Republikanische Wähler putschen im Iran und setzen Frauenquoten in der CDU durch – Vermischtes 18.07.2020


Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) How the GOP Built a Loyal Hispanic Base

In a sense, then, it’s paradoxical that the Republican Party’s abandonment of the civil rights mantle—firmly seized in the 1960s by Democrats—helped spur its aggressive courting of Hispanics. But after the Civil Rights Act was passed, the party had to search for ways to make up the support it knew it would no longer receive from African Americans. To help do so, Republican operatives turned to leaders in the Mexican American and Cuban American communities who had a deep allegiance to values like religion, free enterprise, and anti-communism. These leaders, not willing to abandon civil rights altogether, hoped that they could move the GOP toward adopting greater respect for immigrants and greater educational opportunity. They became some of the party’s earliest Hispanic boosters. […] If Reagan’s more balanced approach provided a more solidified, loyal Hispanic base, the years under both George H. W. and George W. Bush illustrated the ways in which demonstrating familiarity and respect can help such a base grow. Both Bushes appointed multiple Latinos to their cabinets as well as other key posts, and both took policy positions that showed a better understanding of the community and its concerns, if not alignment with the majority of its people. They were visibly pro-immigrant, and both made policy overtures on issues like education and trade, which were important to Hispanic Republican leaders. Both Bushes were important counterweights to the GOP’s growing restrictionist wing. The younger Bush, for example, resisted attempts to deny nonemergency health care, public schooling, and other services to undocumented immigrants while governor of Texas, and supported bilingual education. He was rewarded with high-water marks of Hispanic support for a Republican presidential candidate: 40 percent in 2000, and 44 percent in 2004. (Cecilia Munos, Washington Monthly)

Es ist faszinierend, wie die GOP einerseits die gewaltigen Fortschritte der Bush-Ära komplett verspielt hat und wie groß andererseits der Anteil der Latinx-Menschen ist, die der Partei immer noch die Stange halten. Ich denke, dahinter steckt eine ähnliche Dynamik wie mit den Deutschtürken: eigentlich sollte die CDU für sie eine attraktive Partei sein – Stichwort traditionelle Werte – aber Rassismusprobleme treiben diese Wählerpotenziale immer weg.

In den USA funktioniert diese Dynamik besser, weil der Anti-Latinx-Rassismus der GOP spezifischere Herkunftsländer anvisiert. So ist die Partei sehr freundlich gegenüber Kubanern, während sie offen rassistisch gegen die „Festlands-Latinx“ operiert. Dieses Artefakt aus der Zeit der kubanischen Revolution hält sich sehr hartnäckig und hilft der GOP sehr. Aber mittlerweile dürfte die Türe für eine Öffnung gegenüber dieser Ethnie weitgehend zugeschlagen sein.

2) Penny-wise, pound-foolish: The Iranian Coup of 1953

“For the cost of a few hired mobs,” writes Brands, Operation TPAJAX established Iran’s pro-U.S. strategic alignment “for 25 years.” […] The United States stuck with the shah, as it stuck with many military dictators in the Global South. Part of this was preference — policymakers distrusted Iran’s nationalists and believed that the shah, despite his faults, offered the best way of maintaining Iran’s pro-U.S. strategic alignment. Policy choices had limited U.S. options: By toppling Mosaddeq, subverting Iran’s Constitution, and raising the shah to the level of dictator, the United States narrowed its field of viable allies in Iran. TPAJAX eliminated the short-term threat of communism, but did little to stabilize Iran or ensure its pro-U.S. alignment should the shah’s position weaken. Brands’ prediction of a return to Cold War-era covert regime change looks like it might be coming true. In 2020, supporters of the Trump administration’s policy of “maximum pressure” against the Islamic Republic of Iran defend regime change as a feasible and “liberal” policy option. Reexamining the 1953 coup’s planning, execution, and impact is relevant to examining the current U.S. stance toward Iran. The coup of 1953 served U.S. interest, but only in a narrow sense. Policymakers considering a similar campaign against the Islamic Republic would do well to consider this history, and its implications for contemporary policy. (Gregory Brews, War on the Rocks)

Wenn man das Zitat liest, dass US-Sicherheitspolitiker es tatsächlich als einen guten Trade-Off betrachteten, einen brutalen aber US-freundlichen Diktator 25 Jahre im Amt gehalten zu haben, läuft einem der kalte Schauer über den Rücken. Nicht nur, dass das Regime des Schahs an Brutalität dem folgenden Ayatollah-Regime in wenig nachstand. Auch ist der Iran seit mittlerweile über 40 Jahren eine brutale islamistische Diktatur, ein Dauer-Unruheherd in der Region und proliferierter Stifter von Terrorismus.

Niemals wäre Mossadeghs semi-sozialistische Politik, die die USA mit ihrem Putsch zu stoppen hofften, so schlimm gewesen wie Schah oder Ayatollah. Stattdessen hätte man einen blockfreien, säkularen Iran gehabt. Das wäre aus heutiger Sicht traumhaft. Die Geschichte des Kalten Krieges ist voll solcher schlechter Entscheidungen.

3) Kramp-Karrenbauer will verbindliche Frauenquote in der CDU

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer plädiert für Parität in ihrer Partei. Zudem will sie die Gruppierung Lesben und Schwule in der Union (LSU) aufwerten. Ihr Plan: Bis zum Jahr 2023 soll in der CDU eine verbindliche Frauenquote von 50 Prozent durchgesetzt werden und die LSU soll als „Sonderorganisation“ offiziell anerkannt werden. […] Mit dem Status einer „Sonderorganisation“ hätte die LSU Rechte zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung der CDU und würde ein eigenes Antragsrecht auf dem Bundesparteitag bekommen. […] Über die Frauenquote heißt es: „Frauen sollen an Parteiämtern in der CDU und an öffentlichen Mandaten gleich beteiligt sein.“ Über die Quote wird in der CDU schon länger kontrovers diskutiert. Die Frauen-Union hatte unter anderem beantragt, das Quorum von einem Drittel Frauen mit Ämtern und Mandaten verbindlich zu machen und für Kandidatenlisten überwiegend die hälftige Besetzung mit Frauen vorzusehen. (dpa, SpiegelOnline)

Mittlerweile hat uns Stefan Pietsch ja bereits ein flammendes Plädoyer gegen die Frauenquote gegeben, weswegen ich hier vor allem das Quotenthema als symbolisch für den innerparteilichen Wandel der CDU diskutieren will. Kramp-Karrenbauer steht ja in der Tradition der Merkel-Modernisierung, einer Akzeptanz des gesellschaftlichen Wandels seit 1998 – und damit in ziemlicher Opposition zu Friedrich Merz, der sich klar als Vertreter der traditionelleren CDU inszeniert.

Das Problem für Merz und andere eher mit der Werteunion sympathisierende Leute ist, dass die Mehrheitsmeinung sich mittlerweile fundamental gedreht hat. Merz‘ Herumlavieren gegenüber Kramp-Karrenbauers Vorstoß – er vermied es sehr pointiert, sich dagegen auszusprechen – er erklärte im Endeffekt, er sei dagegen, aber dafür wenn man ihn wähle – dass es ein „Zurück“ für die CDU nicht geben kann. Wer auch immer Merkel beerben wird sollte sich besser von der Illusion verabschieden, sie in die vermeintlich glorreichen Zeiten der geistig-moralischen Wende zurückführen zu wollen.

4) Study on Harvard finds 43 percent of white students are legacy, athletes, related to donors or staff

The study, published earlier this month in the National Bureau of Economic Research, found that 43 percent of white students admitted to Harvard University were recruited athletes, legacy students, children of faculty and staff, or on the dean’s interest list — applicants whose parents or relatives have donated to Harvard. That number drops dramatically for black, Latino and Asian American students, according to the study, with less than 16 percent each coming from those categories. The study also found that roughly 75 percent of the white students admitted from those four categories, labeled ‚ALDCs‘ in the study, “would have been rejected if they had been treated as white non-ALDCs,” the study said. Almost 70 percent of all legacy applicants are white, compared with 40 percent of all applicants who do not fall under those categories, the authors found. “Removing preferences for athletes and legacies would significantly alter the racial distribution of admitted students, with the share of white admits falling and all other groups rising or remaining unchanged,” the study said. Harvard’s acceptance rate for its class of 2023 was just 4.5 percent. (Danielle Silva, NBC)

Wo wir gerade bei Quoten sind, was in den USA super funktioniert ist die Quote für Kinder reicher weißer Menschen, trotz ungenügender Leistungen in den Genuss von angesehenen Zertifikaten und einflussreichen Netzwerken zu kommen. Die Legacy Admissions sind nichts als gekaufte Zugänge zu den Eliteunis, und es ist wenig verwunderlich, dass fast die Hälfte aller Studenten aus denen kommt. Auch wenig verwunderlich, dass Quoten für diese Institutionen so erbittert abgelehnt werden, denn sie erzwingen eine Auswahl von StudentInnen, die tatsächlich Leistungen erbracht haben und nicht nur über Geld verfügen. Jeder Prozentpunkt der Studentenschaft, der über eine Quote nach Harvard kommt, ist ein Prozentpunkt, den die Institution nicht verkaufen kann. Das bekommt man eben bei einem auf Gewinn ausgerichteten privaten Unternehmen.

5) Biracial student charged with murder says he was standing his ground

After the two made a late-night run to Taco Bell, Johnson said, they were harassed in traffic by a group in a black Chevrolet Silverado. The attorney said that males in the pickup hung out the windows, yelling a racial slur at Wilson, calling his white girlfriend an “(n-word) lover,” and screaming, “Your lives don’t matter.” The Silverado then tried to run Wilson’s smaller Ford Focus off the road, according to Johnson. When Wilson heard something strike his car, he shot at the truck, Johnson said. […] Twenty pages of investigative records on the case, released by the Statesboro Police Department and based mostly on accounts from passengers in the Silverado, describe two to three shots being fired, then a final bullet going through truck’s rear window and striking Hutcheson, who was in the center of the back seat, in the head. Hutcheson died later at East Georgia Regional Medical Center. Wilson turned himself in to police on June 17 and has been held in the Bulloch County jail since then. Johnson and other members of Wilson’s defense team expressed outrage Monday that police omitted the self-defense angle in their public statements about the case, accusing police of giving far more credibility to the accounts of the four white teens who were with Hutcheson in the pickup. The driver told police that he, the other two boys and two girls had all been drinking earlier. Wilson and his girlfriend told police about the racial slurs and nearly being run off the road, the defense attorney said, but the investigative notes say little about their accounts other than that his girlfriend “admitted observing Wilson shoot in the direction of the black truck” and that Wilson “admitted to shooting ‘under’ the truck.” (Johnny Edwards, AJC)

Die krasse Ungleichbehandlung von Schwarzen und Weißen in Bezug auf ihre Second-Amendment-Rechte ist mehr als deutlich, aber hier sieht man mal wieder ein Beispiel. Wo Frank Zimmermann auf offener Straße ein Kind ermorden konnte und problemlos straffrei davonkam, wird ein Schwarzer, der sich seines Lebens wehrt, sofort als Täter behandelt. Die Waffenrechte waren immer schon rassistische Instrumente und galten nur für Weiße; das haben Mitte des 20. Jahrhunderts ja die Black Panther auch schon eindrücklich bewiesen.

6) Regierung beschließt Gleichstellungsstrategie

Die Strategie benennt laut Ministerium drei Herausforderungen, die sie durch das Erreichen von insgesamt neun Zielen meistern will: Frauen und Männer sollten erstens gleichermaßen gut von ihrem Einkommen leben und „gleichberechtigt Erziehungs-, Haushalts- und Pflegearbeit wahrnehmen“. Zweitens sollten sie Wirtschaft, Politik, Kultur und Wissenschaft gleichermaßen gestalten. Drittens gehe es darum, wie die „Bundesregierung Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern in allen Politikbereichen herstellen“ kann. […] Die Gleichstellungsstrategie ist die nächste in einer Reihe von Maßnahmen in der Berliner Politik in dieser Woche. Erst am Dienstag hatte sich die große Koalition auf die Gründung einer Bundesstiftung zur Gleichstellung geeinigt. Die Union und die SPD wollen damit ein Vorhaben aus ihrem Koalitionsvertrag umsetzen. Ebenfalls am Mittwoch hatte sich die CDU auf die Einführung einer Frauenquote geeinigt.  […] Die Ministerin sprach sich zudem abermals für eine Abschaffung des Ehegattensplittings aus. Dieses verschaffe der Einverdiener-Familie Vorteile. In der Regel sei dann die Frau nicht berufstätig. Das sei aus „gleichstellungspolitischer Sicht nicht gerade positiv“. Sie sehe aber nicht, dass eine Abschaffung des Ehegattensplittings in dieser Legislaturperiode mit dem Koalitionspartner möglich sei. (dpa, FAZ)

Es ist gut zu sehen, dass in der SPD mit Franziska Giffey einerseits eine sehr kompetente und andererseits eine engagierte Familienministerin am Werk ist. Mit der Besetzung dieses Amtes hatte die Partei bisher generell ein glückliches Händchen, wie auch beim Gesundheitsministerium. Die Gleichstellungsstrategie, die Giffey hier vorgestellt hat, enthält super-sinnvolle Zielsetzungen. Wie dann die Umsetzung genau aussehen wird muss man sehen, davon hängt natürlich die endgültige Bewertung ab. Aber die Stoßrichtung ist klar benannt und geht absolut in die richtige Richtung.

7) What the Lincoln Project Ad Makers Get About Voters (and What Dems Don’t)

How has one renegade super PAC managed to trigger Trump and his allies so thoroughly? Part of it is surely frustration that a group of Republicans would issue a full-throated endorsement of Joe Biden. Part of it is skill: The Lincoln Project ads are slick, quick and filled with damning quotes and unflattering photos. But part of it might just be that Republicans are better at this than Democrats. Trump may sense that these ads are especially dangerous because they pack an emotional punch, using imagery designed to provoke anxiety, anger and fear—aimed at the very voters who were driven to him by those same feelings in 2016. And history, even science, suggests that might in fact be the case—that Republicans have a knack for scaring the hell out of people, and that makes for some potent ads. […] The secret of fearmongering is a willingness to go there, and that’s where the Republicans of the Lincoln Project might have an advantage over Trump’s left-leaning opponents. The group’s founders aren’t calibrating their ads around a Democratic base that mistrusts the military, delves into nuance or shies away from causing offense. That leaves ample room for dog-whistle symbols that range from clichés to horror-movie tropes: One ad accuses Trump of being played by China and ends with the image of the White House, the entire screen tinted red. (Joanna Weiss, Politico)

Das Problem beim „getting“ der Wähler ist nicht so sehr, dass die Strategen der Democrats zu blöd dafür wären, sondern dass ihr Elektorat schlicht anders tickt. Erinnert sich noch jemand an die Vorwahlen 2015, als Jim Webb versuchte, die Herzen der Wähler zu erobern? Der Mann trat im Endeffekt genau mit der oben beschriebenen Strategie an. Damit hätte er in den 1980er Jahren sicher punkten können, vielleicht auch noch in den 1990er Jahren.

Aber in der Partei von heute ist damit kein Blumentopf zu gewinnen. Die Never-Trumper visieren eine sehr schmale Wählerschicht an. Das tun sie auch effektiv, aber wir reden hier von 1-2% derjenigen WählerInnen, die auf Bidens Seite zu ziehen sind. Man sollte sich hüten, das zu verallgemeinern. Dieser Trend, nur in republikanischen Wählern echte Amerikaner zu sehen, die irgendetwas zählen, ist aber bedauerlicherweise sehr weit verbreitet und ein tief eingegrabenes Klischee.

8) Democrats can’t afford to let former Republicans co-opt the party

It follows that it will be critically important for a Biden administration — if it cares to keep the Democratic Party in power — to both address the growing concerns about bigotry and restore economic security. Attacking racism is plainly popular and necessary, and what’s more, as Bouie rightly argues in another article, egalitarian economic policy is vital for fixing the problem of police brutality and mass incarceration. On the other hand, failing to fix the coronavirus depression (as President Obama failed to fix the Great Recession) leaves open the future possibility of a more skilled and competent demagogue following in Trump’s footsteps. If unemployment and production are still in the toilet in November 2022, Biden and the Democrats will be blamed for it. Figures in the Lincoln Project are suitable for neither of these tasks. Before their dislike of Trump got them crosswise with the conservative mainstream, they were committed Republicans who generally disliked if not hated Barack Obama, and pushed austerity and deregulation — precisely the opposite of what is needed to fix the economy. Indeed, Steve Schmidt, one of the groups co-founders, was John McCain’s senior strategist for the 2008 campaign, and convinced him to pick Sarah Palin as a running mate — the most important forerunner for Trump’s brand of emboldened stupidity. Stuart Stevens, an adviser for the organization, was similarly a senior strategist for Mitt Romney on the 2012 campaign, which eagerly sought and received Trump’s endorsement. Others have done worse — Ben Howe, reportedly the project’s video whizonce boasted on Twitter that he would have shot Michael Brown of Ferguson himself if given the chance. Howe now says he regrets those comments, as does Stevens, but these are still not particularly credible messengers for either economic populism or racial justice. (Ryan Cooper, The Week)

Man muss sich, um Fundstück 7 aufzugreifen, auch davor hüten, die Leute vom Lincoln Project im Speziellen und die Never-Trumpers im Allgemeinen als Verbündete zu betrachten. Sie sind, um die Sprache des Ersten Weltkriegs zu benutzen, allenfalls assoziierte Mächte. Man hat denselben Feind, aber man ist nicht zwingend auf derselben Seite. Stephen Colbert hat das ziemlich deutlich gemacht, als er dem ehemaligen GOP-Strategen Rick Wilson, der maßgeblich am Lincoln-Project arbeitete, eine Falle stellte und das Unternehmen heftig kritisierte. Die unbedingt notwendige Distanz, an der es in den vergangenen Wochen etwas mangelte, wird gerade wieder hergestellt.

9) Komplexität auszublenden ist totalitär 

Straßen umzubenennen, sei eine heikle und schwierige Angelegenheit: In der Debatte gebe es zwei Extreme, sagt Rödder. Auf der einen Seite gebe es die Vorstellung, dass etwas immer schon so gewesen sei und nichts verändert werden dürfe. „Unser Stadtraum als unveränderliches Museum ist das eine Problem.“ Das andere sei der „Bildersturm“. Da gehe es dann nicht nur um Hindenburg. „Jeder, der irgendwie rassistisch oder frauenfeindlich war – da bleibt kein Mann aus der Weltgeschichte im Grunde mehr übrig.“ Die Auslöschung der Erinnerung, von Widersprüchlichkeit und Komplexität der Geschichte sei die Vorstellung, dass man eine neue, ganz reine Welt schaffen könne. „Das ist im Kern totalitär“, sagt Rödder. „Wir müssen ein vernünftiges Maß und eine vernünftige Mitte dazwischen finden.“ […] Als weiteres Beispiel nannte der Historiker ein Quartier in Mainz, das nach Jagdfliegern benannt sei. „Was machen wir mit Richthofen, mit Möllern?“ Das seien Jagdflieger im Ersten Weltkrieg gewesen, die in ihrer Zeit als Helden galten. „Wir würden heute sagen, für uns sind das natürlich keine Helden mehr.“ Aber müssten die Straßen deshalb umbenannt werden? „Oder können wir das historische Erbe annehmen?“, so Rödder. (Korbinian Frenzel, Deutschlandfunk)

Ich kann dieses Strohmannargument auf den Tod nicht ausstehen, wo jemand zwei Extreme skizziert und dann Maß und Mitte fordert. Das ist immer mehr Selbstinszenierung als Argumentation, denn die Extreme vertritt ja praktisch keiner. Ein historisches Erbe anzunehmen ist absolut wichtig, aber genauso gut kann ich das umdrehen: Nehmen wir das historische Erbe an, erkennen etwa die Problematik von Luftwaffe-Jagdfliegern im Zweiten Weltkrieg, und benennen um.

Denn ja, Straßen (und andere Einrichtungen) umzubenennen ist heikel und schwierig. Deswegen stellt man für so was HistorikerInnenkommissionen auf und diskutiert es dann ausführlich in den entsprechenden Gremien (meisten den kommunalen Institutionen). Aber ich habe darüber ja schon mal geschrieben.

10) We Asked a Military Expert to Dream Up a U.S.-China War. We Wish We Hadn’t.

The biggest diplomatic and political challenge that both countries face will probably be finding a way for the other side to give up while maintaining its “honor.” No one benefits if this war becomes a struggle for regime survival, or for national prestige. […] The prospect for US conflict with China in the Asia-Pacific depends on a basic appreciation of the changing balance of economic and military power. World War I could not change the fact that Germany would remain the largest and most powerful state in Central Europe. Similarly, war is unlikely to change the long-term trajectory of Chinese growth and assertiveness. […] A key to peace involves the re-establishment of productive economic relations between China, the United States, and the rest of the Pacific Rim. Regardless of how the war plays out, it will almost certainly disrupt patterns of trade and investment around the world. If either side decides to attack (or, more likely, inter) commercial shipping, the impact could devastate firms and countries that have no direct stake in the war. However, the governments of both the US and China will face strong pressures to facilitate the resumption of full trade relations, at least in consumer goods. China will not find it difficult to reconstruct war losses. Even if the United States effectively annihilates the PLAN and the PLAAF, we can expect that the Chinese shipbuilding and aviation industries will replace most losses within the decade, probably with substantial assistance from Russia. Indeed, significant Chinese war losses could reinvigorate both the Russian shipbuilding and aviation industries. Moreover, the war will, by necessity, “modernize” the PLA and PLAAF by destroying legacy capability. A new fleet of ships and planes will replace the legacy force. War losses to trained personnel will hurt, but the experience gained in combat will produce a new, highly trained and effective corps of personnel. This will lead to better, more realistic training for the next generations of PLA soldiers, sailors, and airmen. Win or lose, the Chinese military will likely be more lethal a decade after the war. (Robert Farley, National Interest)

Was man aus dieser Einschätzung (der Artikel ist noch länger und ausführlicher und lohnt sich!) klar erkennen kann ist der Grund, warum es zu einem kriegerischen Konflikt zwischen den USA und China kommen könnte. Zwar sind die Folgewirkungen vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet für beide Seiten verheerend (und für uns dann auch, selbst wenn wir keine Kriegsparteien sind), aber das galt 1914 auch. Damals waren beide Seiten auch bereit, den Schaden hinzunehmen.

Eine ähnliche Dynamik ist hier erkennbar. Für China lohnt sich der Konflikt schon alleine deswegen, weil man danach relativ zu den USA in einer besseren Position ist, absurderweise sogar, wenn man den Konflikt verliert. Die Franzosen wissen, wie sich so etwas anfühlt; sie waren 1939 in einer relativ schlechteren Lage, obwohl sie 1918 gewonnen hatten. Und für die USA steht, natürlich, die nationale Ehre auf dem Spiel, ein Argument, das schon in der Römischen Republik gezogen hat, um die Legionen hinter die Donau zu schicken.

11) The Republican coronavirus meatgrinder

For months now Republicans have been positing a tradeoff between pandemic containment and the economy, as if we just cancel the lockdowns then everything can go back to normal. What they stubbornly refuse to understand is that the virus is the problem. As we are seeing, even in this benighted country a critical mass of people will not go about their normal activities if they are afraid of catching a dangerous disease. Similarly, Sweden did not officially lock down, and as a result it has suffered six-12 times as many deaths as its Scandinavian neighbors — yet its economy took just as bad a hit as theirs. Now that Norway, Denmark, and Finland have contained the virus and are reopening safely but many Swedes are still staying home, the economic damage will be even worse in relative terms. From the start it has been obvious that Donald Trump would not do anything serious about the pandemic. He has never before faced a problem he could not squirm out of by lying, BSing, whining, or blaming others. He is neither interested in containment, nor would he be capable of doing so even if he were. What matters to him is appearances, specifically coverage of him on cable news. Thus his constant chatter about slowing down the rate of testing so that he won’t look bad. And the rest of the Republican Party, because it has become a cult of personality atop an oligarchy, has no choice but to defend whatever he happens to say. Businesses and schools will simply not be able to open back up this fall without a major containment effort. Trying to bludgeon them into doing so will merely create more outbreak clusters and force them to close right back down again. Which is why that is probably what is going to happen. You can always rely on Republicans to pick the worst of all possible options. (Ryan Cooper, The Week)

Abgesehen davon, wie sehr die Pandemiepolitik bestätigt, dass die Republicans eine katastrophale, fundamental regierungsuntaugliche Partei sind – solange dieser Zustand anhält, ist wirklich schwer vorstellbar, dass Trump die Wahlen im November gewinnen kann. Die Frage ist, ob dieser Zustand anhalten wird. Vorstellbar ist einerseits ein Richtungswechsel, andererseits aber ein Wandel in der Bewertung durch die Wählerschaft. Es ist nicht eben unrealistisch anzunehmen, dass im November die Todeszahlen des Zweiten Weltkriegs erreicht sind, aber eine Abstumpfung stattgefunden hat. Darauf setzt die GOP bei ihrer Politik ja, das sprechen ihre PolitikerInnen ja offen aus: die Leute sollen sich an das leben mit dem Corona-Tod gewöhnen. Das widerwärtig-zynische Kalkül könnte aufgehen.

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  • Dennis 18. Juli 2020, 12:10

    Zu 3:

    Zitat:
    „Mittlerweile hat uns Stefan Pietsch ja bereits ein flammendes Plädoyer gegen die Frauenquote gegeben, weswegen ich hier vor allem das Quotenthema als symbolisch für den innerparteilichen Wandel der CDU diskutieren will.“

    Bezog sich aber bei Pietsch auf vorgeschriebene gequotete Listen bei öffentlichen Wahlen und nicht auf parteiinterne, gesetzlich nicht vorgeschriebene Vorgehensweisen bei der Aufstellung von Listen in dieser Sache. Das ist ein bedeutender Unterschied.

    Zotat:
    „..einer Akzeptanz des gesellschaftlichen Wandels seit 1998“

    Wieso erst seit 1998? Was war denn davor ?

    Zitat:
    „von der Illusion verabschieden, sie in die vermeintlich glorreichen Zeiten der geistig-moralischen Wende zurückführen zu wollen.“

    Ah so, das. Diese Wende hat es indes nie gegeben. Man kann sich drüber streiten, ob Kohl das tatsächlich wollte oder ob das nur Gerede für den rechten Flügel war. Im Ergebnis ist jedenfalls Letzteres zutreffend – betreffend „gesellschaftliche“ Themen. Bei den wirklich harten Themen, sprich: Sozio-ökonomischen Sachen, die mit Einkommen, Vermögen, Rentenansprüchen pp. und überhaupt mit Geld zu tun haben, gab es die „geistig-moralische Wende“ bekanntlich NACH 1998 :mrgreen:

    Es isch also so: Nach einer gewissen Schamfrist übernehmen Konservative alles Linke in gesellschaftlichen Fragen, wie z.B. das Frauenwahlrecht. Vor hundert plus x Jahren hätte Pietsch sehr wahrscheinlich gegen das damals neue Frauenwahlrecht gewettert, das die damalige Nationalliberale Partei (Traditionsbasis der aktuellen FDP) natürlich zunächst nicht wollte und dann (als DVP) zähneknirschend akzeptierte.

    In ökonomischen Fragen isches eher umgekehrt. Da rücken die Linken gerne nach rechts, wie zum Beispiel ein gewisser Gerhard Schröder, der in der SPD über die seltene Eigenschaft verfügt, tatsächlich von ganz unten zu kommen, also aus dem Proletariat zu stammen. Er war selbst mal (als Kind) Sozialhilfeempfänger – zusammen mit der zeitweilig achtköpfigen Patschworkfamilie in einer Zweizimmerwohnung.

    https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-10630167.html

    • Stefan Sasse 18. Juli 2020, 13:49

      1998 verlor die CDU das Kanzleramt, deswegen hab ich das als Datum genommen. Ansonsten stimme ich dir völlig zu, darauf wollte ich raus.

  • Stefan Pietsch 18. Juli 2020, 12:54

    3) Kramp-Karrenbauer will verbindliche Frauenquote in der CDU

    Du haust mit den Vorurteilen auch ganz schön um Dich.

    1. Friedrich Merz versucht gerade die Annäherung an den Zeitgeist. Sein innerparteilicher Konkurrent Armin Laschet vermeidet ebenfalls ein Statement pro Quote.

    2. Merz steht nicht der Wertunion nahe noch sympathisiert er mir ihr.

    3. Knapp die Hälfte des Parteitags hat vor gerade 17 Monaten für Friedrich Merz votiert. Und die sollen nun abspringen, weil der Sauerländer nicht eindeutig für eine Frauenquote ist? Siehst Du darin irgendeine Logik?

    4. Wieso ist eine Quote modern? Was macht eigentlich Modernität aus? Sind Frauen modern und Männer altertümlich? Wieso? Es gab doch schon immer Männer und Frauen.

    5. Was ist das Ziel einer Quote? Und was passiert, wenn das Ziel innerhalb angemessener Zeit nicht erreicht wird? Wird dann zugestanden, dass es die behauptete Benachteiligung von Frauen nie gegeben hat?

    • Stefan Sasse 18. Juli 2020, 13:53

      1) Das meine ich doch. ^^
      2) Naja, er ist zumindest der ihr am nächsten stehende Kandidat.
      3) Ich sage doch nicht, dass er abspringen soll. Ich sage, dass ihn und seine Wähler das zu den rückwärtsgewandtem Teil der CDU macht. Und ich will nicht, dass die sich durchsetzen. Das halte ich für absolut legitim. Und knapp die Hälfte ist weniger als die Hälfte.
      4) Sorry, das ist mir zu dämlich.
      5) Das Ziel der Quote ist, dass der in der Quote bestimmte Teil der Posten an Frauen vergeben wird. Ob das erreicht wird lässt sich mit primitivsten Mitteln erkennen.

      • Stefan Pietsch 18. Juli 2020, 14:39

        ad 2. Da kannst Du auch sagen, Annalena Baerbock ist die der Kommunistischen Plattform am nächsten stehende Kandidatin. Bringt nicht wirklich etwas in der Aussage, zumal die Werteunion in der CDU kaum Mitgliederzuspruch besitzt.

        ad 3. Wie Du weißt, hat die Siegerin von damals, die gerade etwas mehr als die Hälfte bekommen hat, hingeschmissen. Deren Unterstützer müssen sich nun einen neuen Frontmann suchen. Dass die nun sämtlich zum „Gegen-Merz“-Lager gehören, ist sicher nicht ausgemacht.

        Du kannst gegen Merz sein, sicher. Nur ist das total irrelevant. Du und ich sind nur Zuschauer ohne jede Möglichkeit des politischen Agierens. wir können nicht mal bei den Delegierten oder Mitgliedern für dies oder das werben. Also mach‘ es Dir bequem, genieße die Aussicht und beschränke Dich auf’s analysieren. Das reicht manchmal, glaub’s mir. 🙂

        ad 4. Was ist an den Fragen dämlich? Wer etwas will und immerhin gegen gewichtige Prinzipien durchzusetzen wünscht, sollte schon ein paar Begründungen zur Hand haben.

        ad 5. Warum?

        • Stefan Sasse 18. Juli 2020, 16:14

          2) Ich hoffe dass du Recht hast und wiederhole die Behauptung nicht, bis ich mal was Gegenteiliges lese. 🙂
          3) Ist mir bekannt. Ich wollte dich nur darauf hinweisen, dass er zwar knapp verloren hat, aber dennoch verloren. Manchmal klingt es so, als sei das nicht passiert. – For what it’s worth, ich denke nicht dass Merz gewinnt, und ich glaube du bist eh Röttgen-Fan, oder?
          Ich beschränke mich doch auf das Analysieren…? Ich sage, Merz ist nicht cool, und ich hätte gerne, dass er es nicht wird, und sage warum das so ist. Was soll ich denn sonst auch machen mit meinem Nischenblog? 🙂
          5) Warum was?

          • Stefan Pietsch 18. Juli 2020, 17:13

            2. Du weißt ganz gut, dass jede Verbindung zur Werteunion für ambitionierte Politiker toxisch ist, wie Du das wohl ausdrücken würdest.

            3. Die Überraschung im Dezember 2018 war, dass Merz gegen das „Establishment“ aus dem Stand fast 50% holte und den Sieg nur durch eine schlechte Rede vermasselte. Dass Merz wieder eine schlechte Performance abliefert, darauf sollte sich niemand verlassen.

            Röttgen hat bedauerlicherweise keine Chance. Da hat sich nichts bewegt.

            Ich mag Laschet als Politikertypus nicht. Folglich bin ich kein Fan.

            5. Ich würde gerne mal Argumente pro Quote hören, die sich nicht darauf beschränken, „sollte man machen“.

            • Stefan Sasse 18. Juli 2020, 18:24

              2) Du wirst gewisse Sympathien Seitens Merz‘ für ihre Plattform trotzdem nicht abstreiten, oder?

              3) Ich wäre vorsichtig mit so monokausalen Erklärungen, die stimmen eigentlich nie. Merz konnte unzweifelhaft viele Proteststimmen auf sich vereinigen, aber sein Scheitern kann viele Ursachen haben.

              Ne, generell bewegt sich wenig. Ich denke, Laschet hat aktuell die besten Chancen, was ich aus demselben Grund wie du nicht so geil fände.

              5) Ich schau mal ob ich was dazu rauskriege die nächsten Tage.

              • Stefan Pietsch 18. Juli 2020, 23:00

                2. Das Problem ist, Du hast ein Bild von Friedrich Merz, dass nur zum Teil mit den Fakten übereinstimmt. Der Wirtschaftsfachmann hatte zwar immer einen Ruf des gesellschaftspolitischen Konservatismus. Er war aber nie ein Nationalist und galt vor 20 Jahren auch in Fragen außerhalb der Wirtschafts- und Finanzpolitik als modern und liberal. Die Werteunion präferiert zwar eindeutig Merz, das bedeutet jedoch nicht, dass der Sauerländer Sympathien für die Sektierer hegt.

                • Stefan Sasse 19. Juli 2020, 12:19

                  Nun, er hat gegen das Verbot der Vergewaltigung in der Ehe gestimmt, ist ein überzeugter Gegner der Ehe für alle und so weiter. Dein letzter Satz ist aber grundsätzlich fair, das habe ich so nicht bedacht.

                  • Stefan Pietsch 19. Juli 2020, 20:28

                    Ich war auch gegen die Hochstufung auf Vergewaltigung in der Ehe. Wie sehr viele in der damaligen Zeit und als Mensch, der nie in seinem Leben einer Frau in irgendeiner Form Gewalt angetan hätte. Und zwar nicht, weil ich Vergewaltigungen, unter welchen Umständen auch immer, gerechtfertigt hätte. Und ich war damals der SPD zugeneigt, wo ebenfalls viele eine solche Einstufung ablehnten. Die Ehe für alle wird bis heute mehrheitlich unter den CDU- und CSU-Mitgliedern abgelehnt, das macht kaum einen Rechten in der Union aus. Sicher lässt sich Merz als gesellschaftspolitisch konservativ und wirtschaftspolitisch liberal bezeichnen. Diese Gruppe bildet aber immer noch die deutliche Mehrheit unter den CDU-Mitgliedern, was die Beliebtheit des Solitärs erklärt. Doch die große Mehrheit dieser Mitglieder lehnt gleichzeitig die Ziele und Methoden der Werteunion ab.

                    • Stefan Sasse 20. Juli 2020, 08:37

                      Ich glaube die Gefahr, dass dich jemand mit gesellschaftlich Progressiven verwechselt, ist auch eher gering 😉

                      Point taken bezüglich der innerparteilichen Struktur der CDU. Aber: Gesteh bitte zu, dass Merz im Spektrum rechter steht als Laschet oder Röttgen.

                    • Stefan Pietsch 20. Juli 2020, 10:37

                      Die Debatte über Vergewaltigung in der Ehe wurde seit spätestens Ende der Achtzigerjahre in Deutschland geführt und nahm Anfang der Neunzigerjahre Fahrt auf. Damals war ich in meinen Zwanzigern, befürwortete das Recht auf Abtreibung, erwartete von meiner Frau, dass sie später ihr eigenes Geld vollerwerbstätig verdienen müsse und war mir mit ihr über getrennte Portemonnaies einig. Ich bügelte meine Hemden und engagierte mich für meine Tochter. Selbstredend war ich bei Elternabenden und Elternfesten dabei, wobei ich mich vor allem mit den Kindern beschäftigte.

                      Wie genau würdest Du progressiv umschreiben? Nein, Stefan, ich war nicht immer über Fünfzig.

                      Es ist doch keine Frage, ob Merz konservativer / rechter ist als Laschet und Röttgen. Wir streiten doch niemals ernsthaft darüber ob jemand tendenziell rechts oder links, konservativ oder linksliberal ist. Wir oder zumindest ich streite nicht einmal darüber, ob das Eine richtig und das andere falsch ist, sondern welche Auswirkungen was hat.

                      Ich sympathisiere aber nicht mit Röttgen, weil er weniger konservativ ist, sondern weil ich ihn für einen hochintelligenten und dazu integren Politiker halte, der verschiedene Positionen integrieren kann und nicht als Solitär agiert. Doch egal wie es ausgeht, alle drei sind sehr seriöse Personen.

                    • Stefan Sasse 20. Juli 2020, 15:03

                      Da haben wir keinen Widerspruch. Aber auch Wagenknecht ist eine hochintelligente und integre Politikerin, ohne dass ich dir deswegen das Kanzleramt anvertrauen wöllte…

                    • Dennis 20. Juli 2020, 11:08

                      Zitat Stefan Pietsch:
                      „Ich war auch gegen die Hochstufung auf Vergewaltigung in der Ehe. “

                      Was genau heißt hier denn „Hochstufung“? Was kam von niedriger irgendwie höher?

                      Zitat:
                      „Und zwar nicht, weil ich Vergewaltigungen, unter welchen Umständen auch immer, gerechtfertigt hätte.“

                      Klingt gut, sehr gut sogar; insbesondere das „unter welchen Umständen auch immer“. Genau das wurde mit der Gesetzesänderung (zu Helmut Kohls Zeiten) berücksichtigt, die einschränkenden „Umstände“ (Vergewaltigung war abhängig von „außerehelichem Beischlaf“) wurden beseitigt. Viel Raum bleibt für Ihre Argumentation jetzt nitt mehr^.

                      Zitat:
                      „Die Ehe für alle wird bis heute mehrheitlich unter den CDU- und CSU-Mitgliedern abgelehnt, “

                      Kann gut sein. Es kommt aber auf die Wähler an, also die Unions-Wähler in diesem Fall. Die SPD vernachlässigt seit Jahr und Tag (bezüglich anderer Fragen) die Weisheit, dass man Mehrheiten draußen bei den Wählern gewinnen muss und nicht bei Parteiversammlungen. Die SPD-Ergebnisse draußen sind entsprechend. Die Funktionäre sind in ihren Stübchen womöglich fassungslos und verstehen die Welt nicht mehr. So dumm war die CDU nie (oder selten^). Man war eher geschmeidig.

                      Man kann zu dieser Frage, die mittlerweile außer hard-core Rechten niemanden mehr ernsthaft interessiert, weil das Ding durch ist, z.B. mal hier gucken:

                      https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/klare-mehrheit-der-unionswaehler-wollen-ehe-fuer-alle-15082434.html

                    • Ariane 20. Juli 2020, 11:20

                      @Dennis

                      Danke! Hochstufung der Vergewaltigung!
                      Echt schöne Formulierung.

                      Ehe für alle: Das Thema ist durch, aktuell sind wir beim Thema Kinder übrigens.
                      Die letzte Umfrage die ich zur Ehe für alle gesehen habe, hatte mW eine überwältigende Mehrheit parteiübergreifend. Außer vielleicht bei der AfD, aber weiß nicht, ob sie da schon mit aufgeführt waren.

                      Hier in Bremen tobt gerade ein eigener Kampf mit einem durchgedrehten evangelischen Pastor, der schon eigentlich verurteilt ist, aber weiter predigt. Auch wegen menschenverachtender homofeindlicher Predigten. Aber gesamtgesellschaftlich ist das vermutlich das am wenigsten umstrittene Bürgerrecht (also in Deutschland), in Osteuropa ist das immer noch ein riesiges Problem.

                    • Stefan Pietsch 20. Juli 2020, 12:09

                      Also diese Mischung zwischen schlau tun und dumm stellen, finde ich bei Ihnen außerordentlich nervig. Es hat etwas Kindisches. Aber es ist schon richtig, manche entwickeln sich mit dem Alter zurück.

                      Ja, ich hätte es auch in einem Satz erledigen können, den Sie natürlich rechtsgeschichtlich kennen. Das, was wir heute als Strafrechtsparagrafen „Vergewaltigung in der Ehe“ haben, war früher als Nötigung eingestuft, was natürlich ebenfalls eine Straftat ist. Das ist die Höherstufung. Wussten Sie natürlich, aber in diesem Fall haben Sie halt einfach mal wieder die Methode „Ich bin blöd“ gewählt.

                      Für die Wahl zum CDU-Vorsitzenden sind die Parteimitglieder bzw. die Delegierten relevant. Nach welchen Kriterien die entscheiden, ist nunmal ihrer Souveränität überlassen.

                    • Dennis 20. Juli 2020, 13:08

                      @ Stefan Pietsch

                      Wenn Sie sachlich falsch liegen, werden Sie gerne ausfällig. Das mit der „Hochstufung“ kann man „technisch“ so sehen, stützt aber nicht Ihr Argument, dass Sie UNTER WELCHEN UMSTÄNDEN AUCH IMMER gegen Vergewaltigungen seien. Genau das hat die Gesetzesreform berücksichtigt.

                      Nötigung ist übrigens weiterhin der Oberbegriff, Vergewaltigung ist eine Form der Nötigung und zwar im besonders schwerem Fall (Absatz 6).

                      Zitat:
                      „Das, was wir heute als Strafrechtsparagrafen „Vergewaltigung in der Ehe“ haben, “

                      Den gibt es nicht. Über Ehe oder Nichtehe steht im Gesetz kein Wort, was Ihrem Argument ja entgegen kommt.

                      Zitat:
                      „Für die Wahl zum CDU-Vorsitzenden sind die Parteimitglieder bzw. die Delegierten relevant…… “

                      Einverstanden. Aber darüber habe ich nicht gesprochen.

                    • Stefan Pietsch 20. Juli 2020, 13:27

                      Das mit der „Hochstufung“ kann man „technisch“ so sehen

                      Juristisch, nicht technisch. Und damit wissen Sie ganz genau, worüber ich geschrieben habe. Stattdessen machen Sie ein Fass auf. Ernsthaft gefragt, zeigt sich in solchen Verzerrungen und in Ihrer „Stilform“ mit gestelltem Dialekt der Respekt gegenüber dem anderen, dessen Meinung man offensichtlich nicht teilt, aber mit dem man diskutieren will? Ich schätze Humor – allerdings vor allem, wenn Leute Sinn für Selbstironie haben. Leider sehr viele empfinden Humor darin, sich über andere lustig zu machen.

                      Der immer wieder verbreitete Eindruck, Vergewaltigung in der Ehe sei früher straffrei gewesen, ist ja falsch. Ariane hängt ja auch diesem Irrglauben an. § 240 StGB sieht einen Strafrahmen von 3 Jahren bzw. in schweren Fällen bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe vor. Für ein Vergehen, das noch schwerer als eine „normale“ Vergewaltigung zu beweisen ist wenn überhaupt, wurde das lange für ausreichend erachtet. Im Jahr 1990 war daran nicht wirklich etwas Rückständiges oder Frauenverachtendes.

                      Wenn wir das heute ein Stück anders sehen, ist das ja in Ordnung. Aber wer vor 30 Jahren gegen eine Höherstufung war, war deswegen noch lange kein konservativer Knochen. Und auch kein Exot.

                    • Stefan Pietsch 20. Juli 2020, 13:37

                      Die Hochstufung zum Vergewaltigungsparagrafen in der Ehe hat zwar dazu geführt, dass die Anzeigen wegen Vergewaltigung zugenommen haben. Die Anzahl der Verurteilungen ist jedoch deutlich gesunken. Ohne sichtbare Verletzungen lässt sich nunmal eine Vergewaltigung nicht mit Indizien untermauern. Und das war genau eines der zentralen Argumente, weshalb sich Gegner der Reform dagegen ausgesprochen haben. Sie suggerieren etwas, was nicht erfüllbar ist.

                      Zudem sind laut Studie ungefähr 10% der Anzeigen gefakt. Interessanterweise sträuben sich gerade diejenigen, die Männer härter für begangene Vergewaltigungen bestraft sehen wollen, heftig dagegen, gleichlautend Falschanzeigen härter zu bestrafen.
                      https://www.haufe.de/recht/kanzleimanagement/verurteilungswahrscheinlichkeit-bei-vergewaltigungen-sinkt_222_233686.html

                    • Stefan Pietsch 20. Juli 2020, 15:41

                      @Stefan

                      Das ist richtig, allerdings ist Wagenknecht das, was ich eine politische Autistin nenne. Sie fremdelt in Gegenwart anderer, ihr fehlt die Fähigkeit, auf andere Menschen zuzugehen, Wärme auszustrahlen und zu gewinnen. Also das, was einen Politiker in seiner Kernkompetenz ausmacht.

                      Ein Berliner Journalist hatte das mal so anhand einer wahren Begebenheit geschildert: Jürgen Trittin und Sahra Wagenknecht warteten in Berlin Tegel auf den gleichen Flug. Während der Grüne schnell Publikum fand und die anderen Fluggäste ihn umringten, setzte die Linke sich ab und beschäftigte sich lieber mit ihrem Handy.

                      Ihre Positionen sind aggressiv („gegen die herrschende Klasse“) und deutlich abseits der Mainstream-Pfade. Das macht sie eben für das Gros unwählbar. Friedrich Merz dagegen besitzt im Wahlvolk große Sympathien, das wird immer gerne übersehen.

                    • Stefan Sasse 20. Juli 2020, 16:28

                      Hey, ich werde mit Sicherheit nicht Wagenknechts Kanzlerpotenzial verteidigen. ^^
                      Ich weise nur darauf hin, dass manche Qualitäten eben nicht alles sind.
                      Und „große Sympathien“ ist relativ. Mehr als Wagenknecht sicher, aber genug für Wahlkampf? Merz ist jetzt auch nicht gerade ein Publikumsmagnet und natürlicher „ich umgeb mich mit Leuten“-Typ. Aber mir ist das eh Hupe, ich halte das für eine völlig überschätzte Kategorie. Notwendig, ja, aber nicht hinreichend.

                    • sternburg 21. Juli 2020, 02:53

                      Hui, diese „Mischung zwischen schlau tun und dumm stellen“ (ein Oxymoron übrigens, aber das ist auch nur passend), das kann man Dir nun wirklich nicht vorwerfen, lieber Stefan. Wie solltest Du das auch anstellen?

                      Ansonsten kann man hier ja mal ein paar Fakten einziehen, die Stefan „Sie haben mich ins Gesicht gedutzt!“ Pietsch übrigens auch alle schon kennt (auch wenn er es auch ohne „schlau tun“ hinkriegt, so zu tun, als wüsste er das nicht):

                      – Vergewaltigungen, die zufällig unter Ehepartnern begangen wurden, wurden nie „hochgestuft“. „Vergewaltigung“ im Sinne des StGB war nämlich bis 1997 (nein, nicht 1897, wir reden von 1997) schlicht definiert als „außerhalb der Ehe“. Wer zufällig innerhalb der Ehe vergewaltigt wurde, wurde im Sinne des StGB nicht vergewaltigt. Es gab dafür – und für viele andere Dinge – den Auffangtatbestand der sexuellen Nötigung. Wäre ja auch extra widerwärtig, wenn nicht. Gleichwohl waren das unterschiedliche Tatbestände, die mit unterschiedlichen Rechtsfolgen in gesonderten Regelungen verhandelt wurden. Und was nicht existierte, kann auch nicht hochgestuft werden.

                      Was 1997 passierte ist, dass eine niemals gerechtfertigte Privilegierung – nämlich die des Vergewaltigers „in der Ehe“ gegenüber anderen Vergewaltigern – abgeschafft wurde.

                      – Wer der Ansicht ist, Vergewaltigungen sollten unterschiedlich behandelt werden nach der Maßgabe, ob die vergewaltigende und die vergewaltigte Person zufällig in einem Eheverhältnis stehen, der ist ein widerwärtiges Arschloch und sollte niemals von irgendjemanden geliebt werden. Und sollte doch irgendjemand diese Person lieben, dann kann man diesen Menschen nur mit voller Empathie die Daumen drücken und das beste hoffen. Niemals aber darf man ein solches Arschloch auch nur annähernd in die Nähe eines Diskurses über Gewalt innerhalb von Geschlechterbeziehungen lassen und niemals, niemals darf man eine solche Person in irgendeiner Frage auch nur annähernd ernst nehmen. Wer eine solche Ansicht vertritt, der hat sich für jeden Diskurs über das zwischenmenschliche Zusammenleben innerhalb einer zivilisierten Gesellschaft diskreditiert.

                      Soweit die Fakten. Inwieweit man diese beiden Fakten zusammen fügt und daraus ein Bild über den Charakter von Stefan „Sie hören von meinen Anwälten!“ Peitsch malt, das überlasse ich dem hiesigen Publikum. Viel Spaß.

                      Ich warte derweil weiter auf Post.

                    • Dennis 21. Juli 2020, 11:13

                      @ sternburg

                      Ganz richtig. Es ist ja auch gar nicht so schwierig. Eine Vergewaltigung ist eine sexuelle Nötigung im besonders schweren Fall. Punkt. Das ist die juristische Definition. Dass die Ehe vor diesem Tatbestand schützt fußend auf der Fiktion, dass es einen solchen Fall in der Ehe nicht geben kann, war die erklärungsbedürftige frühere Rechtslage.

                      Das konnte man aber nicht gut erklären, deshalb hat große Mehrheit der damaligen Regierungsfraktionen CDU-CSU-FDP zusammen mit der damaligen Opposition das Ding ja auch geändert. Es handelte sich im Kern um die Entfernung eines unsinnigen Ausnahmetatbestandes. Wenn die damaligen Opponenten logisch argumentiert hätten, was sie nicht getan haben, hätten sie für die Entfernung des Tatbestandes „Vergewaltigung“ als eine Spezialform der Nötigung überhaupt plädieren müssen, um alle Taten dieser Art unter „Nötigung allgemein“ abzuhandeln. Die eigentliche Frage, warum die Ehe den Tatbestand Vergewaltigung unmöglich machen soll, wurde bis heute nicht schlüssig beantwortet.

                      Aber das is jetzt auch egal, das Ding ist ja vom Tisch. Indes gab und gibt es für die „gute, alte Zeit“ diesbezüglich keine guten Gründe – nur schlechte. Es ist auch nicht streng verboten, darauf bei Politikern, die noch oder wieder im Geschäft sind, zurückzukommen, wobei aus meiner Sicht allerdings nur wesentlich ist, ob die heute noch so denken. Falls die sich mit der „neuen Zeit“ angefreundet haben und keine geistig-moralische Wende (TM) wünschen, kann man IMHO allerdings den alten Kram vergessen und abhaken.

  • Ralf 18. Juli 2020, 18:48

    Es ist gut zu sehen, dass in der SPD mit Franziska Giffey einerseits eine sehr kompetente und andererseits eine engagierte Familienministerin am Werk ist. Mit der Besetzung dieses Amtes hatte die Partei bisher generell ein glückliches Händchen, wie auch beim Gesundheitsministerium.

    Hab ich den Eintritt von Bundesgesundheitsminister Spahn in die SPD verpasst?

    • Stefan Sasse 18. Juli 2020, 20:22

      Nö, ich dachte an Ulla Schmidt. Ich wollte nicht Spahn schmälern.

      • Dennis 18. Juli 2020, 23:30

        @ Stefan Sasse:
        Käte Strobel nicht zu vergessen. Is schon etwas länger her, so locker 50 Jahre ungefähr^; sie hat sich z.B. damit verdient gemacht:

        https://www.spiegel.de/geschichte/aufklaerung-1969-erster-sexualkunde-atlas-der-aufreger-von-kaete-strobel-a-1271764.html

        Wird heutzutage eher belächelt, war damals watt Neues, durchaus mutig und dementsprechend unter Feuer.

        Sie war übrigens die erste SPD-Ministerin auf Bundes-/Reichsebene überhaupt.

        Ansonsten auch bekannt (okay, eher bei den Alten^) durch ein Zitat aus 1959 :
        „Politik ist eine viel zu ernste Sache, als dass man sie allein den Männern überlassen könnte.“ 

        Datt Ulla Schmidt is eher problematisch (jedenfalls für die SPD^), find ich. Man denke an die Verdoppelung der Krankenkassenbeiträge für Betriebsrentner (i.D.R. ein paar hundert Euro Zubrot) bei gleichzeitigem Nichtanrühren der Beitragsbemessungsgrenze und/oder der Privatversicherung. Das war vermutlich Gedöns nach dem Geschmack von Herrn Schröder. Ganz schröderistisch ist sie auch ansonsten gut im Geschäft:

        https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.nebeneinkuenfte-im-bundestag-ulla-schmidts-lukrative-arbeit-nebenher.123a24fc-efcf-4fe2-844f-47582cc29e20.html

        Stammt im Übrigen – wie Schröder – aus einem Arbeiterhaushalt (einer alleinerziehenden Mutter) und war in den 70ern mal beim KBW. Da passt einfach alles.

        • Stefan Sasse 19. Juli 2020, 12:19

          Danke!

        • Ariane 19. Juli 2020, 13:50

          Ansonsten auch bekannt (okay, eher bei den Alten^) durch ein Zitat aus 1959 :
          „Politik ist eine viel zu ernste Sache, als dass man sie allein den Männern überlassen könnte.“

          Auch junge Feministen kennen das Zitat sehr gut 😉
          Aber danke, den Ursprung kannte ich nicht.

          Mittlerweile hat sich ja mehr die Umkehrung durchgesetzt „Männer sind einfach zu emotional für die Politik“

          Fürchte, das ist aus den USA importiert, aber finde die Credits gehen in Deutschland an Merkel.

          Ansonsten danke für die Ergänzungen. 🙂

        • CitizenK 19. Juli 2020, 16:43

          Danke für die Infos und die Ernüchterung: Politiker aus kleinen Verhältnissen machen nicht automatisch Politik für die kleinen Leute aus diesen. Meine Großeltern hatten dafür den Spruch „Wenn der Bettelmann auf’s Pferd kommt….“

  • Ralf 18. Juli 2020, 19:54

    Ein historisches Erbe anzunehmen ist absolut wichtig, aber genauso gut kann ich das umdrehen: Nehmen wir das historische Erbe an, erkennen etwa die Problematik von Luftwaffe-Jagdfliegern im Zweiten Weltkrieg, und benennen um.

    Naja, durch die Umbenennung nimmst Du das historische Erbe eben nicht an. Du löschst, übertünchst und versteckst es. Und ersetzt es durch eine Geschichte, die Dir besser gefällt.

    Das Annehmen von Geschichte wäre eine Erinnerungstafel aufzustellen. Das Annehmen von Geschichte wäre in der Schule darüber zu sprechen wer von Richthofen war. Darüber zu sprechen, weshalb er damals so populär war, dass man eine Straße nach ihm benannte. Wie er im Kontext seiner Zeit bewertet werden muss. Und wie wir jemanden wie ihn heute bewerten würden.

    • Stefan Sasse 18. Juli 2020, 20:23

      Ich lösche die Geschichte nicht. Das ist ein Quatsch-Argument. Ich ehre nur die Person nicht mehr. Das ist was völlig anderes.

      Wir brauchen keine Tafeln an Straßenschildern, die sagen „eigentlich verdient der Typ das gar nicht aber er hängt jetzt halt schon mal da“. Und ich hab im Unterricht Besseres zu tun als über Richthofen zu reden.

      • Ralf 18. Juli 2020, 21:03

        Ein Straßenname ist eine Erinnerung, eine Reflexion der Zeit, in der er vergeben wurde. Von „Ehre“ kann man nur bei Neubenennungen reden, denn da kommen in der Regel Personen zum Zuge, die zumindest gebildete Bürger kennen. Aber in der Richthofenstraße garantiere ich Dir, dass Du weniger als ein Prozent Anwohner finden wirst, die überhaupt wissen, wer von Richthofen war.

        Im übrigen sehe ich nicht, weshalb von Richthofen nicht einen Straßennamen verdienen würde. Der Rote Baron war in einer Zeit, in der Flugzeuge gerade erst an Bedeutung gewannen, einer der berühmtesten und fähigsten Piloten. Die Jagdflieger im Ersten Weltkrieg waren Pioniere ihrer Ära und wurden in der Bevölkerung verehrt, so wie wir heute unsere Astronauten verehren. Auch die Popularität Hermann Görings beruhte auf dieser Vergangenheit. Allerdings wurde von Richthofen im Gegensatz zu Göring noch gegen Ende des Ersten Weltkrieges abgeschossen, starb jung wie James Dean und wurde zum Helden und Mythos. Ein Symbol einer Zeit. Weshalb ist es zuviel verlangt sich da mit der Geschichte auseinanderzusetzen?

        • Stefan Sasse 19. Juli 2020, 12:16

          Ich hab ja nicht mal was gegen Richthofen! Das Beispiel ist nicht von mir. Und ich habe in meinem Artikel auch deutlich gezeigt, dass ich nicht reflexionslos alles abbauen will.

          Aber dass wir keine Von-Trotha-Straße mehr brauchen, ist hoffentlich Konsens.

        • CitizenK 19. Juli 2020, 16:47

          Der Ruhm des „Red Baron“ reichte bis in die USA: „Peanuts“. Könnte in der Tat ein (ein!) Aufhänger sein für die Erörterung von Massenphänomenen. Die Nazis haben das transferiert auf Ernst Udet „(Des Teufels General“).

          • Ariane 20. Juli 2020, 03:45

            Im Ausland ist Richthofen vermutlich der bekannteste Soldat aus Deutschland.

            Übrigens halte ich das Argument für unsinnig. Wer setzt sich denn mit der Geschichte auseinander, wenn eine Straße von Trotha-Straße heißt? Oder irgendwo eine Statue von Bismarck herumsteht oder es eine Mohrenstraße gibt.

            Kein Mensch. Man setzt sich damit auseinander, wenn jemand kommt und sagt, er findet das nicht gut und hätte gerne eine Veränderung, weil XYZ. Da gab es ja etliche aufwendige Artikel die daraufhin, aufwendig rekonstruiert haben, warum die Mohrenstraße Mohrenstraße heißt.

            Das IST Auseinandersetzung. Auch wenn die irgendwie alle zu dem Schluss kamen, dass Mohrenstraße ja gar nicht rassistisch gemeint ist, weil vor 500 Jahren das Wort Mohr normal gebräuchlich war. (So eine Quatschdiskussion, Neger und Bimbo war genauso gebräuchlich und das sagt niemand mehr, weil sich ja einiges getan hat in den letzten 500 Jahren)

            Aber es gibt eine Auseinandersetzung und das ist gut. Dass man dann zu Fehlschlüssen kommt, nicht so. In den USA hat es enorm viel bewirkt und ich meine, in GB tut sich da auch einiges. Ist mir viel wichtiger als das eigentliche Ergebnis.

            • Stefan Sasse 20. Juli 2020, 08:42

              Genau das.

            • Dennis 20. Juli 2020, 16:20

              Zitat Ariane:
              „(So eine Quatschdiskussion, Neger und Bimbo war genauso gebräuchlich und das sagt niemand mehr, weil sich ja einiges getan hat in den letzten 500 Jahren)“

              Klar, so isses, was das Ding in Berlin betrifft, gibt’s für den ursprünglichen Benennungsgrund diverse Theorien, die man alle nicht beweisen kann^ .

              Is aber auch ganz egal. Dass der Name unter den heutigen Umständen grob pejorativ ist, ist offensichtlich. Da sollte man also dran bleiben und eine Umbenennung anstreben, IMHO.

              Vielfach (nicht in diesem Fall) isses ja auch so, dass das „historische Erbe“ gegen eine etwaige Umbenennung reklamiert wird, obwohl der in Rede stehende Objektname seinerseits auf einer früheren Umbenennung beruht. Die seinerzeitige Verletzung des „historischen Erbes“ wird komischerweise nachträglich akzeptiert. Das ist z.B. bei diversen Hindenburg-Sachen der Fall.

              • Ariane 21. Juli 2020, 12:55

                Ja, die Theorien fand ich ganz spannend, aber das ist natürlich total nebensächlich. Fällt denen scheinbar gar nicht auf. Ich meine, das war irgendwie ein Südimport, kenne hier oben kein einziges Mohr-Dingens. Stattdessen sind wir hier ja Moorgebiet – in Schleswig gibt es sogar ein eigenes Moorleichen-Museum, wenn man sich mal richtig gruseln will!

                Dass der Name unter den heutigen Umständen grob pejorativ ist, ist offensichtlich. Da sollte man also dran bleiben und eine Umbenennung anstreben, IMHO.

                Bin eh dafür, da einfach überall Möhrenstraße/Dings drauszumachen, scheint in Süddeutschland ja total verbreitet zu sein.

                Ja, in Schleswig-Holstein haben wir noch ganz viel Namensmüll aus der wilhelminischen Zeit, weil die Gegend vorher auch echt keinen interessiert hat. Immerhin, der Hindenburg-Damm auf Sylt steht wohl dank Investitionsstau eh kurz davor sang- und klanglos im Meer zu versinken. So gehts natürlich auch.

                Oh a propos: Anlässlich des 125jährigen Jubiläums hat der NDR eine Doku über den Nord-Ostsee-Kanal gemacht:
                https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/unsere_geschichte/125-Jahre-Nord-Ostsee-Kanal,sendung1035244.html

                Der hieß früher übrigens Kaiser-Wilhelm-Kanal 😉

                • derwaechter 21. Juli 2020, 15:40

                  Gab es eigentlich schon Forderungen Juli und August umzubenennen?
                  Meines Wissens war die Haltung der Namensgeber in Sachen Sklaverei durchaus problematisch 🙂

                  • Ralf 21. Juli 2020, 15:52

                    Ich fürchte um den Attilaplatz in Berlin …

                  • Stefan Sasse 21. Juli 2020, 16:09

                    Hohoho.

                    • derwaechter 21. Juli 2020, 17:29

                      Das war natürlich ein Witz, der aber dennoch einen Funken Wahrheit beinhaltet. Wenn in den USA Leute die z.B. die Statuen von Grant und Washington stürzen wollen, wären die Umbenennung der Hauptstadt oder der Monate doch nur folgerichtig.

                      Ich bin übrigens ernsthaft gespannt wann die Umbenennungs- und Statuenentfernungsbewegung sich auf Gleichberechtigung und die Behandlung von Frauen ausweitet.

                    • Stefan Sasse 21. Juli 2020, 17:38

                      Warum jemand Grant stürzen will ist mir völlig unbegreiflich. Bei Washington ist es glaube ich weniger das Verlangen den komplett wegzunehmen als seine Vergötterung zu relativieren. Das wäre zumindest mir ein Anliegen.

                      Ich auch. Hoffen wir das beste. Auch hier hat sich ja aber in den letzten 20 Jahren viel getan, muss man klar sagen.

                    • derwaechter 21. Juli 2020, 19:09

                      Das ist eben diese extreme moralische Reinheit die einige in der Linken fordern und vor de andere (auch „vernünftige“ Konservative) zu Recht warnen.

                    • Stefan Sasse 22. Juli 2020, 07:52

                      Sicher, aber Spinner gibt es immer. Auf die muss man ja nicht hören. Stefan wehrt sich hier ja auch zurecht dagegen, dass Konservative mit der Werteunion in einen Topf geschmissen werden, und die haben wesentlich mehr Einfluss als ein paar linke Spinner.

                    • Ariane 22. Juli 2020, 00:30

                      Sie wollen Grant stürzen? Also äh der hatte doch zumindest mit Sklaverei nichts am Hut? Sherman und ähm wie hieß noch dieser General oder Kommandant, der kreativ irgendwie übergelaufene Sklaven zur beschlagnahmten Kriegsbeute deklariert hat? Konterbande hat er sie glaub ich genannt, weil die sich dann nützlich gemacht haben.

                      Ich mein juristische Kreativität ist bei den Amis ja wirklich vorhanden – im Guten wie im Bösen.

                    • Stefan Sasse 22. Juli 2020, 08:18

                      Ich hab bisher auch noch nie von Grant gehört, aber who knows…

                    • CitizenK 22. Juli 2020, 09:33

                      Nach der Mohrenstraße in Berlin ist jetzt in Heidelberg das „Gasthaus zum Mohren“ dran. Eine Bürgerinitiative fordert die Umbenennung. Dass „Mohr“ (angeblich) auf den Heiligen Mauritius (?) zurückgeht, nützt ihnen gar nix.

                      Ein Bus- und Bauunternehmen mit Namen „Mohr“ hat schon vorsorglich in der Zeitung angekündigt, seinen Namen behalten zu wollen.

                    • Stefan Sasse 22. Juli 2020, 13:34

                      Soweit ich informiert bin, ist die Mohrenstraße tatsächlich nach den afrikanischen Einwohnern benannt und ist zur Feier der entsprechenden Expansion so genannt worden. Zum Gasthaus und Busunternehmen weiß ich nichts.

                    • derwaechter 22. Juli 2020, 10:07

                      Ich dachte die Grant Geschichte hättest Du bei Twitter geteilt. Da hatte ich mich wohl vertan.

                      https://mobile.twitter.com/Noahpinion/status/1274211416526839810

                    • Stefan Sasse 22. Juli 2020, 13:35

                      Gut möglich, aber mir war das zu blöd zu schauen worum es denen genau ging. Es ist einfach offenkundig Unfug.

                    • derwaechter 22. Juli 2020, 10:09

                      Und hier die Begründung

                      Lots of folks inexplicably defending a slave owner on Juneteenth, so just to be clear: Grant owned a slave for about a year and married into a slave owning family. If you’re defending the toppling of his statue on a day commemorating emancipation, ask yourself why.

                      https://mobile.twitter.com/jrivanob/status/1274213909344346113

                    • Stefan Sasse 22. Juli 2020, 13:36

                      Ok danke. War meine ursprüngliche Entscheidung nicht nachzuschauen durchaus richtig. 🙂

                  • Ariane 22. Juli 2020, 01:18

                    Hätte in Verden noch die Widukindstraße zu bieten. 🙂 Oder ist das schon wieder pc weil er das Opfer war?^^

                • Stefan Sasse 21. Juli 2020, 16:07

                  Und trotz der Umbenennung ging die Welt nicht unter. Verrückt.

                  • derwaechter 21. Juli 2020, 17:30

                    Ah, der König unter den Strohmännern 🙂

                  • CitizenK 23. Juli 2020, 10:25

                    Noch ein Schmankerl für den Geschichtslehrer:

                    In HD haben wir einen Heimatdichter namens Nadler. Es gibt (natürlich) eine Nadlerstraße und ein Denkmal. Anno 1848 stand er auf der Seite der Preußen und hat ein Spottgedicht verfasst, das Eingang in viele Schulbücher gefunden hat:

                    „Seht, da steht der große Hecker,
                    Eine Feder auf dem Hut,
                    Seht, da steht der Volkserwecker,
                    Lechzend nach Tyrannenblut!….“

                    Die Verse haben durchaus satirische Qualität, richten sich aber nun gegen einen Vorkämpfer für Freiheit und Demokratie. Was machen wir mit dem? Sein Denkmal wurde zwar von einem prominenten auf einen weniger prominenten Platz verschoben. Reicht das?

                    • Ariane 23. Juli 2020, 13:25

                      In Walsrode (oder der Lüneburger Heide) gibt es auch einen Heidedichter Löhrs glaube ich. Auch er irgendwie 19. Jahrhundert, dummerweise hatte er ziemlich antisemitische Tendenzen.
                      Im Heidemuseum hat er einen eigenen Raum und ich glaube der Bahnhof und etliche andere Dinge sind auch nach ihm benannt.

                      Anscheinend gab es in ganz Deutschland nach 1945 niemanden mehr, den man ehren konnte, also hat man einfach auf die Zeit zurückgegriffen, die mitursächlich für den ganzen Schlamassel war.
                      Und lokale andere Persönlichkeiten waren wohl nicht aufzufinden. Wie gesagt, das ist nicht immer ein Drama, aber bevor da völlig kritiklos herumgeehrt wird, wäre mir eine kritische Auseinandersetzung echt mal lieb.
                      Und die findet überhaupt nicht statt. Stattdessen reicht ein „find ich nicht gut“ und es wird relativiert und das finde ich viel bedenklicher als Statuen oder Namen, die ja normalerweise einfach herumstehen.

                    • Stefan Sasse 24. Juli 2020, 11:25

                      Kenn ich zu wenig für ein fundiertes Urteil, sorry.

  • sol1 19. Juli 2020, 14:03

    2) Interessant auch, wie damals die Vereinigten Staaten entgegen ihrem eigenen historischem Erbe handelten. Die aufstrebenden antikolonialen Kräfte wollten ja eigentlich nichts anderes als die Gründerväter der USA. Und anstatt sich mit ihnen zu verbünden, setzte die US-Regierung die Machenschaften der im Rückzug befindlichen Kolonialmächte fort – nicht nur im Iran, sondern auch in Vietnam.

    11) Zu diesem Trauerspiel gehört auch, daß die USA mit ihren beiden Top-Experten eigentlich gut aufgestellt waren. Tatsächlich ignorierte man den Pessimisten (Anthony Fauci) völlig und schlug die Ratschläge der Optimistin (Deborah Birx) in den Wind:

    https://www.nytimes.com/2020/07/18/us/politics/trump-coronavirus-response-failure-leadership.html

  • Ariane 20. Juli 2020, 03:29

    zu 1)
    Ich weiß nicht, ob das statistisch erfasst wird, aber eher so zufällig ist mir aufgefallen, dass zb in der AfD und ich meine auch in der FDP mehrere russischer Abstammung sind. Die scheinen diesen Ball aufgenommen zu haben und es passt identitätskulturell natürlich gut zusammen.

    Und ja, das hat man über die Republicans immer gesagt genau wie die CDU, bei den LGBTs ist das ja ähnlich. Die sind auch häufig konservativ, wurden aber durch die Homofeindlichkeit der CDU auch eher Richtung links gedrängt. Die Republicans haben sich radikalisiert anstatt diese Leute zu umwerben. In der CDU wird es drauf ankommen, wie der Richtungsstreit abläuft.

    3) Frauenquote CDU

    Ich finde, es höchst merkwürdig, was da in der Union gerade so abläuft. Ich habe ein bisschen das Gefühl, als hätte AKK ein bisschen Torschlusspanik bekommen, von den Backlash-Männern und will plötzlich Sachen anpacken, die jahrelang verschlafen worden sind. Die KSK-Sache und Untersuchung der rechtsextremen Netzwerke in Bundeswehr und KSK und MAD zähle ich da auch mal mit zu.

    Während jetzt anscheinend die ganze CSU auf Verleugnungskurs ist. Irgendwo hat Söder wohl heute gesagt (glaub ZDF) die Polizei sind die Guten und man sollte sie nicht kritisieren oder so. Die hinteren Reihen sondern teils ziemlichen ReLiKo-Mist ab.

    Das ist doch vollkommen absurd. Wenn AKK das mit der Untersuchung ernst meint (und es sind hier grad in der Gegend etliche Waffenverstecke von Reservisten aufgeflogen), dann ist die Chance groß, dass auch Verbindungen zur Polizei auftauchen, die Sache in Hessen reicht ja schon.

    Aber hier arbeiten gerade zwei Ministerien komplett in verschiedene Richtungen und CDU und CSU ebenfalls. Merkel hat eh keinen Bock mehr und zofft sich mit den Europäern rum. Muss ja auch einer machen.
    Aber das ist doch völliger Wahnsinn, wenn wir mal ehrlich sind.

    6)
    Giffey for Kanzlerin! 🙂
    Gefällt mir gut, mal sehen ob da noch was rauskommt diese Legislaturperiode, aber die Richtung ist ok.

    9) Straßen/Statuen

    Dass schon wieder irgendwas totalitär ist, geht mir auch auf den Keks. Heutzutage ist man ja sofort totalitär oder obrigkeitsliebend oder sonstwas, wenn man irgendwas vorschlägt. Hilft der Debatte ja mal gar nicht.

    Dabei finde ich das total spannend, sich darüber Gedanken zu machen, warum Straßen Namen tragen und wer diese Leute sind und welche Ehrungen man lieber anders hätte. Und bitte keine Historikerkommission, die drei Jahre lang tagt und dann auch nur, es ist ja so. Oder auch so. erzählt.

    Ich finde, das ist eine Sache für die Kommunalebene. Was auch super für Schüler/Studentengruppen am besten mit unterschiedlichen Hintergründen wäre. Wäre ne tolle Projektsache eigentlich, die recherchieren mal und dann überlegt man, ob da Problematisches bei ist und stimmt ab.

    Weiß nicht, ob ich das schon erzählt hatte, aber das Stadtmarketing macht micch irre. Dieser kriegsverherrlichende Deserteur und Oberschwurbler Wilhelm Lehmann hat jetzt einen Preis und eine „Gesellschaft“ und seine NS-Mitgliedschaft wird total relativiert, musste er ja machen weil er seinen Job nicht verlieren wollte oder sowas.

    Ich meine hey, bevor wir Statuen abreißen, wäre es ja echt mal ne Idee nicht noch neue Ehrungen für problematische Leute hinzuzufügen (war vor der Hitlerzeit, ich sag ja, die verehren jetzt einfach die wilhelminische Epoche, super). Naja, wie kam es dazu? Irgendein junger Sparkassen-Angestellter ist wohl für das Stadtmarketing zuständig und hat geguckt, ob Eckernförde Berühmtheiten zu bieten hat. Und mal fix herausgefunden, dass ein Dichter mal Direktor der Jungmannschule war und schwupps fertig war die Kiste.

    Funfact: Auf der Suche nach ner ganz anderen Sache stolperte ich darüber, dass der Sparkassendirektor (oder so) in Ruhestand geht und sein Motto war *trommelwirbel* Make Eckernförde great again! Nur gut, dass da keiner mehr wohnen kann, weil die Mieten schon Hamburger Niveau haben.

    Also: Meine Güte, ist es denn zuviel verlangt, sich mal mit dem Thema auseinanderzusetzen, bevor man in Wehklagen und Untergangsszenarien übergeht? Und das außer Kontrolle geratene Stadtmarketing wieder einfangen. Nützt ja nix, wenn wir irgendwo eine Straße abreißen und woanders werden irgendwelche kriegsverherrlichten NS-Mitglieder-Deserteure geehrt. Dessen Gedichte bestimmt niemand gelesen hat, das ist das schlimmste Geschwurbel, das man sich vorstellen kann.

    • Stefan Sasse 20. Juli 2020, 08:41

      1) Ja.
      3) Ich weiß nicht, so irre finde ich das nicht, angesichts des Vakuums an der Spitze sowieso nicht.
      9) Mich ödet dieses „DA WIRD EINE DEBATTE VERHINDERT“ nur noch an.

  • Kirkd 20. Juli 2020, 13:14

    3) Die neuerliche Diskussion über die Quote im konservativen Orbit ist insoweit interessant, dass selbst eigentliche Quotenskeptiker wie die FAZ oder eben Merz zugeben, dass es ein Problem gibt, dass sich nicht von selbst löst. Das bei Vorstandsquoten regelmässig ins Feld geführte Argument der „Besetzung nach Kompetenz“ verfängt in der Politik so offenkundig nicht, dass es kaum einer mehr anbringt. Die realen Quoten haben sich schlicht so schlecht entwickelt, dass das selbst vielen Konservativen peinlich ist. Nur eine Lösung ausserhalb der Quote haben sie auch nicht.

    4) Was für ein Fundstück! Das bestätigt meinen Eindruck dieser vermeintlich so leistungsbetonten Institutionen (der seit sich mein früherer Chef sich Dozentenpositionen in Harvard und Berkeley gekauft hat ohnehin deutlich getrübt hatte). Sicherlich befördert das Abitur und die deutsche Uni den Mittelstandsnachwuchs, aber innerhalb dessen zählt im öffentlichen System wesentlich mehr Leistung als Geld und Einfluss. Das ist wahrscheinlich das beste am juristischen Staatsexamen, dass es Töchter und Söhne von Stoiber oder DAX-Vorständen einfach mal durchrasseln lässt. Aber stimmt, Harvard ist ja eine so gute Hochschule, da kann defintionsgemäss niemand durchfliegen …

    • Stefan Sasse 20. Juli 2020, 15:05

      3) Genau.

      4) Zustimmung.

    • derwaechter 21. Juli 2020, 23:32

      Bei der Quote in der CDU sehe ich, obwohl ich nicht prinzipiell gegen Quoten bin, das Problem, dass die ganze Partei sehr männlich ist. Ca 25% der Mitglieder sind glaube ich Frauen.
      Zwei wichtige allgemeine Argumente für Quoten sind Repräsentation und Qualifikation. Wenn die Hälfte der Bevölkerung systemisch benachteiligt wird, ist sie nicht ausreichend in der Spitze repräsentiert und bei der Besetzung werden viele sehr qualifizierte Bewerber übergegangen.
      Eine 50/50 Quote in der CDU hätte den gleichen Effekt. Weniger qualifizierte Kandidatinnen würden nach oben gespült und die Spitze repräsentierte die geschlechtliche Zusammensetzung der Partei nur unzureichend.

      • Ariane 22. Juli 2020, 01:38

        Ich hab jetzt die Quotensache in der CDU nur am Rande verfolgt, weiß gar nicht, hat die CSU eigentlich irgendeine Quote?

        Aber Quoten sind in der Politik total normal, gerade in der Union aber auch generell und zwar wegen des Föderalimus. Da wird immer extrem darauf geachtet, dass jeder Landesverband repräsentiert ist. In der Politik ist das absolut normal, die Grünen haben ja nicht nur Mann und Frau an der Spitze, sondern auch Realo und Fundi. Genau wie die LINKE Mann/Frau/Ost/West/Pragmatiker/Oberlinker hat. Oh, selbst die AfD macht da ja mit. Mann/Frau/Flügelnazi/“gemäßigt“ – sehr modern^^ (die haben auch nur 3 Frauen vermutlich, Trixie, Weidel und hier die aus SH Sayn-Wittgenstein, oder ist die schon ausgetreten?) Irgendwie gab es da immer Ärger, das war so eine ganz extreme glaub ich.

        Oder so, Das vermischt sich ja eh mit Partei, Fraktion, Landesverband etc. Die FDP hat meine ich das Problem, dass sie offziell keine Flügel hat (und die nichtlibertären einfach Liberallala nennt oder so). Viele Frauen haben sie auch nicht, ich glaub die sind je nach Statistik extrem männlich. Und als Partei halt winzig und auch nur in einigen Ländern vertreten. Ich mein, da würde es vermutlich keinen Sinn machen, irgendwelche Frauen sollten ja da sein, bevor man ne Quote etabliert, sonst ist das wie ne Quote für Außerirdische oder Chimären.

        Bei der CDU (oder Union) bitte selbst nachschlagen, ist halt insofern ein Ungleichgewicht, dass sie bei den Mitgliedern einen recht großen Frauenanteil haben und das dann erst bei den Posten auseinander klafft. Da macht eine Quotierung natürlich schon eher Sinn. Fand die Diskussion ganz spannend, aber glaub sowieso nicht, dass da was passiert, die haben sich zwar jetzt wohl geeinigt, aber die Abstimmung ist beim Parteitag im Dezember (?) Und dann wirds sowieso ein Mann, der den großen Backlash einleiten will. Bei Merz ist das offensichtlich, aber Laschet und selbst Röttgen „meine Generalsekretärin wird irgendeine Frau“ sind da nicht besser.

        Jo, nettes Popcornmaterial aber ob die Machoparteien ne Frauenquote haben oder nicht ist vollkommen wurscht. Das ist halt bei der Union als Volkspartei allerdings problematischer als bei der FDP, die es nicht mal schafft, Lindner oder Kemmerich loszuwerden und vermutlich Werder Bremen mäßig lieber mit denen absteigt. Während man in der AfD „wir dulden keine Rechtsextremisten“ noch überlegt, wie verfassungswidrig sie nun eigentlich sind, nachdem Kalbitz erst Sommerinterviews gibt und dann mit Höcke ein Date in Thüringen hat. (was zum Teufel wollen die da eigentlich? Weiß das jemand?)

      • Stefan Sasse 22. Juli 2020, 08:16

        Das ist eine Behauptung, die keinen Beleg hat. Die CDU hat 407.000 Mitglieder. Das heißt, 100.000 Frauen. Die Vorstellung, da nicht genug qualifizierte Kandidatinnen zu finden, ist völlig albern.

        • derwaechter 22. Juli 2020, 10:24

          Bei 50/50 Quote und 75/25 in der Mitgliederbasis würde die Hälfte des Spitzenpersonals aus 75% der Mitglieder und die andere Hälfte aus 25% der Mitglieder rekrutiert. Das kann rein mathematisch schon nicht ideal sein.
          Ausserdem sehe ich in der Politik, unabhängig vom Geschlecht, nun wahrlich kein Überangebot an Top-Kandidaten, du?

          Die CDU ist ausserdem an der absoluten Spitze (Kanzler, Vorsitz, EU Kommission, wichtige Minister) bereits ausgesprochen weiblich.

          Das Argument der fehlenden Representation bleibt natürlich bestehen.

          Die Grundfrage ist halt, was soll eine Quote widerspiegeln? Die Bevölkerung oder die jeweilige Organisation?

          • Ariane 22. Juli 2020, 12:54

            Bei CDU/CSU würde es schon Sinn machen, weil sie einen großen Graben zwischen weiblichen Mitgliedern und weiblichen Chefposten haben.

            Aber ne Quote ist halt ne Krücke. Die SPD hat eine und ist IMO total frauenfeindlich. Siehe dieser Stress mit Esken. Und Nahles hat hingeschmissen, während Scholz als Kanzlerkandidat gehandelt wird.

            Insgesamt geht es halt um Sichtbarkeit. Das Problem sind immer die Leute, die wir nicht sehen. Siehe NSU 2.0 die haben fast ausschließlich Morddrohungen an politisch aktive Frauen verschickt. Glaub Yücel ist der einzige Mann und sonst nur Frauen. Völlig egal, ob die in einer Partei sind oder nicht. Das ist ne Einschüchterungs-Sache: Wenn du den Mund aufmachst, gehst du das Risiko ein, fertiggemacht zu werden.

            Und das Problem hat die CDU mittlerweile auch, siehe Lübcke. Im Thüringer Wahlkampf stand der CDU-Kandidat auch unter Polizeischutz. Ob die ne Quote haben, ist mir völlig egal, aber es wäre auch eine gute symbolische Sache, um klarzumachen, dass man seine Werte verteidigt und sich nicht einschüchtern lässt. Siehe den Hass, den Merkel, vdL und AKK auf sich ziehen. Da möchte mir doch bitte keiner erzählen, dass das nichts mit Frauenfeindlichkeit zu tun hat?

          • Stefan Sasse 22. Juli 2020, 13:36

            Weder noch.

            • derwaechter 22. Juli 2020, 14:38

              Was denn dann?

              • Stefan Sasse 22. Juli 2020, 16:25

                Ich hab vor noch einen ausführlicheren Artikel zu schreiben ich komme nur gerade nicht dazu.

                • derwaechter 22. Juli 2020, 17:53

                  Da freu ich mich drauf. Ich finde das ist kein einfaches Thema.

                  • Stefan Sasse 22. Juli 2020, 19:11

                    Glaub mir, ich auch nicht. Ich habe da meine Meinung auch schon öfter geändert.

  • cimourdain 20. Juli 2020, 23:38

    9) Noch ein Gedanke zum Denkmalsturz. Wir haben es ja mit zwei unterschiedlichen stoßrichtungen zu tun:

    Zum einen der Nachweis, wie viele aus jetziger Sicht unethische Vorstellungen ( frauenfeindlich, rassistisch, antisemitisch) bedeutende Denker der Vergangenheit hatten. Schön dargestellt z.B. hier:
    https://www.zdf.de/comedy/die-anstalt/die-anstalt-clip-4-176.html

    Zum anderen die Frage, welche Leistungen ehrenswert sind. Da sind Militärs ein interessanter Prüfstein, weil deren Leistung eigentlich immer – von Frundsberg bis Oberst Klein – im effizienten Töten oder Tötenlassen besteht – das ist vielleicht grundsätzlich nicht so vorbildhaft.

    Um des Arguments willen: Was ist mit denen, die sogar zu Lebzeiten schon amtlich anerkannte Verbrecher waren ? Störtebeker, Klostermayr, Schinderhannes, Kneissl … ‚verdienen‘ die es in Denkmälern, Festspielen, Radwanderwegen etc.. geehrt zu werden ? Und wenn doch, warum ? Rule of cool ?

    • Stefan Sasse 21. Juli 2020, 16:03

      Es spricht nichts gegen Benennung nach Militärs; Kasernen werden ja etwa wenig überraschend auch nach verdienten Soldaten benannt. Es spricht etwas gegen die Benennung nach Kriegsverbrechern. Deswegen: eine Clausewitz-Straße ist unproblematisch. Eine von-Trotha-Straße sollte umbenannt werden.

      Bei Störtebeker und Konsorten haben wir das Problem, dass was man da feiert ja gar nicht die historischen Persönlichkeiten sind, sondern Ideen der historischen Persönlichkeiten. Rule of cool umschreibt das glaube ich ganz gut. Das ist ein bisschen wie der Cäsar aus Asterix, der hat mit dem historischen Cäsar ja auch praktisch nichts gemeinsam.

    • Ariane 22. Juli 2020, 04:26

      Die Argumentation ist aber gefährlich, gerade in Deutschland, Sophie Scholl war juristisch einwandfrei angeklagt und zum Tode verurteilt. Aber eine Verbrecherin war sie eben nicht.

      Und Gewalt an sich ist ja nicht per se verwerflich, schon gar nicht in historischem Kontext. Sowohl im GG als auch in der US-Verfassung gibt es extra Paragraphen, die gewaltsamen Widerstand bzw Revolution umfassen. Das ist ja das Stichwort bei wehrhafter Demokratie. Also Militärs würde ich deswegen nicht generell ausschließen, sondern die Definition eher aus heutiger Sicht als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ ansehen.

      Sprich: Clausewitz, Richthofen, Napoleon etc ok. von Trotha oder die Statue in Bristol, Bismarck als Siegender Kriegsheld etc lieber weg. (wenn wir eine Statue von Bismarck irgendwo in Preußen stehen lassen ok).
      Sehe das ähnlich wie Stefan, es geht ja nicht um die Statue an sich, sondern die Verherrlichung, die damit einhergeht.

      Und ja, rule of cool, Piraten werden total verherrlicht, da hat Stefan schon recht und wer kann außer Francis Drake und Jack Sparrow denn spontan noch mehr Piraten nennen? ^^ In Bad Segeberg finden auch die Karl May-Festspiele statt, obwohl mittlerweile gut bekannt ist, dass der von Cowboys und Indianern null Plan hatte. Mittelalterfestivals! Übrigens sehe ich vor allem den Wikinger-Kelten-Hype kritisch, weil das leider oft so ein Einfallstor für Rechtsextreme ist. Daher gerne das Hermannsdenkmal im Teuteburger Wald abreißen (oder gibts das gar nicht mehr?)

      Das ist in Deutschland vielleicht so ein besonderes Problem, weil im 19. Jahrhundert viel Zeugs auf die (großdeutsche) Nation angepasst wurde. Ist total Quatsch, wie die Frage ob Karl der Große Franzose oder Deutscher war. Äh? Zu Otto dem Großen gibts das auch, weil er ja die Schlacht auf dem Lechfeld gegen die Ungarn gewann.
      Das ist irgendwie ne komische Sache, der Nationalismus ist so wirkmächtig, der wird einfach in die Vergangenheit weitergezogen, obwohl es keine Nationalstaaten gab, deswegen war Otto Sachse und Karl der Große Franke. Und William der Eroberer Normanne usw usf.
      Und gegen Statuen von den dreien hab ich übrigens nichts, obwohl sie grausame Herrscher waren.

      • cimourdain 22. Juli 2020, 20:56

        Deine Beispiele illustrieren, wo in meinen Augen die Crux liegt: Projektion und Ambivalenz: Wir filtern unser Bild der Vergangenheit nach unseren Vorstellungen.

        Deine Wikinger kann man etwa so
        https://www.youtube.com/watch?v=8qSkaAwKMD4
        oder so
        https://www.youtube.com/watch?v=EChK5l9lwHU
        sehen.
        Napoleon als Strategen oder als Militärdiktator.
        Drake [Fallen den Leuten wirklich nur er und ein DISNEY-Pirat zum Thema maritimer Eigentumstransfer ein?] als Weltumsegler oder als Staatsterrorist (Zerstörung der Bibliothek von Sagres, niederbrennen von Eichenwäldern (heute wären das Ölfelder)).
        Beim Hermannsdenkmal ging es auch nie um die Guerillastrategie Überraschungsangriff gegen eine Besatzungsarmee. Ursprünglich gegen Frankreich gerichtet, galt es während des Kulturkampfs als Symbol gegen die ‚römische‘ katholische Kirche, im 20.Jahrhundert Treffpunkt rechtsnationaler Parteien (und bis in die 60er der FDP). Heute sind die Rechten zum Kyffhäuser abgewandert. [btw. würde Barbarossa gut in deine Karl-Otto-Wilhelm Reihe passen — 9. , 10. , 11. und 12. Jahrhundert]

        Nur leider ist Ambivalenz bei der derzeitigen Debattenkultur nicht angesagt. Man ist für oder gegen etwas und verteidigt diese Position mit Zähnen und Klauen. Andere Haltungen werden diskreditiert, Leute, die im Kontakt zu ‚den anderen‘ stehen sind verdächtig. Und dieser Kulturkampf darum herum ist das eigentliche Problem, nicht der konkrete Straßenname.

        • Ariane 22. Juli 2020, 22:29

          Drake [Fallen den Leuten wirklich nur er und ein DISNEY-Pirat zum Thema maritimer Eigentumstransfer ein?]

          Na hier im Norden vielleicht noch Störtebeker.^^ Aber insgesamt hat Stefan schon recht, die meisten historischen „Figuren“ sind völlig verzerrt. Menschen sind da komisch, während Wikinger und Piraten als Freiheitshelden verehrt werden, heißt es die Jugendlichen brandschatzen unsere Städte (weil Esken sie aufgestachelt hat) Ähm ja.

          Die Debatte kreist meines Erachtens viel zu sehr um ganz oder gar nichts. Mohrenstraßen (der Mohr=Schwarzer) sollten m.E. schon generell umbenannt werden. Der Begriff ist heute rassistisch, ganz egal was vor 453 Jahren war. Wer sein Geld mit Sklavenhandel verdient hat (und nur deswegen reich und bekannt wurde) kann auch eher weg denke ich.

          Und ja, es liegt auch an der Verteidigung der Bewahrer. Diese Begründungen, dass andere sich nicht anstellen sollen, und wir doch bitte am Mohr festhalten sollen, weil „war schon immer so“! ist nun mal eine Nichtbegründung. Als ich etwas nach diesem Schwurbeldichter Lehmann gegooglet hab (den kennt keine Sau und bestimmt hat niemand ein Gedicht von ihm gelesen), aber ich hab dutzende Verharmlosungen seiner NS-Mitgliedschaft gelesen. Das finde ich viel schlimmer als die Benennung. Damit holen wir das ja wieder in unsere Zeit mit rein. Der Typ interessiert nicht, aber wenn es heißt, er wurde Mitglied der NS (und er hat noch einiges mehr auf dem Kerbholz) weil er seinen Job behalten wollen, dann entschuldigen wir Nazitum.

          Und ja, der Kulturkampf drumherum sorgt nur für neue Diskussionen (und am Ende passiert wieder nichts), die Situation wäre viel schneller geklärt, wenn auch die Konservativen einen Schritt auf die Bilderstürmer zugeht und zb die Mohrenstraßen in Möhrenstraßen umbenennt, anstatt jetzt den Mohr zum Kampfplatz zu ernennen. Wie der Negerkuss und das Zigeunerschnitzel und freie Fahrt für freie Raser. Sorry, aber das geht mir total auf den Keks.

          Die Welt geht nicht unter, wenn es Schokokuss und Möhrenstraße heißt, das wird aber immer suggeriert. Während heute der Jahrestag von Utoya ist, gestern der Prozess in Halle startete, der Lübcke-Prozess läuft und 69 Menschen vom NSU 2.0 Todesdrohungen erhalten. Wenn wir die Relationen da nicht mal wieder ein bisschen ins Gleichgewicht bringen, wird es auch nicht besser.

          • Ralf 22. Juli 2020, 23:20

            Mohrenstraßen (der Mohr=Schwarzer) sollten m.E. schon generell umbenannt werden. Der Begriff ist heute rassistisch

            In meinem gesamten Leben habe ich den Begriff “Mohr” exakt null mal in rassistischem Kontext gehört. Der Begriff “Mohr” ist seit vielen Jahrzehnten praktisch völlig aus der Verwendung gefallen. Es ist ein in der deutschen Sprache nicht mehr verwendetes Wort. Der einzige Zusammenhang, in dem ich den Begriff erinnere, ist eine apokryphe Weihnachtsgeschichte. Aber schön, dass wir endlich mal wieder ein Nichtproblem zum Aufregen haben, nachdem das Jahr bisher von einer Pandemie geprägt war, ein Wirtschaftskollaps droht und wir gerade einen vergeigten EU-Gipfel hinter uns haben …

            • Ariane 23. Juli 2020, 00:03

              Auch Probleme, die dich nicht betreffen, können wichtig sein.

              Eine Negerstraße oder Bimbostraße würde heute auch nicht mehr akzeptiert werden. Und wenn nicht ständig die Leute so verzweifelt am „Mohr“ hängen würden, wäre das Problem längst erledigt. Es ist eine Straße. Nicht mal eine Statue auf einem öffentlichen Platz.

              Und ja, es wäre ein wichtiges Symbol der weißen Mehrheitsgesellschaft, das mal anzuerkennen. Und nicht darauf zu bestehen, rassistische Begriffe bis in alle Ewigkeiten zu nutzen.

              • Ralf 23. Juli 2020, 00:06

                Meines Wissens nach gibt es in Deutschland keine Negerstraße oder Bimbostraße. Insofern erfindest Du hier gleich das nächste Nichtproblem.

                Und nochmal: “Mohr” ist kein rassistischer Begriff. “Mohr” ist noch nicht mal ein Begriff, der in der deutschen Sprache heutzutage verwendet wird.

                • Ariane 23. Juli 2020, 00:56

                  Wer bestimmt denn das? Worte ändern im Laufe der Zeit ihre Bedeutung, und es gibt ja dutzende Mohrstraßen (oder andere Dinge). Bastard war früher auch ein ganz normales Wort und ist heute eine Beschimpfung.
                  Genau wie Zigeuner oder ähnliche Begriffe. Es ist völlig unerheblich, ob sie früher neutral waren, heute sind sie es nicht mehr.

                  • CitizenK 23. Juli 2020, 07:28

                    Im Gegensatz zu den anderen Begriffen steht „Mohr“ für exotisch, nicht für rassistisch-abwertend . Jüngere Leute müssen ins Etymologie-Wörterbuch schauen, um überhaupt etwas damit zu verbinden. Und eine Statue abzubauen und – wie Lenin – im städtischen Betriebshof zu lagern (bis zur Museumsreife?) ist weit weniger Aufwand als die Adress-Änderungen für die Anwohner (Ausweise, Versicherungen usw.) Sollte verhältnismäßig sein.

                    • Stefan Sasse 23. Juli 2020, 08:21

                      Wahrscheinlich würde echt eine Kommission Sinn machen, die sich das mal auf breiter Basis anschaut und dann macht man alles in einem Aufwasch. ^^

                      Wir haben so viele Leute, nach denen wir Straßen benennen können. Von Robert Blum bis Petra Kelly, von Hugo Preuß zu Hildegard Hamm-Brücher, von Adenauer zu Brandt zu Kohl, von Alice Schwarzer zu Clara Zetkin. Wir ehren unsere VorkämpferInnen für Demokratie, Rechtsstaat und Bürgerrechte eh zu wenig.

                    • cimourdain 23. Juli 2020, 08:35

                      @Stefan Sasse
                      Alice Schwarzer ist nicht strassentauglich, weil noch am Leben (und fiskalevasiv vorbelastet, wenn das was zählt).

                    • Stefan Sasse 24. Juli 2020, 11:21

                      Frage der Zeit 😉 Wollte sie auch nur als Beispiel listen.
                      Denke, angesichts ihres Lebenswerks ist das vernachlässigbar. Und ich sag das als Schwarzer-Gegner.

                    • Ralf 23. Juli 2020, 09:13

                      In einem Land, in dem der Begriff “Mohr” aus der Sprache gesäubert werden soll, wäre es Comedy der Straße anschließend den Namen Schwarzer zu geben.

                    • Stefan Sasse 24. Juli 2020, 11:21

                      Bei dem Thema trollst du auch nur noch, oder?

                    • cimourdain 23. Juli 2020, 18:21

                      @Ralf
                      Ohje, du hast recht. Postillonwürdig. Doppelt getrollt wäre es allerdings, diese Straße nach dem Filmpionier Johann Schwarzer mit seinen Produktionen für den „Herrenabend“-Markt zu benennen.

                  • Ralf 23. Juli 2020, 09:17

                    Worte ändern im Laufe der Zeit ihre Bedeutung, und es gibt ja dutzende Mohrstraßen

                    Worte ändern ihre Bedeutung nur dann, wenn sie verwendet werden. “Mohr” kommt außer in einer populären apokryphen Weihnachtsgeschichte in der deutschen Sprache aber praktisch nicht vor. Folglich hat der Begriff “Mohr” nie einen rassistischen Unterton gehabt. Folglich ist es ein Nichtproblem, das außerhalb des woken Mobs keinen interessiert.

                  • Ariane 23. Juli 2020, 09:27

                    Deswegen ja Möhrenstraße, da hat man weniger Stress mit Adress-Änderungen. Und es gibt das Zitat „der Mohr hat seine Schuldigkeit getan“ in einigen Gegenden heißt es Mohrenkopf statt N.kuss und den Sarotti-Mohr kennt man auch.

                    Also es ist jetzt echt kein Fremdwort wie Etymologie.

                    lebende Menschen: Schumacher hat auch eine Straße übrigens 😉
                    Sehe ich sonst wie Stefan, es gibt echt viele Menschen, die eine Ehrung verdient hätten. (hint: Frauen sind da extrem unterrepräsentiert übrigens)

              • Stefan Sasse 23. Juli 2020, 08:17

                Eben das.

            • Stefan Sasse 23. Juli 2020, 08:16

              Es steht dir absolut frei, einen Artikel über den EU-Gipfel zu schreiben. Davon abgesehen kann ich über beides gleichzeitig diskutieren. I can multitask like that.

              • Ralf 23. Juli 2020, 09:20

                Klar kannst Du über beides diskutieren. Nur ist Deine Zeit in einer Diskussion über erfundene Probleme weit weniger sinnvoll eingesetzt als in einer Diskussion über reale Probleme.

                • Ariane 23. Juli 2020, 09:30

                  Vielleicht hören wir mal auf damit, Probleme als erfunden darzustellen? Kam bei mir auch, als ich hier Frauenfeindlichkeit beklagte. Es steht doch jedem frei, sich mit anderen Problemen zu beschäftigen.

                  • Ralf 23. Juli 2020, 11:09

                    Beim “Mohr” handelt es sich aber um ein erfundenes Problem. Mit derselben Berechtigung könntest Du das Wort “Bäckerei” oder das Wort “Landstraße” aus der deutschen Sprache säubern. Es ist schlicht eine völlig absurde Veranstaltung.

                • Stefan Sasse 24. Juli 2020, 11:22

                  Du entscheidest halt nicht allein darüber, was wichtig ist und was nicht.

                  • Ralf 24. Juli 2020, 12:16

                    Stimmt. Nur sollte der woke Mob eben auch nicht alleine entscheiden, was er aber gegenwärtig tut. Wünsche nach Straßenumbenennungen oder Sportclubumbenennungen kommen z.B. praktisch nie von Anwohnern, Fans oder Sportlern, sondern von einer winzigen, lauten, selbstgefälligen Minderheit, die der Mehrheit ihren Willen aufzwingen will und der dies, durch den Terror, den sie macht, auch zunehmend gelingt.

                    • Stefan Sasse 24. Juli 2020, 13:08

                      Der woke Mob. Terror. Bald gehst du auf eine Hildemann-Demo, oder?

                    • Ralf 24. Juli 2020, 13:52

                      Es ist sehr unwahrscheinlich, dass ich jemals auf einer Hildmann-Demo sein werde und sehe auch keinerlei Zusammenhang zwischen dem Verschwörungstheoretiker und meiner Argumentation.

                    • Stefan Sasse 24. Juli 2020, 14:03

                      Welche Argumentation? Du sagst, dass das, was du wichtig findest, objektiv wichtig ist. Kann man schon machen, ist allerdings wenig argumentativ oder gar zielführend. Ich finde ja bei manchen Diskussionen auch nichts, was mich interessiert, aber das heißt nicht, dass sie unwichtig wären. Alle vier Jahre bei der WM kann ich eindrucksvoll sehen, dass meine Prioritäten nicht mit denen der Bevölkerung repräsentativ im Schnitt liegen…

                    • Ralf 24. Juli 2020, 14:21

                      Du sagst, dass das, was du wichtig findest, objektiv wichtig ist.

                      Dass ich meine eigene Meinung wichtig finde, damit stehe ich vermutlich nicht alleine da. Aber nein, ich bin nicht der Ansicht, dass meine Meinung per se die Allentscheidende sein sollte. Aber ich denke, es sollte den Betroffenen Gehör geschenkt werden und genau das geschieht nicht. Nimm das Beispiel der Umbenennung der Washington Redskins. Da ist vor zwei Jahren eine großangelegte Umfrage von der Washington Post durchgeführt worden unter Native Americans, ob sie sich von dem Namen beleidigt fühlen. Die Antwort war klar. Und die Antwort war nein. Die Fans wollten den Namen auch nicht ändern. Und die Mannschaft auch nicht. Geändert worden ist der Name jetzt trotzdem, weil der kleine woke Mob mit seinem Terror die Werbepartner der Redskins so weit eingeschüchtert hat, dass die aus Angst vor negativer Publicity eingeknickt sind. Und aus finanziellen Gründen ist anschließend der Verein eingeknickt. Und dieses Beispiel ist absolut exemplarisch für das, was gegenwärtig passiert. Eine Handvoll lauter, aggressiver Aktivisten zwingt der Mehrheit ihren Willen auf, unter Verwendung von Diffamierungen.

      • cimourdain 22. Juli 2020, 21:24

        Ein konkretes Beispiel für Ambivalenz und die Fallstricke, die sie mit sich bringt: Vor ein paar Jahren sollte im ‚afrikanischen Viertel‘ in Berlin eine Strasse nach Königin Nzinga (Frau, Schwarz) benannt werden.
        https://www.spiegel.de/geschichte/sklavenhaendlerin-nzinga-skrupellose-koenigin-in-angola-a-1153063.html

        • Stefan Sasse 22. Juli 2020, 21:47

          Danke!

        • Ariane 22. Juli 2020, 22:32

          Meine Güte! Haben die sonst keinen gefunden? Rosa Parks ist doch perfekt, Alltagsheldin 🙂

  • Ariane 21. Juli 2020, 12:46

    Schnell mal hier abgeladen, weil gerade gefunden: Heute beginnt ja der Prozess vom Anschlag in Halle. Der für Lübcke läuft ja auch. Find ich übrigens echt schwer, noch den Überblick zu behalten – alleine weil mittlerweile 17(?) Leute Morddrohungen vom NSU 2.0 erhalten haben.

    Na wie auch immer, hab hier ein Interview einer Nebenklägerin dazu gerade entdeckt. Und was mich verrücktermaßen am meisten schockiert und entsetzt ist die Coolness und Routine (sie kommt aus den USA und meinte, sie wussten direk, was los ist, weil das da so normal ist, Wahnsinn) in der sie davon erzählt. Und sie war in der Synagoge.
    https://twitter.com/LeftvisionClips/status/1285474838472282121

    Ich meine, es ist auch noch nicht klar, ob er sich äußern wird. Weiß nicht mal genau, wie die Anklage lautet. Psychiatrische Gutachten spielen auch eine Rolle. Und am Schluss im Interview sagt sie es auch, es ist ein bisschen wie ein Schauprozess, er wird ins Gefängnis kommen, nur das Problem besteht weiterhin und lässt sich weder durch diesen noch andere Prozesse lösen.

  • Ariane 22. Juli 2020, 01:05

    @Dennis Sternburg Stefan:
    Falls die sich mit der „neuen Zeit“ angefreundet haben und keine geistig-moralische Wende (TM) wünschen, kann man IMHO allerdings den alten Kram vergessen und abhaken.

    Ich hatte ja im anderen Beitrag auch den Artikel der taz verlinkt, wo es um Elternschaft von LGBT-Menschen geht.

    Ich könnte mir vorstellen, dass wir unter einer Kanzlerin Giffey oder wohl eher Kanzler Özdemir, also GR auch mal eine grundlegende Reform bekommen. Ich meine, im GG geschützt ist nur die Ehe – ohne dass definiert wird, was das ist, bzw wer verheiratet ist? Die Ehe für alle hat ja keine GG-Änderung nötig gemacht. Sondern es wurde nur ein anderes Gesetz geändert.

    Gerade da die Ehe für alle jetzt Gesetz ist, wäre es noch dringender an der Zeit die Ehesache mal mehr auf Familiensache umzuschreiben. Hab da total den Überblick verloren, es gab ja auch dutzende und aberdutzende Einzeländerungen zu unehelichen Kindern, weil sowohl Väter als auch Kinder da rechtlich immer zweitklassig waren. Im Bereich der Samenspende gab es ja auch ein (oder mehrere) Gesetzesänderungen, ich glaub das war aus Kindersicht, dass bei Volljährigkeit die Daten des Vaters herausgerückt werden müssen oder so.

    Ich meine, künstliche Befruchtung ist ja auch ein uralter Hut, das erste Kind ist sogar ungefähr in meinem Alter glaub ich, haben die Ärzte nicht sogar den Nobelpreis für Medizin gewonnen? Das hat die ganze Sache (die vorher nur Adoption bereits vorhandener Kinder umfasste) ja eh auf eine ganz andere Stufe gehoben und mit der Ehe für alle haben wir da jetzt das nächste ungelöste „Was ist Elternschaft?“-Problem.

    Ich erinnere auch nochmal an die Kritik von Stefan und mir an Merkel. Außer die Ehe für alle (was sie immerhin abgeräumt hat) wurde seit 16 Jahren jedes Problem durch einzelrichterliche Entscheidungen gelöst (außer in Bezug auf Unterhaltsfragen, aber da gab/gibt es ja auch totales Kuddelmuddel)

    Das wäre so ein typischer Fall, wo es mal dringend notwendig ist, dass die Union in der Opposition landet, damit man das endlich mal grundlegend lösen kann. Ist ja eh ein Witz, dass man das nicht gleich mit der Ehe für alle mitgelöst hat. War ja schon positiv überrascht, dass die zumindest so klug waren, die Shutdown-Maßnahmen nicht noch auf Ehepaare zu begrenzen obwohl ich meine, dass man das auf EU-Grenzebene auch wieder vergessen hatte.

    Meistens ist das Thema ja durch (vllt hätten sie wie Dennis vorschlägt, wirklich lieber die Ehe abschaffen sollen, wäre liberaler und unbürokratischer) Ich meine juristisch spielt das hauptsächlich im Steuerrecht oder bei Erbschaften eine Rolle (die Frage der Adoption mal ausgeklammert).

    Ist generell ne Sache, wenn man soweit ist, dass man Anwälte braucht, ist eh alles schon den Bach runtergegangen. Ich weiß gar nicht genau, (Sassestefan oder Dennis wissen da vielleicht mehr?) während des Krieges bzw frühe Nachkriegszeit war das ja mehr so unter der Hand, weil es viele Witwen und Waisen gab quasi, da lief das ja oft improvisiert ab, dass man ein verlassenes Kind mit aufgenommen hat. Gab es da irgendwie Sonderkriegs-Rechte zwecks Adoption oder so? Oder hat man da irgendwie Tabula Rasa gemacht, dass eh keiner mehr geguckt hat, wer da überhaupt blutsverwandt ist? Normal ius sanguinis oder wie das heißt, läuft in Deutschland ja alles über Blutsverwandtschaft.

    • Stefan Sasse 22. Juli 2020, 08:19

      Bin ich bei dir.

      Kein Experte für Scheidungsrecht, sorry.

      • Ariane 22. Juli 2020, 13:22

        Da gibts auch kaum noch Experten fürchte ich. Da gab es soviele Gerichtsentscheidungen, Reformen, andere Dinge. Da blickt überhaupt niemand mehr durch.
        Gerade wenn noch Kinder im Spiel sind. Übrigens: immerhin so langsam je nach Alter, hat sich auch da durchgesetzt, die Kinder als eigenen Player zu sehen mit eigenen Rechten (was es auch nicht unkomplizierter macht btw, obwohl es natürlich nötig ist)

        Da gab es auch so Ärger während der Lockdown-Phase, wenn man nicht verheiratet ist, muss der Vater als allererstes zum Standesamt und die Vaterschaft anerkennen. Und das hatte zu. Und rechtlich ist man dann nicht der Vater. (andersherum, wenn man eine Frau heiratet, die von einem anderen Mann schwanger ist, ist man rechtlich auch ohne Blutsverwandtschaft der Vater)

        Also ja, das müsste mal grundsätzlich auf Partnerschaft, Familie, Elternschaft umgestellt werden. Die Gesetze hinken da meilenweit der Realität hinterher.

        • Ariane 22. Juli 2020, 13:27

          Hab mal nachgeschlagen: Vielleicht können die Jura-Korrespondenten noch weitere Details beitragen?

          Also das GG besagt:
          (1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
          (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
          (3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.
          (4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.
          (5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

          Gut möglich, dass das zwischendurch modernisiert wurde. Aber die Ehe für alle ging ohne Grundgesetzänderung oder?
          Da nicht drinsteht, dass eine Ehe eine Sache zwischen Frau und Mann und sonst niemandem ist, müsste eine grundlegende Reform ja durchaus ohne GG-Änderung möglich sein. Denk ich mal so als Laie.

          • Stefan Sasse 22. Juli 2020, 13:40

            Ehe für Alle geht ohne GG-Änderung, ja. Das GG definiert sie nicht als Mann und Frau. Nur dass sie besonders geschützt werden muss. Wie auch immer.

    • Dennis 22. Juli 2020, 17:03

      Zitat Ariane:
      „Die Ehe für alle hat ja keine GG-Änderung nötig gemacht. Sondern es wurde nur ein anderes Gesetz geändert.“

      Genau das. Dass eine Verfassungsänderung notwendig sei, wurde aber von diversen hard core Konservativen (von nicht wenigen CDU/CSU-Leuten, z.B. Herrn Amthor, der ja auch Jurist ist, aber bei der Abstimmung im vorigen Bundestag noch nicht dabei war) als unumgänglich eingefordert, natürlich, um das Ding zu verhindern.

      Komplizierte Sache. Die Bayerische Staatsregierung (damals Seehofer) wollte angeblich „nach Karlsruhe gehen“, also eine Normenkontrollklage einreichen, hat sich aber durch ein 150-seitiges Gutachten, das bei einem Augsburger Ordinarius (to whom it may concern: es handelt sich nicht um einen Studenten^) bestellt wurde…

      https://de.wikipedia.org/wiki/Ferdinand_Wollenschläger

      ……davon abhalten lassen:

      https://www.bayern.de/wp-content/uploads/2018/03/gutachten-ehe-fuer-alle-prof.-wollenschlaeger-1.pdf

      Leitsatz bei der Schlussfolgerung:
      „Bei Gewichtung der zuvor entfalteten Interpretationsansätze spricht mehr dafür, dass der Gesetzgeber die Ehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften öffnen darf. Denn das überkommene Strukturmerkmal der Verschiedengeschlechtlichkeit hat infolge des vorstehend
      entwickelten Befunds an Eindeutigkeit und Exklusivität verloren“

      Böse Zungen (zu denen ich in diesem Fall auch gehöre) behaupten, Seehofer und Co wollten die Theateraufführung in Karlsruhe gar nicht und der Tenor des Gutachtens war erwünscht, weil sich das weitere Rumhacken auf diese Angelegenheit politisch selbst beim CSU-Klientel nicht ausgezahlt hätte. Im Grunde wurde die Sache im merkelistischen Stil für die Union elegant gelöst bzw. gemerkelt^. Sie hat das Thema durch andere abräumen lassen (SPD, Grüne, Linkspartei, ca. 25 % der CDU/CSU-Fraktion, sie selbst als Abgeordnete aber nicht !), was den anderen Parteien aber nix nutzt. Wie „Karlsruhe“ verfassungsrechtlich darüber denkt, werden wir nie erfahren, weil es keinen Kläger gibt. Damit müssen wir leben; schrecklich.

      Zitat Ariane:
      „Ich meine, künstliche Befruchtung ist ja auch ein uralter Hut, das erste Kind ist sogar ungefähr in meinem Alter glaub ich,“

      In meiner Eigenschaft als vereidigter Recherche-Obermeister kann ich mitteilen, dass das damalige Mädchen in wenigen Tagen ihren 42. Geburtstag feiert.
      https://de.wikipedia.org/wiki/Louise_Joy_Brown

      Zitat:
      “ haben die Ärzte nicht sogar den Nobelpreis für Medizin gewonnen?“

      Ja; einer

      https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Edwards_(Genetiker)

      Zitat:
      „vllt hätten sie wie Dennis vorschlägt, wirklich lieber die Ehe abschaffen sollen, wäre liberaler und unbürokratischer)“

      Keine Ahnung, worauf sie das bezieht, es ist jedenfalls ein Missverständnis oder ich war nicht mehr ganz nüchtern. Ich habe das nie ernsthaft vorgeschlagen. Das waren die Quatsch-Debatten der 70er. Ich war ja selbst verheiratet, allerdings nicht juristisch, jetzt verwitwet, meinetwegen auch für Legalisten „verwitwet“ . So schräg kann das Leben sein. Jeder und jede möge da sein/ihr Ding machen, das am besten zu ihm/ihr passt.

      Zitat:
      „Gab es da irgendwie Sonderkriegs-Rechte zwecks Adoption oder so?“

      Nö, glaub ich jedenfalls nich. Es gab womöglich mehr „Pflegschaften“ wegen der beschriebenen besonderen „Fälle“; Is was anderes als Adoptionen.

      Zitat:
      „Gerade da die Ehe für alle jetzt Gesetz ist, wäre es noch dringender an der Zeit die Ehesache mal mehr auf Familiensache umzuschreiben. Hab da total den Überblick verloren,“

      Ja, sehe ich auch so. Den Überblick hab ich auch nicht, liegt wohl daran, dass das Verständnis betreffend Ehe zu Familie durch neumodische Sitten und Gebräuche sehr divers geworden ist und weiter im Fluss ist. Unterschiedlich gemusterte Patchworks und so. Dem muss auch rechtlich Rechnung getragen werden, statt dass man das bekämpft. Man kann das, also das volatile Sittengemälde mit allem Drum und Dran, natürlich auch als Kulturkrieg abhandeln und sich dann angucken, wer oder was da historisch überwiegend gesiegt hat. Scheint eher die progressive Seite zu sein. Dass zum Beispiel Kuppelei, also die Förderung fremder Unzucht^, z.B. durch ein Hotel, wieder strafbar sein möge, wird – soviel ich weiß – auch von Herrn Merz nicht gefordert, jedenfalls momentan nicht. Dass Ehen von bzw. vor den Kirchen geschlossen werden müssen und der Staat außen vor bleibt, fordern heut auch nur noch wenige^. Das waren mal mehr. Die diesbezügliche Änderung war auch mal ein größeres Tamtam, so wie die Ehe für alle. Beides ist gegessen.

      • Stefan Sasse 22. Juli 2020, 17:28

        Die Bevölkerungsmehrheit war auch viel zu krass gegen die Union, als dass sie das hätte durchhalten können. Die Ehe für alle hatte ja Zustimmungswerte jenseits der 70%, alle Parteien im Bundestag (damals) forderten sie. Wozu die Kröte in den Koalitionsverhandlungen schlucken müssen und schwach wirken? Es ist einfach der Beweis für Merkels politisches Geschick und der Grund, warum die Union sechzehn Jahre lang das Kanzleramt besetzen konnte.

        • Ariane 22. Juli 2020, 17:51

          Jep, das ist parteiübergreifend eigentlich kein Ding mehr (außer vielleicht in der AfD, obwohl Weidel ja auch mit einer Frau verheiratet ist (und deswegen angefeindet wird) Der Konsens ist gesellschaftlich in dieser Frage riesig.

          Wenn die Union weiter regiert, erwarte ich auch in Fragen der Elternschaft, dass das letztendlich vermutlich Gerichte entscheiden, ich glaube da ist das C in der Union zu mächtig, als dass es zu einer grundlegenden Reform kommt. (Das mit dem Abtreibungsparagraphen haben sie ja auch katastrophal verschlimmbessert)
          Das muss man erstmal schaffen, es ging ja nur darum, zu verhindern dass „diese Praxis führt auch Abtreibungen durch, mit Verfahren X und Y“ nicht strafrechtlich relevant ist.

        • Stefan Pietsch 22. Juli 2020, 17:52

          Das kann nie der Grund sein, in Grundrechte einzugreifen. Tatsächlich sind die ersten 20 Artikel auch in ihrem Wesensgehalt unveränderlich.

          Die Ehe steht unter dem Schutz des Grundgesetzes. Jahrtausendelang war klar, was mit einer Ehe gemeint ist. Der Gesetzgeber hat dies auch so gefasst, dass eine vor dem Staat geschlossene Gemeinschaft von Mann und Frau dies darstellen und der Staat diesem Bündnis einen übergeordneten Schutz einräumt. Doch vor 20 Jahren wurde ein neues Rechtsinstitut geschaffen, das der eingetragenen Lebenspartnerschaft und dies in seinen Rechten sehr stark an die Ehe angepasst. Damit wurde zum allgemeinen staatlichen Verständnis, dass auch homosexuelle Verbindungen rechtlich „Ehen“ sind. Dass sie dann auch den besonderen Schutz des Staates in anderer Hinsicht genießen, versteht sich von selber, weshalb es jedem fachlich Versierten auch in der Union seit Jahren klar war, dass damit auch die Ausweitung des Ehebegriffs zwangsläufig war.

          Es bedurfte also des langen Weges, um den Begriff der Ehe grundgesetzkonform so umzudeuten. Im Jahr 2000 hätte das noch nicht gegolten. Nur wäre es falsch, daraus abzuleiten, das ginge für sämtliche Rechtsgüter. Hätte im Grundgesetz gestanden, eine Ehe sei der Verbindung von Mann und Frau vorbehalten, hätte es so nicht laufen können, denn damit wäre definiert gewesen, was konkret eine Ehe ist. Eine Verfassungsänderung wäre allerdings möglich gewesen.

          • Stefan Sasse 22. Juli 2020, 19:10

            Es wurde ja nicht in die Grundrechte eingegriffen. Ich weiß nicht, was dein Problem ist. Mal abgesehen davon im Übrigen, dass die Hyperbel „Jahrtausende“ ziemlich albern ist. Die Ehe in ihrer heutigen Form ist eine ziemlich moderne Institution und keine 400 Jahre alt.

            • TBeermann 22. Juli 2020, 20:42

              Das übliche Problem. Wenn andere plötzlich auf gleicher Höhe sind, die vorher unter einem standen, wird das als Herabsetzung wahrgenommen.

              https://twitter.com/erzaehlmirnix/status/1275731572222832640/photo/1

              Und das Kunststück, den Zustand der Welt zum Zeitpunkt der eigenen Geburt bis Jugend als den Ur- und Naturzustand zu sehen, der schon immer so war, so gehört und das einzig Richtige ist, dürfte die einzig „echt konservative“ Eigenschaft sein,

              • Stefan Sasse 22. Juli 2020, 20:54

                Ja.

              • Ariane 22. Juli 2020, 22:34

                Jep, obwohl ich glaube, bei der Sache ist der Konsens in der Gesamtbevölkerung extrem breit.

            • Stefan Pietsch 22. Juli 2020, 21:04

              Meines Wissens nach gab es so etwas wie Ehe schon bei den Römern. Aber egal.

              Der Punkt ist doch, Stefan, dass wie auch in diesen Tagen Linke die Schlachten längst vergangener Zeiten schlagen. Ich habe weder das Thema auf die Ehe für alle noch auf Vergewaltigung in der Ehe gebracht. Das warst Du, Ariane und wer noch, die ein Bedürfnis haben, längst verdauten Käse hoch zu holen um zu zeigen, dass Linke immer auf der richtigen Seite standen und Rechte einfach hinter dem Mond leben.

              Ich habe kurz den juristischen Weg und damit die Begründung nachgezeichnet, wie es zur Anerkennung der Ehe für alle kam. Anscheinend bestand daran ja ein Bedarf.

              Dinge sind entschieden. Das ist der Sinn des zivilisierten Umgangs und der Demokratie. Es gibt kein „Ich hatte aber vor 30 Jahren Recht“. Ich habe kein Bedürfnis auf solche Debatten. Aber es lässt sich hier ja nachlesen, wer sie hat.

              • Stefan Sasse 22. Juli 2020, 21:47

                Ja, aber die Ehe bei den Römern ist mir unserer nur eingeschränkt vergleichbar.

                • Stefan Pietsch 22. Juli 2020, 23:09

                  Willst Du mir jetzt noch Quo Vadis versauen?

                  • Stefan Sasse 23. Juli 2020, 08:15

                    Falls du der Überzeugung bist, Quo Vadis bilde die römische Geschichte ab, muss ich dich schrecklich enttäuschen ^^ Da ist ja Django Unchained authentischer. 😀

      • Ariane 22. Juli 2020, 18:17

        Vielen Dank und herzliches Beileid <3

        Das ist auch wieder so eine typisch vermerkelte Lösung, man räumt ein Problem vom Tisch und "übersieht", dass sich dann drei neue Probleme stellen, die man lieber nicht anfassen möchte.

        Den Überblick hab ich auch nicht, liegt wohl daran, dass das Verständnis betreffend Ehe zu Familie durch neumodische Sitten und Gebräuche sehr divers geworden ist und weiter im Fluss ist. Unterschiedlich gemusterte Patchworks und so. Dem muss auch rechtlich Rechnung getragen werden

        Jep, nicht zu vergessen, dass wir auch schon Gerichtsentscheidungen hatten, die ein diverses/unbestimmtes Geschlecht ebenfalls zulassen.

        So langsam wird es eben doch zum Problem, dass wir kein richtig laizistischer Staat sind, obwohl ich das theoretisch nebensächlich finde. Aber aus der Ecke kommt natürlich der größte Widerstand.
        Und Mann und Frau heiraten, bekommen Kinder, bis das der Tod sie scheidet, ist nun mal die Ausnahme (war sie früher auch schon, da war die Gesellschaft nur anders gestrickt und die Männer hatten eher Mätressen oder gingen fremd, ohne dass es ein Skandal war) Was mir immer noch lieber ist, als die Prüderie in den USA eigentlich.

        Ich möchte die Ehe an sich eigentlich auch nicht abschaffen, so eine familiäre Verbindlichkeit finde ich schon wichtig. Aber ich finde, es muss nicht zwingend auf Mann und Frau bzw Liebesbeziehungen ausgelegt sein. Gerade wenn wir an LGBT-Eltern denken, wäre eine 3er-Familie ja durchaus eine gute Idee, heutzutage bleibt einer immer in der Luft hängen rechtlich (bzw irgendwie sehr kompliziert kann man das wohl auch rechtlich absichern).

        Wenn man es rechtlich herunterbricht, ist es ja eigentlich das Bekenntnis (rechtlich und/oder religiös) füreinander und eventuelle Kinder verantwortlich zu sein. Und wenn wir mal von sowas wie Ehegattensplitting absehen, ist das doch eigentlich nur wichtig, wenn es Schwierigkeiten gibt (was man – ist ja das Leben – nie ausschließen kann).

        Und meistens kriegt man das ja hin ohne die Gerichte jahrelang zu beschäftigen (ist sicher sehr entspannend für alle Beteiligten, nicht!). Aber Familienkonstellationen sind heute so vielfältig – und gesellschaftlich ist das eben längst akzeptiert, soll jeder lieben wen er mag. Da muss das Gesetz schon ansatzweise Schritt halten, um nicht immer wieder vor neue Unmöglichkeiten zu stoßen. Alleine schon, weil wir ja die EU sind und die Leute wie früher einfach nach Holland fahren, das machts rechtlich eben auch nicht einfacher.

  • CitizenK 22. Juli 2020, 19:24

    Der Busunternehmer heißt einfach „Mohr“ wie andere Müller oder Schmidt.

    • Stefan Sasse 22. Juli 2020, 20:55

      Niemand hat dem irgendwas vorgeworfen…?

    • schejtan 22. Juli 2020, 22:16

      Da ich auch mit diesem Nachnamen gesegnet bin, muss ich sagen, dass diese Diskussion schon einen gewissen Unterhaltungsfaktor hat.

      • cimourdain 23. Juli 2020, 08:32

        Das Bistum Freising und einige politische Gemeinden die dazugehören haben auch die heraldische Figur ‚Mohr‘ im Wappen.

        • schejtan 23. Juli 2020, 11:55

          Es ging mir vor allem um die Ueberschriften, die schon ein kleines Schmunzeln hervorrufen, wenn man so heisst ;).

  • CitizenK 23. Juli 2020, 09:09

    „Wir ehren unsere VorkämpferInnen für Demokratie, Rechtsstaat und Bürgerrechte eh zu wenig.“

    Das stimmt allerdings. Beispiel: In Heidelberg tagte ja das Vorparlament für die Paulskirche. In dem Gebäude ist heute eine Sparkasse. Um die Ecke in einer Seitenstraße hängt versteckt eine Erinnerungstafel.

    Immerhin haben wir eine Ebert-Gedenkstätte mit Lern-Angebot für Schulklassen und Seminare fürs Fachpublikum Vor der Initiative von Bundespräsident Heinemann gab es so gut wir gar nichts.

    • Ariane 23. Juli 2020, 09:32

      Jep Deutschland ist da echt komisch, gilt für 1916 auch, in Kiel gibt es ein kleines Denkmal für den Matrosenaufstand, aber das ist vermutlich das Einzige.
      Bin übrigens (auch aus feministischer Sicht) immer recht unbegeistert, dass Rosa Luxemburg eigentlich nur im Zusammenhang mit Liebknecht genannt wird. Sie war ja durchaus eine Frau mit eigenen Ideen.

    • Stefan Sasse 24. Juli 2020, 11:21

      Genau das meine ich.

  • Stefan Pietsch 23. Juli 2020, 12:11

    Diese Wertung von Euch Bilderstürmern muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Eine politische Aktivistin wie wie Petra Kelly vor herausragenden Kanzlern wie Konrad Adenauer und Willy Brandt zu nennen und sie damit gleichzusetzen. Darüber hinaus habe ich nicht den Eindruck, dass es zu wenig Konrad-Adenauer-Straßen und Willy-Brandt-Plätze gibt.

    Eine politische Lobbyistin wie Alice Schwarzer, die sich nie dem Gemeinwohl, sondern einer „Sache“ (und dem eigenen Portemonnaie) verpflichtet sah, auf eine Stufe mit Staatenlenkern zu stellen, zeigt vor allem eins: keinen Maßstab. Und so lässt sich weiter räsonieren: Ihr stört Euch an vermeintlich rassistischen Äußerungen herausragender Persönlichkeiten, die in ihrer Zeit nicht ahndungswürdig waren und wahrscheinlich selbst heute nicht strafrechtlich relevant wären und setzt diese mit Leuten gleich, die keine Distanz zur Stalin-Diktatur zustande brachten (Clara Zetkin) oder sich von einem Erich Honecker hoffieren ließen (Petra Kelly). Und für solche Leute sollen Churchill-Statuen weichen?

    • Ariane 23. Juli 2020, 12:23

      Petra Kelly war keine politische Aktivistin. Sie war Politikerin und Mitglied des Bundestages. Sie hat nicht weniger Ehrung verdient als Willy Brandt.
      Sie hat alleine schon deswegen Ehrung verdient, weil sie selbst nicht mehr von der politischen Änderung, die sie angestoßen hat, profitieren konnte.

      Ja, Churchill, Bismarck, Von Trotha, alle. Und wenn ich sie persönlich abreißen muss, damit die sexistischen Arschlöcher endlich kapieren, dass sie ihre Deutungshoheit in diesem Land verloren haben!
      Und ja, ich bin eine hysterische inkonsequente Frau. Weiß ich schon längst. Brauchst du nicht nochmal sagen!

      • Ariane 23. Juli 2020, 13:17

        Oder die Männer mit den lustigen Hemden rufen^^

    • TBeermann 23. Juli 2020, 18:54

      Petra Kelly ließ sich von Honecker „hofieren“?

      Kelly und vier weitere Grüne Bundestagsabgeordnete zeigten 1983 in Ost-Berlin ein Transparent mit der Aufschrift „Die Grünen – Schwerter zu Pflugscharen“ und wurden vorübergehend festgenommen. Danach trafen sie sich mit Oppositionellen.

      Als sie sich mit Honecker traf, trug sie einen Pullover mit dem gleichen Slogan und forderte im Gespräch die Freilassung aller Mitglieder der Friedensbewegung.

      Einige Jahre später schickte Sie Protestnoten an Honecker, als die DDR gegen die Umweltbibliotheken vorging.

      Kommt von dir eigentlich irgendwann noch mal etwas anderes, als Lügen und Verleumdungen?

      Petra Kelly hat gegenüber der SED mehr Eier gezeigt, als die ganze Union in der gesamten Nachkriegsgeschichte (so wie Strauss, der noch für frisches Geld für die DDR sorgte).

      • sternburg 24. Juli 2020, 00:58

        Das ist wahrscheinlich der Vorwurf: Dass Frau Kelly nicht beständig ausschließlich zum eigenen Vorteil handelte. Das will in so einen Kopf nicht rein.

      • Stefan Sasse 24. Juli 2020, 11:28

        Na, jetzt übertreib mal nicht.

  • CitizenK 24. Juli 2020, 11:43

    @ Stefan Sasse
    Nadler/Hecker: Sorry, sollte ein Scherz sein. Wie weit will man die Denkmalstürzerei treiben?

    • Stefan Sasse 24. Juli 2020, 13:07

      Nicht sonderlich weit, ehrlich gesagt. Aber ich habe einen Artikel zu genau dieser Frage geschrieben.

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