Sächsische Flüchtlinge werden im südchinesischen Meer von sozialistischen Großkoalitionären aufgesammelt – Vermischtes 28.08.2019

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Sie werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten.

1) Eine Idee vor dem Durchbruch?

Der Gründer der „Europäischen Stabilitätsinitiative“ hat den EU-Türkei-Deal erfunden und Alternativen zur jetzigen Integrationspolitik entwickelt, nun reist er zwischen Afrika und Europa hin und her, um Unterstützer für seinen „Gambia-Plan“ zu finden. Dieser sieht bilaterale Abkommen zwischen einem oder mehreren europäischen Staaten auf der einen und den Herkunftsländern der Migranten auf der anderen Seite vor: Europa hilft mit Geld und Know-how vor Ort, Lebensperspektiven zu verbessern und Fluchtursachen zu vermindern, und bietet zudem legale Wege zur Einwanderung in den europäischen Arbeitsmarkt. Im Gegenzug erklären sich die Herkunftsländer bereit, ihre irregulär nach Europa eingereisten Staatsbürger ab einem bestimmten Stichtag rasch zurückzunehmen. Knaus ist überzeugt: „Wir müssen den Herkunftsstaaten etwas anbieten, wenn wir wollen, dass sie mit uns kooperieren.“ Wenn sich der Deal herumspricht, meint er, würde der Flüchtlingsstrom versiegen. Um zu zeigen, dass es funktioniert, könnte das kleine westafrikanische Gambia als Modell dienen. „Der Plan wäre für alle Seiten eine Win-win-Situation“, sagt Sozialdemokrat Fechner. Damit ließe sich das Leiden in libyschen Lagern und das Sterben im Mittelmeer beenden und die Gewinnung dringend benötigter Arbeitskräfte ebenso forcieren wie die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber und Krimineller. (Sigrun Rehm, Badische Zeitung)

Das größte Hindernis an allen dieser „Fluchtursachen bekämpfen“-Ideen ist es, dass sie völlig konträr zur jahrzehntelangen Praxis der Entwicklungshilfe laufen. Diese wurde fast immer vor allem als ein Investitionsprogramm für die heimische Industrie verstanden und war überwiegend entweder an strategischen Interessen ausgerichtet (gerade während der Zeit des Kalten Kriegs) oder eben an denen der Wirtschaft; Dirk Niebel hat in seiner unrühmlichen Amtszeit diesen Subtext ja sogar zum Text gemacht und die Entwicklungshilfe offen auf Subventionen für die deutsche Industrie umgestellt. Das Geschrei genau der Konservativen und Liberalen, die jetzt wortreich Fluchtursachenbekämpfung statt Rettung fordern, wenn man tatsächlich wie im obigen Plan beschrieben Gelder schickt, kann ich mir jetzt schon vorstellen.

Was an dem oben beschriebenen Deal in jedem Falle der entscheidende Hebel ist ist das Schlüsselwörtchen „bilateral“. Auf eine gesamteuropäische Lösung zu hoffen ist aktuell schlichtweg reine Träumerei. Weder sind die osteuropäischen Länder oder andere Rechtsausleger wie Finnland bereit, das mitzutragen, noch wäre Deutschland selbst bereit dazu, das hat man in den letzten Jahren hinreichend deutlich sehen können. Bilaterale Verträge haben daher den Vorteil, ohne die schwerfälligen EU-Institutionen auszukommen, die mangels klarer Auftragenübertragung hier ohnehin wenig handlungsfähig sind, und andererseits auf die konkreten Probleme des jeweiligen Landes eingehen können. Die Vorstöße sind daher sehr zu begrüßen.

2) How the US Could Lose a War With China

The question is what could actually cause the United States to fight China. What if China invades and occupies Taiwan, a democratic U.S. partner and arms customer? Would America actually risk World War III? What if China forces its claim to the Senkaku Islands, which the United States considers to belong to Japan? Does that fall within America’s treaty commitments to defend its ally? There’s no guarantee that a U.S. president, especially Trump, would resort to war in either case. But these are among the scenarios war-gamers at the Rand Corporation have studied to see if the United States could prevent China from claiming territory by force. It’s not clear that the U.S. could. Notably, the likeliest U.S.-China war scenarios take place in Asia—it’s not that a Chinese “victory” means the Chinese Communist Party takes over Washington, but that the U.S. can’t successfully eject China from Japanese-claimed territory or Taiwan. In an attempt to do so, besides cyberattacks, the United States could attack Chinese forces from the air or sea. The problem is that China has spent at least the past 20 years, partly informed by observations of how the U.S. conducted the Gulf War in the 1990s, preparing for exactly this kind of conflict, and investing in defenses that could violently thwart a U.S. approach. […] “The Chinese don’t have to comprehensively defeat the United States militarily in order to achieve their near-term objectives,” David Ochmanek, a senior international and defense researcher at Rand, told me. “If their objective is to overrun Taiwan, that in principle can be accomplished in a finite time period, measured in days to weeks.” (Kathy Gilsinan, Defense One)

Die realen sicherheitspolitischen Bedrohungen, die in der kommenden Dekade auf uns zukommen, sind anhand solcher Beispiele erkennbar. Da die glaubhafte Drohung des nuklearen Weltkriegs nicht mehr existiert, wird regional begrenzte militärische Aktion selbst zwischen Großmächten zu einer realistischen Option. Und die US-Armee mag groß und mächtig sein, aber Chinas Aufrüstung hat es in die Lage versetzt, dem amerikanischen Riesen in seinem eigenen Hinterhof wenigstens einen empfindlichen Schlag zu verpassen. Gerade die Angreifbarkeit der Flugzeugträger wird schon seit Jahren beklagt.

Für uns in Europa ist das wahrscheinlichste Szenario dieser Art der Konflikt mit Russland. Gerade die unklare Haltung der Bundesrepublik öffnet gefährliche Spielräume. Ist es denn sicher, dass die NATO tatsächlich die territoriale Integrität der Baltenstaaten verteidigen würde, wenn Putin beschließt, einen weiteren Mosaikstein in seinen Traum von der Wiedererrichtung des Sowjetimperiums einzubauen? Meinungsumfragen sprechen da eine dezidiert ambivalente Sprache, und Ambivalenz ist das Gift, das militärische Auseinandersetzungen erstrebenswert erscheinen lässt. Wir werden uns, ob wir wollen oder nicht, in den kommenden Jahren mehr solche Gedanken machen müssen – und dabei nicht wie früher auf uneingeschränkte US-Hilfe bauen können.

3) Wir sind Konsumnation

An dieser Stelle wird es kompliziert. Denn so unzweifelhaft die Erkenntnis ist, dass die Konsumsteigerung zu irreversiblen Folgeschäden führt, und so klar die Einsicht, dass insbesondere  westliche Gesellschaften ihr Verbrauchsniveau signifikant senken müssten – die Konsumkritik umfasst in der Praxis dennoch eine Reihe fundamentaler Widersprüche, von denen viele sich kaum auflösen lassen. Es ist mittlerweile zwar im öffentlichen Bewusstsein angekommen, dass die Hochkonsumkulturen soziale und ökologische Verwerfungen nach sich ziehen. Aber das individuelle und kollektive Verbraucherverhalten ändert sich nur sporadisch. Es geht hier weniger um ein Erkenntnisdefizit als um ein Handlungsdefizit. Es stimmt zwar, dass es beispielsweise noch immer Skeptiker des Klimawandels gibt, allen voran Donald Trump, der bekanntlich gerade das Pariser Klimaabkommen aufgekündigt hat. Zumindest auf der Ebene des globalen Konsums dürfte das dennoch nicht das Hauptproblem sein. Ausschlaggebender ist heute vielmehr bloßes Desinteresse oder, vermutlich sogar noch häufiger, das Handeln wider besseres Wissen. […] Sie kommt ab einem bestimmten Punkt nämlich nicht umhin, zwischen vermeintlich authentischen und künstlichen – das heißt: überflüssigen – Bedürfnissen zu unterscheiden, etwa zwischen dem Waldspaziergang auf der einen und dem Nachmittag vor der Playstation auf der anderen Seite. Ganz abgesehen davon, dass unklar bleibt, wer die Unterscheidung zwischen „richtigem“ und „falschen“ Konsum letzthin treffen sollte, läuft eine solche Form der Konsumkritik nicht selten dann doch auf die ökologisch kostümierte Reproduktion bürgerlicher Distinktionsbedürfnisse hinaus: Manufactum-Mittelschicht gegen Discounter-Proletariat. Was nicht zuletzt auch deshalb so bigott ist, weil es die Bedeutung vom „Trost der Dinge“ unterschlägt. (Nils Markwardt, ZEIT)

Ich verstehe das völlig. Ich bin schamloser Konsumist; der von Markwardt angesprochene „Trost der Dinge“ gilt ja nicht nur für die Unterschicht. Ich erfülle mir gerne und häufig Konsumwünsche, das ist einer der Hauptgründe, warum ich mehr arbeite als ich für den Lebensunterhalt müsste. Wer so tut, als sei Konsum etwas Verachtenswertes und Niederes, bedient dabei zwar diverse parallel laufende Narrative (Konsumverachtung ist ein merkwürdiges Ding, es findet sich von der sozialistischen Linken zur alternativen Linken zu den Konservativen zu Nazis; nur die Liberalen und Sozialdemokraten waren immer schambefreite Konsumfans).

Und ja, diese Widersprüche sind unauflösbar, vor allem auf der Ebene des Privatkonsumenten. Ich habe mittlerweile Teile meines Konsums angepasst, um klimafreundlicher zu werden, aber wie in zahllosen Artikeln dieser Tage bereits bewiesen wurde, hat das kaum spürbaren Effekt. Es dient vor allem meiner eigenen moralischen Hygiene. Gerade aus meiner Position als Konsumfan heraus muss ich aber auch feststellen, dass das alles nichts hilft. Wir werden uns umstellen müssen. Es führt einfach kein Weg daran vorbei. Zu erwarten, dass Privatkonsumenten das stemmen, ist völlig absurd. Ohne tiefgreifende systemische Veränderungen geht gar nichts.

4) Wie Hefe in Deutschland

Nicht wenige Ostdeutsche haben ein zweispältiges Verhältnis zum Staat: In der DDR sorgte er zum einen über zwei Generationen hinweg für eine basale soziale Sicherheit. Daher rührt die verbreitete Erwartung, dass nicht der Markt, sondern der Staat aktuelle Probleme lösen solle. Zum anderen lebten viele DDR-Bürger in Distanz zum Staat. Skepsis gegen die „Obrigkeit“ war weit verbreitet, selbst unter SED-Genossen. Das Denken in Dichotomien des Nichtverstehens – „die da oben“ und „wir hier unten“ – war deshalb so prägend, weil die Ignoranz der Funktionäre gegenüber den Bedürfnissen und Problemen der Bürger der Theorie des Sozialismus so eklatant widersprach. […]  Sachsen, das nur kurzzeitig europäische Machtpolitik betrieben hatte, ansonsten aber durch Kunst und Gewerbe bekannt geworden sei, wurde für unzufriedene und kritische Geister zum Gegenentwurf und zum Vehikel der Distanzierung von einem Staat, dessen soziale Leistungen selbstverständlich geworden waren, dem man aber nie so richtig trauen mochte. […] 1990 verstand der aus dem Westen kommende CDU-Spitzenkandidat Kurt Biedenkopf sofort, welches politische Kapital sich aus einem lebendigen sächsischen Regionalbewusstsein schlagen ließ. Sachsen war im Unterschied zu den neuen Bindestrich-Ländern des Ostens und dem 1920 aus Kleinstaaten zusammengefügten Thüringen das einzige Land, das sich annähernd glaubwürdig als historisches Kontinuum imaginieren und als Tradition erfinden ließ. […] In Sachsen, wo die bayerischen und baden-württembergischen „Transformationspaten“ aus dem zutiefst konservativ und antikommunistisch geprägten Süden der alten Bundesrepublik einflogen, formte die CDU 1990 ein Denkmuster, das die politische Kultur lange prägen sollte: Duldung und Offenheit nach rechts, Feindbildrhetorik und scharfe Abgrenzung nach links. Der rechtskonservative Rand mit gelegentlich rechtsradikalen Tendenzen wurde toleriert, die Rechtslastigkeit von Polizei und Justiz kleingeredet. Noch im Jahr 2000, als sich in einigen Regionen des Freistaats längst eine gewaltbereite rechtsradikale Szene etabliert hatte und ganze Gebiete als „national befreite Zonen“ galten, verkündete Kurt Biedenkopf, die Sachsen seien von Hause aus dagegen „immun“. (Simone Lässig, FAZ)

Dieses insgesamt sehr lange Essay über die Kultur- und Mentalitätsgeschichte Sachsens ist in seiner Gänze empfehlenswert. Ich wollte vor allem obige Teile herausgestrichen wissen, weil sie mir bisher noch nicht klar waren. Die Erfahrung der DDR-Bürger mit dem Staat macht, wie das oben beschrieben wird, absolut Sinn. Aber das Klischee ist ja üblicherweise gerade Nähe zum Staat, die durch den Realsozialismus entstanden sein solle. Ebenso war mir der Aspekt der starken Regionalidentität Sachsens nicht so präsent. Da gibt es eine gewisse Parallele zu Adenauer, der für die BRD eine rheinische Identität in klarer Ablehnung vom vorherigen Preußen konstruierte.

Und dann haben wir eben die Kehrseite der Medaille, nämlich die nachhaltige Stärkung des rechten Extrems. Für die Sachsen-CDU ist das so eine Strategie, die ziemlich lange funktioniert hat. Wie so oft mit solchen Strategien funktioniert es immer, bis es nicht mehr funktioniert, und dann kommt die Rechnung, mit Zinsen.

5) Lauter Verweigerer

Und doch trifft Grenells Schein-Drohung einen Punkt: Denn es stimmt, dass die Deutschen nicht einhalten, was sie zugesagt haben. Nicht beim Geld. Und nicht beim Versprechen, mehr Verantwortung zu übernehmen. Gleich bei zwei Nato-Gipfeln, 2002 und 2014, verpflichteten sich zwei Bundesregierungen, eine rot-grüne und eine große Koalition, die Militärausgaben bis 2024 „auf den Richtwert von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zuzubewegen“, wie es offiziell heißt. Lange Zeit bewegten sich die Ausgaben aber nicht darauf zu, sondern davon weg. Schiffe, die nicht schwimmen, und Kampfjets, die nicht fliegen, prägen seitdem das Bild der Bundeswehr. […] Bei der finanziellen Ausstattung der Bundeswehr geht es um eine Grundsatzfrage, über die in Deutschland erstaunlich wenig geredet wird: Welche Armee wollen wir eigentlich haben? […] Die Straße von Hormus ist ein Nadelöhr des Welthandels und für die Exportnation Deutschland von zentralem Interesse. Dass die Briten von ihrer Idee eines militärischen Geleitschutzes unter dem Dach der EU Abstand nahmen und sich an einen US-Einsatz hängten, war in Berlin Anlass, jedes Nachdenken über ein Engagement der Bundeswehr zu beenden. Dabei wäre es viel besser, Deutsche und Franzosen würden eine eigene Mission zusammenstellen – und sich dann mit Amerikanern und Briten abstimmen. Trump beschimpfen und die anderen machen lassen, wenn es schwierig wird: Das ist eine Haltung, über die man selbst als wohltemperierter Europäer zum Grenell werden könnte. (Peter Dausend, ZEIT)

Dausends zentraler Punkt ist meines Erachtens nach die angesprochene Grundsatzfrage: Welche Armee wollen wir in Deutschland eigentlich haben? Wir bauen sie seit mittlerweile fast drei Jahrzehnten in Trippelschritten nach dem Motto „ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück“ von der früheren Verteidigungs- zur Interventionsarmee um. Die Probleme darin, die seit 2001 offenkundig geworden sind – der Mangel an geeigneter Ausrüstung (oder überhaupt Ausrüstung), die fehlende Erfahrung, die starren Richtlinien, die mangelnden logistischen Kapazitäten – haben verhindert, dass das irgendwie sinnvoll passiert, aber umgekehrt wurde die Verteidigungsarmee weitgehend demobilisiert. Dass man solange an der zur Karikatur ihrer selbst gewordenen Wehrpflicht festhielt, verbesserte die Lage auch wenig.

Ich bleibe dabei, dass die besten Aussichten zum Angehen dieser ganzen Problemkomplexe eine größere europäische Integration mit einer weitgehenden Aufgabenteilung ist. Das hat den zusätzlichen Vorteil, dass über langjährige Zeiträume selbst bei Auflösung der EU keine EU-Armee gegen die anderen eingesetzt werden kann, weil sie viel zu verflochten sind. Zudem spart es Geld und kann Synergieeffekte nutzen. Und dass die Deutschen eine komplette Interventionsarmee aufbauen, halte ich für werder erstrebens- noch erreichenswert.

6) Does Male Suffering Matter?

Do men suffer? Should anybody care when they do? Somehow these questions are part of an active and bitter debate about the status of men in modern society. A Gillette advertisement and new guidelines from the American Psychological Association sparked outrage by characterizing masculinity as largely or essentially “toxic.” It’s also controversial to suggest that male suffering can be the result of the exigencies and caprices of modern romantic dynamics. […] Yang reminds us that male pain is, indeed, often overlooked. For instance, Yang writes of Asian men: “Maybe they were nerds, maybe they were faceless drones, but did anybody know they were angry? What could they be angry about?” […] People don’t suffer as a pretext for hurting others; they hurt simpliciter, though they sometimes find no other way to express their suffering. People don’t, by and large, join and assist one another in order to develop a certain narrative of themselves. They do it because they feel called to, by the fully real other people with whom they’re dealing. Vulnerability, and recognizing the vulnerability of others, including of men, is not the symptom or the disease, nor one of Roupenian’s derivative monster figures. It’s the cure for the strange culture, so intricately networked and yet so hopelessly atomized, in which both these authors write and we all live. (Oliver Traldi, The American Conservative)

Der obige Auszug ist exemplarisch für das Problem, dass auf konservativer Seite häufig völlig missverstanden wird, was der Begriff „toxische Maskulinität“ eigentlich meint. Aus eigener Erfahrung kann ich aber auch sagen, dass es wenig hilft, es zu erklären; das Missverstehen dieses Themas scheint bei manchen essenzieller Teil der eigenen Identität zu sein.

Umso spannender ist, dass Traldi dann genau das beklagt, was auch die Kritik an toxischer Maskulinität ist: dass es Männern in unserer Gesellschaft nicht erlaubt ist, ihre Gefühle – vor allem Leid und Trauer – auszuleben. Die Problembeschreibung kommt ja tatsächlich vor allem aus dem konservativen Spektrum. Jungen sind in der Schule im Schnitt schlechter als Mädchen. Sie sind aggressiver. Sie können ihre Gefühle nicht ausleben. Und so weiter. Gleichzeitig verschließt man sich aber beharrlich der Erklärung dafür, sondern sucht die Ursache in den schrecklichen modernen Zeiten, die angeblich Männlichkeit nicht mehr wertschätzen, und hofft auf eine Rückkehr in ein früheres, besseres Zeitalter – das ja aber genau diese Probleme erst hervorgebracht hat.

7) GroKo hält viele Versprechen – punktet aber nicht beim Wähler

Demnach hat die Regierung aus Union und SPD in ihren ersten 15 Monaten zahlreiche Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. 47 Prozent der Versprechen seien vollständig oder teilweise erfüllt, 14 Prozent „substanziell in Angriff genommen“ worden. Das sei deutlich mehr als die – ebenfalls schwarz-rote – Vorgängerregierung zur Halbzeit geschafft hatte.  […] Die Autoren der Studie untersuchten 296 „echte Versprechen“: Vorhaben, bei denen sich klar überprüfen lässt, ob sie umgesetzt wurden. Ihr Fazit: Die Bilanz der jetzigen Koalition sei „rekordverdächtig“. Sollte die Regierung in ihrem jetzigen Tempo weiterarbeiten, könnte sie bis zum Ende der Legislaturperiode fast alle Versprechen eingelöst haben. […] Von den 296 Wahlversprechen stammen der Studie zufolge 73 (etwa ein Viertel) aus dem Wahlprogramm der SPD und 32 (elf Prozent) aus denen von CDU und CSU. 46 Vorhaben (16 Prozent) finden sich in den Programmen beider Koalitionspartner wieder. 145 der im Vertrag genannten Projekte stammen in dieser Form aus keinem der Wahlprogramme. […] Die Studie zeigt aber auch: In der Bevölkerung wird die Arbeit der Koalition deutlich kritischer wahrgenommen. Nur jeder Zehnte in Deutschland ist der Überzeugung, dass SPD und Union ihre Versprechen zum großen Teil eingelöst haben. 79 Prozent glauben hingegen, dass von den Koalitionsversprechen „kaum welche“ oder „etwa die Hälfte“ umgesetzt werden. Selbst die Anhänger der Regierungsparteien sehen die Arbeit der Großen Koalition kritisch. Nur 20 Prozent sagen, die Regierung löse „alle“ oder zumindest „einen großen Teil“ ihrer Versprechen ein. Am geringsten ist der Glaube an einen Erfolg der Großen Koalition unter AfD-Anhängern: Nur fünf Prozent gehen davon aus, dass die Koalition ihre Versprechen zum großen Teil umsetzt. (Sophie-Marlene Garbe/Alexander Sarovic, SpiegelOnline)

Dieser Artikel bestätigt zwei meiner zentralen Thesen zum politischen Prozess, die ich seit Jahren wiederhole. Erstens: Politiker halten ihre Versprechen üblicherweise; das Klischee der lügenden und Wahlversprechen sofort vergessenden Politiker ist genau das, ein Klischee. Zweitens interessiert keine Sau, wenn sie sie umsetzen. Besonders die SPD ergeht sich seit Jahren in der Illusion, dass sich irgendjemand für den pragmatischen Kleinkram interessiert, mit dem sie hausieren geht. Das habe ich ja auch schon beschrieben.

8) Was eine CO2-Steuer bringt

Bei diesen Sätzen ergäbe sich jedenfalls ein gewaltiges steuerliches Zusatzaufkommen. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 dürften die Einkommensteuern, die wichtigste staatliche Einnahmequelle, 340 Mrd. Euro erreichen, die Umsatzsteuern 240 Mrd. Euro. Es ist daher klar, dass weder 180 noch 640 Eurodie anfänglichen Steuersätze sein können. Das kann die Wirtschaft nicht verkraften. Längerfristig kommen diese Werte schon eher in Betracht. Allerdings vermutet das Bundesumweltamt, dass die Klimakosten nicht konstant sein werden, sondern im Zeitverlauf steigen, im niedrigeren (180 Euro) Szenarium bis 2030 auf 205 Euo und bis 2050 auf 240 Euor, während sie sich im anderen Szenarium auf 670 und 730 Euro je Tonne erhöhen. CO2-Steuern sind regressive Steuern, wie etwa die Mehrwertsteuer: Sie belasten die ärmeren Schichten der Bevölkerung mehr als die Wohlhabenderen. Das ist der Grund, weswegen die Steuer möglichst auf einer gleichmäßigen pro-Kopf-Basis zurückerstattet werden sollte, so wie es etwa in der Schweiz gemacht wird – das hätte einen kompensierenden progressiven Effekt auf die Haushaltseinkommen. Gewinner wären diejenigen, die nur geringe CO2-Emissionen verursachen. […] Noch zwei Punkte zum Schluss: Am besten wäre eine CO2-Steuer, die in allen EU-Ländern gleich hoch ist, damit es unter Umweltaspekten keinen Wettbewerb um die Ansiedlung CO2-intensiver Unternehmen gibt, also keine CO2-Arbitrage. Zum Zweiten muss die sogenannte CO2 leakage vermieden werden, indem durch Zölle Einfuhren von Produkten verteuert werden, die in Ländern außerhalb der EU ohne Rücksicht auf Klimafolgen hergestellt und dann hier billig angeboten werden. Umweltsünder dürfen EU-Unternehmen in dieser Hinsicht keinen Schaden zufügen. Solche Schutzzölle sind offenbar durch die internationalen Handelsregeln der WTO abgedeckt. (Mark Schieritz, ZEIT)

Das Wichtigste ist, dass man mit dem Ding überhaupt anfängt. Genau wie beim Mindestlohn wäre es vorstellbar, dass eine unabhängige Kommission eingesetzt wird, die dann – mit einem entsprechenden Mandat ausgestattet – die Steuersätze anpasst. Quasi eine Art EZB des CO2-Handels, die als Mandat bekommt, bis zu einem Stichtag (2050 oder 2045 oder was weiß ich) sich selbst abzuschaffen, indem bis dahin null Emmission erreicht ist. Vielleicht wäre das sogar eine Idee, hinter der sich Konservative und Liberale eher versammeln könnten? Ab in die Kommentare mit euch!

Zentral finde ich auch noch den Aspekt der EU-weiten Anwendung. Wir können als Deutschland zwar anfangen (und sollten das gegebenfalls auch!), aber es muss dringend EU-weit ausgerollt werden. Die Schutzzölle auf Klimasünder sind dabei wirklich fundamental, weil sie Marktverzerrungen entgegenwirken. Wir sind der größte Wirtschaftsraum der Erde; es wird Zeit, dass wir das Gewicht endlich mal sinnvoll in die Waagschale werfen.

9) Why Democrats shouldn’t be afraid to talk about socialism

While Trump suggests that running on socialism will cause Democrats to lose in 2020, research indicates that the opposite was true in 2016: had Clinton leaned into socialist policies, she may have turned out some of the many Democrats and progressives who stayed at home on Election Day, costing her several swing states by razor-thin margins. In particular, this includes a large share of young, black progressives — demographics with some of the highest favorability of socialism. Even Democratic Super PAC Priorities USA — far from Marxist propagandists — concluded that a populist economic message would be key to getting this vital group out to the polls. […] No matter the specific reason, the data shows that too many Democrats are fundamentally misunderstanding voters‘ view of socialism. If the party wants to have any hope of holding the House and winning the Senate and White House in 2020, they need to follow the lead of Ocasio-Cortez, Sanders, and state and local politicians across the country: talk more about socialism. Voters like what they hear. (Aaron Freedman, The Week)

Was in Artikeln dieser Art gerne durcheinandergeworfen ist die grundsätzliche Attraktivität populistischer Lösungsansätze (die braucht jede Partei, wenn es ihr nicht so ergehen soll wie der SPD) auf der einen Seite und die Attraktivität sozialistischer (sprich: sozialdemokratischer) Ideen auf der anderen Seite. Denn das ist nicht dasselbe, und klar, wenn man den Leuten in einer neutralen Situation erklärt, was Bernie Sanders mit Sozialismus meint, finden sie es dufte. Daraus Rückschlüsse darauf ziehen zu wollen, wie der Begriff in den Zeiten des Wahlkampfs läuft, ist bestenfalls naiv.

10) Wie man mit Fanatikern redet – und warum

Als Angela Merkel diese Woche einen AfD-Lokalpolitiker in Stralsund über Meinungsfreiheit aufklärte, umschiffte sie eine Tatsache elegant: Die beiden sprechen nicht dieselbe Sprache.  Als der AfD-Politiker von „Meinungsfreiheit“ sprach, von „Pressefreiheit“, „Propaganda“ und „Menschenwürde“, da meinte er etwas anderes als Merkel. Und auch etwas anderes als die meisten Menschen außerhalb der AfD und anderer rechtsradikaler Organisationen. Die Tatsache, dass Vertreter und Fans der AfD permanent behaupten, es herrsche keine „Meinungsfreiheit“ in Deutschland liegt an eben diesem Definitionsunterschied. Für jemanden, der der Ideologie der AfD anhängt, heißt Meinungsfreiheit: Es gibt nur eine Meinung, und zwar unsere. Wenn AfD-Politiker und -Anhänger aber ihre Meinungen äußern, haben andere Menschen oft die Frechheit, diese Meinungen nicht zu übernehmen. Ja, sie geben sogar Widerworte! […] Eine Diskussion ist „sinnlos, wenn die Kontrahenten sich nicht über die Bedeutung der zentralen Begriffe einig sind“, schreibt der Wiener Philosoph Hubert Schleichert in seinem eingangs zitierten, ungemein lesenswerten Buch. […] „Der Abtrünnige gefährdet diese Illusion, also muss er besonders nachhaltig verflucht werden“, schreibt Hubert Schleichert. Das erklärt auch die enorme Wut, die bei Vertretern der radikalen Rechten so oft zu beobachten ist. So jemanden überzeugen zu wollen, ist sinnlos, denn, so besagt es ein sehr altes Prinzip der Logik: Contra principia negantem non est disputandum. Zu deutsch: Mit jemandem, der schon unsere Prinzipien bestreitet, kann man nicht diskutieren. Sinn kann aber ein Austausch wie der zwischen Merkel und dem AfD-Politiker trotzdem haben: Und zwar für das Publikum. Selbst unter den Wählern der AfD gibt es vermutlich viele, die mit den unausgesprochenen Dogmen ihre Probleme hätten, würden sie einmal offengelegt. (Christian Stöcker, SpiegelOnline)

Stöcker hat einige gute Punkte beieinander hier. Die falsche Verwendung von „Meinungsfreiheit“ und den verwandten Begriffen erinnert mich auch eklatant an die NachDenkSeiten; da herrscht ein ähnlicher Duktus vor. Man muss auch feststellen, dass man sehr leicht in diese Art der Kritik verfällt. Ich erwische mich ja selbst immer wieder bei dieser unreflektierten Medienschelte, und genauso finden sich hier in den Kommentaren auch die jeweiligen, eher AfD-nahen Gegenstücke von den angeblich so grün dominierten Medien. Da braucht es einfach permanente Selbstkontrolle, und die wird bekanntlich dadurch gefördert, dass man sich konstant mit anderen Meinungen auseinandersetzt, auch wenn man ihnen nicht zustimmt. Wie in so einem Debattenblog, quasi.

11) Republicans Sabotaged Obama’s Economy and Assume Democrats Are Doing It to Them

When Congress was debating a taxpayer-funded bailout in September 2008, Paul Ryan lectured his GOP colleagues that they needed to think of the country: “We’re Americans,” he said. “And if we don’t do something, this economy is going to crash.” However, Alberta notes, “[i]n truth, Ryan feared not just the crash itself” but the prospect such a crash would lead to a Republican wipeout at the polls; he warned that a crash would lead to “FDR on steroids.” After Obama took office, the entire Republican legislative calculus revolved around the premise that Republicans were engaged in zero-sum competition — anything that helped Obama pass a stimulus bill hurt their party. When Obama expressed openness to their stimulus ideas in a private meeting, Alberta reports, they reacted with panic. “If he governs like that, we’re all fucked,” Eric Cantor’s communications director, Brad Dayspring, told his boss. Alberta reports that Republicans declined to address infrastructure spending in their counterproposal to Obama precisely because they believed House Republicans would support it. “Boehner and Cantor both knew that the one thing that could buy off their members was big spending on roads and bridges,” Alberta reports. They declined to include any such spending in their offer, because the goal was not to improve the economic-rescue bill but to block it. Throughout Obama’s presidency, Republicans not only demanded contractionary fiscal and monetary policy but staged a series of dangerous showdowns in order to force Obama to accept it. They managed to succeed in forcing cuts to domestic and military spending as a hostage payment for their threat to default on the national debt, parading the cuts as a trophy. The painful austerity they forced Obama into accepting helped slow the recovery. They likewise denounced the Federal Reserve for keeping interest rates too low, warning of inflation and a debased currency. Of course, once a Republican had assumed office, they immediately reverted to the deficit-increasing spendthrifts they had been the last time they held office. Their views on monetary policy have followed suit. […] Cynical people tend to assume everybody shares their cynicism. Republicans seem to assume their adversaries would do everything in their power to harm the economy when the opposition holds power because that is how the Republican Party operates. (Jonathan Chait, New York Magazine)

Man muss immer und immer wieder daran erinnern, dass die Republicans mit der US-Wirtschaft genauso zu verfahren bereit waren und sind wie Bolsonaro gerade mit dem Regenwald. Alles wird niedergebrannt, wenn es nur den eigenen Zwecken dient. Ich finde die permanente Überraschung auf Seiten der GOP, dass die Democrats es nicht genauso handhaben, ja irgendwie süß. Sie sind einfach, jedenfalls verglichen mit der GOP, die Guten. Die Republicans wussten, dass Obama ein Politiker moderaten Mitte war und überparteiliche Kompromisse suchten. Und sie wussten, dass ihre ohnehin ständig prekäre Minderheitenposition dann erst Recht unhaltbar werden würde. Also rissen sie lieber das eigene Land mit den Abgrund, als ihre Macht zu gefährden. Sie sind feige, verantwortungslos und schlichtweg böse.

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  • Ralf 28. August 2019, 20:27

    Ist es denn sicher, dass die NATO tatsächlich die territoriale Integrität der Baltenstaaten verteidigen würde, wenn Putin beschließt, einen weiteren Mosaikstein in seinen Traum von der Wiedererrichtung des Sowjetimperiums einzubauen?

    Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass Putin davon träumt Mosaiksteine zur Wiedererrichtung des Sowjetimperiums einzubauen. Kaum etwas von dem, was der russische Präsident in der Vergangenheit gemacht hat, war tatsächlich auf die territoriale Erweiterung seines Landes gezielt. Die Annexion der Krim war die einzige Ausnahme und diese Ausnahme lässt sich einleuchtend legitimieren. Historisch, ethnisch und verteidigungspolitisch. Und da diese Vorgänge nicht als Aktion, sondern als Reaktion auf eine Aggression des Westens und den Machenschaften einer gewaltsam an die Macht geputschten Coup-Regierung in der Ukraine geschahen, dient das ganze sowieso nicht als sinnvolle Analogie zu einem hypothetischen zukünftigen Angriffskrieg, begonnen von den Russen.

    Ansonsten hätte es für Putin Möglichkeiten genug gegeben das Territorium Russlands tatsächlich zu erweitern, wenn er das denn gewollt hätte. In der Folge des Georgienkrieges z.B., bei dem Russland sogar von außen angegriffen wurde, wäre es militärisch relativ einfach und sogar relativ rechtfertigbar gewesen, Georgien zunächst vorübergehend zu besetzen. Und wie so oft in der Geschichte wäre man dann einfach langfristig geblieben. Stattdessen haben die Russen sich wieder zurückgezogen und den Status Quo hergestellt. Also nix mit Sowjetunionimperium.

    Ähnliches gilt für die Ukraine. Für die russische Armee wäre es ein leichtes Unterfangen Kiew zu überrennen. Die desolate ukrainische Armee hätte einem solchen Angriff nichts Wirkungsvolles entgegenzusetzen. Trotzdem beschränkt sich Putin auf die Destabilisierung des Landes und betreibt nicht einmal wirklich die Annexion des Ostens. Da Russland bereits seit Jahren unter schweren Sanktionen leidet und diverse andere politische Konsequenzen seiner Politik trägt (z.B. der G8-Ausschluss), darf man annehmen, dass die russische Zurückhaltung nicht das Resultat von Angst vor internationalen Reaktionen darstellt. Der Westen hat sein Blatt da bereits ausgereizt. Und Putin fürchtet sich wohl auch nicht vor dem Dritten Weltkrieg, denn die NATO, die mittlerweile noch nicht einmal mehr sicher ist, ob sie die baltischen Staaten verteidigen würde, würde wohl kaum für einen rohstoffmäßig uninteressanten, bettelarmen, von Korruption zerfressenen Nichtmitgliedsstaat die Vernichtung des Planeten im nuklearen Inferno riskieren.

    Statt einer territorialen Expansion zur Wiedererrichtung der Sowjetunion scheint Putin also etwas völlig anderes im Auge zu haben, nämlich die Destabilisierung der NATO. Georgien und die Ukraine im Dauerkonflikt zu halten, hat sich z.B. als der einzig gangbare und wirksame Weg erwiesen, die aggressiven Erweiterungs- und Einkreisungsbemühungen der NATO zu stoppen. Dazu versuchen die Russen die westlichen Demokratien auszuhebeln, indem sie im Ausland aktiv und oft mit illegalen Maßnahmen helfen genehme Politiker in Machtpositionen zu bringen, die dann ihre eigenen Länder sowie ihre Netzwerke und Institutionen zerstören. Donald Trump ist natürlich das berühmteste Beispiel, aber die Russen haben auch die Brexitkampagne massiv unterstützt, sowie rechtsextreme Parteien in ganz Europa (Front National in Frankreich, Lega in Italien, FPÖ in Österreich, AfD in Deutschland etc.). Die Folgen sind ein schwacher Westen, eine schwache, zerbröselnde EU und eine kollabierende NATO. Dass dadurch das Bedrohungspotential für Russland sinkt und der Westen so aus der russischen Einflusssphäre herausgedrängt wird oder der Westen zumindest zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist eine erneute Aggression zu wagen, liegt auf der Hand. Die russische Außen- und Verteidigungspolitik ist also völlig rational und nicht auf Expansion, basierend auf irgendwelchen Nostalgieträumen, ausgerichtet.

    Die offensichtliche Lösung für das Problem des Westens mit Russland liegt auf der Hand. Der Westen verabschiedet sich glaubhaft und dauerhaft aus der russischen Einflusssphäre und die Russen halten sich dafür aus der Interessenzone des Westens – dazu gehören auch die baltischen Staaten – heraus. Und dann versucht man stückweise das verlorengegangene Vertrauen wieder aufzubauen.

    • Jonah Schmitz 28. August 2019, 23:30

      Gibt es wirklich noch Einflusssphären, oder sind diese nicht Relikte vergangener Jahrhunderte?
      Die Ukraine ist ein souveräner Staat für den das Selbstbestimmungsrecht der Völker gilt. Wenn die Ukrainer in EU und Nato wollen ist das ihr Wunsch. Die Nato und EU müssen die Folgen abwägen. Russland ist völkerrechtlich nicht legitimiert, dass verhindern zu dürfen.

      Ich sehe als Einzige Lösung für die Sicherheit Europas eine Doppelbeschluss Strategie: Verhandlungen über Abrüstung, sowie wirtschaftlicher und poltischer Kooperation versus Nachrüstung.

      • Ralf 29. August 2019, 00:02

        Gibt es wirklich noch Einflusssphären, oder sind diese nicht Relikte vergangener Jahrhunderte?
        Die Ukraine ist ein souveräner Staat für den das Selbstbestimmungsrecht der Völker gilt. Wenn die Ukrainer in EU und Nato wollen ist das ihr Wunsch.

        Klingt nett. Aber so funktioniert Weltpolitik nicht. Um die Frage zu beantworten: Ja, es gibt noch Einflusssphären und die Großmächte, egal ob im Westen, im Osten oder in Asien verteidigen ihre Einflusssphären notfalls mit aller Brutalität. Friedlich bleibt es immer dann, wenn die Großmächte einen Ausgleich finden, manchmal auch langfristig einen sehr labilen Zustand dulden, mit dem alle Seiten irgendwie leben können (siehe z.B. Taiwan). Mit einem Westen, der in der Ukraine weiter zündelt, kann und wird Russland hingegen nicht leben. Das sollte in den vergangenen Jahren deutlich geworden sein. Das kann man mögen oder kritisieren, aber nicht ändern. Ein weiteres Winken mit EU- und NATO-Mitgliedschaft bedeutet deshalb als direkte und unumgängliche Folge Dauerbürgerkrieg im Osten der Ukraine. Ohne Ende. Immer mehr Tote. Immer mehr Zerstörung. Wir sollten uns fragen, ob es das wert ist, alldieweil weder die EU noch die NATO die Ukraine für irgendetwas brauchen. Das Land wäre eine unnötige Last für beide Institutionen, die ohnehin schon unter einer Überdehnung leiden.

        • Stefan Pietsch 29. August 2019, 00:47

          Warum versuchen Sie nicht, dem Völkerrecht Geltung zu verschaffen und hantieren immer wieder mit angeblichen „Einflusssphären“? Die geographische Nähe zu Russland bindet die Ukrainer keineswegs an einen ungeliebten Nachbarn.

          Vieles von dem, was Sie schreiben, stimmt schlichtweg nicht. Gerade hat Russland das größte Seemanöver der Geschichte vor den Balten abgehalten. Das fanden die ganz toll. Putin bezeichnete vor kurzem die Ukraine als Teil Russlands. Da hat er anscheinend UN-Recht geschwänzt.

          Russland könnte seine Unterstützung der Aufständischen im Donbass beenden. Die Region wird für die Dauer von 2 Jahren unter UN-Schutztruppen und regionale Verwaltung gestellt. Russland ist selbstverständlich nicht beteiligt. Nach 2 Jahren stimmen die Menschen in Donezk und Lugansk ab, ob sie Teil Russlands werden wollen oder weiter der Ukraine zugehörig sind.

          Zwei von drei Ukrainern neigen zum Westen und wollen am liebsten in die EU. Ein Assoziierungsabkommen könnte hier die derzeitige Unmöglichkeit der Mitgliedschaft überbrücken. Über die Mitgliedschaft in einem Verteidigungsbündnis entscheiden die Ukrainer in einem Volksentscheid. Damit wären die Verhältnisse geklärt.

          Doch einer steht dagegen: Russland. Ansonsten sind Sie doch dafür, dass Politiker das tun sollten, was die Bevölkerung möchte.

          P.S.: Taiwan steht unter dem Schutz der USA. Wir sehen an Hongkong was passiert, wenn nicht eine freie, selbst gewählte Schutzmacht kleinen Länder die Sicherheit garantiert. Wenn Sie von dem freien Willen der Völker überzeugt sind, können Sie gewaltsame Okkupation nicht gutheißen.

    • Rauschi 29. August 2019, 10:08

      Dazu versuchen die Russen die westlichen Demokratien auszuhebeln, indem sie im Ausland aktiv und oft mit illegalen Maßnahmen helfen genehme Politiker in Machtpositionen zu bringen, die dann ihre eigenen Länder sowie ihre Netzwerke und Institutionen zerstören. Donald Trump ist natürlich das berühmteste Beispiel, aber die Russen haben auch die Brexitkampagne massiv unterstützt,..
      Ich weiss nicht ,ob Sie es mitbekommen haben, aber die Nummer : „Russland hat Trump an Marionettenfäden“ ist vorbei! Nur Bullshit, sorry für die harte Ausdrucksweise.
      Was jetzt Russland für Vorteile von einer gespaltenen EU hätte, leuchtet mir überhaupt nicht ein. Die Afd ist explzit für eine starke Armee und Aufrüstung, einfach mal deren Programm lesen.

      Der Westen ist in der Einflussshäre von Russland, echt jetzt? Wieso konnten dann Sanktionen durchgesetzt werden? Fragen über Fragen.

      Wie gut, das die Annäherungspolitik von Brand so erfolglos war, darauf kann man ja immer verweisen, wenn die Forderung nach Miltär kommt.

      • Rauschi 29. August 2019, 10:10

        Vor und hinter dem letzten Satz sollte ein „Sarkasmus an“ und „Sarkasmus aus“ stehen, wurde wohl wegen der Klammen nicht gezeigt, denkt das einfach dazu.

      • Ralf 29. August 2019, 21:34

        Ich weiss nicht ,ob Sie es mitbekommen haben, aber die Nummer : „Russland hat Trump an Marionettenfäden“ ist vorbei! […]

        Was jetzt Russland für Vorteile von einer gespaltenen EU hätte, leuchtet mir überhaupt nicht ein.

        Die NATO bedroht Russland militärisch ganz massiv und hat in den vergangenen Jahrzehnten eine umprovozierte und umfangreiche Einkreisungstaktik verfolgt, bei der man von allen Seiten an die Grenzen von Putins Reich herangerückt ist. Dazu hat der Westen in mehreren Ländern der russischen Einflusssphäre anti-russische Revolutionsbewegungen ins Leben gerufen sowie organisatorisch und finanziell unterstützt, bis hin zur Begleitung eines gewaltsamen Umsturzes in der Ukraine. Russland selbst könnte das nächste Ziel der Aggression sein. Das Regime von Putin, sieht die Geschehnisse ganz zurecht als eine direkte Bedrohung seiner Existenz und seiner Hegemonialansprüche.

        Deshalb hat Russland ein ganz erhebliches Interesse daran, die NATO und die westliche Partnerschaft, auf der die NATO beruht, zu schwächen. Donald Trump ist in dieser Hinsicht ein unbezahlbares Investment gewesen. Jedes Mal wenn der amerikanische Präsident öffentlich die Bedeutung der NATO in Frage stellt oder öffentlich sinniert, ob die Amerikaner im Angriffsfall möglicherweise ihren Bündnisverpflichtungen nicht nachkommen würden, sinkt das Vertrauen in die Institution. Eine schwache NATO ohne Verteidigungsgarantie ist auch ein erheblich unattraktiverer Club für Länder wie die Ukraine und Georgien. Und es hält Polen und die baltischen Staaten in permanenter Angst, was wiederum Konflikte produziert und die EU nicht zur Ruhe kommen lässt.

        Und auch daran hat Russland ein enormes Interesse: Zwietracht in der EU zu sähen und die europäische Gemeinschaft aufzubrechen und zu zerbröseln. Denn die EU ist ein weiterer Weg, wie Staaten aus der russischen Einflusssphäre gleiten können. Erst in die EU aufgenommen werden, dadurch in die westlichen Strukturen eingebunden werden und zum Schluss in die NATO aufgenommen werden. Ein Europa, in dem es an allen Ecken und Regionen brennt, ist ein gutes Europa für Russland. Während unsere Gemeinschaft zerbricht und sich die EU-Partner zerstreiten, während die EU Zeit und massive Ressourcen in den Brexit, die Italienkrise und die Attacken der osteuropäischen Rechts-Regime stecken muss, bleibt kein Appetit auf die Aufnahme von neuen Krisengaranten, wie der Ukraine oder Georgien. Auch wenn die USA noch so sehr pushen. Und so ist die Zerstörung der EU und die Untergrabung der westlichen Demokratien eine Lebensversicherung für Putins Regierung und die zugehörige Einflusszone.

        Und dass die AfD für Aufrüstung ist, obwohl die Russen die Partei trotzdem unterstützen, ist kein überzeugendes Argument. Erstens hat man immer schon mit dem politischen Gegner Geschäfte gemacht, solange man darauf vertraut am Ende die Nase vorn zu haben. Das war schon beim Hitler-Stalin-Pakt so. Und zweitens ist es sehr unwahrscheinlich, dass die AfD tatsächlich eine Mehrheit im Bund erzielen würde. Aber ein Erstarken der AfD kann die Partei zu einer Macht und damit zu einem permanenten Stachel im Fleisch der Bundesrepublik machen. Die AfD kann Zwietracht sähen und das Vertrauen der deutschen Bürger in die Demokratie und ihre Institutionen senken. Selbst eine nur moderat starke AfD kann Koalitionsbildungen enorm kompliziert machen und zum Beispiel größere Parteien wie die CDU und die SPD kontinuierlich in Koalitionen zwingen und damit das Absacken dieser Parteien in der Wählergunst bewirken.

        Und umso schwächer Deutschland ist, umso schwächer Italien ist, umso schwächer Großbritannien ist, umso schwächer die USA sind, umso schwächer die EU ist und umso schwächer die NATO ist, umso stärker ist im Vergleich Russland. Eine starke, selbstbewusste NATO hätte z.B. möglicherweise einen Regime-Change in Syrien erzwungen, mit der Folge einer deutlichen Schwächung von Russland und insbesondere seinem Verbündeten, dem Iran. Eine schwache NATO hingegen hat das Spielfeld freigegeben und Russland und Iran erlaubt das Assad-Regime in Syrien zu stabilisieren und verloren gegangenes Territorium zurückzuerobern. Der Einfluss von Russland in der Region ist dramatisch gewachsen. Der Einfluss des Westens ist zurückgegangen. Dabei muss man garnicht bewerten, ob das gut oder schlecht ist. Ist halt einfach eine Tatsache.

        Und für Russland läuft vieles im Augenblick ganz ausgezeichnet. Für uns hingegen leider weniger.

        • Rauschi 30. August 2019, 11:10

          Deshalb hat Russland ein ganz erhebliches Interesse daran, die NATO und die westliche Partnerschaft, auf der die NATO beruht, zu schwächen. Donald Trump ist in dieser Hinsicht ein unbezahlbares Investment gewesen.
          Trump ist gar kein Investment gewesen. Ausserdem muss niemand die NATO schwächen, es würde ja reichen, in gegenseitigem Einvernehmen nebeneinander zu existieren.

          Jedes Mal wenn der amerikanische Präsident öffentlich die Bedeutung der NATO in Frage stellt oder öffentlich sinniert, ob die Amerikaner im Angriffsfall möglicherweise ihren Bündnisverpflichtungen nicht nachkommen würden, sinkt das Vertrauen in die Institution.
          Also besteht die NATO nur aus den USA, oder was habe ich verpasst? Das gesunkene Vertrauen, so es denn überhaupt existieren sollte, geht also auf den aktuellen Präsidenten zurück? Könnte also nächstes Jahr schon wieder ganz anders aussehen?

          Eine schwache NATO ohne Verteidigungsgarantie ist auch ein erheblich unattraktiverer Club für Länder wie die Ukraine und Georgien.
          Das ist für alle ein unattraktiver Club, nicht nur für die Ukraine. Sondern auch für die derzeitigen Mitglieder des Clubs. Nur, an welcher Stelle kann man diese Entwicklung Putin in die Schuhe schieben?

          Und es hält Polen und die baltischen Staaten in permanenter Angst, was wiederum Konflikte produziert und die EU nicht zur Ruhe kommen lässt.
          Sorry, aber das ist Quark. Die Angst der Balten ist so alt wie der Fall der Mauer und hat nicht erst mit Trump angefangen. Warum das jetzt im Interesse Russlands sein sollte, ist mir immer noch schleierhaft.

          Und auch daran hat Russland ein enormes Interesse: Zwietracht in der EU zu sähen und die europäische Gemeinschaft aufzubrechen und zu zerbröseln.
          Das wird durch Wiederholung nicht richtiger.

          Denn die EU ist ein weiterer Weg, wie Staaten aus der russischen Einflusssphäre gleiten können.
          Gleiten können? Häh? Wen genau will die EU denn noch alles möglicher weise irgendwann mal aufnehmen? Die Ukraine sicher nicht, soviel steht fest.

          Und so ist die Zerstörung der EU und die Untergrabung der westlichen Demokratien eine Lebensversicherung für Putins Regierung und die zugehörige Einflusszone.
          Nochmal, was für ein Müll. Als ob irgendeine Regierung ein Interesse daran haben könnte, möglichst wackelige Regierungen in den umliegenden Staaten zu haben. Wird Putin neuerdings von den Bürgern der EU gewählt? Die westlichen Demokratien werden von den eigenen Regierungen vor die Wand gefahren, genau wie das EU Projekt, dafür braucht kein einziger Staat Hilfe von Aussen.
          Die USA machen Regime Change auch nur im nahen Osten und nicht vor der eigenen Haustüre.

          Und dass die AfD für Aufrüstung ist, obwohl die Russen die Partei trotzdem unterstützen, ist kein überzeugendes Argument.
          Die Russen unterstützen die AfD? Seit wann das denn? Belege?
          Etwa das hier :
          [An ihrer Nähe zu Russland hat die AfD kaum Zweifel gelassen. Doch die Dokumente, die der „Spiegel“, das ZDF, der britische Sender BBC und die italienische Zeitung „La Repubblica“ auswerten konnten, zeigen erstmals konkret, wie Akteure in Moskau die Rechtspopulisten beeinflussen wollten. Die Recherchen werfen zugleich ein Schlaglicht auf Versuche des Kremls, auf politische Entwicklungen in Europa Einfluss zu nehmen.]
          Versuch ≠ Erfolg!
          Dann steckte wahrscheinlich auch Putin hinter der Grenzöffnung und hinter der Bankenkrisen, die primär zur Gründung und zum Erstarken der Partei beigetragen haben?
          Ist das dann fragwürdiger als die Unterstützung der USA, die ja über die diversen Think Tank enormen Einfluss auf Politiker verschiedener Parteien haben?
          Ist Einflussnahme ≠ Einflussnahme?

          Eine starke, selbstbewusste NATO hätte z.B. möglicherweise einen Regime-Change in Syrien erzwungen, mit der Folge einer deutlichen Schwächung von Russland und insbesondere seinem Verbündeten, dem Iran.
          Ich muss doch wohl sehr bitten. Die NATO hat gar nichts zu erzwingen, das sollte immer noch von der UN kommen, sofern einem die Menschenrechte und das Völkerrecht etwas bedeuten.
          Assad hatten Neuwahlen angeboten, das wollten die USA aber nicht. Dann hätten die das Ergebnis haben können, Schwächung von Russland und dem Iran. Warum das aber statthaft sein soll, wenn Sie den angeblichen Einfluss von Russland verdammen, ist vollkommen unbegreiflich.

          Ich verstehe jetzt immer noch nicht, wie der dolle Hecht Putin das gemacht haben soll, die NATO zu schwächen. Trump ist weder gekauft noch sonst wie von Russland manipuliert, also, wie haben die das gemacht?

          Und für Russland läuft vieles im Augenblick ganz ausgezeichnet. Für uns hingegen leider weniger.
          Was genau läuft gut für Russland? Die Sanktionen gegen das eigene Land oder den verbündeten Iran? Wer ist uns und warum sollte es für uns weniger gut laufen?

          Ich würde mir wünschen, das endlich wieder Friedenswillen einzieht und diese unsägliche Rüstungsspirale aufhört. Das Geld wird für den Kampf gegen den Klimawandel gebraucht, oder denken Sie, wir kriegen den Planeten vorher besser schon kaputt, damit der Russe uns nicht überrennen kann?
          Scheint aber nirgendwo in den Köpfen angekommen zu sein, das wir nur gemeinsam den Kampf gegen die Erwärmung gewinnen können und deswegen diese blöden Spielchen, der Böse gegen den Guten aufhören müssen.
          Erschreckend, immer wieder aufs Neue.

  • Ralf 28. August 2019, 21:42

    zu 3)

    Ich habe mittlerweile Teile meines Konsums angepasst, um klimafreundlicher zu werden, aber wie in zahllosen Artikeln dieser Tage bereits bewiesen wurde, hat das kaum spürbaren Effekt. Es dient vor allem meiner eigenen moralischen Hygiene. Gerade aus meiner Position als Konsumfan heraus muss ich aber auch feststellen, dass das alles nichts hilft.

    Ich glaube, Du betrachtest das mit einem zu eingeengten Scheuklappenblick. Du fragst nur, was Deine eigene Konsumeinschränkung direkt und unmittelbar zur Abwendung des Klimawandels beiträgt und bist enttäuscht, dass Du alleine viel zu wenig bewirken kannst. Aber tatsächlich haben diejenigen, die mit gutem Beispiel vorangehen auch einen indirekten Effekt. Sie schaffen ein gesellschaftliches Klima, das wiederum Dritte motiviert auch einen Schritt zu tun und vor allem tragen sie zu einem politischen Umfeld bei, in dem einschneidende Veränderungen zunehmend akzeptiert sind. Menschen wie Du bringen auf diese Art und Weise eine Lawine ins Rollen, die ohne den Pioniereinsatz einiger Weniger nie losgetreten worden wäre. Dass wir heutzutage z.B. überhaupt über CO2-Steuern reden, liegt am Druck der Straße. Und dieser Druck kam zunächst von Schülern. Erst als Folge der Jugendproteste von Fridays For Future, die wegen des jungen Alters der Agierenden keine direkte Wirkung an den Wahlurnen hatten, entstanden Bewegungen wie Scientists For Future und Parents For Future und der Anschluss von Studenten und Gewerkschaften. Und all das hatte dann eben doch einen Einfluss auf demokratische Entscheidungen, wie wir bei den Europawahlen gesehen haben. Außerdem prägt das Verhalten der Pioniere der Bewegung zunehmend das Verhalten von Nachfolgern, die dann wiederum Nachahmer finden. Ich habe z.B. in diesem Jahr zum ersten Mal eine Reise, die ich normalerweise immer per Flug mache, mit dem Zug gebucht, nachdem ein Kollege darauf hinwies, dass er dem Klima zuliebe für ähnliche Strecken jetzt nur noch die Bahn benutzt. Das hat mich zum Nachdenken angeregt. Eine Bekannte von mir hingegen wollte wie jeden Sommer in den Urlaub fliegen, aber ihre Kinder haben sich dem Klima zuliebe geweigert ein Flugzeug zu besteigen. Dann hat die gesamte Familie den Urlaub eben anders verbracht. Diese Beispiele nehmen immer mehr zu und die Zahl der Ewiggestrigen nimmt immer weiter ab. In dem resultierenden Klima können Politiker dann eben auch wagen, breite Veränderungen voranzutreiben.

    Und die hast Du mit Deinem kleinen Beitrag möglich gemacht.

    • Stefan Pietsch 29. August 2019, 00:51

      Dass wir heutzutage z.B. überhaupt über CO2-Steuern reden, liegt am Druck der Straße.

      Schön geträumt. Wir haben seit langem ein Cap & Trade-Regime. Und die Schweiz, Kanada und Großbritannien eine CO2-Steuer. Das war meine ich vor FfF.

      • Rauschi 29. August 2019, 09:54

        Ralf schriebt:Dass wir heutzutage z.B. überhaupt über CO2-Steuern reden, liegt am Druck der Straße.

        Sie antworten:Schön geträumt. Wir haben seit langem ein Cap & Trade-Regime. Und die Schweiz, Kanada und Großbritannien eine CO2-Steuer.
        Wurden die Zertifikate nicht verschenkt, können also gar keine Wirkung entfalten?
        Leben wir in der Schweiz oder Kanada oder GB?
        Bis eben noch nicht, aber wer weiss, wann die Schweiz mal wieder Grenzen verschiebt. 😛

    • Stefan Sasse 29. August 2019, 08:45

      Ich stimme dir völlig zu! Ich habe hier ja schon mehrfach auf diese Wirkung hingewiesen, gerade auch im Zusammenhang mit Steuern.

  • Ralf 28. August 2019, 22:03

    zu 4)

    Die Erfahrung der DDR-Bürger mit dem Staat macht, wie das oben beschrieben wird, absolut Sinn. Aber das Klischee ist ja üblicherweise gerade Nähe zum Staat, die durch den Realsozialismus entstanden sein solle. Ebenso war mir der Aspekt der starken Regionalidentität Sachsens nicht so präsent.

    Ich weiß nicht. Ich glaube, es gibt eine viel einleuchtendere Erklärung für die rechtsextremen Tendenzen im Osten. Erstens ist das Phänomen nicht auf Sachsen beschränkt, was die ganze These der „regionalen Besonderheit“ in Frage zieht. Und zweitens dürfte – zumindest meiner Meinung nach – der Hauptgrund für das Erstarken der Extremisten sein, dass nach der Wende insbesondere die Tüchtigen, die auf dem Arbeitsmarkt im Westen eine Chance hatten weggezogen sind, weswegen in der Folge im Osten die Verlierer akkumulierten. Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit sowie wirtschaftlicher und sozialer Verfall sind dann das Rezept Rechtsradikale nach oben zu spülen, weil sie auf komplexe Probleme scheinbar einfache Antworten geben und dazu sogar noch einen Sündenbock für das eigene Versagen anbieten können . Ähnliche Phänomene sieht man im brexitfanatischen Norden Englands und im trumpbegeisterten Mittleren Westen der USA, während der Islamismus in den Armutsvierteln großer Städte in Frankreich und Belgien grassiert. Perspektivlosigkeit gebiert immer Extremismus. Eine regionale Identität ist dafür nicht notwendig und gibt höchstens einen gewissen lokalen Flavour …

  • Ralf 28. August 2019, 22:16

    zu 5)

    Welche Armee wollen wir in Deutschland eigentlich haben? Wir bauen sie seit mittlerweile fast drei Jahrzehnten in Trippelschritten nach dem Motto „ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück“ von der früheren Verteidigungs- zur Interventionsarmee um.

    Wir bauen die Armee zur Interventionsarmee um??? Davon kann überhaupt keine Rede sein. Nicht „wir“, sondern geltungsgierige Politiker, die endlich wieder die erste Geige auf der politischen Bühne spielen und mal wieder groß sein wollen, bauen die Armee zur Interventionsarmee um. Dass es für die Abkehr von der Verteidigungsarmee eine Mehrheit im Volk gibt, darf man stark bezweifeln. Dass die Mehrheit der Deutschen ihre Söhne und Töchter am Hindukusch oder irgendwo im Wüstensand im Nahen Osten sterben sehen möchte, für Ziele, die keiner versteht, ist völlig abwegig. Und deshalb müssen wir dankbar sein für jedes Flugzeug, das nicht fliegt. Für jeden Panzer, der nicht fährt. Für jedes Schiff, dass leck im Hafen bleiben muss. So müssen wenigstens keine Menschen sterben.

    Im übrigen hört man jedoch, dass wir uns dem 2%-Ziel doch gegenwärtig nähern …

    https://www.der-postillon.com/2019/08/bip-nato.html

    • Stefan Sasse 29. August 2019, 08:47

      Eine Mehrheit dafür gibt es sicherlich nicht. Aber, und das ist entscheidend, es gibt auch keine mobilisierungsfähige Mehrheit dagegen.

      • cimourdain 29. August 2019, 16:21

        Seit der Abschaffung der Wehrpflicht zeigt sich sehr gut, wie gering der mobilisierungsfähige Bevölkerungsteil FÜR die Armee ist, deswegen wirbt diese ja an Schulen und deswegen denkt die neue Verteidigungsministerin über das Hintertürchen ‚Dienstpflicht‘ nach.

        • Stefan Sasse 29. August 2019, 17:43

          Das ist allen Beteiligten klar, deswegen arbeitet die Bundeswehr ja auch dran, als Arbeitgeber attraktiver zu werden. An Schulen haben nur Jugendoffiziere was zu suchen; Nachwuchs dort zu werben hat die genausowenig wie VW. Und die Dienstpflicht wäre auch nur eine Werbemaßnahme und weniger Personal für Auslandseinsätze.

          • Ralf 29. August 2019, 21:37

            Nachwuchs dort zu werben hat die genausowenig wie VW

            Naja, wenn Dein Business ist Autos zu bauen, ist das schon was anderes, als wenn Dein Business ist Menschen umzubringen.

            • Stefan Sasse 30. August 2019, 11:14

              Das Business der Bundeswehr ist Landesverteidigung, aber ja, es gibt einen Unterschied, da hast du sicher Recht.

  • Ralf 28. August 2019, 22:32

    zu 7)

    Erstens: Politiker halten ihre Versprechen üblicherweise; das Klischee der lügenden und Wahlversprechen sofort vergessenden Politiker ist genau das, ein Klischee.

    Ich halte den kompletten Ansatz der genannten Studie für völlig unsinnig. Wahlversprechen ist nicht Wahlversprechen. Den meisten Bürgern ist nicht bekannt, welche 268 Forderungen im Wahlprogramm der jeweiligen Parteien stehen. Sie können folglich auch kaum eine Aussage darüber treffen, wie viele dieser Wahlversprechen eingelöst worden sind. Tatsächlich stehen im Wahlkampf in der Regel lediglich ein oder zwei zentrale Themen im Fokus (im Zeitalter der asymmetrischen Demobilisierung manchmal sogar null) und nur an diesen zentralen Themen werden die Regierenden tatsächlich gemessen.

    Mit anderen Worten: Wenn etwa Gerhard Schröder im Wahlkampf als zentrales Thema mehr soziale Gerechtigkeit verspricht und anschließend nach der Wahl den Sozialstaat schleift, nimmt der Bürger das zurecht als Betrug war. Auch dann wenn Schröder darüber hinaus, brav dem SPD-Wahlprogramm folgend, die Hundesteuer angepasst, eine Handvoll Bäume gepflanzt und den Bau einer Bundesstraße in Mecklenburg-Vorpommern vorangetrieben hat.

    • Stefan Sasse 29. August 2019, 08:48

      Völlige Zustimmung. Ich betone ja auch immer wieder wie irrelevant die Erfüllung dieser Versprechungen ist. Nur stimmt es halt nicht, dass Politiker dauernd und immer lügen.

      • CitizenK 29. August 2019, 11:32

        Um so mehr bleiben die paar Male im Gedächtnis: Münte mit „Merkelsteuer – das wird teuer“ und der fatalen Ansage, die Erwartung auf Worthalten sei naiv. Wobei ich wiederholt gehört habe: Von „den anderen“ hätte man das erwartet, aber nicht von der SPD. Aber auch das spielt mittlerweile keine Rolle mehr.

        • Stefan Sasse 29. August 2019, 14:40

          Was die SPD 2005-2009 abgezogen hat ist DER Grund für ihre heutige Lage, nicht Hartz-IV.

          • Ralf 29. August 2019, 21:59

            Die Politik der SPD von 2005-2009 war die nahtlose und inhaltlich logische Folge der Politik von 2002-2005. Diese Zeiträume zu trennen, macht wenig Sinn.

      • Ralf 29. August 2019, 21:55

        Nur stimmt es halt nicht, dass Politiker dauernd und immer lügen.

        Von „dauernd und immer lügen“ redet ja auch niemand. Aber die Politiker lügen halt oft und vor allem lügen sie in den Kernthemen der Wahlkämpfe, also bei den Themen, die dem Wähler präsent und bewusst sind.

        Eine Auswahl:

        1990: Kohls „keine Steuererhöhungen“. Nach der Wahl dann Steuererhöhungen.

        1998: Fischers „Frieden“. Nach der Wahl Kosovokrieg.

        2002: Schröders „soziale Gerechtigkeit“. Nach der Wahl Hartz IV. Außerdem Schröders „wir machen nicht mit im Irak“. Nach der Wahl trotzdem heimlich mitgemacht und den Krieg unterstützt.

        2005: Das „keine Mehrwertsteuererhöhung“ der SPD. Nach der Wahl dann eine fette Mehrwertsteuererhöhung.

        2009: Westerwelles „Steuersenkungen“. Nach der Wahl keine Steuersenkungen.

        Zur Ehrenrettung der großen Parteien muss man zugestehen, dass sie ab der 2005 endenden Legislaturperiode dann seltener gelogen haben. Das liegt daran, dass sie sich in der Regel schlicht jedweden inhaltlich-sachlichen Wahlkampfs verweigert haben. Das bringt dann leider neue Probleme mit sich, die auch nicht geeignet sind, dass Vertrauen der Wähler in die Politik zu stärken.

  • Ralf 28. August 2019, 22:36

    Zum Zweiten muss die sogenannte CO2 leakage vermieden werden, indem durch Zölle Einfuhren von Produkten verteuert werden, die in Ländern außerhalb der EU ohne Rücksicht auf Klimafolgen hergestellt und dann hier billig angeboten werden. Umweltsünder dürfen EU-Unternehmen in dieser Hinsicht keinen Schaden zufügen. Solche Schutzzölle sind offenbar durch die internationalen Handelsregeln der WTO abgedeckt.

    Wow! Endlich mal jemand, der das ausspricht! Schön, dass ich das noch erleben darf …

  • Ralf 28. August 2019, 22:46

    zu 9)

    Denn das ist nicht dasselbe, und klar, wenn man den Leuten in einer neutralen Situation erklärt, was Bernie Sanders mit Sozialismus meint, finden sie es dufte. Daraus Rückschlüsse darauf ziehen zu wollen, wie der Begriff in den Zeiten des Wahlkampfs läuft, ist bestenfalls naiv.

    Manchmal ist es das Geschickteste, was man machen kann, dass man sich die abwertenden Begriffe des politischen Gegners zueigen macht und sich offensiv damit identifiziert. Die gescheiterte Rote-Socken-Kampagne der CDU, die den politischen Gegner aufbaute und stärkte, ist ein Beispiel dafür. Und die Zeichen stehen in dieser Hinsicht in den USA gut. „Socialism“ ist kein Angstbegriff mehr, sondern eine wachsende Zahl gerade junger Menschen identifiziert sich voll damit bzw. fühlt sich unter dem Label zumindest nicht angegriffen.

    • Stefan Sasse 29. August 2019, 08:49

      Selbstverständlich ist das noch ein Angstbegriff. Ich mag mich täuschen, aber ich glaube nicht, dass die Verwendung elektoral sinnvoll ist.

  • Rauschi 29. August 2019, 09:48

    zu 2)
    Für uns in Europa ist das wahrscheinlichste Szenario dieser Art der Konflikt mit Russland. Gerade die unklare Haltung der Bundesrepublik öffnet gefährliche Spielräume.
    In welchem Punkt ist die Haltung der Bundesrepubkij unklar?

    Ist es denn sicher, dass die NATO tatsächlich die territoriale Integrität der Baltenstaaten verteidigen würde, wenn Putin beschließt, einen weiteren Mosaikstein in seinen Traum von der Wiedererrichtung des Sowjetimperiums einzubauen?
    Warum sollte das in Frage stehen? Haben nicht alle Manöver und die Aufrüstung genau das demonstriert? Handlungswillen? Wenn die nicht mehr“ helfen“, dann ist die Idee, da auszusteigen, wohl doch nicht so fatal, wie von Gegnern der Linken immer verlautbart wird?

    Meinungsumfragen sprechen da eine dezidiert ambivalente Sprache, und Ambivalenz ist das Gift, das militärische Auseinandersetzungen erstrebenswert erscheinen lässt.
    Meinungsumfragen in Bezug auf was? Entscheiden neuerdings die Bürger, ob die NATO eingreift, habe ich da was verpasst?

    Wir werden uns, ob wir wollen oder nicht, in den kommenden Jahren mehr solche Gedanken machen müssen – und dabei nicht wie früher auf uneingeschränkte US-Hilfe bauen können.
    Warum sollten wir? Ich habe keinen einzigen Grund gelesen, der das begründen könnte. Ist US Hilfe das gleiche wie NATO Beistand?
    Wie wäre es zur Abwechslugn mal mit einer echten Friedenspolitik?
    Ich bin die Kriegstrommelei mittlerweile so dermassen leid, das ich nicht mal mehr weiss, ob ich über diese Hirngespinste lachen oder weinen soll.

  • cimourdain 29. August 2019, 14:10

    1) Es heisst ja auch „Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit ( und Entwicklung )“ … Ein Rahmen, wonach sich Entwicklungshilfe eigentlich orientieren soll, ist mit den Millenniumszielen ziemlich genau und messbar vorgegeben. Da einen Fokus auf Remigration zu setzen, klingt mir verdächtig danach ‚Türsteherstaaten‘ in zweiter Reihe statt in erster ( Libyen, Türkei ) zu bezwecken.
    2) Die im Artikel skizzierten „Bedrohungs“-Szenarien stammen von der RAND-corporation, eine Organisation, die seit den 50ern als Hauptgeschäft fiktive Kriegsszenarien entwirft und durchrechnet ( Fulda-GAP, FOFA, Rapid-Response, und wie sie alle heißen ). Taiwan war vielleicht in den Jahren nach 1949 in Gefahr, der Status ist immer noch ungeklärt, aber offiziell diplomatisch anerkannt wird es nicht mal mehr von den Vereinigten Staaten. Was die vielen umstrittenen Inseln im chinesischen Meer betrifft, so täte eine generelle Grenzziehung am Verhandlungstisch not. Der Frieden von San Francisco fand über den Köpfen sowohl der VRC als auch ROC statt.
    Aber statt auf diese komplexen Fragestellungen einzugehen, negierst du die immer noch reale Gefahr eines Atomkrieges (Die doomsday-clock steht auf 2 Minuten vor 12 ) und malst mal wieder den ‚Russen vor der Tür‘ an die Wand.
    4)_Auf die Tatsache, dass in den 90ern die rechtsextremen Strukturen vom Süden her aufgebaut wurden ( Beispiel Gerhard Frey ) und von den Konservativen nach dem Motto „Lieber braune Socken als rote“ toleriert wurden, kann man ruhig mal hinweisen. Auch heute gibt es genügend Konservative, denen die blaulackierten Braunen lieber sind als die gefühlt radikalen Grünen.
    5) Hierzu nur eine Orientierungszahl: Aktuell(Juli 2019) befinden sich 3.194 Bundeswehrsoldaten im „ganz normalen“ Auslandseinsatz. Wir haben bereits – ungeachtet Art 87a (2) GG – eine Interventionsarmee.
    6) So verständlich du die erweiterte Begrifflichkeit für toxische Männlichkeit darlegst, hier fürchte ich verwechselst du Ursache und Wirkung. Das unterschiedliche Empathiepotential gegenüber Frauen und Männern ist in vielen Bereichen sichtbar, z.B. Ignoranz gegenüber der Tatsache, dass die Mehrheit der Verbrechensopfer (Hellfeld) männlich ist, Witze über prison-rape, Kastrationsphantasien usw. . Das alles monokausal auf ein Bild vom ‚harten Mann‘ (überspitzte Formulierung) zurückzuführen, halte ich für zu kurz gesprungen. Aber wie weit da ein einäugiger ‚Rückstand‘ in der öffentlichen Wahrnehmung, gerade bei denen, die gegnüber Geschlechtergerechtigkeit sensibel sind, oder gar unterschiedliche natürliche Beschützerinstinkte ( Ich bin gegenübersolchen „biologisierenden“ Erklärungen immer etwas skeptisch, aber der geschlechtsspezifische Vater-Tochter-Beschützerinstinkt ist gut dokumentiert) eine Rolle spielen, weiss ich nicht.

    • Stefan Sasse 29. August 2019, 14:45

      1) Wie meinen?
      2) Ich verneine nicht die generelle Gefahr. Auch wenn meine Kritiker hier mir gerne Kriegstreiberei unterstellen, auch mir geht es um den Friedenserhalt. Ich halte nur eine Welt klarerer Grenzen und Abschreckungspotenziale für sicherer als eine, in der Westentaschendiktatoren straflos destabilisieren können, weil keine glaubhafte Gegenreaktion unter der Schwelle des Atomschlags erfolgen kann.
      4) Ist ja mein Dauerpunkt.
      5) Das BVerfG 1995 hat festgelegt, dass Art 87 diese nicht verbietet.
      6) Ich beklage die mangelnde Empathie ebenfalls massiv. Kennst du das? https://www.youtube.com/watch?v=uc6QxD2_yQw
      Ich denke halt nur dass solange die aktuellen Männlichkeitsbilder die Rolle des Manns als Opfer gar nicht zulassen (toxische Maskulinität) wir ein Problem haben, deswegen stehe ich dem Ansatz des American Conservative ja ganz positiv gegenüber.

      • Rauschi 30. August 2019, 11:19

        Ich halte nur eine Welt klarerer Grenzen und Abschreckungspotenziale für sicherer als eine, in der Westentaschendiktatoren straflos destabilisieren können, weil keine glaubhafte Gegenreaktion unter der Schwelle des Atomschlags erfolgen kann.
        Ich persönlich finde ja auch, das Destabilisieren sollten wir den grossen Demokratien überlassen, die dann genauso wenig zur Verantwortung gezogen werden. Die machen das wahrscheinlich professioneller, oder was?

        Das Abschreckugspotential, mehr als 20 mal die Erde zu zerstören reicht nicht? Machen wir bei 50 Mal dann endlich Schluss?
        Oder sind die neuen, kleinen Nukes nicht Drohnung genug? Jede Drohung nutzt sich irgendwann ab, deswegen ist der einzige Weg zum Frieden die Abrüstung. wie es auch die Mehrheit der UN Staaten seit langem fordern.

  • cimourdain 29. August 2019, 17:06

    1) Ich möchte Entwicklungshilfe ausschließlich an messbarer Entwicklung ( deshalb Milleniumsziele ) orientiert sehen ohne dass Nebenkriterien wie Flüchtlingsrücknahme eine Rolle spielen.
    2) Grenzen sind viel zu oft nicht so klar wie sie scheinen und oft nicht so schön wechselseitig anerkannt( siehe chinesisches Meer), wie man es gerne hätte. Ausgeglichene Verhandlungen sind da hilfreicher als eine Abschreckungsspirale, die Ressourcen frisst und konsequent durchgezogen zwangsläufig zum Krieg führt ( sonst wäre die Abschreckung nicht glaubhaft).
    Mal ein positives Beispiel vom Baltikum: Eine Bedingung für den EU-Beitritt Lettlands war, keine umstrittenen Grenzen zu haben. Deshalb hat Lettland sich auf das Gebiet der SSR beschränkt und auf Ostgallen (Vorkriegsterritorium) verzichtet.
    5) 1994 und unter klaren Bedingungen ( Bündnis in SInne des Art 24(2) GG , also damals NATO oder UN (EU würde sicher auch zählen) und Parlamentsvorbehalt )

    • Stefan Sasse 29. August 2019, 17:47

      1) Fair.n
      2) Die atomare Abschreckung wurde ziemlich glaubhaft und konsequent durchgezogen. Hatten wir thermonuklearen Krieg? Nordkorea hat dank glaubhafter und konsequenter Abschreckung seit 1953 seine Finger von Südkorea gelassen. Die USA haben weder Nordkorea noch den Iran angegriffen, nicht weil sie es nicht gewollt hätten, sondern weil sie anders als der Irak wesentlich glaubhafter abschrecken können. Klar funktioniert das.
      5) Sorry für den Zahlenfehler. Aber von keinen anderen Missionen rede ich.

      • cimourdain 30. August 2019, 11:44

        2) Iran und Nordkorea sind interessante Beispiel, weil deren Abschreckungspotential nicht so sehr in der eigenen Streitmacht liegt, sondern tatsächlich in der Gefahr eines globalen Konflikts mit Russland bzw. China bedeutet. Auch der zitierte Artikel geht ja in diese Stoßrichtung. Aber damit sind wir (über den ‚realpolitischen‘ Umweg) genau bei Ralfs Einflusssphären (sprich Machtblöcken) von Gebieten, wo Großmächte deshalb die Deutungshoheit haben, weil sie andere abschrecken können. Alles fast wie im kalten Krieg, außer dass China seine eigene Einflusssphäre jetzt auch durchsetzt und die EU sich in der NATO zunehmend von USA/UK abgrenzen wird, gerade was den pazifischen Raum angeht.
        Konkret auf das Baltikum würde das dann bedeuten ( ich folge einfach der Logik gegenseitiger Abschreckung): Die NATO verteidigt Mitglieder ( die baltischen Staaten), was Russland von direkten Aktionen gegen diese abhält, müsste sich aber in Weissrussland, Kaukasus und eben auch Ukraine wegen dem russischen Abschreckungspotential zurückhalten. Genau die ‚Einflusssphären‘. Nicht schön und Völkerrecht sollte anders aussehen, aber eben verhältnismäßig stabil…
        5) Juristische Tüpfelscheißerei… erleichtert aber die Suche ungemein.

        • Stefan Sasse 30. August 2019, 13:23

          2) Das ist doch schon so. Der Westen hat die Ukraine nicht direkt unterstützt, eben weil klar ist, dass das aggressive Reaktionen Russlands hervorruft.
          5) Klar, ich beschwer mich nicht.

  • Floor Acita 30. August 2019, 05:39

    2) haben nicht Leute in Ost und West permanent gezittert während des teilweise kalten Krieges..? Wo ist der Unterschied in der Idee der Stationierung im Baltikum und der Kalkulation Chruschtschows bzgl. Kuba? Hat das nicht zu einer der brenzligsten Situationen geführt..?

    • Stefan Sasse 30. August 2019, 11:21

      Na, es gab diverse entspanntere Phasen. Und nein, die Situation für Kuba und Baltikum sind nicht vergleichbar, schon alleine weil die Mentalität anders ist.

      • Floor Acita 30. August 2019, 16:12

        Kannst Du das etwas ausführen? Wessen Mentalität?

        • Stefan Sasse 31. August 2019, 18:38

          Der außenpolitischen Akteure. Ende der 1950er und Anfang der 1960er waren USA und SU in einer paranoiden Hysterie, die es ihnen praktisch unmöglich machte, realistisch auf Bedrohungen wie Kuba o.Ä. zu reagieren. Das ist heute anders. Die Stationierung von NATO Truppen im Baltikum oder die Präsenz russischer Armeeeinheiten in der Ukraine löst zwar Protest, Unbehagen und Spannungen aus, führt aber nicht dazu, dass beide Seiten auf Maximaleinsatz spielen.

          • Floor Acita 31. August 2019, 20:31

            Ich hoffe natürlich Du hast Recht. Das vertraut allerdings stark darauf, dass sowohl Putin als auch Trump rationale Akteure sind … einer ein Spieler (Krim), der andere … #Nukeatornado

  • Dennis 30. August 2019, 12:04

    zu 3)

    Alles richtig, namentlich auch das angedachte Avantgarde-Modell (@Ralf) .

    Nicht geringfügig sondern erheblich ist indes auch die Frage, warum für mich als, sagen wir mal, fiktiven Nigerianer oder Angolaner (beide Bevölkerungen zusammengezählt sind schon mal lässig 225 Millionen, momentan) wohlstandsmäßig europäisches Niveau mit all den schönen Sachen wegen Umwelt und so nicht in Betracht kommen kann oder darf.

    Ich würd da eher sagen: Wir schließen erstmal mit den gaaaanz konventionellen Methoden, also u.a. voll „carbonisch“, mit Unmengen von Plastik und, und, und nach Europa auf und dann reden wir weiter. Falls ihr das nicht wollt, liebe Europäer, könnte ihr ja „runter“ gehen, gell.

    Generell müsste man beim Konsumerismus natürlich „oben“ anfangen, was vieles heißen kann, aber insbesondere, dass auch der europäische „kleine Mann“ (inkludiert auch Frau^) im weltweitem Maßstab schon sehr, sehr weit oben, also groß, ist. Die politische Vermittlung wird in Abwesenheit einer Weltregierung gewisse Schwierigkeiten machen.

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