Warum lernen wir überhaupt? Und ist die Schule ein Ort, an dem gelernt wird? Für Bob Blume ist die Antwort ein klares Nein. Der erste Satz seines Buches ist: „An deutschen Schulen wird nicht gelernt.“ Warum das so ist und wie es geändert werden könnte sind Gegenstand seines Werks. Heute spreche ich mit ihm darüber.
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- Bobs Blog. Bob auf Twitter. 10 Dinge die ich an der Schule hasse. Warum noch Lernen?
- Stefan auf Twitter. Stefan auf Bluesky. Stefans Blog.
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Shownotes
Rezension: Bob Blume – Warum noch lernen?
Bob Blume kritisiert in seinem neuen Buch grundlegend das Bildungssystem und stellt die provokante Frage, ob in deutschen Schulen tatsächlich gelernt werde. Laut Blume fehlt es dem System an echter Lernmotivation und Sinnhaftigkeit, was zu einem oberflächlichen Abhaken von Lerninhalten ohne tiefgehendes Verständnis führt. Er beleuchtet grundlegende Probleme wie die starre Struktur der Schulstunden und Prüfungen, die sozialen Unterschiede, die den Zugang zu Bildung beeinflussen, und die Bedeutung von intrinsischer Motivation für erfolgreiches Lernen.
Blume fordert eine Umstrukturierung des Bildungssystems: Es müsse flexibler, zukunftsorientierter und auf die Bedürfnisse der Schülerinnen zugeschnitten werden. Zudem betont er, dass Technologien wie KI nur sinnvoll seien, wenn sie die Schülerinnen auf die Arbeitswelt vorbereiten. Er stellt zehn utopische Vorschläge zur Verbesserung vor, darunter eine Reduktion der Lehrpläne, mehr Schülerorientierung und eine Überarbeitung der Leistungsbewertungen. Die Lehrkräfte sollen laut Blume die Rolle der Lernbegleiter übernehmen, um Schüler*innen auf ein echtes, sinnvolles Lernen vorzubereiten. (Stefan Sasse, Deliberation Daily)
Für mehr Theorie in der Lehrerbildung
Der Autor betont, dass Verwunderung eine zentrale Motivation zum Lernen sein kann. Er beobachtet jedoch kritisch, dass die Lehrerbildung oft auf praktische Erfahrungen reduziert wird, während theoretisches Wissen vernachlässigt wird. Der Ruf nach mehr Praxis sei weit verbreitet, aber oft problematisch, da die theoretische Basis unersetzlich sei, um das komplexe Schulsystem zu verstehen und effektiv zu handeln. In seinem Studium seien theoretische Grundlagen meist nur oberflächlich behandelt worden, während die Praxis im Referendariat eng mit der Theorie verbunden war.
Der Autor hebt hervor, dass angehende Lehrerinnen oft nicht verzweifeln, weil ihnen praktische Fähigkeiten fehlen, sondern weil sie Schwierigkeiten haben, theoretisches Wissen anzuwenden und größere Zusammenhänge zu begreifen. Die Fähigkeit, Inhalte schnell zu erfassen und strukturiert zu vermitteln, sei für Lehrerinnen entscheidend. Der Autor fordert, dass Lehrende sich als „lebenslange Lernende“ sehen sollten, die ihr Wissen und Verständnis kontinuierlich erweitern. Abschließend warnt er, dass die Wissenschaftlichkeit in der Lehrerbildung nicht durch den Fokus auf praxisnahe Methoden vernachlässigt werden sollte. (Bob Blume)
Transkript
00:00:00.50
Stefan Sasse
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von den Bohrleuten. Ich spreche heute einmal wieder über die Schule und ich habe mir dazu einen Gast reingeholt, der ganz kurz Hallo sagen darf.
00:00:12.42
Stefan Sasse
Hallo Bob! Du bist wahrscheinlich den meisten Leuten, die diesen Podcast hören, ein Begriff. Du twitterst und skitest und wie auch immer man diese ganzen Dinger nennt, ja schon eine Weile unter dem Pseudonym Netzlehrer und versuchst da quasi diese Schnittstelle zu bilden.
00:00:29.06
Bob
Hallo. Vielen Dank!
00:00:29.10
Stefan Sasse
Hast dich auch selber schon als Bildungsinfluencer bezeichnet. Hast inzwischen mehrere Bücher veröffentlicht, unter anderem Die Schule brennt und Warum noch lernen? Und du hast einen eigenen Podcast beim SWR, Die Schule brennt.
00:00:40.72
Stefan Sasse
Also du bist da ganz schön unterwegs. Und ich würde heute dein neuestes Buch zum Anlass nehmen, um mit dir über ein wirklich zentrales Thema zu sprechen, das du als Titel gewählt hast und das du schon in die Frage gestellt hast, nämlich warum noch lernen?
00:00:55.22
Stefan Sasse
Und das ist eine Frage, die klingt jetzt vielleicht erstmal blöd. Warum sollte man das tun? Und wir hören ja immer vom lebenslangen Lernen und nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir und Lernen ist generell wichtig.
00:01:07.56
Stefan Sasse
Aber tatsächlich ist das ja gar keine so doofe Frage, weil, wie du in deinem Buch ausführst, die Schule tut ja viele Dinge, aber Lernen spielt ja häufig gar keine so große Rolle.
00:01:09.90
Bob
Dank. Ja,
00:01:18.60
Stefan Sasse
Magst du das mal in so zwei oder drei Sätzen kurz für diejenigen zusammenfassen, die weder
00:01:25.88
Bob
eine ganz kleine Korrektur. Ein Buch geschrieben mit dem Titel Die Schule brennt, habe ich noch nicht. Könnte man vielleicht auch noch machen. Aber diese Frage, glaube ich, warum lerne ich das?
00:01:37.76
Bob
Die werden sehr, sehr viele Eltern, ehrlich gesagt, kennen. Also für die ist die Frage gar nicht so trivial und gar nicht so blöd, weil sie sie dauernd bei den Hausaufgaben beantworten müssen, die ja teilweise etwas polemisch auch als Hausfriedensbruch bezeichnet werden.
00:01:49.70
Stefan Sasse
das Buch noch meine Rezension dazu gelesen haben. Vielen
00:01:53.96
Bob
Insofern glaube ich schon, dass viele Eltern eigentlich diese Frage schon oft gehört haben und dann diejenigen sind, die sie beantworten müssen. Und ein zentraler Bestandteil des Buches beziehungsweise der Argumentation, die sich dort findet, ist ja, dass die Sinnhaftigkeit des Lernens eigentlich zu jeder Zeit klar sein muss.
00:02:11.44
Bob
Und das meine ich auch nicht als irgendwie eine abstrakte Form von irgendwie einem Bildungsbegriff, den ich dann anstrenge. Das tue ich auch, ja. Aber ich meine das tatsächlich so, wie ich das sage, nämlich, dass das Warum in jede Stunde muss.
00:02:24.20
Bob
Punkt Ausschluss. Das andere, was du gesagt hast, nämlich, dass der Lernprozess forciert wird, ist sozusagen aber das größere Argument. Meine Argumentation ist, dass Schule sehr viele Jahre so funktioniert hat, dass die Instruktion dort stattgefunden hat, wo man eben hingeht und das Lernen eigentlich dann tatsächlich in die Hausaufgaben verlagert worden ist.
00:02:29.66
Stefan Sasse
Dank.
00:02:45.42
Bob
Wir haben uns so sehr daran gewöhnt, dass wir wahrscheinlich, dass der eine oder andere mit den Schultern zuckt und sagt, naja, so funktioniert eben Schule. Und ich sage, Schule sollte aber nicht so funktionieren, sondern Schule muss den Lernprozess selbst in den Fokus rücken.
00:02:57.94
Bob
Ob das jetzt völlig ohne Hausaufgaben funktioniert, ob das mit Flip Classroom ist, also ob man zu Hause die Instruktionen sich anhört oder ansieht und dann in der Schule tatsächlich den Lernprozess fortführt, das ist natürlich eine individuelle Entscheidung.
00:03:09.62
Stefan Sasse
Vielen Dank.
00:03:13.42
Bob
Aber, und das ist das Wichtige, sobald das Lernen nach Hause verlagert wird und es nur um das Produkt geht, das man dann in die Schule wieder reinschleppt, sobald das so ist, wird die Bildungsungerechtigkeit natürlich deutlich stärker, weil entweder hast du Eltern, die sich drum kümmern können, die eine Nachhilfe bezahlen oder die beste Version von KI oder du hast es eben nicht und deshalb sage ich, das muss anders funktionieren.
00:03:36.86
Stefan Sasse
Ja, das ist ein sehr guter Punkt, den du da gerade auch angestellt mit der Thematik der Hausaufgaben. Ich kann das quasi aus doppelter Perspektive jetzt logischerweise wahrnehmen, weil zum einen bin ich ja quasi auf der Seite, die Hausaufgaben geben könnte, Klammer auf, ich gebe keine, ich bin totale Hausaufgabengegner, Klammer zu, aber auf der anderen Seite bin ich da auch als Betroffener drin und dieses, weil ich Kinder habe, die mittlerweile eben auch schon einigermaßen fortgeschritten in dem System sind, mein Sohn ist jetzt in der sieten Klasse.
00:04:04.20
Stefan Sasse
Und ich nehme das tatsächlich wahr mit diesem Hausfriedensbruch. Also das ist wirklich vor allem seit der weiterführenden Schule hat sich das Verhältnis, sowohl von mir als auch von meiner Frau zu unserem Kind, was das angeht, verschlechtert.
00:04:09.66
Bob
Vielen Dank.
00:04:19.08
Stefan Sasse
Also wir haben einfach viel mehr Streit, viel mehr Stress. Und ständig geht es dabei um diese bekloppten Hausaufgaben und wahnsinnig häufig lief das dann eben darauf raus, dass man mit einem unmotivierten Kind da sitzt und dass man da so lange sich durchprügelt, bis halt die Lösung im Heft steht, ob das Kind dann da dabei irgendwas gelernt hat oder ob die Lösung im Endeffekt eindiktiert wurde, sei mal dahingestellt.
00:04:42.38
Stefan Sasse
Und ich meine, die Nachhilfeindustrie lebt jetzt großen Teilen auch noch davon, dass man quasi mit dem Nachhilfelehrer zusammen da dann die entsprechenden Lösungen diktiert bekommt. Also das funktioniert ja nicht wirklich.
00:04:54.02
Stefan Sasse
Es ist natürlich an der Stelle unter Umständen interessant, du sagst, das Lernen wird quasi nach Hause verlagert. Also wir machen an der Schule die Instruktion und geben dann im Idealfall ja eigentlich mit den Hausaufgaben den Lernprozess nach Hause.
00:05:07.38
Stefan Sasse
Da müsste man jetzt vielleicht eine kleine Begriffsdefinition machen. Was ist denn dann eigentlich das Lernen und warum ist die Instruktion nicht Lernen? Wo unterscheidet sich das eigentlich? Vielen
00:05:09.64
Bob
Vielen Dank. Also
00:05:16.66
Bob
erstmal möchte ich ganz kurz sagen, dass man das ja noch ein bisschen ausweiten könnte mit der Nachhilfeindustrie. Man könnte ja nicht nur sagen, die Nachhilfeindustrie lebt davon, sondern die Nachhilfeindustrie von mehr als 1,5 Milliarden Euro im Jahr ist der lebendige Beweis dafür, dass das Schulsystem so jedenfalls nicht funktioniert.
00:05:32.28
Bob
Und jetzt kommen wir mal zu dem Punkt, sind Hausaufgaben dann sinnvoll oder nicht? Naja, kommt drauf an. Machen wir noch einmal kurz den Schritt zurück und nehmen so ein Beispiel, was halt viele Schülerinnen und Schüler kennen.
00:05:44.10
Bob
Ich stelle mich hin und sage folgendermaßen, geht eine Gedichtinterpretation, die ist folgendermaßen aufgebaut, schreibt euch das bitte ins Heft, schreibt das bitte ab, dann führe ich irgendein Gespräch darüber und dann sage ich so.
00:05:56.80
Bob
Und jetzt macht bitte die Gedichtinterpretation zu Hause. Ich habe ja gerade schon gesagt, die Voraussetzungen sind unterschiedlich, aber wer wird denn, wenn die Schülerinnen und Schüler dann wieder in die Schule kommen, wer wird das denn vorlesen?
00:06:09.16
Bob
Also das werden ja die drei Leute vorlesen, die entweder das Talent hatten, das sofort gerafft zu haben, die eben die Unterstützung hatten oder die eben die Nachhilfe hatten.
00:06:09.66
Stefan Sasse
Dank.
00:06:19.40
Bob
Wieso sollte das jemand vorlesen, der eigentlich sich völlig unsicher ist und dann noch befürchten muss, dass sozusagen er vor allem auch noch aufs Brot geschmiert bekommt. Naja, das hat er aber nicht so richtig gemacht, weil es einfach völlig keine Rolle spielt, dass der oder die vielleicht gar nicht die Möglichkeiten dazu hatte, nicht den eigenen Computer, nicht den eigenen Schreibtisch, währenddessen auf die anderen Kinder aufpassen muss, was weiß ich.
00:06:42.76
Bob
So, das ist jetzt erstmal das Ding. Jetzt müssen wir ein bisschen aufpassen, über welche Form von Lernen wir sprechen. Die engste Form von Lernen ist ja dieser individuelle Aneignungsprozess, bei dem Informationen zu wissen werden.
00:06:49.62
Stefan Sasse
Vielen Dank.
00:06:57.72
Bob
Okay, also das heißt, ich setze mich einen Tag vor dem Test hin, pauke, lerne das auswendig und haue es dann wieder raus. Das ist aus meiner Sicht natürlich auch eine Form von Lernen, aber das ist ja nicht die Form von Lernen, die wir meinen, wenn wir zum Beispiel so etwas Prozessorientiertes wie Schreiben machen.
00:07:14.76
Bob
Bei so einem Prozess gehe ich immer von Tätigkeit aus. Und Tätigkeit wiederum heißt, die ist spezifisch. Das heißt, im Buch schreibe ich auch, das ist so ein bisschen ein etwas klobiger Begriff, Domänen-spezifisch.
00:07:27.34
Bob
Ich sage zum Beispiel auch, diese ganzen Lernen-Lernen-Geschichten, die es an Schulen gibt, die sind völliger Quatsch und ich glaube teilweise auch kontraproduktiv. Lernen-Lernen, ja sowas wie, wie erstelle ich eine Präsentation, was genau ist denn die Botschaft, die ankommt.
00:07:43.10
Bob
Die Botschaft, die ankommt, ist der Inhalt ist egal, es kommt nur darauf an, wie du die Folien machst. Aber jeder, der schon mal Folien gemacht hat, weiß, dass es sich bei Folien eigentlich um eine, sagen wir mal, kürzestmögliche Reduktion eines großen Inhaltes auf ein Wort handelt.
00:07:49.62
Stefan Sasse
Vielen Dank.
00:08:00.10
Bob
Also mit anderen Worten, wenn man wirklich lernen lernen in Bezug auf Folien lernen sollte, dann bräuchte man eigentlich acht Wochen, in denen es um einen spezifischen Inhalt geht, den man dann auf eine Folie bringt.
00:08:10.32
Bob
Wäre übrigens auch total sinnvoll. Die Klassenarbeit könnte dann zum Beispiel so aussehen zu sagen, also bitte mach eine Powerpoint-Präsentation zu folgendem Thema. Das wiederum heißt aber auch, Lernen ist domänenspezifisch.
00:08:21.80
Bob
Entgegen der Mythen wie, okay, wenn ich jetzt Mathe mache, werde ich im logischen Denken geschult, ist es eben nicht so. Sondern wenn ich Mathe lerne auf einem bestimmten Feld, dann werde ich besser im Mathe lernen auf einem bestimmten Feld.
00:08:36.48
Bob
Wenn ich Deutsch lerne innerhalb einer, oder jetzt muss ich ein bisschen aufpassen, wenn ich Deutsch schreiben übe, werde ich besser dabei zu schreiben in diesem Bereich.
00:08:48.58
Bob
Und jetzt kommt es. Was ist dann genau der Lernprozess? Naja, also wenn wir es jetzt ganz spezifisch machen, das Schreiben zum Beispiel über einen Gegenstand in einer ganz bestimmten Weise.
00:08:49.62
Stefan Sasse
Vielen Dank.
00:09:01.20
Bob
Und da wird es dann individuell. Ja, der eine oder die andere Schülerin sagt, ich habe das mit der Hinleitung noch gar nicht verstanden jetzt bei einem Interpretationsaufsatz. Der andere Schüler sagt, ich weiß nicht, wie ich das formal mache.
00:09:11.26
Bob
Der dritte sagt, ich weiß eigentlich, was ich sagen will, aber mir fehlen die Formulierungen und so weiter und so fort. Aber all das kann ich ja nur beantworten, wenn ich beim Schreibprozess dabei bin.
00:09:22.06
Bob
Und genau deshalb ist es so wichtig, dass das eben in der Schule passiert. Und wenn man sich dann noch ein bisschen mit KI auskennt und Feedback-Tools und so weiter, dann können die richtig nochmal Schwung in die Sache reinbringen.
00:09:32.84
Bob
Denn den Prozess zu begleiten ist die eine Sache. Aber wenn ich jetzt sozusagen bei 30 Schülerinnen und Schülern, bei jedem mich hinstelle und erstmal gucken muss, was genau ist eigentlich deine Herausforderung, dann bin ich in sechs Wochen noch nicht fertig.
00:09:48.26
Bob
Jetzt gibt es KI-Feedback-Tools, die auf den verschiedenen Niveaustufen das für Schülerinnen und Schüler können und dann, und dann wird es interessant, kann ich etwas tun, was für mich als Lehrkraft ja, oder was als Lehrkraft ja am wirkungsvollsten ist, nämlich konstruktives Feedback auf der Grundlage einer schon bestehenden Rückmeldung zu geben.
00:09:49.62
Stefan Sasse
Vielen Dank.
00:10:08.86
Bob
Und das ist nicht nur einfach irgendwie aus dem Bauch eine tolle Sache, sondern da kommen wir sozusagen in den Bereich der sogenannten Tiefendimensionen von Unterricht, nämlich empirisch nachweisbar jene wirklich wirkungsvolle, also für das Lernen wirkungsvolle Punkte.
00:10:24.58
Bob
Das war jetzt sehr viel auf einmal. Man könnte es auch verkürzen und sagen, sobald es schwierig ist, muss der Exper habe
00:10:36.26
Stefan Sasse
Das heißt, ich benutze quasi zunehmend KI im Endeffekt um diese Routinetätigkeiten, zu denen ich bisher eh nie die Zeit hatte sozusagen und die dann letztlich bisher an die Nachhilfeindustrie oder eben an die Hausaufgaben, Klammer auf, die dann gemacht werden oder auch nicht, Klammer zu, ausgelagert wurden.
00:10:51.54
Bob
ich, nee, nee, das nicht. Also ich meine, du kannst KI nutzen, um Routinetätigkeiten zu machen, ja, obwohl ich da auch ehrlich gesagt ein bisschen vorsichtig bin. Wenn jetzt Leute anfangen zu sagen, sie schreiben mit KI Elternbriefe, also da würde ich sagen, man kann einen Elternbrief so, wir haben eine neue Lektüre.
00:11:06.88
Bob
Aber ganz ehrlich, also ich möchte mir doch nicht bei so einer persönlichen Sache wie, weiß ich nicht, dem Kind geht es nicht so gut, ich möchte ein Gespräch haben, das möchte ich doch nicht von der KI haben.
00:11:17.92
Bob
Nee, nee, das ist das Gegenteil von Routine. Weißt du, ich nehme mal ein konkretes Beispiel. Wenn ich dieses Feedback-Tool Fiete nehme, wo ich quasi der KI sage, folgende sechs Kriterien sollen die Schülerinnen und Schüler machen.
00:11:29.90
Stefan Sasse
Vielen Dank.
00:11:31.40
Bob
Sie sollen eine Hinleitung machen, die etwas beschreibt, die Bildhaft ist so. Sie sollen eine Einleitung machen, wo die formalen Kriterien drin sind. Sie sollen einen Hauptteil machen in der Texterörterung, wo ein Dreischritt gegeben ist, was weiß ich. Das ist jetzt alles fachspezifisch.
00:11:42.98
Bob
Dann ist das das Gegenteil von Routine, sondern was die KI macht, ist auf der Grundlage meiner Prompts, die die Kriterien festlegen, jedem Schüler in dem, was er schreibt, für jeden einzelnen Teil einer zum Beispiel Interpretation eine spezifische Rückmeldung zu geben, auf der ich dann im Gespräch aufbauen kann, um zu sagen, was kannst du verbessern.
00:12:08.38
Bob
Das ist überhaupt nicht Routine, sondern das ist eine total Individualisierung des Lernprozesses, weil ich ja so erst feststelle oder diagnostizieren kann, wo ist eigentlich dein Problem.
00:12:20.24
Bob
Normalerweise haben wir diese Form der tiefgehenden Diagnose immer erst zu dem Zeitpunkt, wo es zu spät ist, nämlich in der Klassenarbeit.
00:12:29.90
Stefan Sasse
Vielen Dank.
00:12:31.30
Bob
Und dann sage ich, ich kann dir jetzt sehr genau sagen, dass du es überhaupt gar nicht geschafft hast. Du hast eine 5 und jetzt geht es übrigens mit der neuen Einheit weiter. Wäre übrigens schön, wenn du alles das, was du schon in sechs Wochen mit meiner Hilfe und deinen Klassenkameraden nicht verstanden hast, jetzt zusätzlich drauf schaffst, während wir das neue Thema machen.
00:12:48.48
Bob
Übrigens, und das baut da drauf aus. Das heißt, das passt alles nicht. Wir haben uns daran gewöhnt, dass das so sein soll, aber das passt aus meiner Sicht nicht. Und deshalb müssen Schule eben Lernorte sein.
00:13:00.14
Bob
Und du hast gerade auch schon gesagt, naja, wie funktioniert das Lernen dann? Das ist aus meiner Sicht auch eine große Aufgabe der Fachdidaktik.
00:13:10.36
Bob
Jede Lehrkraft, die aus dem Studium rauskommt, muss Lernexperte sein. Ich meine, dass man sowas überhaupt sagen muss heutzutage, ist doch völlig verrückt.
00:13:21.32
Bob
Also wir haben es mit Lehrkräften zu tun, die vom Prozess des Lernens oftmals nicht den blassen Schimmer haben. Und das ist nicht überall so übrigens, klar.
00:13:29.90
Stefan Sasse
Vielen Dank.
00:13:31.66
Bob
Förderlehrkräfte sind deutlich weiter, weil, und jetzt wird es lustig, die den Lernprozess verstehen müssen, weil sie mit Schülerinnen und Schülern zu tun haben, die vielleicht Lernschwierigkeiten haben.
00:13:42.64
Bob
Als wenn das nicht relevant für einen Gymnasiallehrer wäre, zu wissen, wie Lernen funktioniert. Nur weil jemand sozusagen keinen Förderschwerpunkt Lernen hat. Das geht mir überhaupt nicht in den Kopf und das ist einer der Gründe, warum ich ja auch zum Beispiel anprangere, dass der Begriff Lernen im Schulgesetz überhaupt keine Rolle spielt.
00:14:01.08
Bob
Das ist schon echt erstaunlich. Also wir sprechen dauernd irgendwie über Bildung und Bildungsprozesse, aber das, was uns überhaupt erst zu einer Bildung führt, das was
00:14:12.58
Stefan Sasse
Dann macht das Sinn. Ich hatte mich gleich schon gerade gewundert. Dann habe ich dich dann noch falsch verstanden mit der KI-Geschichte. Da bin ich total bei dir. Das heißt, wir haben ja quasi auch schon vor der Schule vorgelagert sozusagen ein Thema, was die Lehrkräfteausbildung angeht.
00:14:28.58
Stefan Sasse
Würdest du dann dafür plädieren, die fachwissenschaftlichen Teile runterzuschneiden? Muss die einfach nur länger werden oder wird es reichen, die anders aufzubauen? Also müssen wir eine Grundsatzreform ran oder machen wir quasi zwei Module mehr in
00:14:43.82
Bob
ist, dann ist es eine fundamentale Veränderung, aber ohne Beschneidung witzigerweise. Also ich habe vor etlichen Jahren mal einen Blogbeitrag geschrieben, so einen sehr kontraintuitiven, für mehr Theorie in der Lehrerbildung hieß der, um diesem, wir können damit ja gar nichts anfangen vorzubeugen.
00:15:01.80
Bob
So, jetzt kann man sich ja überlegen, es gibt ganz viele Theorie, es gibt Fachtheorie, didaktische Theorie, ethische Theorie und so weiter und so fort. Woran liegt das eigentlich, dass so viele Lehramtsstudierende aus ihrem Studium rauskommen und sagen, das kann ich doch gar nicht verwenden?
00:15:09.72
Stefan Sasse
den Bachelor rein. Vielen
00:15:15.96
Bob
Ich würde sagen, das liegt an einer fehlenden Andockstelle. Ich habe letztens mal gesagt, und das sehe ich tatsächlich so, dass meine ganze Bloggerei der letzten zehn Jahre wie ein extrem ausgeprägtes zweites duales Studium war.
00:15:31.24
Bob
Piaget und die Entwicklungsstufen von Kindern und Jugendlichen lernt zuerst kennen, wenn du mal einem Sechsklässler gesagt hast, dass er eine Strafarbeit kriegt, weil er gefurzt hat. So wie ich das gemacht habe im Referendariat.
00:15:42.76
Bob
Der fängt nämlich an zu heulen, du fragst dich warum und checkst dann sozusagen, was Abstraktion und Ironie bedeutet in einem jeweiligen Zusammenhang. Verstehst du? Also dann können Leute sagen, ja Piaget sagt mir ja nichts und jetzt können natürlich auch Leute kommen und sagen, Piaget ist nicht empirisch, aber sozusagen die Beobachtungen, die er mit seinen eigenen Kindern gemacht hat, haben ja durchaus eine Durchschlagskraft.
00:15:49.66
Stefan Sasse
Dank.
00:16:02.00
Bob
Das heißt aber, dass Theorie anwendbar sein muss. Das spricht für Dualität. Aber, und jetzt kommt es, auch was die Fachwissenschaft angeht, bin ich überhaupt nicht der Meinung, dass Lehrkräfte nicht über die Themen, die die Schule hat, hinaus was lernen sollten.
00:16:19.90
Bob
Denn das sollten sie. Wir brauchen Redundanz, wir brauchen Breite. Aber was wir auch bräuchten, wären explizite Lehramtsfakultäten.
00:16:29.62
Stefan Sasse
Vielen Dank.
00:16:32.92
Bob
Damit das Fach, was man macht, das Fachliche, von denjenigen, die es unterrichten, schon relativ früh darauf gebracht wird, zielorientiert Informationen wiederzugeben.
00:16:47.08
Bob
Also das, was man so didaktische Reduktion nennt. Und ehrlich gesagt, ich weiß auch gar nicht, ob das Lernen spezifisch sein muss, weil ich so ungefähr kein Fach kenne, egal ob in der Wissenschaft oder in der Wirtschaft oder so, wo es am Schluss nicht darauf ankommt, eine sehr große Menge an Informationen oder wissensbeständigen Beständen einer spezifischen Zielgruppe zugänglich zu machen.
00:17:13.20
Bob
Verstehst du, was ich meine? Wenn ich das aber sozusagen, wenn ich nur sozusagen studiere und erst nach sieben Jahren, grob gesagt, verstehe, wie ich das überhaupt zielorientiert, also zielgruppenorientiert verdichte, dann ist es halt einfach ein bisschen spät.
00:17:29.32
Bob
Das heißt, ich will gar keine Fächer beschneiden oder Theorien, sondern es braucht a. einen immerwährenden durchgehenden Praxisbezug, b.
00:17:29.62
Stefan Sasse
Vielen Dank.
00:17:40.26
Bob
eine Möglichkeit, sozusagen das, was man als Lehrkraft dann auch macht, die Strukturierung, die Reduzierung, die Abstrahierung teilweise auch schon im Studium anzubahnen.
00:17:50.48
Bob
Und C, es braucht auch Werkzeuge für jene individuelle Dinge, die man als Lehrkraft ständig braucht, nämlich zum Beispiel die eigene Reflexion, die Möglichkeit, das Lernen, wie es bei Hetty so schön heißt, aus der Perspektive der Kinder zu sehen und so weiter und so fort.
00:18:17.66
Bob
Warum kriegen denn Lehrkräfte einen Praxisschock? Naja, weil sie sozusagen mit der Vorstellung in die Schule kommen, die überhaupt nichts mit dem zu tun hat, was eigentlich tatsächlich dort stattfindet.
00:18:29.62
Stefan Sasse
Vielen Dank. Das würde ich andocken wollen mit… Wir nehmen auf, keine Bange.
00:18:30.90
Bob
Und diese Diskrepanz, das kann eigentlich nicht sein. Sag mal, wird eigentlich aufgenommen? Weil ich sehe überhaupt nicht, dass mein Ding ausschlägt. Okay, weil bei mir ist kein Ausschlag zu sehen,
00:18:42.32
Stefan Sasse
Bei oder
00:19:00.76
Stefan Sasse
ist das ein Prozess bei dir gewesen, der erst in der Praxis dann kam? Also gerade bei solchen Sachen wie mehr Theorie in der Lehrerbildung oder so. Also was war quasi mir schlägt es aus, alles gut. deine Genese?
00:19:09.22
Bob
bei dir schon. Okay, perfekt. Das
00:19:11.82
Stefan Sasse
Wie bist du da hingekommen? Was war quasi deine Frustration mit dem System? Weil bei mir hat es eine Weile gedauert, muss ich sagen, bis ich da hingekommen bin. Warst du von Anfang an einer, der da quer
00:19:26.22
Bob
Gegenteil ist der Fall. Also mir war das völlig egal, dass ich irgendwann in die Schule gehe. Ich habe ja sozusagen erst nach fünf Semestern erst gewechselt. Also ich habe das Studium selbst genossen ohne Ende und ich bin gegen Bologna auf die Straße gegangen, weil ich dieses Umzudenken ja grundsätzlich scheiße finde.
00:19:42.28
Bob
Ich finde, also und ich war der absolute Streber auch, was Hausarbeiten anging. Also natürlich, ich bin auch, ich verstehe auch überhaupt nicht, warum man Hausarbeiten nicht gut finden kann.
00:19:49.72
Stefan Sasse
geschossen hat oder kam das bei dir auch erst stückchenweise? Vielen
00:19:54.06
Bob
Du hast dir das Fach ausgesucht, du hast dir innerhalb des Fachs das Seminar ausgesucht und hast dir innerhalb des Seminars das Thema ausgesucht. Jetzt jammer doch nicht rum. Für mich gab es nie was Besseres, als etwas zu suchen, wo ich drüber schreiben darf und kann.
00:20:08.30
Bob
Aber da bin ich natürlich auch irgendwie ein Exot. Das ist mir durchaus auch klar. Damals wusste ich ja noch gar nicht, dass es irgendwie sozusagen diese Form der Übersetzung geben muss. Und ehrlich gesagt, ich finde das auch völlig in Ordnung, Dinge zu studieren, die man danach in Anführungsstrichen nicht mehr braucht.
00:20:23.96
Bob
Manchmal kommt man ja auch später drauf. Ich wusste nicht, dass sowas wie ein Frikativlaut oder ein Bilabial, was man da lernt, möglicherweise sinnvoll sein kann, wenn man einem Schüler erklärt, wie die englische Aussprache funktioniert.
00:20:29.66
Stefan Sasse
Dank.
00:20:37.34
Bob
Es geht aber, das ist gut. Nee, ehrlich gesagt bin ich erst sehr, sehr, sehr viel später auf diesen Trichter gekommen, dass erstens dieses mit der Liebe zum Fach wirklich es nicht allen so geht.
00:20:49.66
Bob
Ich hatte wirklich mal so eine ganz frustrierende lange Zeit, wo ich in so Facebook-Gruppen von Studierenden war, die dann gefragt haben, wer ist denn der einfachste Professor, als wenn das irgendwie, also ich verstehe schon, jetzt sammelt man scheiß ECTS-Punkte, man wird ja jetzt auch auf dieses Umzudenken getrimmt.
00:21:07.58
Bob
Aber das hat mich frustriert. Und welches Fach soll ich machen, damit ich am besten eingestellt werde? Junge, was ist los mit dir? Auch das verstehe ich. Aber nimm doch das, was du liebst, werd einfach saumäßig gut und werd deshalb dann genommen.
00:21:09.62
Stefan Sasse
Vielen Dank.
00:21:22.20
Bob
Das ist die Frustration gewesen. Ehrlich gesagt, ich bin ja immer noch im Lernenprozess. Ich lerne immer noch dazu. Ich lerne, also ich lese gerade Hartmut Rosa, die Resonanztheorie und dachte, shit, ich wusste gar nicht, dass das eine Leerstelle füllt.
00:21:39.54
Bob
Ich wusste gar nicht, dass ich die überhaupt habe. Ich liebe das immer noch. Aber mit Lernen beschäftigt habe ich mich damals nicht. Also natürlich, ich war früher in so Jugendgruppen und so und ich hatte schon das Gefühl, dass ich so eine Art Augenhöhe immer hatte, ohne kumpelhaft zu sein.
00:21:56.96
Bob
Ich meine, klar, bei Jugendgruppen kannst du kumpelhaft sein. Ich will nicht der Kumpel sein. Das hat mich heute auch ein SWR-Journalist gefragt, Freundschaft. Ich will nicht freundschaftlich sein, ich will nicht kumpelhaft sein. Ich will die ernst nehmen und ich will ernst genommen werden.
00:22:09.86
Bob
Also ich will Autorität haben, ohne autoritär zu sein. Das sind die Dinge, die mich beschäftigen und das ist bei vielen Lehrkräften ja so, aber der springende Punkt ist ja ein anderer, das ist Zufall.
00:22:09.90
Stefan Sasse
Vielen Dank.
00:22:21.38
Bob
Weißt du? Ob du dich mit Lernen beschäftigt hast, ob du Kinder und Jugendliche grundsätzlich ausstehen kannst oder nicht, ist alles Zufall. Du kannst theoretisch den perfekten Unterricht machen.
00:22:33.06
Bob
Den perfekten Unterricht. Kann ich übrigens auch. Also, geh mich besuchen und ich mach den perfekten Unterricht mit dem perfekten Einstieg und der perfekten Gelenkstelle mit einer schönen Schülerorientierung, mit Methodenwechsel, nicht zu viel, nicht zu wenig, bisschen Medien und dann kriege ich eine supergeile Eins.
00:22:49.00
Bob
Weißt du, woher ich das weiß? Ich habe das ja schon gemacht. Ich habe das mehrere Male gemacht. Ich wurde besucht zu Oberstudienrat, ich wurde besucht zu Studi- hier Ober, hier was heißt das, Studiendirektor. Da wurde die Bewerbung, für die ich mich damals beworben habe, aber wieder zurückgezogen.
00:23:02.92
Bob
War alles schon fertig. Ich habe alles fertig gemacht. Dann kam eine Mail. Ah, die Stelle gibt es jetzt übrigens nicht mehr. Aber ich weiß das. Das Problem ist nur, den perfekten Unterricht zu machen, macht dich noch nicht zu einem guten Lehrer.
00:23:09.62
Stefan Sasse
Vielen Dank.
00:23:13.08
Bob
Und das ist ein Problem. Weil das, was abgeprüft wird, sozusagen das Axiom ist, schaffst du es, der beste Dirigent zu sein. Aber ich sage, wir brauchen keine Dirigenten mehr in den Schulen.
00:23:25.74
Bob
Weil der beste Dirigent möglicherweise sogar schlechter ist als das beste YouTube-Video zum Thema. Und dann können wir uns das mit dem Lehrermangel auch sparen. Dann sagen wir hier, Leute, jetzt guckt der erst MrWissen2go, dann schreibt da ein bisschen was auf, dann guckt da Lehrer Schmidt und schreibt ein bisschen was auf, dann guckt da Daniel Jung und schreibt ein bisschen was auf und dann guckt da ein YouTube-Video von Bob Blume und schreibt ein bisschen was auf, dann brauchen wir die Lehrer nicht mehr.
00:23:48.28
Bob
Was wir brauchen, sind Lernexperten. Und das habe ich sehr, sehr spät gerafft. Sehr spät. Vielen
00:23:57.84
Stefan Sasse
Ja, so geht es mir grundsätzlich. Also ich bin da auch in so einem dauerhaften Wandlungsprozess und ich will jetzt gar nicht behaupten, dass ich auch nur in Riechweite bin von irgend sowas wie Lernexperte.
00:24:08.10
Stefan Sasse
Ich habe im Endeffekt da auch in einer Blogpost, den du gerade schon erwähnt hast, der findet sich dann auch in den Shownotes, mit dem wir brauchen mehr Theorie in der Lehrerbildung. Das war für mich schon auch so ein Wake-up-Call, könnte man sagen.
00:24:20.98
Stefan Sasse
So ein wirklicher Moment, wo ich eine ganz Neuorientierung gemacht habe, wie ich über diese Dinge nachdenke. Und ich muss sagen, ich bin immer noch kein Fan von pädagogischer Theorie und Lerntheorie, weil ich einfach finde, das liest sich häufig ganz furchtbar und ich habe da etwas weniger Spaß dabei als du, aber ich sehe die Notwendigkeit und definitiv auch diese Anknüpfbarkeitsgeschichte, die du erwähnt hast.
00:24:47.82
Stefan Sasse
Und was mich gerade am allermeisten frustriert, was du vorher aufgelistet hast, ist diese Prüfungskultur.
00:24:49.94
Bob
Dank.
00:24:57.84
Stefan Sasse
Die finde ich eine der schlimmsten Festlegungen in diesem ganzen Bildungssystem, weil die führt ja letztlich zu dieser Logik, die du kritisiert hast, ja mit diesem etwas für etwas anderes tun.
00:25:10.38
Stefan Sasse
Also ich muss quasi jetzt diese Schritte der Gedichtinterpretation auf genau diese und jene Art und Weise erlernen, damit ich nachher in der Klausur diese und jene Kategorie
00:25:22.50
Bob
Ja, und vor allen Dingen, ja, ja, gut, und ich möchte vor allen Dingen mal Lehrkräfte, ich möchte mal Gedichtinterpretationen von Lehrkräften lesen, ehrlich gesagt. Wieso kriegen denn die Lehrkräfte immer so einen roten Erwartungshorizont an die Hand eigentlich?
00:25:35.18
Bob
Und jetzt wird es noch schlimmer. Es ist ja nicht nur Prüfungskultur, sondern die Prüfungskultur oder die, ich mag den Begriff auch nicht so, aber diese ganzen Prüfungen, wofür sind die denn eigentlich da?
00:25:46.58
Bob
Das ist ja die sogenannte Leistungsmessung. Aber was wird denn da eigentlich gemessen? In meinem Buch habe ich ja sozusagen diese tautologische Umspielung von Armin Nasseh übernommen. Prüfungen prüfen das, was Prüfungen prüfen können.
00:25:49.72
Stefan Sasse
erfülle. Vielen
00:25:59.92
Bob
Gleichzeitig steht aber ja im Bildungsplan, warum man sich mit diesen Sachen beschäftigen sollte. Da steht, was weiß ich, Gedichte sollte man sich mit befassen, um sozusagen diese tradierte Kultur, die verdichtete Sprache kennenzulernen und so weiter.
00:26:15.14
Bob
Und doch im besten Fall das wertzuschätzen oder nicht. Also sonst bräuchten wir es doch nicht machen. Wenn das ein Kulturzugang ist, dann müssen wir doch hinterher rausgehen und sagen, also Gedichte finde ich irgendwie spannend.
00:26:25.28
Bob
Und übrigens finden die meisten auch. Aber nicht die, die aus der Schule, sondern die auf den Ohren. Wir sind ja umgeben von Lyrik. Aber wenn das, was rauskommt, am Ende ist, Gedichte haben immer damit zu tun, dass ich ein Korsett, dass ich irgendwas in ein Korsett pressen muss und am besten so schreibe, dass ich vermute, was mein Lehrer hören will, weil der so einen roten Erwartungshorizont hat, dann mache ich genau das Gegenteil.
00:26:29.66
Stefan Sasse
Dank.
00:26:48.20
Bob
Ich wertschätze das nicht. Ich stand letztens irgendwann mal, ich werde jetzt ein bisschen vage, ich werde dann immer so traurig. Ich stand letztens in Berlin auf dem Balkon mit Lehrkräften und habe dann gesagt, so, was ist euer Lieblingsgedicht?
00:26:59.56
Bob
Das mache ich immer mal. Und es gibt so viele Sprachenlehrer, die kein Lieblingsgedicht haben oder, also gar keins, kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, geschweige denn, dass auswendig können. Da denke ich immer, ja, aber du hast das doch gemacht, weil dir was das bedeutet, oder?
00:27:09.62
Stefan Sasse
Vielen Dank.
00:27:14.60
Bob
Also, weißt du, ich kenne ja Gedichte nicht auswendig, weil ich mich hingesetzt habe und gedacht habe, ich muss jetzt Gedichte auswendig lernen, sondern weil die mir was sagen, weil die mich berühren, weil die eine Perspektive geöffnet haben. Und das will ich doch für Schülerinnen und Schüler auch.
00:27:25.80
Bob
Die sollen danach nicht alle sozusagen Rilke-Gedichte auswendig können. Aber es wäre doch schön, wenn die aus der Schule kommen können und sich nicht daran zurückerinnern, wie wir Gedichte gemacht haben und kotzen.
00:27:37.90
Bob
Und das passiert ja gerade. Also frag mal die Leute, was ihr großes Trauma nach dem Matheunterricht ist. Es sind immer Gedichtinterpretationen. Und wenn es ganz schlimm ist, sagen sie Gedichtsinterpretationen, weil sie es so scheiße finden, dass sie immer noch dieses Fugen-Ess benutzen, verdammt.
00:27:51.22
Bob
Das werde ich nie aufgeben.
00:27:52.36
Stefan Sasse
Ich habe es teilweise echt aufgegeben, das zu korrigieren. Das sagt halt Gedichtsinterpretation von mir aus. Okay, wir haben alle unsere persönlichen Kreuzzüge.
00:28:04.18
Stefan Sasse
Das ist aber auch ein generelles Problem. Es geht über Gedichte raus, finde ich. Wir verleiden den SchülerInnen ja auch wirklich systematisch das Lesen. Also, dass es überhaupt noch Menschen in dem Alter gibt, die freiwillig lesen, ist angesichts dessen, dass wir teilweise gezwungen sind, den Deutschunterricht abzuziehen, schon fast ein Wunder manchmal.
00:28:22.58
Stefan Sasse
Also diese Lektürenbehandlung, gerade im Hinblick auf das Abitur, aber die Prüfungsformate üben wir ja vorher schon ein, das macht ja keinen Spaß, sich auf die Art mit Literatur auseinanderzusetzen, üblicherweise.
00:28:35.52
Stefan Sasse
Also das ist genauso frustrierend. Aber worauf ich eigentlich noch vorher raus wollte bei der Klausurgeschichte, ist einfach, und das sind wir bei dem Lernaspekt, du sagtest ja auch, das ist zu spät.
00:28:46.28
Stefan Sasse
Und das ist wirklich der Part, der mich derzeit seit einigen Jahren mittlerweile am allermeisten frustriert, dass quasi ich ein Siebtel meiner Arbeitszeit, das ist so diese statistische Wert, ich glaube, der kam bei Hattie raus, wenn mich nicht alles täuscht, oder irgendeine andere Studie, mit Korrekturen verwende, die letzten Endes komplett nutzlos sind.
00:28:46.46
Bob
Mhm. Ja,
00:29:05.88
Stefan Sasse
Weil welche SchülerInnen lesen denn diese Korrekturen tatsächlich? Vielen
00:29:09.98
Bob
das ist, ich muss dir gerade was Lustiges sagen. Ich habe heute, während wir miteinander sprechen, und ich meine, die Folge wird ja auch wann anders rauskommen, mit Benedikt Wisniewski gesprochen.
00:29:21.82
Bob
Benedikt Wisniewski, der hat diesen wirklich sehr hörenswerten Podcast Psychologie fürs Klassenzimmer und der hat in der vorletzten Folge mit John Hattie persönlich gesprochen über etwas, was er Deimplementierung nennt.
00:29:36.56
Bob
Da müssen wir jetzt nicht lange drüber sprechen, aber für mich auch mal wieder so eine Leerstelle gefüllt, weil ich sage immer, wir brauchen weniger anstatt mehr, aber was mir nicht klar war, ist, dass man Dinge, die man weniger braucht, auch konzeptionell abschaffen muss.
00:29:51.98
Bob
Also mit anderen Worten, wenn du etwas in Schule, was Quatsch ist oder nicht wirkungsvoll, in den Worten der empirischen Bildungsforschung, dann musst du es konzeptionell abschaffen.
00:30:02.84
Bob
Jetzt hat Benedikt ein Buch darüber geschrieben, über Deimplementierung, das ich auch schon lesen durfte. Ja, 170 Seiten, glaube ich, so ungefähr 120 Seiten davon genese.
00:30:09.72
Stefan Sasse
Dank.
00:30:14.28
Bob
Und dann ist es für die Leute, für die meisten Leute wird es dann halt wahrscheinlich spannend, für mich eher weniger. Da geht es dann tatsächlich um die praktische Umsetzung. Ich finde erst mal gut, sozusagen das Gesamtding zu verstehen.
00:30:24.88
Bob
Und aber immer schön mit Beispielen. Und jetzt kommt’s. Das, was du gerade, und das meine ich nicht abwertend, anekdotisch gesagt hast, das ist empirisch bewiesen.
00:30:35.54
Bob
Und zwar, Korrekturen sind nicht nur unnütz, sondern sie schaden sogar. Also mit anderen Worten, also da gibt es Testgruppen.
00:30:41.88
Stefan Sasse
Sie schaden.
00:30:47.62
Bob
Wenn ich der einen Gruppe eine Korrektur mit den Korrekturzeichen wiedergebe und der anderen nicht, dann schadet es denen, wo ich korrigiert habe.
00:30:58.04
Bob
Was man stattdessen machen sollte und was nicht schadet, ist zum Beispiel Feedback, logisch, und Hinweise auf Überarbeitung.
00:31:08.42
Bob
Also anstatt, dass ich eine Passage irgendwie komplett durchkorrigiere, sage ich, und das ist immer wichtig, das zu sagen, da muss ich das dann natürlich logischerweise vorher auch einführen, was das bedeutet, bitte überprüfe diese Passage nach Logik.
00:31:24.42
Bob
Das bringt etwas. Und jetzt überleg dir mal, also Benedikt hat es heute vorgerechnet, ich weiß die Zahlen nicht mehr, aber es sind Millionen von Stunden, es sind Milliarden von Euro, Milliarden von Euro, die quasi an bezahlten Stunden für etwas draufgehen, was empirisch erwiesenermaßen sinnlos ist.
00:31:29.90
Stefan Sasse
Vielen Dank. Ja,
00:31:47.50
Bob
Und das ist schon bitter. Vielen
00:31:49.98
Stefan Sasse
ich habe die Folge von Benedikt auch gehört, in der er das gemacht hat. Das war für mich auch so ein absoluter Augenöffner-Moment. Ich hatte ihn ja hier auch schon im Podcast zu Gast, da haben wir das auch kurz angeschnitten, diese Geschichte mit den Korretungen.
00:32:00.86
Stefan Sasse
Ich finde das auch so krass und ich finde das generell auffällig, das ist so ein Dauerding von Benedikt in seinem Podcast, also ich möchte ihn hier auch nochmal wirklich empfehlen, dass er sagt, ganz viel von dem, was wir in der Schule tun, hat ja gar keine empirische Grundlage, also hat keine, allein diese, wie heißen sie, die 10 Regeln für guten Unterricht oder sowas, die auf effektiv nichts basieren, also lauter solche Geschichten, auf deren Basis da Dinge gemacht werden, von denen man nicht mal weiß, ob es funktioniert oder noch schlimmer, theoretisch gesehen wissen könnte,
00:32:31.38
Stefan Sasse
dass es nicht funktioniert. Ich habe so gemeint, ich glaube es war vor zwei Jahren, ich meine du bist ja auch hier in Baden-Württemberg, dass wir ganz verbindlich nochmal von Seiten des Kultusministeriums vorgegeben bekommen haben, dass eine Formalkorrektur stattfinden muss in Klausuren.
00:32:45.88
Stefan Sasse
Also Formalkorrektur ist der Fachbegriff für die roten Korrekturzeichen am Rand, Rechtschreibung, Zeichensetzung, Grammat der Exsatzbau etc. Was du gerade gesagt hast, was diese Studie ergeben hat, was einen erwiesenermaßen negativen Effekt hat, das schreiben die mir vor.
00:32:49.88
Bob
Dank. Ah
00:32:58.72
Stefan Sasse
Und ich weiß nicht, wie es dir geht, aber wenn ich die weglasse, dann reduziert sich meine Korrekturzeit locker um die Hälfte. Und ja, ich sag für Rückmeldung.
00:33:04.88
Bob
ja, locker. Und das wäre Zeit, die du hättest für eine Rückmeldung, die erwiesenermaßen sinnvoll ist, damit die Schülerinnen und Schüler sich beim nächsten Mal verbessern.
00:33:09.84
Stefan Sasse
Genau, und damit kommen wir zu dem Problem, worauf ich immer noch raus wollte, nämlich der Zeitpunkt ist scheiße. Weil in dem Moment, wo ich die Klausur schreibe, ist ja das Thema meistens per Definition abgeschlossen.
00:33:15.12
Bob
Richtig.
00:33:24.04
Stefan Sasse
Also wir haben jetzt Gedichtinterpretation gemacht und dann schreibe ich die Interpretation und dann muss ich die ja korrigieren. In der Zeit unterrichte ich ja schon das nächste Thema und zwei Wochen später gebe ich sie raus. Idealerweise. Häufig daraus länger. Genau.
00:33:35.66
Stefan Sasse
Das interessiert Cressau. Die gucken sich, also was ich als Metapher dafür immer verwende oder als Vergleich, ist die SchülerInnen behandeln Klausuren und Klausurrückgaben wie so eine Slotmaschine in Las Vegas.
00:33:47.10
Stefan Sasse
Also die schmeißen oben ihre zwei bis vier Stunden Arbeitszeit rein, wie lange halt auch immer du die Klausur schreibst, sondern ziehen sie einmal am Hebel und unten fällt deine Korrektur raus und da steht dann was drunter, das sie möglicherweise verstehen, üblicherweise nicht, aber vor allem ist da eine Zahl und die betrachten diese Zahl üblicherweise als so ein Zufallsprodukt.
00:33:47.16
Bob
Genau, interessiert es sowieso keinen mehr. Hm.
00:34:08.28
Stefan Sasse
Das hört man ja ganz oft, ich probiere es mal oder oh, ich habe eine 2, ich hatte Glück oder ich hatte eine 4, ich hatte Pech und dann denkst du, nein, das hängt mit deinen Fähigkeiten zusammen, aber das kriegst du gar nicht an die hin, weil dieses Feedback an einer Stelle kommt, an der der ganze Lernprozess, wenn überhaupt je einer stattgefunden hat, schon in der Vergangenheit liegt.
00:34:28.72
Stefan Sasse
Das heißt, dieses Feedback, das ich mit einem Siebtel meiner hochbezahlten Arbeitszeit erstellt habe, kommt zu einem Zeitpunkt, wo es keine Sau mehr interessiert und selbst wenn es interessiert, brauchen sie es nicht mehr.
00:34:29.82
Bob
Vielen Dank. Ja.
00:34:39.98
Stefan Sasse
Es hockt sich ja niemand hin und sagt, oh, dann trainiere ich jetzt mal lieber die Gedichtinterpretation nochmal, weil ich brauche die ja, ich bin jetzt in der 10. Klasse und in der 11. schreiben wir ja wieder eine.
00:34:50.28
Stefan Sasse
Also das macht ja niemand. Also von daher, das ist ein komplett bekloppter Prozess von vorne bis hinten und da hast du völlig recht, diese Deimplementierung, die wäre an der Stelle mehr als angebracht. Vielen
00:35:00.00
Bob
Ich bin jetzt mal gespannt. Ich weiß noch nicht, ob ich das ausführen darf. Das hat eben auch mit den Strukturen zu tun, aber ich habe mit den Schülerinnen und Schülern jetzt bei der Texterörterung unter anderem auch KI verwendet, was übrigens auch deshalb spannend war, weil sie, also ich mache das Gegenteil von dem, wie man was machen sollte manchmal.
00:35:18.32
Bob
In dem Fall habe ich sie ihre eigenen Texte mit Prompts bearbeiten lassen, habe ihnen aber nicht erklärt, wie Prompts funktionieren, was dazu geführt hat, dass sie ein bisschen enttäuscht waren bei dem, was rausgekommen ist.
00:35:31.42
Bob
Und dann habe ich sie sozusagen die Prompts nochmal vorlesen lassen und ihnen quasi gesagt, was glaubt ihr denn, woran es liegt, dass eure Texte jetzt nicht so viel besser geworden sind an euch oder an der KI.
00:35:43.58
Bob
Und das war sozusagen diese kognitive Dissonanz, die man will. Und siehe da, die Prompt war halt entweder mach meinen Text besser oder korrigiere ihn formal oder so und nicht das bin ich, der bist du, ich will folgendes von dir, auf folgende Weise, in folgendem Umfang.
00:35:49.66
Stefan Sasse
Dank.
00:36:03.82
Bob
Und was ich jetzt machen möchte, weil ich noch nicht weiß, ob ich darf, ist, ich möchte das in die Klausur reinmachen. Also, ich würde das gerne so machen, dass die Schülerinnen und Schüler die Texte lesen, die sie eben erörtern sollen.
00:36:19.92
Bob
Texterörterung ist ja. Nachdem sie die Texte geschrieben haben, prompt formulieren. Nachdem alle einenpt formuliert haben, darüber diskutieren, welchen sie nehmen sollen. Den gebe ich ein, spiele ihnen die Ergebnisse zurück und das dürfen sie dann verwenden.
00:36:29.62
Stefan Sasse
Vielen Dank.
00:36:33.44
Bob
Und da war natürlich erstmal auch großes Erstaunen. Wie gesagt, ich weiß ja gar nicht, ob ich es machen kann oder nicht. War großes Erstaunen. So ein bisschen für die Leute, die den Asterix, den Asterix-Comic, Asterix bei den Olympischen Spielen kennen.
00:36:49.78
Bob
Erst hat Asterix den Zaubertrank, genau. Danach klauen den die Römer, aber das ist alles eingefädelt, weil dann alle gleich schnell sind. Asterix ist am langsamsten, aber ist halt derjenige, der den Zaubertrank nicht gefunden hat.
00:37:01.62
Bob
Und ich habe denen erklärt, nee, nee, passt auf. Die Bewertungskriterien, die werden natürlich entsprechend angepasst. Dann kommt es halt nicht darauf an, und das ist ja auch so ein Ding, was völlig bescheuert ist, zu bewerten, wer hat das beste Kontextwissen.
00:37:15.12
Bob
Weil das kann ich ja gar nicht leisten, das zu tun. Also entweder schauen halt Leute Tagesschau oder nicht. Und natürlich wäre es schön, wenn sie es machen. Aber ich kann halt eben schauen, inwiefern sind die Informationen, die sowieso schon da sind, inwiefern sind die eingebracht organisch in die eigene Argumentation, inwiefern ist das methodisch korrekt, inwiefern hat das dann eine Tiefe und so weiter und so fort.
00:37:29.62
Stefan Sasse
Vielen Dank.
00:37:37.16
Bob
Und das wiederum hat aus meiner Sicht eine viel stärkere Relevanz in Bezug auf eine Leistungsmessung, die viel weniger weit weg geht von der tatsächlichen Realität.
00:37:49.14
Bob
Weil in der Realität ist das ja dann so. Also du kriegst eine Aufgabe, du musst sie, das ist immer noch künstlich, zu einem bestimmten Zeitpunkt machen, aber du dürftest ja KI verwenden oder jedenfalls verbietet es dir keiner.
00:38:00.28
Bob
Du dürftest surfen oder jedenfalls verbietet es dir keiner. Aber trotzdem sind wir ja nicht alle gleich leistungsfähig, weil es eben darauf ankommtnis
00:38:14.96
Stefan Sasse
Ja, ich will gar nicht in diese blöde Diskussion einsteigen, was da alles erlaubt ist und was nicht, weil üblicherweise ist die Antwort erstmal nein. Vor allem, wenn man irgendjemanden dann fragt mit Schulrechtswissen bedauerlicherweise, weil halt ganz, ganz viel immer geblockt wird.
00:38:29.98
Stefan Sasse
Also auch die Verwendung von digitalen Medien in Klassenarbeiten und so weiter, das ist ja alles mehr um Vergebung Fragen, ja. Aber das ist halt bei so Verwaltungsakten wie Zeugnissen ein echtes Thema.
00:38:36.68
Bob
und mehr um Verzeihung bitten. Ja, ja
00:38:42.70
Stefan Sasse
Aber anyways, ich möchte auch ein bisschen auf den Positivteil raus, auch wenn da gleich wieder ein Negativer kommt, weil du hast in deinem Buch ja zwei Sachen so ein bisschen explizit lobend hervorgehoben, die wir hier in Baden-Württemberg haben.
00:38:55.98
Stefan Sasse
Das eine sind die sogenannten GFS. Das ist die Abkürzung, die für gleichwertige Feststellung von SchülerInnen-Leistungen steht. Und die Idee ist da ganz kurz für diejenigen, die das jetzt nicht aus eigener leidvoller Erfahrung kennen, da kann man quasi eine Leistung erbringen als Schüler oder Schülerin, die dann gewertet wird wie eine Klausur, daher gleichwertige Feststellung, also gleichwertig wie eine Klausur.
00:39:09.60
Bob
klar. Vielen
00:39:16.18
Stefan Sasse
Und diese Leistung ist erst einmal relativ undefiniert. Also das muss man quasi hauptsächlich mal mit der jeweiligen Lehrkraft ausmachen. Das kann ein Referat sein, das kann eine Hausarbeit sein, das kann eine Exkursion sein, ein Podcast, ein Video, whatever eigentlich.
00:39:29.86
Stefan Sasse
Und eigentlich ist es total cool, weil das unglaublich viel Kreativität zulässt. Die Leute können da zu einem Thema tatsächlich sich rein vertiefen und lernen da dann im Idealfall tatsächlich richtig, richtig viel.
00:39:43.06
Stefan Sasse
Und gleichzeitig ist das eine der Formen, die gerade diskutiert wird, ob man sie abschafft, wegen natürlich KI, weil jetzt ich über Chat-Chipedin einfach kurz eine PowerPoint-Präsentation oder eine Hausarbeit rausrotzen lassen kann.
00:39:49.92
Bob
Dank.
00:39:57.48
Stefan Sasse
Aber genau das ist in meinen Augen ein ganz, ganz krasses Missverständnis von diesen ganzen Lernprozessen, weil wie du ja jetzt schon an mehreren Stellen kreativ und konstruktiv angebracht hast, ich kann den Kram ja auch positiv für den Lernprozess nutzen.
00:40:10.54
Stefan Sasse
Also da ist immer so ein unglaublicher Tunnelblick am Laufen, wo Leute ein sehr verengtes Verständnis haben von dem, was Lernen ist. Also Lernen passiert quasi eigentlich nur, wenn da vorne jemand steht vor einer Tafel und Dinge erklärt, respektive eine Aufgabe ausgibt, die dann bearbeitet wird von allen in der gleichen Geschwindigkeit, alle die gleiche Aufgabe und dann dürfen die Leute strecken und ihre Ergebnisse vortragen, was dann auch immer die gleichen Leute tun.
00:40:29.64
Bob
Vielen Dank.
00:40:37.90
Stefan Sasse
Und stattdessen gibt es ja eigentlich jetzt schon Formate, die relativ erfolgreich andere Lernwege beschreiten. Auch der Seminarkurs, den du erwähnt hast, der so eine Art propedeutische Grundbildung bietet, wo Leute wirklich ein Jahr lang sich in ein Thema vertiefen und recherchieren lernen müssen und Hausarbeit schreiben.
00:40:56.38
Stefan Sasse
Auch der steht gerade unter Beschuss, weil Leute, also Lehrkräfte, das Gefühl haben, ihnen entgleitet da die Kontrolle über den Lernprozess, wo doch gerade dieses Aufgeben von Kontrolle und von dieser Kontrollillusion und der Übergabe von Verantwortung und dieser Kontrolle des Lernprozesses an die SchülerInnen der Weg ist, den wir beschreiten müssten, wo ja wirklich alle entsprechenden Studien und haste nicht gesehen, gehen in diese Richtung und sagen, hier, wir müssen weg von
00:41:26.44
Stefan Sasse
den Lehrkräften, von diesem Lehrkräftezentrierten. Wir müssen uns mehr sehen als diese LernbegleiterInnen oder welchen Begriff auch immer man da verwenden will. Und müssen quasi schauen, dass die SchülerInnen mehr ins Tun kommen.
00:41:29.88
Bob
Vielen Dank.
00:41:39.48
Stefan Sasse
Ich habe da auch, bei lustigen Zahlen sind auch Studien, 40% der SchülerInnen hören im Unterricht nicht zu. Das ist, und wenn ich die Zahl höre, denke ich, was nur?
00:41:50.78
Stefan Sasse
Also das ist eigentlich total krass, wenn man bedenkt, was wir da tun und welche Bedeutung wir dem geben und was dann quasi da tatsächlich nachher am Ende rauskommt.
00:42:01.68
Stefan Sasse
Also das steht
00:42:04.44
Bob
Ja, und was ich dabei immer so ein bisschen traurig finde, ist, dass unsere Reaktionen oftmals sehr in eine Richtung gehen.
00:42:18.84
Bob
Also entweder wir sagen, okay, also wir können so nicht weitermachen, wir müssen halt KI ausschließen oder wir sagen, wenn wir das nicht können, müssen wir halt die GFS abschaffen.
00:42:29.00
Bob
Anstatt zu sagen, wie könnte man denn so eine gleichwertige Feststellung von Schülerleistungen, die übrigens ja durchaus auch ein Problem darstellen kann, weshalb sie in Baden-Württemberg ja oft scherzhaft als die ganze Familie Schaft abgekürzt wird, so machen, dass es tatsächlich auch eine Form von Leistungsnachweis ist.
00:42:29.72
Stefan Sasse
in überhaupt kein Verhältnis. Vielen
00:42:47.44
Bob
Und ich persönlich finde das ehrlich gesagt gar nicht so schwer. Nämlich zum Beispiel, indem man eben den Lernprozess reflektiert und diese Reflexion in der schriftlichen Ausarbeitung abgibt.
00:43:00.20
Bob
Und da kann man ja noch mehr machen. Man kann sozusagen diesen Prozess begleiten und reflektieren. man kann die Auswahl des Themas reflektieren, man kann die eigene Bewertung reflektieren und das sind alles Dinge, die nicht nur ein
00:43:09.66
Stefan Sasse
Dank.
00:43:26.40
Bob
Rechercheprozess reflektiert wird, wenn ich nicht geübt habe, wie man recherchiert und wie man ihn reflektiert. Das ist das eine. Das andere ist auch hier, finde ich es immer so leidlich, diese Standards irgendwie abzufrühstücken.
00:43:40.68
Bob
Also ich finde nichts langweiliger als GFS, wo irgendwas dargestellt wird. Also ich habe jetzt Schülerinnen und Schüler, die wollen einen Film Buchvergleich machen.
00:43:49.62
Stefan Sasse
Vielen Dank.
00:43:51.48
Bob
Okay, schön. Könnte ChatGPT aber auch schon leisten. Aber deshalb sage ich denen, mich interessiert eigentlich herzlich wenig von wann das Buch ist, wann der Autor geboren ist und so.
00:44:02.12
Bob
Okay, frühstücks kurz ab. Was mich interessiert ist, dein Blick auf bestimmte von dir ausgewählte Szenen oder Passagen und deine Gedanken dazu.
00:44:15.96
Bob
Und die wiederum, die sollten natürlich professionell sein. Also professionell heißt, da muss ich mich mit filmischen Darstellungsformen beschäftigen oder so. Aber genau das ist doch das, was interessant ist.
00:44:28.00
Bob
Also nicht dieses, naja, der Film ist von dann und dann, das Buch ist von dann und dann, während der Film anderthalb Stunden lang ist, ist das Buch 170, boah, nee, das brauche ich nicht. Aber hinzugehen und zu sagen, okay, also das ist der Inhalt des Buches, der Inhalt des Films ist ein bisschen unterschiedlich, aber jetzt gucken wir uns das mal an.
00:44:44.70
Bob
Wie wird eigentlich filmisch dargestellt, dass die diese mentale Krise hat? Wir sehen hier ein Close-Up. Schaut mal, achtet mal auf das Licht. So, das ist doch interessant. Und das kannst du mit ChatGPT nicht einfach so outsourcen, sondern das hat mit deiner eigenen Beschäftigung, mit dem jeweiligen Inhalt zu tun.
00:44:49.62
Stefan Sasse
Vielen Dank.
00:45:02.46
Bob
Und ich bin mir sicher, dass das in ganz vielen anderen Fächern auch möglich ist, wenn man sich eben auf den Prozess fokussiert und nicht auf das Produkt.
00:45:12.48
Bob
Und dass Lehrkräfte das nicht unbedingt immer können, das zeigt ja schon sozusagen diese ganze Wikipedia-Problematik, die nicht gleich ist, würde ich nicht sagen, aber ähnlich, indem dass man sagt, jetzt hat er ein Referat gehalten, hat er ja alles von Wikipedia, wo du sagst, ja gut, aber wenn es doch nur um das Produkt geht und du gar nicht erklärt hast, wie man zu einem Ergebnis kommt, wie kannst du denn dann erwarten, dass er eben nicht eine strukturiert aufbereitete inhaltliche Form wie Wikipedia nutzt, die übrigens ja auch sehr mittlerweile sehr präzise ist.
00:45:42.44
Bob
Also dieses Wikipedia darf man nicht benutzen und so weiter. Das können ja wirklich auch nur noch absolute Boomer sagen. Genau, also du hast recht. Das ist etwas, was ich toll finde.
00:45:49.62
Stefan Sasse
Vielen Dank.
00:45:52.74
Bob
Und diesen Seminarkurs, den habe ich nochmal extra betont. Ich war ja selber da bei Rotec Fragt, wo die sozusagen Menschen einladen, von denen sie meinen, dass sie wert sind, miteinander zu sprechen.
00:46:03.94
Bob
Das ist ja völlig geil. Du bist im Organisationsprozess mit dabei, du moderierst den Abend, es hat einen technischen Aspekt. Also ganz viele Dinge, wo wir so sagen würden, ja, nicht non-score und so, das brauchst du wirklich.
00:46:20.32
Bob
Also, weiß ich nicht, vielleicht machst du auch einen Job, wo du es nicht brauchst, aber jedenfalls ist der Sinn dahinter total nachvollziehbar. Und deshalb sollten wir uns viel mehr um solche Formate kümmern, als darüber nachzudenken, wie wir jetzt sozusagen die Schule noch hermetischer abriegeln können, damit ja keiner die es
00:46:40.46
Stefan Sasse
Siehst du denn das Schulsystem grundsätzlich sich in diese Richtung entwickeln oder siehst du da aktuell praktisch überhaupt keine Chancen und dich vor allem als Einrufer in die Wüste?
00:47:00.48
Bob
gibt diese ganzen Sachen nicht, deshalb habe ich sie erfunden, sondern mein Buch ist ja auch ein Kompendium von verschiedensten Beispielen dafür, wie es schon geht. Meine Frustration ist eher, wenn ihr euch schon hinstellt und sagt, also da gewinnt eine Schule einen deutschen Schulpreis, der Bundeskanzler stellt sich da hin und sagt, wie wichtig das ist, wieso zum Teufel wird das nicht skaliert.
00:47:21.60
Bob
Das ist die Frustration. Das andere ist, das Schulsystem sind alle. Ja, also wir haben jetzt zum Beispiel bemerkt, auch Markus Söder ist ein Schulsystem, der hat zwar überhaupt nichts zu sagen, aber genug Macht, um seine Kultusministerin zurückzupfeifen, die auf die Schülerinnen zugehen wollte, die mit der Petition gegen Stehgreifaufgaben eigentlich eine Diskussion forcieren wollte.
00:47:29.76
Stefan Sasse
Vielen Dank.
00:47:42.38
Bob
Das Schulsystem sind aber auch die Eltern, die ja Vertrauen haben müssen. Vertrauen darin, dass es egal ist, ob die Parallelklasse ein Kapitel weiter geht, weil es nicht um Kapitel geht, sondern weil die Lehrkraft vielleicht sagt, wenn wir gerade keinen Fokus auf sozialem Miteinander leben, dann ist scheißegal, ob wir drei Kapitel weiter sind oder nicht, dann ist wirkliches Lernen gar nicht möglich.
00:48:05.98
Bob
Also deshalb ist es mir immer so wichtig zu sagen, es gibt verschiedene Ebenen, aber sich sozusagen hinzustellen und zu sagen, das alles und noch viel mehr würde ich machen, wenn ich König von Deutschland wäre, das trägt halt nicht weiter.
00:48:16.50
Bob
Und ich glaube, es gäbe auch nichts Schlimmeres für mich, als Kultusminister zu werden. Da werde ich immer gefragt, was würdest du dann machen, wenn du Kultusminister wärst? Weil die reale Antwort darauf ist, verzweifeln. Weil mir nämlich dauernd irgendein Jurist sagen würde, was ich nicht machen darf.
00:48:29.78
Bob
Und irgendwie nach drei Monaten wäre ich wahrscheinlich so frustriert, dass ich den Christian Lindner machen würde. Ah ne, der Wutt ja, ja, oder so. Aber jedenfalls verstehst du, was ich meine. Ich glaube, dass wir eigentlich weiterkommen mit guten Ideen, die diffundieren, die ausprobiert werden, die praktisch praxisnah erprobt werden und die dann in die Breite getragen werden.
00:48:29.90
Stefan Sasse
Vielen Dank. Ja.
00:48:48.28
Bob
Und das ist ja auch so ein bisschen die Rolle, in die ich mich nicht besonders intentional, aber rein manövriert habe. Also, weil du hast gerade den Begriff Bildungsinfluencer genannt, den habe ich ja sozusagen das erste Mal, als ich den überhaupt überlegt habe, dass ich mir den nennen könnte und als er noch nicht irgendwie auch so eine negative Färbung hatte oder als ich gehofft habe, dass er keine kriegt, das war ja, als ich bei den zehn Dingen, die ich an der Schule hasse, mit meinem Verlag zusammen überlegt habe, was machen wir eigentlich für eine Bezeichnung für mich?
00:49:09.92
Stefan Sasse
Vielen Dank.
00:49:16.96
Bob
Mich kennt ja keiner. Und wenn einfach nur steht Bob Blume, denken die Leute ja okay, dann haben wir gesagt, okay, könnte es Blogger sein. gesagt, naja, also wer bezeichnet sich im Jahr 2020 noch als Blogger, 2022, ja gut, cool, ja, aber Bildungsinfluencer war dann dieses, okay, es hat mit Bildung zu tun und es ist irgendwie auch Reichweite, so.
00:49:37.92
Bob
Und auch wenn ich meinen persönlichen Wirkungsgrad, und das muss ich auch gar nicht, gar nicht evaluieren kann, ist das doch etwas, ich kann dazu beitragen, dass gute Ideen von möglicherweise mir, aber ganz sicher von anderen Leuten diffundieren und das ist all das, was du gerade eben aufgezählt hast, nämlich der Podcast Die Schule brennt zum Beispiel, aber eben auch das Buch, das kann ja zumindest leisten, dass Leute sagen, guck mal, da hat sich nicht einer ins stille Kämmerlein gesetzt, der Bob Blume, und sich
00:50:08.04
Bob
irgendeine völlig hirnrissige Utopie überlegt, wie Schule aussehen könnte, sondern, nein, das geht schon, das machen Leute schon, das funktioniert sogar auch, wir müssen nur auf den Trichter kommen, dass das Ganze eben ordentlich skaliert
00:50:09.88
Stefan Sasse
Vielen Dank. Ja,
00:50:26.78
Stefan Sasse
das ist so eine Sache, die mich echt fasziniert, weil gerade der Bildungsföderalismus wird ja eigentlich immer mit diesem Wettbewerbsgedanken gerechtfertigt. Also wir haben diese 16 unterschiedlichen Systeme und dann sehen wir, was besser funktioniert und dann können die anderen das übernehmen.
00:50:39.08
Stefan Sasse
Ich habe noch nie erlebt, dass irgendein Bundesland gesagt hat, was Bundesland XY macht, das total gut, das machen wir ab jetzt. Also dieser Austauschprozess, der funktioniert ja überhaupt nicht. Und die Dysfunktionalität der KMK, also der Kultusministerkonferenz mit
00:50:45.36
Bob
wird. Und da müssen wir halt dranbleiben. Absolut. Ja, vor allem, die haben die sich ja selber zertifizieren lassen.
00:50:57.44
Bob
Die Dysfunktionalität haben die sich ja jetzt, oder nicht jetzt, das ist schon einige Zeit her, aber in dem Prognost-Gutachten, ich glaube Prognos hieß es, oder?
00:51:08.32
Bob
Hieß es anders? Aber jedenfalls haben die sich das ja selber auferlegt, sozusagen ihre eigenen Strukturen durchleuchten zu lassen und siehe da, es ist hochgradig dysfunktional und es gibt irgendwie tausend Arbeitsgruppen, von denen die eine nicht weiß,
00:51:27.70
Stefan Sasse
für die größten institutionellen Hürden da dabei, dass eben diese Diffusion von Wissen und von Best-Practice-Sachen und so weiter nicht funktioniert und ich denke, dieses aus dem Blick verlieren von Lernen, das spielt eine ganz große Rolle.
00:51:42.80
Stefan Sasse
Wenn ich zum Beispiel denke, wie beschränkt der Pool für Fortbildungen ist. An vielen Schulen ist es ja, du darfst auf zwei Fortbildungen im Jahr gehen. Das ist doch so eine bekloppte Grenze, wenn ich Angestellte habe, die sagen, ich würde mich gerne weiter fortbilden.
00:51:49.46
Bob
was die andere macht. Also in der Tat. Ja,
00:52:00.14
Stefan Sasse
Ich nehme das auf mich, überdenke meine bisherigen Praktiken, ich würde mich weiter informieren. Ja, nee, darfst du aber so
00:52:06.34
Bob
ja. Ja, ja, absolut. Oder du darfst schon, aber da musst du dich halt aufreiben, weil das sozusagen alles noch zusätzlich ist. Das heißt, diejenigen, und ich meine, wer will denn? Also diejenigen, die wollen, haben ja sozusagen grundsätzlich schon mal eine Haltung.
00:52:19.90
Bob
Die, die es am meisten brauchen, sind ja diejenigen, die, wenn ich zu irgendeinem Vortrag gehe, dann heißt es immer ein paar Leute, ja, die sind halt krank. Warum sind die krank? Also, die können auch wirklich krank sein, aber das ist auch manchmal das Zeichen dafür, so, ich will mir den neuen Scheiß nicht, das ist ja sowieso nur dass
00:52:44.44
Stefan Sasse
als quasi eine konkretere Fragestellung von diesen Konzepten, die auf so Freiarbeitsgeschichten gehen. Also wir müssen jetzt nicht gleich in die Richtung Montessori gehen, die ja quasi komplett über Wochenpläne arbeiten, sondern auch so Zwischenformate da davon.
00:53:05.42
Bob
Freiarbeitsformate nicht gleich Freiarbeitsformate sind. Also ich gebe ein Beispiel. Selbstreguliertes Lernen ist ja ein Lernziel. Also wenn wir uns die Schule in Wodöschingen angucken, dann ist ja Autonomie ein Lernziel.
00:53:20.26
Bob
Und wenn du eben noch nicht freiarbeiten kannst, dann wirst du sehr eng begleitet. Und je mehr du zeigst, dass du es kannst, weil du begleitet wirst und weil dir gezeigt wird, wie du es machst, desto besser funktioniert es.
00:53:29.72
Stefan Sasse
Vielen Dank.
00:53:32.02
Bob
Was eben nicht funktioniert, ist halt zu sagen, innerhalb eines völlig rigiden, starren schulischen Kontextes sagst du so, jetzt können wir mal freiarbeiten. Und dann, oh Wunder, was passiert, ja ich habe das mit denen versucht, aber die hatten irgendwie überhaupt keine Fragen.
00:53:46.54
Bob
Ja, ja, also, weißt du, was halte ich von Freiarbeit? Du könntest mich genauso gut fragen, was halte ich von Autonomie? Autonomie ist unter anderem zusammen mit sozialer Eingebundenheit und Kontrolle über das Lernen und sozusagen dem Verständnis des Sinnes, sind das erwiesenermaßen, wir kennen DC und Ryan, vielleicht die einen oder anderen noch, die Studie wurde 2008 neu auferlegt, jene Dinge, die überhaupt erst zu Motivation
00:54:16.80
Bob
führen. Also man könnte auch anders fragen, was halte ich davon, dass in Schulen Autonomie so gut wie nicht möglich ist? Und dann würde ich sagen, das ist schlecht, weil das führt zu Ohnmacht. Und Ohnmacht zusammen mit Druck führt vor allen Dingen nicht dazu, dass man mit Freude lernt.
00:54:29.50
Bob
Und das sollte ja eigentlich passieren. Also insofern, ich finde solche Formate super, aber sie müssen eben konzeptional angebunden werden und sie können nicht einfach sozusagen als gegeben genommen werden und sie fallen eben nicht vom Himmel.
00:54:29.90
Stefan Sasse
Vielen Dank.
00:54:40.98
Bob
Deshalb, und das ist ja das Schöne, wir hatten es zwischendrin, ich glaube, ich habe da eine Frage um Shift sozusagen, was ist Lernen? Das hat ja in meinem Buch, also hinten im Sachregister, da stehen, glaube ich, irgendwie 34 unterschiedliche Kontexte, wo Lernen aufgeführt wird.
00:54:59.84
Bob
Aber was ich ja so wichtig finde, ist, dass wir weg müssen von diesem, also Lernen als nur individueller Prozess und auch nicht Lernen als nur sozialer Prozess der Aneignung, sondern Lernen als Tätigkeit.
00:55:10.78
Bob
Und Lernen als Tätigkeit bedeutet eben, dass man eben auch die Autonomie im Lernen selbst lernen muss. Und auch das muss begleitet werden.
00:55:20.96
Bob
Und das finde ich dann natürlich hochgradig sinnvoll. Also, ich bin gerade in der 10. Klasse bei mir in Deutsch und hatte heute, habe ich glaube ich schon mal gesagt, diesen SWR-Journalisten und der hat gesagt, ob er im Unterricht dabei sein kann, habe ich gesagt, ja, also könnte schon dabei sein.
00:55:29.88
Stefan Sasse
Vielen Dank.
00:55:34.80
Bob
Eine Viertelstunde werden sie mich sozusagen erleben als Dompteur, wie auch immer, weil ich mache immer, immer mittlerweile den sogenannten Advanced Organizer.
00:55:45.04
Bob
Das heißt, ich sage, was machen wir heute, warum machen wir das heute und wie machen wir das? Und das Wie kann sich dann natürlich unterscheiden. Dann frage ich die Schüler, ob sie eine Frage haben. Das war für die auch sehr überraschend.
00:55:57.02
Bob
Wir werden gefragt. Manchmal haben die eine Frage. Sowas wie, was war eigentlich mit der US-Wahl? Was sagen sie zu Thomas Gottschalk und so und dann ordnen wir das ein bisschen an, diskutieren das und dann geht es los und dann gehe ich rum.
00:56:10.16
Bob
Also das, ne, so und wenn ich rausgehe und jemand anderen, dann machen die weiter, weil, das ist ja der Deal, ihr vertraut mir, dass ich euch Sachen gebe, die euer Lernen bestärken und euch besser machen im besten Sinne.
00:56:25.56
Bob
Also ich mache sie nicht besser, sondern ich sorge dafür, dass sie die Zugänge bekommen, dass sie es selber machen. Und ich vertraue euch, dass ihr das entsprechend auch wahrnehmt. Und ich meine, das ist schon viel verlangt, aber das ist eben jene Autonomie, die ich auch brauche, um eben nicht dieses stupide, wir machen jetzt, jetzt kommt die nächste Phase, was mache ich, wenn ich fertig bin, jetzt kommt die nächste Phase, ich habe es immer noch nicht kapiert, jetzt kommt die nächste Phase und so weiter.
00:56:29.90
Stefan Sasse
Vielen Dank.
00:56:50.90
Stefan Sasse
Ja, ich finde diese Freiheit sozusagen, das, was ich vorher schon meinte, dieses Loslassen, das ist ein ganz, ganz großes Thema, weil da unglaublich viele Ängste bestehen, und zwar auf allen Seiten.
00:57:02.36
Stefan Sasse
Also es gibt viele Lehrkräfte, die eine Riesenangst davor haben, diesen Kontrollverlust hinzunehmen und den SchülerInnen dieses Vertrauen entgegenzubringen. Es gibt viele SchülerInnen, die Angst vor sich selbst haben, dieses Vertrauen dann umzusetzen und die dann gerne sagen, ich will eigentlich lieber quasi diesen Frontalunterricht haben, weil das hat sozusagen Struktur, das ist das Gewohnte, da muss ich auch nichts machen, da bin ich nicht gefordert letzten Endes, was ja eigentlich auch schon alles sagt, was man darüber wissen muss.
00:57:29.44
Bob
Ja, ja, play.
00:57:32.24
Stefan Sasse
Und dann hast du auch noch ein ganz großer Punkt oder zwei große Punkte, die miteinander verknüpft sind. Einmal die Eltern und einmal die größere, vor allem politische Öffentlichkeit, die da auch eine ganz große Argwohn davor haben.
00:57:47.00
Stefan Sasse
Also immer, wenn man das sagt, dann muss man sich ja sofort rechtfertigen, dass da dann die Standards nicht erfüllt werden oder man hat Niveauverlust oder was da alles an den Wörtern sind.
00:57:49.20
Bob
Ja, ja.
00:57:57.48
Stefan Sasse
Der Stoff kommt nicht durch, das ist ja immer das Beste. Also wehe, wenn der Stoff nicht durchkommt, weil wenn nicht im Tagebuch steht, dass du das gemacht hast, dann ist scheiße und wenn du das ins Tagebuch schreibst, heute haben wir die deutsche Teilung gesprochen, dann wissen natürlich alle, dass alles über die deutsche Teilung, das steht ja im Tagebuch.
00:58:14.30
Stefan Sasse
Also da braucht es auch einen Mentalitätswandel, der deutlich über die Schule rausgeht, weil du kannst ja quasi, du bist ja eingebunden in ein gesellschaftliches System als Schule, Also du kannst ja quasi nicht im Alleingang, selbst wenn du die utopische Situation hast, dass die ganze Schulbürokratie und die Lehrkräfte alle an einem Strang ziehen, dann hättest du ja trotzdem das Problem, wenn die Öffentlichkeit da quasi nicht auch mitgenommen wird in diesem Prozess.
00:58:29.24
Bob
Ja, ja, ja, ja, ja. Ja.
00:58:38.92
Stefan Sasse
Eben vor allem die Eltern, weil die ganz, ganz große Angst da immer haben, dass ihr Kind dann hinten runter fällt letzten Endes und quasi darunter leidet und dass es dann Lebenschancen verliert, was eben an der unglaublichen Macht der Zertifikate liegt, die wir ausstellen.
00:58:56.02
Bob
Absolut. Ja, kann ich einfach nur zu
00:58:56.50
Stefan Sasse
Kannst du einfach nur zustimmen. Ich würde das vielleicht noch als letzten Punkt, weil das auch der Endpunkt der Schulkarriere ist, darüber sprichst du auch, das hat mich ein bisschen überrascht, tatsächlich, die These habe ich nicht kommen sehen in deinem Buch, weil du sagst, hier, wir müssen eigentlich die Zertifikate, sprich Zeugnisse und vor allem das Abiturzeugnis letzten Endes, wenn ich das so sagen darf, entwerten und quasi mehr von dem Hochschulzugangsprozess an die Hochschulen selbst überstellen.
00:59:24.98
Stefan Sasse
Ich hoffe, ich gebe dich da korrekt wieder. Kannst du das vielleicht nochmal kurz ausführen? Ja.
00:59:29.90
Bob
stimmen Also
00:59:39.14
Bob
grundsätzlich ist es ja so, dass sich das Abitur ja mehr oder weniger selbst entwertet, also zumindest in Teilen. Und zwar, wenn wir jetzt mal einfach auf die sogenannte Vergleichbarkeit eingehen, die ja nicht gegeben ist, haben wir also die Situation, dass jemand zum Beispiel zu einem Studium zugelassen wird, weil er eine Ziffer hat und jemand anders nicht, weil er eine andere Ziffer hat, aber diese Ziffern sagen was anderes aus, weil sie aus unterschiedlichen Bundesländern kommen.
01:00:05.06
Bob
Also mit anderen Worten, ich überspitze jetzt mal ein bisschen, derjenige mit dem Einser-Abi sitzt also in der Klausur und besteht ihn nicht, weil er es nicht kann.
01:00:09.62
Stefan Sasse
Vielen Dank.
01:00:16.58
Bob
Und derjenige, der es könnte, der sitzt aber gar nicht erst in der Klausur, weil er nicht zugelassen ist, weil er eine andere Ziffer hat. Und das ist ein Problem. Und das ist auch nichts, was ich einfach nur so erfunden habe, sondern das ist jetzt schon so.
01:00:29.06
Bob
Also das heißt, es gibt immer mehr Universitäten mit Zugangsklausuren oder mit sogar so einer Art Eingangstests oder sogar hier so eine Art, wie nennt sich das denn?
01:00:42.48
Bob
Ach, jetzt fällt mir der Name nicht ein. So eine Art Bewerbungsgespräch oder so. Und all das finde ich eigentlich deutlich sinnvoller, weil die Schulen sich dann darauf konzentrieren können, die Schülerinnen und Schüler fit zu machen, mal unabhängig davon, dass man irgendwelche Ziffern zusammensammelt, die ja oftmals auch mit dem eigentlichen nicht zu tun haben.
01:01:05.72
Bob
Also verstehst du, klar, jemand, der ein 1-0-Abi hat, ist in Anführungsstrichen besser als jemand, der ein 4er-Abi hat. Okay. Aber dieses Holistische, das sagt ja letzten Endes für das eigentlich Fachliche dann sehr wenig aus.
01:01:09.62
Stefan Sasse
Vielen Dank.
01:01:21.86
Bob
Ich spreche mich ja auch dafür aus, zu sagen, also ich wäre eigentlich dafür, wenn wir nur noch sagen, bestanden, nicht bestanden, mit Auszeichnung bestanden. Dieses mit Auszeichnung bestanden ist nicht meine innere FDP, sondern das soll einfach zum Ausdruck bringen, dass jemand den Schwerpunkt setzen sollte und darf.
01:01:36.70
Bob
Aber dann sind die Gespräche ein anderes. Herr Blume, was soll ich machen, von einer 2 bis 3 auf eine 2 minus zu kommen? Das ist schwierig zu sagen. Aber wenn ich sozusagen besprechen kann, dass es Kriterien gibt, die auch darstellbar sind, wo ich zeigen kann, dass ich was richtig gut kann, dann ist das aus meiner Sicht aussagekräftiger, als wenn jemand eine Arbeitsstelle nicht kriegt als Sozialarbeiter, weil er in Mathe scheiße war.
01:02:01.36
Bob
Weißt du? Und das soll jetzt nicht heißen, dass man nicht als Sozialarbeiter vielleicht auch mathematisch natürlich ein Grundwissen haben soll. Ich argumentiere in dem Buch ja auch, dass die basalen Grundfertigkeiten total wichtig bleiben.
01:02:09.62
Stefan Sasse
Vielen Dank.
01:02:13.74
Bob
Aber sozusagen diese Fixierung auf ein Abitur, das letzten Endes nicht vergleichbar ist, ist aus meiner Sicht kontraproduktiv und sozusagen diese Zentralabiturschiene, die sehe ich auch ein bisschen kritisch, weil das aus meiner Sicht ja zu einer noch stärkeren Standardisierung führen würde.
01:02:28.42
Bob
Und Standardisierung, das wissen wir leider. Man kann das sich anders vorstellen, aber wir wissen ja, dass das einhergeht mit dann nochmal wieder regideren Strukturen. Und ich würde denken, wenn die Schulen es schaffen, die, also ich mache jetzt mal ein bisschen flapsig, die Schülerinnen und Schüler geil zu machen aufs Lernen, dann kriegen die das schon hin mit dem Formalen.
01:02:48.06
Bob
Und dann kriegen die das schon hin mit sozusagen den Wissensbeständen und den Kompetenzen für die Eingangsklausur. Aber wir haben da die falschen Prioritäten aus meiner Sicht.
01:03:00.86
Stefan Sasse
Ja, absolut. Ich würde das dann auch einfach als einen Appell quasi stehen lassen an der Stelle. Wir müssen das hinkriegen mit dem Lernen. Das ist zwar einigermaßen schwammig, aber ich hoffe, dass die Hörerinnen und Hörer dieses Podcasts einen gewissen Eindruck bekommen haben.
01:03:13.62
Stefan Sasse
Und wer sich jetzt weiter dafür interessiert, unbedingt in die Shownotes runtergucken. Ich habe das Buch von dir verlinkt, Warum noch lernen. Ich habe jetzt auch mit dem richtigen Titel 10 Dinge, die ich an der Schule hasse, noch einmal verlinkt und natürlich dein Podcast, Die Schule brennt.
01:03:28.24
Stefan Sasse
Ich danke dir ganz, ganz herzlich für das Gespräch. Es war sehr erfrischend und erhellend, wie das immer so ist, wann immer ich dir zuhören darf. Vielen Dank.
01:03:29.94
Bob
Vielen Dank. Ganz
„Erhellend“ fiel mir auch gleich dazu ein. Danke dafür.
Persönliche Anmerkung: Die freihändige Verwendung von „sch……“ trägt dazu nichts bei. „Schlecht“ oder besser „nicht gut“ schmälert den Erkenntnisgewinn in keiner Weise.
Ist halt mein Stil, sorry 🙂
Einen Vorteil hat „sch…“: Beim KI-Transkript gibt es diesmal keine irreführenden Einschübe a la „Copyright WDR“ oder „Untertitel ZDF 2021“. Fluchen gibt eine (Maschinen-)erkennbare Distinktion zum ’seriöseren‘ ÖR.
lol