Kevin M. Kruse/Julian Zelizer – Myth America: Historians Take On the Biggest Legends and Lies About Our Past (Hörbuch)
Gründungsmythen gehören zu jeder Nation. Es sind Geschichten, die erzählt und ständig wieder erzählt werden, oftmals in geradezu ritueller Form, um eine gemeinsame Identität zu schaffen. Mit historischen Realitäten haben sie häufig wenig zu tun; sie ssagen mehr über die Selbstwahrnehmung der Gegenwart, was man als wichtig empfindet. So erfinden die Franzosen Jahr für Jahr einen Aufstand des gesamten Volkes gegen den korrupten Adel, imaginieren die Briten einen die gesamte Bevölkerung umfassenden Stolz auf das die Wellen beherrschende Britannia, sind die Deutschen stolz auf auf den Fleiß, mit dem sie sich selbst und ohne Hilfe aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs herausgearbeitet haben und feiern die Amerikaner ihre Unabhängigkeit als demokratisches Urereignis. Die USA, als einer der ältestens Staaten der Erde, haben erwartbar mehr Mythen als die meisten anderen Länder, und die polarisierte Gesellschaft sorgt dafür, dass es umso mehr werden. Die Herausgeber Kevin Kruse und Julian Zelizer haben 20 Beiträge amerikanischer Historiker*innen gesammelt, die diesen Mythen auf den Grund gehen.
Im Vorwort etablieren die beiden Herausgeber die Menge dieser Mythen, die ihre Gestalt über die Zeit auch immer wieder gewandelt haben und die Kenntnis der realen Situation längst hinter sich gelassen haben. Die beiden kommen eindeutig von liberaler Seite her, weswegen viele der hier kritisierten Mythen und der sie umgebenden „Fake News“ sich eher gegen die Rechte richten; gleichwohl erklären sie, dass die hartnäckisten und dauerhaftesten Mythen von beiden Seiten des Spektrums geteilt werden.
Anmerkung: Ich gebe ersteinmal nur die Inhalte der Kapitel wieder; eine Stellungnahme erfolgt gesammelt und nach Essays gegliedert am Ende der Rezension.
Der erste Mythos in Kapitel 1, „American Exceptionalism„, von David A. Bell, geht den wohl fundamentalsten und berühmtesten Mythos an: den des amerikanischen Exzeptionalismus, also dass die USA eine besondere Nation seien, klar abgehoben von allen anderen. Bell stellt fest, dass grundsätzlich jede Nation sich als exzeptionell sieht – und das grundsätzlich auch zu Recht, denn jede unterscheidet sich irgendwie von anderen. Die Idee des amerikanischen Exzeptionalismus ist, wohl wenig kontrovers, dass die USA auch besser seien als alle anderen Länder. Bell findet die Genese des Begriffs bei den amerikanischen Kommunisten, die damit zu erklären versuchten, warum in den USA keine Arbeiterbewegung entstand. In den späten 1920er Jahren verbot Stalin die Verwendung des Begriffs. In der Folgezeit wurde er von rechts aufgegriffen, aber immer mehr zu einem allgemein genutzten Konzept. Erst Reagan begann es dann spezifisch zu einem rechten talking point zu machen. Als Waffe gegen links instrumentalisierte es dann Newt Gingrich; seither gehört es zum Standardrepertoire der GOP, den Democrats mangelnden Patriotismus vorzuwerfen, weil sie nicht an den Exzeptionalismus glaubten. Dass diese sich beständig dazu bekennen, hat wenig daran geändert. In jüngster Zeit hat sich der Begriff weiter enthöhlt, weil Trump selbst offen erklärte, wenig damit anfangen zu können, was die weitere Verwendung als Angriff aber nicht gestört hat.
Wesentlich akademischer wird es Kapitel 2, „Founding Myths„, in dem Akhil Reed Hamar auf Madison und seinen berühmten „Federalist No°10“ eingeht. In diesem konstruierte Madison einen Gegensatz des Konzepts der Republik und der Demokratie. Oft wird auch die Behauptung abgeleitet, dass Demokratien nur in kleinen Entitäten funktionierten, während große die Minderheitenrechte untergrüben (während die Staaten diese schützen könnten). Hamar weist nach, dass der Federalist °10 seinerzeit keine große Rolle spielte; die Zeitgenossen rezipierten weitgehend die Argumente aus °2 bis °8, die außenpolitische Überlegungen voranstellten. Der Federalist °14, dem eine Zusammenfassung von 2-8 vorangestellt war, war der meistgelesene aus der Feder Madisons.
Genauso widerlegt Hamar die Vorstellung, dass die verfassungsgebende Versammlung ihre Kompetenzen überschritten habe, indem sie die Articles of Confederation verwarf; dies sei von Beginn an akzeptiert gewesen. Er hebt auch Washingtons Rolle bei dem Prozedere hervor, der wesentlich aktiver und gestaltender war, als dies oft zugestanden wird; die mächtige Rolle des Präsidenten etwa sei vor allem auf seine Person zurückzuführen. Gefährdungen für Minderheitenrechte, das kann kaum bestritten werden, entstanden zudem in den Einzelstaaten nicht im Bund. Man erkennt dies zweifelsfrei nach 1865, als diese vorher rein theoretische Betrachtung Gegenstand konkreter Auseinandersetzungen wurde.
Einem ganz anderen Mythos geht Ari Kelman in Kapitel 3, „Vanishing Indians„, auf die Spur. Die oft gehörte Behauptung, die Ureinwohner*innen hätten nichts Bleibendes hinterlassen – entweder weil sie keine nennenswerte eigene Kultur besessen hätten oder weil sie von den Weißen komplett erledigt wurden – sei weder haltbar noch harmlos. Der Mythos war im 18. und 19. Jahrhundert hauptsächlich einer, der zur Rechtfertigung der Landnahme benutzt wurde: demzufolge war es das gottgegebene Schicksal der Natives, zu verschwinden. Das enthob gleichzeitig die Weißen selbst von ihrer Schuld an diesem Verschwinden, das ein merkwürdig passives Phänomen wurde. Einen Wandel in der Wahrnehmung erhielt dieses Verschwinden in den 1960er Jahren durch die New-Age-Bewegung und den Bestseller „Bury my heart at Wounded Knee„, der das Thema identitätspolitisch veränderte (weil von links der „Imperialismus“ der USA gegen die Natives kritisiert wurde, während dies von rechts emphatisch geleugnet wurde), aber ebenfalls die „verschwindenden“ Natives thematisierte, wenngleich nun nostalgisch verklärt. Dieser Verschwinden-Mythos, der von beiden Seiten gepflegt wird, schadet aber den Natives, die immer noch existieren und ihre Anliegen deutlich machen wollen.
Der ständig beschworenen Horrorvision einer Flut von Immigrant*innen, die die amerikanische Kultur zerstören, spürt Erika Lee in Kapitel 4, „Immigration„, nach. Überraschend ist vor allem das Alter dieses Narrativs bei gleichzeitiger struktureller Konsistenz. Immer geht es um eine Gruppe von Einwandernden, die sich anders als die vorherigen Gruppen nicht amerikanisieren und drohen, die USA zu zerstören. Im 18. Jahrhundert, noch vor der Gründung des Landes, waren es die Deutschen, danach allgemeiner katholische Einwanderende, dann die irischen, dann die chinesischen, bevor plötzlich Mexikaner*innen und schließlich andere Südamerikaner*innen der große Feind wurden, der das Gefüge der USA bedrohte. Lee betont, dass die Einwanderung zwar stets narrativ als Invasion oder Welle gefasst wurde, aber stets auch massive Pull-Faktoren eine Rolle spielen: die Wirtschaft hat Bedarf an undokumentierten und leicht ausbeutbaren Arbeitskräften, die in Flauten einfach abgeschoben werden können. Die amerikanische Wirtschaftstätigkeit sei daher maßgeblich für die Wanderungsströme. Zudem sei der Mythos der Realität hinterher: seit Jahren ist die Einwanderung aus Mexiko leicht negativ, aber das Land bleibt der viel beschworene Ursprungspunkt.
In Kapitel 5, „America First„, beschreibt Sarah Churchwell die Herkunft von Trumps Leitspruch. Bereits 2015/16 gab es eine große Debatte über dessen rechtsradikale Ursprünge in der amerikanischen faschisten Bewegung der 1930er Jahre, die von den Republicans rundheraus geleugnet wurden, die stattdessen betonen, dass es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sei: welche Nation stelle nicht die eigenen Interessen vorne an? Lee weist nach, dass der Spruch wesentlich älter ist als die 1930er Jahre. Erstmals wurde er in den 1850er Jahren von den Know-Nothings benutzt, die damit gegen Immigrierende mobil machten. Eine Renaissance erlebte er um 1915, als der zweite Ku-Klux-Klan gegründet wurde. Woodrow Wilson verwendete den Begriff, um eine rassistische Kampagne gegen „Bindestrich-Amerikaner“ zu unterfüttern, und der Klan adoptierte den Slogan in den 1920er Jahren selbst. Die Neutralität der USA bis 1917 wurde mit „America First“ ebenso begründet wie der Red Scare von 1919. Der prominenteste Vertreter des Slogans war Henry Ford, der ihn massiv antisemitisch auflud. In den 1930er Jahren nutzten ihn dann die Faschisten für ihre dog whistles, ehe Charles Lindbergh den Subtext zum Text machte und damit direkten Widerspruch herausforderte. Der Angriff auf Pearl Harbor erlaubte es Roosevelt, gegen die Extremisten vorzugehen, und der Krieg sorgte für eine 180°-Wende der öffentlichen Wahrnehmung, der nun mit Faschistenfreundschaft gleichgesetzt wurde. Bereits in den 1950er Jahren wurde er aber im zweiten Red Scare wieder von rechts übernommen, dann von George Wallace, David Duke und Pat Buchanan benutzt und schließlich prominent von Trump vorgebracht. Stets war er mit nativistischen, rassistischen Untertönen versehen, nie ein allgemeiner Slogan.
Ein überparteilicher Klassiker wird in Kapitel 6, „The United States is an Empire„, von Daniel Immerwahr besprochen. Es gehört praktisch seit der Gründung der USA zum Selbstbild, kein Imperium zu sein, sondern solche zu bekämpfen (zweimal das britische, zweimal das deutsche, einmal das japanische, einmal das sowjetische) und ein „Leuchtfeuer der Hoffnung“ für die Welt darzustellen. Das allerdings sei Unfug. Bereits kurz nach ihrer Gründung inkorporierten die USA große Territorien, die zwar die Möglichkeit hatten, Staaten zu werden, dies aber (nach rassistischen Kriterien) lange nicht wurden. Oklahoma etwa war über 100 Jahre Territorium, länger als viele Kolonialreiche bestanden. Immerwahr hebt auch die karibischen und pazifischen Besitzungen der USA hervor, die heute noch Territorien und deutlich ärmer als die kontinentalen USA sind. Zudem stellt er die Reservate und Tribal Nations in den kolonialen Kontext und verweist auf das ausgeprägte Netz von Basen, das die USA unterhalten. Informeller Einfluss statt direkter Landnahme sei immer US-Politik gewesen, weswegen die Existenz des Imperiums auch meist nicht anerkannt werde.
Eher zurück in den Bereich rechter Mythen geht es in Kapitel 7, „The Border„, in dem Geraldo Caralva die Idee zurückweist, dass die Grenze seit jeher eine Markierung zwischen den reichen, höherstehenden USA auf der einen und den gefährlichen Ursprüngen von Kriminalität und Immigration auf der anderen Seite sei. So weist er darauf hin, dass für viele Natives und Schwarze das Land südlich der Grenze das Land der Freiheit war und das Vordringen der Grenze etwa im Krieg von 1846-1848 einen empfindlichen Perspektivverlust bedeutete. Für die Natives war weder das amerikanische Vordringen noch die mexikanischen Unabhängigkeit eine gute Nachricht; sie wurden von beiden Seiten bekämpft. Die Grenzregion sei für Jahrzehnte eine Zone interkulturellen Austauschs geblieben, frei Grenzübergänge waren die Norm. Die Immigrationsbeschränkungen Ende des 19., Beginn des 20. Jahrhunderts galten explizit nicht für Mexiko. Erst mit der Weltwirtschaftskrise habe sich das geändert und das Narrativ von der Grenze zu Mexiko als Hort von Migration und Kriminalität, den es durch verstärkte Restriktionen zu kontrollieren gelte, übernahm. Caralva schließt mit einem Plädoyer, die diverse Geschichte der Grenzregion und ihr interkulturelles Potenzial mehr zu sehen.
Weiter geht es in Teil 2.
Es gehört praktisch seit der Gründung der USA zum Selbstbild, kein Imperium zu sein, sondern solche zu bekämpfen (zweimal das britische, zweimal das deutsche, einmal das japanische, einmal das sowjetische) und ein „Leuchtfeuer der Hoffnung“ für die Welt darzustellen. Das allerdings sei Unfug.
Nur der letzte Satz ist Unfug. 🙂 Im Vergleich zu jedem anderen Staat mit dieser politischen, militärischen und wirtschaftlichen Machtfülle in den letzten 3.000 Jahren sind die USA extrem unimperialistisch.
Auch heute würde wohl jeder andere Staat wesentlich imperialistischer als die USA handeln, wenn er denn diese Machtfülle hätte. Und von dieser Vermutung nehme ich die EU nicht einmal aus.
Die USA haben ihre Macht in den letzten 100 Jahren trotz zahlreicher Fehltritte viel verantwortlicher ausgeübt als alle großen Mächte vor ihnen. Genau das macht für mich übrigens den „American Exceptionalism“ aus.
Das ist sicherlich fair. Wie gesagt, ich gebe hier den Inhalt der Essays wieder. Meine Meinung folgt. 🙂
Hab ich mir fast gedacht, bin trotzdem auf Deine Meinung gespannt. 🙂 Oder soll man mit Kommentierung bei solchen Aufmachern lieber bis zum Gesamtartikel warten?
In Kürze: ich denke, die USA waren definitiv imperialistisch, aber du hast Recht, was das Ausmaß der Landnahme betrifft, und der Essay argumentiert an diversen Stellen sehr unehrlich.
Im Vergleich zu jedem anderen Staat mit dieser politischen, militärischen und wirtschaftlichen Machtfülle in den letzten 3.000 Jahren sind die USA extrem unimperialistisch.
Im Jahr 1776 bestand die USA nur aus dem Gebiet westlich der Apalachen und hat sich innerhalb von 100 Jahren ueber den gesamten Kontinent ausgebreitet. Und das ueberwiegend mit militaerischer Gewalt gegen die Ureinwohner, europaeische Kolonialmaechte und Mexiko. Mexiko hat mehr also die Haelfte seines Territoriums verloren. Man kann vielleicht argumentieren, dass der Expansionsdrang nicht immer von der Bundes-Regierung ausging, sondern haeufig von Siedlern und einzelnen Bundestaaten, aber das ist doch eher zweitranging.
Es gab im 19. Jahrhundert wie gesagt nur noch wenige Ureinwohner, die Bevölkerungsdichte westlich der Appalachen war extrem niedrig. Ich würde schätzen – weniger als 1 Einwohner/qkm, also fast unbesiedelt. Aber auch das war technisch kein Imperalismus, sondern schlussendlich eine Expansion, denn aus all diesen Territorien wurden ja US-Bundesstaaten.
Mir geht es aber vor allem um die Zeit seit Beginn des 20. Jahrhunderts, und genau für diesen Zeitraum bleibe ich bei meiner Meinung.
Aber auch das war technisch kein Imperalismus, sondern schlussendlich eine Expansion, denn aus all diesen Territorien wurden ja US-Bundesstaaten.
Wenn das die Definition ist, dann betreiben China und Russland auch keinen Imperialismus.
So hat man das damals halt gesehen, wenn ein Gebiet menschenleer war. Heute würde Russland eine Landnahme Sibiriens durch z.B. China wahrscheinlich anders deuten. Aber abgesehen davon sollen etwa die Ukraine oder Taiwan durchaus besiedelt sein.
Und für Mexiko gilt das Argument definitiv. Davon abgesehen ist es für die Bewertung nicht sonderlich erhebloich, wie dich besiedelt das Land ist. Es gehörte wem anders.
Wem ein Land real „gehört“, ist noch mal eine ganz andere Frage. Ich muss dabei immer an die braven Deutschen denken, die im Zuge der Befreiungskriege fröhlich dafür kämpften, wieder von ihren Fürsten in „ihrem“ Land unterdrückt zu werden – statt die Napoleonischen Bürgerrechte zu genießen und auszubauen. 🙂
Aber abgesehen davon finde ich Deinen Imperialisms-Begriff hier überdehnt. Wenn jede Eroberung imperalistisch ist, ist ja auch die ganze europäische Geschichte voller Binnenimperalismus. Kann man gern machen, entwertet dann aber den Begriff.
Ne, den überdehne ich nicht:
„Es bezeichnet das Streben von Staaten, ihre Macht weit über die eigenen Landesgrenzen hinaus auszudehnen. Das kann dadurch erfolgen, dass schwächere Länder gezielt politisch, wirtschaftlich, kulturell oder mit anderen Methoden vom stärkeren Land abhängig gemacht werden.“
(https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/das-junge-politik-lexikon/320510/imperialismus/#:~:text=Es%20bezeichnet%20das%20Streben%20von,st%C3%A4rkeren%20Land%20abh%C3%A4ngig%20gemacht%20werden)
„Wem es gehört“ ist in diesem speziellen Fall tatsächlich die Frage. Im Zuge der spanischen Eroberungen wurden auch in diese entlegenen Winkel (also der gesamte Südosten der jetzigen USA) Missionare gesendet, aber Spanien hat über diese Gebiete nie eine echte Kontrolle ausgeübt. Wann kann noch nicht einmal genau sagen, wo dieses Reich endete. D.h. ob es tatsächlich Teil von Neuspanien oder nach der Unabhängikeit Teil von Mexiko i.S.v. Teil eines Staates war, ist zumindest zweifelhaft.
Das gilt sicher für manche Bereiche, aber sicher nicht für alle.
Das kann man an Ortsnamen am besten ablesen. Dort wo die Ortsnamen spanisch sind (Los Angeles oder San Francisco, El Paso, Santa Fe), handelte es sich um spanische Gründungen und dort war auch die spanische Kontrolle vorhanden.
Unfortunately it’s not nearly that easy. First off, many of those Spanish names relate to little more than a mission or a trading post, and to claim that Spain exerted control over even the more immediate surrounding area by way of a mission or trading post is a huge stretch. Second, many other names stem from a (brief) visit of a Spanish (or other European) explorer without ever establishing a permament or even long term presence there. Sacramento, CA is an example for this. And third, sometimes the US governemnt simply used a Spanish or French name for a new settlement because „it sounded better“. Like Des Moines, IA which hilariously was supposed to be named Fort Raccoon by its founder, only for the US governemnt to change it to Des Moines after a nearby river. France certainly never had a any semblance of control over Iowa.
… westlich der Apalachen …
soll natuerlich „oestlich der Apalachen“ heissen.
Wobei das witzigerweise im Essay gar keine große Rolle spielt, da geht’s eher um Puerto Rico etc.
Die oft gehörte Behauptung, die Ureinwohner*innen hätten nichts Bleibendes hinterlassen – entweder weil sie keine nennenswerte eigene Kultur besessen hätten oder weil sie von den Weißen komplett erledigt wurden – sei weder haltbar noch harmlos.
Nun, die meisten nordamerikanischen Ureinwohner verschwanden höchstwahrscheinlich schon lange vor Beginn der Staatenwerdung der USA im 18. Jahrhundert. Für den gesamten amerikanischen Kontinent geht man immerhin von einem Bevölkerungsrückgang von bis zu 95 % aus, da dürfte auch in Nordamerika ein Rückgang von 50 % im Bereich des Möglichen liegen. Der Mythos liegt wohl eher darin, dass die Indianer hauptsächlich im 19. Jahrhundert verschwanden. Zu jener Zeit gab es kaum noch Ureinwohner in Nordamerika.
Und dass die mittel- und südamerikanischen Kulturen zivilisatorisch wesentlich entwickelter waren als die nordamerikanischen, dürfte weithin begründeter Konsens sein. Ich meine, man hat eine Handvoll größerer Siedlungen in Nordamerika entdeckt, aber viel weiter als Jungsteinzeit waren sie wohl nicht. Ihr Beitrag zu zivilisatorischen Moderne dürfte sich in etwa auf dem der Germanen bewegen.
Ja, das ist ein guter Punkt, aber darum geht’s hier gar nicht. Die Kritik ist an der Idee, es gäbe keine kultur der Natives.
True, aber es geht ja nicht um ihren Beitrag zur Moderne.
Hm, die Aussage verstehe ich nicht. Menschliches Leben ohne Kultur, was ist damit gemeint bzw. was soll das sein?
Gesamtheit der geistigen, künstlerischen, gestaltenden Leistungen einer Gemeinschaft als Ausdruck menschlicher Höherentwicklung.
Das ist doch eben die Frage. Was ist bitte eine Gesellschaft ohne geistige, künstlerische, gestaltende Leistungen bzw. wo hat es jemals eine gegeben?
Nun, genau das wurde den Natives ja lange vorgeworfen (wie auch den Afrikaner*innen).
Ein sehr interessanter Beitrag zur Moderne ist im übrigen ihr Einfluss auf das politische System der USA. Beispielsweise ist jetzt wieder von „Caucus“ die Rede, ein Lehnwort aus den Algonquin-Sprachen.
That is only ONE of the possible explanations for the origin of that word, and probably not even the most plausible. There are other words that are more directly linked to aboriginal languages like powwow, tomahawk and maybe potluck. However, the (involuntary) transmission of a few words is hardly evidence of a vibrant and robust culture.
Nach der Bevölkerungskatastrophe zu Beginn des 16. Jahrhunderts haben sich die verschiedenen Regionalkulturen auch unterschiedlich schnell erholt – aber generell auf deutlich niedrigerem Niveau als vor 1500.
Im 18. Jahrhundert hatten im Nordosten die Haudenosanee einen eigenen organisierten Staat, im Südosten bildeten die Dörfer der „six civilized Nations“ eine eigene Kultur mit den Europäern nachempfundenen Elementen wie einer eigenen Schrift, in den Great Plains war die Komancheria ein aggressiv-expansionistisches Imperium und so weiter.
Ihr Beitrag zu zivilisatorischen Moderne dürfte sich in etwa auf dem der Germanen bewegen.
Yup. Im Ergebnis: Zero. Null. Nada. Nichts.
Nein, in Nordamerika haben sie tatsächlich nichts Bleibendes hinterlassen – die paar Pueblo-Siedlungen im Süden der USA waren nicht bleibend im Sinne Babylons, Roms, Chengdus, Tenochtitlans et al.
Genau gleiches gilt für die Waldbauern- oder Burghügel-Siedlungen der alten Germanen.
Gruss,
Thorsten Haupts
Es geht auch weniger um „bleibend“ im Sinne von „noch da“ als „sie hatten das“. Die Germanen waren ja auch keine Barbaren ohne eigene Kultur.
Doch, waren sie. Aber da werden wir uns eh nicht einig.
Bist du echt der Meinung, dass Germanen (oder Navajos, Kelten, Pikten, etc) komplett Leute ohne Kultur waren?
Da bin ich eher bei Tim. Jede Gemeinschaft, die dauerhaft zusammenlebt, hat auch eine (eigene) Kultur. Die kann ja unsympathisch sein und von kurzer Dauer, aber es ist was da.
Hatte neulich was gehört, wie Römer über Barbarenstämme geschrieben haben, die sie quasi erstmals trafen. Das waren auch meist „edle Wilde, aber schön singen konnten sie!“^^
Bist du echt der Meinung, dass Germanen (oder Navajos, Kelten, Pikten, etc) komplett Leute ohne Kultur waren?
Jede Gemeinschaft hat irgendeine Form von „Kultur“. Die Frage ist eher, ob durch das Verschwinden dieser Gemeinschaftskultur irgendein Verlust für eine Nation oder die gesamte Menschheit entstand/entsteht. Die Antwort für die Germanen (Kelten, Iberer, nordamerikanischen Indianer etc.) ist ein klares „Nein“. Die Antwort für die Sumerer, Ägypter, Römer, Han-Chinesen etc. wäre demgegenüber ein klares „Ja“.
Gruss,
Thorsten Haupts
Aber warum? Verfällst du da nicht dem Trugschluss, dass das automatisch mehr wert ist, weil es noch da ist? Survivor’s Bias, quasi?
Die dauerhafte Hinterlassenschaft eines Jahrhunderte umspannenden, massiven Einflusses auf ganze Grossregionen – bürokratisch/administrativ, literarisch, religiös, philosophisch, wissenschaftlich – ist schlicht etwas anderes, als eine lokale Barbarenkultur. Ich betrachte die lokale Kultur eines Eingeborenenstammes im Amazonas-Gebiet auch nicht alleine deshalb höher, weil sie eben noch existiert?
Was resultiert aus der Wertung eigentlich?
Dass die Behauptung, (Kapitel 3), die Ureinwohner hätten nichts Bleibendes hinterlassen, eben doch sowohl haltbar als auch harmlos war.
dauerhafter Einfluss ist immer sehr relativ. Nehmen Sie das hethitische Großreich. Das war bereits in der Antike faktisch vergessen und wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts von Archäologen wiederentdeckt.
Was ist da der Unterschied zu Cahokia, das erst jetzt von Archäologen als überregionales Kultur- und Handelszentrum gewürdigt wird?
Es ist auch eine stark vorgeprägte Auswahl, die Thorsten da macht. Was ist etwa mit dem persischen Reich? Mit den indischen Kulturen? China? Auch in Afrika gab es Großreiche.
Meine Güte. Ich habe beispielhaft einige der einflussreichen Kulturen genannt, eine Komplettaufzählung war erkennbar nie mein Ziel. Und die genannten (Gegen?)Beispiele haben mich jetzt nicht wirklich davon überzeugt, die Germanen oder die nordamerikanischen Ersteinwohner hätten etwas Bewahrens- und Weitergebenswertes hinterlassen.
Verstanden. Ich muss das für mich mehr durchreflektieren. Auf Wiedervorlage!
Jede Gemeinschaft hat irgendeine Form von „Kultur“. Die Frage ist eher, ob durch das Verschwinden dieser Gemeinschaftskultur irgendein Verlust für eine Nation oder die gesamte Menschheit entstand/entsteht.
Ah ok, das ist ja noch was anderes als „die hatten gar keine Kultur“
Obwohl ich eine Wertung anhand von „es ist noch da“ und wichtiger vielleicht „was wissen wir noch davon?“ auch schwierig finde, Schreiben, Steinbauten und das richtige Klima (Wüsten konservieren besser) sind da schon hilfreich.
Stonehenge oder die Himmelsscheibe von Nebra zeigen ja, dass da viel mehr abgelaufen ist als „bei unverdünntem Wein ein Liedchen trällern“ Nur konnten sie uns in Gegensatz zu den Römern halt nicht mehr selbst erzählen, wie geil sie waren und wie barbarisch die anderen. Auch die hatten ihre Mythen^^
Jepp!
Stonehenge oder die Himmelsscheibe von Nebra zeigen ja, dass da viel mehr abgelaufen ist als „bei unverdünntem Wein ein Liedchen trällern“
Kein Widerspruch. Nur zeigen Deine Beispiele gerade exemplarisch eben auch, wie wenig aus vielen Jahrhunderten Siedlung in bestimmten Grossräumen übrig blieb. Von sichtbaren Spuren der Beeinflussung nachfolgender Kulturen ganz zu schweigen. Und ich halte nach den überlieferten Zeitgenossenberichten wie den archäologischen Spuren nach die Wahrscheinlichkeit für sehr hoch, dass Germanen oder Indianer eben nichts entwickelt haben, was andere für übernehmenswert gehalten hätten. Oder überhaupt gekannt haben – dafür ist schriftliche Aufzeichnung und Weitergabe nämlich nahezu unverzichtbar.
Es gibt gute Gründe dafür, warum nur Hochkulturen ihre Nachbarn und Nachfolger beeinflussten, einer der elementarsten ist eben eine Schriftkultur.
Gruss,
Thorsten Haupts
Halten Sie die Lebensmitteltechnologie „Gewinnung von Ahornsirup“ für übernehmenswert ?
Überhaupt sind Kultur(!)pflanzen ein toller Weg, wie auch technisch „rückständige“ Gruppen einen Imprint für die Zukunft liefern.
Netter Einwurf 🙂 . Sie werden verzeihen, dass ich mich nicht anschliesse. Die Weitergabe philosophischer oder wissenschaftlicher Erkenntnisse, die Erfindung und Verbreitung von Religion, die Erfindung und Weitergabe administrativer, militärischer oder bautechnischer Erkenntnisse von einer Hochkultur an andere bzw. barbarische Nachbarn hat schlicht eine völlig andere Grössenordnung. Das Fehlen von Ahornsirup hätte auf die Menschheitsentwicklung … überhaupt keine Auswirkung gehabt.
Analoges gilt für die meisten Barbarenvölker (Barbaren im Sinne von: Waren gegenüber benachbarten Hochkulturen um Jahrhunderte im Rückstand). Wenn man sie sich aus der Geschichte wegdenkt, hätte das keinen wesentlichen Einfluss auf die Menschheitsgeschichte gehabt. Die wenigen Ausnahmen sind die, in denen die Barbaren Hochkulturen überrannten und deren Erbe übernahmen (Mongolen, Turkvölker etc.).
Gruss,
Thorsten Haupts
Devil’s Advocate: hätten sie im Mittelalter die römischen Texte nicht wieder ausgepackt, wäre von denen außer einem glorifizierten Steinbruch wenig übrig.
Nicht mal halb richtig. Die grösseren Reiche nach den Römern (Ostgoten, Franken etc.) übernahmen Teile von deren administrativer und Herrschafts-Praxis. Vom weiter existierenden Ostrom (Byzanz) ganz zu schweigen. Und – es GAB eben römische Texte 🙂 .
True, true 🙂
Sugar maples were never cultivated by North American aboriginals, they used them where they happened to find them, similar to many other resources and food stuffs. Corn, squash and beans may have been cultivated in North America prior to the arrival of the Europeans but probably at very low yield/intensity levels (excepting any society south of the Rio Grande here).
Schreiben hilft halt auch der Propaganda. Ich bin da nicht so ganz auf deiner Linie, aber kann ja jeder denken, wie er will. Würde allerdings noch ketzerisch einwerfen, dass die Germanen zwar nix von Buchstaben verstanden, aber Deutsch und Englisch(!) haben ihren Ursprung in der germanischen Sprache. Und die meistgesprochene Sprache der Welt ist ja durchaus etwas sehr bleibendes.
Obwohl ich eh Wertungen in beide Richtungen schwierig finde, unkritisches Abfeiern von Germanen oder hier in der Gegend Wikinger ist auch ziemlich weird.
Allerdings.
That’s all (more or less) true but here’s the problem:
1. Unlike English or German basically no indigenous languages (to the extent they survived at all) ever reached beyond a local or regional level, even before the Europeans got to North America, and certainly not after.
2. Re your last paragraph, exactly this has been happening in North America for quite a while now. More so in Canada than in the US but the general concept is the same: The aboriginals (Indians and Inuit) had these supposedly amazing cultures, lived in perfect harmony with nature, the universe, and each other and we can all learn so much from them and their cultures. Since almost no written sources (except for some wampum belts, totem poles or other artifacts) remain (since there was never a written language) all of this is based on „traditional knowledge“. This in turn relies on oral testimony which is little more than „my granddaddy told my daddy who told me, therefore I know this to be true“, and once you accept that premise you can’t really verify anything.
Finally, I get the issue around comparing of cultures. Ever since mankind existed aggressors, invaders and colonizers have abused this to justify their conquests: „In the name of our (clearly) superior culture, surrender and submit to us!“ However, the opposite is also not true – not every culture has had the same (or any) effect on the development of mankind.
…lived in perfect harmony with nature, the universe, and each other …
I already laughed hard at just 25 reading that nonsense. After all the little we know and just looking at human history literally everywhere else this simply can´t be true. But the human desire for paradise on earth to be true somewhere sometime is boundless …
… not every culture has had the same (or any) effect on the development of mankind.
This is my argument in a nutshell.
Regards,
Thorsten Haupts
Yeah, that idealization is just aggrevating at this point.
„dann die Iren, dann die Chinesen, bevor plötzlich Mexikaner*innen und schließlich andere Südamerikaner*innen “
Ist das wirklich noch dein Ernst?
Korrigiert
Mir ist ein Rätsel wie man dermaßen inkonsequent gendern kann, obwohl es einen wichtig ist. Und dann auch noch im selben Satz.
Faschisten und Extremisten sind übrigens auch nicht gegendert, aber das versteht sich ja fast von selbst.
In dem Fall liegt es vermutlich auch daran, dass ich das englische Hörbuch gehört und kognitiv mit der Übertragung von Medium und Sprache ausgelastet war.
Es ist ja nicht so, dass das sonst besser klappen würde.
Und dass die negativen Begriffe deutlich öfter vergessen werden, hat wohl mit Vorurteilen zu tun.
Vermutlich.
Was wohl daran liegt, dass man Frauen (bewusst oder unbewusst) für bessere Menschen hält und weil ihr Anteil, in diesem Fall an Rechtsextremen Amerikanern, gering ist. Was ja auch stimmt.
Nur ist der Frauenanteil bei z
B. Fußballern, Musikern oder Ingenieuren noch geringer. Z.T. deutlich. Aber da wird das Sternchen selten vergessen.
Sicher richtig.
Zuerst klang mir der Buchtitel nach dem platten „Eigentlich ist es aber so-und-so“ Geschichtsrevisionismus, der im Überschwang das Kind mit dem Bade ausschüttet. Aber dadurch, dass da wirklich Ideengeschichte betrieben wird.
Und tatsächlich tut es imho not, zuerst einmal sich klar zu machen, wie die Begrifflichkeiten „funktionieren“, bevor eine (moralische) Bewertung erfolgt. Mehrere der Kommentare hier sind eine ziemlich reflexhaft relativierende Bewertung der historischen Fakten zur „Verteidigung“ der US-Geschichte. (So wie ich auch versucht war, darauf mit dem üblichen Werkzeugkasten des Antiamerikanismus zu antworten.)
Deshalb ist es gar nicht unvernünftig sich genau mit den Begriffen und Schlagworten auseinanderzusetzen.
Leider zeigt sich da wieder die Schwäche einer zwangsweise verkürzenden Besprechung, dass dadurch genau wieder die Schlagworte, die eigentlich differenziert betrachtet werden sollen, wieder verkürzt rüberkommen.
Das Beispiel „Imperium“ zeigt das überdeutlich, wenn du unabsichtlich „verschweigst“, dass es nicht um die Festlandexpansion „from caost to coast“ geht, sondern um das Geschehen jenseits der „lower 48“.
Ein anderes Beispiel habe ich beim „(amerikanischen) Exceptionalismus“ gefunden: Diese Idee findet man bei europäischen(!) Beobachtern wie Tocqueville oder Marx schon im 19. Jahrhundert lange bevor es amerikanische Kommunisten gab.
Ja, das lässt sich ohne Lektüre nie vermeiden. Meine Inhaltszusammenfassung ist ja schon absurd ausführlich für eine Rezension.
In der Tat… Wird es bei der Osterhammel-Rezension eine zweite Staffel geben ?
Der Mann ist emeritiert, das war sein Magnum Opus.
Das war nur ein Scherz, weil für mich eine 13-teilige Buchrezension seitdem stehendes Musterbeispiel für „absurd ausführlich“ ist.
Ah, ja. Diese Serie hat 4 Teile. 🙂