Dieser Tage wird wieder einmal viel über das wichtigste Thema gestritten, das die deutsche Politik bewegt: geschlechtergerechte Sprache. Es ist zum identitätspolitischen Thema par excellence gemacht worden, und nichts bringt das konservative Blut so zuverlässig in Wallung. Ich möchte den politischen Streit rund um die geschlechtergerechte Sprache einmal genauer aufdröseln, aber bevor wir das machen können, erst einmal ein kurzer Überblick, worum es überhaupt geht.
Der Grundkurs
Im Zentrum der geschlechtergerechten Sprache – und der Kritik an ihr – steht das so genannte „generische Maskulinum“. Gemeint ist damit, dass die männliche Form im Deutschen grammatikalisch der Standard sei und Frauen und andere Identitäten „mitgemeint“ seien. Sehr häufig wird unter Verweis auf diese grammatische „Regel“ geschlechtergrechte Sprache als unzulässiger Eingriff in die Sprache abgelehnt. Allein, die Probleme fangen hier bereits an: das „generische Maskulinum“ existiert nicht. Weder ist es eine Art offizieller Regel der deutschen Sprache, noch tut es, was es angeblich tut, nämlich andere „mitmeinen“. Es gibt zahlreiche linguistische Studien, die das belegen, und keine einzige, die die angebliche Funktionsweise des „generischen Maskulinums“ nachweisen konnte.
Die Frage, ob man dem mit geschlechtergerechter Sprache abhelfen will, ist damit keine linguistische oder grammatikalische; sie ist kein Verstoß gegen die korrekten Regeln der deutschen Sprache. Die Frage ist allein politisch (im weitesten Sinne, also im politischen Nahbereich der Menschen; es wird dazu keinen Bundestagsbeschluss geben, und ein solcher wird auch von niemandem angestrebt, ganz egal, wie oft CDU und AfD den Eindruck zu erwecken versuchen).
Verkompliziert wird die Lage dadurch, dass es „die“ geschlechtergerechte Sprache nicht gibt. Stattdessen existieren eine Reihe von verschiedenen Ansätzen nebeneinander her, die alle mehr oder weniger breitflächig in Gebrauch sind und alle ihre spezifischen Vor- und Nachteile aufweisen.
Bereits seit längerer Zeit in Gebrauch und deswegen meist gar nicht als geschlechtergerechte Sprache wahrgenommen ist die Doppelnennung. Wir kennen sie vermutlich noch aus der Persiflage beim Bürgermeister in „Benjamin Blümchen“: „Meine lieben Mitbürgerinnen und Mitbürger“. Diese Form verzichtet auf irgendwelche Sonderzeichen, hat aber den Nachteil, Texte signifikant zu verlängern. Ich bin kein großer Fan, weil es einerseits sehr unhandlich ist – ich erinnere mich daran, dass Gregor Gysi das in seiner Autobiographie verwendet hat, und das war furchtbar – und andererseits keinen Raum für nicht-binäre Personen lässt.
Ebenfalls bereits seit Längerem bekannt ist so genannte Binnen-I; ich kann mich daran erinnern, das zu meinen maskulistischen Zeiten im Studium als Feindbild Nummer 1 auserkoren zu haben (falls ihr mich noch nicht lange genug kennt, vor 2014 war ich ein harter Anti-Feminist und wäre an der vordersten Front der Identitätskrieger gegen geschlechtergerechte Sprache gewesen). Auf das Problem mit dieser Schreibweise hat mich unser Stammkommentator DerWaechter hingewiesen: es bezieht nicht-binäre Personen nicht mit ein. Daher bin ich von dieser Schreibweise abgekommen. Gleiches gilt für Alternativen zu dieser Schreibweise, etwa einem „Kommentator/-innen“ oder Ähnlichem.
Zuletzt bleibt der vielzitierte Gender-Stern, dessen Nutzung ich mir mittlerweile angewöhnt habe. Die Idee hier ist, dass nicht-binäre Personen sich im Stern wiederfinden, während die beiden klassischen Geschlechter im traditionellen Wortaufbau stecken.
Keine dieser Varianten ist perfekt. Sie alle haben ihre Vor- und Nachteile und sind letztlich Krücken, aber bislang hat noch niemand eine Variante gefunden, die alle Probleme auf einmal löst. Diese Varianten existieren daher nebeneinander her und sind mal mehr, mal weniger gebräuchlich.
All das hat Anatol Stefanowitsch noch einmal in einem Erklärartikel detaillierter und mit Zahlen- und Studienverweisen aufgeschrieben, wenn jemand noch etwas tiefer einsteigen will.
Im Übrigen: ob Binnen-I oder Genderstern, entgegen weitverbreiteter Annahmen (die ich früher selbst geteilt habe) handelt es sich nicht nur um Schriftformen; in der Aussprache funktioniert das durch den so genannten „glottal stop“ (Glottaler Plosiv), also eine kurze Pause im Wort (Kommentator-PAUSE-innen). Auch das ist, entgegen der weit verbreiteten Behauptung, kein unnatürlicher Vorgang. Worte wie Umarmung (Um-armung) oder Spiegelei (Spiegel-ei) benutzen den glottalen Plosiv bereits seit vielen Jahrhunderten, ohne dass es dazu Interventionen einer nicht-existenten Sprachpolizei benötigt hätte.
Eine Umfrage im Juni
Ein weiteres sehr verbreitetes Argument gegen geschlechtergerechte Sprache ist, dass Umfragen immer wieder zeigen, dass eine breite Mehrheit der Bevölkerung dagegen ist. Das ist grundsätzlich richtig, aber es ist eine Merkwürdigkeit der ganzen Debatte, dass es trotz der Prominenz des Themas bisher keine belastbare Datenbasis zu den Einstellungen der Bevölkerung gibt.
Das mag auf den ersten Blick verwundern. In den Schlagzeilen war jüngst unter dem Titel „Ist Gendern wirklich so unbeliebt?“ eine Umfrage von Infratest dimap für die Welt am Sonntag. Zwei Drittel der Befragten lehnen demzufolge geschlechtergerechte Sprache ab. Allein, die Umfrage leidet unter einer Reihe schwerwiegender methodischer Probleme, wie „Geschickt Gendern“ schön herausgearbeitet hat:
Genderneutrale Sprache wird als sogenannte “Gendersprache” bezeichnet. Diesen Begriff lesen wir in letzter Zeit häufig im Zusammenhang mit ablehnender Haltung zu gendergerechter Sprache. Er wird meistens abwertend verwendet und suggeriert etwas Trennendes: dass gendergerechte Sprache eine andere Sprache als die allgemeine (deutsche) Sprache ist. […] Das Binnen-I wird nicht mit einer Pause gesprochen, sondern wie das generische Femininum. Die gendergerechte Schreibweise Binnen-I “WählerInnen” wird der normalen Schreibweise “Wählerinnen und Wähler” entgegengesetzt. Dabei ist “Wählerinnen und Wähler” selbst eine gendergerechte Schreibweise. […] Um die hitzige Debatte um gendergerechte Sprache auf die Basis von Fakten zurückzuholen, braucht es dringend differenzierte, unabhängige wissenschaftliche Studien. z.B. Studien zur Akzeptanz bzw. Ablehnung von gendergerechter Sprache, sowohl im passiven Lesen als auch im aktiven Schreiben und Sprechen oder Studien zur Beliebtheit oder Unbeliebtheit der verschiedenen Möglichkeiten gendergerechter Sprache.
Dazu kommt, dass die Umfrage die eigentlich populärste und in der Diskussion gerade hervorgehobenste Schreibweise – den Gender-Stern – überhaupt nicht abgefragt hat. Wenn ich für den Stern, aber gegen das Binnen-I bin, wie antworte ich in so einer Umfrage?
Aber: letztlich teilt diese Umfrage dieselbe grundlegende Schwäche, die alle Umfragen zu issues haben. Eines meiner Lieblingsbeispiele sind Umfragen zur Einführung des Mindestlohns und zum Abzug aus Afghanistan aus den 2000er Jahren. Die LINKE hat damals immer viel politisches Heu damit gedroschen, dass jeweils deutlich über 70% der Deutschen für beide Maßnahmen sind, aber mit Ausnahme der LINKEn im Bundestag keine Partei dafür. Die populistische Argumentation war, dass deswegen nur die LINKE den Volkswillen vertrete, während alle anderen – man ahnt es – gegen die breite Mehrheit des Volkes sind und deswegen irgendwie abgehoben, elitistisch und undemokratisch seien. Diese Vorwürfe in grüne Richtung kommen heute vor allem aus der Richtung der CDU und FDP, aber das macht sie nicht plötzlich edler oder richtiger.
Ein unter Demoskop*innen weithin bekanntes, den Medien aber irgendwie noch nie einleuchtendes Fakt der Wissenschaft ist, dass Umfragen, die die Meinung zu einem bestimmten Thema abfragen, praktisch wertlos sind, solange sie nicht auch abfragen, wie wichtig es den Leuten ist. Ein aktuelles Beispiel dafür wäre eine Umfrage, in der fast 70% der Deutschen angeben, dass sie sich durch den Klimawandel bedroht fühlen. Das hat für viel Begeisterung in progressivne Kreisen gesorgt und für entsprechende Vorwürfe an die CDU, das Thema, das die breite Mehrheit so wichtig findet, zu ignorieren.
Das Gleiche gilt für alle Umfragen, die nach irgendwelchen Maßnahmen fragen. „Soll X eingeführt werden“ bringt regelmäßig Zustimmungsraten jenseits der 50%, weil nie nach den Kosten gefragt wird oder wie wichtig es den Leuten ist. „Soll X eingeführt werden, wenn dafür Y nicht mehr bezahlt werden kann/wenn dafür die Steuern steigen müssen“ oder „Soll X eingeführt werden, wenn dafür Y nicht gemacht werden kann“ wäre die eigentlich richtige Frage, und nur sie zeigt, wie die Menschen wirklich über ein Thema denken. Sprich, jede Umfrage zu einem Thema, die nicht versucht herauszufinden ob es den Befragten wichtig ist, ist wertlos und wird nur für das Dreschen politischen Heus benutzt, selbst wenn sie ansonsten methodisch sauber wäre – was die oben zitierte Infratest-Umfrage nicht einmal ist.
Noch schlimmer war eine Allensbach-Umfrage für die FAZ, in der über 70% gegen geschlechtergerechte Sprache waren – u.a. dank einer unglaublich manipulativen Frage („Wenn jemand sagt: ‚Man sollte in persönlichen Gesprächen immer darauf achten, dass man mit seinen Äußerungen niemanden diskriminiert oder beleidigt. Daher sollte man z. B. neben der männlichen auch immer die weibliche Form benutzen.‘ Sehen Sie das auch so, oder finden Sie das übertrieben?„), die ich selbst auch als „übertrieben“ beantwortet hätte.
Kurz: Es dürfte kein Zweifel daran bestehen, dass es eine große Menge Menschen gibt, die geschlechtergerechte Sprache im Vakuum ablehnen. Die Menge derer, für die es ein wahlentscheidendes Thema ist, dürfte bereits wesentlich kleiner sein. Genauso wie beim Afghanistan-Einsatz lehnt die Mehrheit die jeweilige Politik zwar ab – ihre Wahlentscheidungen richtet sie aber nicht danach aus. Dazu passt, dass die Positionen innerhalb der CDU recht differenziert sind, wesentlich mehr, als man von den Krachmacher*innen her erwarten dürfte.
Auch für die Umfragen-Thematik gibt es eine etwas ausführlichere Kritik von Anatol Stefanowitsch für diejenigen, die sich ein bisschen tiefer einlesen wollen.
Also viel Lärm um nichts?
Wird hier also aus einer Mücke ein Elefant gemacht? Auch das wäre sicherlich falsch. Denn die Ablehnung gegenüber der geschlechtergerechten Sprache ist ja real. Auch wenn sie nur wenige eingefleischte Identitätskrieger*innen eine alles entscheidende Rolle einnimmt, so ist doch die instinktive Ablehnung in weiten Teilen der Bevölkerung – um es ganz klar zu sagen: einer deutlichen Mehrheit – weit verbreitet. Das zu ignorieren wäre nicht nur intellektuell unredlich, sondern auch wenig hilfreich.
Auch das Unwohlsein, das diese Menschen mit der geschlechtergerechten Sprache haben, ist real. Und im Übrigen auch völlig nachvollziehbar. Denn es geht ja gerade nicht um eine rein sprachliche Spielerei. Denn hinter der Verwendung geschlechtergerechter Sprache steckt, da haben alle Kritiker*innen ja Recht, die Absicht, das Denken der Menschen zu verändern. Konkret sollen Frauen und nicht-binäre Personen sichtbar gemacht und bewusst mitgedacht werden – was übrigens wie die weiter oben verlinkten Studien belegen, ziemlich gut funktioniert.
Die Sichtbarmachung allerdings ist notwendigerweise mit einem Wandlungsprozess verbunden, und dieser Wandlungsprozess gefällt all jenen nicht, die entweder mit dem Status Quo zufrieden sind oder aber Veränderungen fürchten. Und, Hand aufs Herz, die meisten Menschen fürchten Veränderungen in wenigstens einigen Gebieten. Entweder fürchten sie gesellschaftlichen Wandel, wie das was wir gerade erleben. Oder sie fürchten Veränderungsdruck im beruflichen Umfeld. Oder sie möchten nicht aus der Gemeinde wegziehen, in der sie schon ihr ganzes Leben verbringen (was ich sehr gut nachvollziehen kann). Das ist alles nur menschliche Natur.
Nehmen wir nur dieses Beispiel von Richard Meusers anlässlich der Regenbogen-Ikonik, die zum EM-Spiel Deutschland gegen Ungarn im Juni 2021 aufgefahren wurde:
Ich bin so alt™, ich kann mich noch daran erinnern, als es beim Fußball nur um Fußball ging. #GERHUN
— Richard Meusers v.W. ن 🇮🇹 🇮🇱 (@maternus) June 21, 2021
Das ist natürlich Unsinn. Meusers erinnert sich nur an eine Zeit, in der die Identitätspolitik im Fußball ihn angesprochen hat. Und das tut sie nicht mehr. Übrigens schon seit Längerem nicht mehr; so markierte etwa die WM 2006 einen deutlichen Wendepunkt, an dem Fußball seine exklusive Männlichkeit verlor. Seither sind Fußballfans geschlechterneutral. Auch das hat nicht allen gefallen, um es einmal milde auszudrücken. Und wenn mit dem Profi-Fußball eine der letzten Bastionen gesellschaftlich anerkannter Homophobie fällt (die Bundeswehr darf das ja seit 2017 auch nicht mehr), dann werden Menschen, die homophob sind, das natürlich als einen Wandel begreifen, der ihnen missfällt.
Dasselbe passiert beim Gendern. Es werden Gruppen sichtbar gemacht, die vorher nicht sichtbar waren. Damit verbunden ist eine Anspruchhaltung: „Wir wollen gesehen werden! Wir wollen teilhaben!“ Daran stoßen sich all jene, die im Status Quo die Gewinner*innen sind, weil durch diese Sichtbarmachung ihre Privilegien angegriffen und abgebaut werden. Und wenn es nur das Privileg ist, in sprachlichen Konventionen der „Standard“ zu sein und dieses nun zu verlieren.
Aladin el-Mafaalani hat dieses Phänomen in seinem Buch „Das Integrationsparadox“ hervorragend beschrieben. Die Sichtbarmachung bisher unsichtbarer Gruppen führt zu Konflikten. Und die meisten Menschen mögen keine Konflikte. Daher kommt auch das Fehlurteil, die Meinungsfreiheit werde eingeschränkt. Die Albernheit der Allensbach-Umfrage, die dieses Ergebnis brachte, wird eigentlich nur von der zugehörigen Schlagzeile der BILD getoppt:
😂😂😂 pic.twitter.com/IS2sN8CM7O
— axel wallrabenstein 🇪🇺 (@walli5) June 17, 2021
Ich zweifle nicht daran, dass die meisten Leute die Wahrnehmung haben, die Meinungsfreiheit wäre eingeschränkt. Aber es ist nicht korrekt. Was wir stattdessen haben ist eine Verschiebung: Dinge, die früher praktisch nicht diskutiert werden konnten, werden es plötzlich, und Dinge, die früher selbstverständlich waren, werden nun diskutiert. Dinge, die früher diskutiert wurden, sind gänzlich in den unsagbaren Bereich gerutscht. Das passiert ständig und ist nichts Neues.
Übertritt in die reale Welt
Das allerdings ändert nichts daran, dass jeder Veränderungsprozess anstrengend ist, voller Sackgassen, Rückschläge, Übertreibungen und Problemen. Sollen etwa Behörden die geschlechtergerechte Sprache in ihrer Kommunikation vorschreiben? Dagegen spricht sich selbst ein Genderstern-Fan wie Stefanowitsch aus. Sind Formen geschlechtergerechter Sprache nicht große Hürden für das Erlernen der deutschen Sprache, gerade für Nicht-Muttersprachler? Au contraire. Die Antworten auf diese Fragen sind nicht selbstverständlich, und es gibt noch viele mehr, die ich hier nicht angeschnitten habe. Ich möchte auch erneut betonen, dass es klare Nachteile für diese Art der Sprache gibt.
Die realsten Auswirkungen aber hat die Debatte im politischen Bereich, weil sie sich so hervorragend zur Mobilisierung der eigenen Basis eignet. So können eher konservativere Menschen sich in ihrer Nöhe zu Volkes Stimme sonnen, während die progressive Speerspitze virtue signalling betreiben kann. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse ist wenig überraschend, welche der beiden Strategien erfolgversprechender ist, weswegen es die Grünen-Funktionärselite auch gerne sehen würde, das Thema ganz zu ignorieren (das aber nicht kann, weil die Basis sie nicht lässt), während es bei der CDU schon vor Monaten als Topthema des Wahlkampfs auserkoren wurde.
Auch das ist natürlich virtuel signalling, nur eben in die andere Richtung. In diese Reihe gehört auch der CDU-Wahlkampfgag, Gendern zu verbieten. Es ist die CDU-Version des Veggie-Day, nur dass es anstatt auf weit hinten im Wahlprogramm der Entdeckung durch die Springerpresse harrend zum zentralen Thema aufgebauscht wird. Friedrich Merz hat da seinen politischen Instinkt gezeigt, als er sich prominent mit der Verbotsforderung in Szene setzte. Rechtlich geht das natürlich nicht, aber wenn es um die eigene Sache geht, war die CDU noch nie sonderlich rechtsstaatlich veranlagt.
Wirklich ernstzunehmen ist das in Deutschland glücklicherweise nicht. Die CDU ist nicht Fidesz. Selbst Merz‘ Forderung – geschickt als allgemeines Verbot geframt -, den Behörden geschlechtergerechte Sprache zu verbieten, wird wenig Chance auf Durchsetzung haben. Man demonstriert gefahrlos Volksnähe.
Aber als Wahlkampfthema ist geschlechtergerechte Sprache eben potent, weil es zu einer Hervorhebung führt, wo die Mehrheit klar auf Seite der Union steht. Es wäre geradezu ein Dienstvergehen der CDU-Wahlkämpfenden, das nicht zu benutzen. Aber die CDU weiß eben auch, wie man Wahlkampf macht, im Gegensatz zu ihrer Konkurrenz.
Was bleibt also? Die geschlechtergerechte Sprache wird die Gemüter noch eine ganze Weile beschäftigen. Meine Prognose ist die Folgende: es wird weitere Experimente geben, mit welcher Schreibweise am besten die Ziele geschlechtergerechter Sprache zu erreichen sind. Andere Experimente werden aufgegeben (dazu gehört, da bin ich ziemlich sicher, jeder Versuch, der tatsächlich in die Grammatik eingreift, etwa die Schaffung einer neuen, neutralen Genus-Form). Irgendwann wird sich so etwas wie ein Konsens herausgebildet haben, und der wird dann Stück für Stück übernommen.
Das ist chaotisch und wird wahrscheinlich nie einheitlich gemacht werden. Als Beispiel dafür möchte ich den Abnagelungsprozess vom Begriff „Ausländer*in“ nennen, der durch allerlei Konstruktionen rund um das sperrige Wort „Migrationshintergrund“ ersetzt wurde, der neuerdings selbst wieder in die Kritik geraten ist. Aber solche Prozesse sind immer unschön, sind immer von Verwerfungen, Streits und Diskussionen begleitet. Warum sollte das hier anders sein? Was auch immer am Ende stehen wird, ich bin in einem sicher: es wird nicht das „generische Maskulinum“ sein.
Ich bin mir allerdings nicht so sicher wie Du, dass das eine gute Nachricht ist.
Der Streit darum bindet Zeit und Energie (die anderswo mMn effektiver eingesetzt wären) und liefert Wahlkampfmunition (wie Du selbst sagst) für eine Politik, die Du nicht willst.
Ist es das wert? Bringt das Sternchen was es soll, nämlich durch Sprache das Bewusstsein zu verändern? Ist es nicht eher umgekehrt – es ist das gesellschaftliche Bewusstein, das das Sein – pardon- die Sprache bestimmt?
Thomas Nötting erinnert in einem Beitrag bei meedia („Gendern ist sinnlos“) auf den Bedeutungswandel von „Weib“. Einst normal für weibliche Menschen, heute zwielichtig bis beleidigend. Auch denkt heute keine(r!) bei „Journalisten“ oder „Künstlern“, damit seien nur Männer gemeint.
Du bist doch anglosaxophil(US) – was bedeutet der Sternchenkrieg eigentlih für den englischen Sprachraum? Das mit teacher, friend, singer usw. hatten wir hier ja auch schon mal.
Erstens: Der Streit um den Genderstern ist ja ein arbiträrer. Er ist ein Symptom für gesamtgesellschaftliche Veränderungen und die Debatte darüber. Diskutierten wir nicht den Genderstern, wäre es etwas anderes. Die Debatte wird geführt, und weil nicht ehrlich gesagt wird, nicht ehrlich gesagt werden kann, worum es eigentlich geht, werden da immer Stellvertreterthemen dafür hergenommen werden.
Mit „worum es eigentlich geht“ meinst Du doch, dass es eigentlich um die Stellung der Frau in der Gesellschaft geht und dass diejenigen die gegen gendergerechte Sprache sind, eigentlich die gesellschaftliche Veränderung an sich ablehnen und die Befürworter eben für positive gesellschaftliche Änderung sind, oder?
De facto, ja.
Gut, aber auf der Basis kommt natürlich nie eine fruchtbare Diskussion zu stande.
Wieso?
Weil man ja stattdessen auch vernünftig über das Thema gendergerechte Sprache diskutieren könnte.
Klar. Könnte man. Aber das geht ja offensichtlich nicht mal in einem Nischenblog. 😀
An mir liegt es m.E. nicht.
@ Stefan Sasse 22. Juni 2021, 21:25
Klar. Könnte man. Aber das geht ja offensichtlich nicht mal in einem Nischenblog.
Du kriegst ja sachliche Antworten. Wo liegt Dein Problem?
Das können Sie knicken. Ich bin ein (milder) Gegner der grossen Is und Sternchen und habe vor sehr vielen Jahren im Studentenparlament als Fraktionsführer einmal vorgeschlagen, eine Geschäftsordnung um der Lesbarkeit willen komplett im Femininum (?) zu schreiben. Deshalb will ich weder Frauen zurück an den Herd (wie öde) noch Trans-Menschen aus der Gesellschaft canceln. Und ich weiss, dass ich damit wirklich nicht alleine bin (das schliesst auch eine sehr starke Minderheit von Frauen ein).
Im übrigen gibt es bisher keinen überzeugenden empirischen Beweis dafür, dass die sprachliche „Sichtbarmachung“ von Frauen oder der 0,1% Minderheit von Nicht-Binären etwas bewirkt, sondern es gibt nur eine Reihe methodisch fragürdiger Umfragen zu dem Thema. Und die haben Sie ja weiter oben schon deutlich zerrissen, ich schliesse mich da gerne an.
Ansonsten ist mir das Thema herzlich gleichgültig, solange es von Linken nicht dazu benutzt wird, mich zu diskreditieren. Seltsamerweise WIRD es dazu öffentlich sehr ausgiebig genutzt, was aber sicher nur ein komischer Zufall ist. Genau wie Ihre Behauptung, es verschleiere die wirkliche Debatte (das Argument kenne ich von Marxisten und Fanboys der Psychoanalyse zur genüge).
Gruss,
Thorsten Haupts
Du kannst natürlich den wissenschaftlichen Stand ignorieren und davon reden, dass es keine „empirische Basis“ gebe, das machen die Querdenker*innen und Klimawandelleugner*innen ja auch. Aber das ändert leider wenig dran, dass es schon ziemlich klar ist, nur dass dir das halt nicht passt.
Sorry, aber das ist doch Quatsch. Die Qualität und v.a. Aussagekraft ist damit überhaupt nicht vergleichbar.
Und das Gleichstellen mit Klimaleugnern und Querdenkern ist unterste Schublade.
Klimawandel und Corona Pandemie sind klar belegte Tatsachen mit massiven Auswirkung auf die Gesellschaft. Es gibt so gut wie keine seriösen Wissenschaftler, die dem widersprechen.
Gendergerechte Sprache ist in der Sprachwissenschaft durchaus umstritten und viel wichtiger, es gibt m.W. nicht mal annähernd Konsens darüber, dass diese grosse Auswirkungen (ausserhalb der Sprache an sich) auf die Gesellschaft hätte.
Was exakt mein Punkt war :-). Aber ich lasse mich ja gerne überzeugen – wo genau finde ich wissenschaftliche Feldstudien zur praktischen Auswirkung „gendergerechter Sprache“?
Den Trick, jemanden per Behauptung einer Gruppe von Gehirnamputierten zuzuordnen, lieber Stefan Sasse, kannte ich schon – ich habe ihn vor Jahrzehnten von studentischen Linken gelernt.
Gruss,
Thorsten Haupts
Das ist auch eigentlich nicht Stefan Niveau. Ob’s am Thema liegt?
Da muss ich dir leider widersprechen – das ist genau sein Niveau.
Fundierte Einwände werden ignoriert und so getan, als wäre nichts gewesen und weiterhin Behauptungen als Fakten dargestellt.
Genau deswegen habe ich über die letzten Jahre eine regelrechte Aversion gegenüber Geisteswissenschaftlern entwickelt, dabei hatte ich sie gegenüber meinen Ingenieurskollegen immer verteidigt.
Nehme ich so nicht wahr.
Und von einem Blogger auf alles Geisteswissenschaftler zu schliessen, halte ich für eher gewagt.
Ich glaube das Problem bei diesem Thema ist, dass die Überzeugung auf der richtigen Seite (der Sprachgeschichte) zu stehen so stark ist, dass alles andere ausgeblendet wird.
Weil ich Leute nicht als Gehirnamputierte bezeichnen will, nur weil sie eine andere Meinung haben?
@ derwaechter 22. Juni 2021, 20:12
Und das Gleichstellen mit Klimaleugnern und Querdenkern ist unterste Schublade.
Zustimmung. Aber wenn ich da jetzt wieder „moralisieren“ sage, ist die Empörung vermutlich wieder groß
Sind alle politischen Gegner der Progressiven „unmoralisch“? Und sind das nicht am Ende Zirkelbezüge? Eine Kritik an Klimaleugnerinnen ist moralisierend, eine Kritik an Queerdenkerinnen auch, ein Vergleich von Gegnern gendergerechter Sprache mit Klimaleugnerinnen und Queerdenkerinnen aber auch. Darf die Progressive eigentlich irgendwelche Debatten führen ohne dass deshalb moralisieren vorgeworfen wird?
Hinweise auf Marxisten, Kommunisten, DDR und Sowjetunion werden doch umgekehrt auch ständig bemüht ohne dass das als moralisierend empfunden oder gar mit der Reaktion auf tatsächliche oder vermeintliche Nazi-Vergleiche einhergehen würde…
Reines Buzzword, aber sehr effektiv.
Eine Kritik an Klimaleugnerinnen ist moralisierend, eine Kritik an Queerdenkerinnen auch
Nein. Es zeigt aber, warum die Linken den Vorwurf von Verbotsparteien und Moralisieren nicht verstehen.
Da es gerade wieder aktuell ist: Haben Sie in den letzten Jahren mal in die 10 Gebote geschaut? Die zwei Tafeln mit Geboten, die der liebe Gott damals auf dem Berg Sinai seinem treuen Knappen Moses übergab, wimmelt vor moralischen Handlungsanweisungen. Manche mögen wir heute als old fashion abtun, aber als Jude, Christ, Moslem kann man sich seine Moralsetzer nicht aussuchen.
Als Demokrat schon. Wir sollten nicht fliegen. Wir sollten unseren Fleischkonsum reduzieren. Wir sollten Rücksicht auf Minderheiten nehmen. Das ist das Moralin, das einem Freigeist wie mir so auf den Wecker geht. Wie inzwischen sehr viele gut gebildet, ebenso informiert, mit der chemischen Zusammensetzung von Kohlen-di-oxid vertraut, weiß ich, dass Flugzeuge einiges an dem – was ich auch weiß – Treibhausgas CO2 ausstößt.
Ich fliege dennoch. So wie ich auch Rindfleisch esse. Weil es mir schmeckt. Ich fahre auch Auto, manchmal schwere SUV, manchmal Knutschkugeln. Ich tue das, weil ich ein freier Bürger bin (Vorsicht, Buzzword). Es ist nicht verboten und ich kann es mir preislich leisten. Ich habe auch eine Abwägung getroffen zwischen dem Wissen, dass ich mit manchem Verhalten überdurchschnittlich Kohlendioxid emittiere, den möglichen Folgen meines Verhaltens für das Klima im Jahr 2500 und der Annehmlichkeit für mein Leben heute, das ich nach heutigem Wissensstand nur einmal in der Erdengeschichte habe.
Bettina Gaus hat das anhand einer Anekdote vor einigen Wochen gut beschrieben.
Vor vielen Jahren saß ich in einem journalistischen Hintergrundkreis und wartete mit den anderen auf den damaligen Gesundheitsminister Horst Seehofer. Er betrat den Raum, sah mich mit meiner Zigarette – die war damals bei solchen Gelegenheiten noch erlaubt –, grinste und sagte: »Bitte, rauchen Sie unbedingt weiter! Wir brauchen Ihre Steuern.« Ich war intellektuell schockverliebt. Was er ja eigentlich gesagt hatte: »Sie sind so dämlich. Sie zahlen und zahlen, nur dafür, dass Sie Ihre Gesundheit ruinieren dürfen.« Was er nicht gesagt hatte: Dass ich in seinen Augen moralisch minderwertig war, weil ich rauchte. Kein Werturteil. Perfekt.
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/aus-trotz-ein-steak-im-flieger-a-e18c9f8b-750f-4cff-8a99-a8cbd64ba80f
Ich bin absolut sicher: Die meisten Linken haben das nicht verstanden.
Aber ist das nicht eine Frage des / der „inneren Auseinandersetzung“ mit dem eigenen Gewissen? Sie sagen „sie wissen es“, aber Ihr Genuss wird offensichtlich davon beeinflusst, daher wahrscheinlich auch die Kritik an Progressiven sie seien Heuchler (hypocrites) wenn diese Fliegen oder sich ein gutes Steak gönnen, Zigarren rauchen etc. Aber dafür kann ja die Diskussion, können ja Progressive nichts. Es sind Konservative die persönliches Verhalten im Sinne von Moral betonen, Progressive wollen gesellschaftliche Lösungen diskutieren und finden unabhängig von „persönlicher Verantwortung“?!
Aber ist das nicht eine Frage des / der „inneren Auseinandersetzung“ mit dem eigenen Gewissen?
Nein. Ich verhandele nicht mit meinem Gewissen. Ich versuche für mich rationale Entscheidungen zu treffen, so wie jeder Menschen. Der Glaube, es handele sich um eine innere Auseinandersetzung mit dem eigenen Gewissen setzt eben an dem religiösen Aspekt an. Es ist mir als Christ verboten, bestimmte Sünden zu begehen und tue es trotzdem. Dafür ist dann das Sakrament der Beichte geschaffen.
Die Vorstellungen der Grünen funktionieren in vielen Bereichen genauso. Es sind die von Moralisten. Niemand außer Greta Thunberg (mit viel Geld und Unterstützung) kann sich absolut idealtypisch im Sinne der klimapolitischen Vorstellungen verhalten. Wir sündigen. Also muss ein Ausgleichsmechanismus geschaffen werden, sei es, dass wir uns „klimaneutral stellen“ oder einfach nur bekennen, wie falsch es sei.
Das ist Moralismus und um den geht es. Und dem Priester hält man es ja auch vor, wenn er sich nicht so verhält, wie er es predigt, Sex vor der Ehe zur Sünde erklärt und selbst Affären nebenbei unterhält.
Ich streite mit Verve dafür, effektive Maßnahmen zu implementieren, damit wir uns klimaneutral verhalten können, dass wir unsere Umwelt nicht schädigen und die natürlichen Ressourcen erhalten. Ich bin begeistert für neue Technologien, ich möchte sie umsetzen und die vereinbarten Ziele zu erreichen. So habe ich nie ein einziges Wort gegen das globale Ziel der Klimaneutralität verloren. Sie werden nichts dazu finden.
Aber jeder Mensch hinterlässt einen Fußabdruck. Eltern in Drittweltländern bekommen Kinder, die sie nicht ernähren können und die deswegen in den wenigen Monaten auf dieser Erde elendig verhungern. Das ist auch „Schuld“. Oder die Bauern, die Wälder abfackeln.
Aus einer bestimmten Perspektive sind diese Verhaltensweisen durchaus rational. Aber sie sind aus anderer Perspektive auch brutal. Es kommt auf den Standpunkt an.
Ich hatte schon als Kind den Drang, die Welt kennenzulernen. Auf meiner Tischmappe war eine Weltkarte, auf der ich Santiago de Chile gesehen habe. Aus diesem Draufschauen entstand der Wunsch, diese Stadt am anderen Ende der Welt kennenzulernen. Beruflich stand ich zweimal kurz davor, aber es klappte nicht. Also habe ich mir privat den Wunsch erfüllt.
Ein erfülltes Leben besteht darin, dass wir uns die Sehnsüchte ein Stück erfüllt haben, die wir haben. Carpe Diem! Menschen erzählen entweder davon im Alter oder von dem, was sie alles verpasst haben. Sie haben aber nie davon erzählt, auf was sie verzichtet haben, damit Menschen in 200 Jahren besser leben können.
Es sind Konservative die persönliches Verhalten im Sinne von Moral betonen
Können Sie dafür mal zwei, drei direkte Beispiele nennen?
@ Floor Acita 25. Juni 2021, 09:47
Es sind Konservative die persönliches Verhalten im Sinne von Moral betonen, Progressive wollen gesellschaftliche Lösungen diskutieren und finden unabhängig von „persönlicher Verantwortung“?!
Wow…
Nein, das tun die Progressiven nicht. Sie verurteilen beispielsweise (unabhängig von der Motorleistung) moralisch das Fahren von Autos, die von ihren Herstellern als SUV bezeichnet werden; zu PS-starken Boliden, die deutlich mehr CO2 in die Luft blasen als ein Skoda Yeti oder ein Opel Mocca, hört man wenig. Auch das Bekenntnis zum Fleischessen wird moralisch verpönt, der Genuss von Avocados nicht. Ebenso wird in Sachen Steuern von progressiver Seite aus immer so getan, als ginge es uns schlecht, weil die Reichen zu wenig Steuern zahlen. Wie gewaltig die Steuereinnahmen in der letzten Zeit gestiegen sind, wie ineffizient der Staat wirtschaftet, ist nie ein Thema.
Es geht ganz klar NICHT um die beste gesellschaftliche Lösung, sondern um die gesellschaftlichen Lösungen, die den Progressiven die meiste Macht geben; ist genau wie auf der anderen Seite (nur dass die andere Seite immer alle rechnungen bezahlen soll, egal wofür).
Konservative Beispiele? Wer mit wem zu welchem Zeitpunkt Sex hat, wer mit wem die Ehe schliessen darf, wie sich Mann und Frau in welchen Situationen zu kleiden haben, was „anständig“ ist, was insbesondere für Männer „Mode“ bedeutet, gegenderte Kleidung, …
„Persönliche Verantwortung“?
Ob reich und arm durch gesellschaftliche Zustände entstehen oder persönliche Verfehlung, ebenso Kriminalität, Extremismus, Terrorismus, …
@Stefan Pietsch
„Und dem Priester hält man es ja auch vor, wenn er sich nicht so verhält, wie er es predigt“
Das ist erstens natürlich auch kein linkes Beispiel, zum anderen widerspricht beides Ihrer „innere Logik“ Theorie…
Ich denke jeder Mensch handelt wie von Ihnen beschrieben. Der Unterschied ist doch ob ich mich tatsächlich wohlfühle nachdem ich eine Entscheidung getroffen habe. Das macht Sie und Konservative vielleicht sogar zu besseren Menschen als mich, aber nachdem ich abgewogen und mich entschieden habe zu fliegen oder für das Steak ist mir doch egal ob das als Problem diskutiert wird, das weiss ich ja tatsächlich und habe eine Entscheidung getroffen. In Ihrem zitierten Beispiel wäre es mir tatsächlich egal wie jemand auf meine Zigarette reagiert, hätte ich sie erstmal angezündet. Aber gerade deswegen ist es legitim die gesellschaftlichen Folgen zu diskutieren und die Handlungsspielräume des Individuums entsprechend einzuschränken. Zum Schutz der Angestellten der Gastronomie war das Rauchverbot im Inneren zB in meinen Augen richtig.
@Erwin Gabriel
Es ist halt eine Diskussion. Eine Suche nach einer Antwort, gdnau wie beim gendern. Ist gut und richtig hier blind spots aufzuzeigen, aber „Es geht ganz klar NICHT um die beste gesellschaftliche Lösung, sondern um die gesellschaftlichen Lösungen, die den Progressiven die meiste Macht geben“
Doch, genau darum geht es und von welcher „Macht“ sprechen Sie..?
Das macht Sie und Konservative vielleicht sogar zu besseren Menschen als mich
Völliger Quatsch. Was ist heute morgen mit Ihnen los?
Wenn etwas so schädlich für alle ist, dann muss es verboten werden. Wir erlauben schließlich auch keinen Mord, keinen Diebstahl und keinen Betrug.
Wenn es aber nicht verboten ist, wird es nicht als so schädlich angesehen, persönliche Ansichten hin oder her. Und wenn es nicht so schädlich ist, liegt die Entscheidung bei jedem Einzelnen und den Verhandlungen der Bürger untereinander, wie viel erträglich und zulässig ist.
Eigentlich ganz einfach. Nur verantwortungsvoll.
Was ist heute morgen mit Ihnen los..?
Sie sind es doch, der den Diskurs um notwendige Massnahmen zur Klimarettung, der Migrationskrise etc als ‚moralisieren‘ bezeichnen. Allein die Diskussion, den Aushandlungsprozess bereits als Verbot etc.
Weil genau über diese Maßnahmen und damit deren Notwendigkeit gestritten werden kann. Es ist das Ziel festgelegt, damit gibt es aber keine unbestreitbare Roadmap dahin.
Die Moralisierer sehen es anders. Wer sich ihrem Maßnahmenkatalog verweigert, verweigert sich dem konsensual vereinbarten Ziel. Und ist damit Outlaw.
Es ging um den Unterschied, was eine moralisierende Einstellung in der Politik ist und was nicht. Wenn etwas erlaubt ist, kann nicht der an den Pranger gestellt werden, der Erlaubtes auch tut und nutzt.
Ich kann meinen Freunden verbieten zu rauchen, wenn sie bei mir zu Besuch sind. Erlaube ich aber grundsätzlich das Rauchen, ist es daneben, denjenigen scheel anzusehen, der gerade seine Zigarette zückt und ihn mit einer Moralpredigt zu überziehen, ob er eigentlich wisse, wie schädlich das Rauchen sei.
Strange. Aber genau so verhalten sich die Moralisten in der Politik.
„Wenn etwas erlaubt ist, kann nicht der an den Pranger gestellt werden, der Erlaubtes auch tut und nutzt.“
Das wird ja auch niemand, genau das ist der Strohmann.
„Und ist damit Outlaw“
Nein, ist er ausdrücklich nicht. Das ist Wahrnehmung bzw eben die von mir angesprochene innere Auseinandersetzung.
„Erlaube ich aber grundsätzlich das Rauchen, ist es daneben, denjenigen scheel anzusehen, der gerade seine Zigarette zückt und ihn mit einer Moralpredigt zu überziehen, ob er eigentlich wisse, wie schädlich das Rauchen sei.“
Das ist Ihre Meinung, ich habe gesagt, dass mich das nicht juckt…
@ Floor Acita 26. Juni 2021, 08:48
Es ist halt eine Diskussion. Eine Suche nach einer Antwort, genau wie beim Gendern. Ist gut und richtig hier Blind Spots aufzuzeigen, aber „Es geht ganz klar NICHT um die beste gesellschaftliche Lösung, sondern um die gesellschaftlichen Lösungen, die den Progressiven die meiste Macht geben“
Doch, genau darum geht es …
Es sind hier doch schon genug Beispiele genannt worden?
• Will man CO2 in der Luft bekämpfen, ist der effektivste Weg der Einsatz von Atomkraft.
• Will man die Umwelt schützen, darf man eben nicht überall Windräder hinstellen.
• Will man die Autoabgase reduzieren, darf man nicht auf Fahrzeug-Typen (z.B. SUV) abheben, sondern auf Gewicht, Motorleistung und Verbrauch.
• Ein Blick auf den weltweiten Warentransport zeigt, wie viel mehr Dreck von Frachtschiffen erzeugt wird als von Kreuzfahrtschiffen.
• Fleischkonsum wird grundsätzlich als negativ angeprangert, obwohl sich die Carbon Footprints von Geflügen, Schwein, Rind und anderen Tieren deutlich unterscheiden.
• Der Fleischkonsum wird bemängelt, obwohl die Umweltschäden durch Gemüse / Früchte wie Avocado ebenfalls extrem hoch sind.
usw.
… und von welcher „Macht“ sprechen Sie..?
Von der Macht, seine Lebensvorstellungen anderen aufzudrücken.
@ Floor Acita 25. Juni 2021, 08:26
Sind alle politischen Gegner der Progressiven „unmoralisch“?
Natütrlich nicht, außerdem falsche Frage, passt nicht zum Kontext.
Richtige / passende Frage wäre: Werden alle Gegner der Progressiven als „unmoralisch“ dargestellt?
Antwort: immer wieder
Darf die Progressive eigentlich irgendwelche Debatten führen ohne dass deshalb moralisieren vorgeworfen wird?
Aber klar. Die gibt es auch hier, dann auch ohne „Moralisierend“-Vorwürfe.
Die Frage ist halt, ob man mit Argumenten oder Etiketten in die Diskussion geht. Kommentare wie „typisch alter weißer Mann“, „wie die Querdenker“, „Corona-Leugner“ sind halt keine Argumente, sondern intellektuelle Armutszeugnisse.
Hinweise auf Marxisten, Kommunisten, DDR und Sowjetunion werden doch umgekehrt auch ständig bemüht, …
„DDR“ habe ich schon mal mitbekommen, den Rest nicht so. Aber wenn in einer Diskussion mein einzigers Gegenargument “wie in der DDR“ wäre, habe ich wohl nicht viel beizutragen.
… ohne dass das als moralisierend empfunden …
Wie kommst Du denn darauf
Hier sind schon Leute die Wände hochgegangen, weil ich schrieb, dass ich in jungen jahren auch so argumentiert hätte, mit 40 Jahren Erfahrung mehr auf dem Buckel aber inzwischen eine andere Meinung vertrete.
Und wenn ich sschreiben würde, dass sich solch ein Antwort auch nur ein Linker ausdenken kann, kämen prompt die entsprechenden Antworten.
„Du kannst natürlich den wissenschaftlichen Stand ignorieren …“
Es würde helfen wenn Du mal eine Studie dazu verlinken würdest.
Kann ja Zufall sein – aber bisher sind mir dazu nur sehr zweifelhafte Papiere über den Weg gelaufen (natürlich von Akademikern, aber nicht wirklich wissenschaftlich). In der Regel wurde da die zu beweisende These als selbstverständlich vorausgesetzt und dann mit anekdotischer Evidenz garniert.
Ist aber leider inzwischen oft üblich, keine Spezialität dieses Themas.
Wenn es da also auch einen seriösen wissenschaftlichen Stand gibt, würde mich das interessieren.
„solange es von Linken nicht dazu benutzt wird, mich zu diskreditieren. Seltsamerweise WIRD es dazu öffentlich sehr ausgiebig genutzt“
Darf ich fragen wer Sie sind, müsste ich sie kennen? Oder was meinen Sie mit „öffentlich“ benutzt Sie zu diskreditieren – inwiefern?
Und was mir noch sehr negativ im Magen liegt ist, dass so komisches Gendersprech mit * angezeigt wird wenn man auf meinen Namen gedrückt hält….
Ich bin eigentlich sehri liberal und wenn andere diesen Quatsch für sich verwenden ok.
Aber ich bin gegen Diskriminierung vorallem auch wenn sie durch Sprache stattfindet.
Haben vorher etwa keine Frauen an einem „Leser-Gewinnspiel“ teilgenommen
Oder gab es vorher keine weiblichen Sieger?
Oder sind wir die Nachfahren und Nachfahrinnen des Affen?
Das alleine ist schon so absurd….
Und wie lange heißt es noch der Mensch? der Homo Sapiens?
Eine logische Schlussfolgerung wann denn nun das grammatikalische Geschlecht wieder nichtsmehr mit dem Realen zu tun hat gibt es nicht.
Das erzeugt Diskriminierung, bei einem siegreichen Wettbewerb wo eine Frau gehen viele Männer besteht ist sie nun nicht mehr der Sieger.
Und was mich persönlich stört: es ist extrem störend und anti-aufklärerisch.
Diese neue Doppelform hat genau 0 zusätzlichen Informationswert und diese extensive Nutzung senkt die Text zu Gehirn rate erheblich.
Vor allem logischerweise umso mehr bei denjenigen wo diese Rate hoch ist.
Wie viel Zeit da geraubt wird wo man sich vielleichtmit wirklich Systemveränderndem beschäftigen könnte.
Allein so werden in Deutschland mit Sicherheit mehre Jahre pro tag genommen. (Wenn man 1sec zum lesen des femininen Spezialfalls bräuchte und 31mio Menschen das unnötigerweise aufnehnem müssen wär ca1 Jahr weg
Mich schockiert einfach wie unkritisch und unwidersprochen sich so etwas Ausbreiten konnte. Das wirklich groteske daran ist aber noch, dass diejenigen die es Benutzen sich als die moralisch guten sehen aber einfach zu wenig nachdenken was es in Wahrheit bewirk
@ Derivat 25. Juni 2021, 02:14
Auf den Punkt.
Diese neue Doppelform hat genau 0 zusätzlichen Informationswert und diese extensive Nutzung senkt die Text zu Gehirn rate erheblich.
Vor allem logischerweise umso mehr bei denjenigen, wo diese Rate hoch ist.
🙂
Ich fühle mich geschmeichelt, vielen Dank!
Diese Obsession mit dem Thema ist mir ein Rätsel. Bestätigt meine Vermutung, dass es bewusst oder unbewusst doch hauptsächlich ein Thema zum Virtue Signalling ist.
Es wird sich auf die eine oder andere Art wahrscheinlich durchsetzen und so gut wie keinen Effekt auf die reale Welt haben. Daran ändern auch die vielen linguistischen Studien nichts, die reale Effekte (so weit ich das gesehen habe) eben auch nicht belegen.
Es gibt ja heute nicht mehr weibliche Fußballfans weil der DFB 2006 gendergerechte Sprache eingeführt hätte.
Es gibt heutzutage auch bereits mehr Studentinnen als Studenten, obwohl die Studentinnen ganz überwiegend mit dem generischen Maskulinum aufgewachsen sind. Wie sind die eigentlich auf die Idee gekommen studieren zu können obwohl sie ihr ganzes Leben nur mitgemeint waren?
Vielleicht müssen wir bald wieder männliche Sprache einführen, damit mehr Jungs Abi machen und studieren gehen?
Wer es mit Gleichberechtigung in der Sprache wirklich ernst meint sollte m.E. die Geschlechter in der Sprache nicht sichtbarer sondern unsichtbarer machen. Aber das Thema hatten wir ja auch schon.
Siehe meine Antwort auf CitizenK oben.
Ich denke, die Sichtbarkmachung ist der erste Schritt zur Unsichtbarmachung. Wir haben das gleiche Ziel, wir propagieren nur unterschiedliche Wege.
Das Problem ist halt dass m.E. der von Dir propagierte Weg zu nicht zum Ziel führt. Wahrscheinlich führt er zu gar nichts, vielleicht ist er sogar kontraproduktiv und auf jeden Fall verbraucht er unglaublich viel Energie.
Ich verstehe deine Kritik, aber ich teile sie nicht.
Und das mit der Energie habe ich ja thematisiert.
Das bleibt mir ein Rätsel 🙂
😀 😀 😀
Über Religionsthemen läßt sich kaum diskutierten. Gendern ist eine Glaubensfrage und wer wirklich glaubt, mit einem Sternchen o.ä. der Gleichberechtigung oder gar den Nicht-Binären einen Gefallen zu tun, der soll das halt machen.
Wesentlich ist nur die Freiwilligkeit. Wenn Hochschulen oder Behörden Gendern vorschreiben ist das absolut abzulehnen – genau wie umgekehrt ein Gender-Verbot.
Ich halte die Glaubens-Metapher, die derzeit bei Konservativen und Liberalen so beliebt ist, für eine falsche, aber inhaltlich bin ich bei dir. Es ist eine Frage der Werte und des Weltbilds, das man vertritt.
Völlige Zustimmung.
„Es ist eine Frage der Werte und des Weltbilds, das man vertritt.“
Was soll man da noch sagen?
Die erste Frage lautet doch immer: gibt es ein Problem?
Probleme lassen sich meist genau beschreiben, mit Zahlen umreißen und mit empirischen Erhebungen belegen. Wirtschaftskrisen beispielsweise lassen sich in der Entstehung oft nicht genau umreißen, sind sie aber da, sind die Zahlen eindeutig. Auch in der Pandemie konnten wir anhand von Erkrankten und Toten das Problem benennen.
Die Befürworter der genderverändernden Sprache können genau das nicht. Das zentrale Argument ist stets, das generische Maskulinum schließe nicht alle ein. Doch die angeblich betroffenen werden dazu gar nicht befragt. Es ist wie mit der Aufregung über die Übersetzung der Gedichte von Amanda Gorman: Die Autorin wird nicht gefragt, eilfertige Sprach“wissenschaftler“ wissen jedoch, dass eine weiße Frau nicht die Werke einer Schwarzen übersetzen könne.
Wenn 80 bis 90 Prozent mit einer Situation zufrieden sind, gibt es kein ernsthaftes Problem. 100% Zufriedenheit lässt sich in keiner offenen Gesellschaft erreichen. Wir sprechen von Erzieherinnen und Krankenschwestern, weil sich das so eingeschliffen hat. Denn das ist Sprache vor allem: eine Konvention, die jeder versteht.
Als in den Neunzigerjahren die Sprachpolizei loszog, den Bürgern vorzuschreiben, wie sie zu sprechen und vor allem zu schreiben habe, endete das in einem langjährigen Desaster und ruinierte die Sprachkünste der jüngsten Schüler für immer. „Schreiben nach Gehör“ gehört heute zu den schlimmsten Irrungen von gebildeten Menschen, die sich anmaßten über die Sprache von Millionen Menschen befinden zu können.
Auf die Spitze getrieben wird es durch solche Sinnsuchen: „es bezieht nicht-binäre Personen nicht mit ein.“ Um ein Gefühl für das „Problem“ zu bekommen: Die Anzahl der sich als „nicht-binär“ empfindenden Menschen liegt bei 0,5 Promille – je nach Schätzung. Solche „Diskriminierungen“ muss eine Gesellschaft aushalten, vor allem, wenn mancher meint Milliardäre gehörten nicht zur Demokratie und damit nicht zur Gesellschaft. Die Gruppe der Millionäre ist mit 1,5% weit größer und denen rollt man nicht den roten Teppich aus.
Für Medien ist Kommunikation das Wesen ihres Geschäfts. Anders als Wissenschaftler müssen sie von der allgemeinen Bevölkerung verstanden werden. Und der Großteil dieser Bevölkerung hat gerade einen mittleren Bildungsabschluss und eine Ausbildung, ist aber schon mit der Weltsprache Englisch teilweise überfordert. Es dürfte ein unmögliches Unterfangen sein, in Deutschland dauerhaft eine „Straßensprache“ und eine Amtssprache einzuführen. Denn, das glauben selbst Genderfans nur in der Minderheit, dass wir auf Grillpartys, im Büro und am Ostseestrand mit Gender-Glucksen sprechen werden, wird höchsten höchstens eine feuchte Phantasie weichgespülter Dauerstudenten bleiben, die davon träumen, irgendwann Bundeskanzler*in zu werden.
“Die Gruppe der Millionäre ist mit 1,5% weit größer und denen rollt man nicht den roten Teppich aus.“
Einspruch! Die de facto Politik rollt dieser Personengruppe definitiv den roten Teppich aus: dort wo es wirklich an die Substanz geht, nämlich als Geld.
Das ist im Übrigen meine persönlich größte Frustration bei dem Thema: die vorgeblich Linken (nicht im Parteisinn) verbringen ihre Energie damit, und die wirklich substanziellen Gerechtigkeitsthemen bleiben liegen.
Damit kommen wir dann wieder zum fehlenden Willen zur Macht von links.
Deswegen hat Deutschland einer der höchsten Spitzensteuersätze der OECD und besteuert heute hohe Einkommen >200.000 Euro stärker als vor 20 Jahren. Solche Lobbyisten möchte ich nicht.
http://www.deliberationdaily.de/2019/02/der-spitzensteuersatz-und-die-effektive-belastung-der-einkommen/
Wobei wir in den USA ja gerade gesehen haben, dass Steuersatz nicht gleich effektiv gezahlte Steuern ist…
Und? Was wollen Sie damit sagen?
Das die Höhe der nominalen Steuersätze (zumal nicht absolut, sondern im Vergleich mit anderen) kein guter Massstab dafür ist, ob Millionären (alias „dieser Personengruppe“) (definitiv) der rote Teppich ausgerollt wird…
Erstens geht es medial um Milliardäre, das sind solche, die ein paar Millionen zuviel auf dem Konto haben (Einschätzung von Stefan).
Zweitens bedeutet, dass der nominale Steuersatz nicht entrichtet wird noch lange nicht, dass Millionäre nicht trotzdem sehr hohe und weit höhere Abgaben als normal Sterbliche entrichten. Denn der normale Steuersatz wird auch von normal Sterblichen praktisch nie gezahlt.
Was du nicht mit erwähnt hast, ist ein Wechsel zwischen generischem Maskulin und Feminin, das macht zb die Zeit so und hab ich auch schon in einigen Büchern so gesehen. Oder neutrale Begriffe, irgendwer weint auf Twitter gerade über Fahradfahrende.
Man muss vielleicht auch dazurechnen, dass es immer bestimmte Trends gibt, die selbsternannte Sprachpolizist*innen finden und ungeheuer mit Bedeutung aufladen, die Anglizismen vor einigen Jahren zum Beispiel. Lange nichts mehr von gehört. N*kuss und Z*schnitzel und ähnliches sind ja auch immer mal wieder Thema, aber da ist der Konsens deutlich größer.
Oh diese Idee, Deutsch als Sprache ins GG aufzunehmen, war ja vor ner Weile auch so ein Dauerbrenner.
Das Thema eignet sich also wunderbar für Kulturkämpfe. Auch abseits vom Sternchen. Meine These ist, dass sich das zumindest im offiziellen Bereich mehr und mehr durchsetzen wird und dann gibts neue Aufreger.
Und ja – es hat schon mit Wandel und eben „vom Thron stoßen“ zu tun, dass man eben nicht mehr die Männer (oder Heterosexualität etc) als Norm definiert, sondern diese erweitert. Das findet in der Sprache natürlich größere Aufmerksamkeit als wenn es darum geht zb, dass vornehmlich Bücher von alten, weißen Männern in den Literaturbeilagen besprochen werden. Oder die Medizin vornehmlich auf weiße Männer ausgerichtet ist. usw. usf.
Niggemeier hatte dazu mal einen guten Artikel, da ging es um Homosexualität glaub ich. Akzeptanz statt Toleranz, es reicht eben nicht mehr, nominal gleiche Rechte zu haben (was man auch anzweifeln kann), sondern um echte Gleichberechtigung und da gehört Sichtbarkeit unbedingt dazu. Und dieser Wandel ist noch relativ neu und findet auf unheimlich vielen, verschiedenen Ebenen statt.
Und ich kann übrigens absolut verstehen, dass das schmerzlich ist. Gerade für mittelalte, weiße, heterosexuelle Männer, die nun mal als DER STANDARD gelten. Vielleicht entzündet sich das gerade an eigentlich absurden Kleinigkeiten, die dann herhalten müssen. Und Sprachpurist*innen gibts ja zuhauf. Aber langfristig profitieren alle davon und ich denke, in die Richtung wirds auch weitergehen (hier langen Monolog dazudenken, dass gerade die Standard-Männer davon profitieren könnten und das noch viel zu wenig thematisiert wird)
Völlig korrekt. Ich versuche ja selbst wo ich kann auf neutrale Begriffe zu setzen, geht halt nicht immer. Die Abwechslung kenne ich, mag ich persönlich aber nicht so.
Korrekt, und wie immer ist Identitätspolitik farbenblind. Machen alle.
Exakt.
Korrekt.
Korrekt.
@ Ariane 22. Juni 2021, 13:57
Das findet in der Sprache natürlich größere Aufmerksamkeit als wenn es darum geht zb, dass vornehmlich Bücher von alten, weißen Männern in den Literaturbeilagen besprochen werden. Oder die Medizin vornehmlich auf weiße Männer ausgerichtet ist. usw. usf.
…
Und ich kann übrigens absolut verstehen, dass das schmerzlich ist. Gerade für mittelalte, weiße, heterosexuelle Männer, die nun mal als DER STANDARD gelten.
Hast Du eigentlich noch eine andere Platte?
Ein jeder ist geprägt durch seine Sozialisierung, die nicht nur durch die Familie, sondern auch durch die Gesellschaft geprägt wird, in der er aufwuchs; Nicht umsonst hat man Bezeichnungen für bestimmte Altersgruppen (Baby-Boomer, Generation Golf, Generation X etc).
Ein jeder hat das recht, zu fühlen, zu denken und zu wollen, wie es seiner Prägung entspricht – auch „mittelalte, weiße, heterosexuelle Männer“
Deiner Argumentation zufolge ist schon die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe schlecht, sind die Vorstellungen der Gruppen-Zugehörigen falsch.
Jede ähnlich gelagerte Argumentation meinerseits gegenüber einer anderen Gruppe (Islam / junge Menschen / Farbige etc.) würde von Dir mit großer Empörung als intolerant bekämpft.
Schau in den Spiegel: Du bist beleidigend, intolerant, und Deine Argumentation ist auf AfD-Niveau.
@ Stefan Sasse
Wenn Du da zustimmst, gilt das auch für Dich. Du betreibst das, was Du den anderen vorwirfst, immer wieder selbst.
„‚Und ich kann übrigens absolut verstehen, dass das schmerzlich ist. Gerade für mittelalte, weiße, heterosexuelle Männer, die nun mal als DER STANDARD gelten‘
Hast Du eigentlich noch eine andere Platte?
Ein jeder ist geprägt durch seine Sozialisierung“
Sorry, dass ich hier einhake, aber ist das nicht die exakt gleiche Aussage? Ausgangspunkt gendergerechter Sprache ist ja, dass sich Menschen unwohl fühlen mit dem status quo, auch im Übrigen unerheblich wie klein/repräsentativ diese Minderheit, offensichtlich gross genug, dass sich Sprachwissenschaftlerinnen damit befassen und versuchen Lösungen zu finden. Stefan hat ja öfter darauf hingewiesen, dass es bisher keine vollends befriedigende Antwort gibt / experimentiert wird.
Ein Kommentator hat anekdotisch folgendes berichtet:
„Ich habe eine dreibändige Science-Fiction-Reihe gelesen, die komplett im Femininum gehalten war (“Imperial Raadch Trilogie). Das fand ich schon spannend; na gut – erst nachdem ich mitbekommen hatte, dass die „Leutnantin“ ein offenbar strammer Bursche war; ich habe danach von vorne zu lesen begonnen, um nichts zu verpassen.“
Offensichtlich wurde bei „Leutnantin“ zunächst mal sofort an eine Frau, zumindst nicht an einen Mann / „strammen Burschen“ gedacht. Wieso ist es also für viele so unverständlich, dass bei „Leutnant“ nicht notwendigerweise von allen Frauen und nicht-binäre Personen mitgedacht werden?
Ist es wirklich eine moralische Frage festzustellen, dass eine Sozialisierung als Mann letzteres wahrscheinlicher macht, dass eine Sozialisierung als Teil der ethnischen Mehrheit ein Unwohlsein als Reaktion auf Worte wie Z*schnitzel oder N*kuss/M*kopf unwahrscheinlicher macht, dass es mit zunehmender Erfahrung dementsprechender Sozialisierung wahrscheinlicher wird die Abweichung vom Gewohnten status quo als unangenehmzu empfinden?
Wie bei meinem Hinweis auf den grösseren Handlungsspielraum von Weissen in westlichen Gesellschaften geht es ja nicht um Kritik an bestimmten Personen(-gruppen) oder gar der Verächtlichmachung, sondern dem Hinweis, dass sich bestimmte Fragen – hier gendergerechte Sprache – für verschiedene Personen(-gruppen) anders stellt oder zumindest stellen kann als für andere. Selbst wenn eine Mehrheit der Frauen, die ja ebenfalls in unserer Gesellschaft sozialisiert werden, das ablehnen würde (und bisher wird zumindest hier eher von „starker Minderheit“ gesprochen) wäre das doch kein Argument gegen den Versuch auf die Berürfnisse der Minderheit einzugehen, eine Lösung zu finden die für möglichst viele Leute am Ende zufridenstellend ist?
Ich glaube in all den gesellschaftspolitischen Fragen geht es weniger darum die Anliegen von relativ Privilegierten (Männern, Weissen, Heteros, cis-Gendern etc.) nicht anzuerkennen, sondern einerseits darum, dass diese die Diskussion einerseits nicht dominieren (rein aufgrund der grösseren Zahl) andererseits aber auch um die „Relevanz“ konkreter Aussagen im Sinne davon, dass ich ja tatsächlich annehmen kann, dass das Unwohlsein durch den status quo in diesen Gruppen geringer ist als das Unwohlsein durch Veränderung des solchen, jedenfalls relativ zu den weniger privilegierten Gruppen. Das Argument muss ich wahrnehmen, aber ich muss es m.E. nicht immer und immerwieder hören, insbesondere dannnicht, wenn es unmittelbar als Reaktion auf Wahrnehmung der Diskussion als Angriff auf die eigene Persönlichkeit gewertet wird – und das passiert nun mal so sicher wie das Amen in der Kirche auf jegliche gesellschaftspolitische Diskussion / Versuch der Veränderung des status quo – Feminismus ist ein Angriff auf Männer, Schwulenrechte ein Angriff auf Heteros, Transrechte eine Indoktrinierung von Kindern oder Gefährdung der Gesellschaft, Anti-Rassismus ein Angriff auf Weisse usw.
Mich macht das mittlerweile nur noch müde, die eigentliche Auseinandersetzung wird damit zunehmend erschwert…
Geht mir auch so.
@ Floor Acita 25. Juni 2021, 09:07
Sorry, dass ich hier einhake, aber ist das nicht die exakt gleiche Aussage?
Nein. Die Standpunkte von mir meiner Generation werden von Ariane immer wieder abgetan nach dem Motto „alte, weiße Männer“. Das kann eine (aus meiner Sicht überflüssige) Beschreibung sein, aber nie ein Argument oder ein Urteil.
Wieso ist es also für viele so unverständlich, dass bei „Leutnant“ nicht notwendigerweise von allen Frauen und nicht-binäre Personen mitgedacht werden?
Unter der Bezeichnung „Lehrer“ verstehe ich das Kolleg, den Lehrkörper, die Gemeinschaft aller Lehrenden an einer Schule. Bei einer „Lehrerin Meier“ erwarte ich eine Frau, genauso wie ich bei einem „Lehrer Meier“ einen Mann erwarte. Wenn also eine „Leutnantin XXX“ erwähnt wird, erwarte ich eine Frau. Erst aus einer später folgenden Beschreibung wurde mir klar, dass ich mich irrte.
und das passiert nun mal so sicher wie das Amen in der Kirche auf jegliche gesellschaftspolitische Diskussion / Versuch der Veränderung des Status quo – Feminismus ist ein Angriff auf Männer, Schwulenrechte ein Angriff auf Heteros, Transrechte eine Indoktrinierung von Kindern oder Gefährdung der Gesellschaft, Anti-Rassismus ein Angriff auf Weiße usw.
Ich für meine Person bemühe mich, die Erweiterung von Rechten einer Gruppe, ob sie nun von der Rasse, von der Religion, vom Geschlecht, sexuellen Orientierung, der Hautfarbe oder in ihrer politischen Meinung von mir abweichen, nicht als Eingriff in meine Rechte zu sehen. Falls das doch geschehen sollte, geschieht es nicht in bösem Willen, und man kann hier an meinen Diskussionen nachverfolgen, dass ich durchaus bereit bin, meine Standpunkte nachzubessern.
Ich möchte nicht nur aufgrund der Tatsache, dass ich weiß, männlich, heterosexuell und 63 Jahre alt bin, für angebliche Vorurteile verurteilt werden, die im Kopf einer anderen Person herumschwirren, die sich offenbar für etwas Besseres hält.
Mich macht das mittlerweile nur noch müde, die eigentliche Auseinandersetzung wird damit zunehmend erschwert…
Erklär das Ariane, nicht mir. Sie reitet immer auf dieser Platte herum. Wenn ich auf gleiche Art und Weise antworten würde, wäre ich sofort als Sexist verschrien. Nur weil sie eine junge progressive Frau ist, ist nicht alles automatisch richtig, was sie schreibt.
@ Stefan Sasse
Selbst schuld. Du mischt da ständig mit und stimmst solchen Sprüchen zu.
Ich möchte nicht nur aufgrund der Tatsache, dass ich weiß, männlich, heterosexuell und 63 Jahre alt bin, für angebliche Vorurteile verurteilt werden, die im Kopf einer anderen Person herumschwirren, die sich offenbar für etwas Besseres hält.
Mich macht das mittlerweile nur noch müde, die eigentliche Auseinandersetzung wird damit zunehmend erschwert…
Erklär das Ariane, nicht mir. Sie reitet immer auf dieser Platte herum. Wenn ich auf gleiche Art und Weise antworten würde, wäre ich sofort als Sexist verschrien. Nur weil sie eine junge progressive Frau ist, ist nicht alles automatisch richtig, was sie schreibt.
Meine Güte, hab ich dir was getan?
Das ist doch überhaupt kein Angriff auf dich persönlich, wenn ich allgemein, alte weiße, heterosexuelle Männer sage. Wie soll ich das denn bitte sonst nennen? Die Allgemeinheit? Und alle anderen sind dann was? Die gehen unter?
Das ist ja genau das Problem. Es geht nicht darum, zig Gruppen zu definieren, die dann gegeneinander kämpfen, sondern die (sprachlich) gleichwertig nebeneinander zu stellen.
@ Ariane 26. Juni 2021, 02:12
Das ist doch überhaupt kein Angriff auf dich persönlich, wenn ich allgemein, alte weiße, heterosexuelle Männer sage.
Wenn ich mich immer wieder abfällig über die Minungen von jüngeren Frauen äußere (oder über jüngere Frauen, die auf dem Land wohnen, oder über Singles oder über Frauen mit Deiner Haarfarbe auch immer), so mögen das zutreffende beschreibungen sein, die man so nennen kann.
Aber gefallen würde Dir das nicht.
Wenn Dir eine Meinung oder ein Standpunkt nicht gefällt, kannst Du doch auch die Meinung oder den Standpunkt nennen und Deine Argumente dagegen setzen. Bin ich einverstanden, stimme ich zu; bin ich dagegen, kriegst Du mein Argument.
Das geht alles, ohne „alte weiße Männer“ als Beschreibung oder als Argument zu beanspruchen.
Das ist ja genau das Problem. Es geht nicht darum, zig Gruppen zu definieren, die dann gegeneinander kämpfen, sondern die (sprachlich) gleichwertig nebeneinander zu stellen.
Warum musst Du Gruppen definieren (und warum immer nur diese)? Das sind nur Etiketten, und dann sprichst Du über Etiketten, aber nicht über Meinungen und Standpunkte.
@Floor
Ja danke, geht mir ähnlich.
Ein Kommentator hat anekdotisch folgendes berichtet:
„Ich habe eine dreibändige Science-Fiction-Reihe gelesen, die komplett im Femininum gehalten war (“Imperial Raadch Trilogie). Das fand ich schon spannend; na gut – erst nachdem ich mitbekommen hatte, dass die „Leutnantin“ ein offenbar strammer Bursche war; ich habe danach von vorne zu lesen begonnen, um nichts zu verpassen.“
Es ist vielleicht nicht ganz vergleichbar, aber einige experimentieren ja mit dem generischen Femininum und es ist wirklich merkwürdig. Ich hatte das in einigen Podcasts und hab ne Weile gebraucht, bis ich gemerkt habe, sie sprechen gar nicht von bestimmten Frauen. (Insgesamt halte ich diese Form allerdings für nicht besonders zukunftsfähig)
Ich auch nicht.
Ja hallo Erwin auch
Schau in den Spiegel: Du bist beleidigend, intolerant, und Deine Argumentation ist auf AfD-Niveau.
Ähm? Geht es auch eine Stufe drunter?
Ein jeder hat das recht, zu fühlen, zu denken und zu wollen, wie es seiner Prägung entspricht – auch „mittelalte, weiße, heterosexuelle Männer“
Deiner Argumentation zufolge ist schon die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe schlecht, sind die Vorstellungen der Gruppen-Zugehörigen falsch.
Natürlich, ich stelle das doch auch gar nicht in Abrede. Natürlich dürfen mittelalte, weiße Männer sich fühlen, wie sie wollen.
Mir geht es darum, dass diese in unserer Gesellschaft nun mal als Standard gelten. Wie es eben zb Frauenliteratur gibt, aber keine Männerliteratur. Das ist dann einfach Literatur.
Da bist auch weder Du noch sonst ein Einzelner dran schuld, unsere Gesellschaft funktioniert nun mal so. Und die Gendersprache (u.a.) greift das an und will den Standard sozusagen erweitern (oder auch abschaffen).
Das ist anstrengend. Aber im Grunde unterstütze ich das, weil es normal ist, sich am Standard zu orientieren. Alles was da nicht reinpasst, ist „das andere“. Deswegen wurde ja der Begriff „alte, weiße Männer“ überhaupt erst erfunden, weil die sonst gar nicht als Gruppe im Sprachlichen existiert haben.
Diese Betroffenheit zeigt ja, dass es einen Nerv getroffen hat. Und nochmal: die sollen ja nicht weg, oder es heißt, dass die blöd sind. Sie sollen nur nicht mehr der alleinige Standard sein. Du kannst da ja gerne dagegen sein, aber es wäre nett, mir nicht deswegen gleich AfD-nähe zu attestieren!
Wie es eben zb Frauenliteratur gibt, aber keine Männerliteratur. Das ist dann einfach Literatur.
Gilt in anderen Bereichen genauso: Band mit ausschließlich weiblichen Mitgliedern = Frauenband. Band mit gemischten Mitgliedern oder ausschließlich Männern = Band.
Klar, das ist ja die Kritik an dem ganzen. Dass es Männer als Standard setzt.
Ich weiß. Ich wollte das auch nur durch ein weiteres Beispiel unterstreichen.
Bin ich bei Ariane.
@ Ariane 26. Juni 2021, 02:02
Ähm? Geht es auch eine Stufe drunter?
Ich halte die Beschreibung für zutreffend.
Mir geht es darum, dass diese in unserer Gesellschaft nun mal als Standard gelten. Wie es eben z.b. Frauenliteratur gibt, aber keine Männerliteratur. Das ist dann einfach Literatur.
Wenn es Bücher über spezielle Frauenthemen gibt, ist das Frauenliteratur. Klar. Wenn eine Frau aber ein ganz normales Buch schreibt („Nebel von Avalon“, Harry Potter“ etc), ist es ebenfalls ganz normale Literatur.
Und die Gendersprache (u.a.) greift das an und will den Standard sozusagen erweitern (oder auch abschaffen).
Zum einen fühle ich mich nicht als Standard. Ich werde wie jeder andere Mensch auf diesem Planeten an vielen Stellen diskriminiert; an anderen als Du, nehme ich mal an, aber so wie es die „Frau am Steuer“ gibt, gibt es auch den „Opa am Steuer“ oder den „jugendlichen Raser“. Geschenkt.
Ich wehre mich aber (bildlich gesprochen) dagegen, dass mir jemand ins Gesicht schaut und mir dann einen bestimmten Fahrstil unterstellt. Das ist aber, was Du immer wieder tust.
Das ist anstrengend. Aber im Grunde unterstütze ich das, weil es normal ist, sich am Standard zu orientieren. Alles was da nicht reinpasst, ist „das andere“.
Ich verstehe diese Denke nicht. Ich habe noch nie etwas für richtig gehalten, NUR weil es der Standard ist, und noch nie etwas abgelehnt, NUR weil es etwas anderes ist. Lass uns über eine Situation, über ein Verhalten, eine Meinung reden, und gut ist.
Zumal sich der Standard verändert (derzeit sogar recht stark), was mit einem steigenden Übergewicht der Städte, einer wachsenden Bedeutung von Frauen und einer überall vorzufindenden Einbindung von Multikulti ist. Meine Generation ist nicht mehr die bestimmende, das ist eher die Generation von Stefan Pietsch.
Deswegen wurde ja der Begriff „alte, weiße Männer“ überhaupt erst erfunden, weil die sonst gar nicht als Gruppe im Sprachlichen existiert haben.
Es ist ein ausschließlich diskriminierend eingesetzter Begriff (selbst die FAZ schreibt: „Sie sind das Feindbild unserer Zeit: alte weiße Männer“).
Diese Betroffenheit zeigt ja, dass es einen Nerv getroffen hat.
Ich weiß nicht, vor wie vielen Jahren Du damit angefangen hast, und ich habe Dir von Anfang an gesagt, dass ich diese Etikettenkleberei nicht mag, weil Du mich damit in eine Schublade steckst, und dass Du den Begriff nur negativ konnotierst.
Wir können ja mal probieren, wie gut sich das auf Deine Laune auswirkt, wenn ich bei jedem Kommentar von Dir darauf hinweise, dass das offenbar eine Frau geschrieben hat. Genauso würdest Du die Wände hochgehen, wenn ich bei einer grummeligen Antwort von Dir Fragen würde, ob Du Deine Tage hast. Derartiges Klischee-Denken taugt nicht die Bohne.
Und nochmal: die sollen ja nicht weg, oder es heißt, dass die blöd sind. Sie sollen nur nicht mehr der alleinige Standard sein.
Danke für die Toleranz.
Ich habe noch keine Frau getroffen, die nicht irgendwie selbst Standard sein wollte (zumindest gegenüber ihrem Mann).
Mal im Ernst, von was sprichst Du? Der Standard ist die Mehrheit. Sollen wir weg? Sollen wir uns freiwillig so verhalten und denken, wie andere es von uns erwarten? Warte 20 Jahre, dann löst sich das Problem von selbst. Ooops, dann bist Du ja Teil des Standards …
Kannst Du nicht einfach sagen, was Dich nervt, und dann diskutieren wir darüber? Muss immer dieser Kampfbegriff dazu?
Du kannst da ja gerne dagegen sein, …
Ich bin nur gegen Deine Etikettenkleberei.
…aber es wäre nett, mir nicht deswegen gleich AfD-Nähe zu attestieren!
Du hast nicht richtig gelesen. Ich habe Dir keine AfD-Nähe attestiert, sondern nur darauf hingewiesen, dass Du die gleichen Argumentationsschemata benutzt.
Ich gebe zu, ich verstehe überhaupt nicht den Diskussionsgegenstand. Der Ursprungskommentar war weder an dich noch an jemanden speziell gerichtet und ich habe auch alten, weißen Männern weder Verhaltensweisen noch sonstwas unterstellt, sondern nur gesagt, dass sie existieren.
Du tust so als hätte ich dich persönlich als homofeindlich und misogyn betitelt oder sowas. Keine Ahnung, was da bei dir passiert. Es tut mir leid, wenn du dich beleidigt fühlst, aber ich muss das ja irgendwie beschreiben und wüsste sonst bei solchen Themen nicht wie. Und natürlich sind sie der Standard, Maßstab, wasauchimmer. Deswegen ist es ja das generische Maskulin und nicht Feminin.
Und das hat sich ja nicht mal ein alter weißer Mann irgendwann ausgedacht, um andere zu ärgern, sondern hat sich historisch entwickelt. Und war ja auch bis vor wenigen Jahrzehnten im Großen und Ganzen korrekt so. Das war eine ziemlich reine Männerwelt, und weiß und heterosexuell. Genau wie in „We the people“ in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung keine Schwarzen mitgemeint waren. Oder es in Frankfurt wirklich nur um Bürgerrechte ging ohne dass Frauen mitgemeint waren. Aber die Welt hat sich erheblich geändert und ich sehe auch kein Problem damit, dem auch sprachlich Ausdruck zu verleihen. Dass es einen Effekt hat, haben ja etliche Studien gezeigt, auf die Stefan verlinkt hat.
Wenn eine Frau aber ein ganz normales Buch schreibt („Nebel von Avalon“, Harry Potter“ etc), ist es ebenfalls ganz normale Literatur.
Öhm, echt jetzt? Nebel von Avalon ist einer der Inbegriffe von Frauenliteratur. Geschlagen vielleicht noch von Utta Danella oder so.
@ Ariane 26. Juni 2021, 20:55
Ich gebe zu, ich verstehe überhaupt nicht den Diskussionsgegenstand.
Das wird immer wieder deutlich.
… ich muss das ja irgendwie beschreiben und wüsste sonst bei solchen Themen nicht wie.
Warum? Wofür? Das verstehe ich nicht.
Und natürlich sind sie der Standard, Maßstab, wasauchimmer. Deswegen ist es ja das generische Maskulin und nicht Feminin.
Quatsch. Selbst wenn weiße Männer meiner Altersgruppe der Standard wären (wofür eigentlich; sicherlich nicht für die ganze Gesellschaft), gibt es das generische Maskulinum schon viel, viel länger.
Und wenn Dich das generische Maskulinum stört, sag es; für diese Aussage brauchst Du das Etikett „alte weiße Männer“ nicht. Reicht, wenn Du sagst, dass Du Dich „nicht mitgemeint“ fühlst o.ä., dann verstehe ich Dich schon.
Aber die Welt hat sich erheblich geändert …
Jaaa, geht doch. Wenn die alten weißen Männer noch so das Sagen hätten, wie Du es immer unterstellst, wäre nich Annalena Baerbock Kanzlerkandidatin der Grünen, sondern Robert Habeck, auf den Speisekarten wäre noch das Z*Schnitzel zu finden, und schicke Oberhemden gäbe es nicht nut in „slim“ oder „body fi“, sondern auch für „comfort“.
… und ich sehe auch kein Problem damit, dem auch sprachlich Ausdruck zu verleihen.
Ich schon, da ich unter den derzeit auf dem Tisch liegenden Alternativen noch keine Lösung gesehen habe, die nicht die Sprachverständlichkeit derbe einschränkt; ansonsten bin ich voller Unverständnis, aber eben auch vom Problem nicht betroffen.
Dass es einen Effekt hat, haben ja etliche Studien gezeigt, auf die Stefan verlinkt hat.
Ja. Aber Stefan ist auch in der Lage, eine Studie zum Thema zu verlinken. Er kommt ohne die alten weißen Männer aus, um sich zum Thema „Gender-Sprache“ zu äußern. Kann offenbar nicht jeder.
Öhm, echt jetzt? Nebel von Avalon ist einer der Inbegriffe von Frauenliteratur. Geschlagen vielleicht noch von Utta Danella oder so.
Dann eben nur Harry Potter als Beispiel.
Und wenn Du Männerliteratur googelst, kriegst Du auch genügend Buchvorschläge, die sich Männerthemen widmen.
Die empirischen Forschungen der feministischen Linguistik (1h 50 min):
https://www.belleslettres.eu/content/deklination/gender-nubling-lobin-sueddeutsche.php
Die Entstehung des grammatischen Geschlechts bis zum Genussystem im Deutschen (1h 20 min):
https://www.belleslettres.eu/content/deklination/genus.php
Wenn man sich diese Ausführungen eines echten Sprachhistorikers anschaut, kommen diese angeblichen „linguistischen“ Studien, die ja alles zweifelsfrei belegen, nicht gut weg. Aber so ist es ja immer mit dem gefährlichen Halbwissen, dem ja auch hier so gerne gefrönt wird – scheint eine Lehrerkrankheit zu sein.
Das Problem an diesen Studien ist m.E. gar nicht so sehr, ob ihre Ergebnisse richtig sind oder nicht, sondern dass sich aus den Ergebnissen wenig sinnvolles für die „echte“ Welt ableiten lässt.
In diesem Artikel ist das im Abschnitt „Psycholinguistische Experimente“ ganz gut beschrieben.
https://www.ruhrbarone.de/farewell-generisches-maskulinum-ein-nachruf/198513
Ich lasse den Abschnitt einfach mal hier, da Stefan weiter oben noch mal meinte, die Studien seien so deutlich. Es brächte keinen Mehrwert, wenn ich jetzt versuchte das noch mal in eigenen Worten nachzuerzählen.
„Da die Alltagserfahrung eigentlich kaum Zweifel daran lässt, dass es ganz gut möglich ist, mittels des GM zu kommunizieren, ziehen die Gegner Experimente heran. Diese psycholinguistischen Experimente zielen darauf ab, nachzuweisen, was und wie jemand angeblich denkt. Diese Studien weisen nicht nach, wie die Sprache praktisch wirkt, denn da gibt es auch wenig zu finden. Jeder weiß, dass es bis vor Kurzem möglich war, sich unmissverständlich mittels des GM auszudrücken. Es dürfte allenfalls in Ausnahmesituationen vorgekommen sein, dass ein Satz wie „Da kommen ja die Passagiere“ zu Missverständnissen oder irgendwelchen praktischen Problemen geführt hat. Es bedarf schon einiger Fantasie, sich auszumalen, in welcher Situation ein Rezipient in diesem Fall irrigerweise nur männliche Passagiere erwarten würde.
Was die Studien daher untersuchen ist, ob man nicht irgendwie nachweisen könnte, dass Menschen aber dann doch etwas Falsches denken. Und so untersucht man zum Beispiel, wieviele Frauen oder Männer sie nennen, wenn man das GM benutzt oder wie die Verarbeitungsgeschwindigkeit ist, wenn auf das GM die Nennung weiblicher Personen folgt. Dabei lässt sich beweisen, dass das Gehirn im Deutschen tatsächlich mehr beschäftigt ist, dass es ein bisschen länger dauert oder öfter zu Fehlern führt, wenn das GM angewendet wird.
Es lohnt sich, dies genauer anzuschauen, weil es gerne als „Beweis“ für Ungerechtigkeiten angeführt wird. Das Experiment geht ungefähr so: Man sagt Versuchspersonen einen Satz, bleiben wir bei „Da kommen die Passagiere“. Dann fragt man, ob der folgende Satz eine sinnvolle Fortsetzung ist. Es folgt so etwas wie: „Die Frauen tragen keine Koffer“. (Dies sind Beispiele, die ich mir ausgedacht habe, die im Original verwendeten Texte sind mir nicht bekannt.) Das ist eine sinnvolle Fortsetzung. Oder es folgt ein Satz, der hier keinen Sinn ergibt. Es wird gemessen, wie oft der Proband einen Fehler macht bzw. wie lange er braucht, um den zweiten Satz als passend oder unpassend zu begreifen.
In anderen Sprachen, ohne GM, gibt es hier keine Probleme. Im Deutschen aber brauchen die Versuchspersonen in solchen Konstellationen etwas länger oder machen häufiger Fehler. Damit sei, so die Interpretation der GM-Gegner, bewiesen, dass man beim GM eigentlich immer erst an Männer denkt und dies dann nur korrigiert, wenn der Kontext es erfordert. Frauen seien daher „benachteiligt“.
Nun ist das ganze Experiment eigentlich zwecklos. Denn es weißt ja nur nach, was sowieso klar war: Dass es im Deutschen mehrere Interpretationsmöglichkeiten dieser grammatischen Form gibt, was sich in messbaren kognitiven Vorgängen eben auch belegen lässt. Gäbe es keine zwei Bedeutungen, würde es, wie im Englischen, nie zu Verzögerungen oder Missverständnissen kommen.
Ob man im Übrigen wirklich erst an Männer denkt und dies dann korrigiert, oder ob man es in Gedanken offenlässt und deswegen länger braucht, ist damit nicht bewiesen. Aber es ist auch egal. Denn es ist absurd, die Reihenfolge, in der innerhalb von Sekundenbruchteilen im Gehirn eine Bedeutung erfasst wird, als Ungerechtigkeit zu bezeichnen. Die Botschaft – da kommen Passagiere und die Frauen unter ihnen tragen keine Koffer – wird am Ende verstanden. Die Forderung, man möge bitte im kognitiven Prozess der Verständnisbildung an anderer Stelle in Erscheinung treten, ist grotesk. Dann müsste auch die Endung „-in“ vorgezogen werden, weil man, wenn man ein langes Wort wie „Hochschulprofessorin“ hört, am Anfang wahrscheinlich noch an einem Mann denkt, bis man endlich das -in wahrnimmt.“
Der angebliche Beweis in dem Artikel der Ruhrbarone (https://www.nzz.ch/feuilleton/gendern-genus-und-sexus-sind-eng-miteinander-verbunden-ld.1578299?) wird von Belles Lettres – ich glaube im ersten verlinkten Video, auch sehr schön zerlegt.
Ich kann mich an den Abschnitt über „das Mädchen“ und die „Schwuchtel“ erinnern, in dem er an diesen Linguisten kein gutes Haar lässt, weil sie eine Metapher nicht erkennen. Ähnlich wie Anatol Stefanowitsch sollten sich diese Genderlinguisten nicht in historischer Sprachwissenschaft versuchen.
Und hier schließt sich wieder der Kreis des gefährlichen Halbwissens, bzw. der politischen Agenda.
Es geht mir gar nicht um „zerlegen“ o.ä., weshalb mir der Artikeln von Ruhrbarone auch so gut gefällt. Es wird einfach sehr sachlich dargelegt, dass die Sache längst nicht so eindeutig ist wie z.B. Stefan Sasse behaupten und es auf eine Eindeutigkeitsstufe mit Klimawandel oder Coronavirus stellen oder (an andere Stelle in diesem Blog) mit der Verwendung des N-Worts vergleichen. Den Befürwortern sind hier einfach völlig die Massstäbe verrutscht. Denene die Gender-Gaga schreien natürlich auch, aber das kann ja auch kein Massstab sein.
Zitat 1:
„das „generische Maskulinum“ existiert nicht. Weder ist es eine Art offizieller Regel der deutschen Sprache, noch tut es, was es angeblich tut, nämlich andere „mitmeinen“ “
Zitat 2:
„Ein unter Demoskopen weithin bekanntes,…..“
Finde den Fehler ^.
Spaß beiseite: Was bedeutet das nu, wenn man/frau sich richtig anstrengen muss, die gendergerechte Schreibweise nicht womöglich stellenweise zu vergessen bzw. einem das Genderungerechte nicht automatisch ins Auge fällt bzw. in den Sinn kommt, sondern erst beim Noch-mal-genau-Nachgucken ?
Hat das generische Maskulinum dann nicht womöglich doch was für sich? Sprich: Es funktioniert doch irgendwie zwanglos im Sinne von „mitgedacht? Soweit als Advocatus Diaboli……ähm….Diaboli/Diabolae.
Was mich ansonsten betrifft: Würde das generische Maskulinum jedenfalls nicht apodiktisch ausschließen. Mindestens als Ausrede und zur Abwehr von Chauvi-Verdacht wird das auch weiterhin gute Dienste leisten^. Generell bin ich eh gegen 150 % Lösungen und Verkrampfungen, das macht nur schlechte Laune. Man/frau könnte z.B. die Sternchen oder andere Formen mal setzen und auch mal weglassen. Wäre die anarchische Lösung, die könnte evtl. sogar geschickter sein.
Ignoranz ist natürlich auch nicht das Richtige: Das GM ist durchaus problematisch, IMHO. Zum unangreifbaren Heiligtum eignet sich das also nicht. Hauptargument: Es gibt grundsätzlich mal keinen Grund, etwas, was man/frau angeblich „mitmeint“ nicht auch tatsächlich auszusprechen oder aufzuschreiben. Runtergekocht und ganz altmodisch ausgedrückt: Unhöflich. Was von Spezialfällen wie z.B. „Armleuchter*innen“ oder vereinfacht: „Armleuchtende“ zu halten ist, muss noch gesondert geklärt werden.
Nur die ganz harten Maskulinisten jedenfalls können behaupten, dass herkömmliche kulturelle Gewohnheiten (sprich: Männer und Frauen sind nicht gleichberechtigt) sich in der Sprache nicht widerspiegeln. Also: man/frau sollte das GM mal ordentlich löchern, auch ohne gleich zu rädern und zu vierteilen. Stirbt dann in ferner Zukunft irgendwann mal von selbst – wenn nichts dazwischen kommt 🙁 .
Am besten gefällt mir immer noch die GM-Version des ollen Adenauer:
https://www.kas.de/de/statische-inhalte-detail/-/content/-in-diesem-kreis-sind-auch-sie-ein-herr-
Generiker könnten sagen: Frauen in ihrer Eigenschaft als „leitende Personen“ sind ggf. „Herren“. Dass sich der Begriff etymologisch mit dem natürlichen Geschlecht kreuzt, ist purer Zufall und bedeutet gar nichts. Jede Frau kann also froh sein, wenn sie als Herr angesprochen wird.
Mich dürft ihr gerne Herr nennen 😀
Wäre die anarchische Lösung, die könnte evtl. sogar geschickter sein.
Ich denke, so wird es auch letztlich kommen. Man sieht es jetzt ja schon, dass die meisten offiziellen Stellen und Medien das übernehmen. In offiziellen Sachen mache ich das auch, wenns mal gebraucht wird.
Im Alltag wird sich vermutlich irgendeine Mischung durchsetzen, ich bin auch oft ein fauler Tipper und nehme dann das GM oder wechsel oder das Binnen-I, weil sich das am leichtesten tippen lässt^^
Auch ein Grund, warum ich auf neutrale Begriffe stehe. Bei mir hat es sich zb ein bisschen eingebürgert, überall -leute oder -menschen dranzuhängen. Ist ja nicht, dass die deutsche Sprache – gerade im Alltagsgebrauch – nicht flexibel sein kann.
Danke für den Hinweis. Es ist reine Gewöhnung.
Vorab : Bei den Formen gerechter (Schrift)Sprache hast du zwei für mich erwähnenswerte Varianten nicht genannt:
– den altbekannten Schrägstrich: Bäcker/-in, der bereits weitverbreitet ist und in der Anwendung bewährt.
– Den Doppelpunkt Kolleg:innen, der die Charakteristiken des Sternchens teilt, aber optisch weniger aufdringlich ist.
Vorab 2 : Nachgezählt hast du im gesamten Text 4 mal das Gendersternchen verwendet.
Vorab 3: Echte Intersexualität ist ausgesprochen selten ( hoch gegriffen ca 1 in 5000) Die überwiegende Mehrheit der TG-Personen hat einen geschlechtseindeutigen Vornamen und eine bevorzugte persönliche Anrede.
ABer nun zun Hauptproblem [in meinen Augen] an gerechter Sprache. Das entkräftet dein Text nicht, sondern bestärkt meinen Verdacht in einigen Nuancen. Es geht – so fürchte ich – nicht um Integration, sondern um Segregation. Zu eindeutig handelt es sich um ein Phänomen der Oberschicht mit kulturellem Kapital, das aus dem juste Milieu stammt, und nur in einem begrenzten Umfeld und Anwendungsbereich tatsächlich vorkommt. Das führt zum Schluss, dass es sich um Soziolekt als Distinktionsmerkmal handelt.
Das ist in politischen Kommentatoren schon problematisch, zeigt es doch eine Distanzierung zum ‚gemeinen Pöbel‘. Hier ist deine Entkräftung des Arguments ‚Gendersprache ist unpopulär‘ etwas unappetitlich (und kurzsichtig), wenn sie sich der Satz „Genauso wie beim Afghanistan-Einsatz lehnt die Mehrheit die jeweilige Politik zwar ab – ihre Wahlentscheidungen richtet sie aber nicht danach aus.“ ‚in bad faith‘ auf „Wir können es über eure Köpfe hinweg etnscheiden, ihr wählt uns trotzdem“ übersetzen lässt.
Wirklich problematisch wird es an den Schnittstellen:
Im akademischen Umfeld. Da mag es auf den ersten Blick nur eine weitere von vielen Formvorschriften sein, denen akademische Arbeiten unterliegen. Wegen des sozialen Aspekts aber hat diese Formvorschrift aber eine Gatekeeperfunktion, um nur diejenigen einzulassen, die diesen kulturellen Code beherrschen.
In der Sprache von Behörden. Auch wenn du beteuerst, dass es nicht kommt, so sehe ich dies als eine der leichtesten Möglichkeiten, wie eine progressive Partei in Regierung so ihren politischen Stempel aufdrücken und damit einen leichten Sieg im ‚culture war‘ einfahren kann. Und so entsteht eine weitere sprachliche Hürde im Behördenverkehr.
postscriptum: Ich warte immer noch auf einen (lesenswerten) Roman in gerechter Sprache.
Ist nicht falsch, ich sehe das aber nicht so eng. Das ist halt der natürliche Lauf der Dinge, dass meist die gehobene, gebildete Klasse einen Trend setzt, der sich dann nach und nach auf alles Weitere erstreckt. Beim Umweltschutz wird das Argument zb auch immer wieder genannt. Ich nehme als Vergleich da immer gerne die Frauenrechte, das war ein totales Oberschichtenthema. Der Pöbel hatte nix davon, wenn Frauen studieren.
Ich denke, es gehen auch nur die wenigsten davon aus, dass sich das Gendersternchen in der Alltagssprache und Whatsapp-Chats durchsetzen wird. Muss es meiner Meinung nach auch nicht. Schriftsprache war schon immer anders. Und im Alltag nimmt man dann halt Anglizismen^^
Exakt.
Die erste Welle der Frauenbewegung ist eine interessante Analogie: Nicht wenige Suffragetten waren gegen ein allgeneines und gleiches Wahlrecht -sondern vielmehr für eine Gleichstellung von Oberschichtfrauen (sich selbst) und Oberschichtmännern. [Interessante Beobachtung in diesem Zusammenhang: Dort wo es eine lange Tradition allgemeiner und gleicher Demokratie (unter Männern) gab, dort kam das Frauenwahlrecht nicht selten spät, z.B. Frankreich, Schweiz] Die Gruppe, die am besten beide Grundsätze vereinen konnte, waren die Sozialisten mit dem Konzept Solidarität. Und dieses Konzept ist in meinen Augen stärker als der „woke“ Wert ‚Allyship‘, der sich bei näherem Hinsehen oft genug als Einbahnstraße erweist.
Diese These ist weit verbreitet, aber nicht korrekt. Empfehle dazu den Band zum Frauenwahlrecht, den ich letzten Monat rezensiert habe:
http://www.deliberationdaily.de/2021/05/buecherliste-mai-2021/
Danke für den Hinweis. Muss meine Vorstellungen überprüfen.
Stets gerne.
1) Ja, es gibt eine Menge möglicher Formen, die kann ich gar nicht alle nennen. Und jede hat ihre Fans.
2) Daraus folgt?
3) Ich weiß, aber es schadet ja nicht 🙂
Ich kenne die Kritik, die du vorbringst, aber ich halte sie für eine Nebelkerze. Klar kommt dieser Sprachwandel aus eher gehobenen Schichten, aber das gilt für viele Veränderungen. Das ist ja kein Beurteilungsmaßstab.
Der Beurteilungsmaßstab ist ja auch nicht woher die Veränderung kommt, sondern wie sie sich auswirkt: Sichtbare aber geringfügige Inklusion für sehr wenige (vorab 3) bei versteckter Exklusion für sehr viele. Ist das ein so guter Tausch, dass man die – in der Summe nur begrenzt vorhandenen – Mobilisierungsressourcen dafür einsetzt ?
Wieso versteckte Exklusion für viele ?
@ cimourdain 22. Juni 2021, 23:24
Ich warte immer noch auf einen (lesenswerten) Roman in gerechter Sprache.
Ich kann mir nicht vorstellen, wie das bei den aktuellen Gender-Varianten funktionieren soll, ohne den Lesefluss zu zerstören oder die sonst üblichen Bilder im Kopf zu verhindern.
Ich habe eine dreibändige Science-Fiction-Reihe gelesen, die komplett im Femininum gehalten war (“Imperial Raadch Trilogie). Das fand ich schon spannend; na gut – erst nachdem ich mitbekommen hatte, dass die „Leutnantin“ ein offenbar strammer Bursche war; ich habe danach von vorne zu lesen begonnen, um nichts zu verpassen. Es kommt naturgemäß im englischen Original nicht so krass rüber, aber der Übersetzer hat ganze Arbeit geleistet.
Ich denke auch nicht, dass das wirklich notwendig ist, solange geschlechtergerechte Sprache hauptsächlich Kommunikationssprache ist. Aber das mag in 20 Jahren anders aussehen.
Ein kleiner Messerwurf zur Regenbogen-Ikonik:
Ich hätte mir gerade am heutigen Tag auch Regenbogenflaggen gewünscht – mit sieben Farben und dem Schriftzug PACE.
Häh?
Ein kleiner Hinweis darauf, dass die Friedensbewegung Regenbogenfahnen hatte lange bevor irgendjemand den Begriff gay pride kannte und deren Botschaft von Weltoffenheit und Toleranz am Jahrestag des Angriffs Deutschlands auf die Sowjetunion auch angebracht gewesen äre.
Sicher.
Für eine Sicht auf diese und ähnliche Debatten von Seiten der wissenschaftlichen Gemeinschaft in Deutschland kann ich das relativ neue Buch von Henning Lobin sehr empfehlen, der teilweise persönlich an „vorderster Front“ steht und doch versucht sachlich zu bleiben:
https://shop.duden.de/products/sprachkampf
Unabhängig der Frage wo man am Ende zu beiden Fragen landet, aber was Du sagst ist, dass eine Frage die letztendlich in der Verantwortung des Parlaments liegt (Kriegseinsatz der Bundeswehr) weniger relevant für die Wahl von Bundestagsabgeordneten ist als eine Frage die ausdrücklichnicht politisch ist / von Parlamentariern entschieden werden kann/wird (gendergerechte Sprache)?
Ist das nicht ein eklatantes Versagen des Bildungssystems? Um im Bild zu bleiben, dass ein Kommentator zur Frage der politischen Unkenntnis des durchschnittlichen Wählers gemacht hat – ich muss mich vielleicht nicht mit Autos auskennen um eins zu kaufen (wobei ich damals schon dachte, dass es ein interessantes Beispiel ist, weil sich traditionell Leute schon versprechen ein besseres Angebot zu kriegen wennsie einen „Experten“ mitnehmen), aber ich sollte schon wissen, dasses beim Autohändler Autos, beim Gemüsehändler Gemüse gibt, oder? Den Autoverkäufer danach auszusuchen ob ich Tomaten aus Spanien oder Holland bevorzuge wäre zumindest skurril…
Ich verstehe nicht was du meinst, sorry.
Du schreibst, dass die Haltung zum Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan für Wahlen nicht relevant war, die Frage gendergerechter Sprache aber „als Wahlkampfthema […] potent“ ist, darauf habe ich mich bezogen.
Wenn dem tatsächlich so ist, halte ich das wie gesagt für ein Versagen des Bildungssystems – der Wähler sollte m.E. schon wissen welche Fragen überhaupt von den Institutionen und Personen die er wählt behandelt/entschieden werden können und welche nicht…
Es ist aber schon eine Menschheitskonstante, dass Menschen sich viele, viel eher über das aufregen, was sie zu kennen meinen – und nicht unbedingt ein Versagen des Bildungssystems. Zu Gendersprache hat praktisch jeder eine (wie er/sie glaubt, begründete) Meinung, zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr schon viel weniger.
Cyril Northcoate Parkinson hat zu dem Thema alles notwendige vor 50 Jahren geschrieben.
Gruss,
Thorsten Haupts
„Sich aufregen“ und „wählen“ sind aber schon 2 unzerschiedliche Dinge, oder? Und es wurde sich ja offenbar über die Bundeswehreinsätze aufgeregt, hatte nur keinen Einfluss auf die Wahlentscheidung.
Exakt. Es geht halt darum, was Leute bewegt. Und manche Themen sind einem deutlich näher als andere.
Naja, du verabsolutierst halt deine Maßstäbe irgendwo, oder? Der Bundeswehreinsatz in Afghanistan berührt praktisch niemanden persönlich, die geschlechtergerechte Sprache dagegen jeden und jede. Ich kann das schon verstehen.
Und was soll der Bundestag zum Thema gendergerechte Sprache genau tun? Mich bewegen etliche Themen, aber manche sind halt politisch, manche nicht. Letztere können doch durch Wahlentscheidungen gar nicht beeinflusst werden?
Mal abgesehen davon, dass gendergerechte Sprache eben nicht jede und jeden berührt – in welchem Zusammenhang denn? Selbst wenn es Behörden gäbe die das verlangen, bei welcher Behörde muss ich denn Schriftstücke in selbst verfasster prosa abgeben? Es studiert ja auch nicht jede/r und selbst an Unis ist das nicht standardmässig Pflicht und nochmal, selbst dann würde das doch nicht von Mandatsträgern entschieden?
Mit Schwäche des Bildungssystems meine ich nicht die konkreten Fragen, sondern überhaupt zu wissen welche Fragen durch Wahlen beeinflusst werden können und welche nicht. Eben zu wissen, dass man beim Autohändler keine Gurken kauft…
Huh? Warum sollte das NICHT von Mandatsträgern entschieden werden, wie im staatlichen Bildungssystem und in allen deutschen Behörden geschrieben wird? genauer – welcher Grundgesetzparagraph stünde einer entsprechenden Gesetzgebung im Wege?
Sie mögen Ihnen und mir Sprache im privaten Gebrauch nicht vorschreiben können, das ist die gesetzgeberische Grenze. Und selbst die ist nicht wirklich fest – via Umweg über Volksverhetzung oder gruppenbezogene Hassrede könnte man wahrscheinlich selbst da etwas tun.
Es gibt keinen Lebensbereich, in den sich der Gesetzgeber nicht einmischen dürfte, solange er die adäquaten Gesetzgebungsprozesse einhält, den Rechtsweg offenlässt und eine plausible Verhältnismässigkeitsprüfung vornimmt. Das Gegenteil anzunehmen gehört zu den populärsten deutschen, politischen Illusionen .
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich denke, das ist fast schon zu hoch gegriffen, so etwas wird ja nicht im Bundestag entschieden, sondern ist eher ein Verwaltungsakt. Mehrere Firmen oder Organisationen machen das ja auch.
Ich schätze, das ist dann einfach ein Beschluss des Vorstands, der besagt, dass man künftig geschlechtergerechte Sprache verwendet und fertig. Und vermutlich einigt man sich dann auf das Sternchen oder sonst etwas, damit es einheitlich ist.
Dasselbe passierte ja auch gerade in etlichen, deutschsprachigen Medien. Die haben ja auch in anderen Sachen Sprachregelungen (zb haben – meine ich – etliche Medien ne Weile (trotz Gesetz sogar^^) an der alten Rechtschreibung festgehalten und erst später gewechselt.
Und so ist es doch mit allem, wenn man das immer häufiger liest und hört, ist das irgendwann normal und in 20 Jahren ist das dann der Standard und das generische Maskulin oder sonstwas wird als Nichtgendergaga fertiggemacht oder so.
Und so ist es doch mit allem, wenn man das immer häufiger liest und hört, ist das irgendwann normal und in 20 Jahren ist das dann der Standard und das generische Maskulin oder sonstwas wird als Nichtgendergaga fertiggemacht oder so.
Ja, ist so. Für mich viel schlimmer als Gendersternchen ist der anscheinend unaufhaltsame Siegeszug der ß-Ligatur inmitten von Großbuchstaben, obwohl sie (von zwei, drei Schriften abgesehen, die eine spezielle Variante bereitstellen) zwischen all den Versalien nichts zu suchen hat und dort korrekterweise wieder in ihren Ursprung als Doppel-S aufgelöst werden muss.
Da meine Kollegen in der Werbung traditionell von Typographie wenig Ahnung haben, sieht man das leider allerorten mittlerweile so oft falsch, dass viele das inzwischen für richtig halten.
Die Rechtschreibreform hatte hier allerdings bereits den Grundstein zur Verschlimmbesserung gelegt, als sie die Verwendung der Ligatur von der gefühlten Länge des vorangehenden Vokals abhängig machte statt von der Position im Wort.
Die Rechtschreibreform ist übrigens ein gutes Beispiel sowohl dafür dass man Sprache ändern kann als auch über die Widerstände und die Dauer dieses Prozesses.
Jeder, der dabei war, sagt: Einmal und nie wieder.
Falsche Annahmen.
Die Rechtschreibreform in den Neunzigerjahren wurde auf Regierungsebene beschlossen. Sie war damit für Schulen und Universitäten, aber auch die Verwaltung zwingend. Alle Medien übernahmen sie. Allerdings kehrten manche wie die FAZ später zur alten Schreibweise zurück, als sich das Chaos herausstellte.
Es dürfte damit weiterhin ein extrem schweres Unterfangen bleiben, eine „gendergerechte“ Sprache einzuführen, zumal für die übergroße Mehrheit keine Vorteile, aber große Nachteile ersichtlich sind. Und dass es zwei Sprachen geben könnte, eine offizielle und eine gesprochene, ist so unwahrscheinlich als das Schottland Fußballeuropameister 2021 wird.
Sprache verändert sich, sicher. Aber es sind die Worte, wo Sprache sich außerordentlich flexibel gezeigt hat, nicht die Grammatik. Unsere Grammatik ist heute noch so, dass wir 500 Jahre alte Texte verstehen. Die Genderstreamer wollen diese radikal verändern. Die Erfolgsaussichten dafür dürften jedoch denkbar schlecht sein.
Wo ist dann das Problem?
Steht im Text.
Allerdings kehrten manche wie die FAZ später zur alten Schreibweise zurück, als sich das Chaos herausstellte.
Ach ja, so war das, stimmt.
Das Beispiel war etwas unglücklich, weil es hier ja wirklich ein Gesetz gab, was es zur Gendersprache ziemlich sicher nicht geben wird. Aber Sprach/Schreibregelungen sind ja relativ normal in größeren Betrieben/Organisationen.
Und Grammatik ändert sich durchaus auch, frag mal den Genitiv 😉
Dass in Schriftsprache und Medien anders geredet/geschrieben wird als privat ist ja auch nicht ungewöhnlich. Ich persönlich denke, es wird ein bisschen experimentiert und dann setzen sich die einfachsten Sachen irgendwann durch.
Gnade der frühen Geburt. 😉
Mir fehlt immer noch der sichtbare Vorteil. Es ist ja nicht so, dass es eine große Sehnsucht von Frauen nach Sichtbarmachung in der Sprache gibt. Das Problem sieht man an Universitäten, aber nicht an der Ladenkasse. Da sind die Angestellten zufrieden, wenn sie als Kassierinnen (es gibt in dem Beruf ziemlich wenig Männer) angesprochen werden und das nicht zu laut im Befehlston erfolgt.
Die Worte „Sch….“ und „geil“ finden sich in der Umgangssprache, nicht aber im Behördendeutsch. Allerdings benutzen es auch Journalisten und Kanzlerkandidatinnen häufiger.
Viele Konzerne stellen gerade um. Mir ist aus persönlichen Bekanntschaften die Allianz bekannt, nicht eben ein kleiner Fisch im Gewerbe. Diese Diskussion wird sich von selbst erledigen.
@ Stefan Sasse 26. Juni 2021, 10:43
Viele Konzerne stellen gerade um.
Nicht, weil sie das für richtig halten, sondern, um Shitstorms zu entgehen. Aber das wird Dir egal sein.
Woher willst du das denn wissen?
@ Stefan Sasse 26. Juni 2021, 10:43
Viele Konzerne stellen gerade um.
Ich weiß es halt … 🙂
zum einen werden Konzerne, wie ich hier immer wieder nachlesen kann, von „alten weißen Männern“ regiert, die offenbar nicht einmal die geringe Frauenquote in die Führungspositionen kriegen, die für den sozialen Frieden erwartet wird.
Des weiteren ist so eine Unstellung sehr teuer; es reicht nicht zu sagen „macht mal“ – dann schreibt der Eine mit Binnen-I, die Andere mit Sternchen, und da Gendern nicht überall gleich gut passt, würden parallel gleiche Formuli9erungen gegendert und ungegendert an Kund*innen gehen – aus Unternehmenssicht unvollstellbar. Auch haben die älteren und jüngeren Mitarbeiter/-innen (es gibt in Wirklichkeit vier bis sechs kulturell unterschiedliche „Generationen“, die sich auch noch durch die Herkunft – sozialisiert in der Stadt oder auf dem Land, Eltern studiert oder nicht – unterscheiden).
Man wird also eine Entscheidung im Vorstand treffen, die durch die Beschwerde einer MitarbeiterIn, durch die Einladung der grünen Kandidatein zu einem Hintergrundgespräch oder dem Kommentar einer Vorstands-Ehefrau daheim angestoßen etc wurde. Ziel wird nicht sein, das Unternehmen zu modernisieren, sondern so zu tun. Also wird irgendwo zwischen Marketing und Human Ressorces eine Focus Group entwickelt, die sich mit einer promineten Wissenschaftlerin zusammensetzt und eine unternehmensweit gültige Sprachregelung entwirft.
Gegen solch eine Umstellung sprechen aus Unternehmenssicht die hohen Kosten solch einer Lösung bei der Entwicklung und besonders der unternehmensweiten Umsetzung. Es werden Mitarbeiter-Schulungen notwendig sein, es geht erhebliche Zeit mit internen und externen Diskussionen an den Kaffeemaschinen drauf, es geht nicht ohne externe Entwicklungskosten; Prospekte und Websites (auch die, die Kundinnen- und Kunden-Daten abfragen) müssen umgestaltet, umgeschrieben oder umprogrammiert werden, um idealerweise an einem bestimmten Stichtag vollständig umgesetzt zu sein. Es wird Fehler geben, mit denen man sich der Lächerlichkeit preisgeben könnte, und besonders die Führungskräfte und Kund:innen-Berater müssen zukünftig aufpassen.
Dieser ganze Aufwand, diese ganze interne Unruhe kostet einen Konzern wie die Allianz richtig viel Geld. Da der Vorstand effizient und sparsam arbeiten muss/soll, sind solche Aktionen eigentlich tabu, es sei den, sie werden durch ein höheres Ziel überlagert: Schaden vom Unternehmen abzuwehren.
Oder aber: man verspricht sich davon eine positive Außenwirkung. Weil man als modernes Unternehmen gesehen werden und im Wettbewerb um die besten Köpfe bestehen will.
„…auf was sie verzichtet haben, damit Menschen in 200 Jahren besser leben können.“
In der Umweltpolitik geht es um weit weniger Jahre. Und da sehe ich doch einen zarten Widerspruch zwischen dieser Einstellung und Ihren vehementen Forderungen für die Belange der Kinder.
Genauso kann ich da bei Ihnen einen Widerspruch zu Ihrer Einstellung zur Altersversorgung und Staatsverschuldung ableiten. Mache ich nicht, also machen Sie es bitte auch nicht.
In meine Richtung dürfen Sie das gerne tun, sollen es sogar. Ich halte es für wichtig, sich seiner Widersprüche bewusst zu sein. Das heißt nicht, dass ich sie immer auflösen kann oder will. Erweitert aber das Blickfeld.
„Ich bin kein ausgeklügelt Buch.
Ich bin ein Mensch mit seinem Widerspruch.“
Conrad Ferdinand Meyer
(1825 – 1898), Schweizer Novellist, Dichter und Epiker
Quelle: Meyer, Huttens letzte Tage, 1871
Gutes Beispiel, was mich als Liberaler unterscheidet.
Ihre Position ist so wenig widersprüchlich wie meine. Objektiv vielleicht, aber was heißt hier schon objektiv? Zu meiner Menschenkenntnis gehört zu wissen, dass jeder Mensch seine eigene Logik besitzt. Wir handeln nicht irrational. Aus meiner Perspektive ist mein Handeln so rational wie Ihres.
Das respektiere und beachte ich. Ich verwende nie die Redewendung, Sie wären widersprüchlich. Ich frage, wie Sie zu etwas stehen. Der Staat hat diese individuelle Rationalität nicht in Frage zu stellen, sondern allein die Regeln zu setzen.
Fliegen ist erlaubt wie das meiste andere? Dann dürfen die Menschen fliegen und niemand hat ihnen daraus Vorwürfe zu machen. Wenn wir als demokratische Gesellschaft der Ansicht sind, dass externe Effekte in Höhe von X Steuersatz im Flugpreis internalisiert werden sollen – fein. Aber dann hat trotzdem niemand etwas dagegen zu sagen, wenn ich fliege.
Wir sind der Ansicht, dass nur noch eine Summe von X Milliarden Tonnen CO2 in die Atmosphäre emittiert werden darf? Dann überlasse es dem Bürger, darüber zu verhandeln und den Preis dafür festzusetzen, damit nur noch exakt die Summe auch emittiert wird. Und wenn jemand eine Idee hat, wie beim Fliegen überhaupt nichts mehr emittiert wird – wer hat da ein Recht, etwas gegen das Fliegen zu sagen?
Keine Moral. Sondern allein Zielsetzung. Wer sich an die Regeln hält, darf in diesem Rahmen tun und lassen, wie er es für richtig hält. Das ist der Liberale.
Dann dürfen Sie aber auch faulen Lehrern keine Vorwürfe machen. Da es keine Vorschriften (=Regeln) für Online-Unterricht gibt, verstoßen sie auch nicht dagegen.
Sich an die Regeln zu halten ist die Minimal-Anforderung. Notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung.
Das passt aber nicht zu dem, was wir festgestellt haben:Das System muss funktionieren und es darf gerade bei staatlichen Leistungen nicht von einzelnen abhängig sein.
Der Staat hat nicht die Strukturen geschaffen. Also sollte Löw, pardon, der Staat gefeuert werden.
Gilt das auch für Migranten?
„Wer sich an die Regeln hält, darf in diesem Rahmen tun und lassen, wie er es für richtig hält.“
Das ist eines der Fundamente westlicher Gesellschaften. Dass auch dieses Fundament zunehmend in Frage gestellt wird, und zwar nicht von winzigkleinen extremen Rändern her, finde ich tatsächlich sehr beunruhigend. Beruhige mich dann immer damit, dass ich noch maximal 20 Jahre vor mir habe :-).
Gruss,
Thorsten Haupts
So ein Quatsch. Meine Mutter erzählt mir auch immer, wie wenig Jahre sie noch hätte. Dabei ist sie topfit.
Ja, das ist Freiheit. Aber es bedeutet immer weniger etwas. Umso mehr liebe ich dieses Denken in anderen Ländern. Die Deutschen dagegen gefallen sich in den Rollen von Moralisten und Blockwarten. Die Pandemie hat es wieder gezeigt. Die Deutschen sind verliebt in die Begriffe Solidarität und gemeinsam.
@ Thorsten Haupts
Dass auch dieses Fundament zunehmend in Frage gestellt wird, und zwar nicht von winzigkleinen extremen Rändern her, finde ich tatsächlich sehr beunruhigend.
Ja. Krass …
Empfehle noch dieses Interview:
https://www.br.de/radio/bayern2/sendungen/zuendfunk/meinungsumfragen-zum-thema-gendern-extreme-positionen-anatol-atefanowitsch-100.html
Ich verweise einmal auf diesen Text:
https://pudelskern.blogspot.com/2021/08/neue-kleider.html
Zitat:
„Wer gendert ist sexistisch. Er ist nicht sexistisch, weil er gendert. Sondern weil er sexistisch ist, gendert er.“