Marine LePen hasst amerikanische Medien und bekämpft mit deutschen Imperialisten und AOC die Inflation – Vermischtes 26.11.2024

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.

Fundstücke

1) The Lesson of This Election: We Must Stop Inflation Before It Starts

Ein brasilianischer Regierungsbeamter sagte einmal: „Arbeitslosigkeit schwächt Regierungen, Inflation bringt sie um.“ Nach Jahren des Vernachlässigens dieser Gefahr erinnert die Wiederwahl Donald Trumps Demokratien daran, dass Inflation die Stabilität bedroht. Die Biden-Regierung reagierte zunächst zögerlich und setzte auf Zinserhöhungen – mit dem Nebeneffekt, dass die Wohn- und Schuldenkrise verschärft wurde. Die heutige Realität, in der sich Krisen wie Naturkatastrophen und Konflikte häufen, erfordert neue Maßnahmen zur wirtschaftlichen Stabilität und zur Absicherung der Demokratie. Forschungsergebnisse zeigen, dass Großunternehmen in Krisen häufig Preiserhöhungen koordinieren und so die Inflation verstärken. Besonders Sektoren wie Öl und Gas erzielen hohe Gewinne, was soziale Ungleichheiten verschärft. Es wird vorgeschlagen, strategische Reserven wie die „Strategic Petroleum Reserve“ effizienter zu nutzen, um Preisschwankungen durch gezielte Käufe und Verkäufe abzufedern. Darüber hinaus könnten Puffer für kritische Mineralien und Lebensmittel helfen, extreme Preissprünge zu vermeiden. Antipreis-Wucher-Gesetze und Windfall-Steuern könnten verhindern, dass Unternehmen in Krisen von Preissteigerungen profitieren. (Isabella Weber, New York Times)

Diese Argumentation ist für mich völlig stichhaltig und der Grund, warum ich in meiner Liste zu Fehlschlägen den Artikel über Inflation nur als teilweise Fehlschlag betrachtet habe: meine Argumentation, man müsse keine Angst vor Inflation haben, war zweifellos einer meiner größten, wenn nicht der größte, Irrtum der letzten zehn Jahre. Aber dass die Politik, die von rechter Seite dafür kam – Zinserhöhungen – sowohl nicht hilft als auch kontraproduktiv ist. Letzten Endes hat Weber Recht, wenn sie betont, dass eigentlich keine Seite ein vernünftiges Rezept hatte, in meinen Augen, weil man die Gründe für die Inflation nicht richtig benannte. Ein korrektes Verständnis hierfür ist aber absolut notwendig, wenn man die richtigen Maßnahmen treffen will: die Zinserhöhungspanik der Zentralbanken etwa dürfte sich als ziemlich kostspieliger Fehler herausstellen, der auch darin begründet liegt, dass man als Werkzeug ausschließlich einen Hammer zur Verfügung hatte, die Probleme aber nicht alle Nägel waren.

2) Staatsanwaltschaft fordert Haftstrafe und fünf Jahre Unwählbarkeit

Marine Le Pen, die dreimal vergeblich für das französische Präsidentenamt kandidierte, könnte durch ein Pariser Strafgericht an weiteren politischen Ambitionen gehindert werden. Die Staatsanwaltschaft forderte eine fünfjährige Haftstrafe, davon drei Jahre auf Bewährung, und eine Geldbuße von 300.000 Euro wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder. Besonders schwerwiegend ist die Forderung, Le Pen für fünf Jahre das passive Wahlrecht zu entziehen. Dies würde sie sofort von politischen Wahlen ausschließen, auch bei Berufung. Die Anschuldigungen gegen Le Pen betreffen den Missbrauch von EU-Mitteln, wobei Parteimitglieder als parlamentarische Mitarbeiter bezahlt wurden, obwohl sie für die RN-Partei arbeiteten. Die Ermittlungen, eingeleitet durch Hinweise der EU-Betrugsbehörde OLAF, haben laut Staatsanwältin Neyton der europäischen Demokratie „schweren Schaden“ zugefügt. Weitere Belastungen kamen durch belastende E-Mails und Aussagen von Parteimitgliedern ans Licht. Das Urteil im Fall wird Anfang 2025 erwartet. (Michaela Wiegel, FAZ)

Wenn dieses Urteil tatsächlich rechtskräftig wird, ist das ein Erdbeben für die französische Politik. Dafür wird es bemerkenswert wenig rezipiert. Derselbe Ansatz wird ja schließlich gerade in Deutschland diskutiert und hätte den USA einiges erspart, wenn nicht Mitch McConnell ein solch charakterloser Feigling gewesen wäre (pars pro toto, versteht sich). Kann man den Extremist*innen mit Verboten das Handwerk legen? Der Blick auf Frankreich wird in der Folgezeit sicherlich noch interessant werden, auch deswegen, weil Korruption unter den populistischen Parteien weit verbreitet ist. Man denke nur an die Russlandverbindungen sowohl der AfD als auch des BSW, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht vollständig und richtig deklariert wurden. Es ist effektiv der Al-Capone-Ansatz: man erwischt den Killer über Steuerhinterziehung. Ob das im Ergebnis etwas ausmacht, wird sich weisen. Aber leichter zu beweisen als nebulöse „Verfassungsfeindlichkeit“ ist es allemal. Und eine Wahl 2026, bei der LePen nicht antreten darf, wird sicher einer anderen Dynamik folgen als eine, in der sie darf.

3) Why Americans Hate the Media

James Fallows analysiert in diesem Artikel aus The Atlantic von 1996 die Gründe für die sinkende Glaubwürdigkeit der Medien in den USA. Fallows argumentiert, dass die Medien zunehmend auf Sensationslust und politische Taktik fokussiert sind, anstatt die Öffentlichkeit über wesentliche Themen aufzuklären. Er beschreibt Beispiele, in denen Journalisten Politik als ein „Spiel“ darstellen, etwa indem sie Politiker vor allem zu ihrer Popularität oder Strategie befragen, anstatt die inhaltlichen Aspekte ihrer Politik zu analysieren. Ein zentraler Punkt ist die Selbstbezogenheit prominenter Journalisten und die Betonung von Unterhaltung statt Substanz in politischen Talkshows. Fallows kritisiert insbesondere, dass journalistische Formate oft inszenierte Konflikte bevorzugen, was zu einer trivialisierten Darstellung der Politik führt. Diese Haltung untergrabe die Verantwortung der Medien, zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beizutragen. Fallows warnt, dass diese Entwicklungen nicht nur das Ansehen der Medien schädigen, sondern auch das Funktionieren der Demokratie gefährden. (James Fallows, The Atlantic)

Ich möchte noch einmal auf das Erscheinungsdatum des Artikels, 1996, verweisen, weil wir hier in den Kommentaren oft die Diskussion über die Auswirkungen von Social Media haben. Die Abneigung gegenüber „den Medien“ ist offensichtlich bereits älter. Wenn mich die Erinnerung nicht trügt, ist diese im Übrigen auch ein Allzeit-Phänomen. Es wurde schon öfter darauf hingewiesen, dass der Journalismus in den 1950er bis 1970er Jahren eine höhere Autorität besaß, und das ist korrekt. Ich bin aber zunehmend unsicher, ob das nicht die Ausnahme von der Regel war; sowohl in Weimar als auch im Kaiserreich besaß der Journalismus soweit meine Erinnerung nicht trügt kein sonderlich hohes Ansehen. Interessant am obigen Text zu sehen ist übrigens auch, wie beharrlich die Kritik am „horse race journalism„, an der Konzentration auf Politics und an der Trivialität ist. In der alten BRD sprach man ja auch vom „Raumschiff Bonn“; auch hier ist die Kritik nicht neu.

4) How German Imperialism Rebranded Itself as Feminist

Die „feministische Außenpolitik“ Deutschlands, angekündigt im März 2023, ist erneut in den Fokus der Debatte gerückt, ausgelöst durch eine Pressekonferenz am 21. Oktober 2024. Dort diskutierten Außenministerin Annalena Baerbock und Vertreterinnen des Center for Feminist Foreign Policy (CFFP) über Themen wie Femizide und Abtreibungsrechte. Die Veranstaltung erntete jedoch massive Kritik: Proteste innerhalb und außerhalb der Konferenz warfen Baerbock „weißen Feminismus“ und die Vernachlässigung palästinensischer Frauenrechte vor. Diese Kontroversen verdeutlichen Widersprüche in der deutschen Außenpolitik. Trotz der offiziell erklärten Unterstützung für Frauenrechte exportiert Deutschland weiterhin Waffen an Länder wie Israel, Saudi-Arabien und die Türkei, was unter anderem die Unterdrückung der kurdischen Frauenbewegung unterstützt. Kritiker werfen Baerbock vor, feministische Rhetorik als Fassade für kapitalistische und interventionistische Interessen zu nutzen. Das CFFP, ursprünglich als unabhängige Stimme gedacht, wird selbst wegen seiner Nähe zur Bundesregierung kritisiert. Mehrere prominente Mitglieder, darunter internationale Feministinnen, traten aus dem Beraterkreis aus, teilweise aufgrund des Umgangs mit der Situation in Gaza. Linke Feministinnen wie Rosa Burç und Hêlîn Dirik betonen, dass echte Frauenbefreiung systemische Veränderungen erfordert, die mit der kapitalistischen Außenpolitik unvereinbar seien. Der Konflikt um die Definition und Umsetzung feministischer Außenpolitik zeigt, dass der Begriff oft als politisches Werkzeug verwendet wird, ohne echte strukturelle Probleme zu adressieren. (Magdalena Berger, Jacobin)

Die Linke wird echt immer bekloppter. Mir ist einfach unklar, warum ausgerechnet Gaza da der Hügel ist, auf dem zu sterben man sich entschlossen hat. Besonders absurd ist die verwendete Terminologie, wo ein „deutscher Imperialismus“ konstatiert wird. Das ist die gleiche Ecke, aus der diese plumpe Instrumentalisierung der Postkolonialismus-Theorie herkommt. Es ist auch der übliche linke Irrtum, dass man meint, weil die eigenen Verbündeten den eigenen Ansprüchen nicht genügten sie schlimmer seien als die Gegenseite. Erwartet Berger ernsthaft eine progressivere Außenpolitik, wenn die SPD oder FDP das Außenministerium besetzen? Oder glauben sie an das Hervorheben der inneren Widersprüche des Kapitalismus, das dann – dieses Mal aber wirklich! – die Revolution mit sich bringen wird, wenn man nur linientreu genug ist? Diese Leute machen wirklich denselben Fehler ein um das andere Mal. Es erinnert auch an Vietnam oder Kuba, wo ähnliche Dynamiken am Werk waren. Das Ho-Ho-Ho-Chi-Minh-Rufen ist irgendwo in derselben Kategorie wie die aktuelle Palästina-Romantik. Gemein ist dem Ganzen, dass man in den Opfern auch keine Menschen sieht, sondern nur Munition für den eigenen, sehr innenpolitischen ideologischen Grabenkampf.

5) ‘A change from the status quo’: the voters who backed Trump and AOC

In den USA sorgte die Wahl 2024 für Überraschungen, als einige Wähler sowohl Donald Trump als auch progressive Demokraten wie Alexandria Ocasio-Cortez unterstützten. Im New Yorker Stadtteil Bronx stieg Trumps Unterstützung um 11 Prozentpunkte auf 33 %, während Ocasio-Cortez mit fast 69 % wiedergewählt wurde. Dieses Phänomen des „Split-Ticket-Votings“ zeigt die Unzufriedenheit der Wähler mit dem politischen Establishment. Wähler nannten beide als „authentische“ Außenseiter, die gegen das System kämpfen. Ocasio-Cortez reagierte auf diese Dynamik und sprach von einem berechtigten Frust über eine Politik, die die Interessen von Konzernen und Reichen über die der arbeitenden Bevölkerung stelle. Auch Trump wurde von Wählern für seine systemkritische Haltung geschätzt. Das Phänomen könnte einen Kurswechsel in der amerikanischen Politik signalisieren, da Wähler zunehmend charismatische, populistische Kandidaten bevorzugen, die als „authentisch“ wahrgenommen werden. Für die Demokraten zeigt dies, wie dringend neue Strategien und Kandidaten mit glaubwürdigen wirtschaftlichen Botschaften nötig sind, um die Wähler zurückzugewinnen, insbesondere angesichts sinkender Wahlbeteiligung. (Edward Helmore, The Guardian)

Die These, dass es vor allem eine Anti-Establishment-Wahl war und sich um einen globalen Trend handelt, findet immer mehr Futter (letzteres geht aus dem Datenpunkt natürlich nicht hervor…). Ich halte es für zweifelhaft, dass die regierenden Democratsund überhaupt die Democrats – in der Lage wären, eine ähnlich populistische, anti-establishmentartige Gegenkandidatur zu Donald Trump ins Feld zu führen. Irgendwo muss der ganze Support der Institutionen und Eliten ja hin, und aus einer moderaten Regierung heraus kann man eben nur schwer einen solchen Generalaufstand proben (vom Personal mal ganz abgesehen). Deswegen glaube ich auch nicht, dass eine Kandidatur möglich gewesen wäre, die gegen Trumps Anti-Establishment-Credentials eine Chance gehabt hätte. AOC ist da eine Besonderheit, ebenso wie eine Ilhan Omar, aber die sind ja nicht mehrheitsfähig. Und oft merken sie das nicht mal.

Resterampe

a) Scholz mit seinem Scheiß Populismus für Arme.

b) Dreistigkeit siegt, CSU-Edition.

c) Diese Atomenergiedebatte, die Merz grad loszutreten versucht, ist auch nur ein sinnloser Kulturkampf ohne reale Verankerung.

d) Die deutsche Startup-Szene radikalisiert sich. Siehe auch hier zu Unternehmern in der Schweiz.

e) Dieser Punkt im Bluesky-Thread von Chris Hayes macht mich auch wahnsinnig.

f) Die Lügengeschichte um das angebliche Rückwärtsparkverbot geht möglicherweise auf KI zurück.

g) Lars Feld hat sich schon auch ganz schön ins Aus geschossen. Siehe auch hier.

h) Marco Herack auf Twitter zu strategischer Unabhängigkeit von den USA und der CDU.

i) Twitter-Thread von metaliberal zu Mileis Bilanz.

j) Dieser Bothsiderismus ist manchmal echt absurd (Twitter).


Fertiggestellt am 18.11.2024

{ 92 comments… add one }
  • Lemmy Caution 26. November 2024, 07:35

    i) Luis Caputo/Federico Sturzenegger aka Milei
    Die zwei erstgenannten machen die Politik, Milei verkauft sie. Das macht er gut, gerade wegen seiner exzentrischen Persönlichkeit.
    Wie ich bereits seit spätestens Dezember 2023 sage: Diese Regierung hat eine Chance, einfach weil die Lage so bedrückend war. Wir reden hier über ein klassisches Lateinamerikanisches Schockprogramm. Die sind brutal für einen großen Teil der Bevölkerung, aber wenn die Bevölkerung über Jahre sieht, dass die Wirtschaft stetig immer schlechter läuft, gewinnt das „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“ an Rückhalt.
    Viele haben in den letzten 10 Monaten verloren und trotzdem ist die Unterstützung der Bevölkerung die ganze Zeit über 50% geblieben. Die Resilienz dieser Leute ist der wahre Grund für den Erfolg.
    Trotzdem ist das Schockprogramm noch lange nicht aus dem Quark. Die Kapitalverkehrskontrollen (cepo) werden noch lange in 2025 aufrecht erhalten werden müssen. Erst wenn man irgendwann genug Dollar eingesammelt hat und die Aufhebung des cepo zu einem Fluß von Kapital nach Argentinien und nicht zu einem Fluß von Kapital aus Argentinien führt, wird man sehen, ob dieses Programm mittelfristig eine Chance hat.
    In dem verlinkten tweet steht, dass die Armutsquote seit Amtsantritt gestiegen ist. In Wirklichkeit betrug sie bei Amtsantritt 42%, im Südwinter/Nordsommer 52% und jetzt wieder 46%.
    Wichtig zur Stabilisierung ist das korrekte Timing der Maßnahmen. Das haben Caputo/Sturzenegger bis jetzt sehr gut hinbekommen. Wichtig war das blanqueo Gesetz aus dem Südwinter. Damit erlaubte man die Legalisierung von Schwarzgeld in einem bestimmten Rahmen und für bestimmte Fristen. Man ist nach wie vor angewiesen auf eine starke Medizin mit heftigen Nebeneffekten. Wichtig war, dass man für die Maßnahme den richtigen Zeitpunkt gewählt hatte. Noch wichtiger ist die Glaubwürdigkeit dieser Regierung, die sie sich mit einer starken Entschlossenheit erarbeitet hat.
    Ökonomische Entwicklung ist in vielem wichtigen Punkten ein langfristiger Prozeß. Das Schockprogramm der ersten Welle der chilenischen Chicaco Boys fuhr nach 7 Jahren an die Wand. Danach übernahmen erstmal wieder Estatisten und dann nach kurzer Zeit die zweite Welle unter Büchi. Argentiniens Liberalisierung unter Menem scheiterte 2002 nach 11 Jahren. Das brachte den Linksperonismus überhaupt erst an die Macht.
    Das Programm ist kurzfristig noch sehr verletzlich gegen externe Effekte: die Abwertung des brasilianischen Reals wird zu stark oder die Sojaernte fällt schlecht aus.

    • Lemmy Caution 26. November 2024, 08:00

      Für mich sind deutsche Diskussionen über die argentinische Wirtschaft schockierend. Die Leute vertreten extreme Ansichten und sobald die irgendein Datum aufschnappen, dass ihre Ideologie zu unterstützen scheint, zeigen die das triumphierend ihrer Leserschaft.
      Hier ein Beispiel vom letzten Wochenende: Morlan Stanley or some such prognostizierte für Quartal III ein Wirtschaftswachstum von 8,6%. Anstatt mal nachzudenken und sich zu überlegen, wie das angesichts eines prognostizierten Negativwachstum von -3% für das Gesamtjahr 2024 sein kann, sehen die einen „Beleg“ für ihre Ideologie.
      Der Ausreißer entstand dadurch, dass Soja das wichtigste Exportprodukt Argentiniens ist, die Sojaernte 2023 sehr schlecht und die von 2024 gut war. Außerdem lagerten die Sojaproduzenten etwas länger, so dass in QII etwas weniger und in QIII etwas mehr verkauft wurde.
      Wer plötzliche Erfolge bejubeln will, sollte ins Fußballstadion gehen. Wirtschaftspolitik ist in Wahrheit ein langfristiger Prozess und sollte auch so betrachtet werden.

      • Stefan Sasse 26. November 2024, 10:45

        Das ist ja fast immer so, wenn aufs Ausland geschaut wird. Man betrachtet es durch die Brille der Innenpolitik und sucht sich die passende Analogie.

        • Lemmy Caution 26. November 2024, 14:54

          Du hast mehrere Daten zu dem aktuellen BIP-Wachstum in Argentinien. Ein Datum unterscheidet sich stark von dem Trend der anderen Daten.
          Das normale Verhalten ist: Ich suche nach einer Erklärung für die Abweichung dieses Datums. Das ist in diesem Fall sehr offensichtlich, wenn man sich halbwegs über die Entwicklungen in Argentinien auf dem laufenden hälst.
          Das machen diese Leute nicht und das ist unredlich.

  • Lemmy Caution 26. November 2024, 10:40

    zu 1) Inflationssteuerung gemäss Isabella Weber.
    Zur Inflationssenkung ist die Zinserhöhung ein kurzfristig wirkendes Werkzeug. Wenn es strukturell ernst wird, kommt die Fiskalpolitik zum Einsatz.
    Das keynesianische IS-LM Modell, auf dessen Basis sich Volkswirtschaftsstudenten seit Jahrzehnten in die Makroökonomie einarbeiten, kennt zur Steuerung diese beiden Werkzeuge: Geld- und Fiskalpolitik.
    Isabella Weber ist ja auch sehr oft auf yt-Kanälen. Habe ich mir in letzter Zeit zu selten angehört. Aber das staatliche Management einzelner Preise wurde in der Vergangenheit des öfteren versucht und die Ergebnisse sind sehr entmutigend.
    Vielleicht nicht die schlechteste Idee, es mal mit den Basics zu versuchen. Lehrbuch. Makroökonomie von Olivier Blanchard und Gerhard Illing. 832 Seiten in der gebundenen Auflage. Ansonsten werden ständig neue Säue durch die Debatte getrieben. Modern Monetary Theory. Nun jetzt Modern Inflation Theory. Oder auf der anderen Seite Austrian Economics. Auf der Basis der Mainstream Theorie relativiert sich da vieles und man versteht auch Leute wie Rudi Bachmann besser.

    • Stefan Sasse 26. November 2024, 10:46

      Die Zinserhöhung ist alles, aber kein kurzfristig wirkendes Werkzeug! Die hat ein Lag von ein bis zwei Jahren!

      • Lemmy Caution 26. November 2024, 11:31

        Was ich meine sind die Punkte 7 und v.a. 9 hier:
        https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/geldpolitik-34043

      • Lemmy Caution 26. November 2024, 16:36

        Wo hast Du den Lag von 2 Jahren her?
        Wenn es teurer wird, Geld zu leihen, um ein Geschäft zu starten, dann werden ceteris paribus(*) viele Investitionsentscheidungen direkt gecancelt.

        (*) alle andere Einflußfaktoren bleiben gleich.

        • derwaechter 26. November 2024, 20:37

          Und nicht nur die kreditfinanzierten Investitionen gehen zurück. Auch Investoren die ihr Geld anlegen wollen, investieren weniger, wenn die Zinsen hoch sind.

          Auch Konsumentenkredite werden unmittelbar teuerer und in Ländern mit viel Wohneigentum und/oder weniger festverzinslichten Krediten steigen die Wohnkosten unmittelbar. Das macht sich schnell bemerkbar.

          • Lemmy Caution 26. November 2024, 21:10

            Die Sparquote wird normal höher, weil man für sichere Anlagearten wie festverzinsliche Wertpapiere ja höhere Realzinsen bekommt. Auch wegen größerer Unsicherheit wegen der sich abschwächenden Konjunktur.

            • derwaechter 26. November 2024, 22:10

              Guter Punkt. Insgesamt also eine ganze Menge Mechanismen durch die Zinserhöhungen ziemlich zügig zu einer Abkühlung der Konjunktur führen dürften. Und damit ceteris paribus auch zu weniger Inflation.

              Warum soll das denn ein-zwei Jahre dauern? Wobei ich das auch noch unter mindestens mal mittelfristig verbuchen würde.

              • Lemmy Caution 27. November 2024, 07:03

                Ok. Die zwei Jahre beziehen sich auf die Inflation. Got it.
                Die Alternative wäre aber, dass man mit Höchstpreisen direkt auf die Preisbildung der Märkte eingreift.

                Isabella Weber argumentiert damit, dass in einer Phase mit sich wegen eines externen Schocks „durchgerüttelten“ Preisen bestimmte Großunternehmen auf Märkten mit wenig Konkurrenz zu Preisabsprachen neigen, die diesen Unternehmen Übergewinne ermöglichen.
                Das vermutlich wichtigste Verkaufsargument des Neoliberalismus als dominierende Ideologie war gerade, dass es Behörden in aller Regel nicht besser wissen als der Markt. D.h. könnte der Staat die Höchstpreise richtig setzen und die Dauer der Maßnahme korrekt festsetzen? Als Beleg findet man bei Milton Friedman & friends dazu übrigens extrem häufig den Bezug auf Ludwig Ehrhards Preisfreigabe zur Einführung der D-Mark. Das alles widerspricht unseren Traditionen schon sehr.
                Im wirtschaftspolitischen Diskurs wäre sowas zur Zeit schwerer durchzusetzen als höhere Steuern. Andererseits kennen wir nicht die Auswirkungen der kommenden instabileren Ökologie auf die Volatilität der Märkte. Ich mag Isabella Weber.

              • Stefan Sasse 27. November 2024, 08:30

                Allein der erste Treffer wenn ich google „wie lange dauert es bis leitzinsänderungen wirken“ kommt hierher https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/geld-versicherungen/sparen-und-anlegen/leitzins-was-bedeutet-eine-aenderung-77248 und spricht von „mehrere Monate“. Ich habe da zugegeben vielleicht etwas zu hoch gegriffen, aber „kurzfristig“ ist daran genau gar nichts. Und spaßeshalber ChatGPT dazu:
                Die Wirkung von Leitzinsänderungen benötigt Zeit, da sie durch mehrere wirtschaftliche Mechanismen verzögert wird. Dies liegt an der komplexen Struktur der Wirtschaft und den Verhaltensweisen von Konsumenten und Unternehmen:

                Übertragungskanäle: Leitzinsänderungen beeinflussen zunächst die kurzfristigen Zinssätze, die Banken für Kredite und Einlagen anbieten. Dies wirkt sich auf Konsum, Investitionen und Sparverhalten aus. Unternehmen und Haushalte reagieren jedoch oft erst nach längerer Überlegung oder Anpassung ihrer Pläne.

                Vertragliche Bindungen: Viele Kredite, insbesondere Hypotheken, haben langfristige, festgelegte Zinssätze. Änderungen des Leitzinses wirken daher erst bei der Vergabe neuer Kredite oder nach Ablauf bestehender Verträge.

                Erwartungen: Wirtschaftssubjekte bewerten Leitzinsänderungen im Kontext der gesamten wirtschaftlichen Situation. Wenn sie skeptisch sind, ob die Änderungen nachhaltig sind, könnte die Anpassung ihrer Entscheidungen verzögert erfolgen.

                Zeitliche Verzögerung in der Realwirtschaft: Investitionen oder Konsumentscheidungen benötigen oft Zeit, um geplant, finanziert und umgesetzt zu werden. Dies bedeutet, dass der tatsächliche Effekt der Zinspolitik erst nach Monaten oder Jahren spürbar wird.

                Globale Einflüsse: Da Volkswirtschaften miteinander verbunden sind, können internationale Faktoren die Wirkung von Leitzinsänderungen abschwächen oder verzögern.

                In der Regel dauert es 6 bis 18 Monate, bis sich die Auswirkungen von Leitzinsänderungen vollständig entfalten. Zentralbanken berücksichtigen diese Verzögerung, wenn sie ihre Politik anpassen, um unerwünschte Nebeneffekte zu vermeiden.

                • Lemmy Caution 27. November 2024, 09:35

                  Der Begriff ‚kurzfristig‘ ist hier relativ zu verstehen.
                  In einem marktwirtschatlichen System versucht die Politik immer nur indirekt auf die Preise einzugreifen.
                  Deshalb bewertet u.a. Gablers Wirtschaftslexikon (Verlinkung oben) und ich das lag geldpolitischer Maßnahmen als kurzfristig.
                  So ein Staat kann natürlich auch direkt die Preise bestimmen. Das ginge dann innerhalb einer Sekunde. Aber davor schreckt die Politik auf den meisten Märkten zurück und es wäre sehr schwer vermittelbar.

                  • Stefan Sasse 27. November 2024, 12:49

                    Ok, aber unter kurzfristig verstehe ich einfach nicht 18 Monate, und auch sonst eigentlich niemand. Das ist eine Ewigkeit.

                    • derwaechter 27. November 2024, 16:37

                      Von mehrere Monate und 6 BIS 18 Monaten war die Rede, nicht von 18. Und wie Erwin richtig bemerkt „vollständig“.

                      Außerdem nicht vergessen, dass Inflation ja auch kein kurzfristiges Problem ist. Es ist ja nicht so, das die Preise sich über Nacht dramatisch ändern, sondern über einen längeren Zeitraum zu stark steigen.
                      Wäre ja komisch, wenn sich das in wenigen Wochen lösen liesse.

                    • Stefan Sasse 28. November 2024, 10:12

                      Ja, das ist sicher wahr.

                    • Lemmy Caution 27. November 2024, 19:12

                      Höhere Steuern oder Kürzung von Staatsausgaben dauern noch viel länger, weil da ja erstmal Gesetze gegossen werden, es Widerstand gibt, etc.
                      Einfach staatlich Preis festsetzen ist problematisch.
                      Makroökonomische Prozesse sind vielleicht langfristiger ausgelegt als du denkst.

                • Thorsten Haupts 27. November 2024, 10:29

                  Noch kurzfristiger als 6 bis 18 Monate wirkt ausschliesslich ein staatliches Preisdiktat. Allerdings ist auch dessen Laufzeit sehr kurzfristig, weil in kurzer Zeit zu dem vom Staat gesetzten Preis nichts mehr angeboten wird.

                  • derwaechter 27. November 2024, 11:45

                    Mmh. Auf der einen Seite wird Unternehmen oder Märkten gerne vorgeworfen, sie dächten zu kurzsichtig wenn sie auf Quartalszahlen schauen, jetzt sind aber „mehrere Monate“ „genau gar nicht“ kurzfristig?

                    Was wäre denn dann kurzfristig ? Tage, Wochen? So kleinteilig lässt sich Inflation doch gar nicht seriös messen, ein so kurzfristiger Effekt wäre also quasi nicht erkennbar.

                    Außerdem darf man nicht vergessen, dass Zentralbanken aus gutem Grund i.d.R. schrittweise und vorsichtig vorgehen. Die Effekte daher aber auch diffuser und langsamer sind.
                    Angenommen die EZB würde die Zinsen morgen um 20 Prozentpunkte erhöhen, wäre der Effekt wohl übermorgen unübersehbar. Aber die Schäden halt auch.

                    • CitizenK 27. November 2024, 12:54

                      Verwunderlich, dass schon die üblichen Schritte von einem Viertelprozentpunkt wirken. Wobei mir der Mechanismus nicht (mehr) klar ist. Die Banken schöpfen selbst Geld und sind nicht mehr auf die Refinanzierung der Zentralbank angewiesen. Mindestreserven spielen ja keine große Rolle mehr.

                • Erwin Gabriel 27. November 2024, 15:48

                  @ Stefan Sasse 27. November 2024, 08:30

                  In der Regel dauert es 6 bis 18 Monate, bis sich die Auswirkungen von Leitzinsänderungen vollständig entfalten.

                  Rate mal, was hier das Zauberwort ist?

                  Bis ein Liter Milch aufgrund von Leitzinserhöhungen teurer wird, dauert in der Tat eine Weile. Feilschst Du gerade mit der Bank um einen Kredit für den Immobilienerwerb, verteuert sich der schon bei der Ankündigung von Überlegungen zu Leitzinserhöhungen umgehend.

                  • Stefan Sasse 28. November 2024, 10:11

                    Ja, das ist richtig. Aber Immokredite treiben normalerweise keine generelle Preisinflation.

                    • derwaechter 28. November 2024, 10:42

                      Der Effekt ist hier das verfügbare Einkommen. Desto mehr ich für meinen Kredit bezahlen muss, desto weniger habe ich für Konsumausgaben.

                    • Stefan Sasse 28. November 2024, 12:20

                      Ja, sicher.

                • derwaechter 27. November 2024, 16:42

                  By the way, unter deinem Link steht „Es dauert allerdings in der Regel ein paar Monate, bis die Zinserhöhung wirkt.“
                  Mag jetzt Haarspalterei sein, klingt für mich aber noch kürzer als „mehrere Monate“, wie du es zitiert hast. Aber definitiv nicht nach 18 🙂

  • cimourdain 26. November 2024, 11:37

    f) Klickbait, Empörungsjournalismus, und Sprachmodelle beiseite: Ein wichtiger Teilaspekt ist in einem mittleren Absatz versteckt: Ein solches „Rückwärtsparkverbot“ existiert schon (Hamburg, seit 2012) und es scheint zu funktionieren.

    j) Das ist völlig unklar formuliert. Geht es um den Einsatz von Bundestruppen (nach posse comitatus verboten) oder Nationalgarde – letztere wurde mehrfach zur Aufstandsbekämpfung eingesetzt, zuletzt bei den George-Floyd-Protesten 2020. Und ist Trump nun dafür oder dagegen – Stichwort „Unabhängigkeit“ der Einzelstaaten?

    • Stefan Sasse 26. November 2024, 13:33

      f) Danke!

      j) Ersteres. Hat Trump jetzt wahrlich oft genug explizit gemacht.

  • cimourdain 26. November 2024, 11:37

    2) i) Bitte schreib genauer, es handelt sich um kein „Urteil“ sondern erst um die Forderung der Staatsanwaltschaft.
    ii) Ist Korruption wirklich unter populistischen Parteien verbreiteter oder haben „optimatische“ Parteien nur mehr Möglichkeiten, diese zu verdecken (Auftritt Ursula von der Leyen)
    iii) Wenn du keine politische Justiz willst, musst du immer konkrete strafwürdige Delikte betrachten, wie hier die Zweckentfremdung von EU Mitteln.
    iv) Dazu gehört auch ein konkreter Nachweis, verschwörungstheoretisches Raunen (nicht vollständig deklarierte Russland“verbindungen“) reicht nicht aus.
    v) Und hüte dich vor Doppelstandards. Ist das konkret vorgeworfene Delikt (Verwendung von Mitteln für das Abgeordnetenbüro zu Parteizwecken) etwas, das du auch bei anderen Parteien als verfolgungswürdig ansehen würdest? Etwa, wenn ein (deutscher) Minister Mittel seines Ministeriums zur Werbung für seine Partei verwendet?

    3) i)Wenn du von Ansehen der Journalisten in den 50er bis 70ern sprichst, verklärst du doch ein wenig. In der Zeit gab es massive Angriffe auf Presseorgane, sei es durch Staatsmacht (Spiegel-Affäre) oder durch „Aktivisten“ (Springer-Anschlag).
    ii) In den USA sah es nicht viel anders aus, da hat der Geheimdienst systematisch Medien beeinflusst (Operation Mockingbird)
    iii) Das lässt sich bequem extrapolieren; Wenn sie die „richtige“ Meinung haben, sind Journalisten wohlgelitten, ansonsten „brauchen sie ein schnelles Pferd“
    iv) Beispiel Kaiserreich: Auf der einen Seite ließ Wilhelm II sozialdemokratische Zeitungen verbieten, andererseits inszenierte er sich als Medienstar (insbesondere beim neuen Medium Film).

    4) Du schreibst es in deinem letzten Satz sehr richtig, „dass man in den Opfern auch keine Menschen sieht, sondern nur Munition für den eigenen, sehr innenpolitischen ideologischen Grabenkampf.“ Diese heuchlerische Haltung betrifft allerdings nicht nur die „Antiimperialismus“-Fraktion, sondern auch die „wertebasierten“ (West-)Interventionisten. [Wie sehr der Interventionismus ein Vehikel eines „Imperialismus“ ist, kann man diskutieren, führt aber zu weit]. Was aber zumindest verstanden werden sollte, ist, dass „feministische“ Außenpolitik gefährlicher Blödsinn ist, wenn sie nicht Menschen- sondern nur „Frauenrechte“ betrachtet. Und vielleicht das wichtigste Menschenrecht ist, in Frieden leben zu können.

    5) Du machst den Fehler, eine (US-)Partei als monolithischen Block zu betrachten. Natürlich haben die Democrats auch Flügel und wenn der „anti-establishment“ Block vor lauter Regierungspolitik unterberücksichtigt wird, fehlen seine Stimmen bei der Wahl, wie 2016 geschehen. 2020 konnte Biden die Anti-(Trump)-Establishment-Stimmen bekommen.

    • Stefan Sasse 26. November 2024, 13:36

      2i) Sorry, danke für den Hinweis.
      ii) Scheint schon bei denen wesentlich krasser zu sein.
      iii) Ja, das meine ich ja.
      iv) Absolut.
      v) Es geht hier um Millionenbeträge, nicht den Druck von nem Flyer.

      3) i) Ja, aber das Ansehen des Berufsstands als Ganzem war höher.

      4) Dieses „Wenn“ ist ja aber nicht gegeben.

      5) Good point.

      • cimourdain 26. November 2024, 16:58

        2) v) Diese Flyer summieren sich auch auf Millionenbeträge:
        https://www.sueddeutsche.de/politik/bundesregierung-aufklaerung-werbung-bund-der-steuerzahler-1.5763506

        3 i) Gedanke hierzu: Könnte das daran liegen, dass die gesamte Medienlandschaft nach 1945 komplett „neu aufgesetzt“ wurde und von den westalliierten Kontrollräten auch berufsethisch wieder auf Sollzustand gebracht wurden. Dysfunktionalitäten haben sich da erst mit der Zeit ausgeprägt.

        4) Das „Wenn“ ist doch das Grundproblem. Allgemein ist die „empörungsbasierte“ Politik viel zu anfällig dafür, dass nur ein Teil der Menschheit als „legitime“ Opfer betrachtet wird. Und insofern beantwortet sich die Frage, warum Gaza oder umgekehrt Israel relevant ist. Es ist in gewisser Weise ein Prüfstein, ob man alle betrachtet oder nur den „passenden“ Teil.

        • Lemmy Caution 26. November 2024, 17:41

          4) legitime Opfer
          Opfer werden oft weggeblendet.
          Hier zum Beispiel super-interessante Doku zur Geschichte von West- und Zentralafrika seit der sogenannten Unabhängigkeit [in Frz]
          https://www.youtube.com/watch?v=k5PkUVImHao
          Weggeblendet auch die Gefolterten in Venezuela, auf Kuba, Ukrainer in moskowischen Filtrationslagern.
          Der Westen kann nicht überall intervenieren. In Venezuela haben ja zumindest 30% Maduro gewählt. Einen militärischen Eingriff empfinde ich als zu kostspielig.
          Als aufgetauter Kalter Krieger sehe ich ein Stoppen der Moskowier in der Ukraine nicht als Intervention sondern als Containement im Hinblick auf die europäische Sicherheit.
          Es geht mir nicht um Empörung sondern um einen rationalen Einsatz von Mitteln auf der Basis von Kosten-Nutzen-Analysen.

        • Stefan Sasse 26. November 2024, 20:20

          2) Ja, dafür haben wir eigentlich die BpB. Aber grundsätzlich sollen die Werbung machen dürfen, finde ich.

          3) Weiß nicht, die Leute, die da rankamen, waren auch dysfunktional 😀

          4) Ja.

        • Lemmy Caution 26. November 2024, 22:32

          4) Ich glaube fest, dass wir uns auf einen neuen Kalten Krieg zubewegen. Je früher uns das klar wird umso besser. Das macht mich auch in dem Punkt sehr intolerant für Leute, die das anders sehen. In Polen machen sich die Leute Sorgen, dass ihnen Zivilschutzeinrichtungen und eine eigene Munitionsproduktion fehlt.
          Wir sind sozusagen jetzt 5. März 1946 -> https://www.nationalww2museum.org/war/articles/winston-churchills-iron-curtain-speech-march-5-1946
          Leider hat der Feind mit China einen sehr potenten Player an Bord.

          Der Traum von „Wandel durch Annäherung“ ist für mich nicht nur gegenüber Moskowien vorbei, sondern auch z.B. für Kuba und Venezuela. Für den globalen Süden zwischen den Stühlen sollten wir uns etwas gutes überlegen. Stellvertreterkriege um Rohstoffe wie in den 50ern bis 80ern wären schrecklich. Moskowien agiert da schon so und China auf weniger kriegerische Art auch.

          • cimourdain 27. November 2024, 09:26

            Da bist du noch zu optimistisch, wir sind bereits weit im Kalten Krieg. Ohne die Parallele überdehnen zu wollen, sind wir imho Anfang der 50er. Die Ukraine wäre das Äquivalent zum Koreakrieg (erster Blockkonflikt, (halber) Stellvertreterkrieg), BRICS ein Comecon Äquivalent, SCO muss sich erst noch zum Äquivalent eines Warschauer Pakts bilden; Im Westen macht sich McCarthy-Paranoia breit, „Frontstaaten“ werden aufgerüstet.

            Aber der kalte Krieg war nie unvermeidlich. Schon in den 50ern gab es Versuche, ihn zu vermeiden, wie den Rapacki-Plan.

            Und damit sind wir beim Ende deines vorigen Posts, den „rationalen Einsatz der Mittel“. Im 20. Jh. Kalten Krieg war ein wichtiges „Nebenprodukt“ die von der RAND Corporation vorangetriebene Rationalwahltheorie (Spieltheorie). Und dieser Ansatz, davon auszugehen, dass beide Seiten die – für ihre Situation vernünftigsten Handlungsoptionen wählen, fehlt in der internationalen Politik derzeit komplett (zumindest soweit offiziell kommuniziert).

            Und was Rohstoffkonflikte und den „globalen Süden“ angeht, war das einzig nachhaltige Rezept im kalten Krieg, als Handelspartner attraktiver zu sein als die Konkurrenz (und das militärisch ‚abzusichern‘). Und dieses Rezept haben China und Russland genau gelernt, wie wir in Westafrika aktuell sehen.

            • CitizenK 27. November 2024, 10:10

              Wäre es besser, wenn die gane koreanische Halbinsel Kim-Land wäre – und die Ukraine eine Verwaltungseinheit der Russischen Föderation?

            • Thorsten Haupts 27. November 2024, 10:24

              Und dieser Ansatz, davon auszugehen, dass beide Seiten die – für ihre Situation vernünftigsten Handlungsoptionen wählen …

              Sie postulieren, dass 2022 das Auslösen eines Angriffskrieges für Russland die „vernünftigste“ Handlungsoption war?

              • cimourdain 27. November 2024, 11:22

                Aus meiner (persönlichen) Sicht nicht, aber für einen kalten Krieger schon. LemmyCautions Argument lässt sich exakt identisch spiegeln:
                „Als aufgetauter Kalter Krieger sehe ich ein Stoppen der NATO [orig.: Moskowier] in der Ukraine nicht als Intervention sondern als Containement im Hinblick auf die russische [orig.: europäische] Sicherheit.“

                • Thorsten Haupts 27. November 2024, 11:47

                  Yup. Ich breche einen Krieg vom Zaun, treibe Länder in die NATO-Mitgliedschaft und Westeuropa in die Aufrüstung, um meine Sicherheit zu verbessern. Hört sich MAGAmässig vernünftig an 🙂 .

              • Erwin Gabriel 27. November 2024, 16:01

                @ Thorsten Haupts 27. November 2024, 10:24

                Sie postulieren, dass 2022 das Auslösen eines Angriffskrieges für Russland die „vernünftigste“ Handlungsoption war?

                Mag sein nicht für Russland, aber vielleicht für Putin? Innenpolitik spielt bei solchen Entscheidungen oft eine wichtige Rolle, und da gab es für Putin durchaus Handlungsbedarf.

                Davon ab gehe ich davon aus, dass Putin das Verhalten des Westens nach der Teil-Annektierung der Ukraine durch Russland extrapoliert hat. Wohl zu Recht ging er davon aus, dass der Westen tatenlos zuschauen würde, wenn er sich den Rest auch noch unter den Nagel reißen würde. Tat der Westen anfangs ja auch.

            • Lemmy Caution 27. November 2024, 10:27

              1.) Was ist bitte ein halber Stellvertreterkrieg? Der Widerstand der Ukraine ist schon echt und bei vielen nicht auf Befehl des Westens.

              2.) Mc Carthy Paranoia.
              Sicher übertrieben, aber nach der geheimdienstlich vorbereiteten Übernahme in vielen ost- und mittel-osteuropäischen Staaten gegen den mehrheitlichen Willen der Bevölkerung schon auch nachvollziehbar.

              3.) Frontstaaten werden aufgerüstet
              In Polen erfreut sich die Aufrüstung hoher Beliebtheit. In Finnland ist die Wehrbereitschaft nach den Erfahrungen vor Zusammenbruch der Sowjetunion extrem hoch. In Schweden auch.
              https://brilliantmaps.com/europe-fight-war/
              Ich würde das so formulieren: „Frontstaaten rüsten auf“

              4. Im Thema BRICS ist vieles im Fluß, aber ich habe das Meeting viele Stunden v.a. aus Perspektive der brasilianischen Medien betrachtet. Die sehen sich als Demokratie in einem gewissen Gegensatz zu Moskowien und China. Lula da Silva hat sich ja auch in der Venezuela Frage klar gegen Maduro positioniert. Moskowien und China haben die Wahlfälschung akzeptiert. Auch Indien sieht sich in einer Konkurrenz zu China und sie brauchen die Konsumenten im Westen. In Südafrika ist die neue recht erfolgreiche Koalitionsregierung unter Einschluß des ANC etwas von Moskowien abgerückt gegenüber der Situation unter der reinen ANC Regierung.
              Klar ist BRIC kein reiner Debatierklub, aber es ist auch bei weitem nicht so eine enge Kooperation wie Comecon.

              5.) Rand Kooperation. Das ist halt so ein think tank, der Konzepte ausarbeitet.

              6.) Rohstoffkonflikte und globaler Süden.
              Wir konkurrieren in unserer Attraktivität nicht für die Bevölkerung sondern für die Machthaber. Davon profitieren dann eher autokratische Machthaber. Ich wußte nicht wie absolut niederträchtig Françafrique war.

              • cimourdain 27. November 2024, 13:30

                1) Schließt sich nicht aus, der Widerstand der Vietnamesen war auch „echt“, dennoch war es Stellvertreterkrieg.

                4) Das ist vielleicht der Unterschied: Comecon war „gegen“ den Westen, Brics ist (im Zweifel) „ohne“ den Westen

                6) Vielleicht wäre das aber ein echter Attraktivitätsvorteil, wenn „wir“ nicht nur dem Machthaber sondern auch der Bevölkerung Vorteile bringen. Das Lieferkettengesetz (intentionsgemäß umgesetzt) wäre über diesen Ansatz ein strategischer Bonus.

                • Lemmy Caution 27. November 2024, 16:32

                  1) Vietnam in seinem heroischen Kampf für die Dekolonialisierung trifft es nicht völlig, aber die Richtung stimmt 😉

                  4) BRICs ist ein wesentlich weniger geschlossenes Bündnis als Comecon. Lula da Silva hat am Ende mit Maduro gebrochen, Moskowien, China und Iran halten zum Regime. Die neue recht erfolgreiche Koalitionsregierung unter Einschluß des ANC entfernt sich von Moskowien. Indien hat Interessenskonflikte mit China.

                  6) Ich kenne keine einzige positive Reaktion aus Asien, Afrika oder Südamerika zum Lieferkettengesetz. Vielleicht können wir unsere Propaganda verbessern, vielleicht funktioniert das kommunikativ einfach nicht. Falls jemand einen Link hat, sehr gerne.

  • CitizenK 27. November 2024, 07:59

    1) Dein Irrtum ist weniger groß, wenn man zwischen der offiziell gemessenen Inflationrate und der gefühlten (besser: wahrgenommenen) Inflation des täglichen Einkaufs im Supermarkt unterscheidet. Dass Dinge wie Computer oder Fernseher billiger wurden (zumal in Relation zu ihrer Leistungsfähigkeit) geht dabei unter. Wenn ich mich nicht irre, ann sind sogar Wohnungskosten nicht im Lebenshaltungskostenindex?
    Es hat ja seinen Grund, dass autoritäre Systeme bestimmte Güter (im volkswirtschaftlichen Sinne) suventionieren. Wenn Demokratien das als Sünde wider die Marktwirtschaft ablehnen, hat auch das seinen Preis.

    • Stefan Sasse 27. November 2024, 08:32

      Klar, aber wie wir oft festgestellt haben in der letzten Zeit sind Wirtschaftsdaten gegenüber dem Gefühlten echt egal.

      • Thorsten Haupts 27. November 2024, 10:26

        Können wir mal die „Gefühle“ streichen? Es ist das tägliche Erleben im Supermarkt, wenn sich innerhalb von nur 2 Jahren Butter von durchschnittlich 2 auf 3 Euro pro Päckchen verteuert. Hat mit „Gefühlen“ nix zu tun.

        • Stefan Sasse 27. November 2024, 12:50

          Korrekt, für den Fall. Aber Gefühle sind und bleiben der entscheidende Teil.

        • derwaechter 28. November 2024, 11:11

          Nur sind Butterpreise allein nicht sonderlich aussagekräftig und selbst allgemeine Preissteigerungen sind es nicht, ohne dass die Einkommensseite berücksichtigt wird. Der Reallohn ist da deutlich aussagekräftiger, und da erlebt Deutschland nach einem enormen Einbruch um 2022 einen durchgehenden Anstieg und liegt mittlerweile wieder bei oder über dem Niveau vor der Pandemie.

          Butterpreise sind im Moment übrigens sogar ein sehr schlechter Indikator, da sie sich gegenläufig zu anderen Lebensmittelpreisen auf ein Rekordhoch entwickelt haben und nur einen sehr kleinen Teil des Warenkorbes ausmachen.

          Als sogenannter Eckpreisartikel (wie z.B. auch ein Liter Milch) trägt sie allerdings stark zum gefühlten Preisanstieg bei.

          Butter kostet im Moment trotz Rekordhoch nur etwas mehr als vor „2 Jahren“, weil damals die Preise ebenfalls stark gestiegen, danach aber auch enorm gefallen waren.

          Und zu guter Letzt sind die Preise nicht von 2 auf 3 Euro sondern auf im Schnitt 2,39 (Stand Oktober 2024) gestiegen.

          Mit anderen Worten, das hat offenbar sehr viel mit Gefühlen zu tun.

          • derwaechter 29. November 2024, 21:19

            Und bei Gefühlen stören Fakten halt auch. So gesehen kann man das schon gut verstehen.

    • cimourdain 27. November 2024, 08:40

      Sie irren sich, Wohnkosten machen 25.925% des Verbraucherpreisindex aus.

      • Erwin Gabriel 27. November 2024, 16:03

        @ cimourdain 27. November 2024, 08:40

        Wohnkosten machen 25.925% des Verbraucherpreisindex aus.

        Zu nirdrig angesetzt. Sollten eher 40-50% sein.

        • cimourdain 28. November 2024, 08:06

          Das Problem der Durchschnittbildung. In der Panelbildung sind auch Personen mit Eigenheim enthalten (bei denen die Miete wegfällt) und solche, bei denen die Miete von dritten bezahlt wird (Wohngeld, Bürgergeld). Diese senken den Anteil.

  • CitizenK 27. November 2024, 08:14

    Völlige Zustimmung hierzu:
    „der übliche linke Irrtum, dass man meint, weil die eigenen Verbündeten den eigenen Ansprüchen nicht genügten sie schlimmer seien als die Gegenseite.“ . “ Ho-Ho-Ho-Chi-Minh-Rufen ist irgendwo in derselben Kategorie wie die aktuelle Palästina-Romantik.“

    Und das, obwohl die Demonstranten damals in West-Berlin nicht dank des US-Schutzes überhaupt demonstrieren konnten – und aktuell der Islamismus (Kalifat!) diese Freiheiten bedroht.

    Es gibt massenhaft Demos gegen Israel, aber so gut wie keine gegen Iran, Hisbollah, Hamas. Damals habe ich versucht mir das dadurch zu erklären, dass man nur auf die Verbündeten Einfluss hat, nicht aber auf die Gegenseite.
    Du hast wohl recht: Die sind wirklich einfach bekloppt. Was hilft dagegen?

  • cimourdain 27. November 2024, 11:18

    k) Eigene Überlegungen zu einem „leichteren“ Thema: Robert Habeck hat sich mit „Schwachkopfgate“ ziemlich in die Nesseln gesetzt.
    https://www.sueddeutsche.de/politik/habeck-strafantrag-beleidigung-rentner-bayern-lux.Uux8ADB6XVcuU2xqmALGGh?reduced=true
    Gerade weil das stark mit meinen (auch hier geäußerten) Befürchtungen einer Zensurkultur zusammenpasst, wollte ich gedanklich einen Schritt zurückgehen und am konkreten Fall ansehen, was davon überhaupt skandalwürdig ist und was Skandalisierung.

    i) Auf den ersten Blick ist die Situation klar: Weil ein Minister sich durch einen Witz beleidigt fühlt, findet bei einem Bürger eine Razzia statt -> autokratisches Vorgehen.
    ii) Rechtsgrundlage ist der §188 StGB, der Politikern für Ehrdelikte eine Sonderstellung gibt
    iii) Historisch erinnert das an die „Pimmelgate“-Affäre eines Hamburger Innensenators
    iv) Die Zusatzbegründung der Staatsanwaltschaft (Antisemitismus) ist als Gegennarrativ wenig überzeugend. (Erst nachgeliefert und dünner Konkretvorwurf)

    Ist also Robert Habeck zurecht in der Kritik?
    v) Die Zahlen sagen erstmal ja
    https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1493232/umfrage/strafanzeigen-durch-bundesminister-in-deutschland/
    vi) Das könnte daran liegen, dass „DIE Grünen“ besonders in der Schusslinie für Anfeindungen sind
    vii) Aber außer Habeck und Baerbock liefert kein Minister eine derartige Menge Anzeigen, nicht andere Grüne (Özdemir) und nicht andere gegenüber Anfeindungen exponierte Minister (Lauterbach).
    viii) Also liegt es daran, dass diese beiden Agenturen beauftragt haben, die gezielt nach Gründen für Anzeigen suchen.
    ix) Aber in dem konkreten Fall ist die Sachlage anders, die Aktion beruht nicht auf einer Anzeige des Geschädigten, sondern die Staatsanwaltschaft ist auf Basis des § 194 von sich aus tätig geworden.
    x) Das heißt wahrscheinlich aufgrund eines Hinweises durch ein Meldeportal, dass ein Staatsanwalt die Zeit hat, im Internet nach Politikerbeleidigungen zu suchen, bezweifle ich.

    Was bedeutet das gesellschaftlich
    xi) Überlastung der Justiz durch leichtfertige Klagen
    xii) Entwertung der tatsächlichen Drohung gegen Politiker, da die aufgeblähte Statistik keine Aussagekraft hat
    xiii) Unverhältnismäßigkeit im Vorgehen. Hausdurchsuchung schein mir nicht zur Beweissicherung in diesem Fall unnötig
    xiv) Repressive Atmosphäre „Bestrafe einen, erziehe hundert“
    xv) Persönliche Anmerkung: Ich fühlte mich an dieses Buch erinnert:
    https://www.amazon.de/Caius-ist-ein-Dummkopf-Lausbub/dp/3570205207

    • Stefan Sasse 27. November 2024, 12:51

      Ja, das ist ein ziemliches Desaster. Aber auf einer Menge Ebenen. Ich muss da mal noch was Größeres dazu machen.

      • cimourdain 28. November 2024, 08:16

        Ich dachte schon, mein Post wäre ausgeufert, aber wenn du etwas „Größeres“ planst, bin ich ja beruhigt.

        • Stefan Sasse 28. November 2024, 10:15

          „Planen“ ist zu viel gesagt. Ich hab wahnsinnig viel die letzten Tage zu dem Thema diskutiert, nur nicht hier, deswegen hab ich’s schon wieder etwas über 😀

    • Lemmy Caution 27. November 2024, 14:10

      Ich finde, dass Politiker das Recht haben müssen, gegen solche Leute effektiv vorzugehen. Ich folge manchen twitter-Querdenkern. Die stehen morgens auf, provozieren den ganzen Tag und gehen dann wieder ins Bett.
      Viele wünschen sich da einen autoritärer auftretenden Staat.
      Bestrafe einen von denen, erziehe hundert von denen.
      *ein Traum*
      Wer will sich unter diesen Bedingungen den Politiker-Job noch antun.

      • cimourdain 28. November 2024, 08:25

        Einerseits: Die Person oder Motivation darf bei der Überlegung, ob und in welchem Maß eine Äußerung strafwürdig ist, keine Rolle spielen.

        Andererseits: Was ich zu wenig berücksichtigt habe, ist die Perspektive des Beleidigungsopfers. Hier nachgeholt:
        xvi) „Schwachkopf“ ist keine harte Beleidigung, dies (und schlimmeres) hat wohl jeder hier im Straßenverkehr gehört (oder gar selbst geäußert)
        xvii) Und ich habe (und würde) deswegen keine Strafanzeige stellen.
        xviii) Aber auf Twitter ist die Situation insofern etwas anders, weil die Beleidigung bleibt, wie eine Plakat, dass an die Wand geklebt wurde.
        xix) Deshalb ist zumindest ein Löschantrag verständlich, alles weitere immer noch fragwürdig.

        • Ralf 28. November 2024, 11:11

          Die Person oder Motivation darf bei der Überlegung, ob und in welchem Maß eine Äußerung strafwürdig ist, keine Rolle spielen.

          Ist das wirklich so? Es gibt doch z.B. den Tatbestand der Beamtenbeleidigung. Scheint also nicht egal zu sein, wer die Person ist, die man beleidigt.

          Die Frage ist nun, ob Politiker als Respekts- und Autoritätspersonen eher den Schutz eines Polizisten, Richters oder Finanzbeamten genießen sollten. Oder ob sie als Person des öffentlichen Lebens weniger Schutz als der Durchschnittsbürger haben sollten (“sich als öffentliche Person eben mehr gefallen lassen müssen”). Für beide Seiten kann man hier stichhaltige Argumente finden.

          Was das Löschen von beleidigenden Twitter-Posts angeht, darin sehe ich eher keine Lösung. Als erfahrener Forenadministrator kann ich Dir aus leidvoller Erfahrung berichten, dass Post-Löschungen fast nie das Problem lösen. Stattdessen machen Trolle und Problem-User einfach ungebremst weiter. Und der Schaden für den Betroffenen entsteht im Augenblick, in dem die Beleidigung öffentlich erscheint. Bis dann Tage später das Löschungsprozedere durchgeführt ist, ist der Post ohnehin bereits von den Timelines verschwunden (i.e. ersetzt worden durch neue aktuellere Posts). Die Löschung hat also keinerlei operativen, sondern nur noch symbolischen Effekt.

          Stattdessen könnte man Problem-User und Trolle bei wiederholten Vergehen für ein, zwei Jahre komplett von allen sozialen Plattformen aussperren. Wenn das wirksam umgesetzt würde, könnte man sich möglicherweise die Strafverfolgung sparen.

          • cimourdain 28. November 2024, 11:31

            Ok, diese Argumentation hat schon eine Fehlannahme an der Wurzel: Es gibt keinen! Sondertatbestand „Beamtenbeleidigung“, diese ist eine gewöhnliche Beleidigung nach §185 StGB.
            Das einzige, was „Beamte“ in dieser Hinsicht privilegiert, ist, dass sie leichter ein „öffentliches Interesse“ an der Strafverfolgung geltend machen können, wenn die Beleidigung gegen sie als Amtsträger gerichtet ist.

            • Ralf 28. November 2024, 12:15

              Danke! Da hab ich was dazugelernt.

              Aber die Frage ob Politikern mehr oder weniger Schaden zugemutet werden können sollte als einem Durchschnittsbürger wird dadurch dennoch nicht beantwortet.

              • Stefan Sasse 28. November 2024, 12:23

                Ich denke, das Ausmaß ist ein ganz anderes. Durchschnittsbürger*innen kriegen ja WESENTLICH weniger und andere Beleidigungen ab.

              • cimourdain 28. November 2024, 13:55

                Eine Antwort liegt im Paragraphen selbst: Da ist als Tatbestandsmerkmal formuliert „und ist die Tat geeignet, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren, […]“ Juristisch ist das eine total nichtssagende Gummiformulierung, aber sie gibt die eigentliche Motivation dieses Paragraphen vor: Politikys haben [um ihren Job machen zu können] einen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit gut dazustehen, ohne dauernd als „Schwachkopf“ bezeichnet zu werden.
                Lässt du diese Motivation gelten – und zwar wirklich für alle Politikys (auch Weidel, Wagenknecht, Aiwanger,…)?

                • Ralf 28. November 2024, 17:10

                  Nein – ich glaube nicht, dass Politiker ein Anrecht darauf haben, in der Öffentlichkeit gut dazustehen. Politiker sind aber auch kein Freiwild. Wir zwei sind ja auch nicht immer einer Meinung. Aber ich muss Dich doch nicht einen Schwachkopf nennen, um das zum Ausdruck zu bringen. Ich kann doch einfach sagen, dass ich mit Deinen politischen Vorstellungen nicht d’accord gehe. Warum darf man Sachlichkeit nicht von Teilnehmern einer öffentlichen Diskussion verlangen? Betonung hier auf “öffentlich”. Am Stammtisch in der Kneipe oder beim Abendbrot mit der Familie kannst Du mich ja gerne einen Schwachkopf nennen.

          • Stefan Sasse 28. November 2024, 12:20

            Meine Erfahrung ist, dass Postlöschungen hier auf dem Blog SEHR hilfreich waren.

            • Ralf 28. November 2024, 17:16

              Da hast Du seltenes Glück gehabt. In der Regel folgt auf eine Löschung ein empörter “Zensur, Zensur”-Post mit Wiederholung all der Beleidigungen, die zur Löschung des ursprünglichen Posts geführt hatten. Wenn der zweite Post dann ebenfalls gelöscht wird, hagelt es Beleidigungen gegen den Betreiber. Wenn schließlich der User gelöscht wird, meldet der sich sofort wieder unter neuem Namen und neuer IP-Adresse an. Und das Spiel geht von vorne los. Teilweise wird das zu einem Katz- und Mausspiel über mehrere Jahre hinweg.

              Ich hab als Forenadministrator bis hin zu Gewaltandrohung alles erlebt. Einem Bekannten ist von einem Forenteilnehmer die Fensterscheibe seines Studios eingeworfen worden. Mehrere Auseinandersetzungen endeten vor Gericht.

              • Stefan Sasse 29. November 2024, 06:41

                Shit…tut mir Leid das zu hören. Hier ging es tatsächlich ganz gut. Auch dank der Community hier, glaube ich. Also auch danke an euch alle!

              • Thorsten Haupts 29. November 2024, 21:49

                Hab die entsprechende Dynamik auch schon mehrfach gesehen. Nicht konsistent allerdings. Das einzige Mittel, was gegen Trolle nach meiner Beobachtung halbwegs wirksam bleibt, ist vollständiges Ignorieren, von allen anderen Forenteilnehmern. Selbst das funktioniert dann nicht mehr, sobald mehrere Trolle untereinander agieren und damit den Eindruck haben, es reagiere jemand auf sie.

                • Ralf 29. November 2024, 21:59

                  Das war mein größter Traum als Forenadministrator. Dass einfach alle User so klug sind den einen Troll zu ignorieren.

                  Hat in mehreren Jahren und unzähligen Threads genau null mal funktioniert.

                  • Thorsten Haupts 30. November 2024, 01:00

                    Ich hatte das Erlebnis schon mehrfach 🙂 . Allerdings nur in sehr kleinen Foren bzw. in solchen, wo genügend Erfahrungen mit Trollen vorlagen (gaming).

                    • Stefan Sasse 30. November 2024, 18:55

                      Sehr klein trifft das hier (leider).

                    • Thorsten Haupts 1. Dezember 2024, 18:37

                      Sei froh drum (ernst gemeint).

    • Dennis 27. November 2024, 19:17
      • CitizenK 27. November 2024, 19:57

        Danke. Dass darüber nicht berichtet wurde, über Habeck aber in aller Breite, spricht für sich.

        • cimourdain 28. November 2024, 08:14

          Direkt unter einen Bericht über X zu schreiben, dass über X nicht berichtet wird, ist natürlich kein gutes Argument. Dennoch ist der Punkt, den du meinst, solide. Die Fokussierung auf eine Person, lenkt von dem grundsätzlichen Fehlverhalten ab, das von den verschiedensten Politikys aller Parteien betrieben wird.

          • CitizenK 28. November 2024, 09:48

            Das bezog sich nicht nur auf X. Ich informiere mich regelmäßig durch mehrere Medien. Von Merz‘ Anzeige hatte ich nie gehört/gelesen, Habeck-„Gate“ ist überall.
            Btw ein Punkt gegen die angebliche linksgrüne Schlagseite der Mainstream-Medien – von den anderen ganz zu schweigen.

            • cimourdain 28. November 2024, 11:00

              Das ist der „Sau durchs Dorf“ Mechanismus. Die Medien schießen sich auf eine Geschichte mit Helden und Schurken ein und erzählen diese ad nauseam, bis die nächste „Sau“ kommt.

              Anmerkung zum Hintergrund: Die von mir kritisierte Rechtsnorm (§ 188) stammt aus der Regierungszeit Merkel IV. Dafür kann niemand „den Grünen“ die Schuld geben.

        • Stefan Sasse 28. November 2024, 10:13

          Ist so nicht richtig, die Merz-Anzeigen haben in den letzten Tagen auch einige Aufmerksamkeit erfahren. Aber natürlich bei weitem nicht so viele wie Habecks. Das muss an diesen linksgrünen Medien liegen, immer bevorzugen sie die Grünen.

  • Ralf 27. November 2024, 22:28

    zu 3) “Medien”

    Ich möchte noch einmal auf das Erscheinungsdatum des Artikels, 1996, verweisen, weil wir hier in den Kommentaren oft die Diskussion über die Auswirkungen von Social Media haben. Die Abneigung gegenüber „den Medien“ ist offensichtlich bereits älter.

    Da dieser Kommentar in meine Richtung zielt, sei mir die Bemerkung gestattet, dass ich nie behauptet habe, dass der Niedergang unserer Medien und des Journalismus mit den sozialen Netzwerken begonnen hat, sondern ich habe immer betont, dass die Ursünde war, dass das Leitmedium Fernsehen den Privaten geöffnet wurde. Das geschah um 1988/89 rum, als seriöses TV durch Explosiv – der Heiße Stuhl, Bärbel Schäfer-Talk, Tutti Frutti-Klamauk und Gaudi in der Lederhose ersetzt wurde. Die Verrohung und Entmenschlichung der Bevölkerung wurde dann mit immer aggressiveren Anschrei-Talk Shows, primitivem Reality-TV und Sendungen wie Big Brother und Dschungelcamp eskaliert, deren zentrales Konzept die Demütigung der Protagonisten für Profit war. Insofern ist der Zeitpunkt des Artikels mit 1996 mitnichten erstaunlich.

    • CitizenK 28. November 2024, 09:58

      Offensichtlich wollen das viele Leute sehen. Also Bürger und Bürgerinnen, Wähler und Wählerinnen. Nicht nur deplorables, selbst FAZ und SZ hatten regelmäßig etwas über das Geschehen im Dschungelcamp.
      Was sagt uns das über den Souverän, die Regierung durch das Volk? Wählerschelte ist „wahren Demokraten“ ja verboten.

      • Ralf 28. November 2024, 10:27

        Keine Ahnung wie Du darauf kommst, dass Wählerschelte verboten sei. Aber es geht im Grunde garnicht um “Schelte”, sondern um zwei schlichte Fakten: Erstens entstehen Deplorables nicht aus sich selbst heraus, sondern werden durch Umstände und Environment zu dem, was sie sind. Und zweitens ist mindestens eine sehr große Minderheit – sehr wahrscheinlich aber sogar eine knappe Mehrheit – der Bürger stark anfällig zu Deplorables zu werden.

        Dem kann man nur entgegenwirken, indem man Umstände und ein gesellschaftliches Environment schafft, das deeskaliert, depolarisiert und das humanistische Werte in den Mittelpunkt stellt. Unsere Gesellschaften haben sich aus Profitinteressen für das Gegenteil entschieden.

    • Lemmy Caution 28. November 2024, 09:58

      Ich denke, dass es nie besser war. Früher war die Welt einfach übersichtlicher. Menschen wie wir alle sind halt anfällig für politische Progaganda, neue und alte Medien wollen ihr Narrativ durchdrücken.
      Denk etwa an die positive Berichterstattung in einigen deutschen Medien zum Folter-Schah von Persien oder die Hetze gegen den radikalisierten Teil der Bild-Zeitung Ende der 60er.
      Ziemlich gut in dem Zusammenhang auch Goddards „La Chinoise“ oder Dostojewskis „Dämonen“, auf das La Chinoise stark rekurriert. Mario Vargas Llosas Krieg am Ende der Welt „Die Tag und Nacht wiederholten Lügen werden zu Wahrheiten“. Alles Dinge, die mich mal geflashed haben.
      Ich glaube nach Schauen einiger Beiträge von dem yt-Kanal „Inside Russia“ ja auch, dass der Euro-Rubel-Kurs in 3 Wochen auf mindestens 200 steht. Einfach, weil ich es glauben will und obwohl ich weiß, dass es eher unwahrscheinlich ist.
      Wir sind nicht für Objektivität geschaffen. Vermutlich brachte das evolutionäre Vorteile. Als ein Vorfahre durch den Steinzeit-Winter taperte und er nur eine 20% Chance hatte, irgendeinen Steinzeit-Hasen zwecks dringend benötigter Protein-Zufuhr zu erlegen, war es für das Überleben unserer Spezies besser, dass er an den Hasen glaubte statt gemütlich in der Höhle auf den Tod zu warten.

      • Stefan Sasse 28. November 2024, 10:16

        Ich weiß nicht, ob ich dieses „früher war die Welt übersichtlicher“ kaufe. Das haben die Leute im oh so übersichtlichen Kalten Krieg über ihre Vergangenheit auch gesagt. Ich vermute eher, dass das ein Resultat von recency-bias ist.

      • Ralf 28. November 2024, 10:51

        Richtig ist, dass die Welt nie perfekt war. Das behauptet auch niemand. Dass die Welt nie objektiv besser war, ist statistisch so gut wie ausgeschlossen.

    • Stefan Sasse 28. November 2024, 10:14

      Schon, aber die Privatisierung des Fernsehens begann in den USA doch viel früher als hierzulande.

      • Ralf 28. November 2024, 10:56

        Die Fairness Doctrine in den USA fiel 1987 und das ermöglichte 1996 FOX News und den Zusammenbruch der amerikanischen Medienkultur.

        • Stefan Sasse 28. November 2024, 12:20

          True enough.

        • Thorsten Haupts 28. November 2024, 14:24

          FOX News wäre nie unter die Fairness Doctrine gefallen. Die bezog sich – ausdrücklich – auf „Broadcaster“, nicht auf Kabelesender und war auf die deshalb nicht anwendbar.

          • Ralf 28. November 2024, 17:23

            Das ist richtig.

            Aber die Fairness Doctrine entsprang einem gewissen Geist von Ausgleich, journalistischer Qualität und Sachlichkeit. Und der Tod dieses Geistes führte zu beidem: Der Abschaffung der Doktrin und der Gründung von Fox News.

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