Für einige Wochen ging ein Gespenst um im deutschen Feuilleton: Es war das Gespenst Greta Thunbergs. Eine 16jährige versetzte gestandene Leitende Redakteure in komplette Panik vor der kommenden Revolution. Bald keine Dienstwagen-Limousine mehr, keine Kurzurlaube in Monaco 1. Klasse, und eventuell muss sogar die Luxus-Edition des Weber-Gasgrills auf der Terrasse vor dem (gedämmten!) Bürgerpalast im beschaulichen Vorort künftig Gemüse grillen. Schauderhaft. Die beinahe existenzielle Furcht, die das schwedische Mädchen in das Blätterrauschen brachte, hat nun ihre Entsprechung auf der Rechten gefunden. Wir haben ein Symbol all dessen, vor dem sich Klimaschützer aller Couleur fürchten dürften: Jemanden, der aktiv Ökozid begeht, der Umwelt und Klima nicht trotz, sondern wegen der Folgen schädigt. Dem Sujet entsprechend ist sie weder jung noch Mädchen, sondern mittleren Alters, männlich und hoch aggressiv. Es geht um den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro.
Dieser gewann kürzlich unter aufsehenserregenden Umständen die Präsidentschaftswahl in Brasilien. Zusammen mit dem philippinische Massenmörder Rodrigo Duterte gilt Bolsonaro als der Trump seines jeweiligen Landes: Voller Aggression, populistisch bis zum Anschlag, rücksichtslos, brillanter Mobilisierer und von einer völligen Gleichgültigkeit gegenüber bestehendem Recht und Normen geprägt. Bolsonaro verdankte seine Wahl einem Bündnis traditionell konservativer Interessengruppen, die glaubten, in dem ungehobelten und über die Stränge schlagenden Populisten ein willfähriges Werkzeug gegen die verhassten progressiven Gegner zu finden. In Brasilien waren dies, wie so oft, vor allem die Landwirtschaftsverbände, denen die indigene Bevölkerung und die Umweltschützer gleichermaßen ebenso ein Dorn im Auge sind wie all jene Kräfte, die Brasiliens Weg in eine moderne Volkswirtschaft und offene Gesellschaft fortsetzen möchten.
Bislang fiel Bolsonaro vor allem durch seine Liebe zu Schusswaffen und seinen Hang zur Gewalt auf, die selbst die absurdesten Bekenntnisse amerikanischer Rechtsradikaler in den Schatten stellt und nur in Dutertes mörderischem Treiben eine Steigerung findet. Seine Anhänger ziehen mit vollautomatischen Sturmgewehren durch die Straßen und feuern diese – natürlich nur zur Bekundung ihrer patriotischen Unterstützung des Präsidenten, nicht um politische Gegner zu bedrohen – in die Luft und posieren in Stadtvierteln der Opposition, während die Polizei angewiesen ist, sie gewähren zu lassen. Gleichzeitig spieh der Präsident bei jeder seiner Reden sexistische, rassistische und nationalistische Tiraden übelster Machart ins Mikrofon. Kurz: Es war eine Ekel-Show.
Wie sich nun zeigt, war das nur der sichtbarste Teil, quasi die Fassade. Wie aus der Plattform „DemocracyNow“ geleakten Dokumenten hervorgeht, hat die Bolsonaro-Regierung ihre Dienststellen angewiesen, eine Reihe von riesigen Bauprojekten im Amazonas (die so genannte „Triple-A“) voranzutreiben und dabei Umweltschutzbewegungen als Hauptgegner ausgemacht. Gegen diese hat sie die komplette Staatsmacht mobilisiert. Eine der Hauptstrategien der Regierung besteht im Legen von Bränden: über 72.000 Brände hat man allein dieses Jahr gezählt. Die brasilianische Weltraumbehörde bekam von Bolsonaro einen Maulkorb, nachdem sie vor den verheerenden Folgen dieser Brände warnte – eine Parallele zu dem Verhalten konservativer Regierungen in den USA, die die NASA davon abhalten, Informationen über den Klimawandel zu sammeln und solche Informationen die sie bereits haben zu teilen.
Die Brände entsprechen zwar der sinnlosen Zerstörungslust Bolsonaros; in seinen Wahlkämpfen titulierte er sich selbst als „Mr. Kettensäge“ und ging mit der Forderung hausieren, so viel Wald wie möglich niederzuholzen. Sie haben aber auch eine wirtschaftliche Funktion: es geht um die Gewinnung von Flächen für Ackerbau und Viehwirtschaft. Daher auch Bolsonaros enge Beziehung zur Agrarlobby, die seine gewalttätige Politik decken: Für die ist jetzt, wie aus den geleakten Dokumenten hervorgeht, Zahltag.
Die Brände werden dabei auch rücksichtslos in Reservate gelegt, um die dortigen Einheimischen zur Flucht zu zwingen. Ihr eigentlicher Zweck ist es, das Unterholz abzubrennen um die Flächen nutzbar zu machen, das aber eine kritische Rolle für die Ökologie des gesamten Kreislaufs spielt, wie der Wissenschaftsjournalist Lars Fischer beschreibt:
Das ist oft der Anfang vom Ende des Waldgebiets, denn schnell wachsende Gräser besiedeln die offene Fläche. Sie liefern nicht nur zusätzlichen Brennstoff für zukünftige Feuer, sie halten den Wald auch offen. Zuvor schon von Feuer betroffener, weniger dichter Wald brennt leichter und öfter, was wiederum benachbarten, noch ungeschädigten Primärwald bedroht. Die Gräser, die sich in geschädigte Waldflächen hineinfressen, sind aber nicht nur Opportunisten der Gegenwart – möglicherweise zeigen sie die nahe Zukunft großer Teile des Amazonasbeckens. Fachleute fürchten, dass der Wald bald auch ohne menschliche Mithilfe kollabiert.
Hintergrund dieser Sorge ist, dass der Regenwald nach Ansicht vieler Fachleute die Grundlage seiner eigenen Existenz überhaupt erst schafft: Nur dadurch, dass bereits Wald vorhanden ist, kann im Amazonas-Becken überhaupt Wald wachsen. Das klingt paradox, hat aber eine einfache Ursache. Analysen zeigen, dass die Region nur halb so viel Wasser aus den globalen Luftströmungen erhält, wie tatsächlich an Niederschlag fällt. Die andere Hälfte der Niederschläge erzeugt der Wald selbst. Der Wald speichert Wasser und lässt enorme Mengen davon verdunsten, die wiederum ein bisschen weiter westlich wieder abregnen – Isotopendaten zeigen, dass das Wasser von Ost nach West fünf bis sechs dieser Zyklen durchläuft.
Bolsonaro folgt auch in anderer Hinsicht dem Trump’schen Handbuch: Erst verleugnete er die Existenz der Brände komplett, dann behauptete er einfach, dass dafür „internationale NGOs“ von Umweltschützern verantwortlich seien. Auf Nachfrage weigerte er sich zu benennen, welche NGOs er denn meine. Diese offene, dreiste Art zu lügen ist ebenfalls aus den USA hinreichend bekannt. Es ist die ständige aggressive Forderung, ihn doch der Lüge zu bezichtigen – oder aber einzuknicken und sie neutral als „Aussage“ in die Schlagzeilen zu hieven, eine Herausforderung, auf die die Medien immer noch keine Antwort gefunden haben.
Bolsonaro stellt dabei nur den logischen Endpunkt einer Entwicklung der Rechtspopulisten dar, die ebenfalls seit 2017 in den USA zu beobachten ist. Trump setzte – wie Bolsonora – aktive Klimawandelleugner ins Umweltministerium, er hob – wie Bolsonaro – Umweltschutzbestimmungen im Dutzend billiger auf, er trieb – wie Bolsonaro – die von mächtigen Spendern geforderte Erschließung von Ressourcen in Naturschutzgebieten voran. Begleitet wird all das von einer aggressiven Attitüde rechtsradikaler identity politics.
Anders als bei den Konservativen und Liberalen Europas sind Schädigungen von Klima und Umwelt kein bedauerliches Nebenprodukt wirtschaftlicher Tätigkeit; sie sind ein aktives Ziel. Diese Leute begehen Ökozid am gesamten Planeten. Wären sie nicht die Oberhäupter von Staaten, müsste man sie Ökoterroristen nennen. Aus Berlin kommt dazu vor allem – dröhnendes Schweigen. Das einzige westliche Staatsoberhaupt, das sich von Anfang an emphatisch gegen Bolsonaros Ökozid stellte, ist Emmanuel Macron, der die internationale Gemeinschaft (bislang vergeblich) zum Handeln aufforderte.
Dabei ist es nicht so, als wäre solches Handeln nicht möglich. Bolsonaro ist extrem abhängig von Exportmärkten für die Agrarprodukte Brasiliens, deren Herstellung er durch seinen Ökozid zu steigern hofft. Würde die EU ihre Märkte dafür schließen – was sie unter der bestehenden Rechtslage tun könnte – würde sie ein mächtiges Signal setzen. Auch finanziell ist Bolsonaro auf Investitionen in seine megalomanischen Bauprojekte angewiesen.
Genozidale Massenmörder finden üblicherweise keine Aufnahme am Tisch der internationalen Gemeinschaft. Es wird Zeit, dass das selbe für ökozidale Täter ebenso gilt. Bolsonaro ist der erste Testfall, eine bis in die Karikatur überzeichnete Version eines Rechtspopulisten. Wer hier schweigt, macht sich gemein.
Würde die EU ihre Märkte dafür schließen – was sie unter der bestehenden Rechtslage tun könnte – würde sie ein mächtiges Signal setzen. Auch finanziell ist Bolsonaro auf Investitionen in seine megalomanischen Bauprojekte angewiesen.
Genozidale Massenmörder finden üblicherweise keine Aufnahme am Tisch der internationalen Gemeinschaft. Es wird Zeit, dass das selbe für ökozidale Täter ebenso gilt. Bolsonaro ist der erste Testfall, eine bis in die Karikatur überzeichnete Version eines Rechtspopulisten. Wer hier schweigt, macht sich gemein.
Das Problem ist viel größer, als Du es hier zeichnest. Die deutsche Regierung und mit ihr praktisch alle westlichen Regierungen geben ein erbärmliches Bild ab, beim Aufstehen für unsere Werte. So wie sich die CDU in die Hose scheißt sich gegenüber der AfD abzugrenzen (das kürzliche AKK-Maaßen-Theater ist nur ein Beispiel), so scheißt sich Deutschland in die Hose Boris Johnson in die Wüste zu schicken (siehe z.B. seinen Besuch bei Merkel, der für seine innenpolitische Profilierung unschätzbaren Wert hatte und einen No Deal-Brexit damit sogar noch wahrscheinlicher gemacht hat) und so scheißt sich die EU in die Hose, selbst einen kleinen Möchtegerndiktator wie Viktor Orban kaltzustellen. Die Medien scheißen sich derweil in die Hose die neuen Rechtspopulisten als das darzustellen und zu entlarven, was sie sind. Könnte ja Auflage kosten. Und unsere Politiker scheißen sich in die Hose die Menschenrechtslage in der Türkei, in China, in Israel anzuprangern. Dazu scheißen wir uns alle gemeinsam in die Hose gegen die betrügerischen Machenschaften von Autoindustrie, anderen Großkonzernen und Banken aufzustehen. Lieber still und stumm sein und hoffen, dass wir noch ein paar weitere Jahre Geschäfte machen können.
Alleine heute erreichten mich diese zwei neuen Meldungen zum Thema:
https://m.spiegel.de/wirtschaft/soziales/steueroasen-eu-traut-sich-nicht-usa-als-steueroase-zu-bezeichnen-a-1283306.html
https://m.spiegel.de/politik/deutschland/jemen-krieg-bundesregierung-weiss-nicht-welche-laender-beteiligt-sind-a-1283364.html
Dass wir uns zu alledem jetzt auch noch in die Hose scheißen gegenüber Bolsonaro aufzustehen, ist doch kaum noch erwähnenswert. Reißt diese Meldung eigentlich irgendwen vom Hocker? Ist irgendwer überrascht?
Die Tage fragte mich meine Tochter, warum Menschen im Alter oft so verbittert und zynisch werden. Ich antwortete ihr, dass viele nicht mit den Frustrationen, Fehlschlägen und Tiefen zurecht kämen, die das Leben eben auch bietet. Mit den Jahren wächst das Gefühl nicht zu bekommen, was einem vermeintlich zusteht.
Ich finde Ihren Kommentar abstoßend. Er ist vulgär, er ist niederträchtig, er macht alles und jeden verächtlich. Jede Sekunde des Lesens ist verschwendet. Alles Versager, alles Feiglinge, denen der klare Blick fehlt. Das ist so weit unter Ihrem intellektuellen Niveau und Ihrer Bildung, das es erschrickt.
Alles Versager, alles Feiglinge, denen der klare Blick fehlt.
Versager? Ja. Feiglinge? Ja.
Aber der klare Blick fehlt kein Stück.
Der klare Blick ist voll und ganz auf die kurzfristige Gewinnmaximierung fokussiert. Egal wie viele Opfer. Egal wie hoch der Preis für zukünftige Generationen.
Herr Pietsch, Diskurs wäre gefragt, wo Sie wieder nur Rhetorik bieten und dann noch schlechte. „Unter ihrem intellektuellen Niveau und ihre Bildung“ ist eine ungehörige dumme Herabsetzung der Person und ihrer Meinung. Sie mögen die Auffassungen von @Ralf nicht teilen, dann wäre es an ihnen, das zu begründen. So zeugt es nur wieder einmal von ihrer schlechten Diskussionskultur.
@ popper
Herr Pietsch, Diskurs wäre gefragt …
… den Ralf nicht bietet. Ich hätte wohl andere Formulierungen gewählt, kann inhaltlich Stefan P. aber nur zustimmen.
Auch Ihre Meinung interessiert nicht, sondern ihre Begründung, warum Sie glauben, Pietsch hätte recht.
@ popper 26. August 2019, 15:12
Auch Ihre Meinung interessiert nicht, …
Diese Antwort steht Ihnen nicht zu. Von der selbstgerechten Arroganz einmal abgesehen, halte ich diese Antwort von jemandem, der hier selbst seine Meinung kundtut, darüber hinaus für sehr ‚ungewöhnlich‘.
sondern ihre Begründung, warum Sie glauben, Pietsch hätte recht.
Was auch nur eine Meinung sein kann. Mein „Glauben“ bezieht sich auf die inhaltliche Tendenz der Aussage von Stefan P., auch wenn ich seine Wortwahl nicht teile.
Ansonsten habe ich begründet. Es gibt von Ralf kein Diskurs-Angebot, sondern nur ein linkes ‚Auskotzen‘, über das man sich, käme es von rechts, sehr echauffieren würde (was engeschränkt auch für Ihren Ton mir gegenüber gilt; fährt Herr Pietsch Sie so an, ist die Empörung stets groß).
Diese Antwort steht Ihnen nicht zu.
Da haben Sie recht, das ist eine dumme Anmaßung, für die ich mich entschuldige.
Ich bin aber der Auffassung, dass Pietsch nicht inhaltlich antwortet, sondern zu einer Herabwürdigung greift, die nichts von dem was @Ralf beschreibt adressiert. Auch ihr Vorwurf, das sei nur „ein linkes Auskotzen“ erklärt ihr Vorurteil gegen links, begründet aber nicht die behauptete mangelhafte Qualität der Argumente. Die Willfährigkeit der Politik gegenüber den USA ließe sich anhand vieler Einzelbeispielen belegen. Andererseits sind die Eliten in einem selbstverschuldeten Zustand, der besorgniseregend ist. Sie reden von Werten, die sie ständig mit hren völkerrechtswidrigen Aktionen verletzen. Und Zivilcourage scheint inzwischen zum Fremdwort geworden zu sein. Geradezu devot.
@ popper 28. August 2019, 21:20
… eine dumme Anmaßung …
Alles gut; ist mir auch schon passiert 🙂
Ich bin aber der Auffassung, dass Pietsch nicht inhaltlich antwortet, sondern zu einer Herabwürdigung greift, die nichts von dem was @Ralf beschreibt adressiert.
Nun, der Ton ist die eine Sache. Da schrieb ich ja, dass ich das anders formuliert hätte.
Aber das, was Ralf schreibt, ist kurz gesagt ein „Alles Scheiße – Deine Elli“. Was soll man dagegen sagen?
Auch ihr Vorwurf, das sei nur „ein linkes Auskotzen“, erklärt ihr Vorurteil gegen links, begründet aber nicht die behauptete mangelhafte Qualität der Argumente.
Dem einen sein Vorurteil ist dem anderen sein Urteil. Da ich durchaus auch einige (bei weitem nicht alle) Positionen mit Ihnen, Rauschi oder Stefan Sasse teile, die Herr P. wohl als „links“ bezeichnen würde, nehme ich diesen Vorwurf nicht allzu ernst – ich bitte um Nachsicht.
Das, was Ralf liefert, ist eine überaus verkürzte, polarisierende Darstellung einiger überaus komplexer Themen (was auch Sie, wenn es etwa um Geld/Währung etc. geht, überhaupt nicht goutieren). Worauf soll man da antworten? „Alles Scheiße“ ist kein Argument.
Die Willfährigkeit der Politik gegenüber den USA ließe sich anhand vieler Einzelbeispielen belegen.
Ja, das ist richtig; genauso wie das Gegenteil. Da Sie (da bin ich mir sicher) mehr und bessere Beispiele für deutsche Willfährigkeit gegenüber der USA kennen als ich, will ich mich den Gegenbeispielen widmen kurz darauf hinweisen, dass etwa die Regierung Schröder sich dem Ansinnen der USA verweigerte, am Irak-Krieg teilzunehmen; dass sich alle Regierungen Merkel regelrecht weigern, die zugesagten Budget-Erhöhungen für das Militär durchzusetzen, dass gerade Frau Merkel (und ich mag sie und den größten Teil ihrer Politik überhaupt nicht) mit sehr viel Geschick und höchstmöglichem passiven und teils aktivem Widerstand gegen die aktuelle Militär-, Wirtschafts- und Machtpolitik der USA agiert, den amerikanischen Präsidenten mehr als einmal öffentlich belehrt hat und ihn und seine Politik auf Konferenzen öffentlich rüffelt.
Man kann das immer noch für zu wenig halten, sicherlich. Aber so zu tun, als robben die Deutschen vor den Amerikanern im Dreck herum, ist sicherlich eine überaus populistische und stark einseitig verkürzende Darstellung dessen, was passiert – dazu ohne jegliche Berücksichtigung der Freiräume, die einem Land wie Deutschland gegeben sind. Man muss nur schauen, wie die USA gerade China rupfen – ein Land mit deutlich mehr Macht, Geld und Einfluss in der Welt, als Deutschland aufbringen kann.
Man kann das natürlich so sehen und auch so kommentieren, wie Ralf das getan hat, keine Frage. Aber man kann nicht hingehen und das als einen argumentativ anspruchsvollen, reflektierenden Kommentar hinstellen, der „Argumente“ enthält, auf die es sich einzugehen lohnt.
Aber so zu tun, als robben die Deutschen vor den Amerikanern im Dreck herum, ist sicherlich eine überaus populistische und stark einseitig verkürzende Darstellung dessen, was passiert – dazu ohne jegliche Berücksichtigung der Freiräume, die einem Land wie Deutschland gegeben sind. Man muss nur schauen, wie die USA gerade China rupfen – ein Land mit deutlich mehr Macht, Geld und Einfluss in der Welt, als Deutschland aufbringen kann.
Das liest sich für mich, wie eine Rechtfertigung für das Einknicken vor den amerikanischen Wünschen, weil das eben der stärkste Junge auf dem Schulhof ist, mit dem man sich besser nicht anlegt. Wenn das anderes gemeint sein sollte, bitte ich um Aufklärung.
Welche Freiräume hat denn ein Land wie Deutschland, würde mich mal interessieren?
@ Rauschi 29. August 2019, 09:07
Das liest sich für mich, wie eine Rechtfertigung für das Einknicken vor den amerikanischen Wünschen, weil das eben der stärkste Junge auf dem Schulhof ist, mit dem man sich besser nicht anlegt.
Ja. So in etwa ist das gemeint.
Es wird Ihnen kein Trost sein, dass alle Großmächte ähnlich agieren wie die USA; in der Regel gehen China und Russland mit abhängigen Satelliten deutlich ruppiger um.
Welche Freiräume hat denn ein Land wie Deutschland, würde mich mal interessieren?
Ich bin da zu wenig im Bilde, um eine belastbare Antwort zu geben; ich kann da nur vermuten bzw. unbegründete Meinungen und Vorurteile äußern. Im Rahmen dieser Einschränkung haben wohl wohl genau die Freiräume, die uns zugestanden werden (im Rahmen der üblichen westlichen Werte).
Was unter dem Strich nicht so schlecht ist, wie es in anderen Herrschaftsbereichen sein würde (Kleineres-Übel-Prinzip)
Thema Freiräume – es kommt drauf an, was du meinst. Technisch gesehen sind unsere Freiräume sehr groß. Wir könnten etwa jederzeit NATO und EU verlassen. Die Frage bei allen Freiräumen ist immer, was es dir wert ist. Denn jede Entscheidung hat (wie auch jede Nicht-Entscheidung) Konsequenzen. Das gilt übrigens auch für die USA. Die können ihre Freiräume auch nicht immer nutzen, ohne teilweise gepfefferte Opportunitätskosten zu bezahlen. Letztlich macht das UK gerade ein Experiment, wie hoch diese Kosten für das Ausnutzen bestehender Freiräume tatsächlich sind. Und diese riesige Unbekannte hindert üblicherweise Politiker aller Couleur, die Freiräume auch nur annähernd auszureizen, innen wie außen.
@ Stefan Sasse 31. August 2019, 18:40
Technisch gesehen sind unsere Freiräume sehr groß.
…
Die Frage bei allen Freiräumen ist immer, was es dir wert ist. Denn jede Entscheidung hat (wie auch jede Nicht-Entscheidung) Konsequenzen.
Zustimmung – Deine Antwort ist besser formuliert als meine.
@Erwin Gabriel
Ja. So in etwa ist das gemeint.
Interessant, bislang habe ich das immer so verstanden, das man den USA folgt, weil man Werte und Ziel etc. teilt?
Das aber liest sich wie : aus Angst vor den Konsquenzen machen wir lieber mit.
Es wird Ihnen kein Trost sein, dass alle Großmächte ähnlich agieren wie die USA; in der Regel gehen China und Russland mit abhängigen Satelliten deutlich ruppiger um.
Gähn, als wollte ich den Rüpel austauschen. Zum dritten Mal, am besten wäre gar kein Rüpel, oder etwa nicht?
Als könne die Weltgemeinschaft nicht gemeinsam dem Rüpel sagen, wir sind mehr und damit stärker. Haben die ja auch versucht, solange aber die wirtschaftlich starken Länder lieber weiter kuschen, wird das nicht, siehe Iran Abkommen und die Sanktionen.
Im Rahmen dieser Einschränkung haben wohl wohl genau die Freiräume, die uns zugestanden werden (im Rahmen der üblichen westlichen Werte).
Den Widerspruch bemerken Sie nicht?
Freiräume zugestehen westliche Werte?
Finden Sie das nicht fragwürdig, das uns jemand Freiheiten zugestehen muss?
@ Rauschi 5. September 2019, 11:22
Interessant, bislang habe ich das immer so verstanden, das man den USA folgt, weil man Werte und Ziel etc. teilt?
Das muss sich doch nicht ausschließen.
Natürlich verbinden uns mit der USA die gleichen Werte. Aber wenn die das einzige Kriterium wären, würden wir alle den Engländern oder Franzosen oder gar den Griechen hinterherlaufen.
So hat sich eine Gruppe von Gleichgesinnten gebildet, in der der Stärkste den Ton angibt.
Das muss sich doch nicht ausschließen.
Doch, eigentlich schon, denn warum jemanden folgen, wenn ale die gleichen Werte vertreten, das ergibt sich doch automatisch, oder etwa nicht?
Zumal ja die erste Reaktion so aussah:
[Das liest sich für mich, wie eine Rechtfertigung für das Einknicken vor den amerikanischen Wünschen, weil das eben der stärkste Junge auf dem Schulhof ist, mit dem man sich besser nicht anlegt.
Ja. So in etwa ist das gemeint. ]
Das klingt wie Angst und nicht gegeseitiger Respekt (wegen der gleichen Werte).
Natürlich verbinden uns mit der USA die gleichen Werte. Aber wenn die das einzige Kriterium wären, würden wir alle den Engländern oder Franzosen oder gar den Griechen hinterherlaufen.
Dann nennen sie doch mal zur Abwechslung Werte, die mehr als Lippenbekenntnisse sind und wieso verbinden die uns natürlich, so quasi als Naturgesetz? Warum sollten wir überhaupt jemandem hinter laufen, in der EU kann Deutschland auch ganz gut allein seine Standpunkte verteidigen, warum sollte es da in anderen Feldern anders sein?
So hat sich eine Gruppe von Gleichgesinnten gebildet, in der der Stärkste den Ton angibt.
Ich wäre ja immer dafür, das der mit den grössten Vorbildfunktion voraus gehen sollte und nicht der Stärkste. Das gleichgesinnt beinhaltet irgendwie, das da keiner den Ton angeben muss oder sollte, sonst ist das mit der Gruppe eine leere Hülle.
@ Rauschi 12. September 2019, 10:42
Das muss sich doch nicht ausschließen.
Doch, eigentlich schon, denn warum jemanden folgen, wenn alle die gleichen Werte vertreten, das ergibt sich doch automatisch, oder etwa nicht?
🙂 Etwa nicht. Zu schwarz-weiß gedacht.
Das möchte ich an ein, zwei Beispielen erläutern: Die USA und Deutschland halten die Demokratie für die beste (von mir aus auch „am wenigsten schlechte“) Regierungsform. Dennoch haben die USA einen Präsidenten mit sehr viel Macht, wir dagegen einen Präsidenten mit vergleichsweise wenig Macht – bei uns regiert ein(e) Kanzler(in). Es gibt sehr unterschiedliche Wahlsysteme. Deutschland und die USA haben auch eine ganz andere Art von Föderalismus.
Einen weiteren Unterschied erkennt man an der Auslegung des Begriffs ‚Freiheit‘. Die Verfassung der USA wurde von Menschen geprägt, die den restriktiven aristokratischen bzw. monarchischen Regierungsformen Europas entkommen wollten. Deswegen steht die individuelle Freiheit inkl. der Freiheit, zu sagen was man denkt (wie abstrus auch immer), oder der Freiheit, Waffen zu tragen, In der amerikanischen Verfassung an oberster Stelle. Kollidiert in den USA die Redefreiheit mit der Menschenwürde, muss die Menschenwürde in der Regel weichen.
Das Grundgesetz der BRD wurde von Leuten geprägt, die der Hitler-Diktatur entronnen sind. Hier steht die Menschenwürde, die von den Nazis mit Füßen getreten wurde, an oberster Stelle. Trifft bei uns die Redefreiheit auf Menschenwürde, wird im Normalfall die Redefreiheit eingeschränkt.
Obwohl also beide Länder Werte wie Demokratie und Freiheit teilen, sind die Ausprägungen sehr, sehr unterschiedlich. Aus Sicht der USA herrscht beispielsweise in Deutschland keine Religionsfreiheit, weil wir Scientology anders behandeln als etwa die Katholische Kirche.
Ein weiterer gemeinsamer Wert ist (zumindest in der Theorie) der freie Handel. Man kann aber durchaus darüber geteilter Meinung sein, ob man alles in jedes Land liefert, ob man Waffen für Kriegsgebiete ausschließt oder nicht, ob man Regime unterstützt, die menschenverachtend oder für den Rest der Welt gefährdend agieren.
Man mag sich in diesem Fall darüber einig sein, dass man solch einem Regime keine Waffen verkauft. Man mag sich darüber einig sein, dass man sehr wohl Medikamente und Nahrungsmittel liefert. Aber wie sieht es (aktuelles Beispiel: China vs Hongkong) mit einem Wasserwerfer aus? Wie sieht es (Beispiele: Iran, Irak, Syrien) mit Chemiefabriken aus, die Düngemittel oder Medizin herstellen sollen, aber auch zur Produktion von Chemiewaffen genutzt werden könnten? Wie sieht es aus mit (Ersatz-)Teilen für solche Fabriken, wenn man den tatsächlichen Einsatzzweck nicht eindeutig verifizieren kann?
Hier können nun zwei Partner durchaus unterschiedlicher Meinung sein. Da mag dem stärkeren in den Sinn kommen, seine Vorstellungen durchzusetzen. Dem schwächeren mag in den Sinn kommen, dass dieses Streitthema nicht lohnt, dass man sich wirklich verkracht. Wie Stefan Sasse so überaus zutreffend schrieb, mag keiner die vorhandenen Spielräume ausloten, weil nicht klar ist, welchen Preis man dafür zahlt (mit ‚Preis‘ meine ich nicht zwangsweise ‚Strafe‘, aber ‚Entzug von Vergünstigungen‘ kann auch seine negativen Folgen haben).
Es ist halt nicht alles schwarz-weiß bzw. entweder-oder, sondern ein ziemliches Kuddelmuddel an Graustufen, an Wenns und an Abers, und immer wieder spielen da persönliche Beziehungen rein: Versteht man sich? Vertraut man sich? Es gibt keine klare, eindeutige Antwort.
Dann nennen sie doch mal zur Abwechslung Werte, die mehr als Lippenbekenntnisse sind und wieso verbinden die uns natürlich, so quasi als Naturgesetz? Warum sollten wir überhaupt jemandem hinter laufen, in der EU kann Deutschland auch ganz gut allein seine Standpunkte verteidigen, warum sollte es da in anderen Feldern anders sein?
Ihre Antworten sind oft so ruppig. Werden Sie zur Abwechslung doch mal höflicher.
Von „Naturgesetzen“ habe ich nicht gesprochen; den Begriff führen Sie in meine Argumentation ein, um sie besser überzeichnen und dann entkräften zu können. Ich mag diese Art nicht sonderlich.
Zum Thema: Wenn Sie in einer Beziehung leb(t)en, werden Sie sicherlich schon festgestellt haben, dass sich die Macht- bzw. Entscheidungsverhältnisse je nach Thema ändern. Bei uns daheim entscheide ich, welchen neuen Fernseher wir kaufen, meine Frau dagegen, welche Farbe die Tapete im Wohnzimmer hat; bei einem neuen Sofa wären wir gleichberechtigt. So haben wir unterschiedliche Kompetenzen von Autokauf bis zur Urlaubsreise, und selbst wenn der eine entscheidet und der andere folgt, „läuft“ niemand dem anderen hinterher. Wenn ich meiner Frau folge, dann ist auch das meine abwägende Entscheidung. So viel anders läuft es in der Politik auch nicht.
Ich wäre ja immer dafür, dass der mit der größten Vorbildfunktion vorausgehen sollte und nicht der Stärkste.
Dass man sich über die Auslegung bestimmter Sachen uneins sein kann, habe ich ja oben erläutert. Was ist dann die „größte Vorbildfunktion“? Soll es am Ende darauf hinauslaufen, dass Sie das entscheiden?
Das gleichgesinnt beinhaltet irgendwie, dass da keiner den Ton angeben muss oder sollte, sonst ist das mit der Gruppe eine leere Hülle.
Jedes Team, dass im Sport gegen ein anderes antritt, wird Sie widerlegen. Alle Teammitglieder wollen gewinnen, aber die einen geben auf dem Platz den Ton an, und die anderen folgen. Sie haben in allen erfolgreichen Filmen Haupt- und Nebendarsteller. Sie finden überall im Leben Hierarchien, ob offiziell oder inoffiziell.
@Erwin Gabriel
Also nochmal von vorne, ich habe gefragt, wie
[Interessant, bislang habe ich das immer so verstanden, das man den USA folgt, weil man Werte und Ziel etc. teilt?Das aber liest sich wie : aus Angst vor den Konsquenzen machen wir lieber mit.]
Worauf Ihre Antwort war:
[Das muss sich doch nicht ausschließen.]
Zum Beleg folgen jetzt Beispiele, die mir zeigen sollen, das ich mal wieder Schwarz/Weiss unterweg so soll. Nur zeigen die das gar nicht, sondern im Gegenteil, das jeder seinen Weg verwirklicht, diese Werte umzusetzten. Spricht eindeutig gegen ein „Wir folgen Dir“ Konzept und hat auch nichts mit der Angst vor Konsequenzen zu tun, geht also auf meine Erwiderung gar nicht ein.
Ein weiterer gemeinsamer Wert ist (zumindest in der Theorie) der freie Handel.
Sorry, aber das ist doch kein Wert, das ist vielleicht ein mögliches Ziel, aber auch da gibt es Vor- und Nachteile, wie sie richtig anmerken, das funktioniert nur bei gleichwertigen Partnern, kann also kein Wert an sich sein. Der aktuelle Präsident sieht das auch nicht als Wert, da ist er mit den afirikansiche Staaten auf einer Linie.
Es ist halt nicht alles schwarz-weiß bzw. entweder-oder, sondern ein ziemliches Kuddelmuddel an Graustufen, an Wenns und an Abers, und immer wieder spielen da persönliche Beziehungen rein: Versteht man sich? Vertraut man sich? Es gibt keine klare, eindeutige Antwort.
Schwarz Weiss, in Bezug auf was? Entschuldigung, aber ich bin es mittlerweile echt leid, hier über solche Dinge wie Differenzierung aufgeklärt zuu werden, das ist und war immer mein Steckenpferd.
Das jeder andere Wege geht, um seine Ziel zu erreichen ist doch dermassen banal, das sowas niemand erwähnen muss, oder? Es ging um die Werte und die sollten unabhängig sein von gegenseitiger Sym- oder Antipathie. Ich habe bis auf die unvermeidliche Demokratie keinen Wert gelesen, der es erlauben würde, sich dafür einem Starken unterzuordnen. Nicht dem besten Vorbild in den Werten (die es ja wohl nicht gibt), sondern dem Stärksten zu folgen ist total bekloppt, wie soll das zum Erreichen der Werte führen?
Sie sind ein Fan des echten Schwarz/ Weiss Malers Herr Pietsch, noch nicht aufgefallen?
Von „Naturgesetzen“ habe ich nicht gesprochen; den Begriff führen Sie in meine Argumentation ein, um sie besser überzeichnen und dann entkräften zu können. Ich mag diese Art nicht sonderlich.
Wenn Sie „natürlich“ schreiben, dann führe ich mit Naturgesetzen keinen neuen Begriff ein, den Sie nicht verwenden, ich benutze nur ein anderes Wort für „natürlich“
[drückt aus, dass etwas so geschieht, wie man es erwartet, vorausgesehen, geahnt hat]. Für eine Sachdisskusion ist es unerheblich, ob Sie meine Art mögen oder nicht, ich mag Ihr Belehrugnen über Grundlagenwissen auch nicht, so what?
Dass man sich über die Auslegung bestimmter Sachen uneins sein kann, habe ich ja oben erläutert. Was ist dann die „größte Vorbildfunktion“? Soll es am Ende darauf hinauslaufen, dass Sie das entscheiden?
Ok, wir haben also angeblich irgendwelche Werte, die wir teilen. Da Sie nur die Demokratie genannt haben, würde ich meine, der ist das grösste Vorbild, wo die Bevölkerung am meisten zufrieden mit der Regierung ist, erscheint mir am sinnvollsten als Vorbild, oder kennen Sie keine Kriterien, wie sich Vorbilder auszeichen können und sollen?
Jedes Team, dass im Sport gegen ein anderes antritt, wird Sie widerlegen. Alle Teammitglieder wollen gewinnen, aber die einen geben auf dem Platz den Ton an, und die anderen folgen. Sie haben in allen erfolgreichen Filmen Haupt- und Nebendarsteller. Sie finden überall im Leben Hierarchien, ob offiziell oder inoffiziell.
Na dann nehme ich doch mal Ihre Analogie: Gegen wen kämpfen wir als Gruppe zusammen, was gibt es zu gewinnen, wer hat die Spielregeln gemacht und wer überwacht die Einhaltung?
Was hat das mit der Angst vor Konsequenzen zu tun, die das gleiche sein sollen, wie gemeinsamen Werten zu folgen? Ich kann da nichts, aber rein gar nichts erkennen, das meinen Einwand auch nur ansatzweise entkräftet hat.
Aber dann müssen Sie sehen, dass das motalische Argumentation ist. Genau das was Sie ablehnen…
@ Floor Acita 27. August 2019, 13:36
Aber dann müssen Sie sehen, dass das moralische Argumentation ist. Genau das was Sie ablehnen…
Ich habe nicht argumentiert, sondern beschrieben.
Deine Jugend, Stefan, ist hier keine Entschuldigung. Die Abholzung des brasilianischen Regenwaldes war schon in den Siebzigerjahren ein Aufregerthema, als der amtierende Präsident noch ein Teenager war. Bolsonaro hat das Niederbrennen des Amazonaswaldes nicht erfunden.
Seit der weltweiten Finanzkrise verliert der südamerikanische Kontinent internationales Kapital. Genau das brachte die linkspopulistischen Regierungen in Brasilia wie Buenos Aires ins Straucheln. Regierungen, die auf Korruption aufbauten, konnten das zuvor vom Ausland getriebene Wachstum nicht durch Binnenkonjunktur ersetzen. Der sozialistische Präsident Lula da Silva wie seine Nachfolgerin Dilma Rousseff versenkten nach guter Anfangsphase den wachsenden Wohlstand des Landes. So vergriffen sie sich bei der Ausrichtung internationaler Großveranstaltung wie dem Confed-Cup 2013, der Fußballweltmeisterschaft 2014 und den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro, bauten Sportstädten zu Kosten, die noch über dem nordamerikanischen Niveau lagen, dazu völlig überdimensioniert. Während der Ausbau der Infrastrukturen erst stockte und dann verfiel, schmissen die Sozialisten mit dem Geld nur so um sich.
Jair Bolsonaro ist die Konsequenz. Mit überragender Mehrheit zum Präsidenten gewählt, stützt er sich auf Arme und die desillusionierte Mittelschicht. Ich habe mit Leuten gesprochen, die in den letzten Jahren in Brasilien gearbeitet haben. Vielen Brasilianern ist der Rechtsextremismus ihres Präsidenten egal, wenn sie ihn nicht teilen. Die grassierende Korruption und die wieder anwachsende Kriminalität allerorts hat zu einer tiefsitzenden Frustration geführt.
Brasilien wie Argentinien benötigen wieder ausländisches Kapital. Damit dieses aber zurückkehrt, ist politische Stabilität vonnöten. Davon sind beide Staaten meilenweit entfernt, wenn auch in Argentinien die hauptverantwortliche Christina Kirchner wieder an die Schalthebel der Macht gewählt werden sollte.
Ob die Aufkündigung des Handelsabkommens Brasilien und dem Regenwald hilft? Interessanterweise kommen solche Forderungen ja von jenen, die gerade die Russlandsanktionen bekämpfen, weil sie die Bevölkerung treffen würden und ansonsten wenig effektiv seien. Es geht halt immer nach der Nase.
Mir ist völlig egal, warum Leute Nazis wählen. Die zahlreichen NSDAP-Wähler, die durch die konservativ-reaktionäre Austeritätspolitik alles verloren hatten, waren genauso beschissen dran. Sie wählten Nazis, weil es ihnen egal war, dass es Rechtsextremisten waren. Es ist spannend, wie in deiner Welt zwar immer problemlos klar ist, dass Linkspopulisten nur als Faulheit, Dummheit oder wegen des Wunschs nach sozialen Geschenken gewählt werden, umgekehrt aber Wähler von Rechtspopulisten bei dir immer einen Freischein kriegen. Da hast du endlos Empathie. Für die andere Seite überhaupt keine.
Wenn 48 Prozent im ersten Wahlgang jemanden zum Präsidenten wählen, der noch 24 Monate zuvor völlig unbekannt war, dann muss das einen politischen Blogger interessieren. Jeder dieser Populisten, ob sie Kirchner, Lula, Fünf-Sterne oder Tsipras hießen, hatten starke nationalistische Elemente in ihrer Politik. Isolationismus ist die Kernbotschaft von Populisten, egal ob Boris Johnson oder Jeremy Corbyn.
Dein Problem und die Deinesgleichen ist, dass Euch die Äquidistanz fehlt. Linke Populisten gut, rechte Populisten böse, obwohl sie aus dem gleichen schlechten Holz geschnitzt sind. Lula erreichte in den Umfragen, bevor er von der Justiz aus dem Rennen genommen wurde, ähnliche Werte wie der neue Präsident Bolsonaro. Das zeigt, den Brasilianern war ziemlich egal, welche Art von Populist im Palácio da Alvorado einzog. Bei Lula jubelten die Linken bis zu den Nachdenkseiten, Bolsonaro ist der Teufel in Person. Guter Populist, schlechter Populist eben.
Lula, Rousseff, Bolsonaro auf der einen, Cristina Kirchner, Mauricio Macri auf der anderen Seite: ein Populist folgt auf einen Technokraten folgt auf einen Populisten folgt auf einen Technokraten. Und all die Perons und rot lackierten Nationalisten auf der anderen Seite sind eben das: Nationalisten. Wo ist denn die Politik der Peronisten fundamental anders als die eines Bolsonaro?
Alle diese Typen führen über wenige Jahre ihr Land in den Abgrund – aber die einen werden von den Linken gemocht, die anderen nicht. Ich habe keinerlei Sympathie für eine der beiden, beide sind mir zutiefst zuwider. Und das, mein Freund, unterscheidet uns offenbar.
MIR fehlt die Äquidistanz?! Und dir nicht? Davon abgesehen schreib ich hier permanent gegen Linkspopulismus. Alter…
Falls Dir die Klarstellung fehlt: ich kann beide nicht leiden und bekämpfe sie politisch mit der gleichen Härte.
Lehnst Du den Linkspopulismus wirklich mit der gleichen Konsequenz ab wie AfD, Salvini, Orban, Bolsonaro?
Linkspopulismus, der so gefährlich ist wie die: ja, sicher. Ich hab z.B. null Sympathie für Venezuela. Aber in jedem Bereich gibt es Abstufungen. Ich lehne ja den Rechtspopulismus eines Seehofer auch nicht mit der gleichen Vehemenz ab wie den Orbans und Bolsonaros; genauso machst du sicher auch Unterschiede zwischen Maduro und Corbyn.
@ Stefan Sasse 25. August 2019, 20:03
Davon abgesehen schreib ich hier permanent gegen Linkspopulismus.
gegen?Ja? Ralf beklagt sich oft genug.
@ Stefan Sasse 27. August 2019, 20:27
Ralf beklagt sich oft genug.
Merkste selbst, oder? 🙂
Ehrlich gesagt nein.
@ Stefan Sasse
Wenn man Ralfs politischen Standpunkt spiegeln könnte, käme irgendetwas in der Mitte der AfD heraus.
Deswegen finde ich es ja etwas albern wenn du versuchst mich als Linksaußen darzustellen.
@ Stefan Sasse 29. August 2019, 11:14
Deswegen finde ich es ja etwas albern wenn du versuchst mich als Linksaußen darzustellen.
Oh, das tue ich nicht. So weit würde ich nie gehen. Ich habe Dir nur ( leicht links orientierten) Populismus unterstellt. So Kram wie die immer wieder aufpoppenden alten weißen Männer und so, Du weißt schon.
Ich bin mir unsicher, inwieweit das linkspopulistisch ist. Weil gerade Linkspopulisten das ja eher nicht machen. Aber das ist Semantik; ich weiß jetzt was du meinst.
@ Stefan Sasse 25. August 2019, 14:14
Mir ist völlig egal, warum Leute Nazis wählen.
In der Tat, ein Statement, dass auf viel jugendlichen Enthusiasmus und wenig Erfahrung schließen lässt. Mit 20 habe ich genauso überheblich und einfallslos geredet – Hauptsache die richtige Haltung, der Rest interessiert nicht.
Wie willst Du gegen Nazis argumentieren oder sie bekämpfen, wenn Du nicht verstehst, was die umtreibt?
Die zahlreichen NSDAP-Wähler, die durch die konservativ-reaktionäre Austeritätspolitik alles verloren hatten, waren genauso beschissen dran. Sie wählten Nazis, weil es ihnen egal war, dass es Rechtsextremisten waren.
Die Krisen von damals, die das Wahlvolk der damaligen Gesellschaft in Scharen in den rechten und (auch) linken Extremismus getrieben haben, hast Du scheinbar bestenfalls nachrichtlich erfasst. Viele sahen angesichts der Umstände (große persönliche Not, unübersehbare Unfähigkeit der etablierten Partein, die Probleme zu lösen) keinen anderen Weg. Der Teil der Wähler, die ihr Kreuzchen bei der NSDAP gemacht haben, um Krieg und judenvernichtung anzustreben, dürfte sehr gering gewesen sein. Damals wollte die klein- und großbürgerliche Mitte das Gleiche wie heute: einen gewissen Wohlstand und eine gewisse Ruhe. (Und ehe Du es vergisst: Hitler wurde zum Reichskanzler ernannt, nicht gewählt).
Es ist spannend, wie in deiner Welt zwar immer problemlos klar ist, dass Linkspopulisten nur als Faulheit, Dummheit oder wegen des Wunschs nach sozialen Geschenken gewählt werden, umgekehrt aber Wähler von Rechtspopulisten bei dir immer einen Freischein kriegen.
Ich kann mich nicht erinnern, dass sich Stefan P. je empathisch zu Pegida oder AfD geäußert hat. Wenn, dann eher ich (als Reaktion auf Verteufelung der Zuwanderungsgegner).
Zum Glück bin ich ja keine 20 mehr. Und ich drückte mich vielleicht ungeschickt aus – als Analyse ist das alles spannend, und ich befasse mich hier ja wei0 Gott genug damit. Nur für die Bewertung ist es egal. Wie gesagt, ich VERSTEHE die Leute völlig, aber es entschuldigt halt nicht das Wählen von Extremisten.
@ Stefan Sasse 26. August 2019, 19:00
Wie gesagt, ich VERSTEHE die Leute völlig, aber es entschuldigt halt nicht das Wählen von Extremisten.
Angenommen, ich stimme Dir zu (in der Hoffnung, dass Du den Widerspruch des obigen Satzes erkannt hast) – kannst Du mir darin folgen, dass es sich ebenfalls nicht entschuldigen lässt bzw. dass es keinen Sinn macht, ständig Politiker zu wählen, die intellektuell überfordert sind und rein egoistisch agieren, die eigene Karrieren über das Wohl des Bürgers stellen, die lügen und nur mit sich selbst beschäftigt sind, statt die herrschenden Probleme zu lösen?
Klar.
Ich würde dass so nicht unterschreiben. Das Wörtchen „ebenfalls“ impliziert ja eine Gleichheit zwischen unfähigen und egoistischen Politikern und Extremisten.
Extremisten sind aber deutlich schlimmer.
@ derwaechter 27. August 2019, 21:29
Das Wörtchen „ebenfalls“ impliziert ja eine Gleichheit zwischen unfähigen und egoistischen Politikern und Extremisten.
Dann habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt. Das Wort bezieht sich nicht auf die Gleichstellung von Extremisten und unfähigen, egoistischen Politikern, sondern auf die Gleichstellung der Sinnlosigkeit, eines der beiden Übel zu wählen.
Extremisten sind aber deutlich schlimmer.
Das denken die meisten der vielen AfD-Wähler auch. Nur dass aus deren Sicht die anderen die Extremisten sind.
„die anderen“ scheinen für viele AfDler die etablierten Parteien, Medien, Verbände, die Wissenschaft, Ausländer, die EU usw zu sein.
Alles Extremisten!
@ derwaechter 28. August 2019, 10:53
„die anderen“ scheinen für viele AfDler die etablierten Parteien, Medien, Verbände, die Wissenschaft, Ausländer, die EU usw zu sein.
Alles Extremisten!
Ja! Endlich verstanden.
Wenn man den Kern-Standpunkt der AfD – „Germany/Germans first“ – als normalen, richtigen, mittigen Standpunkt begreift (und so abstrus ist das nicht), und wenn man vermutet, dass das Gros der Deutschen auch so denkt, sind alle Befürworter oder Dulder von Einwanderung in unsere Sozialsysteme, sind alle Befürworter von EU-Ausbau etc. Extremisten.
Und die Regierungen Merkel haben alles gegeben, um diese Sicht zu fördern und zu bestätigen.
kannst Du mir darin folgen, dass es sich ebenfalls nicht entschuldigen lässt bzw. dass es keinen Sinn macht, ständig Politiker zu wählen, die intellektuell überfordert sind und rein egoistisch agieren, die eigene Karrieren über das Wohl des Bürgers stellen, die lügen und nur mit sich selbst beschäftigt sind, statt die herrschenden Probleme zu lösen?
Wie schön, dass mir der liebe Herr Gabriel dann schließlich doch noch zustimmt … 😀
@ Ralf 27. August 2019, 21:41
Wie schön, dass mir der liebe Herr Gabriel dann schließlich doch noch zustimmt …
Wie immer nichts verstanden …
Appelle helfen erwiesenermaßen nicht. Also was?
Die Antwort ist eben nicht so einfach. Spontan und gefühlsmäßig bin ich eher beim französischen Präsidenten. Aber nüchtern betrachtet hielte ich es für falsch, das Mercosur-Freihandelsabkommen mit den südamerikanischen Staaten scheitern zu lassen. Es ist nicht gesichert, dass die Lage vor Ort so eindeutig ist wie Stefan darstellt. Derzeit ist das Militär im Einsatz und hilft bei den Löscharbeiten. Das passiert sicher nicht ohne Order vom Präsidenten. Genauso gibt es derzeit große Brände in Bolivien, mit anderen Worten, es ist politisch nicht so einfach zuzuordnen.
Bolsonaro hat Militär und Polizei außerdem aufgefordert, „die Brandstifter“ festzunehmen. Das sind nach seiner Lesart die Umweltschützer.
Das sollte nicht ungewöhnlich für Politiker sein. Selbst Olaf Scholz forderte nach den Krawallen anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg, mit aller Härte die Krawallmacher zu verfolgen. Fakt ist, Brasilien ist ein Rechtsstaat, die Ahndung von Verbrechen obliegen Polizei und Richtern. Und nicht dem Präsidenten.
Das sagen Maduro und Putin sicher auch.
Wenn man spekulative Brandstiftung ernsthaft bekämpfen will, muss das kriminell „gewonnene“ Land wirtschaftlich wertlos sein. So haben es Regierungen gemacht, wenn Bauland „heiß erschlossen“ wurde.
Wäre eine Deckelung künftiger Soja-Einfuhren in die EU ein Mittel?
Der Handel ist an Personen und Organisationen geknüpft. Es lässt sich, wenn überhaupt, nur mit großem Aufwand belegen wo was produziert worden ist. In hochentwickelten Staaten mit umfangreicher Bürokratie und Kapitalausstattung wie Nordamerika und Westeuropa machen wir so etwas in Ausnahmen beim Verdacht von schweren Straftaten. Ansonsten wäre so etwas ein extrem weitreichender Eingriff nicht nur in Eigentums-, sondern auch Freiheitsrechte.
Ich denke, hier bestehen falsche Vorstellungen über die Verhältnisse in Brasilien. In Städten wie Porte Allegre oder Rio kann kaum ein Bürger ohne umfangreiche Sicherheitsmaßnahmen auf die Straße gehen. Sie müssen sich abholen lassen, Taxis nur nach Bestellung und trotzdem laufen Sie täglich Gefahr, bei vorgehaltener Waffe kurzzeitentführt zu werden. Viele der Arbeiter sind schwer kokainabhängig, das frei angebaut wird. Unter solchen Bedingungen ist es verständlich, dass viele ein liberales Waffenrecht befürworten.
Als wir vom Zentrum von Sao Paulo runter nach Santos führen, kamen wir auch an den Favelas vorbei. Dort leben Menschen in „Häusern“ oft ohne richtige (Außen-) Wände, keine Fenster, keine Türen – bitterste Armut. Ähnlich sieht es in manchen Bereichen von Buenos Aires aus, manchmal in direkter Nähe zu den Glitzerfassaden. Manchmal habe ich die Bilder vor Augen, wenn hier von „Armut“ die Rede ist.
Brasiliens Regierungen haben vor 20 Jahren begonnen, die Brutherde von Moskitos, die Malaria verbreiten, und die Favelas Stück für Stück trockenzulegen und oft unter Anwendung von Gewalt zu räumen. Aber es waren richtige Schritte. Bis zum Ende des abgelaufenen Jahrzehnts sanken Armut und Kriminalität. Ich verstehe, dass die Menschen der extrem hohen Gewalt überdrüssig sind und wählen jene, die schnelle Abhilfe versprechen. So ist Bolsonaro Präsident geworden.
Ich denke, die Deckelung von Soja-Einfuhren bei Verstoß gegen willkürliche Auflagen verstößt schon gegen die Regeln der Welthandelsorganisation WTO. Noch mehr gälte das im Rahmen eines Handelsabkommens wie mit den Mercosur-Staaten. Aber das geht weit über meine Kompetenz hinaus. Ich halte den gangbareren Weg den Beitritt den Mitgliedsstaates Brasilien von der Erfüllung bestimmter Bedingungen wie der Regenwaldfläche abhängig zu machen. Die brasilianische Regierung müsste sich verpflichten, bestimmte Grenzen einzuhalten. Aber das ist sehr komplex und ich bin damit bei weitem überfordert.
„Armut“ ist immer relativ, sonst hat der Begriff ja überhaupt keine normative Wirkung. Aber sonst danke für den Kontext.
Sicher, so meinte ich es nicht. Aber der Kontakt mit solchen Verhältnissen macht demütig. Was ich noch ergänzen wollte: die Fahrt runter von Sao Paulo nach Santos durch den Regenwald bietet ein phantastisches Panorama. Der Gedanke, dass dieser Wald abgebrannt wird, schmerzt und macht unendlich traurig.
Ja, ich war nur verwirrt, weil ich mir ziemlich sicher war, dass Bolsonaro eher knapp gewonnen hatte als überwältigend. Aber in der Relation ist es natürlich deutlich genug.
Ich habe leider nur sehr wenige First-Hand Erlebnisse anderer Länder, und keine außerhalb Europas. 🙁
Du bist noch sehr jung. Ich war mit Ende 20 das erste Mal in den USA und vor einigen Jahren erstmalig in Südamerika. Allerdings hatte ich schon vor 10 Jahren einen Partner, der mit einer Brasilianerin verheiratet war und länger in Rio gelebt hat. Tipp: Brasilianerinnen sind heißblütig aber oft auch sehr…. schwierig.
Ich bin schon verheiratet, da bin ich sicher.
Ich habe das Gefühl du schätzt mich jünger als ich bin 😀
Ich meinte nicht die sexuelle Anziehungskraft und Leidenschaft.
Meiner Kenntnis nach bist Du 32 oder 33. Damit bist Du – gemessen am Durchschnittsalter des Landes – noch immer enorm jung. Und gemessen daran, dass die meisten Leute erst so mit 30 wirklich erwachsen werden, hast Du gerade die Adoleszenz hinter Dir gelassen. 😉
35. *Kusshand*
Mit überragender Mehrheit zum Präsidenten gewählt…
Sie sollten sich besser informieren. Bolsonaro wurde durch das Zusammenspiel einer rechtsradikal unterwanderter, korrupter Justiz an die Regierung geputscht (Stichwort Moro).
Bolsonaro wurde mit 48% im ersten Wahlgang gewählt, ähnlich wie Lula Anfang des Jahrtausends. Ob ihm dabei Marsmännchen zu Hilfe gekommen sind, ist so lange unerheblich, so lange sie nicht in die Wahlurnen gegriffen haben.
„Überragende Mehrheit“.
Macron erreichte im ersten Wahlgang 24%, also gerade die Hälfte. Donald Trump kam 2016 unter den leichteren Bedingungen des Mehrheitswahlrechts auf 46%, selbst Gegenkandidatin schaffte gerade 48%.
Amtsvorgängerin Rousseff erhielt im ersten Wahlgang 41% trotz der Unterstützung des beliebten Lula. Also, ja, bei den Vergleichen ist das ein absolut herausragendes Ergebnis. Mehrheit kann übrigens auch relativ sein.
In dem Fall sag lieber „überwältigend gutes Ergebnis“ oder so was. Eine „überwältigende Mehrheit“ sollte schon eher im Bereich von 2/3 liegen als unter 50%. Das Ergebnis Bolsonaros ist ja nicht mal eine Mehrheit, sondern eine Pluralität. Aber egal, ist eh nur Semantik ^^
Jair Bolsonaro ist die Konsequenz.
Nach Dilma Rousseff kam der korrupte Temer und dann Bolsonaro. Die Entfernung aus ihrem Amt, war nicht das Ergebnis einer Wahl, sondern Anschuldigungen, die von einer korrupten Justiz zusammengezogen wurden. Lula wurde, obwohl er nicht geringe Chancen hatte gewählt zu werden, durch jetzt aufgeflogen Machenschaften einer korrupten Justiz mit Bundesrichter Moro an der Spitze. Also, von Konsequenz reden, kann man nur, wenn man wesentliche Fakten außer Acht lässt.
Die Abholzung war früher ein grosses Problem und ist es heute auch. Und wenn er die Lage noch deutlich schlechter macht ist das sehr schlimm. Egal wer es „erfunden“ hat. Das ist doch kein Argument.
„Jair Bolsonaro ist die Konsequenz. Mit überragender Mehrheit zum Präsidenten gewählt, stützt er sich auf Arme und die desillusionierte Mittelschicht. Ich habe mit Leuten gesprochen, die in den letzten Jahren in Brasilien gearbeitet haben. Vielen Brasilianern ist der Rechtsextremismus ihres Präsidenten egal, wenn sie ihn nicht teilen. Die grassierende Korruption und die wieder anwachsende Kriminalität allerorts hat zu einer tiefsitzenden Frustration geführt.“
Das mag stimmen. Nur macht weder er (noch die Trumps, Orbans usw. dieser Welt) es besser. Die Leute die ernsthafte Probleme mit und Hoffnung auf Besserung haben werden verarscht, einige Zyniker machen persönlich Profit und der Kollateralschaden für Minderheiten, die Umwelt usw. ist immens.
Eben. Vor allem: frühere brasilianische Regierungen haben im Schutz des Waldes große Fortschritte gemacht. Bolsonaros explizite Botschaft war, diese Fortschritte zurückzudrehen und AKTIV den Wald zu vernichten. Das ist wie die AfD, wo die Leute am liebsten persönlich jedes Windrad in Deutschland umlegen würden.
Wirklich? Marina Silva, eine bekannte Ökoaktivistin, hat sich früh gegen Lula gestellt. In der nordamerikanischen und europäischen Presse wurd die Partido dos Trabalhadores Phase lange äußerst rosarot gepinselt. Bolsonaro war dann aber ein Schritt in die falsche Richtung.
Wenn du von „wir zerstören den kompletten Regenwald“ abweichst, sind große Fortschritte fast unausweichlich.
Stefan,
Frau Silva wird ihre Gründe für ihr Ausscheiden aus der Regierung gehabt haben. Bereits vor Lula gab es Schutzprogramme und während seiner Regierung wurde Regenwald vernichtet. Unter den politisch interessierten in Europa existiert eine Neigung links-von-der-mitte Politikern zu stark zu vertrauen.
Ich hab allerdings auch nicht viel Ahnung von brasilianischer Politik. Ich denk aber jetzt, dass der Amazonas das wichtigste Thema lateinamerikanischer Politik der nächsten 50 Jahre ist. Vielleicht werden sich dort früher als anderswo dramatische Änderungen des Klimas zeigen. Werd mir da mal ein schlaues Buch suchen.
Ergänzung: Marina Silva war in Lulas Regierung Umweltministerin und hat sich nach 6 Jahren abgewandt gewandt. Jetzt stellt ihre Partei (Rete) u.a den Gouverneur in einer der betroffenen Provinzen: Mato Grosso.
@ Stefan Sasse 25. August 2019, 18:05
Bolsonaros explizite Botschaft war, diese Fortschritte zurückzudrehen und AKTIV den Wald zu vernichten. Das ist wie die AfD, wo die Leute am liebsten persönlich jedes Windrad in Deutschland umlegen würden.
Sind wir wieder dabei,
gegenLinkspopulismus zu schreiben?🙂
Bellen getroffene Hunde wieder? ^^
@ Stefan Sasse 25. August 2019, 18:05
[Sind wir wieder dabei, gegen Linkspopulismus zu schreiben?]
Bellen getroffene Hunde wieder? ^^
Verdammt – genau das wollte ich auch gerade schreiben.
Aber ja, Du hast natürlich recht. Immer wenn ich von links ein Bellen höre, muss ich einfallen.
Ceterum censeo AfD esse delendam 🙂
Dulce et decorum est AfD mori.
Oder so. 🙂
In den Favelas schiesst die Polizei mehr oder weniger auf alles was sich verdächtig bewegt. (vgl. ARD Weltspiegel vom 05.04.2019). Darüber hinaus hat die Gewalt der Polizei deutlich zugenommen und die Aufarbeitung durch die Behörden verläuft schleppend, bzw. wird gezielt durch Regierungsstellen behindert. Die Regierung nimmt immer mehr Einfluss auf die Gerichte und die Rechtssprechung – Brasilien ist nur noch auf dem Papier ein Rechtsstaat und mit jedem Tag werden die Institutionen durch Bolsonaro und sein Kabinett geschwächt.
Brasilien war sicherlich nie ein Vorkämpfer beim Klimaschutz, aber die aktuelle Regierung scheint jegliche Hemmungen fallen zu lassen. Das Bolssonaro jetzt das Militär schickt um beim Feuer löschen zu helfen, ist letztlich nur deswegen geschehen, da das Ausmaß der Brände solche Dimensionen erreicht hat, dass es nicht mehr kleingeredet werden kann.
In meinen Augen verhält sich die Bundesregierung viel zu passiv uns sollte die irische und französische Position unterstützen, statt abzuwarten.
Die systematische Räumung der Favelas war in den Nullerjahren eine wichtige Voraussetzung zur Bekämpfung der weitreichenden Kriminalität. Ich war 2016 in Sao Paulo. Im Innenstadtbereich kann man sich gut und sicher bewegen, dank hoher Polizeipräsenz, die sich allerdings unauffällig verhält.
Rechtsstaat und Menschenrechte zählen immer nur, wenn es dich betrifft, oder?
Das ist übrigens der Scheidepunkt zwischen reaktionär und konservativ.
So einfach ist das nicht.
Die Polizei meidet dann diese Viertel. Ich wurde anlässlich einer Grill-Feier in einer mir wohlbekannten chilenischen Kleinstadt bei einer Frau (Freundin von Freunden), die da ihr ganzes Leben da gelebt hat, bei den harten Jungs angemeldet, damit kein Scheiß passiert: Riesen-Gringo mit Brille und angegrauten Haaren.
Mit der Zeit bilden sich Verbindungen zwischen Politikern und den lokalen Narcos. Solche „Let it be“ Strukturen sind brandgefährlich. Letztens soll es dort anlässlich des Todes der Mutter eines Narcos, der es nach Santiago geschafft hat, einen Umzug gegeben haben, die von den Leuten, die sich an Recht und Gesetz halten, als eine Machtdemonstration empfunden wurde.
Ich glaub aber nicht, dass Bolsonaro dieses Problem wirklich in den Griff bekommt. In Kolumbien waren es rechte UND linke Bürgermeister, die ihre Städte erfolgreich gewaltmäßig de-eskalierten. Die hatten aber komplexe, vielschichtige Konzepte, die ich Bolsonaro nicht zutraue.
Doch. Das staatliche Handeln ist an menschenrechtliche und rechtsstaatliche Grundsätzen gebunden. Wenn Menschen ersaufen, müssen sie gerettet werden, wenn es Problemviertel gibt, dürfen sie nicht einfach weggekärchert werden. So einfach ist das.
Sie haben kein Wort von dem Kommentar verstanden.
Die EU sollte Bolsonaro und der brasilianischen Agrarlobby mit aller Härte begegnen.
Agrarimporte aus Brasilien lieber heute als morgen boykottieren. Eine andere Sprache versteht der nicht. Diese Brandstiftung hat kurzfristig noch stärker e Auswirkungen auf die Ökosysteme Nord-Chiles, Paraguays und Argentiniens bis Region La Pampa. Nur werden die sich aus verschiedenen Gründen nicht äußern.
Ich hab nun wirklich kein Herz für 95 Prozent der lateinamerikanischen Linken, aber Bolsonaro halte ich für auf eine sehr lateinamerikanische Art für brandgefährlich.
Ich halte die Partido de Trabalhadores Regierungen seit Lukas zweiter Amtszeit für schlecht, aber deswegen so jemanden wie Bolsonaro zum Präsidenten zu wählen ist im Hinblick auf ein Verantwortungsbewusstsein nur noch Kindergarten.
Die gute Nachricht: Ähnlich wie Pinochet wird die brasilianische Regierung viel stärker auf Sanktionen reagieren als die venezolanische Regierung.
Zur Lage in Argentinien: Cristina Fernández de Kirchner ist nur Vizepräsidentin, im Peronismus ist vieles möglich, aber einer ist da immer der Babu und der zukünftige Präsident ist kein Schwächling. Macris gradualismo Kurs hat völlig versagt. Also regiert wie meistens ein Peronist.
Möglich, dass in Uruguay Ende Oktober eine mitte rechts Regierung gewinnt. Der Machtwechsel wird respektvoll und ohne Chaos vollzogen. Ich bin an der Atlantikküste emotional klar mit diesem 3 Millionen Volk. In deren Polit-Radio wird über Vorfälle in den beiden großen Nachbarländern Klartext geredet. Mir dient das als Orientierungshilfe.
Sie haben recht. Uruguay ist tatsächlich ein positives Beispiel für Demokratie, sozialen Frieden, (mangelnde) Korruption und breite wirtschaftliche Partizipation.
Gut, wenn man in einer Debatte auch mal erwähnt, wie (und wo) die DInge so funktionieren, wie sie sollen.
So sehr ich mit dir d’accord gehe, was Bolsonaros zerstörerischen Charakter betrifft und so interessant es wäre, auch mal bei einem rechten, aber prowestlichen Regime die Feindmaßnahmen ( Wirtschaftssanktionen, logistische und finanzielle Unterstützung der Opposition etc.) zu sehen, möchte ich dennoch zu Bedenken geben, dass diese Art verheerender Brände, die vermutlich wirtschaftlich motiviert sind, in vergleichbarem Maß auch in Angola, Kongo, Indonesien, Nordaustralien oder auch Kalifornien oder Spanien vorkommen, also unter den unterschiedlichsten politischen Systemen. Das Problem ist weniger die Politik als vielmehr die Gewinne.
Bezweifle ich gar nicht. Aber Brasilien sticht halt hervor.
Nachtrag: Warum springst du eigentlich auf den rechten Greta-Hype mit auf, jedes Umweltthema erstmal ad hominem auf die eine Person zu beziehen.
Weil die Mobilisierungsmechanismen so spannend sind.
Ist whataboutism. Solche Vergleiche hinken in aller Regel.
Bolsonaro scheint halt mit den schwarzen Schaafen im Agro politisch eng verbunden. Politisch heißt in Brasilien immer auch finanziell. Mit seinen Äußerungen am Anfang gegenüber unseren EU-Politikern versuchte er das Thema Brasiliens Verantwortung für das Regional- und Weltklima ins lächerliche zu ziehen. Mittlerweile ist ja das Militär eingeschaltet. Wie Pinochet und anders als Maduro reagiert er auf Drohungen. Die EU sollte am Ball bleiben. In Lateinamerika haben in dem wichtigen Thema die ökologisch bewussten Kräfte nicht genug Macht.
Das sollte nicht der Sinn meines Beitrags sein. Mir geht es vielmehr um ein Anreizsystem in der Weltwirtschaft, das nicht das Zerstören der Lebensgrundlagen belohnt, unabhängig davon, auf welchem Kontinent sie stattfindet.
Lieber Herr Sasse, woher haben Sie diese Fakten, und wie haben Sie sichergestellt, daß es Fakten sind ?
Welche?