Annika Brockschmidt – Amerikas Gotteskrieger. Wie die Religiöse Rechte die Demokratie gefährdet
Eigentlich hatte ich nicht vorgehabt, dieses Buch zu lesen, weil ich das Gefühl hatte, über die Thematik weitgehend informiert zu sein. Über die völlig überdrehte Debatte zu Brockschmidts Herangehensweise hatte ich ja einen Beitrag geschrieben. Aber ich hatte die Gelegenheit, und die macht bekanntlich Lesende. Also habe ich mir das Werk vorgenommen. Die zentrale These des Buchs findet sich bereits im Titel: Radikale rechte Christen gefährden die amerikanische Demokratie. Dass es in diesen Kreisen demokratieverachtende Extremisten gibt, ist sicherlich unbestritten; fraglich und umstritten ist vielmehr, wie relevant diese Gruppierung ist und wie viel tatsächlichen Einfluss sie ausübt. Je nachdem, wo man sich in dieser Debatte sieht, stellt Brockschmidts Buch einen dringend notwendigen Weckruf oder hysterische Überreaktion dar. Ich will in dieser Rezension versuchen, dieser Frage ein wenig auf den Grund zu gehen und den Versuch einer Einordnung zu unternehmen.
Das Buch ist in zahlreiche Unterkapitel aufgeteilt, die sich jeweils mit einem Aspekt der religiösen Rechten beschäftigen. Brockschmidt schafft dabei jeweils kurz den historischen Kontext für ihre Darstellung und zeigt dann anhand vieler und wohlbelegter Beispiele auf, welche Sichtweisen jeweils in den Kreisen der religiös-Rechten gepflegt werden. Ich will diese Struktur abschließend etwas Näher besprechen; an dieser Stelle erwähne ich sie, weil ich sie für diese Zusammenfassung nicht 1:1 wiedergebe, sondern Themenblöcke zusammenfasse oder überspringe. Die folgende Darstellung hat also keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit.
Brockschmidt beginnt mit der Geschichte der christlichen Rechten: von einer fringe-Bewegung entwickelt sie sich ab den 1950er Jahren zu einer Vorform dessen, was später die Evangelikalen (im Sinne der politische Gruppe) werden sollten. Entscheidend für diesen Prozess des Wachstums in Mitgliedern einerseits und politischem Einfluss andererseits sei das Bündnis der Denominationen, das erstmals auch Katholiken offen war. Die christliche Rechte war bis dahin intern zerstritten, quasi ein christliches Gegenstück zu den K-Gruppen. Zahlreiche kleine Gruppen stritten sich mehr miteinander um die richtige Auslegung der heiligen Texte als mit der Außenwelt. Das dürfte Linken ziemlich bekannt vorkommen.
Den Prozess, den Brockschmidt hier beschreibt, könnte man polemisch als „Extremisten aller Welt, vereinigt euch!“ zusammenfassen. Ab den 1960ern Jahren findet die christliche Rechte, die vorher in keiner der beiden Parteien besonders stark vertreten war, auch eine immer größere politische Verankerung in der GOP. Dieser Prozess dauert aber recht lang, wir sprechen hier von Jahrzehnten. Abgeschlossen war er richtig erst mit Reagan; noch Jimmy Carter vereinigte eine Mehrheit der Evangelikalen hinter sich, die noch wesentlich pluralistischer aufgestellt waren.
Als beherrschendes Thema dieses Einigungsprozesses der christlichen Rechten in den 1970er Jahren, die zu der Sammlung hinter Ronald Reagan (der bis dato nicht eben als frommer Mensch aufgefallen war) führte, war die Segregation. Entgegen landäufiger Narrative kam das Thema der Abtreibung erst ab 1978 auf das Tableau. Vorher war es vor allem ein Thema radikaler Katholiken gewesen; die Protestanten hatten weniger Probleme damit. Es war eine bewusste Entscheidung der politischen Strategen innerhalb der christlichen Rechten, die Abtreibung zum zentralen Thema zu machen. Auch das ging übrigens nicht von heute auf morgen; von den Anfängen 1978 dauerte es bis zu Beginn der 1990er Jahre, ehe das Thema für die christliche Rechte das beherrschende Thema wurde. Vorher war es, wie beschrieben, der Kampf gegen die Desegregation.
Brockschmidt beschreibt im Folgenden den Televangelismus. Dieser begann in den 1960er Jahren massiv an Popularität zu gewinnen und war bis zum Siegeszug des Talk Radio DAS Medium der christlichen Rechten. Zu Beginn allerdings war er noch vergleichsweise unpolitisch; erst mit der Aufgabe der Fairness Doctrine unter Reagan (die ja auch maßgeblich für FOX News und das Talk Radio war) begann der scharfe Drall ins rechtsradikale Meinungsspektrum. Von Beginn an allerdings fanden sich in diesem Milieu massive Betrügereien; die Televangelisten lebten von Spenden und plünderten ihre Schäfchen bis aufs letzte Hemd aus. Die Unseriosität dieses Segments ist atemberaubend. Brockschmidt zieht hier auch direkte Parallelen zur Verknüpfung von Neoliberalismus und christlicher Rechten.
In einem weiteren Themenkomplex wendet sich Brockschmidt theokratischen Herrschaftsansprüchen der christlichen Rechten zu, deren Ziel die Errichtung eines christlichen Gottesstaats sei. Gelungen arbeitet sie hierbei auch heraus, welch merkwürdige historische Missverständnisse von den Gründervätern in diesem Milieu blühten und blühen. Diese schlechte Geschichte diene vorrangig der Rechtfertigung der Sklaverei und der Herrschaft der WASPs. Brockschmidt fasst dies alles unter das Phänomen des „Christlichen Nationalismus“.
Ein weiteres großes Thema des Buchs ist das Frauenbild der christlichen Rechten. Brockschmidt beschreibt es als „unterwürfig, aber sexy“. Die Frauen haben sich der Autorität der Männer zu unterwerfen, sind aber keine unattraktiven Wesen, sondern stattdessen Sexbomben. Die Idee dahinter: der Mann brauche ein Ventil, um seinen Geschlechtstrieb ausleben zu können, um so jede Versuchung für Fremdgehen zu vermeiden. Die Frauen müssten aber gleichzeitig „rein“ sein (diese Idee der purity ist prominent und taucht immer wieder auf). Die christliche Rechte propagiere den „Dienst am Mann“, in dem die Frauen den Wünschen ihrer Männer zur Verfügung zu stehen hätten. Dementsprechend sind auch Vergewaltigung in der Ehe und Schmerzen beim Sex kein Problem; sie werden stattdessen als Gottes Wunsch gesehen.
Spiegelbildlich stelle sich das Männerbild der christlichen Rechten dar. Männer sind demzufolge gewalttätig und aggressiv, Charaktereigenschaften, die durch die religiöse Gemeinschaft eingehegt und in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Denn anders als die meisten Christen lehnt die christliche Rechte Gewalt nicht ab. Ihr Männerbild ist stattdessen geprägt von „toughness„. „Jesus war ein Navy Seal“, wie es ein einprägsames Zitat fasst. Die christliche Rechte betrachte Jesus als Krieger, der mit Feuer und Schwert gegen Sünder*innen und Andersglaubende vorgehe, und verdammt die Version, die die andere Wange hinhält.
Die christliche Rechte hat auch ihr eigenes literarisches Genre geschaffen. Es gibt tonnenweise entsprechende Literatur, die diese Geschlechterbilder und ideologischen Vorstellungen propagiert, sowohl in Roman- als auch Ratgeberform. Das meiste beruht auf extrem selektivem Lesen der Bibel, wo einzelne Stellen aus dem Zusammenhang gerissen und als Grundlage für das eigene Weltbild verwendet werden.
Dieses Weltbild befindet sich einem ständigen, immer neu entfachten Kulturkampf. Am bekanntesten und erfolgreichsten ist mittlerweile der Kampf gegen die Abtreibung, der bewusst mit den Methoden der Civil-Rights-Kämpfer der 1960er Jahre gefochten wird. Dabei bedient sich die Rechte massiv der Rhetorik von Martin Luther King und anderen Vorkämpfern der Civil Rights, laut Brockschmidt bewusst, um von der Mehrheitsgesellschaft ernstgenommen zu werden. Weitere beliebte Kulturkampfthemen sind der freie Besitz von Waffen, das beständige owning the libs, der Kampf gegen den Klimawandel und nun ganz neu der Kampf gegen Rechte für Transpersonen.
Eines der strategischen Ziele der christlichen Rechten sei die Heranzüchtung einer neuen Generation von Gotteskriegern (die dahinterstehende Ideologie, möglichst viele Kinder für „die Sache“ zu bekommen, nennt sich übrigens „quiverfull„, also einen „Köcher voller Kinder“). Die Idee ist, sie von der Wiege an im christlich-rechten Milieu hochzuziehen und dann in Machtpositionen zu bringen. Entsprechend wichtig sei der christlichen Rechten der Kampf für „school choice“ , also die unter Trump von Betsy deVos betriebene Zerstörung des öffentlichen Schulsystems zugunsten christlicher Privatschulen. An diesen wird die bereits erwähnte Purity Culture nicht nur gelehrt, sondern auch gelebt.
Ein weiterer Baustein der christlichen Rechten ist ihr Verschwörungsglaube: Von der John Birch Society zeichnet Brockschmidt das Bild über den Antisemitismus, die Rapture-Erwartungen, die Vorstellung der Civil-Rights-Bewegung als antiamerikanische Verschwörung, die „Satanic Panic“ der 1980er Jahre und viele mehr. Sie vertritt die These, die Rechte sei generell anfälliger für solche Theorien als die Linke, weil die Vereinfachung auf so große Ressonanz stoße. Das sei auch beim Thema Corona festzustellen, das ein eigenes Kapitel bekommt und wo die evangelikalen Rechten den größten Widerstand gegen Masken, Impfungen und Co zeigen.
Die letzten Kapitel befassen sich mit der „Big Lie“ des gestohlenen Wahlsiegs als „neue Dolchstoßlegende“ und dem Sturm auf das Kapitol. Beides stoße in christlich-rechtlichen Kreisen auf besonders viel Ressonanz. Zu Ende findet sich ein Ausblick auf den aktuellen Stand der GOP it ihrer moral panic gegen „Critical Race Theory“ (oder was man dafür hält), den Versuchen, die Demokratie zu zerstören und vielem mehr, was Lesenden dieses Blogs sattsam bekannt ist.
Ich möchte zu Beginn meiner Kritik noch einmal auf die Debatte eingehen, die mit dem Erfolg dieses Buches verknüpft war. Zur Erinnerung: Brockschmidt wurde vorgeworfen, zur Recherche für ihr Buch nicht in die USA geflogen zu sein, sondern es aus Archivmaterial geschrieben zu haben. Brockschmidt verteidigte dieses Vorgehen damit, dass sie ein Geschichtsbuch geschrieben habe, wofür vor allem Textquellenrecherche relevant gewesen sei. Nachdem ich das Buch nun gelesen habe, kann ich meinen Beitrag von damals nur unterschreiben: die Idee, dass das Buch besser wäre, wenn sie in den USA gewesen wäre, ist albern, aus all den bereits genannten Gründen.
Aber.
Gerade die riesige Masse an Belegen, die ständigen Zitate, sind eine der zwei großen Schwächen des Bandes, weil sie einer klaren Struktur massiv im Weg stehen. Oftmals lesen sich die Kapitel wie Volltextversionen einer Quellensammlung, die Autorin springt vom einen christlichen Radikalen zum nächsten, über zeitliche und geografische Grenzen hinweg. Für mich war das irgendwann nur noch ermüdend und stand jeglicher Lesefreude entgegen. Auch ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn entsprang dieser Detailfülle nicht wirklich, weniger wäre hier manchmal mehr gewesen (so sehr ich auch, gerade angesichts der dämlichen Debatte um das Buch, den Versuch einer Immunisierung gegen Unkenntnis-Vorwürfe verstehen kann).
So aber entsteht der Eindruck einer allumfassenden, monolithischen christlichen Rechten – und man kann denke ich durchaus den Vorwurf erheben, dass das zumindest gerne billigend in Kauf genommen wird. Zwar betont Brockschmidt an verschiedenen Stellen den Facettenreichtum der verschiedenen Denominationen und die verschiedenen Grade von Extremismus, Radikalismus oder einfach nur Frömmigkeit, die sich dort finden lassen. Aber diese Unterschiede werden in der Flut von Beispielen und Zitaten regelmäßig plattgedrückt.
Das geht auf Kosten der analytischen Schärfe. Sicher, die extremistische Rechte hat einen ideologischen Einfluss auf die Republicans. Das beweist das Buch zur Genüge. Nur, die radikale Linke hat auch einen Einfluss auf die Democrats. Die relevanten Fragen sind: wie groß ist dieser Einfluss wirklich? Und gerade die Beantwortung dieser eigentlich entscheidenden Frage kommt merkwürdig zu kurz. Durch die Struktur des Buches wird in jedem Kapitel erneut der große Bogen geschlagen, werden die John-Birch-Leute aus den 1960er Jahren auf derselben Seite präsentiert wie die Anti-Abtreibungskampagne der 2000er Jahre. Alles wird eins.
Klar gibt es christliche Rechte, die die Idee eines Gottesstaats hegen, die ihre Kinder als Waffe sehen und sie ideologisch indoktrinieren. Allein, wie viele innerhalb der großen evangelikalen Bewegung sind das tatsächlich? Welchen realen Einfluss entfalten sie? Dass republikanische Politiker*innen Lippenbekenntnisse zu den talking points der Evangelikalen abgegen ist sicher ein Beweis für ihre Bedeutung, aber die jahrzehntealte Wut darüber, dass jede republikanische Regierung dann doch die Versprechen nicht einzulösen vermag (oder will), ist etwas, das bei Brockschmidt wesentlich zu kurz kommt.
Auch das Zusammenrühren sämtlicher ideologischer Versatzstücke ist ein Problem. Ja, unter Anhänger*innen der „Big Lie“, unter Rassist*innen, unter Rapture-Ideolog*innen, unter Möchtegern-Theokrat*innen und Trump-Fans, unter Gegner*innen von Corona-Maßnahmen und Blue-Lives-Matter-Protestierenden, unter Klimawandelleugner*innen und unter Waffenfans finden sich überdurchschnittlich viele Evangelikale, aber letztlich erweckt das Buch den Eindruck, dass es sich dabei um ein in sich geschlossenes System handelt, in dem alle alles davon mit vergleichbarer Intensität glauben und praktisch deckungsgleich mit den Wählenden der GOP sind. Und dem ist einfach nicht so.
Ich weiß, dass Brockschmidt das so nicht sagt, und dass sie an verschiedenen Stellen im Buch darauf hinweist, dass dem nicht so ist. Aber die strukturellen Schwäche sorgen dafür, dass der Eindruck permanent hervorgerufen wird. Das ist das eine. Und der Mangel an einer klaren analytischen Struktur, der auf irgendeine Gesamtthese hinauslaufen würde – außer „diese Extremisten glauben eine Menge gefährlichen, extremistischen Mist“, was praktisch ein tautologischer Schluss ist – ist augenfällig und sorgt dafür, dass Buch in seiner Gesamtheit wesentlich weniger ist als die Summe seiner Teile. Ich gönne Brockschmidt ihren Erfolg, und das Thema ist grundsätzlich auch wichtig. Aber das Buch bestätigt den Eindruck, den ich auch von ihrem Twitter-Feed habe, dass sie in die Falle tappt, in ihrem Thema einen Hammer zu haben und aus allem, was aus den USA kommt, nur noch Nägel zu machen.
Vielen Dank!
Kleine Anmerkung: „so sehr ich auch, gerade angesichts der dämlichen Debatte um das Buch, den Versuch einer Immunisierung gegen Unkenntnis-Vorwürfe verstehen kann“
Die Debatte kam doch erst, als das Buch bereits erschienen war. Oder meinst Du, sie hätte von vorneherein mit dieser Debatte gerechnet und bereits entsprechend geschrieben.
Nein, ich meine dass ich glaube, dass sie sich generell gegen Kritik abzusichern versuchte, à la „schau auf meinen riesigen Zitateapparat“. Das ist ja ein Muster, das du überall findest. Auch Verschwörungsmystiker*innen verweisen ja gerne auf „Quellen“, und wenn es nur eine Liste Youtube-Videos ist.
Verstehe. Ich hoffe doch allerdings sehr, dass die Qualität ihrer Quellen etwas besser ist 🙂
Die ist unbestechlich. Das hätte ich sonst schon kritisiert. Das war ja auch nie das Thema.
Danke dafür, erspart mir das lesen. Der Buchtitel Wie die Religiöse Rechte die Demokratie gefährdet wird offenbar nicht ausreichend unterfüttert – und Bücher, die ne steile Baehauptung raushauen, dann aber nur eine Zitate- oder Anekdotensammlung bieten, habe ich in meinem Leben schon zuviele gelesen.
Gruss,
Thorsten Haupts
Nur ganz kurz:
an mehreren Stellen nennst Du die Autorin Brockmann statt Brockschmidt
Korrigiert, danke!
Zitat Stefan Sasse:
„Ein weiteres großes Thema des Buchs ist das Frauenbild der christlichen Rechten. Brockschmidt beschreibt es als „unterwürfig, aber sexy“ :
Nicht unterschlagen sollte manfrau IMHO allerdings, dass dieses Bild sowie auch das beschriebene Männerbild (ganz taff und so) nicht lediglich nur von Männern geteilt wird und Frauen sozusagen für sich ein anderes, für sie irgendwie vorteilhafteres Bild malten. Das ist offenbar sehr häufig nicht so.
Dieser merkwürdige Sachverhalt wiederum ist kulturell natürlich uralt und hat viele Facetten, zum Beispiel die, dass unsere C-Parteien (wir haben so was ja auch; die nennen sich sogar so^) ohne Frauenwahlrecht in den frühen Bonner Jahren bis in die 70er massiv schlechter dagestanden wären und die SPD massiv besser, obwohl besagte C-Parteien in allen Gleichberechtigungssachen heftig gemauert haben – aber vielleicht war das auch nicht obwohl, sondern DESHALB so^.
Wie dem auch sei, jedenfalls ist der Anteil der Bevölkerung, der angeblich irgendwie „christlich“ ist bzw. offiziell sein will, heutzutage drüben ja eh deutlich höher als hierzulande, ebenso höher wie beispielsweise auch im klassisch-katholischen Frankreich. USA ungefähr 2/3 „Christen“ (darunter allerdings rund 20 Prozentpunkte (das von allen gerechnet) katholische. In Frankreich grade mal nurmehr die Hälfte „Christen“ (fast alle katholisch).
Man müsste in einem angeblich „liberalen“ Land wie USA eigentlich annehmen, dass „unaffiliated“ (also diesbezüglich irgendwie „nix“, jedenfalls nix Herkömmliches) vergleichsweise besonders stark ausschlägt; das sind aber nur 22 % gegenüber 40 % „Unverbundene“ im CDU-Land^ sowie etwa gleich viel im Territorium der „ältesten Tochter der Kirche“, also outre-Rhin.
Daten gem. „World Factbook“ der CIA, also nitt irgendwie linksgrün oder so.
Die in Anteilen deutlich größere christliche Grundmenge (hat sich Brockschmidt mit diesem eigentlich interessanten Phänomen auch beschäftigt?) erklärt ja in gewisser Weise – sozusagen statistisch – auch die übergeschnappte Teilmenge davon.
Zitat Stefan Sasse:
„In einem weiteren Themenkomplex wendet sich Brockschmidt theokratischen Herrschaftsansprüchen der christlichen Rechten zu,“
Eigentlich müssten die ja den Iran ganz toll finden, weil es da so ähnlich zugeht wie das für die USA gewünscht wird, tun die aber komischerweise nicht.
https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/disneyworld-florida-desantis-101.html
Die Ajatollahs dürften entzückt sein, ob ihrer Vorbildfunktion.
Zitat Stefan Sasse, vorletzter Absatz, zweite Zeile:
„Rassist*issen“
Ähm…also….ist das jetzt das ganz neue Gendern, oder wie oder was ?
Diese Version wird als Möglichkeit viel zu selten diskutiert.
Frauenbild: Unterschlage ich zumindest nicht bewusst und Brockschmidt befasst sich mit dem Problem ausführlich.
Iran: Das sind Muslime, die sind böse, case closed.
Genderfehler korrigiere ich.
Eigentlich müssten die ja den Iran ganz toll finden, weil es da so ähnlich zugeht wie das für die USA gewünscht wird, tun die aber komischerweise nicht.
Den Iran lehnen sie auch weniger innenpolitisch ab, sondern weil er aktuell ein Feind von „God’s own country“ ist. Mit dem theokratischen Saudi-Arabien haben die gleichen Leute meistens keine Probleme. Und wer weiß, was da noch alles an seltsamen Allianzen kommen wird. In Großbritannien gab es schon den Fall, dass die sehr konservative Katie Hopkins sich mit Protesten aus konservativ-islamischen Kreisen gegen „LGBT-Lehrbücher“ solidarisiert hat. Da wird noch einiges kommen, denn die Debatten über religiöse Identität vs. sexuelle Freiheiten finden derzeit auf allen Kontinenten statt (in Europa noch am wenigsten). Es ist nicht auszuschließen, dass sich irgendwann die Fundamentalisten jeglicher Glaubensrichtung global zusammen tun, um ihr Feindbild (neudeutsch: „wokeness“) zu bekämpfen.
„Black-Lives-Matter-Protestierenden“ – da sind wohl Blue-Lives-Matter-Protestierende gemeint.
„…die Idee, dass das Buch besser wäre, wenn sie in den USA gewesen wäre, ist albern, aus all den bereits genannten Gründen.“
Deine Rezension liest sich allerdings, als ob das Buch einige auflockernde Reportageteile gut hätte gebrauchen können.
Um Gottes Willen, nein. Ich plädiere für eine andere analytische Grundstruktur. Auflockernde Reportageteile sind furchtbar.
„Auflockernde Reportageteile sind furchtbar.“
Kommt drauf an, von wem.
Wobei Brockschmidt dafür dann wohl doch nicht die beste Person ist, denn auch auf mich macht ihr Twitter-Feed einen ziemlich rigiden Eindruck.
Ja, sicher, es gibt Qualitätsunterschiede. Aber ich bin einfach kein Fan des Genres.
Interessant, wenn eine Profession sich herausnimmt, was für keine andere gilt. Direkte Konfrontation mit dem Forschungsobjekt lässt sich eigentlich nirgends ersetzen. Am Ende bezieht sich die Autorin nur auf Sekundärliteratur.
Und so schreibt sie anscheinend auch. Ihr fehlt jede Einordnung. Und es hat einen seltsamen Witz, dass Leute, die Kultur als eigene Prägung von Menschen ablehnen, aber meinen, bestimmte Richtungen und Parteien würden sich bestimmte Menschen über Generationen hinweg Untertan machen.
Ein befreundeter Deutsch-Amerikaner sagt zu dem nach eigenen Worten „Müll“: Wer glaubt, dass eine solche Minderheit in Amerika die Demokratie gefährde, zeigt nur seine ganze Ahnungslosigkeit, geprägt von Antiamerikanismus.
Und was haut die doch ziemlich ahnungslose Autorin über einen Kollegen raus, der im Gegensatz zu ihr tatsächlich in den USA forscht und lebt?
Während in den USA der Faschismus LGBTQ Menschen ihrer Bürgerrechte beraubt, schreibt der Washington Chef (!) des Spiegels einen Text darüber, wie „ Im Namen von Gleichberechtigung und Antirassismus“ „linke Aktivisten der Gesellschaft eine neue Ideologie aufzwingen“ Unfassbar.
https://twitter.com/SurvivorTim1980/status/1563856311548264453
Es geht um das Buch von René Pfister, der sich der linken Ideologie Cancel Culture widmet. Der Tweet zeigt, worum es der Dame tatsächlich geht: einen linken ideologischen Kulturkampf.
Bizarr, wie Sie sich getriggert fühlen über ein Phänomen, das über die letzten 40 Jahre doch sehr solide in diversen wissenschaftlichen Disziplinen von Politikwissenschaft über Amerikanistik bis hin zu vergleichenden Religionswissenschaft erforscht wurde. Ohne das Buch gelesen zu haben, sind doch die in der Rezension erwähnten Fakten unbestreitbar. Die Anti-Abtreibungs-Feldzüge oder Morddrohungen seteins der christlichen Rechten gegen Musikerïnnern sind mir sogar noch aus den Neunzigern in Erinnerung. Das sind nun alles keine bösen links-grünen Enthüllungskampagnen, sondern Fakten.
Geht die Autorin auch auf die Wandlung der christlichen Rechten in den letzten 15 Jahren, also seit dem „Ron Paul Movement“, dem Aufstieg der Tea Party und danach Trumps Kandidatur ein? Meiner Wahrnehmung nach hatte die „Christian Right“ in der George W. Bush-Ära ihren Peak, er stand ja Jerry Falwell sehr nahe und hat Leute wie John Ashcroft in sein Kabinett geholt. Im Wahlkampf 2008 mussten dann sogar die demokratischen Kandidatïnnen stets ihre Beziehung zu Gott betonen. Dann kam aber über Ron Paul und später die Tea Party etwas Neues dazu, das Trump dann noch mehr ausgeschlachtet hat: eine amoralische, nihilistische und libertär (im Sinne von Herbert Spencers „Kampf ums Dasein“) angehauchte Unerbittlichkeit, die nicht mal mehr verbal Rücksicht auf „christian values“ legt. Heute hat das dazu geführt, dass im rechten Diskurs Moral als etwas Verwerfliches und „Linkes“ gesehen wird und die Debatten entsprechend neu formuliert werden. Interessant wäre hier auch, inwiefern die Evangelikalen selbst insgesamt vielschichtiger geworden sind. Obama, Clinton und Biden haben alle einige Südstaaten gewonnen, in denen sie offenbar afroamerikanische Evangelikale gewinnen konnten, die sich eben von diesem oft unausgesprochenen Rassismus und Nihilismus nicht mehr angesprochen fühlten.
Wird alles angesprochen, ja. Das ist ein bisschen ein Nebeneffekt der erwähnten strukturellen Schwächen: alles kommt irgendwie vor, aber mir fehlen die großen Linien.
Würden Sie einen Reiseführer von jemanden kaufen, der für die Zusammenstellung des Werkes nicht lange und ausführlich in der Stadt / dem Land war? Immerhin kann derjenige ja sachkundig Quellenstudium betrieben haben.
Das würde niemand. Wir wollen Informationen aus erster Hand. Wieso sollte die „Analyse“ einer deutschen Journalistin über eine spezielle, milieugetriebene Situation in den USA für jemanden von Interesse sein? Doch offensichtlich nur, um gefestigte Meinungen zu bestätigen, oder? Ich kann mir jedenfalls keinen anderen Grund denken und so scheint das Buch ja auch offensichtlich ausgefallen zu sein.
Ja, diese Milieus sind bekannt. Das bestreitet ja keiner. Doch dafür bedarf es kaum eines deutschen Buches einer deutschen Journalistin ohne Background-Erforschung. Das ist so abgestandener Wein, nur wissen wir damit nicht, ob es eine Flasche unter 1000 ist oder 200 unter 2000. Das kann niemand einordnen, der sich nicht länger vor Ort aufgehalten hat.
Und deswegen frage ich auch lieber Lemmy über die Verhältnisse in Südamerika als irgendeinen Resortjournalisten beim SPIEGEL. Würden Sie bei näherem Nachdenken auch nicht anders handhaben.
Ich hab da eine andere Ansicht, aber ich hab sie in einem kompletten Artikel niedergelegt. Wenn es um irgendwelche Parteipolitik in Berlin geht würde ich jedenfalls eher Jeremy Cliffe fragen als dich, no offense 😀
Nun ja, im Prinzip hängst Du ja der gleichen Haltung an. Das ist auch ein ganzes Stück in Ordnung. Wenn es jedoch in Verachtung für echtes Erleben umschlägt, ist man im Bereich der Borniertheit angekommen.
Sich auf Quellen statt eigene Anschauungen zu verlassen, bedeutet immer, nur durch andere Erfahrungen zu machen. Ich würde schließlich auch selber Fast-Food essen, bevor ich Berichte darüber lese, wie furchtbar es schmeckt.
Du hast die wichtige Frage nicht beantwortet: wofür dieses Buch einer deutschen Journalistin über ein amerikanisches Phänomen? Werden die christlichen Fanatiker in der amerikanischen Literatur (mit deutscher Übersetzung) totgeschwiegen? Eher nicht und es wäre allemal günstiger, noch ein paar solcher US-amerikanischen Sachbücher ins Deutsche zu übersetzen, als es in die Hände einer Journalistin mit Amerika-Phobie zu geben, die ohnehin nur Sekundärquellenstudium betreibt.
Findest Du einen anderen Grund als die Bedienung von Anti-Amerikanismus? Wenn ja, warum stellst Du das nicht in den Mittelpunkt? Wenn nein, warum widmest Du Dich nicht dieser auf der Hand liegenden Frage?
Du gibst hier immer ziemlich bereitwillig sehr weitgehende und absolute Einschätzungen für Themen ab, über die du dich nicht großartig informiert hast…
Wofür? Sie ist Expertin für das Thema, sie will darüber schreiben. Wie viel mehr Motivation brauchst du denn? Warum sollte sie nicht darüber schreiben dürfen? Willst du sie canceln?
Was bitte macht Annika Brockschmidt zur Expertin für die USA? In ihrem Wikipedia-Eintrag habe ich dazu wenig gefunden. Mit der Vita würden viele zu USA-Experten, ohne sich genauer mit dem Land beschäftigt zu haben. Danach bin ich auch Experte für Frauenheilkunde…
Nun ja, Du erzählst hier mehrmals, die Gasumlage sei eine Erfindung der FDP, obwohl jeder in allen möglichen Medien nachlesen kann, dass sie eine Original-Habeck-Idee ist. Hast Du übrigens nie korrigiert. Worüber schreibe ich? Wirtschaft – wo ich mich durchaus als Kenner sehe gegenüber jemanden, der frei behauptet, die Steuerreform 1989 habe zu einer Zerrüttung der Staatsfinanzen geführt, aber sich nicht einmal die Mühe gemacht hat, die Entwicklung der Steuereinnahmen zu Rate zu ziehen.
Ich glaube, so schreibe ich nicht.
Die Frage war, welche Substanz solch ein Buch haben kann, wenn die Autorin sich nur ideologisch mit dem Untersuchungsobjekt beschäftigt hat. Für meine Diplomarbeit habe ich mehr Aufwand betrieben.
Sie kann schreiben, worüber sie will, natürlich. Nur sollte das dann nicht als Sachbuch, sondern unter Belletristik gelistet werden.
Stefan ist da in seiner bubble im Mainstream. Experte ist da jede/r, der/die für einige Zeit einiges zu einem Thema gelesen hat. Ich bin also Multiexperte!
Gruss,
Thorsten Haupts