Die Grünen wollen eine Bezahlkarte für die Mitte die mit einer Vermögenssteuer ab 16 Jahren finanziert wird – Vermischtes 09.07.2024

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.

Fundstücke

1) Probleme mit der Bezahlkarte für Asylbewerber

Die seit April 2024 in sächsischen Landkreisen eingeführte Bezahlkarte für Asylbewerber soll Behörden entlasten, verfehlt jedoch ihr Ziel, kritisiert der Sächsische Flüchtlingsrat. Laut Dave Schmidtke häufen sich Probleme, da jede Überweisung extra genehmigt werden muss und die Behörden überlastet sind. Dies führt zu Mahnungen und Schwierigkeiten, wie der Kündigung eines Deutschlandtickets, das ein junger Mann für seinen Sprachkurs benötigt. Ein 12-jähriger Junge konnte wegen der Karte fast nicht mehr am Fußballtraining teilnehmen, da sein Verein kein passendes Kartenlesegerät hat. Wochenmärkte und kleinere Läden akzeptieren die Karte oft nicht, und auch im Supermarkt kann sie abgelehnt werden, was zu peinlichen Situationen führt. In der Schule können Kinder kein Bargeld mehr für Materialien oder Ausflüge mitnehmen. Ein Pilotprojekt zur Einführung der Bezahlkarte soll bis Januar 2025 bundesweit umgesetzt werden, mit dem Ziel, Geldzahlungen an Schleuser zu verhindern und Kommunen zu entlasten. (T-Online)

Es war völlig unvorhersehbar, dass ein Bezahlkarte, die von Kommunen und Landkreisen jeweils unabhängig eingeführt wird, ein wahres Bürokratiemonster mit riesigen Flurschäden wird. Also, für alle außer denjenigen, die auch nur eine Sekunde nachdenken. Die Karte hatte von Anfang an nur den Sinn, den Geflüchteten zu schaden. Das zumindest hat sie geschafft. Dabei ist das Ziel an sich ja nicht illegitim: der Staat kann kein Interesse an Bargeldtransfers ins Ausland haben, die aus Sozialleistungen an Geflüchtete resultieren. Nur war die Herangehensweise ungefähr so sinnvoll wie die Corona-Test-Apps auf Landkreisebene. Solche Sachen machen nur Sinn, wenn sie skalieren, und das heißt in dem Fall: wenigstens Landesebene, aber eigentlich Bund. Und angesichts der Kompetenzen der staatlichen Behörden konnte die Lösung auch nur Outsourcing an den Privatsektor sein. Letztlich aber laufen die Karten in dasselbe Problem wie die Lebensmittelmarken in den USA: sie schaffen eine riesige Bürokratie, die den Betroffenen schadet und den Staat deutlich mehr kostet, als es nützt. Mit dieser Art der Ineffizienz aber haben Konservative wenig überraschend kein Problem. – Für eine weitere „Überraschung“ dieser Art siehe Resterampe e).

2) 380 Milliarden Euro Schaden

Während die Ampel-Koalition über den Haushalt für das nächste Jahr streitet, bietet die Wiedererhebung der Vermögenssteuer eine Möglichkeit, Milliarden für notwendige Investitionen zu generieren. Seit der Aussetzung der Steuer im Jahr 1996 haben die öffentlichen Haushalte etwa 380 Milliarden Euro verloren. Laut einer Studie von Netzwerk Steuergerechtigkeit und Oxfam könnte die Besteuerung sehr hoher Vermögen demokratiegefährdende Vermögenskonzentration verringern und finanzielle Mittel für sozialen Zusammenhalt und Klimaschutz bereitstellen. Deutschland weist laut Global Wealth Report die höchste Vermögensungleichheit in der EU auf. Obwohl die Grünen und die SPD bei der Bundestagswahl 2021 für die Wiedererhebung der Vermögenssteuer eintraten, blockierte die FDP dies. Studien zeigen jedoch, dass Steuerflucht kein großes Problem darstellt. Durch die Vermögenssteuer hätte der Fiskus im vergangenen Jahr etwa 30 Milliarden Euro einnehmen können, was insbesondere den Kommunen zugutekommen würde, um den erheblichen Investitionsstau zu bewältigen. (Simon Poelchau, taz)

Genauso wie die Debatte um den Rechtsextremismus (siehe Fundstück 2) ist die Debatte um die Vermögenssteuer eine, die vor allem den jeweils eigenen politischen Prämissen einen Spiegel vorhält. Seit Jahren werden dieselben Argument ausgetauscht: Progressive und Linke sehen ein gewaltiges Reservoir illegitim ungenutzter Ressourcen, während Konservative und Liberale gebetsmühlenartig die technische Unmöglichkeit des Aufkommens beschwören oder das ganze Vorhaben gleich für sozialistische Enteignung halten. Ich habe nicht die geringste Ahnung, welche der beiden Seiten Recht hat. Es ist aber auch recht egal, weil die Argumente ohnehin nur die eigene Wertebasis im besten Licht präsentieren sollen.

3) Die Mitte ist kaputt

In Frankreich wird nicht nur ein neues Parlament gewählt, sondern auch eine grundlegende Frage verhandelt: Wie kann die Demokratie vor dem Rechtsextremismus geschützt werden? Eine breite Koalition aller anderen politischen Kräfte oder eine klare Rückkehr zum Links-rechts-Gegensatz? Über 200 Kandidaten, vor allem linke und liberale, haben sich vor der zweiten Wahlrunde zurückgezogen, um eine Mehrheit des Rassemblement National (RN) zu verhindern. Der Ökonom Thomas Piketty unterstützt eine Rückkehr zum bipolaren Links-rechts-System, um das Vertrauen in die demokratischen Institutionen wiederherzustellen. Er argumentiert, dass der RN in ländlichen Regionen an Zustimmung gewinnt, weil diese Gegenden unter Deindustrialisierung und schlechter öffentlicher Versorgung leiden. Piketty kritisiert Macrons Machtstrategie, die vor allem wohlhabende Globalisierungsgewinner vereint und Rechtsextremen Auftrieb gibt. Die Politikwissenschaftlerin Chantal Mouffe teilt diese Ansicht und betont die Notwendigkeit klarer politischer Gegensätze. Eine stärkere Polarisierung könnte dem Gefühl politischer Alternativlosigkeit entgegenwirken und die demokratische Selbstwirksamkeit stärken. Gleichzeitig wird vorgeschlagen, Bürgerräte zur Förderung der Partizipation und zur Entideologisierung auf kommunaler Ebene einzuführen. (Nils Markwardt, ZEIT)

Nils Markwardt ist in meinen Augen noch viel zu freundlich mit Pikettys Analyse. Mich ermüdet diese Debatte wirklich nur noch. Die Empirie gibt einfach schon auf den ersten Blick nicht her, was da immer behauptet wird; letztlich nutzen alle die Rechtsextremen immer nur als Projektionsfläche für ihre eigenen Wünsche und Ansichten. Der Staat soll mehr investieren und Reichere höher besteuern? Natürlich, der Rechtsextremismus ist stark, weil er das nicht tut. Der Staat soll konservativen Kulturkampf betreiben und Einwanderung bekämpfen? Natürlich, der Rechtsextremismus ist stark, weil er das nicht tut. Immerhin ist niemand so verblödet zu behaupten, dass zu wenig Klimaschutz und Gendern die Rechten stark machen würde, wenigstens habe ich das noch nirgends gelesen. Ein echter Lichtblick ist das aber auch nicht.

Solange die Debatte ständig nur als Spiegel der eigenen politischen Wunschvorstellungen geführt wird, wird sie nirgendwohin führen. Der Aufstieg der Rechtsextremen kann ohnehin zwangsläufig nur monokausal sein; ihre Wählenden sind kein monolithischer Block. Spielt ländliche Unterentwicklung eine Rolle? Zweifellos. Lehnen die Leute Zuwanderung ab? Ebenso zweifellos. Wollen sie Reiche höher besteuern? Jede Umfrage sagt ja. Wollen sie, dass der Staat weniger aktiv ist und die Steuern senkt? Auch das bestätigt jede Umfrage. Wenn man richtig fragt kann man sogar noch ein Bekenntnis zu mehr Klimaschutz in den Topf werfen. Lässt sich das alles in eine kohärente Politik gießen? Nicht in tausend kalten Wintern.

Auch Pikettys Theorie, dass es zwei Lager bräuchte, halte ich für eigensüchtige Verblendung. Wie Markwardt richtig schreibt hat im UK gerade der Kandidat gewonnen, der bewusst auf Lagerbildung verzichtet hat, während die massive Polarisierung zweier scharf getrennter Lager in den USA nicht eben zu beigetragen haben, das Vertrauen in Politik oder das Gefühl von Alternativen zu stärken. Dass Piketty gerne eine starke radikale Linke hätte, glaube ich sofort. Aber er will das, weil er deren politische Haltung unterstützt. Dass darin das Rezept gegen den Aufstieg des Rechtsextremismus liegt, halte ich für eine gewagte These. Milde ausgedrückt.

4) Some Material May Be Inappropriate: The PG-13 Rating at 40

Vor vierzig Jahren wurde das PG-13-Rating eingeführt, was die amerikanische Filmindustrie nachhaltig veränderte. Auslöser waren Steven Spielbergs Filme „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ und „Gremlins“, die 1984 veröffentlicht wurden und für ihre gewalttätigen Inhalte kritisiert wurden. Vor der Einführung von PG-13 gab es nur die Ratings G, PG, R und X. Die neuen Filme führten zu einer Änderung, da sie die Grenzen des PG-Ratings überschritten, aber nicht extrem genug für ein R-Rating waren. Das PG-13-Rating sollte Inhalte kennzeichnen, die für Kinder unter 13 Jahren ungeeignet sind. Rückblickend hat die Einführung des PG-13-Ratings zu einer Verschiebung geführt, bei der Gewalt in Filmen normalisiert und andere problematische Inhalte wie Sex und Drogenkonsum zunehmend vermieden wurden. Dies führte zu einer unausgewogenen Darstellung in Filmen, bei der Gewalt akzeptiert, aber andere Inhalte zensiert wurden. Ironischerweise sollte PG-13 ursprünglich Kinder vor Gewalt schützen, hat jedoch letztlich dazu beigetragen, Gewalt als normalen Bestandteil von Unterhaltungsmedien zu etablieren. (Matt Stoller Seitz, Roger Ebert)

Diese faszinierende Übersicht über die Entwicklung der amerikanischen Jugendschutzeinstufungen erinnert mich an eine ähnliche Evolution in Deutschland. In meiner Kindheit und Jugend wurde alles, was auch nur im Entferntesten an Gewalt erinnerte, sofort mit dem FSK-16-Label bedacht. Wenn gar Blut zu sehen war, gab es schnell das FSK-18-Label. Das änderte sich in den 1990er Jahren; ich mache immer noch „Robin Hood – König der Diebe“ als einen Wendepunkt aus; der war damals ab 12 und reichlich düster und blutig. Bei Videospielen war es noch schlimmer: die berüchtigten „deutschen Versionen“ entschärften Spiele durch lächerliche Krücken wie „es sind alles Roboter“ und erhielten dann die USK-16-Einstufung. Man denke nur etwa an „Command and Conquer“, ohnehin nicht besonders brutal, das die lächerliche Idee von designierten Kampfzonen hatte, in denen Roboter benutzt wurden. Vor der USK-16-Einstufung schützte das nicht. Erst „Age of Empires“, dem man wohl einen pädagogischen Wert zusprach, erhielt eine völlig alberne USK-6-Einstufung, trotz der blutigen Schlachten. Kohärent war das alles nicht, und das ist noch, bevor wir die völlig außer Rand und Band agierende BPjS (heute BPjM) in die Betrachtung einbeziehen. Heute spielt das alles kaum eine Rolle mehr; die Jugend darf auch Gewalt in Spielen und TV konsumieren und ist immer noch nicht untergegangen.

5) Grüne Wirtschaft ohne Grüne?

Die Grünen stehen vor der Herausforderung, ihren ökologischen Modernisierungskurs weiterzuführen und dabei gesellschaftliches Vertrauen zu gewinnen. Seit ihrer Gründung haben sie sich von ideologisch geprägten Utopien zu einer „staatstragenden Systempartei“ entwickelt, die konkrete Gestaltungsaufgaben in Regierungsverantwortung umsetzt. Trotz dieser Fortschritte sind sie wieder auf etwa 10 Prozent der Wählerstimmen gefallen. Historisch gesehen haben sich Industrien immer an die jeweils Mächtigen angepasst und dabei Fortschritt ermöglicht. Heute haben viele Wirtschaftszweige erkannt, dass ihre Zukunft jenseits fossiler Energien liegt und investieren bereits massiv in den ökologischen Umbau. Dennoch gelingt es den Grünen bisher nicht, einen Pakt mit dem modernen Kapital zu schließen und gemeinsam Rahmenbedingungen für den Umbau zu schaffen. Um ihre Ziele zu erreichen, sollten die Grünen auf Kooperation mit der Wirtschaft setzen, anstatt interne Machtkämpfe auszutragen. Wenn ihnen das nicht gelingt, könnte die CDU diese Rolle übernehmen und den ökologischen Umbau vorantreiben. Die Grünen müssen schnell handeln, um ihren Einfluss und ihre Chance auf das Kanzleramt zu sichern. (Udo Knapp, taz)

Ich bin völlig bei Knapps Analyse. Wie so häufig zeigt Baden-Württemberg hier, wie das funktioniert. Die Grünen sind im Ländle vor allem deswegen aus dem urbanen Milieu ausgebrochen, weil es ihnen gelungen ist, einerseits Verbindungen zur Autoindustrie aufzubauen (Autos!) und andererseits große Gewinne bei den Landwirt*innen zu machen und damit auf dem flachen Land (oder, da BaWü, dem hügeligen Land) akzeptabel zu werden, das einst eine uneinnehmbare Bastion der CDU war. Auch die Bundespartei muss es schaffen, Verbindungen zur Wirtschaft zu bekommen. Dasselbe war ja auch lang Gerhard Schröders Erfolgsrezept; die SPD konnte auch nicht gegen die gesammelte Wirtschaft bestehen. Das hat gleichzeitig den netten Nebeneffekt, dass abgesehen von Policy-Erfolgen auch die Politics leichter werden, weil man nicht so leicht als realitätsfern und wirtschaftsfeindlich gebrandet werden kann. Ich fürchte aber, diese Strategie ist viel zu vernünftig für die Grünen.

Resterampe

a) Trumps Programm ist offen für alle.

b) Guter Punkt zu linkem Antisemitismus.

c) Analyse der UK-Wahl aus der Welt. Und eine vom Spiegel.

d) Deutschlandticket: Wie Christian Lindner seinen Verkehrsminister Volker Wissing hängen ließ.

e) Steffi Lemke verkündet Stopp von Klimaprojekten in China: „Betrugsverdacht bei 40 von 69 Projekten“.


Fertiggestellt am 05.07.2024

{ 81 comments… add one }
  • Stefan Pietsch 9. Juli 2024, 07:50

    1) Probleme mit der Bezahlkarte für Asylbewerber

    Soso, der Flüchtlingsrat sagt das. Na, einer Lobbyorganisation hört man gerne zu, wenn sie das eigene Anliegen unterstützt. Interessant ist dabei, dass man aus den zuständigen Behörden das Gegenteil hört. Die Bezahlkarte wäre ein Segen, da sie Verwaltungsprozesse vereinfache.

    Es wäre auch ein seltener Fall, dass eine breite Automatisierung den manuellen Aufwand erhöhen würde. In den vergangenen Jahrzehnten haben Banken weitgehend die Barabhebungen am Schalter abgeschafft, weil der Auszahlungsprozess zu aufwendig und damit zu teuer ist. Aber klar, beim Staat ist alles anders. Was im normalen Leben einfach, ist bei Behörden kompliziert.

    Außerhalb Deutschlands ist die Vergabe von Bezahlkarten an Asylbewerber normal, nur in Deutschland nicht. Deutschland ist Hauptanziehungspunkt für Flüchtlinge. Aber da besteht kein Zusammenhang.

    • cimourdain 9. Juli 2024, 12:56

      „Außerhalb Deutschlands ist die Vergabe von Bezahlkarten an Asylbewerber normal, nur in Deutschland nicht.“ Haben Sie dazu detailliertere Angaben, Wikipedia liefert gerade mal fünf Länder: Finnland, Griechenland, Moldawien, Ruanda, UK , bei mehreren davon ging das auch nicht von den Ländern selbst, sondern vom UNHCR aus.

      • Stefan Pietsch 9. Juli 2024, 13:58

        In Frankreich ist seit Jahren eine Bezahlkarte für Asylbewerber im Einsatz.
        https://www.xn--mnchener-journal-jzb.de/frankreich-machts-vor-digitale-bezahlkarte-fuer-asylsuchende-schon-seit-jahren-im-einsatz/

        Auch Österreich erwägt die Einführung, dort sind die Leistungen für Asylbewerber aber ohnehin weitgehend auf Sachleistungen beschränkt. Das gilt für das Gros der EU-Staaten. Bei abgelehnten Asylbewerbern sind die meisten weit rigoroser, nur noch geringe Sachleistungen und kaum Bargeld. Meist bleiben sie in Gemeinschaftsunterkünften. Soweit sie sich selbst eine Wohnung suchen, müssen sie hierfür eigenständig aufkommen. Dänemark zahlt bei Asylbewerbern ohne Rechtsanspruch nur noch Mahlzeiten.
        https://www.focus.de/politik/ausland/sach-und-geldleistungen-fuer-asylbewerber-bezahlkarte-kommt-so-spendabel-sind-unsere-nachbarn-mit-gefluechteten_id_218742025.html

        • Stefan Sasse 9. Juli 2024, 17:51

          Ich hab auch in meinem Kommentar explizit geschrieben, dass ich kein Problem mit der Idee habe, die Geldtransfers zu unterbinden, sondern dass die AUSFÜHRUNG scheiße ist. Und das eben, weil sie von falschen Voraussetzungen ausgeht. Also im Endeffekt die gleiche Kritik, die du dem 49-Euro-Ticket machst, nur eben von der anderen Seite.

          • Stefan Pietsch 9. Juli 2024, 18:24

            Das Thema ist weit komplexer als dass es nur um Geldtransfers ginge. In der Summe ist das deutsche Angebot an Flüchtlinge in der EU unschlagbar. Dieses Paket besteht aus den Zahlungen bei Antragstellung (durchschnittlich), Bleiberecht trotz Ablehnung (extrem hoch) und finanzielle Unterstützung bei Ablehnung. Hierbei spielen die Höhe der dauerhaften Zahlungen eine entscheidende Rolle. Inzwischen haben mehrere Medien ja die EU-Länder verglichen. Die meisten reduzieren im Moment der Ablehnung die direkten Leistungen auf ein absolutes Minimum, weit unter dem jeweiligen Standard gegenüber inländischen Sozialhilfeempfängern. Damit wird ja: Solche Personen sind nur noch geduldet, aber sie haben keine Chance Einkommen zu erwerben. Das ist auch meine politische Position, also EU-Standard.

            Mich störte an Deiner Darstellung, dass Du auf einen Lobbyverband zurückgegriffen hat, der naturgemäß gegen die Bezahlkarte ist, egal wie sie ausgestaltet wäre. Was ich bisher gelesen habe, ist das genaue Gegenteil. So schlecht scheint die Ausführung nicht zu sein, zumindest für die Verwaltung. Und darum geht es doch eigentlich. An dem Punkt werden wir sicher ebenfalls einen Konflikt haben.

            Meine Kritik am Deutschland-Ticket ist nicht die Administration. Sie ist allein ökonomischer Natur. Ich habe nichts gegen die Vereinheitlichung der Leistung. Ich habe aber grundsätzlich etwas gegen Subventionen. Das heißt nämlich immer: Ein anderer zahlt.

            Für wen ist denn diese Leistung? Ganz sicher nicht für die prekären Schichten in den Großstädten. Der Vorteil des Tickets ist der Monatspreis für mehrere Städte. Doch arme Menschen sind nicht mobil. Sie sind bestens mit den bestehenden Rabattsystemen in Berlin, München und Frankfurt versorgt. Ganz offensichtlich richtet sich das Deutschland-Ticket an eine ganz andere Klientel – und die ist durchaus solvent. Es ist interessant, wie vehement die Subvention verteidigt wird, obwohl sie das ökologische und verteilungspolitische Ziel komplett verfehlt hat.

            • Thorsten Haupts 9. Juli 2024, 20:03

              Re Deutschland-Ticket und dessen Profiteure: Ist auch meine Vermutung. Meine Frau, gut verdienende IT- Consultant, hat sich sehr gefreut … Nur das Ticket nicht gebraucht. Da kenne ich einige.

            • Lemmy Caution 10. Juli 2024, 10:21

              Das Faß der Subventionierung des 49 Euro Tickets wird hier deutlich zu naiv behandelt:
              Autofahren wird doch in Deutschland viel massiver subventioniert, allein schon durch den Straßenbau. Ich belaste die Straßen viel weniger, wenn ich in Bahn, Fahradsattel oder Bus sitze. Wenn wir schon die Forderung nach echten Marktpreise aufstellen, warum müssen dann die Auto- und v.a. Lasterfahrer nicht einen ihrer Nutzung entsprechenden Betrag an den Straßen leisten?
              Außerdem unterstützen Autofahrer ich mit ihrem Verhalten aktiv Diktatoren. Die meisten Ölstaaten sind nämlich Diktaturen. Das ließe sich auch einpresen.
              Außerdem reduziere ich den von mir produzierten Gestank und Lärm drastisch. Auch da kann die Gratis-Mentalität der Autofahrer begrenzt werden, wenn man wirklich konsequent ist.
              Ich bin natürlich nicht für solche Steuern, lese aber in letzter Zeit bei Liberalen immer wieder höchstdetailierte Rechnungen zu den Kosten des 49-Euro Tickets. Sie lassen dabei aber außer Acht, dass Alternativen oft viel massiver subventioniert werden.

              • Thorsten Haupts 10. Juli 2024, 11:28

                Lemmy, sorry, aber erfahrungsgemäss kann jeder Staat genau eine (!) Grossinfrastruktur im Verkehrswesen bauen und in Schuss halten, das ist automatisch und unvermeidbar eine Jahrhundertentscheidung. Und Deutschland hat sich in den fünfzigern des letzten Jahrhunderts für Strasse entschieden und diese Entscheidung nie rückabgewickelt.

                Unter dieser Voraussetzung sind 29 oder 49 Euro-Tickets einfach Unsinn. Sinn im Sinne der Verkehrswende würden solche Tickets erst dann machen, wenn die Infrastruktur in der Lage ist, zusätzliche Kunden aufzunehmen. Die Bahn ist dazu momentan schlicht ausserstande, Debatte an der Stelle beendet.

                Und wenn das Ticket dann auch noch ganz wesentlich eine Subvention derjenigen darstellt, die darauf überhaupt nicht angewiesen sind, dann wird das ganze rational (nicht wahltaktisch) betrachtet albern.

                Nur demokratiepraktisch ist das Ticket ein voller Erfolg, es gefällt sowohl Wählern als auch Medien. Wenn man das für das Mass der Dinge hält – eine übrigens gut zu begründende Position – ist alles gut.

                Gruss,
                Thorsten Haupts

              • Stefan Pietsch 10. Juli 2024, 11:31

                Autofahren wird doch in Deutschland viel massiver subventioniert, allein schon durch den Straßenbau.

                Ich kenne diese Behauptungen, seit ich denken kann. Die Fakten sind andere. Subventionen sind für Ökonomen direkte Geldleistungen an eine Gruppe.

                Zu den originären Aufgaben des Staates zählt die Bereitstellung von Infrastrukturen. Zur Erfüllung dieser Aufgaben hat der Staat das Recht Steuern zu erheben. So ist es, Steuern sind tatsächlich kein Selbstzweck! Mit dem obigen Argument können wir also auch behaupten, der Staat würde Eltern, Opfer von Gewaltverbrechen oder die Bürger in Gänze subventionieren.

                Im Gegensatz zur Deutschen Bahn erhebt der Staat für die Bereitstellung seiner Infrastrukturleistungen Sondersteuern wie die Mineralölsteuer und die Kfz-Steuer sowie Maut. Die Deutsche Bahn als Einzelunternehmen erhält dagegen direkte Zuwendungen der öffentlichen Gebietskörperschaften von zuletzt über 9 Milliarden Euro. Wenn jetzt der Einwand kommt, sie müsse für den Erhalt der benötigten Infrastruktur selbst aufkommen, dann werden die Eigentumsverhältnisse unterschlagen. Das Autobahnnetz gehört dem Staat, was er entsprechend verwerten kann. Das Schienennetz gehört der Bahn, die dafür Trassengebühren von Wettbewerbern erhebt.

                Schon mal in der Nähe einer Bahnanlage gewohnt? Der Lärm ist unbeschreiblich, da kommt keine Autobahn mit. Bahnhöfe liegen dazu mitten in den Stadtzentren, d.h. die Züge durchqueren Wohngebiete – so wie auch S- und U-Bahnen. Und nirgends gibt es eine annähernd so hohe Feinstaubbelastung wie bei Bahnanlagen.

                Das Deutschland-Ticket ist eben keine Subventionierung des Bahnverkehrs. Die Milliardenzahlung – und das ist ja die Kritik von Liberalen – kommt nicht den Bahnbetreibern zugute, sondern den Nutzern. Diese Subvention sorgt jedoch laut Studien nicht dafür, dass die Bahn häufiger von Autofahrern genutzt wird, sondern nur, dass bisherige Kunden einen geringeren Preis zahlen müssen. Subventioniert werden also die Kunden und fast ausschließlich Gutverdiener.

                • Lemmy Caution 10. Juli 2024, 15:47

                  Wenn Unternehmen im Öffentlichen Nahverkehr Geld vom Staat erhalten, um ihre wohlfahrtsfördernden Leistungen zu erbringen, ist das eine Subvention. Wenn der Staat hingegen für Straßenbau ausgibt, dann ist das eine „Jahrhundertenscheidung“ und keine Subvention.
                  Vom Staat bereitzustellende Infrastruktur besteht nicht nur aus Straßen. Ein gutes Netz des Öffentlichen Nahverkehrs kann auch dazu gehören.
                  Reicht Maut, Mineralölsteuer etc. aus, um die Kosten der Straßeninfrastruktur zu decken? Wohl eher nicht.
                  Der Staat hat sich nie für EINE Art der Verkehrsinfrastruktur entschieden. Anders als in vielen Lateinamerikanischen Ländern blieb uns in praktisch allen europäischen Ländern das dichte Eisenbahnnetz in großen Teilen erhalten.
                  Das Eisenbahnnetz wird nicht nur von der Deutschen Bahn, sondern auch von den immer zahlreicheren Privatbahnen benutzt. Wenn ihr euch mal an so einen Nahverkehrstrip v.a. in den Osten versuchen würdet, könntet ihr feststellen, dass da bei weitem nicht nur DB rumfährt. Und in U-Bahn/S-Bahn und Regionalbahnen treffe ich ein sehr anderes Publikum als im ICE. Viele machen da echt den Eindruck von Geringvrdienern. Direkt gefragt habe ich sie allerdings noch nie.

                  • Stefan Pietsch 10. Juli 2024, 16:36

                    Wenn der Staat mir das aus Steuern finanzierte Straßennetz zum Preis von 1 € übereignen würde, wäre ich ggf. bereit für einen jährlichen Zuschuss von 9 Milliarden Euro dieses instandzuhalten. Das würde ich für akzeptabel halten. 🙂

                    Das Eisenbahnnetz wird nicht nur von der Deutschen Bahn, sondern auch von den immer zahlreicheren Privatbahnen benutzt.

                    Streiche das Wort „zahlreicheren“. Diese zahlen (mehr als) marktkonforme Trassenpreise an die DB.

                    Und in U-Bahn/S-Bahn und Regionalbahnen treffe ich ein sehr anderes Publikum als im ICE. Viele machen da echt den Eindruck von Geringvrdienern.

                    Du hörst mir nicht zu. Der Vorteil des Deutschland-Tickets ist nicht, dass S- und U-Bahnen vergünstigt benutzt werden können. Der Vorteil ist, dass man damit überall den Nahverkehr nutzen kann. Nur ist dieses überall typischerweise für ärmere Menschen nicht so interessant.

                    • Lemmy Caurion 10. Juli 2024, 20:32

                      Hast Du irgendwelche Statistiken, wie viel in Deutschland für Straßenbau ausgegeben wird?
                      Aber nicht „nur“ Autobahn inklusive der nicht gerade wenigen neuen Brücken. In NRW etwa die Rheinbrücke bei Leverkusen und die große Brücke bei Lüdenscheid. Auch die vielen Straßen in Orten.
                      Das Deutschland ist billiger als die meisten Abbos bei Regionalen Verkehrsverbünden. Ich hatte vorher ein Köln Abbo und bei Kunden meist noch ein Monatsticket ohne Abbo. Das hat Anfang der 2020er in Hannover und Nürnberg round about 90 Euro im Monat gekostet. Ich konnte das steuerlich absetzen. Wenn ich den Verkehrsverbund nicht verließ, musste ich für Radelspaß am WE trotz Bahncard 50 den vollen Fahrpreis + 6 Euro Fahrrad bezahlen. Für mich ist das Deutschlandticket super, aber bei Fahrscheinkontrollen in der Bahn haben die meisten Deutschland-Ticket, auch die mit wenig Geld.

                    • Stefan Sasse 10. Juli 2024, 21:03

                      Ist für mich auch nicht so interessant. Du blähst das völlig auf.

                    • Tim 10. Juli 2024, 21:24

                      @ Stefan Pietsch

                      Der Vorteil ist, dass man damit überall den Nahverkehr nutzen kann.

                      Das ist für fast niemanden der Hauptvorteil des Deutschlandtickets. Warum auch? Es gibt fast niemanden, der regelmäßig bundesweit den Regionalverkehr nutzt.

                      Das DT ist einfach eine Subventionierung des regionalen Verkehrs, eben auf Kosten der regionalen Nahverkehrsinvestitionen. Genau darum war das DT ja von Anfang an eine blödsinnige Idee.

                      Gibt es überhaupt noch regionale Nahverkehrsanbieter, die Monatsabos anbieten? Diese Abos sind doch durch das DT praktisch vollständig aus dem Markt gedrängt worden.

                    • Stefan Sasse 11. Juli 2024, 08:54

                      Ja, aber sie sind deutlich teurer und daher sinnlos. Aber sie existieren noch. Die Subventionierung ist und bleibt aber eine gute Idee, weil sie den regionalen Nahverkehr attraktiver macht. Und dass es deutschlandweit funktioniert macht es unbürokratischer und unkompliziert zu nutzen.

                    • Stefan Pietsch 11. Juli 2024, 10:44

                      Hast Du irgendwelche Statistiken, wie viel in Deutschland für Straßenbau ausgegeben wird?

                      Ich verstehe Deine Intension nicht – oder ich verstehe sie wahrscheinlich doch, aber das ist eine rein politisch-interessengeleitete. Bevor ich einen Sachverhalt untersuche, muss ich doch definieren, was ich erreichen will. Du willst den Beleg, dass der Staat den Autoverkehr subventioniert, obwohl die Bereitstellung der Infrastruktur in Form von Straßen und Brücken zu den originären Staatsaufgaben zählt, weswegen er Zwangsabgaben erhebt. Und was meinst Du, wofür wir Steuern zahlen?

                      Wir werden im weiteren immer wieder über diese Unlogiken Deiner Frage stolpern. Zu Beginn: Die klassischen Einnahmen aus der Straßenverkehrsnutzung wie Mineralölsteuer, Kfz-Steuer und Mautgebühr stehen ausschließlich dem Bund zu. Er darf diese Einnahmen auch nicht mit anderen Gebietskörperschaften teilen. Damit haben Länder und Kommunen keine Steuereinnahmen aus der Straßenverkehrsnutzung, haben aber die Zuständigkeit für deren Instandhaltung. Das ist politisch so gewollt, gerade von den Bundesländern, die einstmals für die Abtretung der Steuerhoheit entschädigt wurden.

                      Mit Deiner Idee stellst Du also einer Gebietskörperschaft, die überproportional Einnahmen aus einem Sachverhalt bekommt, einer anderen gegenüber, die zwar Ausgaben, aber keine entsprechenden Einnahmen hat. Es wird noch komplizierter.

                      Straßen werden um ein Mehrfaches vom Schwerlastverkehr in Anspruch genommen. Dies belastet vor allem die innerstädtischen Wege, da durch das langsame Fahren und Rangieren der Belag schnell geschädigt wird. Unternehmen zahlen bekanntermaßen Gewerbesteuer an die Kommunen, obwohl sie diesen eher nutzen. Ohne Gewerbebetriebe keine Einnahmen aus der Einkommensteuer usw. Man könnte die Gewerbsteuer also als Kostenbeteiligung von Unternehmen am Straßennetz interpretieren.

                      Und wie verhält es sich mit den anderen Steuerarten? Bei Deiner Fragestellung muss korrekterweise die auf Mineralöl wie den Individualverkehr entstehende Umsatzsteuer sowie Stromsteuer als positiver Einnahmebeitrag zugeschlagen werden, nur dann bekommst Du Dein „Profit Center“. Und natürlich einen Teil der Einkommensteuer, die Autofahrer zahlen. Betriebswirtschaftlich korrekt gerechnet wären wir da bei einem dreistelligen Milliardenbetrag.

                      Was wissen wir? Die Mineralölsteuer erbringt ein jährliches Aufkommen von 34 Milliarden Euro, Tendenz steigend. Die Maut bringt über 7 Milliarden Euro, die Kfz-Steuer knapp 10 Milliarden Euro. Laut Autoherstellerverband ACEA hat Deutschland mit fast 90 Milliarden Euro die höchsten Einnahmen auf Steuern aus Kfz-Nutzung.
                      https://www.welt.de/motor/news/article239148037/Deutschland-kassiert-knapp-90-Milliarden-Steuern-mit-Kfz-Bezug.html#:~:text=S%20P-X%2FBr%C3%BCssel.%20Deutschland%20hat%20europaweit%20die%20h%C3%B6chsten%20Einnahmen,%2876%2C3%20Milliarden%20Euro%29%20und%20Frankreichs%20%2873%2C4%20Milliarden%20Euro%29.

                      Dem stehen ziemlich wenig Ausgaben gegenüber. Der Bund gibt jährlich zwischen 8 und 9 Milliarden Investitionen in den Straßenverkehr. Laut einer Studie „nach Fiskallogik“ belaufen sich die gesamten Investitionskosten auf 16 Milliarden Euro, die Kosten für den Erhalt und Betrieb 19 Milliarden Euro, Unfallkosten 17 Milliarden Euro und Kosten der Polizei 15 Milliarden Euro. In Summe kommt man auf Gesamtausgaben des Staates von 70 Millliarden Euro.
                      https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1265380/umfrage/kosten-und-erloese-des-strassenverkehrs-in-deutschland-nach-fiskallogik/

                      Das ist die ungünstigste Rechnung für den Individualverkehr, denn Nutznießer von Straßen sind nicht nur Autofahrer, die Erträge von Polizei kommt nicht nur diesen zugute usw. Wie Du’s auch rechnest, eine direkte Subventionierung des Autoverkehrs durch die Allgemeinheit lässt sich nicht belegen.

                    • Stefan Pietsch 11. Juli 2024, 10:52

                      @Tim

                      Einige Verbünde bieten Tickets an, die günstiger sind. So nutzen in Frankfurt Unternehmen das HOB-Ticket. Meine Frau fährt damit. Warum sollte sie sich zusätzlich das Deutschland-Ticket zulegen?

                    • Stefan Sasse 11. Juli 2024, 16:12

                      Üblicherweise ersetzen die sich. Das Schüler*innenticket von unserem Sohn etwa wurde automatisch als DT umgebucht.

                    • Stefan Pietsch 11. Juli 2024, 11:00

                      @Stefan
                      @Tim

                      Der Unterschied zwischen Selbstwahrnehmung und Realität:

                      41 % derjenigen, die ein D-Ticket gekauft haben, geben als Hauptgrund die
                      bundesweite Gültigkeit an.
                      — 36 % nennen den günstigen Preis bzw. das Sparen von Kosten als
                      Hauptgrund für den Kauf des D-Ticket-Abos.
                      https://www.vdv.de/230621-charts-zur-zwischenbilanz-d-tickets-bei-der-pk-zur-vdv-jahrestagung.pdfx

                      Und:
                      Zugleich handele es sich um eine exorbitant teure Form des Klimaschutzes, argumentieren der Ökonom Axel Ockenfels von der Universität zu Köln und Christian Böttger, Verkehrsexperte der Hochschule für Technik und Wissenschaft (HTW) in einem gemeinsamen Beitrag im „Handelsblatt“.

                      Vorläufige Daten zeigten, dass nur jede zwanzigste Fahrt mit einem Deutschlandticket den Autoverkehr entlastet, bestätigte Böttger gegenüber WELT: Nach einer groben Überschlagsrechnung werde so weniger als eine halbe Million Tonnen CO₂ eingespart. Angestrebt hatte Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) mit dem Instrument eine Reduktion um mindestens drei Millionen Tonnen CO₂.

                      Der Beitrag des Deutschlandtickets zum Klimaschutz sei jedoch minimal, die Kosten der Ticket-Subvention von geschätzt drei Milliarden Euro aber exorbitant hoch, argumentieren die Professoren: Die Einsparung einer einzigen Tonne CO₂ durch das Deutschlandticket schlage mit 6000 Euro zu Buche.

                      Zum Vergleich: Im Emissionshandel für Industrie und Stromwirtschaft beträgt der Preis einer eingesparten Tonne CO₂ nur 80 Euro. Schon das gilt hier als relativ hoch.
                      https://www.welt.de/wirtschaft/plus247944532/Deutschlandticket-Klimaschutz-Beitrag-sehr-gering-und-extrem-teuer.html?icid=search.product.onsitesearch

                  • Erwin Gabriel 11. Juli 2024, 21:57

                    @ Lemmy Caution 10. Juli 2024, 15:47

                    Reicht Maut, Mineralölsteuer etc. aus, um die Kosten der Straßeninfrastruktur zu decken? Wohl eher nicht.

                    Eher doch, und zwar deutlich, wenn man bei den reinen Kosten für Bau und Erhalt des Straßennetzes bleibt (also z.B. die Gehälter für Verkehrspolizisten nicht als Kosten zur Erhaltung des Straßennetzes rechnet). Im Vergleich dazu wird der Personenverkehr per Schiene deutlich gesponsert.

                    Abgesehen davon, dass ich diese Art von Schwarz-Weiß-Zeichnung für irreführend halte. Es hängen so viele Jobs und Geschäfte vom Straßenverkehr, vom Pendeln, von der Logistik etc. ab, dass die Kosten für den Erhalt des Straßennetzes um ein Mehrfaches gedeckt sind.

              • Stefan Sasse 10. Juli 2024, 21:00

                Richtig, aber Stefan fährt halt Auto und nicht Bahn, und deswegen ist die eine Subventionierung ein gottgegebenes Recht und die andere ganz schlimm.

                • Erwin Gabriel 11. Juli 2024, 14:12

                  @ Stefan Sasse 10. Juli 2024, 21:00

                  Richtig, aber Stefan fährt halt Auto und nicht Bahn, und deswegen ist die eine Subventionierung ein gottgegebenes Recht und die andere ganz schlimm.

                  Ach, Stefan …

                  Die Subventionierung des Deutschlandtickets ist eine rein politische Entscheidung; ökonomisch und ökologisch vergleichsweise sinnlos. Es werden deutlich weniger Autofahrten substituiert als angenommen; deutlich weniger, als das Verkehrsaufkommen über öffentliche Verkehrsmittel zugenommen hat. Und während man mit Begeisterung die gesparten Auto-Kilometer in CO2-Ersparnis umrechnet, hat mir noch niemand sagen können, wie sehr die Belastung im ÖPV zugenommen hat.

                  Das Deutschland-Ticket ist eine von der Regierung gewollte Subvention zu lasten der Verkehrsbetriebe und Kommunen; nun gut, dass ist politisch so gewollt.

                  Aber wo bitte ist die Subvention des Kfz-Betriebs?

                  Das man so denken kann, liegt nur daran, dass man die Einnahmen durch Pkw- und Lkw-Verkehr als Steuern und nicht als zweckgebundene Gebühren erhebt.

              • Erwin Gabriel 11. Juli 2024, 13:52

                @ Lemmy Caution 10. Juli 2024, 10:21

                Wenn wir schon die Forderung nach echten Marktpreise aufstellen, warum müssen dann die Auto- und v.a. Lasterfahrer nicht einen ihrer Nutzung entsprechenden Betrag an den Straßen leisten?

                Die Einnahmen aus der Kfz-Steuer betragen etwa 9,5 Mrd. Euro. Die Einnahmen aus der Mineralölsteuer lagen für für Benzin bei 12,6 Mrd. Euro, für Diesel bei 16,9 Mrd. Euro. Die Lkw-Maut bringt etwa 7,4 Mrd. Euro ein.

                In Summe liegen die staatlichen Einnahmen durch den Betrieb von Fahrzeugen also bei deutlich über 45 Mrd. Euro. Nicht in dieser Rechnung enthalten sind weitere Steuereinnahmen, die sich aus dem Betrieb von Fahrzeugen ergeben, etwa Mehrwertsteuer für den Verkauf von Pkw und Lkw, Steuern auf Löhne und Gehälter für die Werkstätten, Gewinne durch Transport und Logistik etc.

                Dem gegenüber stehen Bundesaufwendungen von knapp 8,5 Mrd. für Fernstraßen, Autobahnen, Brücken etc. Der Fairness halber sei diese Summe verdoppelt, da es auch kommunalen Straßenbau gibt.

                Nicht berücksichtigt sind hier „Nebenkosten“ wie Verkehrspolizei, ebensowenig wie Vorteile der Straßennutzung durch Kommunen, Feuerwehr, Polizei, Krankenwagen etc.

                Natürlich belastest Du die Straßen nicht, wenn Du in der Bahn sitzt. Aber das von Dir bezahlte Ticket reicht nicht aus, die Abnutzung der Schienen, der Loks und Waggons, des Personals etc. auszugleichen. Und das Defizit an dieser Stelle ist größer als oft vermutet, da die Bahn den Personenverkehr auch durch die Gewinne sponsert, die sie aus dem Frachtverkehr (gerne auch über die Straße) erwirtschaftet.

                • Thorsten Haupts 12. Juli 2024, 13:05

                  Danke, Erwin. Ich fürchte nur, der Mythos des „subventionierten“ Strassenverkehrs ist nicht auszurotten, weil deren verbreiter an Fakten kein Interesse haben.

                  • Erwin Gabriel 12. Juli 2024, 15:04

                    @ Thorsten Haupts 12. Juli 2024, 13:05

                    Ich fürchte nur, der Mythos des „subventionierten“ Strassenverkehrs ist nicht auszurotten, weil deren Verbreiter an Fakten kein Interesse haben.

                    Leider wahr. Was ebenfalls gerne gemacht wird, ist, „weiche“ Faktoren (Schäden durch Läürm etc.) einzurechnen – als ob die Bahn leiser wäre.

                    Was mich stört, ist diese Einstellung, dass alle auf ÖV umsteigen, wenn man das Autofahren extrem behindert, beschränkt, verteuert. Der muss dann aber auch entsprechend verfügbar sein.

                    Will man (da habe ich keine grundsätzlichen Einwände) etwa aus ökölogischen Gründen den öffentlichen Verkehr über Bus (ebenfalls auf die Straße angewiesen) und Bahn präferieren, ausbauen etc., MUSS der Ersatz geschaffen werden, BEVOR man Pkw- und Lkw-Verkehr beschneidet.

                    • Stefan Pietsch 12. Juli 2024, 15:16

                      Ich hatte vor einigen Tagen geschildert, was mir nach dem EM-Spiel Schweiz-Deutschland widerfahren war. Interessanterweise wollte mir daraufhin niemand erklären, warum es trotzdem vorteilhafter sei, nachts um 23 Uhr im Gedränge knapp eine Stunde auf die Abfahrt der S-Bahn zu warten als ein paar Meter weiter ins eigene Auto zu springen und in einem Drittel der Zeit nach Hause zu fahren.

                      Möglicherweise gibt es da keinen Vorteil?

                    • Stefan Sasse 12. Juli 2024, 17:11

                      Für das Individuum ist das Auto immer vorteilhaft, besonders wenn wenige es nutzen. Das ist doch ein klares allmendeproblem.

                    • Stefan Sasse 12. Juli 2024, 17:09

                      Da bin ich völlig bei dir, deswegen auch meine Dauerkritik: du kannst doch nicht bei der Bahn kürzen und nicht investieren! Da muss massiv ausgebaut werden, aber es passiert nichts. Und dann zu sagen „ja, aber die sind kacke und haben die Kapazitäten nicht“ ist wohlfeil.

                    • Stefan Pietsch 12. Juli 2024, 17:39

                      @Stefan

                      Das ist nicht richtig. Generell ist jedes Verkehrsmittel überlegen, das fährt als dem, welches steht. Und wenn ich in New York, San Francisco oder Santiago war, dann habe ich kein Auto angemietet, sondern öffentliche Verkehrsmittel genommen. Und das werde ich auch weiterhin, so sie nicht auf das Niveau der Deutschen Bahn fallen.

                    • Stefan Sasse 13. Juli 2024, 11:23

                      Ja das ist ja mein Punkt. Je weniger Leute Auto fahren, desto besser wird die Option Autofahren.

                    • Stefan Pietsch 12. Juli 2024, 17:44

                      @Stefan

                      Der Punkt ist, dass Du für steigende Subventionen in das Deutschland-Ticket streitest. Doch Mittel sind immer begrenzt. Weitest Du Subventionen gerade an Leute aus, die problemlos kostendeckend etwas nutzen könnten, dann bleibt Dir weniger für Investitionen in die Modernisierung und Verbesserung.

                      Die Bahn erhält derzeit knapp 10 Milliarden Euro Zuschüsse aus dem Staatshaushalt für Investitionen. Das ist mehr Geld als der Bund an Investitionen für die Autofahrer verauslagt. Und ja, auch unser Straßennetz ist in einem bemitleidenswerten Zustand. Wenn unsere Stadtstraßen so aussehen wie kleine Straßen auf griechischen Inseln, weiß man, wo der Staat gespart hat.

                    • Stefan Pietsch 12. Juli 2024, 17:47

                      Gerade als WhatsApp erhalten:

                      Zug fährt ein, Leute steigen ein. Schaffner kommt, sagt: „Alle aussteigen, Zug geht in die Abstellung.“ Wie geht es weiter? Keine Information.

                      Liegt natürlich nicht an dem unternehmerischen Chaos und unfähigen Mitarbeitern, sondern an fehlenden Milliarden, mit denen Autofahrer gefüttert werden. Sorry, wer will mit so einem Verkehrsmittel fahren, wenn er nicht muss??

                    • Stefan Sasse 13. Juli 2024, 11:23

                      Ich würde niemals das Managment der Bahn verteidigen. Die haben zu wenig Mittel UND eine schlechte Struktur.

                    • Stefan Pietsch 13. Juli 2024, 15:05

                      @Das ist eine Frage der Kapazitäten. Deswegen plädiere ich ja für den Ausbau der Kapazitäten für den Autoverkehr, während Du über den Umweg der Beschränkung der Kapazitäten und damit des Quälens des Autofahrer hoffst, dass diese auf die marode Bahn umsteigen. Und wenn sie schon nicht tun, was Du für vernünftig erachtest, sollen sie zumindest leiden. Recht geschieht ihnen! 😉

                    • Stefan Pietsch 13. Juli 2024, 15:07

                      Wie kommst Du darauf, die Bahn hätte zu wenig Mittel? Dazu fehlt Dir doch jedes ökonomische Wissen. Du kommst nur deswegen zu der Beurteilung, weil die Bahn nicht erfüllt, was sie leisten soll.

                      Du gibst damit Erwin (und mir als heimlichen Claquer) recht: Bei jedem Problem schütte Geld drauf. Besteht das Problem weiter, war’s einfach noch nicht genügend Geld.

                    • Stefan Sasse 13. Juli 2024, 15:25

                      Wir brauchen wesentlich mehr Schienen und Buslinien als bisher. Das ist mit den aktuellen Mitteln unmöglich. Den jetztigen Stand besser machen – dafür braucht es nicht mehr Geld, da bin ich völlig bei euch.

                    • Stefan Pietsch 13. Juli 2024, 16:00

                      Wie willst Du mehr Buslinien ohne Straßen?

                      Daneben bezweifle ich Deine Grundaussage. Wir haben weder zu wenig Straßen noch zu wenig Schienen. Deutschland ist eines der Länder mit dem dichtesten Straßennetz und Schienennetz. Aber die Autobahnen haben, oftmals nur vierstrahlig ausgelegt, oft nicht ausreichende Kapazitäten für die seit 1990 stark veränderten Bedarfe. Die Bahn hat viele Schienen, aber keine umfangreiche Trennung zwischen Schnellbahntrassen, Regionalverkehr und Güterverkehr. Diese gemeinsame Nutzung war eine grundsätzliche Entscheidung der Politik und dem Management der Deutschen Bahn, der zuvor intensive Diskussionen vorausgegangen waren. Denn tatsächlich baute der deutsche Staat nach der Wiedervereinigung nicht nur neue Autobahnen, sondern auch neue Bahntrassen.

                      Diese logistische Unvernunft war und ist bis heute gewollt. Sie ist nicht „historisch gewachsen“. Und nehmen wir mal meinen Arbeitsweg. Dass ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln 1 1/2 Stunden mit der Bahn unterwegs wäre statt mit dem Auto die Hälfte hat doch nichts mit fehlenden Schienen zu tun. Es hat damit zu tun, dass eine Direktverbindung zu einem ziemlich ungeordeten Kreuz-und-Quer im Bahnnetz führen würde. Es gibt nunmal weniger Bahnreisende, die von Fulda nach Wiesbaden möchten. Die wollen nach Frankfurt. Es gibt aber viele, die von Frankfurt nach Wiesbaden wollen. Deswegen ist das Netz wie es ist.

                      Diese logistische Vernunft nützt mir jedoch gar nichts, denn ich habe den Großteil meiner Karriere außerhalb von Frankfurt gearbeitet und Wiesbadener Unternehmen rekrutieren ihr Personal hauptsächlich nicht aus dem östlichen Raum Frankfurts. Deswegen brauchen wir die Autobahnen A3 und A66 und das möglichst gut ausgebaut.

                  • Stefan Sasse 12. Juli 2024, 17:05

                    Nein, weil sie die Fakten anders interpretieren.

                    • Thorsten Haupts 12. Juli 2024, 21:10

                      Schön. Dann liefere – auf der Basis der gleichen zahlen – doch mal eine Interpretation, die „Subvention“ zu einem halbwegs haltbaren Argument macht?

            • Stefan Sasse 10. Juli 2024, 20:55

              Ich halte das für Behauptungen. Ich benutze das DT völlig anders. Und für mich hat es die Autonutzung deutlich reduziert. Würde das DT abgeschafft, würde ich wieder mehr Auto fahren.

        • cimourdain 10. Juli 2024, 10:00

          Ich habe keine gute Gesamtdarstellung der französischen Praxis in deutschen Medien gefunden (*), aber was ich aus verschiedenen Artikeln herausgelesen habe, bekommen sie eine normale Master-Debitkarte, die sich allgemein (bis auf Bargeldabhebung) nutzen lässt. Einschränkungen auf bestimmte Läden sind technisch möglich, „Sperren“ von bestimmten Käufen durch Behörden nicht. Der Kartenanbieter lässt sich natürlich diesen Service bezahlen, wohl in ähnlicher Größenordnung wie normale Karten, Die Kosten trägt die Kommune.
          Ein Teil der Vorwürfe (**) , aber nicht alle, wäre bei dieser Praxis vom Tisch.

          (*) Ohne Ihnne zu nahe treten zu wollen, das verlinkte „Münchner Journal“ ist ein ‚Polizeimeldungen+Werbeartikel‘-Anzeigenblatt, der Artikel selbst ist sponsored content der Firma „givve“, die Sachbezugskarten für Firmen anbietet. Wenn Sie Stefan vorwerfen, eine Lobbyorganisation zu zitieren, wäre das ein „Glashaus“.

          (**) diese Vorwürfe kommen nicht nur von Aktivisten:
          https://heribertprantl.de/prantls-blick/bezahlkarten-fuer-fluechtlinge-sind-eine-narretei/

          • Stefan Pietsch 10. Juli 2024, 10:54

            Ich habe keine gute Gesamtdarstellung der französischen Praxis in deutschen Medien gefunden

            Inwiefern ist das relevant? Zum einen stand meine Behauptung, dass Zahlkarten für Asylbewerber üblich seien. Korrekt hätte ich sagen müssen „soweit nicht Sachleistungen zum Zuge kommen und Asylbewerber auf staatliche Unterstützung angewiesen sind“. Sie baten darum, dies zu spezifizieren. Zum anderen stand Stefans Behauptung, die Zahlkarte sei ein Bürokratiemonster und nur zur Schikane von Flüchtlingen da.

            Wenn Donald Trump sagt, die französische Währung sei der Euro, ist das deswegen nicht falsch. Ob Frankreich für Asylbewerber eine Zahlkarte hat, ist keine Meinungssache. Ob aber eine Zahlkarte bürokratisch ist, stellt eine Positionierung dar, die Meinung sein kann oder durch Studien belegt. Stefan hat hier ausschließlich die Meinung einer Lobbyorganisation verlinkt und dies als Bestätigung seiner Meinung genommen. Was mich an einer solchen Konstellation immer aufregt, ist nicht die Meinung. Sondern dass etwas publiziert wird, was absolut konträr zu breiten Erfahrungen und seriösen Erhebungen steht. Einem gebildeten Menschen müssen da Fragezeichen kommen. Aber vielleicht ist das nur eine Berufskrankheit von mir: Wenn bei meinen Auswertungen ein Ergebnis rauskommt, das so völlig unerwartet ist, dann reiche ich das nicht einfach weiter, sondern untersuche es detaillierter. Kann wahr sein, was da steht? Ansonsten blamiere ich mich.

            Der deutsche Staat wie wir als Gesellschaft sind außerordentlich großzügig zu Menschen, die mehrheitlich nicht sind, was sie vorgeben zu sein. Da stellen wir eine Ausnahme im internationalen Vergleich da. Ich wäre durchaus dafür, Asylbewerber weitgehend auf Sachleistungen zu stellen, so lange sie von öffentlichen Leistungen abhängig sind. Und ich bin durchaus dafür, abgelehnte Flüchtlinge nur noch das absolute Minimum zuzuerkennen. Aber hier wird der Dissens zu Stefan sicher noch größer. 😉

  • Stefan Pietsch 9. Juli 2024, 07:54

    2) 380 Milliarden Euro Schaden

    Wenn die Bundesländer als alleiniger Profiteur der Vermögensteuer, die allerdings auch sämtliche Kosten tragen müssen, seit Jahrzehnten kein Interesse an der Erhebung haben, dann ist die Frage ihres Nutzens längst beantwortet. Die Steuerverwaltung will die Abgabe nicht, weil sie enorm aufwendig in der Erhebung ist und das Personal dafür nicht vorhanden.

  • Stefan Pietsch 9. Juli 2024, 07:58

    3) Die Mitte ist kaputt

    Der Ansatz von Macron und der „Kampf gegen Rechts“ haben in Frankreich einen sehr hohen Preis. Es gibt nicht die eine Partei für die Mitte. Wer das versucht, erntet Trump, Le Pen und Mélenchon oder in Deutschland AfD und BSW. Die Lektion sollte doch langsam verstanden worden sein. Deswegen ist die Rückkehr zu einem bipolaren Politsystem richtig.

  • Stefan Pietsch 9. Juli 2024, 08:01

    5) Grüne Wirtschaft ohne Grüne?

    Auch in ihrem Stammland sind die Grünen bei der Europawahl und den Umfragen dramatisch abgestürzt. Gleichzeitig rückt die Partei im Ländle wieder nach links und konzentriert sich auf die großen Unistädte. Sie braucht allerdings einen populären Frontmann, um den Positionswechsel zu kaschieren.

  • Stefan Pietsch 9. Juli 2024, 08:04

    d) Deutschlandticket: Wie Christian Lindner seinen Verkehrsminister Volker Wissing hängen ließ.

    Die Politik hat mit dem Deutschlandticket ein Subventionsmonster geschaffen. Die Kosten dafür werden derzeit zwischen Bund und Ländern geteilt, da letztere die Träger regionaler Bahnsysteme sind. Doch die Ministerpräsidenten haben früh signalisiert, dass sie nicht bereit sind, weitere Mehrkosten dieser Sozialleistung zu tragen.

    Und es ist klar: Milliarden, die zur Subventionierung privilegierter Bahnfahrer ausgegeben werden, stehen eben nicht für Investitionen zur Verfügung. Außer dort, wo Manna vom Himmel fällt.

    • Michael 9. Juli 2024, 08:50

      «Subventionierung privilegierter Bahnfahrer»? Was läuft in deiner Birne eigentlich falsch? (Freundlich formuliert)

      • Erwin Gabriel 11. Juli 2024, 13:57

        @ Michael

        Das ist mal wieder eine meinungsstarke, aber fakten- und argumentationsfreie Antwort.

    • Tim 9. Juli 2024, 10:46

      Die Investitionsmisere ist genau das, was Kritiker des 49-Euro-Tickets damals prognostiziert hatten. Der Nahverkehr braucht mehr Geld. Wie reagiert Deutschland? Es macht den Nahverkehr für viele wesentlich günstiger und den finanziellen Bund-Länder-Verschiebebahnhof noch komplexer. Verrückt. Eine Entscheidung, die sich mehr an politischer Nützlichkeit als an der Realität orientiert.

  • Thorsten Haupts 9. Juli 2024, 08:42

    Zu d)

    Bei dauerhaft nicht gesicherter Finanzierung hätte man vermutlich besser darauf verzichtet, das Ticket überhaupt einzuführen? Der Vorwurf geht an Bund und Länder gleichermassen – Erwartungen, der Bund würde stndig nachschiessen und dauerhaft einen immer grösseren Teil der Kosten übernehmen, waren doch von Anfang an illusorisch.

    Und aus dem Versagen mit Ansage jetzt eine persönliche Kiste zu machen („im Stich lassen“) ist ziemlich symptomatisch für das alberne Niveau deutscher Politikberichterstattung.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

  • Tim 9. Juli 2024, 10:20

    (5 – grüne Wirtschaft)

    Ich fürchte aber, diese Strategie ist viel zu vernünftig für die Grünen.

    Mich erdet immer wieder der ideologische Ballast, den so viele Grüne mit sich herumtragen. Sie begreifen z.B. nicht, dass Unternehmen im internationalen Wettbewerb stehen. Oder dass wir 8 Mrd. Menschen ernähren müssen. Sie sind einfach Weltmeister im Ausblenden.

    Neulich saß ich mit einem schwer grün angehauchten Freund zusammen. Er hatte eine Flasche Biowein mitgebracht und fand es gesundheitlich wichtig, dass dort geringere Spuren eines bestimmten Pflanzenschutzmittels nachweisbar sind als bei klassichen Weinen (ganz auf 0 kriegen es die Biowinzer/-bauern ja auch nicht). Mein Argument, dass der Wein 12,5(!) % eines stark krebserregenden Zellgiftes enthält, hat ihn überhaupt nicht erreicht. Der Glaube ist stärker.

    • Stefan Sasse 9. Juli 2024, 17:48

      Ja, das stößt mich an der Partei auch immer wieder ab. Denk auch nur mal diese völlig bescheuerte Ablehnung von Gentechnik.

      • derwaechter 9. Juli 2024, 20:52

        Also im Ausblenden der negativen Folgen von Alkohol liegen wohl alle deutschen Parteien vor oder im besten Falle gleichauf mit den Grünen.

        Da jetzt aufgrund persönlicher Erfahrung mit einem (!) Grünen zu kommen ist, sorry, einfach bescheuert.

        Auch Stefans Ablehnung der Partei aufgrund von Randthemen wie Gentechnik oder Esoterik, die oft auch nur in Teilen der Partei zu finden sind, finde ich komisch.

        Ihr legt hier m.E. viel höhere Maßstäbe als bei anderen Parteien an und verurteilt dann maßlos.

        Ich meine, bei welcher anderen demokratischen Partei redest du denn sonst von „abstoßend“?

        • Thorsten Haupts 10. Juli 2024, 11:21

          Also im Ausblenden der negativen Folgen von Alkohol liegen wohl alle deutschen Parteien vor oder im besten Falle gleichauf mit den Grünen.

          Völlig korrekt, verfehlt nur den Punkt: Das wird bei allen anderen Parteien nicht mit einem an dasselbe Produkt gebundenen Hypermoralismus ausgeblendet 🙂 . Es ist genau diese unübersehbare Lücke zwischen Anspruch (möglichst schadstofffreier Wein) und Wirklichkeit (Wein IST auch per se ein Schadstoff), die Leut den GRÜNEN übelnehmen.

          • Tim 10. Juli 2024, 12:06

            Exakt das meinte ich. Wobei es eine ähnliche Fallhöhe früher auch bei anderen Parteien gab. Die älteren von uns werden sich vielleicht noch an diverse Fahrerfluchten und Seitensprünge von Politikern der Law-and-Order-Partei CSU erinnern. Die Titanic hat das in den 80ern und 90ern gern aufgespießt. 🙂

            • Stefan Sasse 10. Juli 2024, 21:01

              Ja, wir erinnern uns alle an die gewaltigen Schäden, die Seehofer für seine Seitensprünge davontrug.

              • Thorsten Haupts 11. Juli 2024, 08:59

                Verhält sich dann ähnlich zu den gewaltigen Schäden, die GRÜNE für z.B. Esoterik zu tragen haben?

                • Stefan Sasse 11. Juli 2024, 16:03

                  Häh? Ich verstehe nicht, was du meinst. Mein Punkt war: Seehofer hatte praktisch keine politischen Nachteile durch seine Seitensprünge.

                  • Thorsten Haupts 12. Juli 2024, 13:04

                    Und die GRÜNEN hatten bisher nie Nachteile wegen ihres Esoterikflügels. Dein Punkt ist mein Punkt.

                    • Stefan Sasse 12. Juli 2024, 17:05

                      Ah verstehe was du meinst, aber das macht in dem Kontext wenig Sinn. Denn die Grünen sagen ja nicht „wir machen nie Esoterik“ und werden dann heimlich beim Globuli-Naschen erwischt; das Äquivalent hier wäre eher Verbrenner fahren oder Nachtflüge in Frankfurt. Esoterik ist ja keine Doppelmoral für die, das wäre wie wenn ich der CDU vorwerfe dass die nen Arbeitgeberflügel haben. Da sind die ja stolz drauf! 😀

                      Davon abgesehen würde ich schon sagen, dass der Esoterikflügel ihnen Nachteile macht, aber keine großen. Das ist eher um 0,0X%-Bereich. Wie halt auch die Seitensprünge von Christdemokraten.

        • Stefan Sasse 10. Juli 2024, 20:56

          Ich lehne ja nicht die Partei ab, ich sag nur, das mag ich an denen nicht. Es stößt mich ab. Ich benutzte das Wort ohne die pejorative Wertung.

  • sol1 9. Juli 2024, 10:32
  • cimourdain 9. Juli 2024, 10:53

    1) Schau dir die Zeitlinie an: Das sächsische Pilotprojekt Bezahlkarte gibt es seit April 2024, die Freigabe per Bundesgesetz, dass Länder und Gemeinden auf eigene Faust Bezahlkarten einführen seit 16.Mai 2024, die bundeseinheitliche Karte soll ab Januar 2025 kommen. Dieses Chaos ist dem Nachgeben der Bundesregierung gegenüber den Ländern geschuldet, da möglichst schnell irgendetwas einzuführen.

    3) Worauf Piketty abzielt, ist sein Lieblingsthema, der Verteilungskampf zwischen den (Vermögens-)Klassen. Dieses Thema wurde in den letzten Jahren (ca. seit der Schuldenkrise) nicht mehr „von links“ angesprochen. Bezeichnenderweise ist es genau die populistische Rechte, die mit „gegen die da oben“ als einzige dieses Thema zumindest (heuchlerisch aber erfolgreich) rhetorisch nutzen. Eine „linke“ Gegenkraft ist nicht in Sicht, die andere Seite will lieber „progressiv“ sein.
    5) Dafür sind gerade die Grünen symptomatisch, die alle „Kapitalismus abschaffen“ Ideen [Zyniker: wie auch Umweltschutz, Bürgerrechte und Pazifismus] abgeworfen haben und sich lieber als „Lastenfahrrad-FDP“ gerieren.
    [Sottise am Rande dazu: in der regierungsnahen chinesischen „Global Times“ werden sie als „far right party“ bezeichnet.]

    4) Du hast Recht in der zeitlichen Einordnung, die Wende zur „familienfreundlichen“ Härte kam Anfang der 90er, ich hätte es an „Jurassic Park“ (ab 12) festgemacht. Im Artikel ist aber etwas anderes wirklich spannend: Wie durch die neuen Labels einerseits Gewaltdarstellungen niedrigschwelliger wurden, aber im Gegenzug Sex, Drogen und „Language“ kritischer bewertet. Das war ein gewünschtes Resultat seitens Hollywood Lobbyisten (Spielberg) war, um Action- und Abenteuerblockbuster zu verkaufen. Aber als (Neben???) Effekt hat es auch ein jüngeres Publikum dem military entertainment complex geöffnet. Nicht zufällig war der erste PG-13 Film der Propagandastreifen „Red Dawn“.

    d) Die unspektakulärere Schlagzeile wäre: Wie ein Finanzminister seinen Parteifreund bei Einsparungen NICHT bevorzugte.

  • Thorsten Haupts 9. Juli 2024, 12:43

    Zu 4)
    Das ist historisch schon fast zum Schreien komisch, weil die These „Gewalt wird eher akzeptiert als Sex“ schon von den Tittenfilmen des legendären Russ Meyer in die Praxis übersetzt wurde. Er selbst hat mal sinngemässgesagt, dass es ihn amüsiert, dass man in Filmen problemlos Leute metzeln und zerschnippeln darf, aber dass nackte Vaginen oder Penisse in nicht X-rated Filmen staatlich verboten werden. Das war in den siebzigern des letzten Jahrhunderts. Hat sich also praktisch nichts verändert 🙂 .

    Oh, und das nur als Nebenbemerkung: Auf twitter und anderswo gibt es laufende Gefechte von Anime- und Spielefans (darunter viele weiblich), die sich erbittert gegen Zensurversuche radikaler Feministen wehren, die jede Art sexualisierter Darstellung (nur von Frauen natürlich) ausradieren wollen. Denn viele Spieleberichtsredaktionen (Kotaku et al.) wurden von den Progressiven übernommen.

    Ich finde ja, der Puritanismus der heutigen Progressiven passt perfekt in die schöne neue Welt islamischer Zuchtvorschriften, die sich zuwanderungsgesteuert schleichend in der westlichen Welt ausbreiten 🙂 . Des passd scho.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • cimourdain 10. Juli 2024, 09:17

      Bevor Sie die Verschwörung zur Ausrufung des feministischen Kalifats aufdecken 😉 , hier eine noch allgemeiner gefasste These von mir: In den meisten Gesellschaften wird allzu viel Freizügigkeit als subversiv gesehen (und deshalb in die Schmuddelecke gesetzt), während Gewalt „mit staatlichem Gütesiegel“ (Gladiatorenkämpfe, öffentliche Hinrichtungen) als systemstabilisierend gilt.

      Amüsantes Stück Trivia zu Russ Meyer: Er hat seine Filmkarriere als Kriegsberichterstatter im Zweiten Weltkrieg (Europa) für die US Army angefangen. Wenn Sie in einer Geschichtsdoku amerikanische „Newsreel“ Aufnahmen aus der Zeit sehen, besteht eine Chance, dass es sich um Russ-Meyer-Filme handelt.

      • Thorsten Haupts 10. Juli 2024, 15:16

        Bevor Sie die Verschwörung zur Ausrufung des feministischen Kalifats aufdecken …

        Och Menno, alles wird hier gespoilert.

  • Kning4711 9. Juli 2024, 14:45

    zu 2)
    Ich glaube inzwischen, dass man bewusst diese Scheindebatten anfängt um von einer eigenen Unfähigkeit abzulenken mit den vorhandenen Werkzeugen vernünftige Politik zu machen.

    Viele Kommunen und Länder rufen schon heute nicht das Geld aus den Töpfen ab, was EU, Bund oder Länder bereitstellen. Liegt es wirklich daran, dass die Vergabevorschriften zu komplex sind, oder ist man einfach nicht in der Lage die richtigen Leute auf die Themen zu setzen? Es soll nämlich durchaus Gemeinden in Deutschland geben, die in der Lage sind die Gelder in Anspruch zu nehmen. Statt aber zu gucken, was ggf. viele falsch und wenige richtig machen und zu lernen, erfolgt ein kollektives Schulterzucken und der Ruf nach mehr Geld. Wir hatten es schon an anderen Stellen hier im Blog – es fehlen Strukturen die Gelder effizient und effektiv zu nutzen. Es fehlt der Wille von Kommunen ihre Verwaltung so zu reformieren, dass bürokratische Bremsen und Hindernisse abgebaut werden.
    Stattdessen erhebliche Verkrustungen, die viel Geld verschlingen, aber keinen Output produzieren, außer Papier, Verzögerungen, Chaos.

  • cimourdain 9. Juli 2024, 16:54

    Eigenes Fundstück :
    https://www.spektrum.de/news/bildung-schulnoten-werden-von-vorurteilen-beeinflusst/2222377
    Lehrerbenotung weicht von standardisierten Tests ab. Große Vorteile (bis zu ca. 0,5 Notenwerte) haben Mädchen (in Deutsch und Bio) und Rich Kids (überall). Übergewicht schafft Nachteile in Deutsch, ebenso Migrationshintergrund. Faktoren wirken kumulativ.

    • Stefan Sasse 9. Juli 2024, 17:52

      Jepp, das ist ja schon lange bekannt. Wurde bereits im PISA-Test 2000 (!) angemahnt. Mindestens.

      • Thorsten Haupts 9. Juli 2024, 18:59

        Wüsste auch nicht, wie das zu beseitigen wäre. Selbst wenn man die heutigen Vorurteile eliminiert, werden sie lediglich durch neue ersetzt – das gehört einfach zur menschlichen Grundausstattung.

        • Stefan Sasse 10. Juli 2024, 20:55

          Jein. Deutschland ist besonders schlecht auf dem Gebiet, und andere sind deutlich besser.

      • cimourdain 10. Juli 2024, 10:02

        Stimmt, damals gab es die „Kevin“-Studie, dass Lehrer Arbeiten, die unter einem „Unterschichtennamen“ abgegeben wurden, schlechter bewerten.

        • Stefan Sasse 10. Juli 2024, 20:57

          Ja, die Studie ist viel zitiert, aber soweit ich weiß nicht haltbar. ^^

  • Dennis 10. Juli 2024, 10:05

    3)
    Zitat Stafen Sasse:
    „Wie Markwardt richtig schreibt hat im UK gerade der Kandidat gewonnen, der bewusst auf Lagerbildung verzichtet hat.“

    Gewonnen ?? Keine Lagerbildung ?? Er hat die Krass-Linken beiseite geräumt und eine Art neo-blairistisches sozial-liberales Lager gebastelt. Auch das ist ein Lager! Es gibt überhaupt keine Nicht-Lager^.

    Übrigens hatte der Starmer 9,7 Millionen Stimmen, der Corbyn hatte von 5 Jahren 10,2 Millionen. Ähm..…gewonnen? verloren? Ferner hat der Starmer mit 33,7 % das niedrigste prozentuale Ergebnis einer Regierungspartei seit mindestens 1.000 Jahren in UK. Rekord (nach unten). Das führt zu etwas mehr als 60 % der Mandate. Letzteres wegen verschiedener komischer Konstellationen jenseits von Labour.

    Ich höre schon das Argument von Polit-Profis: Na und, das ist alles ganz egal und spielt keine Rolle. Auf die Ergebnisbildung kommt es an; wie die zustande kommt ist unwichtig – jedenfalls dann, wenn das Ergebnis gefällig ist bzw. zu sein scheint^. Nur dürfte es falsch sein, aus der komplett schiefen und krummen Ergebnisbildung sodann Schlüsse zu ziehen, wie die Leut da unten so ticken. Gesellschaftliche Lager gibt es sozusagen vor der Wahl, staatspolitische danach und beides ist nicht deckungsgleich.

    Der Farage hat 3,5 Millionen Stimmen zusätzlich (im Vergleich zu vor 5 Jahren) geholt, ist also mit Abstand der relative Wahlsieger. An dieser Stelle kann tatsächlich von „gewonnen“ gesprochen werden. Aus seinen 14,3 % werden allerdings dann 0,7 % der Mandate = 5, statt 92 (proportional). Im Übrigen kann sich der Starmer beim Farage (seinem besten Wahlhelfer) bedanken.

    Man kann natürlich sagen: Der Staat ist keine Talkschau sondern muss regiert werden. Deswegen ist eine kreative und grobe Aggregierung der tatsächlichen Lager gerechtfertigt. Das hat was für sich. Aus allerlei diversen Töpfen werden sodann wenige und eigentlich reichen parlamentarisch ja zwei. Wenn schon runterrechnen, dann heftig^. Plädiere meinerseits allerdings für ein Grabenwahlrecht, was die Vergröberung etwas mildert.

    Zitat:
    „Auch Pikettys Theorie, dass es zwei Lager bräuchte, halte ich für eigensüchtige Verblendung.“

    Ja klar, aber jede_r, der_die sein_ihr Lager dabei in der Mehrheit sieht, unterschreibt diese Idee vermutlich^. Und der Herr P. vermutet wohl, dass das „natürlicherweise“ irgendwie links ist, falls die Linken nicht zu doof und zerstritten daherkommen, was indes nicht so selten sein soll^.

    Wie dem auch sei, Regierung (egal wer) braucht wirksame Opposition, weil andernfalls korrupt. Das stimmt schon. Somit ist die Zwei-Lager-Theorie (statt mindestens dutzende davon) eher ein staatspolitisches Argument und kein gesellschaftliches. Das glaubt der Piketty aber womöglich nicht, da sein Lager generell die Guten sind – und diese Theorie soll’s ja öfters geben.

    • Thorsten Haupts 10. Juli 2024, 12:11

      Ferner hat der Starmer mit 33,7 % das niedrigste prozentuale Ergebnis einer Regierungspartei seit mindestens 1.000 Jahren in UK. Rekord (nach unten).

      Yup, die Ignoranz gegenüber dieser schlichten Tatsache hat mich bei der deutschen Jubelberichterstattung in SPIEGEL, ZEIT et al auch amüsiert.

      Für die UK-Wahl gelten zwei ganz schlichte Tatsachen:

      1) Die Konservativen wurden drastisch ABgewählt, ihre verlorenen Stimmen zahlten im wesentlichen auf Faranges Konto ein

      2) Labour verdankt seine deutliche Mehrheit im Parlament dem Mehrheitswahlrecht wegen der Zersplitterung der übrigen Parteienlandschaft, insbesondere der Verzwergung der Konservativen

      Es zeigt sich – wie in Demokratien praktisch immer – dass Regierungen abgewählt werden. Und nicht unbedingt, dass einer überzeugenden Alternative ein beeindruckendes Mandat erteilt wurde. Der letzte Fall ist extrem selten.

      Starmers Labour hat nicht gewonnen, weil bewusst auf „Lagerbildung“ verzichtet wurde. Sondern, weil die regierenden Konservativen wegen interner Lagerbildung zu vernünftiger Regierung schlicht nicht mehr fähig waren.

      Die These „Wie Markwardt richtig schreibt hat im UK gerade der Kandidat gewonnen, der bewusst auf Lagerbildung verzichtet hat.“ ist einfach Murks bzw. sie hat keine Entsprechung in der beobachtbaren Realität.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

      • CitizenK 10. Juli 2024, 21:04

        „wegen interner Lagerbildung“

        Klar. An schlechter Politik kann es ja nicht liegen.

        • Thorsten Haupts 11. Juli 2024, 08:32

          Huh? Schrieb ich doch („zu vernünftiger Regierung schlicht nicht mehr fähig“)?

    • Stefan Sasse 10. Juli 2024, 20:59

      Klar bildet der eine politische Richtung und Ideologie, aber unter „Lagerbildung“ bzw. „Lagerwahlkampf“ versteht man was anderes, nämlich das Hervorheben der Unterschiede, das Betonen von Abgrenzungen, ein „Wir“ gegen „die“. Und das hat Starmer defintiv nicht gemacht. Was die Stimmenanteile angeht: ja, Corbyn hatte mehr, aber Wahlen gewinnt, wer Wahlen gewinnt. „Relative Wahlsieger“ oder so was gibt es nicht.

  • Lemmy Caution 10. Juli 2024, 10:37

    e) Betrügerische Umweltprojekte in China.
    Das eigentliche Problem ist hier nicht China, sondern irgendwelche schöne Dinge, für die weit entfernt meine Steuergelder ausgegeben werden. Dazu gehören auch Radwege in Peru.
    Oft wird auf ein vernünftiges Monitoring verzichtet und wir machen uns damit auch leicht im Ausland lächerlich.
    Man kann ja in ärmeren Gegenden helfen, aber dann bitte Dinge sehr genau überprüfen. Und wirklich lieber Klassiker für den echten Grundbedarf wie Schulen, Energie-Versorgung, Krankenhäuser, Brunnen. Oder für Schwellenländer Angebote für technische Zusammenarbeit mit positiven externen Effekten.

  • Erwin Gabriel 11. Juli 2024, 13:21

    2) 380 Milliarden Euro Schaden

    Seit der Aussetzung der Steuer im Jahr 1996 haben die öffentlichen Haushalte etwa 380 Milliarden Euro verloren.

    Boah, ey, bei solchem Dummgesabbel kriege ich schon wieder Ausschlag nur vom Lesen. Weder haben die Haushalte diese Summe „verloren“, sondern weniger eingenommen. Dann wären die 380 Mrd. Euro Brutto-Einnahmen; die Aufwendungen an Personal und Zeit, um die Vermögenssteuer zu ermitteln, zu erheben und zu kontrollieren, sind da nicht eingerechnet. Dann darf man angesichts der Tatsache, wie schwer sich der Staat bei der halbwegs akkuraten Ermittlung der zu besteuernden Vermögen getan hat, durchaus bezweifeln, dass ein TAZ-Redakteur oder eine beliebige, auf hohe Steuereinnahmen ausgerichtete, politische Organisation das halbwegs genau bestimmen kann. Auch sind mögliche Vermögensumschichtungen in Anlagen, die aus welchen Gründen auch immer nicht von einer Vermögenssteuer betroffen wären, nicht einkalkuliert etc.

    Das sind also nur durch linke Weltsicht geprägte Schönwetterzahlen, optimiert auf das Ziel hin, eine Vermögenssteuer, die mit guten Gründen abgeschafft wurde, wieder einzuführen.

    Laut einer Studie von Netzwerk Steuergerechtigkeit …

    Es gibt im Bereich Steuern keine „Gerechtigkeit“, sondern nur unterschiedliche Interessen. Wenn man bei Geld von „Gerechtigkeit“ spricht, heißt das nur, dass A der Meinung ist, B habe Zuviel, und das müsse ihm weggenommen werden.

    … und Oxfam …

    Say no more ^^

    … könnte die Besteuerung sehr hoher Vermögen demokratiegefährdende Vermögenskonzentration verringern und finanzielle Mittel für sozialen Zusammenhalt und Klimaschutz bereitstellen.

    Das geht schon sehr in Richtung „Besitz ist strafbar“.

    In einem Spiegel-Essay habe ich gelesen, dass es früher „Gewinner“ und „Verlierer“ gab, und die Verlierer sich heute als „Opfer“ sehen, die dazu neigen, Gewinner als „Täter“ zu betrachten. Der eigene Aufstieg werde als Abstieg verstanden, wenn andere noch schneller aufsteigen etc. Wenn der, der mehr bzw. großen Erfolg hat, als „Täter“ betrachtet werden kann, ist man nicht nur die Eigenverantwortung für den eigenen Mindererfolg los, sondern hat gegenüber dem Erfolgreichen auch noch Anspruch auf Entschädigung.

    Wer weniger Erfolg hat als gewünscht oder erhofft, ist dann per Definition ein besserer Mensch als der Erfolgreichere. Ob man selbst „genug“ hat, spielt keine Rolle mehr; es zählt nur, ob ein anderer mehr hat. Sozialleistungen halt, Bay the way gefördert durch Vertreter der Bundesregierung (Hubertus Heil).

    Deutschland weist laut Global Wealth Report die höchste Vermögensungleichheit in der EU auf.

    Das ist wieder so ein Satz, für den man keinen besonders hohen IQ braucht. Das liegt zum einen daran, dass man an die wirklich, wirklich Reichen nicht herankommt oder sich nicht traut, und sich deshalb an den Normal- bis Besserverdienenden schadlos hält, so dass sich Menschen sehr schwer tun, nur über Erwerbstätigkeit ein eigenes Vermögen aufzubauen.

    Unter anderem liegt es auch daran, dass dieser Staat offenbar kein Interesse daran hat, seine Bürger dazu zu befähigen, selbst was auf die Beine zu stellen. Von Steuern über Bürokratie oder auch mangelhafte Bildungskonzepte wird dafür Sorge getragen, dass der soziale Aufstieg aus eigener Kraft schwerfällt.

    Ja, die Schere klafft hierzulande weit auseinander. Aber so, wie sich der Staat auf Einnahmen konzentriert, sorgt er dafür, dass der untere Teil unten bleibt. Statt beruflichen Erfolg zu fordern, zu fördern und zu ermöglichen, konzentriert sich der Staat auf die Versorgung.

    Zugegeben: Der Weg, „Reichen“ wegzunehmen und an weniger Reiche zu verteilen, ist einfacher, als Aufstiegschancen bereitzustellen. Aber es ist halt auch ein beeindruckend dämliches Konzept.

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