Der GroKo-Irrtum

Einer der sich in der Polit-Folklore am beharrlichsten haltenden Irrtümer ist der, dass die aktuelle Schwäche der SPD ihrer Regierung als Juniorpartner der CDU entspränge. Dabei werden Merkel gerne, getreulich der Green-Lantern-Theorie, magische Kräfte in der völligen Zerstörung ihrer Koalitionspartner zugesprochen. Und es scheint zu stimmen. Die SPD verlor über 10%, nachdem sie mit Merkel in der Koalition war. Der FDP erging es nicht besser. Und nun bekommt die SPD wieder kein Bein auf den Boden. Die Lösung, so hört man stets, müsse darin bestehen, in die Opposition zu gehen, um Merkel „glaubhaft“ angreifen zu können. Das ist aber völliger Humbug. Eine Neuauflage der Großen Koalition 2017 bedeutet nicht die elektorale Niederlage 2021, und die Oppositionsrolle 2017 bedeutet nicht ein leichtes Überspringen der 30%-Prozent-Marke vier Jahre später. Es ist mir absolut unklar, wie Proponenten dieses hübschen Narrativs das direkt vor ihrer Nase liegende Gegenbeweisstück ignorieren: die SPD war von 2009 bis 2013 in der Opposition gegen Schwarz-Gelb, den Erzfeind. Und 2013 ist nicht gerade als das Jahr der großen Wiederauferstehung der SPD bekannt.

Nicht das grundsätzliche Problem.

Das liegt daran, dass Merkels zugegeben erfolgreiche Strategie der asymmetrischen Mobilisierung halt auch immer auf Gegner traf, die ihr menschenmöglichstes gegeben haben diese Strategie durch eigene Unzulänglichkeiten zu verstärken. Ich habe schon öfter gesagt dass die SPD, ohne an ihrer Politik auch nur das Geringste zu ändern, mit einem guten Wahlkampf problemlos mehr als 5% zusätzlich holen könnte. Auch der völlige Absturz der FDP 2013 lag sicher nicht an einem Wedeln von Merkels politischem Zauberstab, sondern an hausgemachten Problemen (und der AfD (eine rechtsextreme, in Teilen antisemitische und fremdenfeindliche Partei)). Sich einer Großen Koalition zu verweigern ist daher kein Garant eines Wiederaufstiegs für die SPD. Ich möchte damit nicht sagen, dass es ihre beste Option darstellt. Nur dass die schlafwandlerische Sicherheit, mit der viele Beobachter die Notwendigkeit erklären, in die Opposition zu gehen, keine Basis hat. Denn auch für einen erfolgreichen Wahlkampf aus der Großen Koalition heraus gibt es eine Blaupause: den Wahlkampf 1969.

Natürlich waren das andere Zeiten. Deutschland war in einem Drei-Parteien-System, und die Unterschiede zwischen SPD und CDU waren größer als heute. Nur, mit Ostpolitik-Folklore erklärt man den Sieg 1969 (und folgend 1972) nicht. Stattdessen muss man sich drei Faktoren ansehen, die sich 1969 fundamental von heute unterscheiden und die tatsächlich in der Veränderungsmacht der SPD liegen (die Grünen und LINKE können sie sich zwar wegwünschen, aber die sind Realität und bleiben).

Nicht mal auf den Kanzler kam es an.

Faktor 1: Eine klare Wechselperspektive.

Die Wahl Heinemanns zum Bundespräsidenten im Frühsommer 1969, die dieser mit den berühmten Worten vom „ein Stück Machtwechsel“ kommentierte, erfolgte mit den Stimmen von SPD und FDP gegen die CDU. Und das, obwohl die SPD da in einer Koalition mit der CDU war! Man stelle sich das mal vor. Die Leitartikler von ZEIT bis FAZ würden heute von den Weimarer Verhältnissen orakeln, würde sich die SPD das trauen. Die Vorstellung aber, man könne nicht gegen den Koalitionspartner stimmen wenn es um Faktoren geht, die der Koalitionsvertrag nicht abdeckt, ist eine Erfindung Merkels. Selbstverständlich geht das. Dass jeder bis in die Führungsetage der SPD der Überzeugung ist, das gehe nicht, zeigt Merkels gewaltiges politisches Talent.

Die Bundespräsidentenwahl zeigte den Bürgern dadurch die Alternative auf: entweder CDU-Alleinherrschaft, oder Rot-Gelb. Mit einer hauchdünnen Mehrheit entschied sich die Republik dagegen, dem glücklos agierenden Kurt-Georg Kiesinger eine absolute Mehrheit zu geben (und, nebenbei bemerkt, hielt sie auch die Nazis aus dem Parlament; die NPD (eine rechtsextreme, aber gesellschaftlich irrelevante Partei) verpasste die 5%-Hürde ähnlich knapp wie die AfD (eine rechtsextreme, in Teilen antisemitische und fremdenfeindliche Partei) 2013). Wenn die SPD also 2021 eine Chance haben will, muss sie die Zeit der GroKo nutzen, um in der Zwischenzeit die Wechselperspektive aufzubauen. Nach aktuellem Stand der Dinge kann das nur Rot-Rot-Grün sein, wie mein Kollege Stefan Pietsch auch darlegte. Und dafür ist es auch Zeit. Dass die SPD sich so lange am Nasenring hat durch die „Niemand darf mit der LINKEn im Bund koaliieren“-Manege hat ziehen lassen grenzt an Amtsmissbrauch. Nur, wie bereitet man aus der eigenen Koalition heraus den Wechsel vor? Wie verkauft man den Wählern, dass die Koalition, die man eingegangen ist, eigentlich doof ist?

Faktor 2: Ein klares Projekt.

Die Große Koalition 1969 hatte ein klares Projekt. Beide Parteien waren sich einig, dass es Verfassungsreformen brauchte (die berühmten Notstandsgesetze; debattiert wurde außerdem über den Umstieg zum Mehrheitswahlrecht). Sie wollten zudem das Chaos einer CDU-Minderheitenregierung verhindern, nachdem die FDP 1966 die Koalition mit der CDU hatte platzen lassen. Das setzt einen natürlichen Endpunkt: das Auslaufen der Legislaturperiode 1969. Zudem stand den beiden Volksparteien die erste Rezession der Nachkriegszeit ins Haus. Gemessen an heutigen Zahlen war sie ein Witz, aber damals verunsicherte sie die Leute zutiefst. Beide Parteien taten sich zusammen, diese Großprobleme zu lösen, ohne dabei so zu tun, als ob sie Freunde wären. Für die SPD war dies die erste Regierungserfahrung seit 1930. Das ist kein Problem, das die SPD heute hat.

Was also ist die Lehre daraus? Die SPD muss irgendein Problem zum Ultra-Problem aller Probleme aufbauschen, das nur und ausschließlich in einer Großen Koalition gelöst werden kann, und sich heldenhaft in die Bresche werfen, durch die das Chaos einer Minderheitenregierung Merkel, die von Jens Spahn und der AfD (eine rechtsextreme, in Teilen antisemitische und fremdenfeindliche Partei) getrieben wird, die Republik zu ersäufen droht (oder was auch immer, die Story lässt sich ja ausfeilen). Angesichts des aktuellen SPD-Kanzlers böte sich an, dass man die gemeinsame Lösung der Flüchtlingsproblematik auf europäischer Ebene hernimmt, oder irgendwelche anderen EU-Mammutreformen (etwa den Umgang mit Brexit und Macron, zur genauen Bestimmung müssen die Politikexperten und Meinungsforscher ran). Damit hat die Koalition gleich ein Enddatum und einen fest umrissenen Auftrag. Und das hat den Vorteil, dass viele andere Gebiete aus dem GroKo-Konsens ausgeklammert werden, womit wir bei Faktor 3 wären.

Archetyp der gute Streits losbricht

Faktor 3: Ein klarer Streit.

Die SPD muss in den Koalitionsverhandlungen zwei oder drei Themen, die 2021 im Wahlkampf relevant sein werden, bewusst ausklammern. Die Idee, dass man sämtliche Super-Reformen von Merkel unterzeichnen lässt, war nicht gerade die beste, die man im Willy-Brandt-Haus je hatte. Diese Themen (oder etwas anderes, besseres, das sich zufällig ergibt) bauscht man dann 2020-2021 zu einem ungeheuren Streit auf. Denn auch die Idee, dass man in einer Koalition immer einen Konsens finden und den dann rückhaltlos unterstützen muss, ist von Merkel. Wenn Probleme vom Koalitionsvertrag nicht abgedeckt werden, dann kann man sich herzhaft streiten und ihre Lösung einfach blockieren (sofern nicht gerade das Schicksal der Republik dranhängt, dann bitte die übliche staatsmännische Pose auspacken).

Und dieser Streit dient dann im Wahlkampf. 1969 war dies der Streit um die Außenpolitik (da kommt die berühmte Ostpolitik), mit der man die FDP ins Boot holte, und der völlig künstlich vom Zaun gebrochene Streit um die D-Mark-Aufwertung, der die eigene Basis mobilisierte. Nicht, dass sich jemand an den arkanen Fragen der Währungspolitik entzündet hätte. Aber die SPD konnte damals noch Wahlkampf und nutzt eine Öffnung, die ihr der Koalitionsvertrag bot, und verband wild alle möglichen innenpolitischen Reformen damit. Der Effekt war, dass zwei klar gegensätzliche wirtschaftspolitische Dimensionen aufeinanderprallten und kommuniziert wurden.

Damit ist explizit nicht gemeint, die Politik in eine reine Show-Veranstaltung zu verwandeln. Aber in der Demokratie gehört das Kommunizieren von Politik zum Kerngeschäft, und dazu gehört eben auch Show, der inszenierte Konflikt, der Unterschiede und Visionen begreiflich macht. Daher ist der Ratschlag „rede mal mehr über soziale Gerechtigkeit, Martin“ auch nicht gerade hilfreich, wie dieses Jahr deutlich gezeigt haben sollte. Jede Partei braucht ein Wahlkampfthema. Wenn dein Wahlkampfthema „Soziale Gerechtigkeit“ ist, dann findest du jetzt irgendeinen Konflikt – und den bauschst du auf. Es ist völlig egal, was das ist. Weil es thematisch in das Zentrum des Wahlkampfs passt. Das kann dann zum Beispiel die Frage sein, ob Leiharbeiter 90% oder 100% vom Normalgehalt kriegen. Normalerweise würdest du dich bei so was in der Koalition zu irgendeinem Kompromiss einigen. Stattdessen bauschst du es auf und generierst daraus parlamentarischen Konflikt. Im Interview wirst du dann gefragt, warum du keinen Kompromiss willst und nutzt das als Sprungbrett, um über Soziale Gerechtigkeit zu sprechen. Das ist eigentlich Wahlkampf 101, und dass die SPD unfähig ist das zu machen spricht Bände.

Wenn die SPD diese drei Punkte beherzigt und sich ansonsten an meinen 8-Punkte-Plan hält, sehe ich nicht, warum eine weitere Große Koalition ihre Chancen 2021 wesentlich schmälern sollte. Es könnte sogar ein Bonus sein, weil renitente Minister viel eher in den Nachrichten landen als renitente Oppositionsführer. Die schreien aus Gewohnheit. Aber Streit in der Regierung, das ist sexy. Wie schon Augstein geschrieben hat: brave Jungs kommen nicht ins Kanzleramt.

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  • Ralf 4. September 2017, 21:55

    Nur dass die schlafwandlerische Sicherheit, mit der viele Beobachter die Notwendigkeit erklären, in die Opposition zu gehen, keine Basis hat.

    Ich denke Du verwechselst da eine notwendige mit einer hinreichenden Bedingung. Die Diskussion hatten wir ja zuvor schon mal gehabt. Die Grosse Koalition zu verlassen, ist fuer sich alleine genommen mit Sicherheit nicht hinreichend, um einen Wahlsieg zu erzwingen. Der Ausstieg aus der Grossen Koalition koennte aber durchaus ein notwendiges Element sein, um einen Wiederaufstieg zu ermoeglichen und es gibt gute Gruende anzunehmen, dass das auch der Fall ist. Um das ganze nicht nochmal aufschreiben zu muessen, siehe hier:

    http://www.deliberationdaily.de/2017/08/die-wichtigste-bundestagswahl-seit-2005/

    Dort hatte ich uebrigens auch dargelegt, weshalb ich das Jahr 1969 fuer sehr wenig vergleichbar halte mit der heutigen Zeit, weshalb die Bundestagswahl damals auch nicht wirklich als Blaupause fuer heute dienen kann.

    Die SPD muss irgendein Problem zum Ultra-Problem aller Probleme aufbauschen […] Diese Themen (oder etwas anderes, besseres, das sich zufällig ergibt) bauscht man dann 2020-2021 zu einem ungeheuren Streit auf.

    Hmmm … also das ist jetzt schon das zweite Mal, dass Du sowas schreibst und ich wundere mich langsam ueber Dein Politikverstaendnis. Gibt es Deiner Meinung nach eigentlich noch irgendwo echte Probleme? Ist Politik alles nur Schau? Weshalb empfiehlst Du nicht, dass sich die SPD ein wirkliches Problem schnappt, eines das man nicht erst aufbauschen muss, um den Waehler dahingehend zu taeuschen, dass dieser faelschlicherweise annimmt, es sei politisch wichtig sein Kreuz bei den Sozialdemokraten zu machen? Dieses Aufbauschen von irrelevanten Themen haben wir gerade in der TV-Debatte gesehen. Statt ueber den Klimawandel wurde ueber die Automaut von 2013 gesprochen. Statt ueber Bildungspolitik wurde darueber gesprochen, wer wann das letzte Mal in der Kirche war. Statt ueber den Euro, ueber das europaeische Parlament, ueber die weitere EU-Integration oder den Brexit wurde eine Stunde lang ueber Fluechtlinge geredet. Ich denke die Waehler wuerden sich zur Abwechslung mal wieder ueber jemanden freuen, der ehrlich und wahrhaftig ist. Jemand der nicht nur auswendig gelernte Phrasen drischt. Jemand der sich den Problemen stellt, auch dann wenn’s unangenehm ist. Jemand der sich traut Stellung zu beziehen. Jemand der glaubhaft machen kann, dass es ihm ein tiefes Anliegen ist, die wirklich schwierigen Probleme des Landes zu loesen. Und glaub mir, die gibt es! Reine Werbefiguren, die irgendwelche Problemchen zu Riesenelefanten aufblasen, haben wir weiss Gott genug. Unsere Talkrunden im Abendfernsehen sind voll davon. Das letzte was die SPD braucht ist noch weniger Glaubwuerdigkeit und ich hab das Gefuehl, Deine Empfehlung zielt exakt in diese Richtung. Und damit in die Einstelligkeit.

  • Jens 4. September 2017, 22:45

    Hmm. Der Analyse kann ich nur teilweise zustimmen. Die SPD hat in meinen Augen schlicht und ergreifend eine großen Teil ihrer Stammwähler vergrätzt. Bezeichnenderweise wählen gewerkschaftlich organisierte Wähler überproportional oft die Linkspartei. Die Folge der Abspaltung der WASAG wegen Hartz4.

    Die SPD hat von 2005 auf 2009 ca. 10% ihrer Stammwähler verloren und bis heute nicht zurückgewonnen. Nach 2005 trat Hartz4 in Kraft. Zwischen 2005 und 2008 sanken die Löhne der unteren Einkommenschichten, außerdem dürfte sie viele ehemalige ALG2 Empfänger vergrätzt haben. Sie hat die meisten Wähler an die Nichtwähler verloren. Die Wahlbeteiligung sank um absolut 7%. Die Wahl darauf ging sie nicht mehr nach oben. Viele ehemalige SPD Wähler wählen gar nicht mehr oder sind zur Linkspartei gegangen. Von 2005 auf 2009 hat die SPD ca. 1.2 Mio Wähler an die Nichtwähler verloren und bei der letzten Wahl nur knapp 400.000 von den Nichtwählern zurückgewonnen.

    In dieser großen Koalition hat die SPD wieder viele ihrer Stammwähler enttäuscht bei:

    Ceta, TTIP, Autobahnprivatisierung, Leiharbeit nur mit gleicher Bezahlung, Reduktion der Werksverträge, Rücknahme KAPOVAZ.

    Die Vorstellung aber, man könne nicht gegen den Koalitionspartner stimmen wenn es um Faktoren geht, die der Koalitionsvertrag nicht abdeckt, ist eine Erfindung Merkels. Selbstverständlich geht das.

    Hier stimme ich vollkommen zu!

    Dass jeder bis in die Führungsetage der SPD der Überzeugung ist, das gehe nicht, zeigt Merkels gewaltiges politisches Talent.

    Hier würde ich eher sagen, das zeigt die komplette Unfähigkeit von Gabriel und seinen Vasallen. Das Thema Autobahngebühr ist hier ein Paradebeispiel. Im Koalitionsvertrag stand drin, dass sie keinen Bürger mehr kosten darf, Europrechtskonform sein soll und substanziell finanziell etwas einbringt. Gerade mal die Europarechtskonformität wurde irgendwie hingebogen. Die zwei anderen Gründe sind mindestens dirkussionswürdig, bzw. nicht erfüllt.

    Aber Gabriel segnet das ab und Schulz wimmert dann im „Duell“ rum, dass Merkel ihr Wort gebrochen hat.

    Ceta hat Gabriel gegen alle Anfeindungen verteidigt als wäre es sein Steckenpferd und dabei seine eigenen roten Linien überschritten (Schiedsgerichte). Merkel blieb schön im Hintergrund und Gabriel bekam ständig auf die Fresse (bildlich gesprochen). Wieder einmal macht die SPD Politik für Leute von denen Sie nie gewählt wird.

    Irgendwie glaubwürdig sollt sie schon rüber kommen, wenn Schulz über soziale Gerechtigkeit sprechen will. Blöd nur, dass er Leiharbeit ohne equal pay nicht verbieten will und Nahles und Gabriel im Kabinett auch nur Muttis Politik umsetzen. So ist das halt ein völliger Rohrkrepierer.

    Ich sehe und lese recht viel Satire und politisches Kabarett. Da waren die Zuschauer mal überwiegend SPD Wähler. Dort kriegt die SPD aber inzwischen mehr auf die Fresse als die CDU.

    Gewerkschaftlich organisierte Freunde lassen kein gutes Haar an der SPD.

    Wenn die SPD ihr massives Glaubwürdigkeitsproblem nicht in den Griff kriegt, wird ihr 3 Stufen Plan, Herr Sasse, auch nur Gelächter bei den Wählern auslösen, oder Gleichgültigkeit (=Nichtwähler).

    MFG Jens

    • Stefan Sasse 5. September 2017, 11:21

      Die Glaubwürdigkeitsproblematik bekommt man aber nicht ohne ein öffentliches Profil hin, und das muss man inszenieren.

      • Jens 5. September 2017, 13:04

        Stimmt!

  • CitizenK 5. September 2017, 08:01

    @ Jens
    So sehe ich das auch. Das schwerste ist Glaubwürdigkeit .
    Wie schon Eppler sagte. Und das wichtigste. Schon der Begriff „aufbauschen zeigt in die falsche Richtung, Stefan.

  • Logos 5. September 2017, 10:10

    Ich kann Jens und Ralfs Kommentaren vollständig und infolge dessen ihrem Artikel nur sehr begrenzt zustimmen. Beide haben berechtigte und vor allem treffende Kritik vorgebracht.

    Letztendlich lässt sich das auf einen Nenner bringen:
    SPD hat ihre richtigen, wichtigen und mehr denn je nötigen ehemaligen sozialen Ziele und Werte verraten.

    Dass die Erkenntnis
    “Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!“
    bis heute rezitiert wird, ist doch der traurigen Tatsache geschuldet, dass sie nichts an Gültigkeit verloren hat.

    Es hatte mal jemand gesagt, die SPD (die sog. „Führungsriege“ nicht die Basis) stünde unter dem inneren Zwang, stets aufs Neue beweisen zu müssen, dass sich mit ihr regieren ließe. Infolge dessen stimmt sie auch dem allerletzten Mist zu – selbst wenn das Verrat an den eigenen ehemaligen Werten bedeutet.
    In Kombination mit der neoliberalen Durchseuchung, die auch vor der SPD-„Führung“ nicht halt gemacht hat, kann das praktisch den gesamten Verfall (sowohl in der Wählergunst wie auch den eigenen ehemaligen Zielen – wobei letzteres Erstgenanntes bedingt) der letzten Jahrzehnte erklären.

    Dem entsprechend sieht ein zielführender Stufenplan ganz anders aus:

    1) Konsequente und tatsächliche Lossagung und Verurteilung aller neoliberalen Forderungen und Dogmen

    2) Rückbesinnung auch ehemalige echte sozialdemokratische Werte: mehr soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit – aber nicht als Wahlkampffloskel von Typen vom Schlage eines Schulz, Gabriel und Konsorten. Sondern tatsächlich. So wie Corbyn.

    3) Selbstvertrauen und Standhaftigkeit, diese Zeile gegen alle neoliberalen Anfeindungen zu vertreten und dann NICHT einzuknicken! Nein zu sagen und sich de facto neoliberalen Anliegen zu verweigern. Sich als DER Widerstand gegen eine asoziale neoliberale Umverteilung von unten nach oben zu beweisen.

    Zusatzpunkt:
    [4) Offenheit, mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten, Koalitionen zu bilden und evtl. sogar eine Fusion anzustreben]

    Aber das alles sind Punkte, von denen [nicht nur] die SPD-Führung Lichtjahre entfernt ist.

  • R.A. 5. September 2017, 11:02

    Hier scheinen mir einige merkwürdige Vorstellungen über die ehemaligen Stammwähler der SPD zu existieren.

    Die SPD hat ihre guten Wahlergebnisse von früher NICHT Sozialhilfeempfängern (heute HartzIV) zu verdanken. Sowohl diese wie auch prekär Beschäftigte stellen einen relativ kleinen Teil der Wählerschaft.
    Nur eine kleine Minderheit (die aber sehr lautstark agiert) ist wegen angeblich zu wenig sozialer Politik zu den „Linken“ übergelaufen.

    Nur mal zur Erinnerung: 1998 lag die SPD noch über 40%. Seitdem hat sie 15% verloren – davon sind gerade mal 2% bei den „Linken“ gelandet (und weitere 2% bei den Grünen).

    Die SPD hat ja auch in der aktuellen GroKo eine Menge „sozialer“ Punkte durchgesetzt (Mindestlohn, Mietpreisbremse) – hat aber keinen wirklich interessiert.

    Im Gegenteil: Die SPD hat massiv Wähler verloren (vor allem in Richtung CDU und AfD), weil sie zuviel „linke“ und auch „grüne“ Politik gemacht hat. Weil der typische SPD-Wähler arbeitet (oft auch die Ehefrau), Steuern und Abgaben bezahlt und und es gar nicht gut findet, wenn immer mehr von seinem Geld an Leute fließt (HartzIV oder Flüchtlinge), die er eigentlich für längst überversorgt hält.
    Und er möchte auch nicht, daß grüne SPD-Politik seine Wohnnebenkosten erhöht, ihm sein Auto verleidet und teurer macht und die SPD einem Mainstream folgt, der Grill-Parties, Mallorca-Flüge und das nette Nacktmädchen in der BILD verächtlich findet.

    Und weil der ehemalige SPD-Stammwähler von „Linken“ und „Grünen“ nichts hält, wird er bestimmt nicht zur SPD zurückkommen, wenn die in Richtung RRG geht. Die Umfragewerte sind da ja ziemlich deutlich.

    • Rauschi 5. September 2017, 12:14

      @R.A.
      Was für eine verquere Analyse, die vorne und hinten nicht zusammen passt.

      Nur mal zur Erinnerung: 1998 lag die SPD noch über 40%. Seitdem hat sie 15% verloren – davon sind gerade mal 2% bei den „Linken“ gelandet (und weitere 2% bei den Grünen).
      Wohin sind denn die restlichen 11% verschwunden, ins Lager der Nichtwähler, denn die AfD gab es damals noch nicht? Woher kam der Stimmungsaufschwung am Anfang von Martin Schulz? Nicht daher, das viele dachten, jetzt kommt tatsächlich wieder „mehr“ soziale Gerechtigkeit?

      Die SPD hat ja auch in der aktuellen GroKo eine Menge „sozialer“ Punkte durchgesetzt (Mindestlohn, Mietpreisbremse) – hat aber keinen wirklich interessiert.
      Frage ich mich doch, für wen eigentlich, wenn
      [Sowohl diese wie auch prekär Beschäftigte stellen einen relativ kleinen Teil der Wählerschaft.]
      stimmen sollte.

      Die SPD hat massiv Wähler verloren (vor allem in Richtung CDU und AfD), weil sie zuviel „linke“ und auch „grüne“ Politik gemacht hat. Weil der typische SPD-Wähler arbeitet (oft auch die Ehefrau), Steuern und Abgaben bezahlt und es gar nicht gut findet, wenn immer mehr von seinem Geld an Leute fließt (Hartz IV oder Flüchtlinge), die er eigentlich für längst überversorgt hält.
      Da frage ich mich aber ernsthaft, ob diese Klientel jemals SPD gewählt hat und nicht schon immer CDU oder FDP. Wann begann der Abstieg, war das nicht unmittelbar nach der Agenda 2010?

      Und weil der ehemalige SPD-Stammwähler von „Linken“ und „Grünen“ nichts hält, wird er bestimmt nicht zur SPD zurückkommen, wenn die in Richtung RRG geht. Die Umfragewerte sind da ja ziemlich deutlich.
      Stimmt, warum sollte auch eine sozialdemokratische Partei linke Politik machen, das war ja noch nie so. Welche Umfragen sagen denn sowas? Eine linke Partei, von der ein Wähler erwartet, das sie keine linke Politik macht? Dieser Wähler hat und wird immer konservativ wählen, wenn er das nicht will.

      Gruss Rauschi

    • Jens 5. September 2017, 12:59

      Nur mal zur Erinnerung: 1998 lag die SPD noch über 40%. Seitdem hat sie 15% verloren – davon sind gerade mal 2% bei den „Linken“ gelandet (und weitere 2% bei den Grünen).

      Die sind bei den Nichtwählern gelandet! Rückgang der Wahlbeteiligung von 2005 auf 2009 absolut fast 7%. Von 77,7% auf 70,8%!!!!

      https://de.statista.com/statistik/daten/studie/2274/umfrage/entwicklung-der-wahlbeteiligung-bei-bundestagswahlen-seit-1949/

      In absoluten Zahlen hat die SPD davon über 1,6 Mio an die Nichtwähler verloren! (siehe Zeitartikel)

      http://www.zeit.de/politik/2009-09/waehlerwanderung

      Die Linke konnte davon bislang nur marginal profitieren.

      2009 ist mittlwerweile 8 Jahre her. Die Agendapolitik hat einen riesigen prekären Arbeitsmarkt geschaffen mit vielen sozial Unterpriveligierten. Laut Schröder „den besten Niedriglohnmarkt Europas“, Sozialdemokraten entblöden sich ja mittlerweile für gar nichts mehr.

      Und wie Herr Sasse andereswo ausführte zählen sozial Unterpriveligierte überpropotinal oft zu den Nichtwählern. Dumm, dümmer, SPD!

      Ich kann an diesen Zahlen nirgendwo erkennen, dass die Ursache eine Wählerwanderung hin zur CDU ist. Die gab es zwar auch, aber ist vernachläsigbar,entscheidend sind die 1,6 Mio in 2009. 2013 ist die Wahlbeteiligung nur marginal gestiegen und die SPD gewann von den Nichtwählern keine 400.000 zurück.

      Im Gegenteil: Die SPD hat massiv Wähler verloren (vor allem in Richtung CDU und AfD), weil sie zuviel „linke“ und auch „grüne“ Politik gemacht hat. Weil der typische SPD-Wähler arbeitet (oft auch die Ehefrau), Steuern und Abgaben bezahlt und und es gar nicht gut findet, wenn immer mehr von seinem Geld an Leute fließt (HartzIV oder Flüchtlinge), die er eigentlich für längst überversorgt hält.

      Die Flüchtlingsproblematik, ist wirklich ein großes Problem, vor allem für die Linken, das kostet sie extrem Stimmen in ihren Hochburgen im Osten.

      Was die Steuern und Abgaben angeht, betreiben sie hier eine Märchenstunde. Es war eine rot-grüne Regierung, die bis dato größte Steuersenkung der Geschichte der BRD beschloß.

      http://www.zeit.de/2005/37/Steuern

      Diese völlig behämmerte Steuersenkung, die wieder einmal überwiegend einem Klientel nutzt, dass niemals SPD wählen wird, hat dann dazu geführt, dass unsere Komunnen reihenweise in die Überschuldung kamen.

      https://www.heise.de/tp/features/Steuersenkungen-unter-Rot-Gruen-grossenteils-fuer-oeffentliche-Defizite-verantwortlich-3400524.html

      Rot-Grün wegen ihrer zu hohen Steuern zu beschimpfen ist, wie wenn man den Papst beschimpft nicht katholisch genug zu sein.

      • Stefan Sasse 5. September 2017, 13:26

        Wenn die SPD größere Stimmanteile will, muss sie die Nichtwähler zurückbekommen. Je höher die Wahlbeteiligung, desto besser geht es linken Parteien. In jedem Land, zu jeder Zeit. Und genau das schaffst du halt nur mit einem Wahlkampf, der funktioniert und der Leute erreicht. Und davon sehe ich gerade nichts.

        • Jens 5. September 2017, 13:29

          Da sehe ich leider ganz genau so. Hinzu kommt, dass durch die Flüchtlingsdebatte – wieder einmal – das in meinen Augen wichtigste Thema, die Bildung, gar nicht Thema ist.

          • Stefan Sasse 5. September 2017, 14:00

            Gut, aber Bildung ist auch Landesthema. Der Bund kann da echt praktisch nichts machen.

            • Jens 7. September 2017, 16:53

              Das stimmt natürlich, aber ohne finanzielle Unterstützung des Bundes wird es auf jeden Fall bei vielen Landeshaushalten keine Aufbesserung der Budgets für mehr Sozialarbeiter, Lehrer und vernünftig betreute Hausaufgabenhilfe geben.

              Ich habe mal Frau Heinold von den Grünen in (SH für die Finanzen zuständig) angesprochen und mit ihr über die Probleme der Inklusion gesprochen. Sie hatten da gerade die Verhandlungen über den Koalitionsvertrag abgeschlossen. Sie hat mir gesagt, dass sei ihr voll bewußt, aber sie hätten schon nur mit Mühe die Reduktion von 400 Lehrerstellen der Vorgängerregierung rückgängig gemacht und es sei einfach kein Geld für mehr da.

              Gruß Jens

            • Jens 8. September 2017, 11:40

              Ist ein bisschen Off Topic, passt aber gerade zur Bildung

              http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2017-09/analphabetismus-lesen-berufstaetige-weiterbildung-welttag-alphabetisierung

              Der Artikel trifft keine Aussage, ob das gegenüber füher zugenommen hat. So oder so, ist das für eine Industrienation wie Deutschland kein akzeptabler Zustand. Für Menschen mit so einem Bildungsstand in Deutschland gut bezahlte Job zu schaffen, ist gelinde gesagt, schwierig.

              Gruß Jens

      • R.A. 6. September 2017, 12:21

        > Die Agendapolitik hat einen riesigen prekären Arbeitsmarkt
        > geschaffen …
        Nicht wirklich. Schon vor Schröder arbeiteten 16-17% der Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor, das hat im wesentlichen mit Qualifikation zu tun.
        Der Anteil ist gewachsen, weil es so viele neue Jobs gibt. Wenn jemand mit Qualifikationsmängeln vor Agenda arbeitslos war und hinterher einen Niedriglohn verdient hat, dann ist das kein sozialer Skandal, im Gegenteil.

        > Ich kann an diesen Zahlen nirgendwo erkennen, dass die
        > Ursache eine Wählerwanderung hin zur CDU ist.
        Man sieht an einzelnen Wählerwanderungen, daß immer wieder SPD-Wähler zur CDU abwandern (das ist auch ein Alterungsprozeß). Und vor allem kommen die Nichtwählergewinne anderer Parteien stark aus dem Potential, das aus ehemaligen SPD-Wählern besteht.
        D.h. viele Wähler gingen von der SPD zu den Nichtwählern, und nach einer gewissen Pause haben sie sich dann neu orientiert. Aber nur selten zu einer linken Partei.

        > Es war eine rot-grüne Regierung, die bis dato größte Steuersenkung
        > der Geschichte der BRD beschloß.
        Es gab eine Steuersenkung (die aber nur in der Eichel-Propagand die größte der Geschichte war). Das ist aber weitgehend vergessene Historie.
        Seitdem propagiert die SPD immer wieder Steuererhöhungen und trägt Maßnahmen wie das EEG mit, die Arbeitnehmerhaushalte zusätzlich belasten.
        Am Ende kommt es eben darauf an, ob der potentielle SPD-Wähler zufrieden ist mit seiner Belastung aus Steuern und Abgaben (und das ist er meist nicht) und ob er die Verwendung dieser seiner Gelder für noch mehr Transfers befürwortet (und das tut er auch nicht und bleibt der SPD fern).

        • Jens 7. September 2017, 17:55

          Nicht wirklich. Schon vor Schröder arbeiteten 16-17% der Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor, das hat im wesentlichen mit Qualifikation zu tun.
          Der Anteil ist gewachsen, weil es so viele neue Jobs gibt.

          Im Zuge dessen sind aber auch die Löhne der bereits zuvor angestellten Niedriglöhner noch weiter gesunken. Und nicht nur die. Von 2005 bis 2008 sind die Löhne insgesamt real gesunken. Hiervon waren vor allem die niedrigen Einkommen betroffen. Die Top Manger und Banker haben sich in der Zeit stets überproportinal hohe Gehaltssteigerungen geleistet. Da die in die Gesamtbetrachtung mit eingehen, sind die Löhne für die unteren Einkommen also noch stärker als der Durchschnitt gesunken.

          Bei Wikipedia ist die Entwicklung der Einkommen nach Dezilen aufgeteilt.

          https://de.wikipedia.org/wiki/Mittleres_Einkommen
          (ganz runter scrollen)

          Von 2005 bis 2010 gingen ALLE Einkommen bis auf die, der obersten 10% real (kaufkraft bereinigt) runter. Das reale BIP (ca. +15%) und die Produktivität sind im gleichen Zeitraum jedoch gestiegen! 2005 traten die Harz4 Gesetze in Kraft.

          https://de.statista.com/statistik/daten/studie/2112/umfrage/veraenderung-des-bruttoinlandprodukts-im-vergleich-zum-vorjahr/

          https://www.querschuesse.de/deutschland-einsam-aber-mit-ueberschuss/

          Wenn BIP und Produktivität steigen und gleichzeitig die Reallöhne für 90% der Bevölkerung sinken nenne ich das Umverteilung von unten nach oben.

          Durch Harz4 wurden nicht nur mehr Druck auf Arbeitssuchende ausgeübt, was ich zu einem gewissen Maß noch nachvollziehen kann, sondern durch Leiharbeit ohne equal pay und KAPOVAZ wurde eine zwei Klassen Arbeiterschaft geschaffen und die Gewerkschaften defacto entmachtet. Nur noch winzige Spartengewerkschaften, die an den richtigen Stellen sitzen, Lokführer und Piloten können bessere Löhne erstreiken. Deswegen gingen lange die Reallöhne nicht hoch sondern runter. Streikende können sofort durch Leiharbeiter ersetzt werden, laut Urteil des Landgericht Hamm darf der Arbeitgeber sogar ausländische Leiharbeiter einfliegen lassen.

          https://www.welt.de/regionales/nrw/article158765316/Firma-laesst-Wochenendarbeiter-aus-Portugal-einfliegen.html

          Lesen Sie mal den Artikel von querschüsse aus 2015. Ein Faktencheck zu dem Spiegelartikel „Deutschland läuft heiß“ aus 2015!

          https://www.querschuesse.de/deutschland-laeuft-heiss-der-faktencheck/

          Das alles ist den Hartz4 Gesetzen der sozialen Arbeiterpartei SPD zu verdanken! Und sie glauben ernsthaft, das ist den SPD-Wählern egal?

          D.h. viele Wähler gingen von der SPD zu den Nichtwählern, und nach einer gewissen Pause haben sie sich dann neu orientiert. Aber nur selten zu einer linken Partei.

          2013 war die Wahlbeteiligung nur marginal höher als 2009.
          Viele Nichtwähler blieben einfach Nichtwähler. Die anderen Wählerwanderungen gabe es, auch in beide Richtungen, aber die 2009 der SPD an die Nicht-Wähler verloren gegangen 1,6 Mio Wähler sind mit Sicherheit nicht größtenteils zur CDU gegangen.

          Erst seit ein paar Jahren haben wir einen Aufschwung, von dem auch die Arbeitnehmer etwas haben. Der ging aber im Endeffekt zu Lasten Europas. In den Jahren 2005 bis 2008 sind die Löhne in Deutschland so stark gegenüber dem europäischen Ausland (EWU) gesunken, dass wir wie blöde dort hin exportiert haben. Schauen sie sich die Entwicklung im Target2 System an. Das schwoll in diesen Jahren fast auschließlich wegen der Exportüberschüsse ins EWU Ausland an. Dort ginen Jobs flöten und hier sind neue entsanden. Für die EWU ein Nullsummenspiel und erklärt einen großen Teil der Schulden der Südländer gegenüber Deutschland, da Exportdefizite eben nur über Schulden an den Exporteur zu finanzieren sind. Da die Südländer im Euro gefangen sind, können sie nicht mehr abwerten wie früher. So hat Hartz4 mit dazu beigetragen, dass die EWU droht zu zerfallen. Und zeigt eindrüklich, dass die Konstruktion des EURO ein totales Desaster ist.

          Währung ohne Transferunion geht einfach nicht, entweder oder. Ist aber Off Topic, deswegen höre ich damit auf.

          Gruß Jens

    • Jens 5. September 2017, 13:27

      Sowohl diese wie auch prekär Beschäftigte stellen einen relativ kleinen Teil der Wählerschaft.

      KLEIN????

      22,5% aller Arbeitnehmer zählen offiziell zu den Niedriglohnempfängern. Das sind ganz grob über 8 Millionen Menschen. Hinzu kommen nochmal die offiziellen Arbeitslosen, weitere 2,6 Mio. Sowie eine recht große Menge an offiziell Selbstständigen die in ich-AGs und bei Selbstausbeutung ihr kümmerliches Dasein fristen.

      Bei rund 62 Mio Wahlberechtigten, sind das ca. 21% aller Wahlberechtigten. Wenn die SPD diese Prozentzal mal nur erreicht am Wahlabend.

      https://www.querschuesse.de/deutschland-einsam-aber-mit-ueberschuss/

      http://www.bpb.de/nachschlagen/zahlen-und-fakten/bundestagswahlen/55604/wahlberechtigte-1949-2009

      Gruß Jens

    • Logos 5. September 2017, 14:49

      ier scheinen nicht nur, sondern sind de facto ein paar merkwürdige Vorstellungen, die um der Wahrheit Willen korrigiert gehören:

      1) Hier hat NIEMAND behauptet, die SPD hätte ihre guten Wahlergebnisse von früher Sozialhilfeempfängern zu verdanken. In sofern mag diese Feststellung an sich korrekt sein, trägt aber in Wahrheit nichts zur Sache bei.

      2) Sowohl diese wie auch prekär Beschäftigte stellen einen relativ kleinen Teil der Wählerschaft.
      Wer hatte das Gegenteil behauptet? Wieder: NIEMAND!

      3) Nur eine kleine Minderheit … ist wegen angeblich zu wenig sozialer Politik …
      Angeblich? Der Treppenwitz war gut! Allein die neoliberale Durchseuchung der Parteien und die Vollstreckung neoliberaler Gesetzgebung durch die Regierung mündet logisch zwingend in „zu wenig soziale Politik“.
      Zusätzlich belegen alle seriösen Studien (OECD, Oxfam und Armuts- und Reichtumsberichte) seit Jahren, dass die Armen immer ärmer werden, dass die Mittelschicht nach unten abrutscht und dass Erwerbsarmut und Kinderarmut neue Redordhöhen erreicht. Böse Zungen könnten daher zu Recht das „angeblich“ als Desinformation und/oder Geschichtsklitterung verurteilen.

      4) Die „eine Menge sozialer Punkte“ erschöpfen sich in genau jenen zwei Punkten:
      A) Mindestlohn: mit Ausnahmen und zu niedrig
      B) Eine Mietpreisbremse, die offensichtlich mehr schlecht als Recht funktioniert
      Da nimmt sich die harte Realität im Vergleich zur Propaganda „eine Menge sozialer Punkte“ aber ziemlich armselig aus.

      5) Die SPD hat massiv Wähler verloren (vor allem in Richtung CDU und AfD), weil sie zuviel „linke“ und auch „grüne“ Politik gemacht hat.
      Wie konnten denn SPD-Wähler zur AfD abwandern? Könnte Protest der asozialen Politik der SPD geschuldet sein?
      Falls jemand „SPD hat zuviel linke Politik gemacht“ als Geschichtsklitterung und Fakteninversion bezeichnen würde, so wüßte ich nicht, wie das stichhaltig zu entkräften wäre. Trotzdem mal nachgehakt: Welche „zuviel linke“ Politik soll das angeblich sein? Und tatsächlich kommt etwas, was den Lesern eine Antwort vortäuschen will:

      Weil der typische SPD-Wähler arbeitet …, Steuern und Abgaben bezahlt und und es gar nicht gut findet, wenn immer mehr von seinem Geld an Leute fließt (HartzIV oder Flüchtlinge), die er eigentlich für längst überversorgt hält.
      I) Wieso denn immer mehr? Wurde denn der Anteil an der Arbeitslosenversicherung gesteigert? NEIN! Wurden andere Steuern für typisch abhängig Beschäftigte in den letzten Jahren erhöht? Wieder nein
      II) Wer hat denn die Flüchtlingswillkommenskultur offiziell ausgerufen? Die SPD oder Merkel?
      III) Die Einschätzungen Mancher bzgl „Überversorgung“ von ALGII_Empfängern beruht doch entweder auf Inkompetenz oder neoliberaler Menschenverachtung
      IV) Allein wenn man sich das Hickhack um eine evtl Anpassung der ALGII_Sätze ansieht dann verkommt das Gelaber von angeblicher Überversorung zum reinen Hohn
      V) So sieht neoliberale Desinformation und Volksverdummung aus! Genau SO. Besten Dank für diese eindrückliche Demonstration!
      VI) Wenn DAS die „hüstel, Räusper“ „Begründung“ für die angebliche „zuviele linke Politik der SPD“ ist, dann begründet ein Kieselstein auch, warum die Erde der Mittelpunkt des Universums ist.

      Und er möchte auch nicht, daß grüne SPD-Politik seine Wohnnebenkosten erhöht, ihm sein Auto verleidet und teurer macht und die SPD einem Mainstream folgt, der Grill-Parties, Mallorca-Flüge und das nette Nacktmädchen in der BILD verächtlich findet.
      Wann und wer hat solche SPD-Politik gemacht?

    • bevanite 5. September 2017, 16:38

      Rauschi, Logos und Jens haben ja schon auf diverse Fehler in Ihrer Analyse hingewiesen, daher sei nur Folgendes ergänzt:

      Sie gehen davon aus, dass von der Agenda 2010 enttäuschte SPD-Wähler automatisch zu den Grünen oder der Linken wechseln müssten. Aber warum sollte ein solcher früherer Stammwähler zu der Partei wechseln, die damals zusammen mit der SPD für eben jene Reform verantwortlich war? Die Grünen werden in den unteren Schichten eben nicht als sonderlich soziale Kraft wahrgenommen – vor allem nicht im Osten, wo sie trotz authentischer Erdung in der DDR-Bürgerrechtsbewegung immer noch das Image der „Partei reicher Wessis“ mit sich schleppen. Und auch mit der Linken ist das nicht so einfach. Im Osten hatte die PDS/Linke bereits eine Stammwählerschaft und im Westen gibt es eben Vorbehalte aufgrund der SED-Vergangenheit – ansonsten hätte Die Linke, die in Sachen Afghanistankrieg, Mindestlohn oder Mietpreisbremse in der Gesellschaft mehrheitsfähige Positionen vertritt, auch viel, viel mehr Stimmen. Es gibt bei antitotalitären Linken eben sowohl in alten als auch in neuen Bundesländern Vorbehalte gegenüber gewissen Tendenzen in der Partei.

      Die SPD wird also gewiss nicht wegen zu „linker“ Politik nicht gewählt. Selbst Mindestlohn und Mietpreisbremse hat man ja nur halbgar umgesetzt (was in einer Koalition mit der CDU wohl auch nicht anders geht) und teilweise rückgängig gemacht.

      Und: wenn der Mainstream folgt „Grill-Parties, Mallorca-Flüge und das nette Nacktmädchen in der BILD“ verächtlich findet (tut er das?), müssten dann diese Positionen nicht mehrheitsfähig sein und bei Wahlen abräumen? „Mainstream“ bedeutet schließlich Masse.

  • Stefan Sasse 5. September 2017, 11:19

    Ihr missversteht, was ich mit „aufbauschen“ meine. Mir geht es gerade nicht um eine Beliebigkeit im Wahlkampf. Aber gleichzeitig ist der Ratschlag „rede mal mehr über soziale Gerechtigkeit, Martin“ auch nicht gerade hilfreich, wie dieses Jahr deutlich gezeigt haben sollte. Jede Partei braucht ein Wahlkampfthema. Wenn dein Wahlkampfthema „Soziale Gerechtigkeit“ ist, dann findest du jetzt irgendeinen Konflikt – und den bauschst du auf. Es ist völlig egal, was das ist. Weil es thematisch in das Zentrum des Wahlkampfs passt. Das kann dann zum Beispiel die Frage sein, ob Leiharbeiter 90% oder 100% vom Normalgehalt kriegen. Normalerweise würdest du dich bei so was in der Koalition zu irgendeinem Kompromiss einigen. Stattdessen bauschst du es auf und generierst daraus parlamentarischen Konflikt. Im Interview wirst du dann gefragt, warum du keinen Kompromiss willst und nutzt das als Sprungbrett, um über Soziale Gerechtigkeit zu sprechen. Das ist eigentlich Wahlkampf 101, und dass die SPD unfähig ist das zu machen spricht Bände.

    • Jens 5. September 2017, 13:01

      So wie sie es jetzt schreiben, kann ich Ihnen zustimmen. Ich habe es vorher wirklich anders verstanden, sorry dafür.

      • Stefan Sasse 5. September 2017, 13:27

        Kein Problem, ich habe es ja offenkundig schlecht formuliert. Ich editier das im Artikel ein bisschen.

  • R.A. 5. September 2017, 18:39

    > Wohin sind denn die restlichen 11% verschwunden, ins
    > Lager der Nichtwähler, denn die AfD gab es damals noch nicht?
    Sie sind zuerst zu den Nichtwählern, später dann zur AfD (oder auch zur CDU).

    > Woher kam der Stimmungsaufschwung am Anfang von Martin Schulz?
    Der war nur fiktiv. Schon wenige Wochen später bei den Landtagswahlen in NRW und S-H haben die linken Parteien eine vernichtende Wahlniederlage kassiert.

    > Da frage ich mich aber ernsthaft, ob diese Klientel jemals
    > SPD gewählt hat …
    Ja selbstverständlich. Die SPD ist nie durch das Prekariat (wie immer man das abgrenzen will) zu Regierungsmehrheiten gekommen, sondern durch den Normalverdiener.

    > Stimmt, warum sollte auch eine sozialdemokratische Partei linke
    > Politik machen
    Die Frage ist, was „linke“ Politik ist.
    Was die „Linken“ machen, also die Zentrierung auf immer Transfers in Richtung Nicht-Arbeitende, das ist nicht unbedingt linke Politik. Schon gar nicht in der Tradition der SPD. Da ging es in erster Linie darum, die normalen Arbeiter mit ihren Bedürfnissen zu fördern. Also das Gegenteil von grüner Politik.

    • Stefan Sasse 5. September 2017, 20:25

      Exakt.

    • Logos 6. September 2017, 04:41

      @ R.A. 5. September 2017, 18:39
      Zunächst einmal stellt sich die Frage, in welchen KONKRETEN Forderungen oder Maßnahmen Sie eine „ Zentrierung auf immer Transfers in Richtung Nicht-Arbeitende“ zu erkennen glauben.
      Oder ist das pure Fiktion bzw. neoliberale FUD, die Sie nicht durch Belege substanziieren können?

      Tatsächlich sollte linke Politik, die diesem Namen auch verdient, soziale/wirtschaftliche Gerechtigkeit zum Ziel haben. Als da konkret wären:
      – Verhinderung von Erwerbsarmut durch gerechte Löhne
      – Verhinderung von Lohndumping und Ausbeutung
      – Erhöhung des Mindestlohns auf ein Niveau, der nicht automatisch in die Altersarmut führt
      – Abbau der Ausnahmen eines Mindestlohns
      – Verhinderung des weiteren Wegbrechens der Normalverdiner aka Mittelschicht, indem die abhängig Beschäftigten angemessen an den Produktivitätssteigerungen beteiligt werden (idealerweise durch Prof. Bontrups Konzept der verteilungsneutralen Umlegung solcher Gewinne)
      – Die Verhinderung von immer mehr zeitlichen begrenzten Verträgen
      – Zeitarbeiter sollten mind den gleichen, angemessener Weise aber einen höheren Lohn als Festangestellte erhalten
      – Förderung der Bildung von Genossenschaften – z.B. Im bereich der Energieversorgung (Enrgieversorgung in Bürgerhand)
      – Widerstand gegen Privatisierung von Infrastruktur (Strom-, Wasser- und Straßennetze)
      – Widerstand gegen den Abbau von Schutzrechten (Ein Ziel des asozialen Neoliberalismus)
      – Erhöhung des Schutzniveaus bei Arbeitnehmer-, Umwelt- und Verbraucherschutz
      – Verhinderung der Unterminierung von Rechtsstaat und Demokratie durch Freihandelsabkommen
      – Regulierung und ggf Verstaatlichung von Banken
      – Erfolgreiches Konzept gegen ein bislang unbekanntes Ausmaß an Massenarbeitslosigkeit infolge der Digitalisierung

      Das waren jetzt mal ad hoc über ein Dutzend „linker Ziele/Forderungen“. Und diese Liste ließe sich noch um Einiges fortsetzen. All das hat nichts, aber auch rein gar nichts mit „Zentrierung auf immer Transfers in Richtung Nicht-Arbeitende“ zu tun. Solange Sie letzte Behauptung nicht durch Nachweise substanziieren können, ist man gut beraten, von FUD auszugehen.

      Wie man diesem Nonsens auch noch mit „Exakt“ zustimmen kann, dürfte den hinreichend kritischen und vernunftbegabten Leser ein Rätsel sein. Aber hier wird ja in letzter Zeit öfter mal zutiefst fragwürdigen und mitunter schlichtweg falschen Behauptungen die „volle Zustimmung“ zugesprochen. Verkehrte Welt.

      • CitizenK 6. September 2017, 08:39

        @ Logos

        Vielen dieser Punkte kann ich zustimmen, allerdings müsste man differenzieren und einige konkretisieren.

        Die Verschlechterung kam schleichend, aber…

        …“Es gibt Menschen, die in der Lage sind, die Verschlechterung zu erkennen. Sie sehen flaschensammelnde Rentner, heruntergekommene Spielplätze, verschimmelte Hallenbäder, hysterische Lehrer, ausgelaugte Erzieherinnen, sie sehen, dass Deutschland von alter Substanz lebt.

        Intuitiv begreift jeder Mensch, dass Deutschland schon lange nicht mehr das Land ist, in dem die Mehrheit unabhängig vom Einkommen „gut und gerne“ lebt, wie es die CDU so hübsch claimt. Solche Zeiten gab es zumindest in Westdeutschland wirklich einmal. Das war noch vor dem Fall der Mauer. Wo das Kind eines Arbeitslosen oder Sozialhilfeempfängers genauso wie das Kind eines Richters oder einer Krankenschwester auf Klassenfahrt gehen konnte und jahreszeitengerechte Kleidung trug. Die einen wurden mit Schiesser und Benetton eingekleidet, die anderen bekamen Kniehosen und Pullis von Ernstings Familiy. Es war eine Welt, die sich materiell nur dadurch unterschied, dass für das eine Kind mehr und das andere Kind finanziell weniger ausgegeben wurde, aber es gab keinen Mangel. Keinen Mangel an Brillen, an Zahnspangen, an Fahrrädern, und der Mitgliedsbeitrag für die Sportvereine war lächerlich gering. Überhaupt Sportvereine, so etwas gab es flächendeckend, genauso wie Kinder-Sommerprogramme, ja, es war das Paradies, indem sozioökonomisch Schwache den Lebensstil der Mittelschicht lebten.“

        Quelle: Kiyaks Deutschstunde auf ZEIT-Online. Argumentative Unterstützung von vielleicht unerwarteter Seite?

        • Logos 6. September 2017, 11:54

          Vielen dieser Punkte kann ich zustimmen, allerdings müsste man differenzieren und einige konkretisieren.
          Dem kann ich nur zustimmen und bedanke mich für die Konkretisierungen!

          Ad hoc fallen mir noch ergänzend ein:
          – Arm trotz Arbeit: trotz eine 40-Stunden-Vollzeitjobs können immer mehr Menschen nicht davon leben
          – Verarmung der Kinder, welche sich u.a. darin zeigt, dass nicht einmal Geld für Kantinenessen vorhanden ist
          – Deutlicher Zunahme bei den Tafeln. Eine Schande sondergleichen in einem der reichsten Länder der Welt

          • CitizenK 6. September 2017, 15:59

            Nehmen wir den Mindestlohn. Bei 8,84 Euro und 160 Stunden kommt auf monatlich auf rund 1400 Euro brutto. Damit kann niemand gut leben, jedenfalls nicht in der Stadt. Von daher wäre eine Erhöhung auf 10 oder 12 Euro angebracht.
            Die Kehrseite: Dienstleistungen wie z. B. Taxifahrten werden dann weniger nachgefragt, bisher angestellte Fahrer werden „selbständig“, kommen auf noch niedrigere Realeinkommen, beuten sich dann halt selbst aus. Seit Taxifahren teurer wurde, fahre ich kaum noch, weil ich es mir nicht leisten kann.

            Andere Beispiele: Gebäudereinigung (Wegfall oder wo das nicht geht: Arbeitsverdichtung). Handwerkerleistungen (DIY, Baumarkt).

            Der von interessierter Seite (no names!) vorhergesagte Job-Abbau ist zwar fast vollständig ausgeblieben, nach oben ist aber nicht so sehr viel Luft.

            • Logos 6. September 2017, 17:53

              Bei 8,84 Euro und 160 Stunden kommt auf monatlich auf rund 1400 Euro brutto. Damit kann niemand gut leben, jedenfalls nicht in der Stadt.
              Auf dem Land auch nicht. Nicht jetzt und im Alter ebenso wenig
              – denn mit Mindestlohn ist die Altersarmut unabwendbar.

              Von daher wäre eine Erhöhung auf 10 oder 12 Euro angebracht.
              Ich plädiere für 13 – 15 Euro.

              <i<Die Kehrseite: Dienstleistungen wie z. B. Taxifahrten werden dann weniger nachgefragt
              Ist dem tatsächlich so oder nur reine Mutmaßung?
              Trotz erheblich gestiegener Benzinkosten wird doch nicht reziprok proportional weniger gefahren. Warum? Weil dahinter oft Sachzwänge stehen.
              Wer nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren will oder kann (weil die Verbindungen miserabel sind), der wird es im Regelfall auch dann nicht tun, wenn die Preise steigen.

              • Stefan Sasse 6. September 2017, 18:12

                Das Argument sehe ich ebenfalls sehr skeptisch. Es gibt in den USA allerdings gerade eine Reihe empirischer Studien, die wegen der unterschiedlichen Mindestlöhne (von 15$ in Seattle zu grob 8$ in Tennessee) alles dabei ist. Und in Seattle wurden wohl wirklich negative Effekte gemessen. Der Sweet Spot scheint in den USA bei etwa 12$ zu liegen, das wären bei uns rund 10 Euro, give or take. Von daher ist Luft, aber nicht unendlich viel. Nicht genug jedenfalls, um Altersarmut zu verhindern.

                • Jens 7. September 2017, 07:38

                  Jep! Aber dafür muss die Qualifikation der Arbeitssuchenden erhöht werden. Und da wird es immer übler. Die Anforderungen an den Hauptschulabschluss hier in SH werden immer niedriger, damit bloß keiner mehr durchfällt.

                  Die Betriebe wollen deswegen immer weniger Hauptschüler sondern fragen nach Realschulabschluß oder gleich Abitur, da zu viele mit Hauptschulabschluss nicht mehr den Dreisatz können und auch das Textverständnis nicht mehr da ist. Das Abitur leidet auch. Kürzlich gab es den Aufruf von Hochschulprofessoren, dass die Studenten kein Mathe mehr können, unter anderem weil sie Gleichungen nicht mehr umstellen können.

                  Ich habe selber Abiturienten Nachhilfe gegeben und das ist unglaublich, was die alles NICHT können, z.B. Dreisatz.

                  Leider war Bildung mal wieder überhaupt kein Thema im Wahlkampf.

                  • CitizenK 7. September 2017, 08:19

                    Die Klagen sind uralt. Was ist dran?
                    Ich übe derzeit mit einem 15jährigen Mathe für den Realschulabschluss. Die Aufgaben sind deutlich schwieriger als zu meiner Zeit.
                    Das gilt nach Aussage einer befreundeten Mathe-Lehrerin auch für die Abi-Aufgaben. Sie war viele Jahre Fachleiterin an einem beruflichen Gymnasium in BW, ihre Qualifikation steht außer Frage.
                    Den Dreisatz konnten auch frühere Abi-Jahrgänge nicht. Warum das so ist, verstehe ich auch nicht. Vielleicht ist Differential/Integral/Vektor-Rechnen nicht gut für den gesunden Menschenverstand?
                    Nach meiner Erfahrung sind die didaktischen Fähigkeiten eines Lehrers in keinem Fach so wichtig wie in Mathe.

                    • Jens 7. September 2017, 09:35

                      http://www.zeit.de/studium/hochschule/2014-01/matheschwaeche-studenten-hochschulen

                      Esther Hartwich, Bildungsexpertin beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag, bestätigt das.

                      „Nach unserer aktuellen Ausbildungsumfrage ist die mangelnde Ausbildungsreife das Ausbildungshemmnis Nummer eins für die Betriebe.“

                      aus
                      http://www.deutschlandfunk.de/azubis-zu-alt-zu-schlecht-zu-fremdlaendisch.724.de.html?dram:article_id=296047

                      Kar gab es schon früher Abgänger die schlecht in Mathe waren, aber reden sie mal mit Hochschulprofessoren. Heute kommen Leute die 12 bis 14 Punkte im Leistungskurs oder Vertiefungskurs Mathe hatten in einem Mathestudium nicht klar. Handwerksbetriebe klagen, weil teilweise die Lehrlinge nicht ausrechnen können wieviel Sack Estrich sie für eine gegeben Fläche brauchen.

                      In der Summe nehmen die Klagen der Industrie zu. Freunde die KFZ Lehrlinge betreuen meinen es wird immer schlimmer.

                      Noch kurz zu den Matheaufgaben. Ja die sind schwieriger, aber die Schüler dürfen in den Abiturprüfungen im größten Aufgabenteil vollprogrammierbare Taschenrechner mit Solvee und grafischem Display verwenden, der ihnen Schnittpunkte, Wendepunkte etc. auf Knopfdruck ausrechnen.

                      Meine Vermutung ist, dass diese Rechner viel zu früh eingeführt werden und der Aufgabenteil dafür zu umfangreich ist. Die wissen meist gar nicht mehr, was der Rechner da berechnet, können es händisch kaum noch und entwickeln so kein Gefühl dafür ob die Ergebnisse überhaupt stimmen können.

                      Mehrere Englischlehrer und Mathelehrer haben mir gesagt, dass die Aufgaben für die Hauptschulprüfung immer leichter werden. Wie gesagt SH, für andere Bundesländer habe ich keine Ahnung.

                      Wir geben uns bei der Bildung schon mit Mittelmaß zufrieden, Ziel einer so starken Industrienation ohne Bodenschätze muss es aber IMHO sein hier weltspitze zu sein!

                      Gruß Jens

                    • Stefan Sasse 7. September 2017, 15:51

                      Der GTR ist inzwischen zumindest in BaWü wieder abgeschafft.

                    • Jens 7. September 2017, 16:44

                      Mußte erst mal googeln was GTR bedeutet 😉

                      Grafikfähiger Taschen Rechner, richtig?

                      Dann ist BaWü mal wieder Vorreiter. In SH haben ihn meine Kinder noch. Ich sehe das Ding mit sehr gemischten Gefühlen.

                      Vielleicht stöhnen die Profs nur über Abiturienten aus SH :-))

                      Gruß Jens

  • Ariane 6. September 2017, 00:05

    Grundsätzlich stimme ich dir zu, dass die SPD auch in einer großen Koalition Wahlen gewinnen könnte oder zumindest deutlich besser abschneiden als bisher.
    Allerdings gebe ich zu bedenken, dass ein großes Problem der SPD ihre innere Zerrissenheit und eine unklare Haltung zu ganz vielen Themen hat. Es wäre in der Opposition sicherlich leichter, an diesem Problem zu arbeiten, weil man mehr Zeit hat und nicht ständig nebenbei Realpolitik betreiben muss. Hat sie das letzte Mal in der Opposition natürlich nicht gemacht, das war ja mehr GroKo-Partner spielen. Aber wenn sie das angehen wollen würden, wäre die Opposition schon der Ort dafür. Ohne klare Haltung, dafür aber mit deinen Punkten hier und im anderen Artikel würden sie auch schon bessere Ergebnisse bekommen, aber momentan vereinen sie einfach alle negativen Skills und dann sind die Ergebnisse kein Wunder.
    Vermutlich landen sie irgendwie bei 21% und verkünden dann, dass mit Scholz und Nahles jetzt bestimmt alles besser wird, das ist ja zum Heulen.

    Ich hätte eigentlich nichts gegen eine Fortführung der GroKo. Ist nicht mein Wunsch und nicht besonders spannend, aber die einzig realistische Alternative ist wohl schwarzgelb und davor graut’s mir. So hat man zumindest eine langweilige, aber professionelle Regierung. Es gab vermutlich noch nie ein Kabinett, das so leise und skandalfrei vor sich hingewerkelt hat. Selbst die Verteidigungsministerin wurde nicht ausgewechselt, obwohl es da sicherlich die meisten Skandale gab. Hab eben nochmal nachgeguckt, es gab einen Rücktritt 2014 (Friedrich wegen der Edathy-Affäre).

  • Logos 6. September 2017, 17:54

    Sie sehnen sich nach Harmonie und Stabilität.
    Liest sich teilweise wie aus einer Parallelwelt: Inhalte spielen keine Rolle und Stabilität ist ein Wert an sich! Es kommt nicht darauf an, was stabil ist: die Ausbeutung, die Armut, der Weg in den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ruin.
    Hauptsache Stabilität. Und Harmonie? Wo sind wir hier? In einem Yoga-Kurs? Nein!
    Parallelwelt!

    Entsprechend formulierte er, wenn er seinen Parteigenossen widersprach. Es gäbe halt keine linke oder rechte Wirtschaftspolitik, sondern nur eine gute oder schlechte.
    Und das soll dann harmonisch und stabil sein? Was ist denn an Basta-Politik harmonisch?
    Ansonsten: keine linke oder rechte Wirtschaftspolitik, sondern nur eine gute oder schlechte ist Fakten-verzerrendes „entweder/oder“-Denken. Wo soll da der Widerspruch liegen, der einem „sondern“ die Basis liefert? Selbstredend gibt es linke und rechte Politik. Es gibt ja auch neoliberale Politik.
    Nicht einmal für die verhasste neoliberale Politik lässt sich absolut ein gut oder schlecht zuordnen: Für die Gesellschaft ist diese verheerend – für die Geldmächtigen und Großkonzerne hochwillkommen. Also gut und schlecht ist doch nur eine Frage des Standpunktes. Und der hängt von der politischen Präferenz ab. Also erst die entsprechende politisch linke, rechte oder neoliberale Sichtweise führt zu der Wertung.
    Mit anderen Worten: es besteht nicht nur kein Widerspruch, der ein „entweder/oder“ rechtfertigen würde, sondern die politische Verortung ist die GRUNDLAGE der Wertung. Und SO ein Kanzeler wird hier als positives Beispiel bemüht? Wie kann das sein? Weil der neoliberale Politik gegen die Gesellschaft exekutierte!

    Bin ich der Einzige, der sich an diesen absurden Zumutungen stört?

  • Habnix 7. September 2017, 17:50

    Groko hat keiner gewählt und alle bekommen sie. 😀

    Nach jeder Landtagswahl oder Bundestagswahl gewinnt immer die Partei der Konzern-Lobbyisten.

    Horst Seehofer sagt die Wahrheit

    https://www.youtube.com/watch?v=zfJIUqhcc1M

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