Der Sturm im Wasserglas

Wenn es in Deutschland ein Thema gibt, das zuverlässig öffentlichen Diskurs auslöst, dann ist das das wissenschaftliche Niveau von Büchern und Doktorarbeiten prominenter Personen. Es ist eine merkwürdige deutsche Eigenheit, und der aktuelle Sturm im Wasserglas zu diesem Thema wurde vom Chef des jüngst vom Springer-Verlag übernommenen Politico Europe, Matt Karnitschig, ausgelöst, als er einen Twitter-Thread über das neue Buch „Amerikas Gotteskrieger“ von Annika Brockschmidt veröffentlichte, das gerade etwas überraschend die Bestsellerlisten stürmt. Die Journalistin Annika Brockschmidt hat in den letzten Monaten größere Bekanntheit erreicht, seit sie in Talkshows als Expertin für die amerikanische Rechte eingeladen wird. Brockschmidt ist freie Journalistin und twittert unter ihrem Handle @ArdentHistorian und besitzt einen erfolgreichen Patreon, wo geneigte Unterstützer*innen neben Analysen der politischen Lage in den USA diverse Neuigkeiten zu Brockschmidt geliebtem Hund erfahren können. Innerhalb weniger Stunden explodierte Karnitschigs Thread in eine die üblichen Verdächtigen des deutschen Feuilletons umfassende Monsterdebatte, die in ihrem Umfang und ihrer Schärfe geradezu grotesk wirkt.

Die Kritik hängt sich an der Frage auf, ob Brockschmidt für ihr Buch, das sie zwischen 2020 und 2021 schrieb, die USA bereist und Recherchen vor Ort angestellt habe. Karnitschigs Kritik, der sich schnell ein Chor weiterer Kritiker*innen aus dem eher konservativen Spektrum der deutschen Medienlandschaft anschloss, war die, dass Brockschmidt genau das nicht getan hatte und damit das Buch keine Legitimation besäße. Innerhalb kürzester Zeit drehte diese Debatte auf eine geradezu absurde Weise hohl und provozierte scharfe Gegenreaktionen der eher progressiven Seite des Spektrums (meines Wissens nach hat die Debatte die Twitter-Bubble nie wirklich verlassen, aber für ein paar Tage ging es hoch her).

Der Tonfall war dabei von Anfang an extrem scharf. Karnitschigs Ursprungskritik endete mit einem Vergleich zu Relotius, jenem diskreditierten ehemaligen Spiegel-Journalisten, der damit aufflog, komplette Geschichten erfunden und existierenden Menschen irgendwelche fabrizierten Anekdoten unterschoben zu haben (so hatte er etwa den Bürgermeister einer Kleinstadt interviewt, der in seinem Feature stets eine geladene Waffe bei sich trug, während selbiger Bürgermeister in der Realität nie eine Waffe besessen habe). Der Vergleich endete dabei absurderweise damit, dass Brockschmidt schlimmer als Relotius sei. (Karnitschig hat diesen Tweet mittlerweile gelöscht und sich entschuldigt.

Worauf Karnitschig eigentlich hinauswollte (zumindest laut seiner Entschuldigung) ist, dass Brockschmidts Buch anti-amerikanisch sei – genauso wie Relotius. Wesentlich verbessert werden Karnitschigs Anwürfe dadurch nicht. Relotius fabrizierte zwar eine Fantasie-Version des konservativen Amerika, die man außerhalb von God’s Own Country nur zu gerne liest (rassistische Waffennarren ohne Bildung und Niveau), aber das als „anti-amerikanisch“ zu sehen ist eine eigenwillige Interpretation, die der Selbstdarstellung der amerikanischen Konservativen als „true Americans“ Vorschub leistet und nichts als eine politische Verleumdung ist.

Dasselbe gilt für Brockschmidts Buch. Eine kritische Auseinandersetzung mit den radikalen Evangelikalen ist nicht „anti-amerikanisch“, genauso wenig wie eine kritische Auseinandersetzung mit den Grünen „anti-deutsch“ wäre. Das offenbart mehr über den Blickwinkel der Kritiker*innen als über Brockschmidts Buch.

Auffällig an dieser ganzen Debatte ist auch, dass keinerlei Kritik auf inhaltlicher Ebene vorgebracht wird (was den Relotius-Vergleich umso absurder macht); inhaltlich konnten ihr keine Fehler irgendwelcher Art nachgewiesen werden. Die Kritik kapriziert sich stattdessen auf die Frage, ob Brockschmidt vor Ort war. Und das ist die nächste Absurdität dieser Debatte.

Um über die Entwicklung der Evangelikalen zu schreiben, muss ich nicht irgendwelche Kleinstädte in Kansas besuchen. Der Schlüssel zur Analyse der Politik dieser Richtung der letzten fünf Jahrzehnte findet sich nicht in einem Diner in Georgia. Diese Art von Journalismus ist zwar das tägliche Brot einer ganzen Subindustrie der Branche, aber sie verdeckt mehr, als dass sie erhellt. Der so genannte „Diner-Journalismus“, benannt nach dem Klischee, sich in einen Kleinstadt-Diner zu setzen und dort irgendwelche Leute als „Stimme des wahren Amerika“ zu interviewen, bringt zwar regelmäßig dieselbe Schlagzeile (Trump-Fans sind immer noch Trump-Fans), aber dasselbe Resultat würde man erreichen, wenn man in Oberlin Studierende interviewt (Progressive sind immer noch Progressive). Das wird natürlich nie gemacht, weil der Diner-Journalismus dem Narrativ der „true Americans“ Vorschub leistet, wie bereits bemerkt.

Generell ist die Idee von Augenzeug*innenberichten völlig überbewertet. Mela Eckenfels hat für Interessierte in einem geradezu epischen Thread besser als ich es könnte dargestellt, warum das so ist, deswegen nur die Kurzversion. Nur, weil ich irgendwo lebe oder Augenzeuge eines Ereignisses bin, macht mich dies nicht zum Experten für diese Gegend oder dieses Ereignis. Ich lebe beispielsweise im Schwabenland, was mich aber für das christlich-konservative Milieu jener Gegend nicht gerade zum Experten adelt. Ich weiß über diese Leute fast nichts und habe wenig Berührungspunkte. Umgekehrt kann ich auch wenig über progressivere Milieus dieser Umgegend sagen, wie mir zuletzt peinlich gewahr wurde, als ich im Podcast die verwegene Behauptung aufgestellt habe, hier werde weniger demonstriert als in Berlin, um mich von einem Freund, der regelmäßiger in Stuttgart ist als ich (ich hasse diesen urbanen Talkessel…) eines Besseren belehren zu lassen. Örtliche Nähe ist ein trügerisches Zeichen für Expertentum, und dasselbe gilt für Zeugenschaft.

Menschen können immer nur Aufschluss über sich selbst geben. Das kann spannend sein, wenn etwa Interviews geführt und verglichen werden (durchaus ein anerkanntes und wichtiges Subgenre der Geschichtswissenschaft, das ich als Oral History hier ja auch ein wenig betreibe), aber es ist eben nur ein Subgenre, dessen Chancen und Gefahren man sich bewusst sein muss, wenn man es angeht. Die Idee, dass Gespräche mit Betroffenen oder auch nur zufällig Anwesenden grundsätzlich einen Erkenntnisgewinn bedeuteten, ist auf jeden Fall Quatsch. Es ist ein gutes journalistisches Mittel, weil es das „menschliche Element“ in trockene Themen bringt. Aber es ist eine narrative, keine wissenschaftlich relevante Bedeutung. Ich zitiere da meinen alten Professor: „Der Zeitzeuge ist der natürliche Feind des Historikers.“

Umgekehrt gibt es genug Leute, die direkt vor Ort sind, aber nichts davon verstehen. In den USA ist der Begriff des „Beltway-Journalismus“ feststehend, der im Deutschen seine Entsprechung im „Hauptstadtjournalismus“ oder „Raumschiff Berlin“ hat. Nur, weil man vor Ort ist, gewinnt man nicht magisch Verständnis für die Verhältnisse vor Ort, oder nimmt gar durch Osmose den historischen Hintergrund auf. Leider ist dagegen häufig der Fall, dass die Anwesenheit vor Ort vor allem einer Hybris Bahn bricht, plötzlich zu allem mit großer Sicherheit etwas sagen zu können, nur weil man einen LKW-Fahrer im Diner interviewt hat.

Wäre die Geschichte damit beendet, so könnte man die Episode als merkwürdige Überreaktion des konservativeren Establishments deuten und die jeweils eigene Lieblingserklärung drüberstülpen. Allein, damit endet die Geschichte nicht. Denn auch etwas überraschend hat sich für Brockschmidt eine massive Gegenformation gebildet, die sie mit einer Emphase verteidigt, die ebenfalls weit über die Rolle und Bedeutung des Buchs hinausgeht. Wer bisher dachte, das Buch wird als Proxy für eine größere Debatte verwendet – spätestens hier kann man sich dieses Eindrucks eigentlich nicht mehr erwehren, denn so absurd die Anwürfe gegen Brockschmidt waren, so absurd sind oftmals die Verteidigungsreden, die für sie geschwungen werden.

Brockschmidt selbst schwieg anfangs völlig und gab dann nur zu Protokoll, die USA schon mehrfach besucht zu haben, aber 2020/21 wegen der Pandemie keine Möglichkeit gehabt zu haben. Das macht eine Menge Sinn und beantwortet im engsten Sinne die ursprüngliche Kritik Karnitschigs. Nur, wir haben ja bereits festgestellt dass es darum eigentlich nicht wirklich geht. Und auch den Verteidiger*innen geht es darum nicht zentral.

Innerhalb kürzester Zeit bildeten sich drei Hauptverteidigungslinien heraus: Brockschmidt arbeite nicht als Journalistin, sondern als Historikerin; sie betreibe daher Quellenarbeit und keine Interviews; und sie werde aus ideologischen Gründen attackiert. Schauen wir uns alle drei an.

Argument Nummer 1, Brockschmidt arbeite nicht als Journalistin, sondern als Historikerin, und sei deswegen von ihrem Gegenstand entfernt ist, mit Verlaub, Unfug. Denn das Buch triggert die Konservativen ja unter anderem deswegen, weil es schon ein ganz klein bisschen (Litotes) tendenziös ist. Es ist ja jetzt nicht so, als wäre Brockschmidt angetreten, eine ergebnisoffene Untersuchung des evangelikalen Milieus zu schreiben. Schon der Titel ist klar Programm. Bei „Amerikas Gotteskrieger“ erwarte ich nicht gerade eine historische Abhandlung. Die sachliche Distanz der Historiker*innenzunft zum Gegenstand – sine ira et studio – erwarte ich bei so einem Werk sicher nicht. So zu tun, als würde hier quasi ein Angriff auf die Wissenschaft stattfinden (was zwar nicht explizit gesagt aber impliziert wird) leistet der Wissenschaft einen Bärsendienst, gerade angesichts der Dauerattacke, in der sie sich in der Pandemie und durch die rechte Cancel Culture befindet.

Argument Nummer 2, Brockschmidt würde hier mit Quellen arbeiten, weil es sich um ein historisches Thema handelt, und deswegen mehr oder weniger Archivarbeit betreiben, lasse ich problemlos gelten. Ich habe oben im Detail ausgeführt, warum dieses „Gotcha“-Argument von wegen „warst du persönlich vor Ort“ Blödsinn ist.

Argument Nummer 3 ist die Attacke aus ideologischen Gründen – gegen Progressive, gegen Frauen, für Rechtsextremismus, was auch immer das jeweilige Steckenpferd ist. Ist in den Attacken vielleicht ein bisschen Mysogynie gegen „Emporkömmlinge“? Bestimmt. Fühlen sich Konservative durch den Generalangriff auf radikale Evangelikale auch bedroht, weil ja Brockschmidt nun nicht eben eine glühende Verteidigung gemäßigten Christentums schreibt? Sicherlich. Aber letztlich ist das alles Hintergrundrauschen und zur Erklärung unnötig.

Der relevante Teil ist: Brockschmidt ist keine unabhängige Beobachterin. Sie arbeitet eng mit Natascha Strobl zusammen, die auch ein rotes Tuch für alles ist, was konservativ denkt. Sie ist, um es in ein Modewort zu packen, woke. Und zwar ziemlich.

Das ist auch völlig legitim. Ich stimme Brockschmidt in fast allem, was sie schreibt, auch zu. Was übrigens der Grund ist, warum ich ihr Buch bisher nicht gelesen habe und ihren Patreon auch nicht unterstütze; ich habe nicht das Gefühl, dort Dinge zu lesen, die mehr mit mir machen als mit dem Kopf zu nicken. Das habe ich übrigens mit den meisten Kritiker*innen gemein. Ich habe jedenfalls nicht das Gefühl, dass Karnitschig und Konsorten das Buch gelesen oder sich mit Brockschmidts Arbeit beschäftigt haben; für die endete es beim Schwenken des roten Tuchs, wo die woke Journalistin über die USA schreibt, und das muss ja scheiße sein. Die Begründung dafür kommt von diesem Endergebnis her, und so qualitativ brauchbar war sie dann auch. Bedauerlicherweise machten die Verteidiger*innen Brockschmidts überwiegend denselben Fehler. Und so summiert sich der ganze Kram zu nicht viel mehr als einem Sturm im Wasserglas, der die jeweilige Bubble in Verteidigungshaltung und Selbstbestätigung bringt. Oder auch: another day on the internet.

{ 24 comments… add one }
  • Derwaechter 26. Januar 2022, 10:19

    Stimme die zu dass die „Diskussion“ absolut miserabel geführt wurde. Und in diesem Fall wirklich von beiden Seiten.

    Deim Argument Karnitschig habe das Buch nicht gelesen und sich mit Brockschmidts Arbeit nicht beschäftigt, scheint mir allerdings sehr gewagt.

    Er geht in seinem Artikel relativ ausführlich auf Inhalte aus dem Buch ein und auch auf die, in seinen Augen verzerrte, Wahrnehmung von Brockschmidt und anderen auf die USA.

    https://www.politico.eu/article/germany-pivot-from-america/

    Seine ursprüngliche Kritik an ihren Buch war durchaus fundiert, die Reaktion darauf und seine Gegenangriffe auf Twitter waren jedoch weitgehend inhaltslose Streitereien bzw. Spiel für die Galerie.

    • Derwaechter 26. Januar 2022, 10:24

      Mich würde übrigens Mal deine Einschätzung zu eben diesem Artikel interessieren. Seine Beschreibung wie und warum Deutschland sich von dem USA abwendet, scheint mir weitestgehend schlüssig. Oder?

      • Stefan Sasse 26. Januar 2022, 12:02

        Völlig. Über Antiamerikanismus und seine Ursprünge habe ich auch ja auch schon vor Langem geschrieben, da hat sich wenig geändert:
        http://geschichts-blog.blogspot.com/2012/11/der-ursprung-des-anti-amerikanismus.html
        Anti-Amerikanismus ist ein verbindendes Element zwischen Rechten und Linken, Konservativen und Progressiven in Deutschland, wenngleich aus unterschiedlichen Gründen. Aber am Endergebnis ändert das wenig. Wie es der Artikel formuliert: „a deep distrust of all things American“.

        Konkret zu Brockschmidts Buch kann ich nichts sagen, weil ich es nicht gelesen habe, und ich will es ehrlich gesagt nicht nur lesen müssen, um qualifiziert Stellung beziehen zu können. Wenn es sich tatsächlich so liest, wie die Vorwürfe im Artikel, dann stimme ich zu. Es besteht aber gleichzeitig die Gefahr, dass die Vorwürfe selbst ihrerseits eine Karikatur des Buches sind. Fast unvermeidbar, wenn der Inhalt in drei knackigen Sätzen zusammengefasst wird. Daher hier ein entschlossenes Schulterzucken.

        • Derwaechter 26. Januar 2022, 13:02

          Ich würde sagen guter Journalismus/Sachbuchautorenschaft basiert auf umfangreicher Schreibtischrecherche kombiniert, wenn möglich, mit Arbeit vor Ort. So wie es Qualitätsmedien ja auch machen.

          • Stefan Sasse 26. Januar 2022, 16:50

            Kommt wie gesagt ein bisschen aufs Thema an. Bei dem hier sehe ich es nicht.

            • derwaechter 26. Januar 2022, 18:57

              Die Autorin behauptet ja selber, dass sie nur wegen der Pandemie nicht vor Ort war. Sie hätte den Reiseaufwand in normalen Zeiten ja wohl kaum betrieben, wenn sie nicht davon ausginge, ihr Werk würde davon profitieren.

              • Stefan Sasse 26. Januar 2022, 19:12

                Dass die Verteidigungen nicht sonderlich kohärent sind, habe ich glaube schon festgestellt 😉

                • derwaechter 26. Januar 2022, 21:54

                  touché 🙂

    • Stefan Sasse 26. Januar 2022, 11:38

      Ah, ich kannte nur den Twitterthread, der davon wenig zeigte. Danke, stimme dir zu!

      • derwaechter 26. Januar 2022, 12:03

        Der Twitterthread weisst ganz am Anfang auf den Artikel hin (“ Reporting this, I stumbled on the German bestseller“) und verlinkt ihn direkt.

        https://twitter.com/MKarnitschnig/status/1484065554445000705?s=20

        Hätte man also durchaus Mal lesen können, bevor man ihn angreift.

        Sein Argument mit dem nicht vor Ort recherchiert zu haben, war ja nur eins von vielen. Zu denen sie sich übrigens trotz Anfrage nicht äußerte. Weil sie, laut eigener Aussage im Nachhinein, keine Zeit dafür hatte.

        • Stefan Sasse 26. Januar 2022, 12:41

          Ja, das ist mir aus. Asche auf mein Haupt.

          Ich nehm sie dafür nicht in Schutz.

  • Stefan Pietsch 26. Januar 2022, 11:25

    Nur, weil man vor Ort ist, gewinnt man nicht magisch Verständnis für die Verhältnisse vor Ort, oder nimmt gar durch Osmose den historischen Hintergrund auf.

    Es gibt gute Gründe, warum jemand, der das Top-Management größerer Unternehmen ansteuert, einen internationalen Background haben muss – nicht sollte. Andere Kulturen, andere Sitten. Andere Länder, andere Mentalitäten. Es geht nicht um Interviews, sondern um ein Gefühl für die Umstände und Lebensgewohnheiten von Menschen, die so ganz anders denken als man selbst.

    Am vergangenen Montag debattierten sich für klug haltende Leute bei „Hart aber fair“ die Köpfe heiß, warum denn RWE in Texas so viel in Windkraftanlagen investieren würde. Weil die Windenergie einfach eine lukrative Energiequelle sei, hieß es mehrheitlich. Auch in solchen Debatten hilft es, die Umstände – Land, Branche, Unternehmen – zu kennen, über das man redet. So bietet Texas etwas, was die meisten Regionen Deutschlands nicht im Angebot haben, und damit ist nicht etwa Wirtschaftsförderung gemeint.

    Texas bietet nach Alaska die meiste Landfläche von allen 50 Bundesstaaten und ist sehr dünn besiedelt. Nicht nur das: Texas hat die längste Küste zum Golf von Mexiko, eine der sturmreichsten Gegenden der Welt. Windmühlen | Sturm – das scheint zu passen. Allerdings schafften die einfachen geographischen Daten es nicht in die Debatte. Der Zuschauer musste den Eindruck gewinnen, im Breisgau sei man nur zu dumm, RWE eine Ansiedlung schmackhaft zu machen.

    Auf diesem Niveau sind halt oft Diskussionen und eben auch Sachbücher, wenn der Autor keine Ahnung von Land und Leuten hat. Dann erzählt auch hier mancher, eine No-Covid-Strategie wie in Australien ließe sich auch in einem grenzoffenen Deutschland umsetzen.

    Eine Ahnung von der Mentalität eines Landes bekommt man nicht durch ein paar Interviews. Sondern in dem man dort lebt, arbeitet und etwas von der Luft einatmet. Ein Blinder kann vielleicht verstehen, dass Farben unterschiedlich sind. Die Schönheit von Buntheit kann er nicht beschreiben.

    • Stefan Sasse 26. Januar 2022, 11:52

      Mir war durchaus bekannt, dass Texas viel unbesiedeltes Land hat, und ich war noch nie dort. „Hart aber Fair“ ist da auch nicht der beste Beleg; Niveau suchst du in diesen Sendungen eh meistens vergeblich.

      Bei den letzten beiden Absätzen ist mir der Bezug zur Thematik nicht klar. Willst du unterstellen, Brockschmidt fehle die Sachkenntnis? Das sehe ich nämlich nicht.

      • Stefan Pietsch 26. Januar 2022, 13:24

        Das stimmt. Wo ich früher die meisten Talksendungen gesehen habe, habe ich mich längst von Will und Illner und sogar Plassberg verabschiedet. Will hat sich sowieso bei vielen Sendungen vom ernstzunehmenden Journalismus verabschiedet.

        Es ist mehr als vorteilhaft, die Umstände, über die man schreibt, durch eigene Anschauung zu kennen. Ich war oft in den USA und habe sogar dort zeitweise (in San Francisco) gearbeitet. Dennoch würde ich mir nicht anmaßen, Amerika-Experte zu sein. Ich kenne etwas von der Mentalität, von Lebensgewohnheiten, von den Umweltbedingungen. Mehr übrigens als von jedem anderen Land. Ich war nicht nur an den Küsten, sondern auch mitten in den USA. Dennoch bin ich vorsichtig, über die Vereinigten Staaten zu schreiben, denn so gut kenne ich Amerikaner nun auch nicht.

        Ein Arzt kann studiert haben und die Organe zuordnen. Aber ein richtiger Mediziner ist er erst, wenn er Erfahrungen gesammelt hat, mit Verantwortung gelernt hat zu leben und denen gegenüber gesessen hat, denen er nicht helfen konnte. Sachkenntnis ist Basic. Nicht mehr. Das macht Brockschmidt noch lange nicht zu einer guten Autorin.

        • Stefan Sasse 26. Januar 2022, 16:51

          Ja.

          Genau. Und das wäre auch nicht anders, wenn sie vor Ort rumgereist wäre.

          Ich kann ihre Qualität nicht beurteilen, ich hab das Buch nicht gelesen.

  • Thorsten Haupts 26. Januar 2022, 11:29

    Das ist ein wunderschöner Anschauungsbeitrag über Selbstreferentialität :-).

    Wie der Autor selbst schon festgestellt hat – diese Debatte hat twitter, noch genauer, den Medien- und Kulturkampfteil von twitter, nie verlassen.

    Und ich lasse inzwischen praktisch jedes Buch in der Buchhandlung reflexartig liegen, wenn mir Titel (und Untertitel) suggerieren wollen, wir würden von X verraten, von Y in den Faschismus geführt oder von Z betrogen werden. Dann tendiert als Regel der Erkenntnisgewinn gegen 0. Und zwar unabhängig von der politischen Ausrichtung der Buchautoren.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 26. Januar 2022, 11:52

      Geht mir ähnlich, ich les die Dinger meistens auch nicht.

  • Marc 26. Januar 2022, 12:29

    Diese Irrelevanz kann ich nicht nachvollziehen. Gerade hat Anna Dobler aufgrund eines jetzt gelöschten Tweets ihren Job bei eXXpress verloren. Siehe hier:

    https://twitter.com/Doblerin/status/1485911089019863050

    Mehr handfeste Konsequenzen als eine solche Cancelung eines erzkonservativen Blatts geht nicht.

    Gerade die Journalisten-Bubble auf Twitter hat auf ihre Bubble einen Impact. Das geht es schon um Status und Karriereoptionen.

  • cimourdain 28. Januar 2022, 10:16

    Verschwörungstheorie: Du verlinkst nicht nur das diskutierte Buch ( könntest du in diesem Zusammenhang den Amazon Katalog meiden? Es gibt auch andere Buchhändler und den Verlag selbst) sondern auch den Patreon der Autorin. Das lässt in mir den Verdacht keimen, dass du von ihr Prozente bekommst.

    • Stefan Sasse 28. Januar 2022, 11:43

      Lol. Ich bekomme von AMAZON Prozente (weswegen ich auch auf die verlinke). Wenn Brockschmidt so viel Geld verdienen würde, dass sie mir Prozente zahlen könnte, hätte sie keinen Patreon 😀

  • Stefan Sasse 7. Februar 2022, 08:33

    Nachtag der FAZ: https://t.co/jtYMnB5CjE

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