Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.
Fundstücke
1) Wir sind in einer neuen Ära der Propaganda
Der Artikel warnt vor dem Aufkommen einer neuen Ära der Propaganda in der modernen Politik, die sich insbesondere durch die Verwendung digitaler Plattformen wie Social Media auszeichnet. Experten betonen, dass Desinformation und Manipulation gezielt eingesetzt werden, um politische Ziele zu erreichen. Durch die Verzerrung von Fakten und die Ansprache von Emotionen wird die öffentliche Meinung beeinflusst und das Vertrauen in demokratische Institutionen untergraben. Diese Entwicklung stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Demokratie dar, da sie die Gesellschaft spaltet und die Funktionsweise demokratischer Prozesse gefährdet. Es wird die Dringlichkeit betont, Strategien zu entwickeln, um dieser Propaganda entgegenzuwirken und die Integrität demokratischer Systeme zu schützen. (Jonas Schaible, Spiegel)
Der zentrale Satz an Jonas Schaibles sehr, sehr lesenswerte Essay ist für mich dieser: „Propaganda ist hermetisch. Man erkennt sie, und das ist entscheidend, daher nicht in einer einzelnen kommunikativen Handlung, sondern nur im Zusammenhang. So, wie man eine Wagenburg nicht an einem Wagen erkennt, sondern nur im Ganzen.“ Denn der Unwille, Propaganda als das zu benennen, was sie ist, kommt eben auch daher, dass die einzelnen Akte sich immer irgendwie anders erklären und relativieren lassen und, wie Jonas ja auch beschreibt, bei allen Akteuren, auch den demokratischen, vorkommen. Auslassungen, Halbwahrheiten, steile Thesen, Abstreiten, Leugnen, all das gibt es auch bei Demokrat*innen (was diese nur ganz selten haben ist die Lüge!). Aber die Stoßrichtung, die Masse – was Jonas das „Hermetische“ nennt – ist es, was dem Ganzen eine eigene Qualität gibt und was dafür sorgt, dass eine Immunität gegen Kritik, gegen Fakten, gegen andere Sichtweisen entsteht. Werden demokratische Politiker*innen mit Halbwahrheiten oder Irrtümern konfrontiert, nehmen große der Wählendenschaft das meist zum Anlass, von ihnen abzurücken. Das ist immer noch wahr, wenn es um die etablierten, demokratischen Parteien geht – und trifft auf die Ränder praktisch nicht zu. Auch auf die Populisten nicht, im Übrigen. Die immunisieren sich dagegen ebenfalls.
In den letzten fünf Monaten hat Deutschland den Holocaust oft benutzt, um Kritik an Israels Krieg im Gazastreifen zu unterdrücken. Diese Verwendung der Holocaust-Erinnerung zur Einschüchterung von Kritikern ist ein Bruch mit der Erinnerungskultur, die einst als vorbildlich galt. Die Entwicklung dieser Kultur seit den 1980er Jahren wird oft übersehen. Die 68er-Generation in Deutschland, die erstmals die nationale Identität mit der Verantwortung für den Holocaust verband, nahm eine universalistische Perspektive ein. Jedoch änderte sich dies in den letzten Jahrzehnten, insbesondere unter Angela Merkel, die Deutschland stark geprägt hat. Heute gilt die bedingungslose Unterstützung Israels als Teil der deutschen Staatsräson. Die Politik hat sich von einer universalistischen zu einer particularistischen Ausrichtung entwickelt. Auch Grüne Politiker unterstützen Israel vehement und sehen dies als progressiv an. Die Springer-Medien und andere haben eine ähnliche Position eingenommen und kritisieren öffentlichkeitswirksam Kritiker Israels. (Hans Kundnani, Dissent Magazine)
Ich lese diese Kritik am deutschen Holocaustgedenken in den letzten Jahren vermehrt. Sie kommt praktisch immer aus dem Ausland, häufig aus dem, was wir gerne den „Globalen Süden“ nennen. Möglicherweise ist es meine kulturelle Prägung, aber ich bin (zumindest noch) nicht bereit, die „Singularität des Holocaust“ und die dafür für Deutschland resultierende besondere Verantwortung beiseite zu lassen. Ich sehe allerdings den Doppelstandard, den wir fahren und den gerade die genannten Länder kritisieren, durchaus.
Ein anderer Punkt: Mir ist seinerzeit nicht aufgefallen, dass Merkel einen solchen Paradigmenwechsel in der deutschen Haltung zu Israel eingeleitet hätte. Allerdings ist auffällig, dass in Deutschland wie in dene USA die Unterstützung Israels heute tatsächlich wesentlich bedingungsloser ist als noch in den 1960er und 1970er Jahren; da hat eine Konsolidieerung stattgefunden. Dass der Prozess mindestens auch in den USA existiert, spricht in meinen Augen gegen die These eines spezifisch merkel-deutschen Problems, aber ich lasse da gerne Leuten mit mehr Fachkenntnis den Vortritt.
3) Die ideologischen Totengräber
In Freiberg, Sachsen, wiederholt sich das traurige Szenario von 2017: Die Meyer Burger AG hat 400 Mitarbeiter entlassen, während ähnliche Entlassungen bei Solarwatt in Dresden und der Glasmanufaktur Brandenburg in Tschernitz drohen. Obwohl die Solarindustrie boomt und die meisten Anlagen in China produziert werden, lehnt die deutsche Politik Subventionen für die heimische Produktion ab. Die FDP befürchtet, dass Solarsubventionen ein endloses Fass ohne Boden wären. Doch geopolitische Spannungen könnten den Zugang zu chinesischen Produkten erschweren. Die Bundesregierung setzt auf die Hoffnung, im Ernstfall schnell neue Solarfabriken in Deutschland oder Europa zu errichten, um Engpässe zu vermeiden. Die jüngsten Entwicklungen zeigen, wie schnell unerwartete Ereignisse Realität werden können, und unterstreichen die Bedeutung einer gewissen wirtschaftlichen Autarkie. (Kai Schöneberg. taz)
Ich halte es weiterhin für wirtschaftspolitischen Irrsinn, die EE-Industrie in Deutschland abzuwürgen und das Geschäft anderen zu überlassen. Mich überzeugt das Argument, dass die Branche von Subventionen abhängt, überhaupt nicht Das tut die Atomindustrie auch und in viel erheblicherem Umfang, und weder CDU noch FDP haben das geringste Problem damit, dort Milliarden bereitszustellen. Überhaupt ist die liberale Prinzipientreue, die angeblich die EE-Subventionen verhindert, in höchsten Maße heuchlerisch. Wissings Ministerium etwa pumpt Subventionen in Flugtaxis und in unhaltbare Wasserstoffträume. Aber das sind eben Industrien, die man – auach aus ideologischer Hinsicht – fördern will, während man aus genau dergleichen ideolgischen Sicht auf keinen Fall Erneuerbare fördern möchte (auf der grünen Seite des politischen Spektrums ist die Dynamik dafür um 180 Grad gedreht, die schenken sich da nichts). Siehe auch hier.
4) Kinderärzte fordern Abschaffung der Kinderkrankschreibung
Die Kinder- und Jugendärzte in Deutschland fordern die Abschaffung der ärztlichen Krankschreibung für Kinder bei leichten Erkrankungen. Der Präsident des Kinderärzteverbands BVKJ, Michael Hubmann, argumentiert, dass Eltern selbst harmlose Krankheiten ihrer Kinder managen könnten und Ärzte nicht beurteilen könnten, ob ein Elternteil zu Hause bleiben müsse. Bisher müssen Eltern am ersten Krankheitstag des Kindes ein ärztliches Attest vorlegen, um Kinderkrankengeld zu erhalten. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat bereits Maßnahmen ergriffen, um die Beantragung von Kinderkrankengeld zu vereinfachen, indem Eltern das Attest telefonisch beantragen können. Hubmann kritisiert auch die unnötige Arbeit der Praxen durch Atteste für Kinder, die wegen geringfügiger Gesundheitsprobleme wieder in die Kita oder Schule gehen wollen. (Spiegel)
Ich verstehe die Ärzt*innenschaft da völlig. Das ist mittlerweile geradezu endemisch und ein typisches Beispiel für sinnlose Bürokratie. Denn die Bescheinigungen werden ja oft genug nicht auf Basis irgendwelcher Untersuchungen ausgestellt (wie Krankschreibungen ja oft auch nicht). Sie sind einfach nur Papier, das von jemandem erstellt, von jemand anderem abgeholt und dann an eine dritte Person weitergereicht wird (die es dann an die Personalabteilung übermittelt). Wir haben das Problem an den Schulen übrigens auch: Lehrkräfte verlangen oft ärztliche Bescheinigungen bei notorischen Abszenzensammelnden, und in der Oberstufe standardmäßig für verpasste Leistungsfeststellungen. Da meckern die Ärzt*innen auch zunehmend, dass sie quasi als pädagogische Brechstange missbraucht würden. Völlig zurecht in meinen Augen.
5) Should poor countries remain poor?
Die Industrielle Revolution in Nordwesteuropa basierte auf der Nutzung wirtschaftlicher und technologischer Fortschritte sowie der direkten Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse. Parallel dazu wurden jedoch weltweit vier „schlechte“ Entwicklungen beobachtet. Erstens die Kolonisierung, zweitens der transatlantische Sklavenhandel, drittens die Unterdrückung technologischer Fortschritte in anderen Regionen durch nordische Länder und viertens die CO2-Akkumulation und der Klimawandel als Folge der industriellen Entwicklung. Während die ersten drei „schlechten“ Entwicklungen historisch sind, bleibt das Problem der CO2-Akkumulation aktuell und hat direkte Auswirkungen auf die Welt. Die Emissionen tragen zum Klimawandel bei, insbesondere durch die schnelle Industrialisierung einiger Entwicklungs- und Schwellenländer. Die Lösung dieses Problems erfordert eine faire Berücksichtigung der historischen Verantwortung reicher Länder sowie eine gerechte Verteilung der Belastungen und Kosten. Andernfalls könnte die Armut in ärmeren Ländern weiter zunehmen, während reiche Länder ihre Verantwortung leugnen. (Branko Milanovic, Global Inequality)
Branko Milanovic legt hier den Finger in die Wunde. Der beliebte linke Talking-Point, dass der Großteil der weltweiten Emissionen von den Reichen verursacht werde, kommt nämlich wie ein Bumerang zurück, wenn man sich klarmacht, dass im globalen Maßstab mindestens 50% der Bevölkerung der Industrieländer „reich“ sind. Dass sich niemand so fühlt ist klar, aber mein CO2-Fußabdruck mit Doppelhaushälfte, einem jährlichen Urlaub und dem Konsum eines Haushalts der oberen Mittelschicht ist einer, der sich auf drei Kontinenten nur sehr vereinzelt finden dürfte. Welche Folge das aber haben soll, bleibt völlig in der Luft. Denn zwei Dinge sind völlig klar: weder werde ich freiwillig meinen Wohlstand um die Hälfte reduzieren, noch wird sich die andere Hälfte der Welt freiwillig auf Dauer arm halten, einerseits. Und andererseits ist es Exitus für uns alle global, wenn unter den aktuell geltenden Bedingungen – bei denen Wirtschaftswachstum sich noch 1:1 in Emissionswachstum übersetzt – die eine Hälfte der Welt aufholt, ohne dass die andere radikal etwas ändert. Da gibt es gerade wenig Grund zur Hoffnung auf bahnbrechende Änderungen der zerstörerischen Dynamik, die nicht auf der magischen Fußnote mit „[zukünftige Wundertechnologie einsetzen]“ basiert.
Resterampe
a) Sehr lesenswerte Altpapier-Kolumne.
b) Spannendes Interview zum Thema Ländlichkeit und Rechtsextremismus (unter anderem).
c) 2016 war der American Conservativen noch Never Trump. Jetzt fordern sie, ihn zum Präsidenten auf Lebenszeit zu machen. Diese Radikalisierung ist echt der Wahnsinn.
d) Medienwahnsinn. Siehe auch hier.
e) Wer mal wieder über deutsche Infrastruktur weinen will. Kann man aktuell auch bei der Kindergrundsicherung beobachten.
f) Es ist und bleibt ideologisch inkonsistent.
g) Lob für CSU-Demokratieverteidiger an der Stelle.
h) Zum Thema „die Grünen müssen keine Kröten schlucken“.
i) taz echt lost.
j) Zum Thema von Lindners 2028-Plan und Verteidigung. Wer sich mehr für konkrete Zahlen und Hintergründe interessiert, findet die hier.
k) Genderverbot ist in Kraft getreten: Was Lehrkräften droht, die trotzdem gendern. Wenig überraschend: völlig unausgegorener Blödsinn. Siehe dazu auch diese Meldung zum obersten bayrischen Blockwart.
l) Joachim Gauck ruft CDU für den Notfall zu Zusammenarbeit mit Linken auf. Sehr gut.
m) Right-wing websites are hemorrhaging traffic.
n) Reportage über Zusammenarbeit von Klimaaktivist*innen und Gewerkschafter*innen.
o) Perspektive eines syrischen Einwanderers auf Fleischkonsum.
p) Grocery inflation is at 1%. Why don’t more people know it?
q) Guter Thread zum Thema Thüringer TV-Duell.
r) Interessantes Interview mit Leo und Zorn.
s) Völlig irre. 15-minute lunches and no talking.
t) Verbraucherzentrale: Zu viel Fleisch und zu wenig Gemüse in Kita-Speiseplänen. Das „Kita-“ kann man da problemlos streichen.
u) Gute Kolumne zu einem möglichen FDP-Koalitionsbruch.
Fertiggestellt am 06.04.2024
3) Die ideologischen Totengräber
(mal davon ab, dass die Subventionen für die Kernenergie nicht so hoch waren, wie manche meinen: https://www.bundestag.de/resource/blob/877586/4e4dce913c3d883a81adcf2697313c7d/WD-5-090-21-pdf-data.pdf)
Subventionen für bestimmte Industriebereiche können AM ANFANG sinnvoll sein um Forschung und Entwicklung zu fördern, bei der Solarindustrie scheint es mir aber eher so zu sein, dass die immer am Tropf des Staates gehangen wären, und das ist meiner Meinung nach zu vermeiden.
Subventionen für bestimmte Industriebereiche können AM ANFANG sinnvoll sein um Forschung und Entwicklung zu fördern
Wenn Unternehmen irgendwo eine wirtschaftliche Perspektive sehen, werden sie in jedem Fall investieren. Subventionen werden dann gern mitgenommen, sind aber nicht ursächlich. Darum sollte man sie komplett streichen und das Geld lieber direkt in Forschung & Entwicklung stecken. Davon können wir nie genug haben.
Internet Forum schließt die über 200 Jahre andauernde Diskussion um Infancy Industry Argument von List/Hamilton
Wenn man der Vielzahl der Subventionsmilliarden in Europa glaubt, gibt es heute sehr viel mehr „Infancy Industries“ als vor 200 Jahren. 🙂
Ich gestehe übrigens, dass mein Unternehmen auch schon Subventionszahlungen entgegengenommen hat, auch wenn ich das persönlich zutiefst ablehne. Sobald andere in der Branche euer Steuergeld entgegennehmen, kann es aber sein, dass man aus Wettbewerbsgründen auch selbst die Hand aufhalten muss.
In diesem Fall gibt es spezialisierte Berater, die die geplante Investition exakt so darstellen, dass sie perfekt zum gewählten Subventionsprogramm passt. Nirgendwo im Staatswesen ist die Bullshit-Dichte größer als hier. Alles wird so hingebogen, dass natürlich die Voraussetzungen und Zielsetzungen des Subventionsprogramm voll erfüllt werden. Und allen ist klar, dass alles größtmöglicher Quatsch ist.
Dennoch danke an euch alle, dass ihr mir vor langer Zeit
eine Summe Geld geschenktgeholfen habt, eine Technologie mit erheblichem Arbeitsplatzpotenzial zur Marktreife zu führen.200 Jahre Diskussion heißt ja nicht, dass die Subventionierung grundsätzlich und immer eine tolle Idee ist.
Es ging mir lediglich darum, deine Entschiedenheit ein wenig auszubremsen.
Subventionen sind ganz entschieden immer ein Geschenk für diejenigen, denen das Unternehmen gehört.
Das ist ein Aspekt und hier ist natürlich ein Problem. Aber Politik ist immer ein Abwägen zwischen Kosten und Nutzen. Das gilt eigentlich für jede Aufgabe mit einer gewissen Komplexität.
(3 – Subventionen)
Ich halte es weiterhin für wirtschaftspolitischen Irrsinn, die EE-Industrie in Deutschland abzuwürgen und das Geschäft anderen zu überlassen.
Unsere Energiewende steht vor unendlich vielen Schwierigkeiten. Irrsinnig ist, sie zusätzlich mit unnötig hohen Preisen zu belasten – nur um eine Branche der mittleren Technologie künstlich ab Leben zu halten. Wirklich „abgewürgt“ werden übrigens Unternehmen mit hohem Energiebedarf.
Merke: Gute Wirtschaftspolitik ist die, die allen Wirtschaftsbereichen dient.
(5 – globale Armut)
Die Lösung dieses Problems erfordert eine faire Berücksichtigung der historischen Verantwortung reicher Länder sowie eine gerechte Verteilung der Belastungen und Kosten.
Oh – ist das ein Plädoyer für globalen Emissionsrechtehandel, ohne dass es ihm bewusst ist? Wie überraschend. 🙂
(c – Trump forever)
Unglaublich. Wie konnten die Republikaner so unamerikanisch werden?
Zu 3)
Du könntest genausogut argumentieren, dass Deutschland unbedingt seine (setze beliebige Industrie ein) subventionieren muss, um die Inlandsproduktion zu schützen. Ich halte den Ansatz bei einer Mitteltechnologie (= Hinz und Kuntz können weltweit das Zeugs produzieren) einfach für rausgeschmissenes Geld – der Ausbau von Solaranlagen scheitert ganz sicher nicht an fehlenden Modulen. Was also soll die geforderte Subvention PRÄZISE bewirken, wenn die subventionierten Unternehmen nicht zu Weltmarktpreisen produzieren können???
Gruss,
Thorsten Haupts
Was also soll die geforderte Subvention PRÄZISE bewirken, wenn die subventionierten Unternehmen nicht zu Weltmarktpreisen produzieren können???
Wahrscheinlich (versuchte) Wählerbestechung in den entsprechenden Regionen.
Es geht schlicht und einfach um den Außenhandel. Solarmodule kommen zum überwiegenden Teil aus China ( 7 der 10 größten Hersteller). Und da die Außen-Wirtschaftspolitik Lehre dieser Regierung „Decoupling“ gegenüber Systemkonkurrenten ist, muss sie andere Wege finden.
Nationale Sicherheit wird in der sehr alten Debatte auch als valides Argument gegen völligen Freihandel bewertet. Die Sicherheitslage hat sich in den letzten 10 Jahren verändert und das sollte zu neuen Bewertungen führen. China Experten warnen sehr deutlich, dass das die aktuelle chinesische Regierung wirtschaftliche Abhängigkeiten als potentielle Außenpolitische Hebel betrachten.
Einverstanden. Das ist nur eine völlig andere Diskussion, als die, die Stefan angeteasert hat.
Die (übrigens gegenseitigen) wirtschaftlichen Abhängigkeiten bestehen im selben Maße weiter, wenn wir hier eine eigene Photovoltaik-Industrie hochgepäppelt haben sollten. Es ist ein Irrglaube, dass eine Branche heute isoliert bestehen kann.
Deutschland ist eine extrem Außenhandel-orientierte Volkswirtschaft mit sehr großem China-Bezug. Wenn China unbedingt wollte, könnte es mit einem Handelsboykott in relativ kurzer Zeit sehr große Schäden bei uns verursachen, allerdings zu immensen eigenen Kosten.
Der Glaube, wir müssten hier nur irgendwelche Einzelbranchen aufbauen und seien dann immun gegen Handelsschocks, ist naiv.
China identifiziert sehr genau, in welchen Bereichen sie von den USA oder Europa abhängig ist und versuchen dort dann eigene Produktion hochzuziehen. Sie identifizieren auch, in welchem Bereichen wir von China abhängig sind. Viele hier sind noch nicht in der neuen Zeit angekommen.
Sehr lang, aber absolut hörenswert:
https://www.youtube.com/watch?v=w_dP0I-MEps
Vielen Dank für den Link. Informativ und spannend. Lohnt bis zur letzten Minute der 3. Stunde. Die Fragen des Publikums sind oft dämlich.
Nicht immer, aber manchmal finde ich jung & naiv richtig gut. Dass die Zuschauerfragen blöd wären, ist mir bisher noch nicht aufgefallen. Außerdem ist Hans Jessen für mich ziemlicher Kult.
Zu 2)
Der beklagte „Paradigmenwechsel“ zu einer (verbal!) nahezu bedingungslosen Unterstützung Israels hat nichts mit Merkel zu tun. Sondern mit dem Scheitern der letzten ernsthaften Initiative zu einer Zweistaatenlösung (Olmert?, 2003?) an der strikten Weigerung der Palästinenser.
Die Situation im Nahen Osten ist im Kern so verfahren, weil sich die unterlegene Seite in einem von ihr selbst angezettelten Krieg komplett weigert, die Niederlage anzuerkennen und sich mit ihr zu arrangieren. Nach wie vor besteht der Ansatz eines Teils der verantwortlichen palästinensischen Regierungen (Hamas im Gazastreifen) ganz schlicht darin, Israel auszulöschen – ein offen angekündigter Genozid. Mir müsste mal jemand erklären, wie man darauf ernsthaft anders als mit bedingungsloser Unterstützung für den Gegner dieses Genozids reagieren kann?
Gruss,
Thorsten Haupts
Ja, sehe ich genauso. Die Israelis haben vor 15-20 Jahren eingesehen, dass es keine Lösung mit den Palästinensern geben kann. Es ergibt einfach keinen Sinn mehr, auf dieses tote Pferd zu setzen. Vermutlich sehen es die meisten arabischen Regierungen genauso, ernsthaftes Interesse am Los der Palästinenser hatten sie ohnehin noch nie.
„From the River to the Sea, Israel will be free“ wird die Welt ganz sicher nicht friedlicher machen.
Die empirische Evidenz spricht dagegen. Es ist die menschheitsgeschichtlich erprobte und akzeptierte Vorgehensweise: Verjage alle, die Dir nicht passen – nach ein paar Jahren wird sich niemand mehr daran stören.
So haben es die arabischen Staaten nach 1948 schließlich auch mit Hunderttausenden jüdischen Einwohnern gemacht.
Dafür sind die Palestinenser zu gut organisiert und im globalen werden die sowieso mehrheitlich als die guten Opfer in diesem komplexen Konflikt angesehen. Bin letztes Jahr von einer Chilenin wegen einer Äußerung zu diesem Konflikt mit einem Teller beworfen worden und ich stehe überhaupt nicht einseitig auf Seiten Israels. Wir können uns nicht einseitig hinter Netanyahu stellen. Wie viele der zahlreichen Einwanderer aus dem moskowischen Imperium wählen den eigentlich?
Zustimmung. In der Berichterstattung in den gängigen Medien wird das ausgeblendet. Auch dass Israel aus der Ecke noch täglich mit Raketen beschossen wird, kommt einfach nicht vor. Das Hamas-Kalkül ist aufgegangen. Deprimierend.
P.S. Ich schreibe in Hörer-/Leserbriefen dagegen an. Ob’s was nützt?
Zu f)
Der Vergleich ist einfach Quatsch. Das Gendern (genauer: Sternchen)-Verbot gilt in staatlichen Einrichtungen bei staatlichem Handeln und für nichts und niemanden sonst.
Zu t)
Ernsthaft? Die Empfehlungen der Deutschen gesellschaft für Ernährung wurde vor ein paar Monaten geändert und jemand findet jetzt in einer „Studie“ heraus, dass sich noch nicht alle KiTas im Blitzverfahren umstellen konnten? Oh wow – Skandal! Setzt die Behörden in Marsch!
Ach so, ganz vergessen – wie war das noch mit dem Einwand gegen den Vorwurf „staatliche Gängelung“, dass es sich bei den Empfehlungen ja nur um Empfehlungen handelt, die niemand befolgen müsse?
Gruss,
Thorsten Haupts
Auch wenn ich definitiv kein Fan des ganzen „Wir muessen alle moeglichst lange und gesund leben“ Mantras bin, geht es hier um Einrichtungen, die halt schon eine besondere Fuersorgepflicht fuer Kinder haben. Da halt ich es grundaetzlich durchaus fuer verstaendlich, dass da schon drauf geachtet wird, was da fuer Essen serviert wird.
Damit habe ich kein Problem. Mein Problem war angesichts bestehender Verträge (mit Lieferanten und Kantinenpächtern) die Anwendung der letzten, ziemlich radikal geänderten Empfehlungen der DGE als Vergleichsmasstab, die erst einige Monate alt sind.
Zu c)
Jo. Publiziert alle zwei Monate, Printzirkulation in 2000 waren 5.000 Exemplare. 5.000 ! Darf ich in Zukunft das Jacobin-Magazine als repräsentativ für die amerikanische Linke ansehen und entsprechend argumentieren?
Und abgesehen davon – nein, das Magazin macht kein Plädoyer für einen Präsidenten auf Lebenszeit. Das ist im Teaser sogar eine glatte Lüge, sorry.
Stefan, Du machst in Deinen Teasern regelmässig das, was Du sonst gerne anderen vorwirft – Du spitzt übermässig zu und promotest erkennbare Randerscheinungen.
Gruss,
Thorsten Haupts
Korrigiere 2000 auf 2019 im ersten Satz.
@ Mr Haupts
Thank you for this. I was going to comment but you said it all already. The Trump Derangement Syndrom is apparently alive and well, even in Germany.
It’s completely reasonable to discuss whether the 22nd Amendment should apply to a President with 2 non-consecutive terms – even if it’s Trump (who still has to win the election for this article to have any substance). And re changing long standing democratic traditions in the US – may I remind you all about the Democrats and their idea to just stack the Supreme Court with more judges so that Trump (and the Respublicans) would not appoint a majority of conservative judges?
2) Die Debatte ist ein Musterbeispiel für mißlingende interkulturelle Kommunikation:
https://www.spiegel.de/kultur/israel-politik-und-gaza-krieg-deutschland-ein-manisch-depressiver-musterschueler-a-ff9c003a-6d6a-4769-8bb0-18fb5248db81
c) Wir hatten in Deutschland 16 (gefühlt 100) Jahre Kohl und 16 (gefühlt 100) Jahre Merkel. Eine Abschaffung der Amtszeitbegrenzung (die erst 1951 eingeführt wurde) ist nicht so undemokratisch – aber imho auch nicht dem politischen Klima zuträglich.
e) kurz die Zahl für Deutschland, sie ist mit 61% etwas über dem europäischen Schnitt.
i)Gedankenexperiment: Stell dir vor, der Ausfall wäre komplett ohne menschliche Sabotage entstanden („Blitzeinschlag legt Tesla-Werk lahm“) . Gäbe es dann einen solchen Artikel, gäbe es eine empörte Reaktion darauf?
k) Wenn Lehrys einen Willen zum Widerstand haben, finden sich doch wohl genügend Wege, den SchülX eine komplett regelkonforme Schreibweise (ohne Binnenzeichen) nahezulegen.
p) Andere Erklärung: Weil Menschen ein längeres Gedächtnis als ein Jahr haben und merken, dass sich Inflationsraten multiplikativ aufkumulieren : Ein Produkt, das 2021 100 € gekostet hat und in den Jahren 2022 eine 5%-igen Inflation, 2023 eine 10%-igen und 2024 eine von nur 1% durchlaufen hat ist jetzt bei € 116,66
t) Die Fragestellung ist leider klar auf hohe Prozentzahlen ausgelegt: Weder wird nach Fleischanteil (hoch/mittel/niedrig) differenziert noch zwischen 2 und 5-mal wöchentlich. Ebenso die zweite Frage: Warum sollte bei einer Haupt- und einer Zwischenmahlzeit die gesamte Tagesdosis Gemüse verabreicht werden?
c)
Wenn die Wähler 16 Jahre lang den gleichen Kanzler wollen, dann sollen sie den halt bekommen, aus meiner Sicht. Es gibt schließlich alle vier Jahre einen – oder gar mehrere – Gegenkandidaten. Ich finde lange Amtszeiten jedenfalls weniger demokratieproblematisch als ein Verbot nach zwei Legislaturperioden nochmal anzutreten …
i)
Interessanter Gedanke! Hat mich nachdenklich gemacht.
k)
😀
i) Schon zu einem Ergebnis gekommen?
Für mich die Erkenntnis, dass nichts mehr der Suche nach Strukturproblemen bzw Behebung solcher im Weg steht, als wenn man einen Schuldigen für ein Problem präsentieren kann.
Zitat cimourdain:
„Eine Abschaffung der Amtszeitbegrenzung (die erst 1951 eingeführt wurde) ist nicht so undemokratisch . “
Ähm…watt war 1951 ? Die Abschaffung, die Abschaffung der Abschaffung oder die Einführung von watt nu – oder wie oder was ?
Nach meiner Kenntnis gab es nie eine Amtszeitbegrenzung des Kanzlers/der Kanzlerin, insofern man das als „Ausschluss der Wiederwahlmöglichkeit“ interpretiert. Beim Buprä ja, aber das ab Anfang, also ab 1949.
Da bin ich etwas hin- und hergesprungen. In Deutschland gab es nie eine Amtszeitbegrenzung (Friedrich Barbarossa ist seit 800 Jahren im Kyffhäuser Kaiser). Der Aufhänger sind aber die USA , dort war es zwar üblich, dass die Präsidenten sich nur zweimal wählen lassen, aber kein Gesetz (Franklin D. Roosevelt hat damit gebrochen). Erst mit dem 22. Verfassungszusatz (1951) wurde da zu einer fixen Regel. Aber Verfassungszusätze lassen zu durch weitere Verfassungszusätze aufheben (Beispiel: Prohibition).
Ach sooo, meine Begriffsstutzigkeit; danke 🙂
Ausschluss der Wiederwahlmöglichkeit heißt IMHO eigentlich: Mißtrauen gegenüber der sog. Demokratie. Das mag ja berechtigt sein^.
„Sie sind einfach nur Papier, das von jemandem erstellt, von jemand anderem abgeholt und dann an eine dritte Person weitergereicht wird (die es dann an die Personalabteilung übermittelt).“
Das läuft ernsthaft noch alles über Papier, das Menschen holen, abgeben und weiterreichen müssen?
Ich bin immer wieder ehrlich überrascht in welchem Jahrhundert Deutschland stehen geblieben zu sein scheint.
Das ist inzwischen eher Rhetorik: Seit dem 1. Januar 2023 wird die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung digital an den Arbeitgeber übermittelt.
Danke!
Das beruhigt mich ein wenig. Besser spät als nie.
Das läuft ernsthaft noch alles über Papier, das Menschen holen, abgeben und weiterreichen müssen?
Natürlich 🙂 . Kürzeste (aber tlw. falsche) Erklärung: Datenschutz! Längere Erklärung: Fehlender politischer Willen.
Gruss,
Thorsten Haupts
2) wegen A. Merkel: Ich denke, ihre ‚Neuerung‘ war das Verbindungsglied „Staatsräson“. Sie hat 2008 in Ihrer Rede vor der Knesset diesen Begriff ausdrücklich für eine Garantie der Sicherheit Israels angewandt. Da diese Formel auch von ihrem Nachfolger genutzt wird, kann man durchaus von einer neuen Qualität sprechen.
zu 1)
Der Text ist einer von vielen, der das Problem, wie unsere Demokratie und unsere gesellschaftliche Lebensform von Propaganda stetig unterminiert und zerstört wird, wortreich beschreibt. Und anschließend kapituliert. Man kann ja nix machen.
In der tatsächlichen Realität sind es das Internet und seine kommerziellen Akteure – darunter Musk und Zuckerberg – darunter Google, Meta, TikTok – und deren finanzielle Interessen – die verantwortlich sind für das Desaster und die eben nicht essentiell für unser Leben und unsere Gesellschaft sind. Vor 15 Jahren noch waren die alle nicht-existent,
unbekannt und/oder irrelevant. Dass den im Text beklagten Figuren eine Plattform geboten wird – unseren Feinden Putin, Trump, Sellner, Carlson – ist unsere eigene Schuld. Wir haben die Tore in unsere Gemeinschaft sperrangelweit aufgerissen und den Verbrechern den roten Teppich in unser Heim ausgerollt. Wenig überraschend haben die das Angebot zum Eintritt angenommen.
Freispruch für die Leute hier, die darauf hereingefallen sind oder das ausnutzen?
Ich versuche Deinem Argument zu folgen, verstehe aber nicht ganz, wen Du freisprechen möchtest und warum. Kannst Du das präzisieren?
Die Verantwortung der Mediennutzer können wir doch nicht ganz aufgeben.
Die Verantwortung der individuellen Mediennutzer ist irrelevant. Es kommt darauf an, wie die Population der Nutzer als ganzes auf die Manipulation, die Beeinflussung, die Reize aus dem Internet reagiert. Wenden sich ausreichend viele von der Demokratie ab – aus Langeweile, aus Demokratiemüdigkeit, aus Demokratiefeindlichkeit – dann kippt unser System. Dann kippt unser Recht. Dann kippt unsere Gemeinschaft. Wer dann schuld ist oder ob einzelne sich den Ideologieblasen entziehen konnten, ist völlig gleichgültig.
Ein Test auf die Rechtfertigung für Mittel/Maßnahmen: Finden wir die auch gut, wenn sie der politische Gegner einsetzt? Habe ich mich damals (Post 68) schon immer gefragt, war aber nicht immer konsequent, gebe ich zu. (Daher auch die klammheimliche Freude von Thorsten an manchen Stellen. Kann es ihm nicht wirklich verdenken).
Hass, Hetze und gezielte Desinformation im Netz müssen zurückgedrängt werden, da stimme ich Dir ja zu. Wie die ZEIT es durch Moderatoren macht, ist eine Möglichkeit. Den Einsatz technischer Mittel kann ich mir vorstellen – mit dem Vorbehalt, dass das nötigenfalls korrigiert werden kann. Du willst das Kind mit dem Bade ausschütten.
“Finden wir die Maßnahme gut, auch wenn sie der politische Gegner einsetzt” ist ein guter Test, dem ich voll und ganz zustimme. Solange wir als “politischen Gegner” demokratische Wettbewerber meinen – von CSU ganz rechts bis LINKE ganz links – habe ich damit überhaupt kein Problem. Ohne das Internet könnten auch “mir genehme” Meinungen nicht einfach und schnell global verbreitet werden. Ich bin damit völlig einverstanden.
Du willst das Kind mit dem Bade ausschütten.
Exakt. Er möchte, das hat er mehrfach expressis verbis geschrieben, dass nur über öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen noch Informationen und Meinungen verbreitet werden dürfen und behauptet (beleglos), damit sei die demokratische Meinungsvielfalt automatisch gesichert.
Ich habe die Zeit erlebt, als das Realität war. Und stelle nur nüchtern fest, dass seine Behauptung zu der Zeit faktisch falsch war. Abgesehen davon ist seine „Lösung“ schlicht so realitätsfern, dass deren Diskussion nicht lohnt.
Wir werden mit den historisch neuen Risiken und Möglichkeiten leben lernen (müssen). Und wenn Demokratien wegen der Schwäche ihrer Wähler dem nicht gewachsen sind, dann ist das so. Ich kann UND will Erwachsene nicht vor sich selber schützen.
Im übrigen kann ich Interventionen von Trollarmeen aus dem Ausland auch mit dem Aufbau einer eigenen Truppe begegnen. Denn an Ralfs Kritik bleibt richtig, dass wir auf die ideologischen Angriffe unserer Feinde zur Zeit de facto gar nicht reagieren – und das ist sicher zu wenig.
Gruss,
Thorsten Haupts
Er möchte, das hat er mehrfach expressis verbis geschrieben, dass nur über öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen noch Informationen und Meinungen verbreitet werden dürfen und behauptet (beleglos), damit sei die demokratische Meinungsvielfalt automatisch gesichert.
Auch das ist falsch. Weder habe ich explizit geschrieben noch habe ich implizit gemeint, dass Meinungen und Informationen nur per öffentlichem Rundfunk und Fernsehen verbreitet werden sollten. Ich habe sogar das Gegenteil geschrieben. Meinungen und Informationen sollten selbstverständlich auf konventionellem Wege – also dem Wege, mittels dessen in der Geschichte der Menschheit tausende Jahre lang Meinungen und Informationen ausgetauscht worden sind – weiter verbreitet werden können und damit politischer Wandel induziert werden können. Das bedeutet persönliche Gespräche. Das bedeutet die Formierung von Gruppen von Aktivisten, die sich treffen und koordinieren. Das bedeutet Organisation und die Gründung von Parteien. So sind zum Beispiel – ganz ohne Internet – die Grünen entstanden. Ohne die Abkürzung durch das Internet und seine erratischen Meinungsschwankungen und Shitstorms erfordert das Professionalisierung, nachhaltiges Engagement, Langlebigkeit von Ideen, Überzeugungskraft und es reduziert den Einfluss exzentrischer Radikaler. Für unsere Demokratie wäre das ein Segen.
„Ich kann UND will Erwachsene nicht vor sich selber schützen.“
Unsere Rechtsordnung schützt an vielen Stellen Erwachsene vor sich selbst: Sicherheitsgurt, Verschreibungspflicht für Medikamente, Sozialversicherungspflicht, usw.
Es gibt Kamgagnen zum Schutz vor dem Enkeltrick – auch Senioren sind Erwachsene. Was ist mit Kindern und Jugendlichen?
Der Schutz vor sich selbst ist in unserer Gesellschaftsordnung angelegt und akzeptiert. Der völlig autonome Bürger ist ebenso realitätsfern wie Ralfs unmündiger Medienkonsument.
Der Schutz vor sich selbst ist in unserer Gesellschaftsordnung angelegt und akzeptiert.
Nein. Er ist die Ausnahme von der Regel. Sowohl Demokratie als auch Marktwirtschaft setzen den mündigen Erwachsenen voraus – ohne diesen haben beide keine Grundlage.
Hey, ich behaupte nicht, dass der Bürger pauschal unmündig ist. Ich sage, dass der Prozentsatz der Bürger, die in den (meisten) relevanten Gebieten als Universalgelehrte zu eigenen, mit stichhaltigen Fakten/Daten/Studien untermauerbaren Schlüssen kommen, viel zu klein ist, um eine Rolle zu spielen. Die notwendige Folge ist die Delegation von Entscheidungen auf Zeit an Experten, Spezialisten und Politiker. Nicht umsonst haben wir eine repräsentative und keine direkte Demokratie. Die 80 Millionen Deutschen versammeln sich nicht einmal im Monat auf einem Hügel und stimmen ab, ob Taurus geliefert, die Bezahlkarte für Migranten eingeführt oder die Autobahn nach Aachen ausgebaut wird. Wir wählen Repräsentanten, die – gestützt auf ein Heer von Beratern und Analysten – Entscheidungen treffen. Sollten sich diese Entscheidungen als falsch herausstellen, gibt es in vier Jahren erneut eine Wahl. Die Grundbedingung für das Funktionieren dieses Systems ist, dass die Menschen auf den guten Willen und die Expertise der Institutionen vertrauen. Eben dieses Vertrauen wird aber vom Internet vor unseren Augen ausradiert. Schon jetzt werden Menschen per Microtargeting angegriffen und mit jedem Tag, mit dem AI-Algorithmen mächtiger werden, werden wir als Gesellschaft ein Stück schwächer. Aus Deiner Browser-History, aus Deinen kommerziellen Transaktionen im Netz, aus Deinen Klicks lesen Google, Facebook und Co Deine geheimsten Wünsche, Deine größten Sorgen, Deine Ängste, Deine Pläne, Deine Erfahrungen und Deine Hoffnungen heraus. Selbstverständlich bekommen sie auch mehr als genug Informationen, um Deinen Familienstand, Dein Einkommen, Deine Krankheiten, Deine sexuelle Orientierung, Deine Vorlieben und Abneigungen sowie Deine politische Einstellung mit hoher Sicherheit zu rekonstruieren. Du wirst die Manipulation, die Dich “unmündig” macht, garnicht bemerken, denn sie wird in der vertrauten Sprache wie der eines guten Freundes daherkommen. Sie wird – persönlich auf Dich und Deine Haltungen zugeschnitten – so klingen, als wenn Du die neue Richtung immer schon geglaubt hättest. Die Zahl der Menschen, die sich diesem psychologischen Angriff entziehen können, wird mikroskopisch klein sein. Und wenn Du überhaupt irgendwann aufwachst, wirst Du aufwachen, wenn es zu spät ist. Auf niederschwelligem Niveau sehen wir die ersten Ausläufer dieses Tsunamis bereits auf uns zurollen. Und die gesellschaftlichen Folgen sind verheerend. Die Briten, die aktiv gegen die eigenen Interessen für den Brexit und damit für die eigene Armut stimmten. Die Amerikaner, die einen Proto-Faschisten und Diktatorenumarmer ins Weiße Haus wählten. Die irrlichternde Debatte während der Covid-Pandemie, die alleine in Deutschland völlig überflüssig Zehntausende Tote verursacht hat. Gerade eben hörte ich in einem Podcast eine Statistik, die nahelegt, dass einer von dreizehn US-Amerikanern mindestens einmal in seinem Leben für ein Pyramiden-Scheme gearbeitet hat. Die Zukunft hat bereits begonnen. Und wir scheinen als Gesellschaft unseren zügingen Untergang beschlossen zu haben.
Propaganda funktioniert viel primitiver. Damals als die versuchten, in Deutschland Soli-Gruppen für Hugo Chávez zu bilden, war es für mich sehr gut zu beobachten wie das funktioniert.
In den Veranstaltungen glaubten die ganzen Idioten den Schwachsinn, der ihnen da erzählt wurde, weil sie es glauben WOLLTEN, nicht weil das irgendwie genial auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten gewesen wäre. Gilt auch heute für lateinamerikanische hardcore Palästinenser- und Rußland-Sympathisanten. Da gibts einen Mangel an differenzierenden kritischen Denken und sind sehr bereit, sich von einer im Grund tumben Propaganda einseifen zu lassen.
Ich denke, dass es bei Trump und Brexit nicht anders war.
Marina Weisband hat zu Beginn des Krieges sehr durchdachtes bezogen auf die russische Propaganda erzählt.
Universität Hannover Oktober 1987:
Ich verteilte als neues Mitglied Flugis des RCDS in irgendeinem Hörsaal. Hinter mir ein Student einer linken Hochschulgruppe, der die wieder einsammelte und zerriss. Auf meiner zuvorderst erstaunte Frage: „Warum machst Du das?“ war die ernstgemeinte Antwort: „Man muss die anderen Studenten vor Eurer Propaganda schützen“.
Ich hatte meinen ersten „Ralf“ kennengelernt. Nicht den letzten – die Anzahl der Menschen, die sich wirklich befähigt sehen, andere Menschen vor sich selbst zu schützen, ist ziemlich gross. Die meisten davon allerdings ziemlich empört, wenn man diese Logik auf sie selbst anwendet 🙂 .
Gruss,
Thorsten Haupts
Du weißt natürlich genau, dass das Unsinn ist. Nicht nur hätte “ein Ralf” kein Problem mit Schriften einer demokratischen Studentengruppe. Ein “echter Ralf” setzt sich darüberhinaus für einen liberalen, meinungsdiversen, öffentlichen Rundfunk ein, der das gesamte demokratische Spektrum abdeckt, nicht nur seine eigene Meinung.