In seinem bedeutenden Buch zur Integrationsdebatte (hier besprochen) hat Aladin el-Mafaalani die Metapher eines „Platzes am Tisch“ benutzt, der Konflikte überhaupt erst besprechbar macht. Konkret war seine These, dass unsere Debatten über Integration (oder Sexismus oder Rassismus oder oder) ein Zeichen für eine Verbesserung seien: früher, als das alles „kein Thema“ war, war es eben tatsächlich kein Thema: es war gar nicht möglich, darüber zu sprechen und es zu kritisieren, lag außerhalb des Overtonfensters. Erst als die betroffenen Menschen auch einen Platz am Tisch verlangten, also Ansprüche stellten und sich beschwerten, wurden sie überhaupt sichtbar. Diese Sichtbarkeit führt oft zum Fehlschluss, dass alles schlimmer geworden sei; tatsächlich, so el-Mafaalani, sei es aber ein Zeichen dafür, dass sich die Zustände verbessert hatten, so sehr nämlich, dass man sie als Problem wahrnahm und in den gesellschaftlichen Diskurs überführen konnte. Ich habe das Gefühl, dass eine ähnliche Dynamik auch für gesellschaftliche Verschiebungen gilt. Wenn eine Seite den gesellschaftlichen Diskurs „gewinnt“ – und solche Siege sind in einer pluralistischen, demokratischen, liberalen Gesellschaft immer temporär und werden von einem Schwung auf die andere Seite abgelöst – hat sie das Gefühl, ihn zu verlieren. Die zugrundeliegende Dynamik ist dieselbe.
Ich rede in diesem Kontext über Verschiebungen auf der Rechts-Links-Achse. Mir ist bewusst, wie ausgedient diese Dichotomie zwischen Links und Rechts ist, dass sie unterkomplex ist und dass sie nicht in der Lage ist, alles korrekt abzubilden. Passt alles. Aber wir haben noch keine bessere, griffigere Abkürzung gefunden, und für unsere Zwecke soll die Achse hier daher genügen. In der Mitte dieser Achse ist, wer hätte es gedacht, die „Mitte“. Die Mitte ist die Mitte zwischen den Extremen, also kein fixer Punkt.
Das klingt jetzt alles sehr banal, ist es aber nicht. Die Behauptung, dass es etwa keine Mitte mehr gebe, wie es etwa jüngst wieder im Spiegel zu lesen war, findet sich immer wieder. Auch gibt es immer wieder Menschen (meist fortgeschrittenen Alters, weißer Hautfarbe und männlicher Geschlechtsidentifikation, aber nicht ausschließlich), die das Gefühl haben, sie seien „Mitte“, aber die Gesellschaft sei wahlweise nach rechts oder links gewandert. Sie sehen sich dann oft als einsame Rufende in der Wüste. „Nicht ich habe die Mitte verlassen, die Mitte hat mich verlassen„, oder so ähnlich. Aber das macht keinen Sinn. Wenn sich der gesellschaftliche Konsens bewegt, bewegt sich die Mitte mit ihm. Das ist völlig normal und war auch schon immer so.
Deswegen machen auch die Beschwerden der Zurückgelassenen keinen Sinn. Die Mitte der Adenauerzeit ist heute hoffnungslos im rechtsradikalen Spektrum angesiedelt, während manche Mitte-Links Position dieser Zeit heute im linksradikalen Spektrum zu finden wäre (was übrigens auch deutlich die Grenzen der Links-Rechts-Dichotomie aufzeigt, nebenbei noch einmal bemerkt). Je weiter man in der Geschichte zurückgeht, desto deutlicher wird das. Was heute völliger Mainstream ist – alle Staatsbürger*innen haben eine gleiche Stimme bei Wahlen – war im 19. Jahrhundert die Idee einiger verrückter Radikaler. Was damals Mainstream war – die Regierung durch das Gottesgnadentum legitimierter Dynastien -, würde heute sogar in der AfD verlacht und ausgegrenzt werden.
Wenn also solche Veränderungen stattfinden, wird es immer Menschen geben, die grummeln, weil sie sich ausgeschlossen und verlassen fühlen. Der Umgang mit ihnen und die Sicht auf sie ist ein guter Indikator dafür, wo der Zeitgeist sich hinbewegt. Als etwa Sozialdemokraten in den 1990er Jahren über den Kurs der Liberalisierung und Globalisierung grummelten, galten sie als hoffnungslos veraltete Zeitgenossen, während Konservative, die noch am ius sanguinis und der patriarchalen Familie festhielten von Angela Merkels Modernisierungskurs erst überrollt und dann liegengelassen wurden.
Viel spannender aber ist der gegenteilige Effekt: Leute, die meckern, wenn sich der gesellschaftliche Trend in ihre Richtung bewegt. Und hier wird der Verweis auf el-Mafaalani und sein Integrationsparadox wieder relevant. Denn ich bin der Überzeugung, dass das offene Grummeln und Meckern und vor allem seine positive Rezeption erst möglich sind, wenn der gesellschaftliche Trend in die entsprechende Richtung läuft. Ich will das an einem Beispiel aus der Vergangenheit deutlich machen, bevor ich auf den Moment unserer Gegenwart komme.
Meine politische „Reifezeit“, in der ich ein politisches Bewusstsein aufbaute und dieses sich dann weiterentwickelte, begann in den 2000er Jahren. Oszillierte ich anfangs noch am rechten Rand herum, vor allem mit einigen wenig reflektierten, vor allem provozierenden und revisionistischen Haltungen, wie sie in dem Alter immer attraktiv sind, radikalisierte ich mich Mitte der 2000er Jahre rapide in Richtung links (ein Prozess, der übrigens ab 2006 ziemlich lückenlos über das Archiv des Vorgängerblogs „Oeffinger Freidenker“ nachverfolgbar ist, als Hinweis an meine künftigen Biografen). Es war die Hochzeit der Reformära: Quasi über alle Medien hindurch bestand der Konsens, dass es nur eine alternativlose Politik gäbe, die neoliberaler Reformen. Deregulierung, Sozialstaatsabbau und Steuersenkungen waren das Gebot der Stunde. Wer sich dem entgegenstellte, wurde mit großer Aggression attackiert. Man sehe sich nur damalige Interviews aus den Öffentlich-Rechtlichen mit Leuten wie Wagenknecht, Lafontaine oder Schreiner an.
Das aber änderte sich Ende der 2000er Jahre schleichend. Vermutlich war die Finanzkrise der größte ausschlaggebende Faktor, aber auch eine bis dahin bestehende fast 15jährige Dominanz dieser Politik (man kann den Anfang in die frühen 1990er Jahre setzen, spätestens mit der Ruck-Rede), die, wie eingangs erwähnt, immer von einer Gegenentwicklung abgelöst wird; kein Trend hält ewig, irgendwann setzt immer Ermattung bei den Gewinnern an, wittern die Verlierer Morgenluft. Eine Dynamik, die sich immer wiederholt. Nur: aus den Äußerungen von Linken hätte man das nicht entnehmen können. Die harsche Kritik an Angela Merkel nahm nicht ab, die Finanzkrise galt als Beweis der weiterbestehenden Dominanz des Systems, und so weiter. Dass der aggressive Ton der Berichterstattung und der Interviews abgenommen hatte; dass die FAZ unter ihrem Herausgeber Frank Schirrmacher eine weithin gefeierte kapitalismuskritische Feuilleton-Serie auflegte; dass an realen politischen Handlungen seit 2009 effektiv keine neoliberale Politik mehr gemacht worden war – all das wurde übersehen.
Und damit kommen wir zu meiner großen These: aktuell erleben wir einen Rechtsruck der Gesellschaft und der Politik. Ich würde den Beginn auf Sylvester 2015/16 setzen, als die Stimmung bezüglich Migration und Flüchtlingen massiv und irreversibel umschwang, eine Umschwung, der in den Anschlägen von Solingen 2024 seinen sichtbarsten Niederschlag fand, als die uniforme Forderung nach schärferer Asyl-, Abschiebe- und Migrationspolitik den besten Zeiten gleichförmiger Forderungen nach Klimapolitik oder neoliberalen Reformen entsprach. Etwas weniger eindeutig an Ereignissen festzumachen ist die „anti-Woke“-Bewegung, aber geht man nach der Verwendung des Wortes in Deutschland, liegt das zwischen Mai 2021 und dem Frühjahr 2022. Da das Wort in Deutschland nie von denen gebraucht wurde, die für die damit verbundenen Konzepte eintreten, sondern nur von seinen Gegner*innen, ist die entsprechende Suche nach seinem Gebrauch instruktiv.
Denn auch hier braucht es ja wieder überhaupt die Sprache und das Konzept, den Resonanzraum, um das sinnvoll politisch verwenden zu können. Wie Cancel Culture (Höhepunkt der Verwendung sicherlich nicht zufällig ebenfalls im Mai 2021) war auch „woke“ ein reiner rechter Kampfbegriff und US-Import; sehr erfolgreich in beiden Fällen, übrigens. Aber der Punkt hier sei noch einmal gemacht: die Beschwerden über Wokeness und Cancel Culture fielen in eine Zeit, in der das kritisierte Phänomen bereits auf dem Rückzug war. Es war gerade seine Schwäche, nicht seine Stärke, die den allumfassenden Diskurs überhaupt erst ermöglichte. Dass das ganze Land Wokeness-Kritik diskutiert und über Gefährdungen der Meinungsfreiheit durch Wokeness schwadroniert und sogar erfolgreiche „Komödien“ produziert, ist nur dadurch möglich, dass ein tiefergehender Rechtsschwenk bereits vorher eingesetzt hatte. Die Performance der Ampel war vielleicht auch deswegen so mies, weil sie ihren Moment eigentlich verpasst hatte. Die Stimmung hatte sich bereits gegen ein linksliberales Projekt gewandt.
Aber das ist nur eine Nebenthese. Mein Fokus bleibt auf der Frage, ob sich aktuell eine ähnliche Reaktion beobachten lässt. Dass es aktuell einen Rechtsrutsch gibt, sollte unstrittig sein. Auf praktisch allen relevanten Gebieten hat sich die Mitte verschoben: Klimaschutzmaßnahmen sind wieder unbeliebt wie früher; Emanzipationsthemen gelten als übergriffig, überflüssig und nervig; Migration wird abgesehen vom Feigenblatt der angeblich erwünschten qualifizierten Zuwanderung abgelehnt; Integration wird vor allem als Forderung formuliert; der Sozialstaat steht unter Beschuss; die Bundeswehr soll gestärkt und eine Wehrpflicht wieder eingeführt werden; und so weiter und so fort. Mir fiele kein Thema ein, bei dem in den letzten beiden Jahren die Mitte nach Links gerückt wäre.
Und trotzdem herrscht noch immer eine Opferwahrnehmung bei zahlreichen Konservativen von Ulf Poschardt bis Dieter Nuhr vor. Obwohl wir gerade aus einem Wahlkampf kommen, in dem sowohl SPD als auch Grüne einen weichgespülten, kantenfreien Ansatz wählten („Mehr für Deutschland“ und „Ein Mensch, ein Wort“), während die CDU ein identitätspolitisches Thema nach dem anderen bespielte, herrscht immer noch die Wahrnehmung vor, dass Identitätspolitik hier nicht stattfinden würde, als ob man immer noch im Jahr 2017 wäre und #BlackLivesMatter und #MeToo die dominierenden Themen wären und man immer noch ein Rückzugsgefecht um den Herrenwitz führte. Die gesamte Amtszeit der neuen Bundestagspräsidentin Julia Klöckner ist von solchen Maßnahmen geprägt, ob es der Kampf gegen Verstöße gegen die Anzugsnorm ist oder der Buhei um den ACAB-Pullover Jette Nietzards. Ihr neuester Vorstoß ist es, dafür zu sorgen, dass keine Regenbogenflagge mehr am Bundestag fliegt und die üblichen netten Worte zum CSD nicht mehr gebracht werden. Die Kommentarspalte der Welt jubelt, während selbst die FAZ etwas konsterniert fragt „Was soll der Geiz, Frau Klöckner?“ Auch der permanente Kampf gegen die Öffentlich-Rechtlichen, obwohl diese den Rechtsschwenk deutlich mitvollzogen haben (man sieht immer den Teil besonders grell, mit dem man nicht übereinstimmt), gehört in dieses Gesamtbild eines Gefühls, gegen einen übermächtigen Konsens anzukämpfen, wo man in Wahrheit selbst bereits den neuen Konsens repräsentiert.
Der zentrale Punkt dabei ist, dass diese Schwenks aus Sicht derer, die zu ihnen gehören, niemals weitreichend genug sind. Sie werden immer das Gefühl haben, dass in Wahrheit eigentlich kein Schwenk stattgefunden hat, genug Beispiele finden, die das zu belegen scheinen und mehr fordern. Das ist menschlich und normal, und es legt gleichzeitig die Grundlage für die nächste Erschöpfung, den nächsten Schwenk. Denn die Gegner, die jetzt von ihrer vorherigen Dominanz erschöpft sind, werden durch das ständige, lautstarke Bestehen darauf, dass sie sich ihre ideologische Niederlage nur einbildeten, verärgert, sich organisieren und offener und aggressiver auftreten. Und dann beginnt der Prozess von Neuem.
Nichts davon ist neu oder illegitim. Diese gesellschaftlichen Schwünge, innerhalb derer sich einerseits das Overton-Fenster verschiebt und andererseits die „Mitte“ neu definiert wird, passieren immer wieder. Sie werden dann als Links- oder Rechtsrutsch von jenen, die sich plötzlich deplatziert finden, lautstark beklagt. Ich kann nicht behaupten, dass mich der aktuelle Rechtsschwenk glücklich machen würde. Aber es werden wieder andere Zeiten kommen.
Jedenfalls, solange wir eine freie, demokratische und pluralistische Gesellschaft bleiben.
Ich habe mich hier entschieden, nicht ausführlich zu antworten. Sasses Feststellungen sind für mich so absurd, dass ich hier von der Einwohnerschaft in einem Paralleluniversum ausgehen muss.
Eine Sache dennoch zeigt mir, dass wir es bei Sasse mit einem hoffnungslos radikalisierten Linken zu tun haben, egal was mir Thorsten Haupts oder andere hier sagen:
In fünften Absatz vergleicht er das in Deutschland bis um die Jahrtausendwende bestehende Staatsbürgerschaftsrecht mit einem NS-Begriff. Das würde aber bedeuten, dass sehr viele Länder der Erde, die kein „Ius Sanguinis“ haben, in der Nähe der NS-Ideologie sind. Für mich absurd.
https://de.wikipedia.org/wiki/Abstammungsprinzip
Das bis zur Schröder-Zeit geltende Staatsbürgerschaftsrecht geht ja nicht auf die NS-Zeit, sondern auf das Staatsbürgerschaftsrecht von 1913 zurück. Die durch die Nürnberger Gesetze geltenden Zusätze wurden in der Besatzungszeit soweit ich weiß abgeschafft. Trotzdem haut Sasse hier natürlich den NS-Vergleich heraus.
https://en.wikipedia.org/wiki/Blood_and_soil
Nun „haue ich“ auch gerne sehr deutlich Dinge raus. Mir geht es nur darum, mit wie unterschiedlichen Maßstäben hier gemessen wird.
Dann wird Julia Klöckner scheinbar dafür kritisiert, dass sie die Regenbogenflagge vom Bundestag wieder abgehängt hat („ihr neuester Vorstoss“). Sasse meint, Aufregen über Wokeness sei absurd und die Gegner würden „schwadronieren“, aber für mich stellt sich die Frage: Wieso muss eine Regenbogenflagge *überhaupt* auf dem Bundestagsgebäude (!) hängen? (und wenn es nur zum Christopher Street Day ist). Bereits der Startpunkt der Debatte ist bereits ein extremer Startpunkt, der hier einfach von den Woken eingeführt wird. Wenn ich dann frage, warum man nicht auch eine Flagge der Kaninchenzüchtervereine Deutschlands mal aufhängt? – Ich denke, die Antwort wird immer darauf hinauslaufen, dass diese keine sexuelle Minderheit sind und daher gesellschaftlich repressiven Tendenzen unterworfen sind. Das ist aber, selbst wenn das stimmen würde, noch lange keine Begründung, deswegen am ehrwürdigen deutschen Bundestag eine spezielle Flagge aufzuhängen. Für Wokies ist das aber selbstverständlich und sie drehen in grotesker Art und Weise Dinge einfach um: Die Beweislast soll natürlich auf diejenigen fallen, die diesen Zustand absurd finden. Nein danke.
Klöckner stellt hier nur einen vollkommen nachvollziehbaren Standard wieder her.
(So viel zu meiner nicht „ausführlichen“ Antwort. Wurde natürlich wieder ausführlicher. Dabei habe ich die Tatsache, dass immer mehr Menschen begreifen, wie problematisch und welche negativen Effekte Zuwanderung aus bestimmten Gebieten hat, noch gar nicht aufgegriffen. Für den Verfassungsschutz ist das wahrscheinlich schon gegen die Menschenwürde. Na dann.)
… hoffnungslos radikalisierten Linken …
ROFL. Stefans Auffassungen sind bei den unter 45 jährigen in Deutschland irgendwas von 35% der erwachsenen Gesamtbevölkerung. Nichts dfagegen, die alle als „hoffnungslos radikalisiert“ zu bezeichnen, politisch ist das allerdings nicht sehr erfolgversprechend. Kommen Sie mal wieder runter.
In fünften Absatz vergleicht er das in Deutschland bis um die Jahrtausendwende bestehende Staatsbürgerschaftsrecht mit einem NS-Begriff.
Yup, das war auf der gesamten politischen Linken schon weit vor der Grundgesetzänderung 1999 Konsens. Blödsinnig, aber so war (und ist) das.
Gruss,
Thorsten Haupts
Point taken, Formulierung war doof. Ich ändere das.
@ Thorsten Haupts:
„Kommen Sie mal wieder runter“
Ganz ruhig, lieber Thorsten Haupts.
Es gibt einen Unterschied zwischen „Ich setze jede Forderung der Transaktivisten um und möchte eine Flagge, welche sexuelle Minderheiten im Promillebereich repräsentiert in einer maximal öffentlichkeitswirksamen Form auf dem Bundestag wehen lassen und bei der Fußball-WM die Binde tragen und sage dies ist ein Staatssymbol so wichtig wie die Nationalflagge und und und“
sowie
„Ich akzeptiere, dass es das Phänomen Transpersonen gibt, welche als Erwachsene das Recht auf eine Geschlechtsumwandlung haben sollten. Es gibt allerdings einen absolut nachvollziehbaren Standard, deren Maximalforderungen nicht zu übernehmen.“
Wenn Sie nicht sehen, dass es zwischen diesen beiden Positionen massive Unterschiede gibt, dann hat Stefan Sasse sie schon komplett von progressiven Orthodoxien überzeugt. 🙂
Ich wette übrigens mit Ihnen, selbst viele Millennials und Generation Z Personen sind weit näher an 2 als an 1.
Ja, ich glaube auch, dass Thorsten von progressiven Orthodoxien überzeugt ist.
@ Thorsten Haupts 23. Juni 2025, 11:51
Kommen Sie mal wieder runter.
Da schließeich mich an.
Wenn man Stefan Sasse als linksradikal bezeichnet, wäre ein angemessenes Äquivalent für den AfD-Verteidiger Richtung rechts nicht mehr vorhanden.
Danke.
„Dabei habe ich die Tatsache, dass immer mehr Menschen begreifen, wie problematisch und welche negativen Effekte Zuwanderung aus bestimmten Gebieten hat, noch gar nicht aufgegriffen. Für den Verfassungsschutz ist das wahrscheinlich schon gegen die Menschenwürde. Na dann.“
Schönes Beispiel für den oben beschriebenen Mechanismus: Obwohl laut Selbstaussage die Mehrheit in die „eigene Richtung“ rückt, stilisiert man sich immer noch als Opfer und fantasiert gar Verfolgung durch den Verfassungsschutz herbei. Na dann.
„Es war die Hochzeit der Reformära: Quasi über alle Medien hindurch bestand der Konsens, dass es nur eine alternativlose Politik gäbe, die neoliberaler Reformen. Deregulierung, Sozialstaatsabbau und Steuersenkungen waren das Gebot der Stunde. Wer sich dem entgegenstellte, wurde mit großer Aggression attackiert. Man sehe sich nur damalige Interviews aus den Öffentlich-Rechtlichen mit Leuten wie Wagenknecht, Lafontaine oder Schreiner an.“
Beschreibung dieser Zustände in den 2000ern lese ich von Sasse oft. Erinnert mich an eine Studie von Lobbycontrol zur damals beliebten Fernsehsendung „Sabine Christiansen“. Könnte für dich eventuell interessant sein, wenn du das noch nicht kanntest.
https://de.wikipedia.org/wiki/Sabine_Christiansen_(Fernsehsendung)#Lobbycontrol,_2006
Das scheint ja für dich immer die absolute „Smoking Gun“ zu sein, dass es früher „rechte“ Einflussnahme beim Öffentlich-Rechtlichen gab.
Nun. Kennst du den „Political Compass“?
https://www.politicalcompass.org/
– Der hat zwei Achsen: Eine ökonomische und eine gesellschaftspolitische. Selbst wenn wir also sagen, dass es auf der ökonomischen Achse einen Bias zugunsten der Neoliberalen in den 2000ern gab bei der Berichterstattung, heißt das halt NULL, dass es dies auch jemals im gesellschaftspolitischen Bereich stattfand. Und da finden ja Diskussionen über Zuwanderung oder Wokeness statt.
(Im Übrigen platziert der „Political Compass“ die halbe Welt im oberen rechten Quadranten, weil für den alles bereits „neoliberal“ ist.)
Eile und Umfang der Erwiderung bestätigen Stefans These eindrucksvoll.
Der i-Punkt: „… stellt hier nur einen vollkommen nachvollziehbaren Standard wieder her.“
🙂
Exakt 😀 😀 😀 Aber es war extrem vorhersehbar, dass genau das passiert.
Da waren meine internen Abwehrsysteme gegen „Ragebait“ wohl so down wie zur Zeit die iranische Luftabwehr. 🙂
Leider kann ich in eurem kleinen Ping-Pong-Spiel gegen meinen Beitrag halt auch nicht die argumentative Durchschlagskraft der israelischen F35 erkennen. Aber das könnt ihr euch ja trotzdem einreden, wenn es euch tröstet.
So hat jeder seine Defizite. Bis zum nächsten Mal. 🙂
Und wo liegt jetzt bei diesem Kommentar der „Gotcha“-Moment, den Sie durch den Ton des Kommentars implizieren wollen, lieber CitizenK?
Erleuchten Sie mich doch. 🙂
Was ist der/ein Gotcha-Moment? Ich könnte auch googlen, aber in diesem Zusammenhang möchte ich es von Ihnen/Dir wissen.
Ich halte recht wenig vom Politischen Kompass, aus genau dem Grund. Danke für die Studie. Und die 2000er als woke zu sehen, ist…eine These.
Schönes aktuelles Beispiel – Jan Fleischhauer sieht Deutschland durch E-Autos bedroht:
https://www.focus.de/politik/deutschland/schweine-auf-stoeckelschuhen-warum-das-e-auto-ein-historischer-irrtum-ist_dd172013-5159-4f6f-b938-0964b0ac6c02.html
Das ist Ragebait für seine Stammleser, aber für die tatsächliche Entwicklung des Automarkts irrelevant, weil die technische Entwicklung sich nicht von Fleischhauers ästhetischen Vorlieben beeinflussen läßt.
Stimme dir ja zu, mir ist nur der Bezug nicht ganz klar?
Es ist ein gutes Beispiel für die Opferwahrnehmung konservativer Meinungsführer:
„Es ist erstaunlich, wie schlecht ein Produkt geredet wird, von dem so viel abhängt.“
Hier bleibt schon mal unklar, wer hier welche Autos schlecht redet. Wirklich beliebt waren Leute, die mit Höchstgeschwindigkeit über die Garmischer Autobahn brettern, ja auch nie.
„Ich habe mich ausführlicher mit einem Tesla-Fan unterhalten.“
Wichtig für all diese Meinungsstücke – die Basis für die anekdoktische Evidenz möglichst klein halten, damit die Schlüsse, die man aus ihr zieht, um so waghalsiger sein können.
„Ich fürchte, die Elektromobilität ist ein großer Irrweg. Sie zeigt, was passiert, wenn Politiker, die nicht einmal wissen, wie man Maserati buchstabiert, den Weg vorgeben.“
Das läßt sich übersetzen in „Ich traue nur Politikern, die meine abseitigen Hobbys teilen“.
„Man mag einen VW Taigo für den Triumph der Autotechnik halten und entsprechend verächtlich über alles reden, was über mehr als vier Zylinder verfügt. Aber wer keinen richtigen Porsche mehr will und keinen teuren Mercedes oder Audi, der sollte dann auch dazusagen, dass er die Exportnation Deutschland für ein Auslaufmodell hält.“
Und hier hat sich dann der Kulturkämpfer-Diskurs endgültig von der wirtschaftlichen Realität entkoppelt. Und so kommt es dann wieder zum Schwenk in die andere Richtung, weil die Gegner nicht nur „sich organisieren und offener und aggressiver auftreten“, sondern auch mit einem neuen Arsenal an Argumenten auftreten, das in der letzten Runde des Kulturkampfs noch nicht zur Verfügung gestanden hat – gut abzulesen in den Antworten, die Fleischhauer auf Twitter erhalten hat:
https://x.com/janfleischhauer/status/1936369970591453266
Quasi über alle Medien hindurch bestand der Konsens, dass es nur eine alternativlose Politik gäbe, die neoliberaler Reformen. Deregulierung, Sozialstaatsabbau und Steuersenkungen waren das Gebot der Stunde. Wer sich dem entgegenstellte, wurde mit großer Aggression attackiert.
Das müsste sich dann ja in der Politik niedergeschlagen haben und erkennbar zu einer Senkung der Sozialausgaben geführt haben, oder? Da es die nicht gab, bezweifle ich die gesamte Darstellung an dieser Stelle – sehr 🙂 .
Mir fiele kein Thema ein, bei dem in den letzten beiden Jahren die Mitte nach Links gerückt wäre.
Ohne Schamröte? Aus dem Stegreif: Gesetzliche Mietendeckelung und das neue nicht hinterfragbare Recht, alle 12 Monate das Geschlecht wechseln zu dürfen. Ist für Dich NICHT „nach links gerückt“? Staun.
… obwohl diese den Rechtsschwenk deutlich mitvollzogen haben …
Aha. Woran genau erkennt oder misst man das? Es gab in den letzten 2 Jahren genau EINE neue Politik-Sendung in den ÖRR, die tatsächlich einmal die rechte Mitte spiegelte. Und genau EINEN Kommentar zu Hauptsendezeiten, den man als „rechts“ verorten kann. Wenn Du mehr hast, her damit, ansonsten halte ich das für eine durch keine beobachtbaren Fakten belegte Behauptung.
Nichts davon ist neu oder illegitim.
Das war in den achtzigern des letzten Jahrhunderts der Konsens, der mich von der liberalen Demokratie überzeugte. Er existiert nicht mehr, weder links noch – in den USA live zu beobachten – rechts. Und genau deswegen begann der Tod liberaler Gesellschaften schon vor mehr als 10 Jahren.
Gtruss,
Thorsten Haupts
Das müsste sich dann ja in der Politik niedergeschlagen haben und erkennbar zu einer Senkung der Sozialausgaben geführt haben, oder?
Das hat sich sehr wohl in der Politik niedergeschlagen. Dass das dann nicht zu verringerten Sozialabgaben und einer Senkung des Staatshaushaltes geführt hat, ist eine andere Geschichte. Die 90er waren gepraegt durch Privatisierung von Post, Bahn, Telekom, sowie unzähligen Stadtwerken. Das Renteneintrittsalter wurde erhoeht, die Riesterrente eingefuehrt, Minijobs, die Hartz-Gesetze, Praxisgebuehr, Studiengebuehren, Senkung des Spitzensteuersatzes ……
Richtig. Genau wie es ja auch viele Initiativen und so in Richtung progressiv-„woke“ gab. Nur halt nicht die Dominanz, die da übersteigert behauptet wird.
Ihr behauptet eine woke Dominanz, die ihresgleichen sucht. Die müsste ja dann auch zu konkreten Gesetzen geführt haben, hat sie aber auch nicht ^^
das neue nicht hinterfragbare Recht, alle 12 Monate das Geschlecht wechseln zu dürfen. Ist für Dich NICHT „nach links gerückt“? Staun.
Gerade bei dem Beispiel würde ich allerdings das anführen, was Stefan insgesamt zur Ampel meinte. Der Gesetzesprozess hat solange gedauert, dass der Zeitgeist den ziemlichen Konsens „soll jeder das Geschlecht haben, dem er sich zugehörig fühlt“ schon verlassen hatte und zur Kampffrage „gibt es generell eine Geschlechtsproblematik oder ist das sowas wie eine Woke-Fantasie“ gewechselt hatte.
Andersherum würde ich ähnliches auch zur Ehe für alle sagen, das Gesetz selbst hing ja bestimmt mindestens eine Dekade dem Zeitgeist hinterher.
Und das sind Sachen, wo es dann wirklich Gesetzesänderungen gab, das ist ja keine Selbstverständlichkeit. Zb beim Thema Abtreibung hab ich das Gefühl, dass alle paar Jahre ne Änderung (in eine von zwei Richtungen) diskutiert wird, aber nie politische Mehrheit, Zeitgeist + Handlungsdruck zusammenfallen.
„Nicht ich habe die Mitte verlassen, die Mitte hat mich verlassen„
Was Sasse natürlich komisch findet. Und genau das ist halt der Grund, warum wir jetzt zweimal den „Orange Man“ aushalten müssen.
Sasse erklärt das dann immer mit Dingen wie…
„2024 war für Incumbents ein allgemein schlechtes Jahr“ (Debatte beendet) oder „Das war halt ein kosmischer Zufall, dass die extrem policy-orientierte und tolle Hillary Clinton an diesem Tag im November 2016 verlor. Da sollte man nicht mehr reininterpretieren, da haben halt an diesem Tag ein paar Zufallsfaktoren reingespielt.“
Viel Spaß, mit Präsident JD Vance ab 2029. Sam Harris hat das mal schön begründet, dass die Demokraten da falsch abgebogen sind. Sind nur 40 Minuten.
https://www.youtube.com/watch?v=txjr4IdCao8&t=2210s
Der Komiker Bill Maher glaubt seit langem ebenso, dass die Demokraten falsch abgebogen sind. Wir werden bald wissen, ob jetzt aus Sicht der Wähler die Republikaner falsch abgebogen sind, weshalb ich noch nicht auf Vance 2029 wetten würde 🙂 .
Klar. Ich denke aber, dass das bald korrigiert wird. Wenn man auf die aktuellen Wahlen und Parteidispute schaut, kann man erkennen, dass es bei den Democrats da bereits entsprechend wetterleuchtet.
Sam Harris hat das gut erklärt und er hat damals vor der Wahl gegen Ben Shapiro argumentiert, der trotz Trumps deutlicher charakterlicher Defizite für ihn stimmen wollte. Wie gesagt: Habe das nicht ohne Grund verlinkt.
Bill Maher mag ich. Hier ein Clip von ihm, wo er sich vor ein paar Jahren über einen feministischen Shitstorm einer typischen hysterischen Journalistin lustig gemacht hat. Ich musste lachen:
https://www.youtube.com/watch?v=5tu9JGK_yHo
Klar magst du den, der sagt ja auch Dinge, denen du zustimmst 😀 Komisch, mir geht das mit Comedians, die meine Positionen vertreten, oft auch so 😀
Ja älter die Videos sind, die man verlinkt, um so wahrscheinlicher, daß man ein totes Pferd reitet.
@ sol1: Sie hätten auch einfach mitlachen können. Schade. 🙂
Willst du mich auf einem Comedywürdigungsstuhl festschnallen?
Ich beende die Debatte damit nicht. Ich halte es für zweifelsfrei, dass es einen Rechtsschwenk gab. Mein ganzer Artikel, den du hier kommentierst, hat das als Grundprämisse! Das schlechte Jahr für incumbents ist für mich nur für eine Sache ein relevantes Argument: ob Harris‘ Wahlkampf katastrophal war. Das wird mit dem Ergebnis oft begründet, und mein Punkt ist: nope.
Ein wirklich interessanter Gedankengang, aber ich habe da ein paar Ergänzungen:
1) El-Mafaalanis „Kontaktthese“ ist in meinen Augen ein schwaches Argument. Er differenziert zu wenig zwischen „Reden mit“ einer Gruppe und „Reden über“ sie.
2) Das von AfD-Verteidiger angesprochene Zwei-Achsen-Modell („politische Kompass“) mit ökonomischer Links („Umverteilung nach unten“) – Rechts („Laissez faire“) Achse und gesellschaftlicher („liberal“ – „autoritär“) Achse ist wesentlich aussagekräftiger als die einfache „Gesäßgeographie“ – gerade in diesem Zusammenhang.
3) Denn der „Rechtstrend“, den du ansprichst, ist vor allem ein Trend in Richtung autoritäres Gesellschaftsverständnis. Und da waren die Kippunkte neben 2015 auch 2020 und 2022.
4) Und erst dadurch wird der von El-Mafalaani beschriebene Konflikt verhärtet. Dadurch, dass die gesellschaftliche Toleranz sinkt, wird Deutungshoheit entscheidend. In der Methodik agieren „Woke“ und „Anti-Woke“ ähnlich illiberal – autoritär.
5) Wenn man andererseits die ökonomische Achse betrachtet, so ist die Politik der letzten Jahren etwa auf einer Linie geblieben, so wurde die Teuerung mit einer Mindestlohnerhöhung „abgefangen“. Da aber die verteilbaren Ressourcen wohl knapper werden, wird es auch in dieser Dimension einen Rechtsruck geben. In den letzten paar Wochen habe ich mehrere Artikel aus dem 00er-Jahre Genre „So faul und frech sind Arbeitslose gesehen.
6) Und dann ist da noch das andere Problem: Der Unterschied zwischen Bevölkerung und „politischer Klasse“. In der Lebensrealität sind die meisten Menschen wesentlich maßvoll-toleranter („liberal“) in beide Richtungen als die politisch-mediale Blase (beide Richtungen) denkt. Der vermeintliche Erfolg der „Anti-Woken“ beruht doch darauf, dass die „Woken“ aus der politischen Klasse übersteuert haben und deshalb angreifbar sind.
1) Ich erinnere mich nicht gut genug an das Buch, um das falsifizieren zu können.
2) Ja, es ist minimal besser. Aber lässt sich super schwer und nur sehr clunky in Worte packen.
3) Nein, bei weitem nicht nur. Wir haben auch eine klare Wende gegen progressiv-emanzipatorische Ideen, eine klare Ablehnung von Diversität etc.
4) Ich weiß nicht, ob ich das kaufe. Aber ist eine interessante Idee.
5) Da red ich ja immer wieder drüber.
6) Ist das nicht genau meine These? 🙂
3) Und da sind wir auseinander. In meinen Augen sind das zwei Teilschauplätze des Kampfs um Deutungshoheit (mein Punkt 4) der eben kaum Auswirkungen auf das ökonomische Links-Rechts hat.
6) Was es ja nicht falsch macht 😉 . Aber für mich geht das noch einen Punkt darüber hinaus. In der Wirklichkeit der breiten Masse ist dieser Trend (die Pendelbewegung, wenn du so willst) viel schwächer als innerhalb der politischen Klasse (und der Milieus, in denen politische Selbstdarstellung wichtig ist).
Persönliche Erfahrung: Das Beispiel von Thorsten Haupts (sich mit jemanden hart politisch auseinandersetzen und hinterher dennoch ein „no hard feelings“ Bier trinken) geht in meinen Augen immer noch, auch wenn der Ton tatsächlich etwas verhaltener ist.
Und deswegen denke ich, dass der autoritäre Trend kein Schicksal ist, sondern künstlich durch zwei Fraktionen der politischen Klasse induziert wird.
3) Wie meinen?
6) Ich denke, das geht grundsätzlich, viel dieses Eindrucks ist Krach in der Öffentlichkeit. Weil Menschen, die sich kennen, üblicherweise weiterhin streiten und Bier trinken können.
Dadurch, dass die gesellschaftliche Toleranz sinkt …
Yup, das ist jetzt seit einigen Jahren auch meine Diagnose. In den achtzigern konnte man sich noch offen streiten – bis hin zu veritablen politischen Beleidigungen – und danach gemeinsam ein Bier zischen gehen. Das ist defintiv vorbei, die eigene politische Überzeugung gehört jetzt zum Persönlichkeitskern. Und damit ist der Tod liberaler Gesellschaften IMHO bereits vorweggenommen, wenn das nicht schnell wieder aufhört..
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich glaube, ihr habt eine zu rosarote Sicht auf frühere Zeiten. Es ist wahr, dass die Polarisierung zugenommen hat, aber das kommt in Wellen.
Na ja. Ich habe sie als politisch Aktiver hautnah erlebt?
Klar, aber das war, vermute ich mal, deine Jugend. Und wir sind nicht die verlässlichsten Zeitgenossen, Jugenderlebnisse normativ gegen die Gegenwart zu vergleichen.
Die Zeit, in der ich politisch aktiv war, umfasste mein Leben ganz grob zwischen dem 25. und 35. Lebensjahr. Nein, keine Jugend“erinnerungen“.
Also selbst für Stefan und mich gelten die Jahre zwischen 25-35 ja mittlerweile schon als Jugend^^
Okay. Ich war mit 22 Offizier und hatte mit 23 Disziplinarveranteortung für 60 Leute. Unsere Jugenddefinition war offensichtlich etwas anders .
@ Thorsten Haupts 26. Juni 2025, 10:16
Ich war mit 22 Offizier und hatte mit 23 Disziplinarveranteortung für 60 Leute. Unsere Jugenddefinition war offensichtlich etwas anders.
🙂
@ Stefan Sasse
Die Mitte ist die Mitte zwischen den Extremen, also kein fixer Punkt.
Klingt nach „Median-Meinung“; die Richtung “Durchschnitts-Meinung“ würde ich für hilfreicher erachten.
„Nicht ich habe die Mitte verlassen, die Mitte hat mich verlassen„, oder so ähnlich. Aber das macht keinen Sinn. Wenn sich der gesellschaftliche Konsens bewegt, bewegt sich die Mitte mit ihm.
Ja, und deswegen macht die Aussage sehr viel Sinn. Wenn ich meine Meinung beibehalte und der „gesellschaftliche Konsens“ bewegt sich fort, verlässt der Konsens mich und nicht umgekehrt. Irgendwann kommt er schon wieder.
… aktuell erleben wir einen Rechtsruck der Gesellschaft und der Politik.
Wieder störe ich mich an Deiner Formulierung, obwohl Du Recht hast. Subjektiv erlebe ich nach zahlreichen Links-Ausschlägen ein Zurückschwingen in Richtung (meine) Mitte. Ist aber kein „Ruck“ oder „Rutsch“, sondern eher ein „Gleiten“.
Auf praktisch allen relevanten Gebieten hat sich die Mitte verschoben: …
Ich glaube nicht, dass sich die grundlegenden Einstellungen der meisten Menschen geändert haben, eher die mediale Berichterstattung darüber und, damit verbunden, der „Bekennermut“, sich zu Themen zu äußern, die früher verpönt waren.
Und trotzdem herrscht noch immer eine Opferwahrnehmung bei zahlreichen Konservativen von Ulf Poschardt bis Dieter Nuhr vor.
Oh Mann, Stefan. Wenn Du alle Mainstream-Meinungsmacher inkl. Kabarettisten zusammen nimmst, herrscht immer noch ein deutliches Übergewicht auf linker Seite. Und die Eigenwahrnehmung der Linken geht immer noch heftig in Richtung „Fortschritt“ (Progression) statt in Richtung „Veränderung“ (Mutation), glaubt also, dass jeder der von ihnen angestrebten Veränderungen eine Verbesserung ist; eine eher alberne Annahme, die aber stets zu einem Gefühl moralischer Überlegenheit gegenüber Menschen führt, die eine bestimmte Lösung gut finden, so wie sie ist.
… während die CDU ein identitätspolitisches Thema nach dem anderen bespielte, herrscht immer noch die Wahrnehmung vor, dass Identitätspolitik hier nicht stattfinden würde …
Herrscht auf beiden Seiten vor. War immer so, wird immer so sein.
Du hast Recht, es ist weniger ein Ruck als ein Gleiten, aber das Wort des Rucks wird ständig verwendet, deswegen hab ich es auch benutzt.
Nein, ich denke durchaus, dass sich auch Einstellungen verschoben haben. Ich beobachte das ja auch an mir selbst; ich bin etwa bei Migration deutlich nach rechts gerutscht. Das fällt euch nur nicht auf, weil ihr auch nach rechts gerutscht seid – und der Rest der Republik auch.
Ja, Kabarett ist links. War es auch schon immer. Das hat aber andere Gründe.
Hm, also nicht nur ich vermisse von Dir jegliche Positionierung, wonach Migration beschränkt werden sollte. Es ist auch nicht erkennbar, wo Du für die Durchsetzung von Abschiebungen bist. Die Verschiebungen finden – soweit überhaupt – nur im Theoretischen statt. So z.B. Abschiebungen ja, aber gross nicht in jene Länder, wo 90 Prozent der Flüchtlinge herkommen. Nichtanerkennung ja, aber vorher haben alle Anspruch auf Prüfung – Vorrang von EU-Recht vor dem Grundgesetz.
Mal zu den Relationen: Obwohl die USA viel größer sind, nimmt Deutschland fünfmal so viele Migranten auf. Umgekehrtes Bild bei den Abschiebungen. Und das sind noch die Zahlen vor Trump. Man muss nicht konservativ sein um zu sagen: Das geht nicht!
Ich versuche mich mal selbst zu überprüfen, aber ich finde nichts, wo ich „nach rechts“ gerückt wäre: Wie 2014 stehe ich zum Dublin-Abkommen und Artikel 16a GG. Auch vor zehn Jahren habe ich Abschiebungen und die deutliche Begrenzung des Familiennachzugs befürwortet. Und ich hätte es auch damals für irrwitzig gehalten, dass ein Asylbewerber beliebig oft Anträge stellen kann, ebenso, wie das pauschale Einfliegen von Migranten ohne Kenntnis ihrer Person. Was ich mir nicht hatte ausmalen können: Das Ausmaß an Terrorakten und den unter Scheinwerferlicht unfassbaren Anstieg der Gewaltkriminalität.
@ Stefan Sasse
Ich beobachte das ja auch an mir selbst; ich bin etwa bei Migration deutlich nach rechts gerutscht. Das fällt euch nur nicht auf, weil ihr auch nach rechts gerutscht seid …
Ist mir aufgefallen (aber „deutlich“ ist deutlich übertrieben 🙂 )
Ja, Kabarett ist links. War es auch schon immer. Das hat aber andere Gründe.
Ach, das muss so? Dann ist ja alles gut ^^
Ist ja letztlich wurscht, my point still stands.
Das „muss“ nicht so, das liegt nur in der Natur der Sache. Kabarett neigt zur Kritik an Hierarchien und Autoritäten.
Leider nein. Als es 1998 den Wechsel zu rot-grün gab, glaubte ich das auch noch. Bis zu den ersten Kabarett-Sendungen, die ich mir damals noch antat. Obwohl der Machtwechsel eindeutig war, droschen die „Kabarettisten“ monatelang weiter auf schwarz-gelb ein. Danach habe ich das Gucken eingestellt und weiss, dass die „Kritik an Hierarchien und Autoritäten“ glatt gelogen ist.
@ Thorsten Haupts 26. Juni 2025, 09:37
Obwohl der Machtwechsel eindeutig war, droschen die „Kabarettisten“ monatelang weiter auf schwarz-gelb ein. Danach habe ich das Gucken eingestellt und weiss, dass die „Kritik an Hierarchien und Autoritäten“ glatt gelogen ist.
Yepp, das war gemeint. Und man muss sich nur den medialen Gegenwind anschauen, dem dermoderate Nuhr (von derLINKEn bis zur AfD immer wieder alle unter Beschuss nimmt) teilweise ausgesetzt war. Nicht wirklich dramatisch, durchaus nicht, aber stärker als alles, was von der Anstalt über 3extra und heute-show gemeinsam zu erdulden wahr; der Einzige, der von linker Seite aus gelegentlich Feuer kriegt, ist Jan Böhmermann (dann allerdings für gelegentlich wirklich heftige Entgleisungen á la „Ziegenficker“).
… gelegentlich wirklich heftige Entgleisungen á la „Ziegenficker“ …
Ich habe bei meinen Ausflügen in den linken Social Media Dschungel zur Kenntnis nehmen müssen, dass für nicht wenigeLeute die Erwähnung der simplen Tatsache, dass es biologisch nur 2 Geschlechter gibt, über das Entgleisungspotential von „Ziegenficker“ weit hinaus geht und einen wirklichen Kriegsgrund darstellt. Schräg, aber so sind Menschen nunmal.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich sehe, was du meinst. Falls es dir hilft, ich mag das deutsche Kabarett auch nicht. ^^
@Stefan Sasse 25. Juni 2025, 08:05
Ist ja letztlich wurscht, my point still stands.
hmmmmmmmmm …
Ziemlich ruckartiges Gleiten, finde ich.
Und Kabarettisten sind keine Meinungsmacher, schon lange nicht mehr. Spassmacher trifft es besser. Oft leider auf peinlichem Niveau. Das Gejohle und Getrampel schon vor Beginn der heute-Show weist nicht eben auf ein Bedürfnis nach politischer Meinungsbildung hin
Jesses, wer die heute show schaut, dem ist auch nicht zu helfen. Die war vor 10, 15 Jahren schon scheiße.
Als Philosoph^^ sehe ich das so:
Wenn sich Bedingungen ändern, ändert sich auch derdiedas Bedingte. Die so genannte Freiheit ist eh nur ein Produkt der Einbildungskraft.
Die so genannte Freiheit ist eh nur ein Produkt der Einbildungskraft.
Nein, ist sie nicht. Sie ist niemals unbegrenzt und wird zusätzlich von materiellen Möglichkeiten eingeschränkt, aber zwischen dem Freiheitsraum des dienstpflichtigen Bauern von 1750 und dem eines Abkömmlings der Unterschicht heute liegen Welten! Ich reagiere auf den mir sattsam bekannten Sound von „Solange ich nicht ALLES kann und ALLES darf, was mir in den Sinn kommt, existiert Freiheit nicht“ inzwischen ziemlich allergisch. Das ist keine Frage der Einbildung, sondern eine der real existierenden und praktisch umsetzbaren Möglichkeiten. Sie möchten bei der Wahl zwischen „Pachtbauer 1750“ und „Unterschichtabkömmling 2025“ NICHT mit dem Bauern tauschen!
Gruss,
Thorsten Haupts
@Thorsten Haupts 25. Juni 2025, 22:51
Nein, ist sie nicht.
…
VOLLE Zustimmung !!!
Wieso redet man hier SEITENLANG mit einem Rassisten darüber, als könne man über seine menschenverachtenden Ansichten diskutieren?
Was soll das bringen, Stefan? AFD-Normalisierung auf Blog-Ebene.
Ich nehme an, du meinst den AfD-Wähler? Weil er oft genug einen Austausch ermöglicht. Und man die Hoffnung hat, wenn nicht Umstimmung, so doch wenigstens Verständnis zu erzeugen. Und weil mein Blog jetzt nicht das Massenpublikum hat, das irgendwie relevant wäre.
Mein Fokus bleibt auf der Frage, ob sich aktuell eine ähnliche Reaktion beobachten lässt. Dass es aktuell einen Rechtsrutsch gibt, sollte unstrittig sein.
Ich denke die Problematik dieses Stühlerückens ist, dass man das vermutlich erst in fünf Jahren oder so genauer definieren und analysieren können wird und nicht punktgenau, während man noch mittendrin ist. Das ist ja das Wesen des immerwährenden, wogenden Kampfes, das er keinen Endpunkt sagt. Kein Rechtskonservativer wird sagen „Ha, jetzt wo Julia Klöckner persönlich das Hissen der Regenbogenflagge unterbindet, ist der Kampf gewonnen und wir feiern jetzt den Sieg und haben für immer Deutungshoheit“
Wissen wir ja heute nicht, ob das der Beginn von etwas ist, der Peak oder schon Zeichen des Niedergangs (oder bedeutungslose Episode, die irgendwann Normalität ist. Oder weiß jemand wann und warum dieses Flaggenhissen eingeführt wurde?)
Ich hatte neulich so ein kleines Aha-Erlebnis, weil ich eine (höchst geheime) Guilty-Pleasures-Serie gebingt habe, die sich eine halbe Staffel lang mit dem Tod von George Floyd und BlackLivesMatters aus unterschiedlichen Perspektiven auseinandergesetzt hat. Das hat sich einfach angefühlt, als wäre das 100 Jahre her und es hat sich bestimmt nicht wie Peak Wokeness angefühlt, obwohl es das rückblickend war.
Es gab damals zum Beispiel in Deutschland endlose Debatten darüber, ob man eine Studie zu racial profiling machen sollte oder nicht. Weiß gar nicht, ob es da überhaupt zu einer Entscheidung kam. Aber heute sagen Merz und/oder Dobrindt sehr offen, dass wir auch ohne klare Rechtslage lieber erstmal komisch aussehende Menschen in komischen Autos an der Grenze zurückweisen sollten, während Normalos unbehelligt bleiben.
Und das sind ja keine Schwenks, die sich in einem Monat vollziehen, sondern da liegen knapp 10 Jahre zwischen. Wohlgemerkt von den selben Menschen, Merz hätte damals keinen Spruch über komisch aussehende Menschen (was eine Rhetorik überhaupt!) und Normalos gebracht und kein Grünlinker bricht heute plötzlich ne Debatte vom Zaun, dass racial profiling verboten gehört.
Ist ja genau mein Punkt: wenn du drinsteckst, merkst du es nicht.
„Im Jahr 2025 wurden in Deutschland bis Ende Mai rund 62.900 Asylanträge gestellt. Hochgerechnet auf das Gesamtjahr (ohne Berücksichtigung saisonaler Unterschiede) wäre mit circa 151.000 Anträgen zu rechnen; damit würde ihre Zahl das zweite Jahr in Folge deutlich und auf den tiefsten Stand seit 2020 sinken“ (statista)
Die Zurückweisungen machen nur einen Bruchteil aus.
Das Problem wird also kleiner, aber das findet keinen Widerhall in der politischen Diskussion – die Rhetorik ist unverändert.
Warum sollte das Widerhall finden? Die Einwanderung in ein Land darf nicht von weltpolitischen Zufälligkeiten abhängen. Und die Tatsache, dass wir – IMHO vorübergehend – einen absolut zufälligen Rückgang der Zahlen haben, ändert doch an der totalen Dysfunktionalität des gesamten Systems rein gar nichts. Wenn morgen die Zahlen wieder steigen, stehen wir ohne gravierende Änderungen wieder genau da, wo wir 2015 massiv fehlerhaft gestartet sind!
Gruss,
Thorsten Haupts
… weil erstens die Zahlen im historischen wie internationalen Vergleich weiterhin völlig überdimensioniert sind und weil zweitens die Anzahl der Asylanträge nur einen Ausschnitt zeigen. Relevant ist aber der gesamte Zuzug von Migranten (nicht Arbeitsmigration) inklusive Familiennachzug. Nur ein geringer Teil der Flüchtlinge stellt tatsächlich einen Asylantrag.
Die Zurückweisungen und insbesondere Abschiebungen sind ebenfalls im internationalen Kontext extrem niedrig und somit bleibt das Problem: Deutschland nimmt seit mehr als einem Jahrzehnt viel mehr (Armuts-) Migranten auf als es von den Strukturen und im Vergleichsmaßstab verkraften kann und belässt einen viel zu hohen Anteil an abgelehnten Asylbewerbern im Land, die weder Anrecht noch Perspektive haben.
Das Problem wird also kleiner, aber das findet keinen Widerhall in der politischen Diskussion – die Rhetorik ist unverändert.
Ich bin auch überzeugt, dass die absoluten Zahlen da quasi keine Rolle spielen (die Ukraineflüchtlinge tauchen dort übrigens nicht auf, weil die nicht über das Asylsystem laufen) und die ständige Fokussierung darauf sogar schädlich ist. Bei den Abschiebungen noch extremer, weil das dafür sorgt, dass man die einfachen Fälle nimmt, mit denen niemand ein Problem hat.
Die Hälfte der Zahlen, aber mit mehr Sorgfalt auf schwierige Fälle wäre deutlich effizienter als irgendwelche KiTa-Erzieherinnen zu nehmen.
Das politische Angebot war immer: Ermöglicht, dass wir die „Richtigen“ abschieben können – Vergewaltiger nach Afghanistan, Islamisten nach Syrien. Genau hier gibt es die politische Blockade von den links-grünen Milieus. Folglich werden „die Falschen“ abgeschoben, aber immerhin wird wenigstens ab und zu jemand abgeschoben. Und dann sind es im juristischen Sinne doch die Richtigen, wenn auch nicht im realpolitischen.
Das Problem ist eben, dass eine 25-Prozent-Minderheit de facto überhaupt keine Abschiebung will und andererseits keine Zurückweisung an den Grenzen. Das realpolitische Ergebnis aus diesem Moralismus ist dann, dass jeder nach Deutschland kann und keiner gehen braucht. Das findet eine große Mehrheit nicht richtig, um nicht zu sagen irrsinnig.
Das Problem, das hier angesprochen wurde, ist, dass dieses Angebot unrealistisch ist. Es ist merkwürdig, wie relevant dieses Argument bei der Vermögenssteuer ist und wie egal hier…
Wieso? Kein anderes Land der Erde steht auf der Position, nicht bestimmen zu können, wer innerhalb seiner Grenzen lebt und wer nicht. Ich hatte die Daten für die USA unter Biden (!) genannt: Nur ein Fünftel der deutschen Migration, ein Mehrfaches der Abschiebungen. Ich habe jetzt keine aktuellen Daten zur Hand, aber vor einigen Jahren lag Deutschland auch in den EU-Statistiken ziemlich am Ende mit seinen Quoten – und das, obwohl die Rechtslage Deutschland eigentlich bevorteilt.
Nur, wie gesagt: Wenn wir nicht die „Richtigen“ abschieben können, spricht eigentlich nichts dagegen, die „Falschen abzuschieben. Ich verstehe, dass das nicht so gut im Sinne der Realpolitik ist, aber es geht immer nur ein Prinzip: Entweder Abschiebungen erfolgen gemäß dem rechtlich Erforderlichen und Möglichen – und das ist dann eben auch die Erzieherin – oder aufgrund des Nützlichen.
Ich finde es nicht statthaft, sich rein opportunistisch das jeweils Passende rauszusuchen. Mir wäre es auch lieber, die „Falschen“ könnten bleiben. Das ist aber eben an eine Bedingung geknüpft.
Klar, weil es ja nicht um die konkreten Zahlen geht, sondern um das Gefühl, dass etwas getan wird (oder eben nicht). Die Integrationsdebatte hängt ja auch an einigen Talahoons am Bahnhof und nicht an einer breiten Datengrundlage, aber die Spacken sind halt hypersichtbar und sorgen dafür, dass sich viele unwohl und unsicher fühlen.
@ CitizenK 26. Juni 2025, 10:04
Ich habe meinen Senf noch nicht dazugegeben, also hier: 🙂
„Im Jahr 2025 wurden in Deutschland bis Ende Mai rund 62.900 Asylanträge gestellt. Hochgerechnet auf das Gesamtjahr (ohne Berücksichtigung saisonaler Unterschiede) wäre mit circa 151.000 Anträgen zu rechnen; damit würde ihre Zahl das zweite Jahr in Folge deutlich und auf den tiefsten Stand seit 2020 sinken“ (statista)
wenn wir diesen tiefsten Stand seit 2020 malfür 10 Jahre hochrechnen,landen wir erstmal bei immerhin 15 Millionen Menschen. Dazu kommt der Familiennachzug, der nicht als Asyl etc gewertet wird, aber durchaus relevante Größen erreicht. Dazu kommt die Ukraine, deren Flüchtlinge hierher auch im niedrigen 7-stelligen Bereich liegen (und niemand weiß, was passiert,wenn Russland sich weiter durchsetzt).
Die Zurückweisungen machen nur einen Bruchteil aus.
Das Problem wird also kleiner, aber das findet keinen Widerhall in der politischen Diskussion – die Rhetorik ist unverändert.
Das Problem wird nicht kleiner. Und jede Krise im Nahen oder Mittleren Osten, oder auch in Afrika, jede neue Dürrewelle, jede neue kriegerische Auseinandersetzung wird das Problem wieder rapide vergößern.
150.000 neue Menschen im Jahr (mit Familiennachzug um 50%-150% mehr?) bedeutet jährlich den Bedarf einer zusätzlichen Stadt wie Heidelberg, Osnabrück, Kiel oder größer (z.B.Mannheim,oder Bremen), samt jeglicher Infrastruktur wie Wohnraum, Kitas, Ärzte, Krankenhäuser, Pflegeheime etc (von Geschäften oder Verkehrsmitteln mal gar nicht zu reden). Können wir das leisten?
2016 lag der Bedarf bei einer zusätzlichen Stadt wie Hamburg, und seitdem ist jedes Jahr der Bedarf an einer Kleinstadt dazugekommen. Haben wir das auch nur ansatzweise hingekriegt?
Wenn Du dann noch verstehst, woran der Staat, die Länder, die Kommunen scheitern, wie Bauen funktioniert (bzw warum Wohnungsbau NICHT funktioniert), woran Infrastrukturprojekte scheitern (deutlich eher am Einspruch von Bürgern und an harschen Vorschriften als an fehlendem Geld), wenn Du die Personalsituation in Pflegeheimen und Krankenhäusern verstehst, wenn Du dann die stärker ausgeprägte Einstellung zur Selbstverwirklichung, zu mehr Freizeit bei den nachrückenden Generationen betrachtest, sollte Dir klar sein, dass es keinen Grund gibt, die Rhethorik zu ändern.