsteigerungen führen müsste. Die Besserwissser hier haben Die geantwortet, dass Unternehmen unter diesen Bedingungen dafür keine großen Spielräume haben.
Mir ist klar, dass Du Lohnerhöhungen auch ohne Inflation genommen hättest, aber Ausgangspunkt war damals halt die rapide steigende Inflation.
Ja, aber das ist was anderes. Du hast den Eindruck erweckt, ich hätte einfach gerne Inflation gehabt, und das ist Unfug. – Wie ich bereits Thorsten weiter oben erwiderte, ich bin gerne bereit, den Irrtum anzuerkennen.
@ Stefan Sasse 6. Dezember 2022, 21:52
Du hast den Eindruck erweckt, ich hätte einfach gerne Inflation gehabt, und das ist Unfug.
Dann habe ich mich falsch ausgedrückt – sorry dafür. Sollte in die Richtung gehen „billigend in Kauf genommen“ – so hatte ich Dich damals verstanden.
Alles gut!
Ergänzung:
Ver.di hat jetzt die Inflation als Lohnsenkung festgeschrieben.
Dafür, dass die Arbeitgeber 2.000€ steuerfrei auszahlen (bis 2024) wurde der Tarifvertrag um ein Jahr verlängert mit Erhöhung um 3 (!) % in 2024 (!).
D.h. in 2022 gab es 3%, 2023 2% und 2024 3% …
Ist halt zusammen deutlich weniger als die inflation von 10% in 2022.
Von der nicht aufgeholten von 2021 und den kommenden in 2023 und 2024 nicht zu sprechen…
Stimmt auch nur unter der Voraussetzung, dass die Inflationsrate 2023 wie 2024 bei 10% bleibt. Und da streiten sich gerade die Ökonomen …
„Was ich (als Fußgänger sowie als Rad- und als Autofahrer unterwegs) immer wieder feststelle, ist, dass Radfahrer sich mindestens genauso oft danebenbenehmen wie Autofahrer (spätestens gegenüber Fußgängern).“
Noch nie, wirklich nie ist ein Autofahrer von einem Radfahrer totgefahren worden. Das ist ja gerade das Problem, vor dem wir stehen: Das gesamte deutsche Verkehrssystem ist darauf ausgerichtet, dass Autos mit möglichst hoher Höchstgeschwindigkeit durch die Gegend fahren können. Fußgänger und Radfahrer sind strukturell benachteiligt. Die aktuellen Regeln sind zu einem großen Teil Mist und gehören weg. Wir brauchen wie in Holland ein fehlertolerantes Verkehrssystem, das die Straßen freimacht für Menschen und Blech nur noch dort duldet, wo es sich menschenangemessen verhält.
Leider muss man für solche Selbstverständlichkeiten in Deutschland noch kämpfen. Die Holländer sind uns in dieser Hinsicht 30-40 Jahre voraus.
@ Tim 5. Dezember 2022, 17:24
Noch nie, wirklich nie ist ein Autofahrer von einem Radfahrer totgefahren worden.
Nicht, während er Auto fuhr – mag sein. Ob ein Radfahrer einen Autounfall auslöst, bei dem es Verletzte gab? Sicherlich. Tote? Keine Ahnung. Haben Radfahrer schon Unfälle verursacht, bei denen Fußgänger starben? Definitiv.
Wenn es aber „nur“ um die strukturelle Benachteiligung gehen soll, widerspreche ich nicht. Was das Verhalten im Verkehr angeht, verdanken mehrere Radfahrer, die hochriskant und rücksichtslos fuhren, mir aufgrund meines Reaktionsvermögens und meines Nachgebens ihr Leben.
Das schreibe ich als jemand, der pro Woche mit dem Auto nur zwei Fahrten á 300 km macht (vom Wohn- zum Arbeitsort und zurück), und ob daheim oder am Arbeitsort alle Wege zur Arbeit und alle Einkäufe zu Fuß oder per Fahrrad erledigt.
“ Was das Verhalten im Verkehr angeht, verdanken mehrere Radfahrer, die hochriskant und rücksichtslos fuhren, mir aufgrund meines Reaktionsvermögens und meines Nachgebens ihr Leben.“
Gut gemacht. 🙂 Viele Situationen im Straßenverkehr sind allerdings einfach deshalb hochriskant und gefährlich, weil der Straßenverkehr in Deutschland eben sehr schlecht und rein autofokussiert designt ist und es extrem viele Autos gibt. Was z.B. in Deutschland in den letzten Jahren schon als „sicherer“ Radweg gilt, wird in Holland mit Verständnislosigkeit betrachtet.
„mit dem Auto nur zwei Fahrten á 300 km macht“
Das ist allerdings schon eine sehr hohe Fahrleistung. 🙂 Ich würde überschlagen, dass die Verkehrswende erst gelungen ist, wenn wir im Durchschnitt nur noch etwa 2.000 Kilometer MIV-Fahrleistung pro Jahr haben (motorisierter Individualverkehr).
@ Tim 6. Dezember 2022, 09:13
Viele Situationen im Straßenverkehr sind allerdings einfach deshalb hochriskant und gefährlich, weil der Straßenverkehr in Deutschland eben sehr schlecht und rein autofokussiert designt ist und es extrem viele Autos gibt.
Grundsätzlich richtig, selbst wenn die Rambo-Radler (fahren ja nicht alle so) mir besonders an roten Ampeln auffallen.
Das ist allerdings schon eine sehr hohe Fahrleistung.
Ja, aber 280 der 300 km laufen über Autobahn, und da haben Fahrräder nichts verloren.
Ich würde überschlagen, dass die Verkehrswende erst gelungen ist, wenn wir im Durchschnitt nur noch etwa 2.000 Kilometer MIV-Fahrleistung pro Jahr haben (motorisierter Individualverkehr).
Das nehme ich mal mangels eines besseren eigenen Vorschlags als Basis. Mein 300 km von Haustür zur Haustür dauern je nach Verkehrslage 2:45 h bis 4:00 h. Mit den Öffis brauche ich für die knapp 35 km zum Hamburger Hbf etwa 1:30 h. Wenn alles perfekt läuft, also etwa 2:00 h, bis ich im Zug sitze, meistens eine halbe Stunde länger. Wenn Du da noch drauflegst, dass die Bahn in diesem Jahr nicht mal 70% der Fernzüge pünktlich weggekriegt hat (und da sind Totalausfälle nicht mitgezählt), folglich viele Anschlüsse nicht erreicht werden, oder dass die Bahn inzwischen zu unflexibel scheint, um Zugkapazitäten an den Verkauf von Fahrkarten anzupassen, wird das wohl noch eine Weile dauern.
Die allermeisten Leute fahren nicht regelmäßig auf der Autobahn.
@ Stefan Sasse 6. Dezember 2022, 12:00
Die allermeisten Leute fahren nicht regelmäßig auf der Autobahn.
Ist mir ja klar. Sollte dahingehend eine Relativierung sein, dass ich trotz hoher Fahrleistung Radfahrer nicht wirklich häufig gefährde.
Ah, das bezog sich auf dich persönlich, ich dachte das war allgemein gemeint.
Jepp, definitiv.
Exakt das.
Immerhin ein Anfang: In Berlin werden Straßen für Schulkinder gesperrt – nach dem Vorbild von Paris.
https://changing-cities.org
„Natürlich haben wir als Vorbild die Natur (etwa durch unsere Familienmitglieder aus dem Tierreich, die Affen).“
Zu diesem Thema ist übrigens gerade ein Buch erschienen:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/frans-de-waal-der-unterschied-auch-schimpansen-kennen-gender-100.html
@ sol1 5. Dezember 2022, 23:42
Zu diesem Thema ist übrigens gerade ein Buch erschienen: …
Spannend; danke für den Hinweis.
Aber dort, wo Hetero-Bonobos Nachwuchs zeugen, kümmert sich die Mutter und der Rest der Beziehungsgruppe (die anderen Mütter)?
… Carearbeit …
Man kann alles, was nicht unmittelbar dem Vergnügen dient, natürlich als „Arbeit“ definieren und professionell bezahlt machen lassen. (Sehr) Reiche Leute tun das weitgehend. Alle anderen tun das in erster Linie deshalb nicht, weil sie es nicht bezahlen könnten – und da ist Kinder- oder Altenbetreuung nur ein Teil der Hausarbeit.
Man kann das natürlich durch die Gesellschaft (also alle Steuerzahler) finanzieren, nur wüsste ich dann nicht, warum die Arbeit mit Kindern so viel wichtiger sein sollte, als die mit schmutzigem Geschirr, verwildertem Garten, gebrochener Stuhllehne oder zu putzenden Schuhen.
Niemand hindert Frauen an Vollzeitarbeit, weil sie auch niemand daran hindert, keine Kinder zu bekommen. Bücker möchte für den Teil der Hausarbeit, der IHR wichtig ist (sie ist Mutter …) den Staat in Anspruch nehmen. Verstehe ich, hat nur nix mit „Gerechtigkeit“ zu tun.
Gruss,
Thorsten Haupts
Zu 5) Anna Schneiders Erfolgsrezept ist recht simpel …
Simpler als das hochgeachteter Journalisten, die jedes gesellschaftliche Problem dem Kapitalismus oder dem Neoliberalismus anlasten? Nein? Dann ist es nicht besonders simpel, nur hat der Autor halt was gegen Simplizismen von rechts.
… Schneider praktisch keine intellektuelle Substanz …
Das Kriterium erfüllen 90% aller sich öffentlich äussernden Menschen. Ist also kein relevantes.
Gruss,
Thorsten Haupts
… von Bangel (richtig) dargestellten Probleme der CDU …
Bangel ist bekennender Linker, aus meiner Prespektive fast ein Linksradikaler. Er möchte überhaupt keine CDU, wenn unvermeidbar, dann die weichstmöglich gespülte und ineffizientest denkbare. Und daran arbeitet er, mehr muss man dazu nicht wissen.
Gruss,
Thorsten Haupts
Zu … um in der Gegenwart keine Einschränkungen erleben zu müssen („Freiheit“) fordert sie massivste Einschränkungen in der Zukunft (die erwähnte Anpassung). Es ist eine intellektuelle Bankrotterklärung, denn wenn das Freiheit sein soll, dann weiß ich auch nicht.
Erinnert mich an die von Linken noch heute verbal hochgeschätzten Kriegsdienstverweigerer: Um in der Gegenwart keine Einschränkungen (Wehrpflicht) hinnehmen zu müssen, mahmen sie massivste Einschränkungen in der Zukunft hin (Unterwerfung unter totalitäre Staaten, Verteidigungsunfähigkeit ihrer Gesellschaft). Kann mich hingegen nicht erinnern, jemals eine derartige Kritik von links gelesen zu haben …
Gruss,
Thorsten Haupts
Vermutlich nicht, nein. Ich plane zu dem Thema allerdings gerade einen Artikel… 🙂
Dass es einen Ersatzdienst gab (der im Übrigen länger und sinnvoller war als der Miltärdienst), wissen Sie hoffentlich.
Yup, nur war er eben nicht sinnvoller – diese deutung ergibt sich erst aus Bequemlichkeitspazifismus.
9) Wenn man Chis Pyak folgt, sind für den Schwachsinn nicht in erster Linie Beamte verantwortlich, sondern die Personaler in der „Freien Wirtschaft“.
1) Years of austerity are now writ large on the UK state
Liberale sind immer unzufrieden, weil sie Individualisten sind und meist leistungsorientiert. Da es jedoch nie eine perfekte Leistung geben kann, bleibt eine Diskrepanz für Unzufriedenheit.
Allerdings: Thatcher wie Reagan haben erfolgreiche neoliberale Politik betrieben, später die Tschechen und Balten ebenfalls. Die Ergebnisse waren durchaus beeindruckend.
2) „Menschen treffen viele Entscheidungen nicht anhand des Geldes. Aber bei der Kinderbetreuung passiert es auf einmal“ (Interview mit Teresa Bücker)
Ich bin nicht sonderlich überzeugt, dass es eine Art „natürliche“ Vorliebe der Frauen für Teilzeit und Carearbeit gibt
Du bist aus ideologischen Gründen nicht überzeugt und es gibt nichts, was Dich überzeugen könnte, schon gar nicht die Geschichte der Menschheit. Also lassen wir es doch an der Stelle, denn wenn kein UN-Land überzeugt und nicht die Verhaltenswissenschaft und nicht das Verhalten von Milliarden von Menschen vor 5000 und vor 100 Jahren, dann haben wir keine Diskussionsgrundlage.
3) Warum die Frauen in Ostdeutschland mehr verdienen
Frauen in Ostdeutschland arbeiten mit 34 Wochenstunden 2 Stunden länger als die Frauen im Westen. Allerdings sind sie damit unzufrieden, im Schnitt wollen deutsche Frauen im Ideal 32 Stunden arbeiten, was ein ganzes Stück von einer 40 Stundenwoche entfernt ist – und eine wesentliche Erklärung für das Gender Pay Gap liefert.
1) Wer ist denn jemals mit der Politik zufrieden? Das ist wahrlich kein liberales Alleinstellungsmerkmal 😀
2) Right back at ya.
1) Der Unterschied: bürgerliche Wähler können das einordnen, linke gründen neue Parteien. Thatcher und Reagan wurden überragend wiedergewählt. Allerdings strafen liberale Wähler ihre Partei bei echtem Versagen auch katastrophal ab, ich sage nur Mövenpicksteuer und Erhöhung des Kindergeldes als allgemeine Steuersenkung und Abschaffung der Praxisgebühr als Bürokratieabbau.
Frag mal die SPD, wie ihr katastrophales Abstrafen ergeht. Let’s face it: die Liberalen sind keine besseren Menschen.
Die SPD konnte in den letzten 17 Jahren ihr Hartz-IV-Trauma aufarbeiten und so viel ihrer Vorstellungen umsetzen wie nie zuvor in ihrer Geschichte. Hartz-IV ist inzwischen Geschichte, die Sozialleistungen sind in der letzten Dekade deutlich schneller gestiegen als die Investitionen, Steuererleichterungen gab es nicht und die Schuldenbremse ist geschliffen.
Trotzdem fallen die Werte der SPD. Linke Wähler haben eine Ideologie-Kreuz-Beziehung zu ihrer Partei, liberale dagegen eine Leistung-Ergebnis-Beziehung. Das ist der Unterschied. Ob sie das zu besseren Menschen macht, weiß ich nicht.
Sei doch wenigstens so ehrlich und gib deinen Bias zu.
@ Stefan Sasse 6. Dezember 2022, 21:51
Sei doch wenigstens so ehrlich und gib deinen Bias zu.
Natürlich hat er den, genau wie ich oder Du auch. Aber der liegt bei uns nicht auf der FDP (oder bei Dir in Richtung
LINKE,SPD oder Grüne), sondern in den jeweiligen Werten und der jeweiligen dahinterliegenden Politik.Wenn andere Parteien stärker darauf setzen, dass Bürger in erster Linie eigenverantwortlich leben, eigenverantwortlich Erfolg haben, und ja, auch eigenverantwortlich scheitern, sind auch diese Parteien für mich wählbar.
Das soll übrigens keine Forderung nach Abschaffungen aller Sozialleistungen sein. Aber die Richtung „Jeder läuft, so gut er kann; wer stolpert, dem wird geholfen“ gefällt mir besser als „jeder wird getragen, so gut es geht; wem das nicht reicht, muss halt selbst laufen und wird anschließend dafür zur Kasse gebeten“.
Aber das ist die Richtung, in die wir marschieren, und die halte ich für unfassbar gefährlich.
Ich kann ja problemlos sagen, dass ich meine eigenen Ansichten für überlegen halte (das ist völlig normal, sonst wären es ja nicht meine Ansichten), aber dann doch bitte nicht in diesem Überlegenheitsgestus von „alles Ideologen außer ich“. Das ist mein Thema.
Rein vom Thema her verstehe ich das völlig. Ich meine, ich fordere ja auch nicht, jeden zu tragen, genausowenig wie du forderst, alle Sozialleistungen abzuschaffen.
Das ist aber nicht unser (Thorsten, Erwin, R.A., ich) Bild von Dir. Es gibt halt immer zwei Bilder von einem: wie wir uns selbst sehen und wie wir von anderen gesehen werden. Beide sind nicht die volle Wirklichkeit.
Wir nehmen Dich als jemanden wahr, der jedes (soziale | klimapolitische) Problem mit Geld lösen will. Deswegen findest Du die Schuldenbremse schlecht, weil sie Dich hindert, Geld aufzunehmen. Und dazu passt eben Dein Spruch „everything but the kitchen sink“.
Erwin hat unser Weltbild ganz gut beschrieben. Und es verwundert, dass Du Dich dem anschließen kannst. Denn so argumentierst Du nirgends. So sind Hartz-IV-Empfänger für Dich grundsätzlich nicht arbeitsfähig (siehe unsere Debatte), obwohl das der Rechtslage und der Inaugenscheinnahme widerspricht. Hier hast Du auch argumentiert, dass deswegen Transferbezieher auf ewig zu alimentieren seien. Notfalls kleingeschrieben.
Mein Weltbild steht Deinem diametral entgegen. Allerdings leite ich daraus nicht ab, ein besserer Mensch zu sein. Aber ein völlig anderer. Ich bin vom Freiheitsgedanken durchdrungen, was, anders als in Deiner Wahrnehmung, für Verantwortungsbewusstsein steht. Erstmal natürlich für die Eigenverantwortung (womit die meisten ohnehin genug zu tun haben). Den meisten Menschen – 80 – 90 Prozent der Bevölkerungen in der westlichen Welt, braucht niemand zu helfen. Sie kriegen ihr Leben schon selbst auf die Kette – wenn man sie ließe. Die kontinentaleuropäischen Wohlfahrtsstaaten helfen aber 60-80 Prozent der Bevölkerung. Und das macht sie extrem teuer. Was irgendjemand bezahlen muss, besonders die restlichen 20-30 Prozent. Neben dem unbändigen Freiheitsgedanken bin ich von meinem christlichen, ich kann auch sagen von meinem katholischen, Menschenbild geleitet. Auch das unterscheidet mich vollständig von Dir, für den Religion nicht im Mittelpunkt steht.
Aus all dem ergibt sich, dass wir völlig unterschiedlich denken. Aber dass ich daraus eine Bewertung, gar eine Rangfolge ableite, wer ist der bessere Mensch, ist völliger Blödsinn. Dazu hat übrigens Jesus genügend gesagt.
Hallo Stefan (P.)
ich stimme Dir von der Richtung her zu, sehe Stefan S. aber nicht ganz so krass wie Du. Er schläft zwar wie jeder von uns auf dem Reset-Knopf (soll heißen, dass alle Diskussionen im Allgemeinen bei uns allen immer an der gleichen Stelle beginnen), aber er ist bei weitem kein Hardcore-Ideologe.
Danke.
@Stefan P:
Mein Weltbild steht Deinem diametral entgegen.
Nein. Er steht – wie wir – auf dem Boden einer demokratisch legitimierten, an Menschenrechten orientierten Rechtsordnung. Das macht die fundamentalen Gemeinsamkeiten grösser, als die Unterschiede.
Das zu vergessen, zu verdrängen oder zu ignorieren ist die persönliche Schuld aller Extremisten, im Moment am ehesten die der nach rechts abdriftenden Ex-Konservativen, Querdenker, Coronamassnahmenkritiker oder Putinversteher.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich habe nichts anderes gesagt. Woraus leiten Sie ab, ich habe Stefan in den Bereich des Extremismus gerückt?
Habe ich nicht abgeleitet. Mich störte nur das „diametral entgegengesetzt“, weil es nicht stimmt.
Vor Wochen hat mich Stefan in den Extremismus-Bereich gerückt. Korrekt ausgedrückt hatte er Sorge, ich könne extremistisch werden mit meiner Vorstellung von Freiheit.
Das ist ja auch das, was ihn an Anna Schneider und Ulf Porschardt stört. In der Pandemie sah er Demonstranten gegen die Grundrechtseinschränkungen als Extremisten und Nicht-Geimpfte als gemeingefährlich. Er war für eine Impfpflicht. In seinem Weltbild waren nicht NoCovid-Enthusiasten Extremisten, sondern Grundrechtsbewahrer.
Während Journalist:innen, die Polizisten zum Müll zählen, von ihm Milde erfahren (Meinungsfreiheit), sind Journalisten, die einen anderen Freiheitsbegriff als er selbst haben, extremistisch unterwegs. Sein Blickfeld, was akzeptabel ist, ist dann doch deutlich verengter als meins.
Das macht ihn nicht zu einem Extremisten. In diese Richtung schiebe ich ihn auch nicht, nicht mal mit dem heimtückischen „Ich mache mir Sorgen“. Mein Freiheitsbegriff ist dann doch weit umfangreicher.
Ich sprach von „Radikalisierung“. Das ist kategorial unterschiedlich von Extremismus.
Meine Güte 🙂 . Natürlich unterscheiden sich Ihre (Pi´s) und seine (Sa´s) Weltbilder ebenso deutlich, wie seine und meine. Aber eben weder fundamental noch diametral entgegengesetzt. Und für einen Linken praktisch naturwüchsig mag er Radikalliberale (es gibt keinen guten deutschen Begriff für amerikanische „Libertarians“) überhaupt nicht, die rangieren bei Linken (sehr knapp) direkt nach Faschisten. „Extremisten“ hat er dagegen AFAIR nie behauptet – und Annas Schneider ist gerne und bewusst radikal liberal (dafür mag ich sie, das ist spezifisch bei deutschen Frauen sonst meist dem Linksradikalismus vorbehalten).
Gruss,
Thorsten Haupts
Was spricht denn gegen „Libertäre“?
Genau. Ich würde Schneider auch als radikal sehen, genauso wie die LEute der Letzten Generation. Extremistisch sind die alle nicht. Extremistisch sind die Reichsbürger.
Ganz allgemein muss man doch heute fragen, ob nicht Wissenschaftler wie Drosten und Brinkmann mit ihrer Anhängerschaft für NoCovid-Strategien Extremisten sind, nur allzu bereit, Grundrechte für ihre Ideologie zu opfern. Und ich habe nicht vergessen, wie ich zwei Jahre teils unter der Gürtellinie angegangen wurde, weil ich die Gesamtheit der Grundrechte höher hing als ein einziges. Covidiot war nur eines der Schimpfworte. Noch vor kurzem schimpfte mich jemand ob meiner Einstellung einen rücksichtslosen Egoisten.
Heute sieht die Welt anders aus. Aber heute sind diese Leute Extremisten, weil sie den Wesenskern unseres Gemeinwesens bereit waren für eine Diktatur zu opfern. Ich halte das für unverzeihlich.
Und ja, Stefan hat sich angemaßt ein Werturteil über mich zu fällen, wo er immer super empfindlich ist, man könne sich selbst für einen besseren Menschen halten.
Was für ein Quatsch.
Und ich habe geschrieben, dass ich mir Sorgen mache, dass du dich radikalisierst. Nicht, dass du radikal WÄRST, und schon gar nicht, dass du Extremist wärst. Diese Anschuldigungen wirfst du gerade im Dutzend billiger um dich.
Eben. Schon dieses „Ich mache mir Sorgen“, ist eine verdeckte Gemeinheit. Und warum? Weil ich den Freiheitsgedanken des Grundgesetzes noch in Anspruch nehme, während andere ihn längst deformiert zu einem Gemeinschaftsgedanken hatten. Das ist für Dich die Gefahr radikal zu werden, wozu es nur noch verbal eine kleine Schwelle zum Extremismus ist.
Und nein, Kriminelle mit Vorsatz und einem ideologischen Gerüst sind nicht radikal, sondern Extremisten. Was denn sonst?! Sie mit gesetzestreuen Bürgern, die Grundrechte verteidigen und in Anspruch nehmen in einen Topf zu werfen, ist eine weitere Unmöglichkeit.
Die Verfassungsministerin Faeser empfahl Gegnern der fragwürdigen Coronamaßnahmen, nicht sich zu versammeln und auf ihr Grundrecht der Versammlungsfreiheit zu verzichten. Bei der Letzten Generation war sie dann nachsichtiger.
Echt Stefan, willst Du Abiturienten erzählen, wer Start- und Landebahnen an Flughäfen blockiere, sei nur radikal, wer aber fordere nicht jeden Flüchtling nach Deutschland zu bringen ein Extremist?
Und ich habe geschrieben, dass ich mir Sorgen mache, dass du dich radikalisierst.
Yup, nur ist das bereits übergriffig. Stefan P. hat – völlig zu Recht – ein Freiheitsverständnis, das noch in den neunzigern des letzten Jahrhunderts so klar und eindeutig von einer Mehrheit von „Linken“ in Deutschland geteilt und vertreten wurde. Das ist auch heute nicht „radikal“.
Es ist übrigens auch nicht meines, was den Unterschied zwischen einem summa summarum Konservativen und Liberalen ausmacht. Aber es wird durch das Grundgesetz einwandfrei und ohne Graustufen gedeckt, was den Radikalisierungsverdacht zu einer bewussten rhetorischen Figur macht, um den Opponenten in eine Ecke zu schieben. Und da ist Stefan P. empfindlicher als ich – ihm fehlen die Jahre Studentenparlament als Erfahrungswert 🙂 .
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich glaube das ist ein semantisches Problem. Das Grundgesetz deckt radikale Meinungen völlig problemlos. Es ist Extremismus, der außerhalb liegt. Das ist ja gerade die Definition.
Genau so ist es. Auch das mit dem Studentenparlament. 🙂
Was ist radikal? In Deinem Sinne ist das ein Wieselwort. Aus meiner Perspektive bist Du radikal, Du frönst einer Sprache, welche die Mehrheitsgesellschaft klar ablehnt, Du bewegst Dich mit Deinem Integrationsverständnis nicht nur am Rande der deutschen, sondern auch europäischen Gesellschaft, Du relativierst das Tun von Kriminellen. Und dennoch rücke ich Dich nicht in so einen Kontext.
Um darauf zurückzukommen: in dem Sinne bin ich ein besserer Mensch. 🙂
Du tust das permanent.
Das ist unwahr, zumal Du nie nur ein einziges Beispiel anführen kannst. Deine Relativierung Krimineller kommt dagegen inzwischen regelmäßig vor.
Am besten schweigst du jetzt einfach.
5) Gestrandet mit Anna Schneider
Anna Schneider hat alles, was Links-Grüne eigentlich fordern. Eine Frau, Migrationshintergrund (Österreicherin), die sich schnell und früh in eine verantwortliche Position hochgearbeitet hat. Allerdings vertritt sie die falschen Ansichten, was wiederum alles zunichtemacht. Schon im letzten Vermischten war eine regelrechte Hetze gegen Schneider zu lesen. Sie wäre ideologisch verblendet. Anna Schneider ist gerade Anfang 30! Sie hat ein ordentliches Studium absolviert, was mehr ist, als die ganzen Linken von Kevin Kühnert bis Ricarda Lang, die bisher nichts zustande gebracht haben, außer dass sie von anderen Parteifunktionären gemocht werden. Man wird nicht Chefredakteurin bei einem national führenden Medium, wenn man doof ist! Aber wo Leistung nicht mehr zählt, kann man sich solche Ausfälle erlauben.
Die Positionen von Schneider sind in angelsächsischen Ländern Konsens. Aber das ist für die meisten Deutschen, die sich in Symbole verliebt haben, eine fremde Welt. Schneider intellektuelle Substanz abzusprechen ist genauso wie Stefan Sasse dies abzusprechen.
Die Ösi-Karen ist keine Chefredakteurin, sondern firmiert unter dem Quatschtitel „Chefreporterin Freiheit“.
Und über linke Studienabbrecher zu lästern sollte man sich besser verkneifen, denn drei der letzten sechs CSU-Generalsekretäre haben ihren Doktorgrad verloren – wie auch der aktuelle Generalsekretär der FDP.
Sagen Sie mal, rede ich so despektierlich von linken Politikern? Die dicke Ricarda z.B.? Lassen Sie das, das ist niveaulos.
Korrigieren Sie mich, aber vor der Promotion kommt normalerweise doch der Studienabschluss, oder? Grüne und SPD haben in verantwortlichen Positionen eine staatliche Zahl an Studienabbrechern, die direkt in der Politik gelandet sind. Die haben ihren Job. Bei den Konservativen muss man wegen aberkannter Doktortitel zurücktreten. Das ist ein Unterschied wie zwischen Highfligher und Flachpfeife, um in Ihrem Duktus zu bleiben.
„Karen“ ist eine Kritik am Charakter, „dick“ ist Body-Shaming.
„Die haben ihren Job.“
Nur solange sie erfolgreich in ihm sind.
„Bei den Konservativen muss man wegen aberkannter Doktortitel zurücktreten.“
Weder Andreas Scheuer noch Martin Huber sind zurückgetreten. Und für Bijan Djir-Sarai ging es sogar erst nach der Plagiatsaffäre steil nach oben.
„Das ist ein Unterschied wie zwischen Highfligher und Flachpfeife, um in Ihrem Duktus zu bleiben.“
Kommst du dir nicht kindisch vor?
„Karen“ ist eine Kritik am Charakter …
Ah, Selbstentschuldigung für Übergriffigkeit, sol-Variante.
…schreibt derjenige, der bei allen möglichen Gelegenheiten „Wokie“ als Invektive verwendet.
Wer im Glashaus sitzt, sollte halt nicht mit Invektiven werfen 😀
Ich habe bisher niemanden individuell beleidigt. Und werde versuchen, das auch in Zukunft zu vermeiden. „Wokies“ ist auf derselben Stufe wie „Auto-Liebhaber“ oder „Öko-Utopisten“ – eine Gruppenwertung, die manche als Beleidigung und andere als Lob verstehen.
Ich hab noch nie jemand getroffen, der als Lob versteht. „Autoliebhaber“ ist eine ganz andere Kategorie. „Liebhaber“ ist positiv besetzt, wie Eisenbahnliebhaber, Gartenliebhaber oder so was. Die „Öko-Utopisten“ gibt es eigentlich auch nur negativ. Du lügst dir in die Tasche.
Äh … Ich mach mir jetzt nicht die Mühe, Dich in Kreise einzuführen, für die „Auto-Liebhaber“ extrem negativ besetzt ist. Die kennst Du selbst.
Es gibt Kreise – sehr kleine und marginale, wie wir bereits etabliert haben – die Autos als schlecht sehen. Aber bei 99 von 100 Menschen (mindestens!) ist das schlicht nicht der Fall. Und bei der Gendersterndebatte hieß es immer, wir richten uns an der Mehrheit aus, nein? 😉
Am Körper kann man was machen, am Charakter nicht. Der Charakter ist die Summe von Erbgut und Werte (vermittlung).
Wenn der Blog sich so lange an Ricarda Lang und Annalena Baerbock abgearbeitet hat wie an Andy Scheuer, können wir auch über den Aspekt wieder diskutieren.
Ihre Sprache war unterirdisch. Manche erkennen das. Andere nicht und sehen keinen Grund, sich zu korrigieren.
„Am Körper kann man was machen, am Charakter nicht.“
/// Unter Charaktererziehung versteht man ein vor allem im englischsprachigen Raum verbreitetes Erziehungskonzept, bei dem die Entwicklung und Förderung von Größen wie Selbstregulation, Resilienz, Ausdauer, Selbstmotivation, Belohnungsaufschub, guten Arbeitsgewohnheiten, Empathie und sozialer Kompetenz im Vordergrund steht. „Charakter“ wird im englischsprachigen Raum heute nicht als Bündel von Persönlichkeitseigenschaften wie den „Big Five“ verstanden, sondern als Bündel bestimmter psychologischer Kompetenzen, die Amitai Etzioni metaphorisch beschrieben hat als die „psychologischen Muskeln, die es einem Menschen erlauben, Impulse zu kontrollieren und Belohnung aufzuschieben, was für Erfolg, Leistung und moralisches Handeln grundlegend ist.“[1] ///
https://de.wikipedia.org/wiki/Charaktererziehung
„Wenn der Blog sich so lange an Ricarda Lang und Annalena Baerbock abgearbeitet hat wie an Andy Scheuer, können wir auch über den Aspekt wieder diskutieren.“
Das würde voraussetzen, daß Ricarda Lang und Annalena Baerbock ihren Job auch nur annähernd so schlecht erledigen wie Scheuer.
Davon abgesehen war Scheuer soooo oft hier nun auch nicht das Thema.
Ich glaube, das lag einfach daran, dass immer alle gleich einer ähnlichen Meinung über ihn waren.
Beim Thema „Studienabbrecher in der Politik“ fällt mir unwillkürlich Paul Ziemiak ein. Der hat allerdings immerhin zwei abgebrochene Studiengänge vorzuweisen: Jura und Unternehmenskommunikation. Jura musste er abbrechen, weil er die 1. Staatsprüfung in zwei Anläufen nicht bestanden hat. Und nach seinen großen Erfolgen als Generalsekretär der Bundes-CDU hat er kürzlich schon seinen zweiten Generalsekretärsposten bekommen, diesmal bei der NRW-CDU. Gehört er damit zu den Highflyern oder zu den Flachpfeifen?
Ich rede von System und Sie kommen mit einem Namen. Ein Name ist für mich kein System. Ziemiak glänzte nun nicht gerade mit großen Erfolgen, nicht wahr? Bestätigt das nicht meine grundsätzliche Einstellung?
Die Ösi-Karen …
Das ist wohl dieser Respekt, der überall eingefordert wird.
7) Kommt mal runter
Die Linke in Deutschland fremdelt noch eindeutig mit dem Verlust, den Merkels politisches Ende bei ihnen ausgelöst hat. Konservative, die andere Ansichten haben als die links-grünen Blasen? Wo gibt’s denn so was?! Merz eine Annäherung zur AfD zu unterstellen, ist so lachhaft und zeigt, wie sehr sich eingegraben wurde. AfD ist heute, eine Frauenquote auf den Schild zu heben oder deutlich höhere Hartz-IV-Sätze durchzuwinken. Is‘ klar.
8) Bloß keine Ausweglosigkeit
Solchen Artikeln fehlt jede intellektuelle Redlichkeit. Die Kritiker der Kritiker der Klimaschutzpolitik nehmen bei ihrer Kritik ihre eigenen Kriterien nicht ernst. Im Zentrum stehen dabei die CO2-Budgets. Diese laufen in so kurzer Zeit über, dass selbst größte Optimisten nicht glauben, dass sie noch relevant sein werden. Diese Budgets leiten sich bisher aber für grüne Planwirtschaftler zwingend aus den Klimazielen ab. Wenn die Budgets gesprengt werden, ist aber das Ziel nicht erreichbar. Eine einfache Logik.
Dazu kommt: je größer die Einsparungen der westlichen Industrieländer – und die waren in den vergangenen 20 Jahren beachtlich – und je größer das Emissionswachstum in den Schwellenländern und China, desto unwichtiger wird, was sich Westeuropa und die USA für Ziele setzen. Die Zukunft des Weltklimas wird nicht in Brüssel, Berlin oder Paris entschieden, teilweise nicht einmal in Washington. Und die Klimaschutzkonferenz 2022 hat allen eigentlich vor Augen geführt, worum es den Playern in den Schwellenländern geht: Geld.
Stefan behauptet ja, alles auf den Tisch sei die sinnvollste Klimaschutzpolitik. Das ist sie eben nicht, wie der Grundkonflikt zwischen der Biden-Administration und den Europäern zeigt. Eigentlich eine hochspannende Angelegenheit. Aber vielleicht doch zu kompliziert, um sie aufzugreifen.
9) Tweet
Die Grünen und die SPD sind vertragsbrüchig. Das ist die Botschaft. Kein klassisches Einwanderungsland leistet sich, ein sehr generöses Sozialsystem und ein liberales Zuwanderungsrecht zu haben. Keines. Sie wissen warum. Wer zuwandert, muss arbeiten und nicht alimentiert werden, sonst ist er kein Gewinn für die aufnehmende Gesellschaft.
Auf diese Art haben es die USA zu einer der innovativsten und produktivsten Volkswirtschaften gebracht. Der reichste Mann der Welt, Elon Musk, ist Südafrikaner, Steve Jobs hatte syrische Wurzeln. Deutschland hat solche Erfolgsgeschichten von Migranten praktisch nicht vorzuweisen. Die Sache ist nämlich, wer etwas erreichen will, schaut sich auch mal die Abgaben eines Landes an, die etwas darüber aussagen, was man von seinem zu erwirtschaftenden Vermögen behalten darf. Aber darüber spricht man in Deutschland nicht so gerne. Ach so, selbstredend haben klassische Einwanderungsländer ein Abgabenniveau, das hiesige Einkommensbezieher erblassen lässt.
Die Bundesregierung hat sich eine Abschiebeoffensive vorgenommen. Nichts davon ist bisher beschlossen worden. Sie wollte dafür einen Beauftragten benennen. Die Grünen blockieren seit Monaten dessen Nominierung. Der Koalitionsvertrag gilt anscheinend nur für die FDP.
Arbeit ist das wirksamste Instrument zur Integration. Sozialleistungsbezug bedeutet Abgrenzung und Ausschluss. Es ist nur konsequent, auf Arbeit als Integrationsindikator hinzuweisen.
10) Das langsame Sterben der Schuldenbremse
Warum funktioniert die Schuldenbremse seit vielen Jahren in der Schweiz? Und warum hat sie ein Jahrzehnt in Deutschland selbst auf Landesebene funktioniert? Lindner umgeht mit dem Sondervermögen für die Bundeswehr die klassische Haushaltspolitik. Das geht weder mit noch ohne Schuldenbremse und ist eine deutsche Spezialität. Und SPD und Grüne treiben die Ampel in den Bruch, wenn sie dauerhaft die Schuldenbremse missachten wollen. Eine neue, schwarz-grüne Koalition hätte das Bekenntnis zur Schuldenbremse wieder im Koalitionsvertrag. Garantiert.
Als mancher in der Pandemie sagte, die Grundrechtseinschränkungen ließen sich nicht aufrecht erhalten, warst Du übrigens dabei, der Staat müsse es nur durchsetzen. Gilt das bei der Schuldenbremse nicht?
a) Sehr guter Punkt
Nur weil Jonas Schaible etwas schreibt, muss das noch lange nicht richtig sein. Deutschland hat die höchsten Abgaben auf fossile Brennstoffe. Da bedarf es einiger Phantasie, da noch Subventionen zu sehen. Airlines unterliegen einem starken Wettbewerb. Folge von Wettbewerb sind niedrige Preise. Die Bahn unterliegt nur einem geringen, staatlich kontrollierten Wettbewerb. Die Preise sind hoch. Dass das nicht so sein muss, sieht man beim Blick über Landesgrenzen.
Genauso wenig privilegiert das Verkehrsrecht das Auto. Im Gegenteil, wenn man sich mal die Veränderungen in den Großstädten ansieht. Nur verbessert sich das öffentliche Verkehrsangebot nicht in dem Maße, in dem die Politik versucht den Individualverkehr zurückzudrängen. Die Menschen haben schon Gründe, weiterhin das Auto zu nehmen. Und wenn gar nichts mehr hilft, nehmen sie lieber das Flugzeug als die völlig dysfunktionale Bahn.
Zur Frage zurück: Wettbewerb ist das Regelungsinstrument, diese Dinge zu ändern. Nicht staatlicher Dirigismus, der nach Opportunität und Opportunismus, nach Machtstrukturen entscheidet und nicht nach Notwendigkeit.
@ Stefan Pietsch
„Genauso wenig privilegiert das Verkehrsrecht das Auto“
1. Autos dürfen in Städten bis zu 50 km/h fahren.
2. Autos und Fahrräder teilen sich meist denselben Verkehrsraum.
3. Es gibt keine Halterhaftung.
Schon diese 3 ausgewählten Punkte bewirken eine massive strukturelle Bevorzugung des Autos. Von Krach, Parkwahnsinn, Gummiabrieb usw. will ich gar nicht reden.
Das Auto muss weitgehend weg aus den Städten. Es ist eine verrückte Fehlentwicklung des letzten Jahrhunderts.
Es ist eine verrückte Fehlentwicklung des letzten Jahrhunderts.
Unter Bequemlichkeits- wie Nützlichkeitserwägungen ist das eine sehr steile These.
Klar, bequem ist das Auto. Es gibt glaube ich niemanden, der das bestreitet. Zusammen mit einem freidrehenden Staat, der fast die gesamte Landschaft mit Straßen zerschneidet und fast jeden Punkt des Landes für den Straßenverkehr zugänglich macht, ist das für viele natürlich ein starkes Argument pro Auto.
Genau das ist ja das Problem.
Klar, bequem ist das Auto. Es gibt glaube ich niemanden, der das bestreitet. Zusammen mit einem freidrehenden Staat …
Der „freidrehende Staat“ tat das, was in den sechzigern, siebzigern und achtzigern mehr als 90% der Bevölkerung von ihm erwartete. Also genau das, was man in einer Demokratie nicht erwarten kann, sondern erwarten muss.
Der Bequemlichkeits- und Nützlichkeitsvorteil von Autos gegenüber jeder Alternative ist so enorm, dass ich meine eigene Entscheidung, nicht Auto zu fahren, genau deswegen häufig genug in Frage gestellt habe. Ich fahre seit 40 Jahren konsequent ÖPNV in mehreren westeuropäischen Ländern. Weiss deshalb aus Erfahrung, dass selbst die besten Angebote hinter Autos weit zurückfallen, und das bereits ohne Berücksichtigung der eingeschränkten Fahrzeiten durch die Bus- oder Bahntaktung.
Auf das Auto zu verzichten ist finanziell lukrativ, aber in nahezu allen anderen Aspekten ein enormer Rückschritt. Was glauben Sie eigentlich, warum sich das Auto in allen entwickelten Staaten – ausnahmslos und massiv – durchgesetzt hat?
Gruss,
Thorsten Haupts
„Der Bequemlichkeits- und Nützlichkeitsvorteil von Autos gegenüber jeder Alternative ist so enorm,“
Der Vorteil besteht allerdings nur auf Seiten der Autofahrer. Wer an einer lauten Straßen wohnt (vielleicht wohnen muss, weil es keine finanziell tragbare Alternative gibt), sieht es vielleicht anders. Ebenso Kinder, die vielleicht gern auf der Straße spielen oder sicher zur Schule fahren würden. Oder Radfahrer, die sich wegen eines Dooring-Unfalls schwer verletzen.
Auf dem Land haben Straßen hingegen die Wirkung einer Bioptopzerschneidung, was ein starker Treiber des Artensterbens ist. Von der niedrigen Flächeneffizienz des Landlebens ganz zu schweigen.
All dies wurde von uns jahrzehntelang nicht beachtet – Auto first. Aber das ändert sich ja nun langsam. Leider wohl (viel) zu langsam.
1. Autos dürfen nicht schneller fahren. Fahrradfahrer dürfen gegen die Fahrtrichtung strampeln und in Bereichen, wo PKWs gar nicht zugelassen sind. Sie sind beim Parken bevorrechtigt.
2. Einfach mal die Verkehrs-Modernisierungen in Berlin, Frankfurt, Hamburg ansehen. Fahrradfahrer teilen sich auch oft den gleichen Verkehrsraum mit Fußgängern (und schädigen sie).
3. Man darf ohne Führerschein Fahrradfahren. Hat man jedoch einen Führerschein, wird dieser bei relevanten Verkehrsverstößen eingezogen. Man wird also als potentieller Autofahrer schlechter behandelt.
Elektroautos machen nicht den geringsten Lärm. Heutige Benzinmotoren auch nicht. Dagegen sind Bahnen extrem laut. Ihrer Diktion folgend wären sie als erstes bei Verboten zu bedenken. Selbiges gilt bei dem Problemfeld Abrieb. Bahnen beanspruchen auch viel Platz und sind wegen Untertunnelungen in der Verkehrsreinrichtung besonders teuer.
Also, Ihre Pauschalität resultiert aus einer extrem einseitigen Betrachtung. So etwas ist leicht, weil jeder Verkehrsträger – wie überhaupt alles im Leben – neben Vorteilen auch Nachteile aufweist. Der simple Trick ist, die Nachteile auszublenden und daraus argumentativ eine Privilegierung des nicht Erwünschten zu zimmern.
„Also, Ihre Pauschalität resultiert aus einer extrem einseitigen Betrachtung.“
Nein, aus einem Vergleich mit Ländern wie Holland oder Dänemark. Unser Verkehrssystem produziert Tausende Tote und Hunderttausende Verletzte jedes Jahr. So etwas würden wir in KEINEM ANDEREN Bereich auch nur annähernd dulden. Wir haben uns einfach alle an den Auto-Irrsinn und herumstehendes Blech gewöhnt.
Ihre Darstellung zur angeblichen Privilegierung war wie gezeigt völlig einseitig. Sie kommen mit extrem reichen Miniländern.
Tatsächlich sind Sie an den meisten Flecken dieser Erde ohne Auto aufgeschmissen. Sie führen also eine reine Wohlstandsdiskussion.
Verkehrswende ist nicht teuer. Sie läuft auch nicht gegen Kostenargumente an, sondern immer gegen Bequemlichkeit und Gewohnheit.
Holland ist uns wie gesagt Jahrzehnte voraus, und selbst dort glänzt noch bei weitem nicht alles.
Ich bin regelmässig in den Niederlanden. Die Autodichte dort ist in etwa ebenso hoch wie in Deutschland. Das „Jahrzehnte voraus“ bezieht sich also im Kern auf Kosmetik.
Klar ist auch drüben noch viel zu tun, aber die gesellschaftliche Debatte ist viel weiter. Der Grundsatz ist geklärt: Fahrrad hat Vorfahrt. Davon sind wir weit entfernt. Wenn in Holland eine Kreuzung umgebaut wird, wird sie fahrradfreundlich umgebaut. So etwas wie Utrecht gibt es z.B. nirgendwo in Deutschland. Deutschland könnte einfach die erprobten Erfolgsrezepte (z.B. für sicheres Abbiegen) von dort übernehmen. Statt dessen wird hier ernsthaft über eine Helmpflicht diskutiert. Verrückt.
Übrigens hat Holland paradoxerweise mit die zufriedensten Autofahrer der Welt. Grund ist das oberste Prinzip der fehlertoleranten, sicherheitsorientierten Verkehrsinfrastruktur. Das bedeutet weniger Stress – für alle.
Ich ziehe das gar nicht in Zweifel, aber wenn man das Auto als Wunschverkehrsmittel No. 1 (auch in den Niederlanden) ernsthaft zurückdrängen will, bleibt halt auch das Kosmetik. Angenehm für Fussgänger und Radfahrer, zweifellos, aber am Vorrang des Autos ändert das nichts.
Gruss,
Thorsten Haupts
Da finde ich jetzt nicht so das Argument drin. Das ist eher ein Statement. Ich habe nicht prinzipiell etwas gegen City-Mauts, um den Verkehr zu begrenzen, wie z.B. in Stockholm oder Oslo. Der Haken: da sind die deutschen Gerechtigkeitsfanatiker vor.
Holland und Dänemark sehe ich auch als Vorbilder. Allerdings sind die nicht nur klein, sondern auch extrem flach. Und in den Städten gibt es auch mMn viel zu viele Fahr-bzw. Stehzeuge.
Aber Nicht-Auto-Fahrer/Besitzer möchte ich dir sagen: Die kompromisslose Anti-Auto-Haltung (Feindbild) ist kontraproduktiv. Selbst in der Stadt ist es abends/nachts und an Sonn- und Feiertagen kein Vergügen, auf die Öffis angewiesen zu sein. Ganz zu schweigen von Ausflügen oder Besuchen außerhalb ohne ÖPNV-Verbindung.
Busse und Bahn zu allen Zeiten und überall hinfahren zu lassen ist extrem unwirtschaftlich und letzlich nicht bezahlbar. Taxis einzubinden wäre vielleicht eine Möglichkeit, wirtschaftlicher. Aber Taxis sind auch Autos.
Ja, da bin ich völlig bei Dir. Rein ökologisch betrachtet bräuchten wir eine massive Urbanisierung. Wir haben noch 20, vielleicht 30 Jahre, um das Artensterben in den Griff zu bekommen. Aber eine gesellschaftliche Mehrheit gibt es dafür natürlich noch bei weitem nicht, auch das ist völlig klar.
Ja, sehenden Auges in die Katastrophe. Oder, bei manchen Leuten hier, unsehenden Auges.
Immerhin ist die Diskussion hier ehrlich. Es geht um Bequemlichkeit vs. Ökologie. Das ist schon ein Schritt weiter, als ich die Debatte normalerweise kenne.
True, aber ich habe das Gefühl, dass Stefan das so nicht wahrnimmt. Korrigier mich wenn ich falsch liege.
Unzweifelhaft. Gleichzeitig macht es aber keinen Sinn, die Herausforderungen einfach mit Normalitarismus wegzuignorieren.
ganz nüchtern – für eine radikale Wende der Verkehrspolitik bräuchte man gesellschaftliche Mehrheiten. Und selbst wenn ich Tims Gruppen von weiter oben nehme und unterstelle, dass diese Wende für sie einen Nettogewinn darstellt – für eine deutlich grössere Gruppe von Menschen ist das erst einmal massiver Wohlstandsverlust. Ergo sehe ich die Mehrheit nicht wirklich. Nein, nicht einmal bei den Grünen.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich auch nicht! Aber Mehrheiten kriegst nur, wenn du anfängst drüber zu sprechen und Leute zu überzeugen. Die materialisieren sich nicht von selbst.
Wenn Du in entwickelten Staaten viele Leute vom Verzicht überzeugen willst, brauchst Du gar nicht erst anzufangen.
Die Städte in Deutschland sind in den letzten 10 Jahren schon ein bisschen fahrrad/fußgängerfreundlicher geworden. Allerdings sind da Dänemark und die Niederlande ein deutliches Stück weiter.
In Hannover startet man jetzt mit großen Zone 30 Zonen auch auf Hauptstraßen. Schaun wir mal.
Genau das.
Und auch viel zu wenig diskutiert in dem Zusammenhang. Wir haben im 20. Jahrhundert strukturelle Fehlentscheidungen getroffen – bei Verkehrsinfrastruktur und Energieerzeugung – die uns noch auf Jahrzehnte beschäftigen werden.
Leider sind wir nicht die einzigen, die sich verschätzt haben. Ich war in diesem Jahr längere Zeit in Asturien/Spanien. Das asturische Hinterland sieht so aus, wie sich ein typischer Grüner wohl die Zukunft erträumt (oder die Vergangenheit vorstellt, da bin ich mir nie ganz sicher): sehr dünn besiedelt, viele kleine Bauernhöfe, kleine bis sehr kleine Parzellen, Siedlungen, die gerade noch so den Namen „Dorf“ verdienen, kaum großflächiger Nutzpflanzenanbau, naturnahe Viehwirtschaft knapp über Subsistenzniveau usw. Paradiesisch.
Was aber auffällt: Es gibt kaum Insekten und kaum Vögel. Wegen der dünnen, aber extrem zersiedelten Struktur gibt es ein unglaublich enges Straßennetz. Darauf gibt es natürlich wenig Verkehr, aber schon dieser Stresslevel scheint das Ökosystem schwer zu belasten. Sehr ausgeprägt ist das übrigens auch in England, dessen ländliche Gegenden mit vielen Mini-Villages und vielen kleinen Straßen ja ebenfalls mitunter paradiesisch wirken. Gleichzeitig hat England aber seit 1800 schon erschreckende 95 % seiner Artenvielfalt eingebüßt, wie ich neulich gelesen.
Mir fällt schwer zu begreifen, wie man das alles nicht bedrohlich finden kann.
Ich weiß nicht, welche Grünen du kennst, aber ich bezweifle, dass man sich das da so vorstellt.
Nein.
Wir Grünen-Wähler arbeiten auf eine Zukunft wie in den Niederlanden hin. Such mal auf youtube nach ’netherlands bike friendly‘. Die Niederlanden sind statistisch dichter besiedelt als das Ruhrgebiet. Ist in unserem Sinne, weil wir ja auch in Zukunft kontrolliert Flüchtlinge in großer Zahl ins Land lassen wollen.
„Deutschland hat solche Erfolgsgeschichten von Migranten praktisch nicht vorzuweisen.“
Ich sage nur Biontech.
Eben. Sie sagen „nur“ BioNTech. Ein absolutes Zufallsprodukt. Ohne Pandemie hätte es das Unternehmen nicht so weit gebracht. Schauen Sie sich mal den Aktienkurs an.
Vor allem aber: Die Politik, namentlich die Grünen in Rheinland-Pfalz, haben alles der Politik Mögliche getan, um die Gründer zu vertreiben. Unternehmer, die hier ein bisschen mehr als 1 Million verdienen wollen, sind hier nicht willkommen.
6) „…aber auf der anderen Seite sollten wir das glaube ich einfach schlucken (egal wie bitter es schmeckt) und alle Abweichler*innen aus der AfD, so irgendmöglich, willkommen heißen und wieder integrieren…“
Das ist bei Jugendlichen oder anderweits politisch Unerfahrenen angebracht, die sich in die Partei verirrt haben (ich verweise auf die Aussteigerbücher „Inside AfD“ und „Im Bann der AfD“) – aber warum zum Teufel sollte man das bei Funktionären und Mandatsträgern tun?
Besser, sie treten in Splitterparteien ein (Meuthen) oder gründen selbst welche (Petry).
3) In meinen Augen ein gutes Beispiel, wie verführerisch eine gute Geschichte ist. Beblos ‚Erzählung‘, dass die Frauen entlassen und die Väter behalten wurden und das die jetzige Situation erklärt, krankt an drei klaren Widersprüchen zur Faktenlage:
i) auch in der DDR gab es (wenn auch deutlich schwächer ausgeprägt) Frauen- und Männerberufe. Bei Entlassungen war die Wahl also weniger „Väter oder Mütter“ sondern vielmehr „Werkstatt oder Verwaltung“
ii) Dieser Umbruch ist 30 Jahre her. Die von der beschriebenen Situation betroffenen sind heute in der Alterskohorte um die 60. Für Jüngere hat diese Erzählung keine Erklärungskraft.
iii) Der demographische Elefant im Raum wird komplett ignoriert: Der starke Frauenmangel durch Abwanderung. Seit 1990 sind dauerhaft überdurchschnittlich viele (vor allem junge und gut ausgebildete) Frauen aus den Neuen Länder abgewandert, so dass es flächendeckend ein Frauendefizit von fast 5% gibt und in der Spitze bis zu 25%.
5) Man kann Schneider manches vorwerfen: Ihr gefestigtes Weltbild ist um eine extreme Ideologie herum aufgebaut und darin latent menschenfeindlich. Aber professioneller Troll ist eine Fehldeutung, weil Sie es nicht auf Konfrontation anlegt; Sie veröffentlich nur auf Welt-Plus, also hinter Paywall in einem politisch ‚benachbarten‘ Medium – betreibt also „preaching to the choir“. Wenn du unbedingt (aber warum eigentlich?) eine unsympathische Bezeichnung für sie suchst, trifft also „Einpeitscher“ besser zu.
6) „Da hat im Übrigen auch die CDU eine wichtige gesellschaftliche Funktion, weil deren rechter Flügel der einzige realistische demokratische Hafen ist, den diese Leute anlaufen können.“ Widerspricht dem Verhalten bisheriger Ex-AfDler : Lucke hat mit der LKR eine neue Partei gegründet, Petry und Pretzell mit der ‚blauen Partei‘ ebenfalls und nach dem Kemmerich-Skandal haben sich in Thüringen ausgetretene AfD und FDP Abgeordnete eine Liste gebildet. Es gibt auch demokratische Häfen abseits des „Parteiestablishments“.
k) Man kann es auch anders deuten: Dass (ähnlich wie beim Schwarzfahren) eine niedrige Deliktschwelle zur (unnötigen?) Überlastung der Gerichte führt. Ein paar Fakten sprechen dafür:
– Es betrifft natürlich Radfahrer genauso wenn auch – siehe Erwin Gabriel oben – nicht so leicht verfolgt werden kann.
– Es ist ein Delikt gegen die öffentliche Ordnung, wird also von der Polizei und nicht vom Geschädigten zur Anzeige gebracht.
– Die Verurteilungsquote ist relativ niedrig (40%)
– Die Auslegung ist streng, da die Norm auf persönliche Anwesenheit und nicht auf eine Intention, sich der Haftung zu entziehen, abzielt. Konkret bedeutet das, dass zum Beispiel ein Zettel mit den Kontaktdaten nicht ausreicht (ein häufiger Fehler).
3) Sehr gute Punkte.
5) Hm. Auf der einen Seite: ja, Einpeitscher ist sie definitiv. Aber auf Twitter etwa ist sie frei zugänglich, und da ist sie rein auf Trolling unterwegs.
6) Good point.
k) Gute Gedanken.
… rein auf Trolling unterwegs …
Äussert widerholt und permanent Meinungen, die mir nicht passen, muss ein Troll sein. Was für ein einfach gestricktes Weltbild.
@ Tim
Sind wirklich die kleinen Straßen verantwortlich für das Artensterben und nicht eher die Landwirtschaft?
Massive Urbanisierung würde die Probleme nicht lösen – und andere schaffen.
Die Frage ist, ob wir uns unter ökologischen Gesichtspunkten immer mehr Mobilität leisten können. Eher nicht. Also: Keine neuen Straßen und keine neuen (Güter-)Trassen?
@CitizenK 6. Dezember 2022, 13:19
Sind wirklich die kleinen Straßen verantwortlich für das Artensterben und nicht eher die Landwirtschaft?
Wieder mal suchst Du nach dem einen roten Knopf.
Artensterben gab es immer. Neu ist die extreme Beschleunigung. Ursache dafür ist der Mensch, der die Umwelt schneller verändert, als sich die einzelnen Arten anpassen können. Die Diskussion, ob Straßenbau oder Landwirtschaft die Schuldigen sind, ist müßig. Ist beides, plus Versiegelung von Flächen, industrielle Belastungen von Luft und Wasser etc.
Ist dahingehend eine müßige Diskussion, da Mensch mit seinem Wachstum nach dem Erkenntnisgewinn stets lange braucht, um Erkenntnis zu verallgemeinern und Maßnahmen zu beschließen. Es braucht noch länger, sie umzusetzen; wenn es soweit ist, hat die Erkenntnis schon wieder überholt.
Ursache dafür ist der Mensch, der die Umwelt schneller verändert, als sich die einzelnen Arten anpassen können.
Wüsste auch wirklich nicht, was man ernsthaft dagegen unternehmen könnte. Damit werden wir uns schlicht abfinden müssen – Preis der menschlichen Bevölkerungsexplosion durch wissenschaftlich/technischen Fortschritt.
Gruss,
Thorsten Haupts
Die Geburten explodieren außerhalb des westlichen und zentralem subsahrischen Afrika nicht mehr. Unten ein paar Daten, die manche überraschen könnten. Natürlich schleppen wir in vielen Entwicklungsländer für die nächsten 40 Jahre noch einen hohen Berg vor uns her. Aber ein Ende des weltweiten Bevölkerungswachstum ist abzusehen. Wir wissen ja, dass die Geburten in den traditionellen Industrieländern seit vielen Jahrzehnten extrem niedrig sind. In diesen Ländern findet auch der bei weitem größte Ressourcenverbrauch pro Person statt.
Geburten pro Frau in einigen Entwicklungs/Schwellenländern. Mit 2,1 Geburten bleibt eine Bevölkerung konstant.
Südafrika: 2,36
Botswana: 2,8
Iran: 2,14
Indien: 2,14
China: 1,7
Bangladesh: 1,99
Sri Lanka: 2,14
Marrokko: 2,35
Türkei: 2,04
Pakistan: 3,39
Jordanien: 2,64
Peru: 2,21
Argentinien: 2,23
Uruguay: 1,95
Chile: 1,61
Kolumbien: 1,77
Brasilien: 1,71
Kuba: 1,59
Mexiko: 2,08
Guatemala: 2,78
Indonesien: 2,27
Ägypten: 3,24
Nigeria: 5,25
Kenia: 3,24
Uganda: 4,70
Niger: 6,70
Weiss ich, Lemmy. Ändert aber nichts daran, dass bis zum Ende des Bevölkerungswachstums mindestens 10 Milliarden Menschen die Erde bevölkern werden. Mit aus meiner Sicht absolut unvermeidbaren Folgen für die irdische Pflanzen- und Tierwelt.
Gruss,
Thorsten Haupts
Wenn wir uns bemühen rohstoffschonender zu produzieren, dreht sich das irgendwann. Was würde es für die Migrationsströme bedeuten, wenn große Teile Afrikas unbewohnbar werden? Wie werden wir darauf reagieren? Wir müssen zumindest versuchen, darauf zu reagieren.
Wir bewegen uns bereits seit Jahrzehnten in diese Richtung. 50% des in Deutschland neu verarbeiteten Kupfers stammt aus Deutschland, ohne dass wir eine einzige Abbaustätte haben. Das stammt aus Recycling.
Regenerative Energien folgen einer ähnlichen Logik: Wir nehmen einfach die Energie, die durch Wind, Sonne und Wasser sowieso da ist und geben nicht Energie in den Kreislauf, die vor Millionen von Jahren in Form von fossilen Rohstoffen gespeichert worden ist.