Teil 1 hier.
In Teil 1 nannte ich die Faktoren, die von den verschiedensten Seiten als Gründe für die Schulmisere genannt werden. Einige dieser Gründe schließen sich gegenseitig ein wenig aus, andere sind problemlos komplementär; manche sind eher sekundär, andere ursächlich. Ich will versuchen, meine eigene Einschätzung zu geben, inwieweit das alles zutreffend ist oder auch nicht.
1) Grundschulen
Hier habe ich gleich zu Beginn die wohl unbefriedigendste Antwort: ich habe keine Ahnung. Ich bin kein Grundschullehrer, und von Grundschuldidaktik verstehe ich nur unwesentlich mehr als die Durchschnittsdeutschen, wohl gerade so viel mehr, dass ich mir kein Urteil anmaße. Ich kann nur sagen, dass die „schreib wie du es hörst“-Panik genau das ist: eine Panik. Wenn das überhaupt je so gemacht wurde (was ich nicht sicher weiß) kann ich nur sagen, dass es seit mindestens sechs Jahren – nämlich seit meine eigenen Kids durch das Schulsystem laufen – nicht mehr gemacht wird, und den Aussagen befreundeter Grundschullehrkräfte nach ist das Thema schon lang durch und eigentlich nur noch ein medialer Dauerbrenner. Was auch immer in den Grundschulen läuft, DAS ist es nicht. Denn die im IQB-Test so furchtbar aufgefallenen Jahrgänge hatten diese Didaktik nicht.
Eine Vermutung habe ich aber, weil sich das mit dem deckt, was wir im Gymnasium immer wieder thematisieren: die Grundschulen laufen wesentlich weniger lehrkraftzentriert und haben offenere Strukturen, als dies an den weiterführenden Schulen der Fall ist. Die Primarstufe und die Sekundarstufe I laufen daher wesentlich weniger in Tandem als früher, die Grundschule bereitet schlechter auf die weiterführende Schule vor. Allerdings ist die Schuldzuweisung hier nicht ganz so einfach: man kann genausogut das Argument bringen, dass die weiterführenden Schulen hier Reformen verschlafen haben, die die Grundschulen bereits umgesetzt haben. Wir werden auf diese Idee zurückkommen.
Gleichzeitig steht auch zweifelsfrei fest (da gibt es nun wahrlich genug Tests und Studien), dass die Formalkenntnisse (Rechtschreibung, Grammatik, Grundrechenarten etc.) tatsächlich schlechter sind als noch vor einigen Jahrzehnten. Die andere Seite dieser Medaille – abgesehen von den anderen Faktoren, die ich unten besprechen will – ist aber, dass gleichzeitig andere Fähigkeiten, etwa Ausdrucksfähigkeit, Analysefähigkeit und Kreativität bei Problemlösungen – stärker ausgeprägt sind. Ich habe darüber bereits 2013 geschrieben, wen das interessiert.
2) Migration
Ich halte das für einen ziemlichen No-Brainer. Der Influx von Kindern mit einem Hintergrund von Deutsch als Zweitsprache und oft auch traumatischen Fluchtbiografien muss zwangsläufig zu einem durchschnittlichen Leistungsabfall führen. Das allerdings ist ein statistisches Artefakt; es sagt uns recht wenig über die Qualität des Schulsystems, sondern erklärt allenfalls den Abfall im Durchschnitt. Die Integration dieser Kinder und Jugendlichen ins Schulsystem und die Bekämpfung der Defizite ist ungemein wichtig, erfordert aber zielgerichtete Programme und ist daher ein eher integrations- als bildungspolitisches Problem, auch, weil es der Natur der Sache nach temporär sein müsste.
Wesentlich problematischer sind diejenigen Schüler*innen mit Migrationshintergrund, die aus den so genannten „bildungsfernen“ Schichten kommen. Um einen populären Vergleich zu bemühen: die ebenfalls als Geflüchtete ins Land gekommenen „Boat People“ in den 1980er Jahren integrierten sich wesentlich besser und überperformten im Schulsystem, und das liegt sicher weder an den Vorkenntnissen der vietnamesischen Landschulen noch an den großen Ähnlichkeiten von Deusch und Vietnamesisch. Es ist gerade in linkeren Kreisen eine schmerzhafte Erkenntnis, aber einige Milieus sind aus kultureller Prägung heraus bildungsfern und bilden ein Präkariat, das seine Defizite nie wieder aufholen werden kann. Das ist sicher zum Teil auch ein soziales Problem (siehe 9)), aber eben nicht primär. Das wird man natürlich auch nicht mit Appellen an die deutsche Leitkultur, dem christlich-konservativ moralisierend erhobenen Zeigefinger oder Strafen lösen, aber sicher auch nicht mit Romantisierung und Ignorieren.
3) Ausstattung
Was soll man dazu noch sagen? Die Ausstattung der deutschen Schulen ist erbärmlich, die Digitalisierung komplett verschlafen worden. Gerade beginnt ein langsames Nachrüsten (viel zu wenig Geld, viel zu bürokratische Prozesse). Nur wenige Bereiche würden so sehr von Entbürokratisierung profitieren wie dieser. Der Mangel an Ausstattung ist jedoch in meinen Augen eher ein Symptom, seine Beseitigung eine notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung zur Lösung der Probleme. Denn wie wir in 10)) noch diskutieren werden helfen alle iPads dieser Welt nichts, wenn damit derselbe alte Stiefel gefahren wird.
4) Lehrkräftemangel
Auch dieser Faktor läuft wie 3) unter der Überschrift „hilft nicht, ist aber nicht ursächlich“. Wir werden das Problem nicht beseitigen können, solange eklatanter Personalmangel herrscht, aber die Wurzel des Problems sitzt viel tiefer und kommt aus einer Zeit, in der eher Lehrkräfteüberschuss herrschte. Es ist eher die falsche Verwendung von Personal, seine Ausbildung, seine Weiterbildung etc., die das eigentliche Problem darstellt. Das lässt sich natürlich nur reformieren, wenn man mehr Personal einstellt, aber wie bei den iPads hilft es wenig, wenn man mehr Mathelehrkräfte einstellt, die dann aber den gleichen Mist machen, der die Misere überhaupt erst produziert hat. Dieser Fachkräftemangel ist übrigens nicht auf Schulen beschränkt; in den Kitas ist er noch viel schlimmer, und wenn man die Bedeutung frühkindlicher Bildung bedenkt – besonders angesichts der höheren Erwerbsquoten – ist das auch ein völlig unterschätzter Faktor der ganzen Misere.
5) Verkrustete Strukturen
Ich habe kein Problem mit dem Beamtenstatus für Lehrkräfte (surprise!), ich sehe das Problem eher bei den umgebenden Strukturen. Die Schulleitungen haben viel zu wenig Entscheidungskompetenzen und viel zu wenig Spielräume. Gleiches gilt für die Lehrkräfte selbst. Die zentralen Vorgaben aus den Kultusministerien, die inzwischen ohnehin über die Kultusminister*innenkonferenz in vielen Bundesländern im Konsens geschlossen und damit zwar nicht bundesweit, aber doch zumindest über große Teile des Landes gültig sind und auf Jahre hinaus binden (und wegen genau dieses Konsens‘ den kleinsten gemeinsamen Nenner befördern und Reformen verunmöglichen, die EU lässt grüßen), engen alle Beteiligten ein, ersticken jede Eigeninitiative (die auch Beamt*innen durchaus haben können, wenn man sie denn ließe!) und erleichtern das tödliche „haben wir schon immer so gemacht“, das der Feind jeder Problemlösungsstrategie ist.
Das betrifft auch die Ausbildungs- und Einstellungsprozesse, die mittlerweile maßgeblich zum Lehrkräftemangel beitragen. Die völlig willkürlichen und intransparenten Prozesse bei der Ausbildung und Einstellung sind im besten Fall ungeheuer frustrierend und im schlimmsten Fall karrierebeendend, während umgekehrt die Schulleitungen nur wenig Einfluss darauf haben, für welches Personal sie überhaupt ausschreiben und wen sie einstellen dürfen. Ein Artikel mit der Überschrift „Ein echter Paradigmenwechsel“: Weil die Länder keine Lehrkräfte mehr finden, bekommen Schulen nun – Geld zeigt bereits deutlich, wo das Problem hängt: den Schulen die Mittel für die Einstellungen selbst zu geben, anstatt sie einer überbordenden Bürokratie zu überlassen, die zudem viel zu wenig Personal hat (ja, das ist ein innerer Widerspruch, der nicht eben hilfreich ist), wäre ein Schritt in die richtige Richtung, vorausgesetzt, die Schulen dürfen dann auch die entsprechenden Verwaltungsstrukturen aufbauen.
Gleiches gilt dann für den Umgang mit schlechten Lehrkräften. Der Umgang mit schlechten Lehrkräften bleibt, wie man in diesem Podcast von SWR2 Wissen nachhören kann, ein ungelöstes Problem. Das liegt übrigens auch nicht am Beamt*innenstatus; die Natur des Schuljahres macht Einstellungen abseits der Sommerferien sehr schwer, weil der Bewerber*innenmarkt logischerweise immer für einen Elfmonatszeitraum gebunden ist. Unterrichtsentbindungen unter dem Schuljahr sind fast unmöglich; dazu kommt der Lehrkräftemangel, der es aktuell auch verunmöglicht, angestellte Lehrkräfte loszuwerden. Eine Lösung für dieses Problem steht noch aus. Aber: schlechte Lehrkräfte gab es schon immer, und in keinem Unternehmen arbeiten nur Spitzenperformer*innen. Diese Leute sind schädlich, aber nicht ursächlich für die aktuelle Krise.
6) Covid
Die Folgen der Pandemie sind merkwürdig unterschätzt und unterdiskutiert. Während ihrer Dauer gab es zahlreiche Diskussionen über die Effekte auf Kinder und Jugendliche und ihre Schulleistungen, aber seit dem offiziellen Ende der Pandemie spielt sie keine Rolle mehr, als wolle man sie verdrängen. Dieser Effekt erstreckt sich auch auf die Schule. Aber es ist mittlerweile ziemlich Konsens, dass die Pandemie negative Auswirkungen hatte, aus drei Gründen. Die Schulschließungen haben sich als Fehler herausgestellt, weil der Fernunterricht in zu vielen Fällen schlecht war und den Präsenzunterricht nicht ersetzen konnte; nicht, weil Fernunterricht generell nichts taugen würde, sondern weil die Didaktik aus dem Präsenzunterricht (die, wir in 10) noch sehen werden, ohnehin problematisch ist) häufig 1:1 übertragen wurde. Das traurige Resultat ist dann, dass viele Leute die Schlussfolgerung zogen, dass Fernunterricht (oder noch allgemeiner digitale Methoden) nichts taugen würden, was allerdings falsch ist und die verbundenen Probleme eher verschärft.
Die Schließungen und Einschränkungen schlugen allerdings hart auf die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen durch, denen in ihrer formativen Phase die Sozialkontakte wegbrachen. Ohne diese Entwicklungsschritte aber tun sie sich im Klassenraum und auch beim Arbeiten zuhause schwerer. Diese methodischen und sozialen Lücken sind gegenüber den auch vorhandenen inhaltlichen Lücken viel schwerwiegender und haben Kaskadeneffekte auf folgende Jahre. Die gute Nachricht hier ist, dass in neun bis elf Jahren das Problem aus dem Bildungssystem herausgewachsen sein wird – bis zur nächsten Pandemie, in die wir wieder ohne jedes Konzept, aber mit einer Menge Ressentiments hineinschlittern werden.
7) Verweichlichung
Es gehört zu den häufig geäußerten Kritiken, dass die Schüler*innen heute weniger leistungsbereit, leistungsfähig und resilient seien, als dies früher noch der Fall war. Ich halte das grundsätzlich für zutreffend. Damit bildet die Schule einen generellen Trend in unserer Gesellschaft nach, der zu mehr Wertschätzung, Teilhabe und Kooperation läuft. Beides bedingt einander. Die Schule heute ist offener und weniger normiert, als dies früher der Fall war, was Einheitlichkeit in abgefragten Leistungen etc. wenn nicht unmöglich macht, so zumindest doch deutlich erschwert. Aufgaben, deren Zweck vor allem das Einüben von Arbeitsabläufen war – Auswendiglernen von Gedichten, um mal einen Klassiker zu nennen – sind gegenüber komplexeren, fordernderen Formaten in den Hintergrund gedrängt worden. Entsprechend ist die Fähigkeit, längerfristig an monotonen Aufgaben zu arbeiten, schwächer ausgeprägt als früher.
Dasselbe gilt für den Bereich „Disziplin“: Die Öffnung des Systems und die Betonung von Teilhabe und Partizipation führten zusammen mit dem gesamtgesellschaftlich deutlich geschwundenen automatischen Respekt für Autoritätspersonen dazu, dass klassische Disziplin – leises Stillsitzen über längere Perioden, das man nicht mit Aufmerksamkeit oder Arbeit verwechseln darf – deutlich weniger gefragt ist und sich wesentlich weniger durchsetzen lässt als früher. Rügen und Strafmaßnahmen durch Lehrkräfte werden viel mehr hinterfragt und kritisiert (besonders von Elternseite!).
Das führt auch zum berühmten Thema „Helikoptereltern“: ein immer noch weithin unterschätzter Aspekt ist das Sichern der Kinder und Jugendlichen durch ihre Eltern. Bekommen sie wegen Fehlverhaltens einen Eintrag, haben sie eine schlechte Note oder müssen zum Nachsitzen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass mindestens eine kritische Nachfrage, oft aber auch harsche Kritik bis zu offener Verweigerung folgen. Nur eine Anekdote zum Thema: vor einigen Jahren verteilte ich einen Nachsitzentermin, zu dem die Schülerin nicht erschien. Entsprechend verdoppelte ich ihn als Sanktion. Ich hatte bald einen wütenden Vater am Telefon, der mich gerade anbrüllte, ich habe nicht über die Freizeit seiner Tochter zu entscheiden. Disziplin ohne die Kooperation der Eltern auf punitivem Weg durchzuführen ist aber unmöglich.
Zuletzt sei noch auf den Wettbewerbsgedanken eingegangen, der üblicherweise mit dem Sportunterricht verknüpft wird. Die Debatte um die Bundesjugendspiele steht glaube ich stellvertretend dafür. Zur Erinnerung: der Streit drehte sich um die Abschaffung der bisherigen Sieger- und Ehrenurkunden zugunsten eines Fokus auf dem Wettkampf der Klassen untereinander und generell der Bewegung (auch wenn letzterer Aspekt gerne zugunsten dem Pflegen von Ressentiments vernachlässigt wurde). Die Idee, die auch auf den Sportunterricht übertragen wird, ist eine Schwächung des Wettbewerbsgedankens. Ich sehe das durchaus, halte den Sportunterricht damit aber für eher verspätet dran: die Idee, dass im Rahmen des Unterrichts Wettkämpfe ausgetragen werden, finde ich ziemlich daneben. Solche Wettkämpfe prüfen gerade im Sport effektiv nur bereits vorhandene Fähigkeiten ab. Es ist wesentlich sinnvoller, freiwillige Wettbewerbe unter Interessierten durchzuführen. Von denen gibt es übrigens auch massenhaft: vom Schüler*innenwettbewerg Mathematik zu Jugend debattiert zu einer Myriade verschiedener Sportwettkämpfe auf Landes- und Bundesebene mangelt es daran nicht. Ich halte das daher für eine Schimäre und ein Relikt eines völlig verqueren Verständnisses dessen, was Prüfungen und Noten leisten sollen und begrüße diese Abschaffungen.
8) Diversifizierung
Die prominent von Stephen Anpalagan und Aladin El-Mafaalani (hier im Thread auf Bluesky und im Interview erklärte) vertretene These von einer größeren Diversität der Schüler*innen scheint mir schwer von der Hand zu weisen. Allein durch die Migrationswellen der letzten Jahre hat sich die Diversität innerhalb dieser Gruppen deutlich vergrößert; die Zeiten, in denen „Migrationshintergrund“ letztlich ein Code für „türkisch“ war, sind lange vorbei. Dementsprechend funktioniert das auf der Annahme der Homogenität der Schüler*innengruppen basierende System immer schlechter. Gleiches gilt für deutlich breitere Konzeptionen von Geschlechterrollen oder von Sexualität, die alle ihre spezifischen Zugänge und Herausforderungen mit sich bringen.
Ebenfalls auffällig ist die starke Zunahme psychischer Probleme in der Schüler*innenschaft. Ein Teil davon ist auf die Corona-Pandemie zurückzuführen, die zu einem drastischen Anstieg von Depressionen und anderen Problemen geführt hat. Wenig überraschend ist die Selbsteinschätzung der psychischen Gesundheit der Schüler*innen auch deutlich nach unten gegangen; wie dieser Podcast zu Problemen in der Schule von SWR2 Wissen zeigt, haben wir auch empirisch feststellbar eine deutliche Zunahme an solchen Problemen.
Ich bin mir immer etwas unsicher, wie viel davon vor allem eine stärkere Sichtbarkeit ist. Haben wir mehr depressive Schüler*innen, oder diagnostizieren wir entsprechende Krankheitsbilder besser? Haben mehr Kinder als früher eine Lese-Rechtschreib-Schwäche, oder diagnostizieren und behandeln wir diese nun nur mehr und besser? Ich gehe davon aus, dass es sowohl zu einer Zunahme psychischer Probleme und Schwächen kam als auch zu einer wesentlich besseren Diagnostik, mit einem Schwerpunkt auf Letzterem. Ich habe allerdings keinerlei Expertise dafür, woher diese Zunahme kommt. So oder so aber erfordert die Behandlung solcher Probleme mehr Ressourcen als früher, die logischerweise nicht für andere Zwecke zur Verfügung stehen.
9) Soziale Stratifizierung
Ein Dauerbrenner seit PISA 2000 ist die Feststellung, dass die soziale Ungleichheit in Deutschland massive Effekte auf den Bildungserfolg hat. Daran hat sich beschämenderweise immer noch nichts geändert. Liest man etwa diesen absolut erschütternden Bericht eines Quereinsteigers an der Brennpunktschule, bekommt man ein Gefühl dafür, mit was da zu kämpfen ist. In solchen Momenten falle ich vor Dankbarkeit auf die Knie, ein Mittelschichtenklientel im Speckgürtel Stuttgarts unterrichten zu dürfen. Ich weiß gar nicht, was man hier noch groß kommentieren soll. Die Probleme sind sattsam bekannt, ihre Effekte hinreichend erforscht; eigentlich besteht Konsens.
Vielleicht so viel: der von Thorsten genannte Aspekt („Grob vereinfacht – Kinder aus Bildungshaushalten beginnen die Grundschule mit einem Wortschatz von 5.000, Kinder aus entgegengesetzten Haushalten mit einem Wortschatz von 1.500 Worten. Game over, bevor es begonnen hat – das Kernproblem der deutschen Bildungsmisere liegt im Kindergartenalter„) wird in der Diskussion gerne übersehen, weil die Betrachtung der Bildungserfolge gerne erst in der Grundschule (beziehungsweise ihrem Ende) liegt und die frükindliche Bildung ausblendet, obwohl auch hier mittlerweile eine erkleckliche Zahl Studien mit hinreichender Kraft belegt hat, dass hier Weichen gestellt werden.
Die gute Nachricht ist, dass die frühkindliche Bildung massiv aufholt. Nicht nur wurden die Anforderungen für den Erzieher*innenberuf massiv nach oben geschraubt und ein System frükindlicher Didaktik installiert, das noch zu meiner Kindergartenzeit völlig undenkbar gewesen wäre und Lichtjahre von der Qualität von vor 30 Jahren entfernt ist. Auch die Bezahlung wurde deutlich verbessert. Gleichwohl sorgten unabhängig davon gesellschaftliche Trends für einen massiv gestiegenen Bedarf, der nicht gedeckt werden kann, weswegen überall Fachkräftemangel herrscht und mit Quereinstiegen und Schnellbleichen die schlimmsten Lücken aufgefüllt werden müssen. Hier ist noch viel zu tun. Zudem wurde die Arbeit der Erzieher*innen sowohl durch die veränderten Eltern als auch die in 8) genannte Diversifizierung und die in 2) genannten Migrationshintergründe erschwert, was einen Teil der Gewinne auffrisst.
10) Veraltete Methoden
Ironischerweise liegt glaube ich gerade in dieser Kritik einer der Gründe für den in 1) so häufig beklagten Paradigmenwechsel in der Grundschuldidaktik; die ist von allen Schularten am weitesten auf dem Weg zu den sonst so gelobten skandinavischen Verhältnissen; es ist die Anknüpfung an die weiterführenden Schulen, die als Dinosaurier und Anker wirken, die hier das eigentlich viel größere Problem darstellt. Was meine ich damit? Wir wissen eigentlich aus der Unterrichtsforschung, dass das deutsche Standardmodell homogenen, lehrkraftzentrierten Unterrichts nicht besonders gut ist. Die Grundschulen diversifizieren am meisten, entfernen sich am meisten von diesen veralteten Modellen. Da die Kinder aber danach auf Schulformen gehen, die daran nicht anknüpfen, sondern vielmehr immer noch am Alten festhalten, sind die in der Grundschule erlernten Methoden und Arbeitsformen häufig nicht kompatibel mit der Arbeit an weiterführenden Schulen, die zu allem Überfluss auch noch in arrogantem Standesdünkel der Ansicht sind, ihr Weg sei der Bessere und man müsse deswegen den Kindern „die Flausen austreiben“. So arbeiten die Primar- und Sekundarstufe gegen- statt miteinander.
Auch ansonsten fällt der Unterricht durch eine vergleichsweise verkrustete Struktur auf. So etwa sind Schulbücher immer noch der Goldstandard des Unterrichtsmaterials, obwohl sie teuer und homogenisierend sind (siehe auch: Fremdsprachen-Unterricht ohne Schulbuch? Geht besser, als so mancher denkt). Immer noch ist Unterricht wesentlich zu lehrkraftzentriert, fächergebunden, methodisch rückständig und so weiter. Die Vermittlung von Stoff (oder besser, die Simulation seiner Vermittlung) nehmen viel zu großen Raum ein, und so weiter.
Soweit meine Stellungnahme zu den häufigsten Ursachen, die die öffentliche Debatte dominieren. Es gibt aber auch Punkte, die in dieser Debatte praktisch nicht vorkommen – und, was beinahe noch wichtiger ist, auch gute Nachrichten.
Weiter geht’s in Teil 3.
Es ist fast unmöglich, wenn zwei Menschen wie wir mit sehr unterschiedlichen Werteinstellungen und Überzeugungen auf einen Nenner kommen sollen. Da fällt es mir schwer, solche Artikel, die durchaus auch Kritik an der eigenen Zunft beinhalten, entsprechend zu würdigen. So bin ich ein Mensch, der der Sicherheit des Arbeitsplatzes immer nur eine sehr untergeordnete Rolle eingeräumt hat. Das gab mir immer die Freiheit, sehr frei und nach eigenen Maßstäben zu agieren. Die Schattenseite sind regelmäßige Jobwechsel und permanent wechselnde Aufgaben. Doch die Normiertheit des Beamtentums war mir immer ein totaler Greuel.
1) Grundschulen
Eine Einrichtung, deren Bestimmung ist, eine gewisse Qualität zu sichern, hat eine Verpflichtung. Wenn Grundschüler in größerer Zahl abgehen, ohne die Mindestanforderungen an Bildungskompetenzen im Lesen, Schreiben und Rechnen zu besitzen, ist diese Institution gescheitert. Was den sonst?!? Da gibt es keine Ausrede. Wenn dann unten geschrieben wird, die Grundschulen seien viel weiter in ihrer Didaktik, vorbildlicher, dann frage ich mich: In welcher Welt lebt so jemand, der so etwas behauptet?
2) Migration
Es ist die Aufgabe von Schule, ein gewisses Niveau herzustellen. Punkt. Ist das wirklich diskutabel?
Es ist gerade in linkeren Kreisen eine schmerzhafte Erkenntnis, aber einige Milieus sind aus kultureller Prägung heraus bildungsfern und bilden ein Präkariat, das seine Defizite nie wieder aufholen werden kann.
Diese Erkenntnis gibt es offensichtlicht nicht im linken Spektrum. Sonst käme man ja auch kaum auf die Idee, Gering- und Nichtqualifizierte hauptsächlich aus dem arabischen Raum und islamischen Ländern in Deutschland als Fachkräfte rekrutieren zu wollen.
3) Ausstattung
Ich verweise noch einmal darauf: Ein wesentlich ärmeres Land wie Uruguay schafft es, jeden Schüler mit einem Tablet auszustatten. Das kann also kaum ein Geldproblem sein.
4) Lehrkräftemangel
Ein wirtschaftlich arbeitendes Unternehmen versucht immer, Minderleister loszuwerden und stattdessen bessere Arbeitskräfte am Markt zu bekommen. Die Idee, zusätzlich zu ungeeignetem Personal noch weitere Beschäftigte zu bekomman, auf die kann man nur im Öffentlichen Dienst kommen. Und anschließend wird darüber geklagt, dass nicht Milch und Honig fließen.
5) Verkrustete Strukturen
Der Beamtenstatus macht Menschen satt. Mir ist in meinem langen Erwachsenenleben noch kein einziger fleißiger Beamter begegnet. Kein.Einziger. Die Menschen, die einen guten Arbeitsethos und Talent haben, machen im Beamtenjob Dienst nach Vorschrift und verlagern ihre Anstrengungen außerhalb des Jobs. So erlebte ich das bei Hochschullehrern, die außerhalb der Uni als Unternehmensberater und Gutachter wirkten als auch bei einfachen Postangestellten, die manchmal so weit gingen, sich einen Behindertenstatus attestieren zu lassen um ihre Arbeit reduzieren zu können, und nebenbei lukrative Unternehmen aufbauten.
6) Covid
Auch hier wiederhole ich: In Deutschland blieben die Schulen am längsten geschlossen. Und die Bildungsrückstände scheinen eben auch am größten. Die einzige logische Schlussfolgerung: Fernunterricht schadet bei Kindern dem Bildungserfolg. Einfach die kalten Fakten anerkennen.
Die gute Nachricht hier ist, dass in neun bis elf Jahren das Problem aus dem Bildungssystem herausgewachsen sein wird
Das ist bei genauer Betrachtung eine empathielose Äußerung. Gerade bei den Kindern, die durch die Pandemie in ihrem Bildungserfolg geschädigt wurden, wird dieser Schaden häufig irreparabel sein. Und das ist wirklich kaltherzig. Wahrscheinlich hast Du das nicht so gemeint, aber das ist die Folge.
7) Verweichlichung
Jeder Erfolg setzt Disziplin und Beharrlichkeit voraus. Konzentrationsfähigkeit. Doch viele Kinder und Jugendliche haben heute nur noch die Aufmerksamkeitsfrequenz von Äffchen: ein paar Sekunden.
Darüberhinaus: Jede erfolgreiche Gesellschaft lebt auch vom Respekt vor Eliten und der Achtung von Autoritäten. In Deutschland landet man dafür häufiger im Dschungelcamp.
Das Problem von Helicoptereltern ist definitiv nicht, dass sie Lehrern auf die Eier gehen. Soweit man selber welche hat, kann man sich da zur Wehr setzen, schließlich verleiht das Gesetz Schulen und Lehrern ein enormes Maß an geliehener Autorität. Das Problem ist der Schaden für die Kinder, in dem solche Eltern jede negative Erfahrung von ihrem Nachwuchs fernhalten. Dann sind die jungen Leute an den Unis echt überrascht, dass es in der realen Welt auch reale Konflikte gibt.
Der deutsche Leistungssport kämpft zunehmend mit dem Problem, nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein. Und das ist der Punkt: Im Leistungssport zeigen sich innergesellschaftliche Probleme wie unter einem Brennglas. Kann man natürlich ignorieren und behaupten, es sei doch schön so ohne Wettbewerb…
9) Soziale Stratifizierung
Jede gezielte Förderung von benachteiligten Kindern wird von Linken abgelehnt, die sich sonst die Förderung aller möglichen Benachteiligten auf die Fahne schreiben.
Die gute Nachricht ist, dass die frühkindliche Bildung massiv aufholt. Nicht nur wurden die Anforderungen für den Erzieher*innenberuf massiv nach oben geschraubt und ein System frükindlicher Didaktik installiert, das noch zu meiner Kindergartenzeit völlig undenkbar gewesen wäre und Lichtjahre von der Qualität von vor 30 Jahren entfernt ist.
In welcher Welt wurde das geschrieben? Tatsächlich wurde die Ausbildungszeit von Erziehern in den letzten Jahrzehnten verkürzt. Heute scheitert keiner in der Ausbildung, selbst wenn er abschreibt, betrügt und von den Ausbildern als ungeeignet eingestuft wird. Jeder, der sich für die Erzieherausbildung entscheidet, wird am Ende auch einen Abschluss haben. Und sei es, dass die Ausbildungsstätte diesen schenken muss.
Die verbesserte Bezahlung lockt vor allem viele Ungeeignete und Nicht-Qualifizierte an. So werden aktuell die Frankfurter Kindergärten von entlassenen Karstadt-Mitarbeiterinnen überschwemmt. Das bringt zwar nichts für die Kinder und überlastet zusätzlich die Fachkräfte, aber auf dem Papier ist genügend Personal vorhanden.
Glaube ich sofort. Ich denke auch, dass du im Beamtenstatus nicht glücklich werden würdest. Umgekehrt könnte ich mir nie vorstellen, deinen Job zu haben. Aber das ist ja ok, eine Gesellschaft braucht ja unterschiedliche Typen.
1) Wie gesagt, ich bin kein Experte. Dazu kommen die vielen anderen Faktoren, von denen ich spreche.
2) Kein Widerspruch von mir.
3) Ist es auch nicht. Es ist ein Strukturproblem.
4) Die Leute gibt es aber nicht. Deswegen haben wir ja einen FACHKRÄFTEMANGEL. Du kannst dich auf den Kopf stellen, wenn weniger Leute ein Lehramtsstudium abschließen als gebraucht werden, kannst du Minderleister nicht loswerden, weil es keinen Ersatz gibt.
5) Ich kenne sehr viele sehr fleißige Beamte. Vielleicht solltest du dir kein Urteil anmaßen über Leute, die du nur „auf der anderen Seite“ siehst. Ich mache auch kein so umfassendes Urteil über deine Zunft. Ich finde es auch extrem beleidigend, denn ich sehe mich durchaus als fleißig.
6) Die Schulschließungen waren scheiße, das sind die kalten Fakten. Ferunterricht in der praktizierten Form auch. Kein Widerspruch.
Klar ist das kaltherzig. Aber auch nicht kaltherziger als „wir können die Menschen nicht alle aufnehmen, lasst sie ersaufen“, also erspar mir den Moralismus.
7) Kein Widerspruch für die Voraussetzungen; deine Kritik schießt aber übers Ziel hinaus.
Helikoptereltern: Ich glaube, dir sind die Realitäten da nicht geläufig.
Leistungssport: Halte ich für eine Fehleinschätzung, aber da haben wir einen normativen Streit.
9) Geschrieben wurde das in einer Welt, die Einblicke in die aktuelle Ausbildung hat.
4) Du kannst dich auf den Kopf stellen, wenn weniger Leute ein Lehramtsstudium abschließen als gebraucht werden, kannst du Minderleister nicht loswerden, weil es keinen Ersatz gibt.
Woher definierst Du „weniger Lehrer als gebraucht werden“? In der Sekundarstufe hatten wir teilweise eine Klassengröße von 38 Schülern. Auch in den angeblich goldenen Siebziger- und Achtzigerjahren gab es nicht Lehrer im Überfluss. Wie Du weißt, ist das Verhältnis längst viel besser geworden und wir werden auf Dauer sinkende Schülerzahlen haben.
Auf der einen Seite befürwortest Du digitalen Unterricht und überhaupt den Einsatz digitaler Medien zum Lernen. Digitale Techniken sind kein Selbstzweck. Sie erhöhen die Produktivität, verringern den Einsatz menschlicher Arbeitskraft und ermöglichen die Bearbeitung („Unterrichtung“) von anderen Menschen in größer Zahl und kürzerer Zeit.
Unter diesem Problemblock kommt das Argument der Digitalisierung und Produktivitätssteigerung aber bei Dir nicht vor. Da ist es schön stromlinienförmig: Für mehr Unterricht braucht es mehr Lehrer. Punkt.
5) Du wirst es mir kaum glauben, aber meine Absicht ist nicht zu beleidigen. Ich habe übrigens gesagt, ich habe nie Beamte kennengelernt, die in ihrem Job fleißig gewesen wären. Wörtlich schrieb ich:
Die Menschen, die einen guten Arbeitsethos und Talent haben, machen im Beamtenjob Dienst nach Vorschrift und verlagern ihre Anstrengungen außerhalb des Jobs.
Mein Vater war Beamter und er war ganz sicher nicht faul. Aber dass er sich freiwillig für Überstunden gemeldet oder auf Urlaub verzichtet hätte, habe ich nie erlebt.
Ich kalkuliere mit der Faulheit von Beamten. Privat, im Job, vor Gerichten. Und es funktioniert zuverlässig. Ich mache den Menschen keinen Vorwurf daraus. Es lohnt sich nicht, Arbeitsehrgeiz in die öffentliche Arbeit zu stecken. Man wird weder besser bezahlt noch schneller befördert. Man hat nur Scherereien. Es ist logisch und rational, Anstrengungen außerhalb des Beamtenjobs zu verlagern.
Nehmen wir mal das Beispiel Arbeitsgerichtsprozesse. Im Kündigungsschutzverfahren ist das Verfahren zweistufig. Nach Klageeinreichung des Gekündigten erfolgt binnen Wochen der sogenannte „Gütetermin“. Hier darf der Richter nur moderieren, aber kein Urteil sprechen. Richter versuchen natürlich dennoch, Verfahren bereits in dieser frühen Phase – ohne Austausch von Schriftsätzen und Argumenten – zu erledigen. Das heißt, Abfindungszahlung gegen Kündigung. In der zweiten Stufe kommt es zum Kammertermin und davor zum Austausch von Schriftsätzen. Dann wird erst klar, wie die Dinge liegen.
In dem Kammertermin setzen Richter all ihre Druckmittel ein, eine gütliche Einigung zu erreichen. Dabei üben sie den größeren Druck zur Einigung auf die Partei aus, die die besseren Karten hat und führen gerade dem vor Augen, was ihm bei einer Niederlage droht. Das folgt nicht der Absicht, Recht zu sprechen, sondern der reinen Prozessökonomie für den beamteten Richter: Eine Einigung macht nur ein kurzes Diktat an das Sekretarat notwendig, ein Urteil jedoch ist umfangreiche Schreibarbeit. Zudem öffnet es die Tür zur Revision und die Kollegen vom Landesarbeitsgericht müssen sich nochmals der Sache annehmen. Die bedanken sich regelmäßig für die Arbeit. Eine Einigung der Parteien, so ungerecht sie manchmal (oder häufig) auch ist, schneidet den Weg ab.
Das nächste Mal zeige ist das anhand von Betriebsprüfungen (BP). 😉
6) Aber auch nicht kaltherziger als „wir können die Menschen nicht alle aufnehmen, lasst sie ersaufen“, also erspar mir den Moralismus.
Eben weil das so ist, behauptet das ja auch keiner. Nur, niemand befürwortet Rundum-Polizeieinsatz auf der Golden-Gate-Bridge im Abstand von 150 Metern, weil sich dort viele Menschen in den Tod stürzen. Manchmal passieren solche Dinge, gerade wenn Menschen sich gezielt und mit einer festen Absicht in eine tödliche Gefahr begeben.
9) Nun ja, ich denke schon, dass ich täglich auf eine sehr langjährige Expertin im Erziehungswesen zurückgreifen kann.
Prozessökonomie = Beamtenfaulheit? Wem wäre gedient, wenn da nicht ökonomisch gehandelt würde -bei der bekannten Überlastung der Justiz?
Beamtenfaulheit.
Welche Überlastung? In Zeiten von Fachkräftemangel und einer langen Phase wirtschaftlicher Prosperität war die Zahl von Kündigungsschutzklagen lange Zeit rückläufig. Bekanntlich wurden keine Arbeitsrichter entlassen.
Es ist weder Sinn von Gesetzen noch Aufgabe der Justiz, den Willen des Gesetzgebers in sein Gegenteil zu verkehren. In den Nullerjahren wurde in Deutschland die Grundsatzentscheidung getroffen, am Kündigungsschutz in der überlieferten Form starr festzuhalten, um die Beschäftigten vor unberechtigten Kündigungen zu schützen. Das Ansinnen von Union und FDP, den Kündigungsschutz zugunsten rechtlich ökonomischer Verfahren wie Pauschalregelungen zu Abfindungen abzulösen, wurde vom linken Spektrum grundsätzlich abgelehnt. Sie, CitizenK, haben solche Regelungen ebenfalls immer abgelehnt.
Nun kommen Sie um die Ecke und meinen, Arbeitsrichter sollten mal Fünfe gerade sein lassen und aus prozessökonomischen Gründen die grundsätzlichen Erwägungen über Bord werfen. Die Prinzipien lauten darauf, dass eine Kündigung immer ungerechtfertigt ist, wenn keine betriebsbedingten, personen- oder verhaltensbedingten Gründe vorliegen. Genau das hat ein Arbeitsrichter zu untersuchen und danach zu entscheiden.
Mit dem politischen Willen des Souveräns ist es eben nicht zu vereinbaren, dass der Richter die Parteien auch dann zur Einigung nötigt, wenn er der Überzeugung ist, es lägen eindeutige Gründe für oder eben nicht für eine Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz vor. In anderen Rechtsbereichen wie dem Strafrecht, dem Vertragsrecht oder dem Steuerrecht geben Richter den Verfahrensbeteiligten sehr wohl Hinweise, wozu sie tendieren werden. Vor Finanzgerichten erspart das der Verwaltung Urteile, auf die sich andere Steuerpflichtige berufen können. Im Strafrecht schneiden Geständnisse den Prozess ab. Im Arbeitsrecht dagegen ist es für die Richter selbst am ökonomischsten, wenn die Parteien durch einen Vergleich zurückziehen.
Bei der Massenkündigung vor einigen Monaten in meinem Konzern legten nur 38% der Gekündigten Kündigungsschutzklage ein und sicherten sich damit einen Abfindungsanspruch. Ein Anspruch, den gekündigte Mitarbeiter in Deutschland aber nur erhalten, wenn sie die Kosten eines Fachanwalts schultern. Die von uns gezahlten Abfindungen waren dann weit niedriger als kalkuliert. Gut für das Unternehmen, schlecht für die Ex-Mitarbeiter.
So ungerecht und so widersprüchlich ist also Ihr Gerechtigkeitsverständnis.
„Welche Überlastung?“
Es gibt ja nicht nur Kündigungsschutzklagen:
In seinem Jahresbericht 2022 stellt das Bundesarbeitsgericht fest, dass die Zahl der Arbeitsrechtsstreitigkeiten in Deutschland weiter gestiegen ist. Im Jahr 2022 wurden bei den Arbeitsgerichten in Deutschland insgesamt 1,2 Millionen Klagen eingereicht, ein Anstieg von 5,5 % gegenüber dem Vorjahr.
Das Statistische Bundesamt hat in einer Studie festgestellt, dass die Wartezeiten auf einen ersten Gerichtstermin bei den Arbeitsgerichten in Deutschland in den letzten Jahren stetig gestiegen sind. Im Jahr 2022 betrug die durchschnittliche Wartezeit für einen Gütetermin am Arbeitsgericht München sechs bis acht Monate.
Der Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte hat in einer Umfrage unter seinen Mitgliedern festgestellt, dass die Überlastung der Arbeitsgerichte zu einer Verschlechterung der Rechtsdurchsetzung für Arbeitnehmer und Arbeitgeber führt.
Leider gehen Sie auf keinen der Punkte ein, schon gar nicht auf Ihre eigenen Widersprüche in den politischen Positionen. Da brauchen wir nicht weiterzumachen, denn das ist, ich wiederhole mich, Populismus.
Welche Widersprüche? Ich habe nie auch nur ein Wort dazu gesagt.
Und die Klagen waren nicht „rückläufig“:
2022 70.600
2021 61.800
2020 53.200
2019 50.000
2018 46.800
Sie wollen ernsthaft bestreiten, dass Sie für die Beihaltung des regiden Kündigungschutzes sind / waren? Really?
Ich hätte gerne Aufklärung darüber, wie sich das Befürworten von Richterrecht aus Gründen der Prozessökonomie – Richter führen Arbeitsgerichtsprozesse so, dass sich die Parteien meist auf eine Beendigung des Arbeitsverhältisses im Gegenzug zu Abfindungsvereinbarungen committen – mit dem Befürworten der Rechtslage verträgt, wonach Kündigungen nur in eng begrenzten Fällen zulässig sind.
Die Klarstellung steht aus.
Zu Ihren Zahlen: Was ist das, Googeln für Dummies? Sie geben nicht einmal Ihre Quelle an und präsentieren Zahlen, die nichts mit den Daten des Statistischen Bundesamtes zu tun haben. Das ist im Zweifel die zulässige und zu präferierende Quelle.
Ende der Nullerjahre gab es zu Beginn der Prozessjahre anhängige Verfahren von 130.000 – 150.000. Hinzu kamen im Verlauf des Jahres zwischen 450.000 und 500.000 Verfahren.
2022 betrug die Zahl der anhängigen Verfahren zu Jahresbeginn 83.000. Im Verlauf des Jahres kamen 220.000 Verfahren hinzu. Für Leute mit Matheschwäche: das ist mehr als eine Halbierung der Arbeitsgerichtsverfahren binnen etwas mehr als einer Dekade.
https://www.destatis.de/DE/Themen/Staat/Justiz-Rechtspflege/Publikationen/Downloads-Gerichte/statistischer-bericht-arbeitsgerichte-2100280227005.html
Das, CitizenK, besitzt auch Logik. In Zeiten geringer Arbeitslosigkeiten gehen auch die Arbeitsgerichtsverfahren zurück. Ihre Zahlen stimmen nicht in der Größenordnung, sind ohne Quellenbezug und ziemlich wirr und unlogisch.
Meine Meinung zum Kündigungsschutz spielt doch für das Thema hier (Überlastung der Gerichte) überhaupt keine Rolle. Die Gerichte müssen mit der geltenden Rechtslage umgehen.
Die Alternative wäre doch: Längere Verfahren, höhere Kosten, Unsicherheit für beide Seiten.
Ich erkläre Ihnen gerne nochmal, wie das so mit dem demokratischen Rechtstaat funktioniert.
Der Souverän – das sind Sie – gibt der Politik (das sind die Habecks, Scholzs, Merz‘, Lindners dieser Welt) die Prinzipien und manchmal Details auf, nach denen regiert werden soll. Die Politik (siehe oben) gießen das dann in Gesetze, welche die Verwaltung (das sind Beamte) umsetzen und über die die Justiz richten soll.
Soweit verstanden? Gut, dann verstehen Sie hoffentlich bereits an dieser Stelle, dass Sie („Souverän“) keine so unwichtige Rolle spielen. Auf Ihre Überzeugungen kommt es an.
Die Justiz hat im Sinne des Gesetzgebers zu handeln und zu entscheiden. Damit dieser Wille klar ist, kommen Gesetze meist mit Begleittext, damit an dem Willen auch keine Zweifel bestehen.
Auch wenn der Gesetzgeber nicht jeden Einzelfall mitdenken und jedes Detail regeln kann, so ist doch in einem demokratischen Rechtstaat unzweifelhaft klar, dass weder Verwaltung (also Beamte) und Justiz (meist ja auch Beamte) nicht das Gegenteil des vom Gesetzgeber im Auftrag des Souveräns Gemeinte getan werden darf.
Wenn als der Souverän (das sind Sie) sagt, Kündigungen sind nicht erlaubt, außer der Arbeitsnehmer hat beide Beine und seinen Kopf verloren, oder hat sich zur Ruhe gesetzt oder dem Unternehmen geht es so schlecht, dass es keine Beschäftigten mehr bezahlen kann, dann, lieber CitizenK, folgt eins nicht daraus:
Die Richter sagen, mir doch egal, ich will Feierabend haben und deswegen sollen die Streithähne sich bitte so einigen, dass der eine keinen Job mehr hat und der andere eine Abfindung zahlt. Kein Urteil, keine Arbeit, Case closed.
Wenn Sie das anders sehen, frage ich mich, was mich überhaupt noch Ihre Meinung interessieren sollte, ist es für Sie doch augenscheinlich egal, ob es links rum oder rechtsrum geht. Hauptsache, Beamte haben ihre Ruhe.
Das rechtfertigt jedoch nicht, völlig falsche Zahlen in einem noch so kleinen Blog zu veröffentlichen.
Hab Stefan Pietschs Einblicke in diese mir total fremden Themenbereiche mit einem großen Interesse gelesen. Danke dafür. Ich werde mit fortgeschrittenen Alter in der Argumentation milder, aber das ist hier ein Nebenaspekt.
4) Klassen dieser Größe kann ich nur mit Einheitsunterricht beschulen, jeglicher individueller Zugang und Förderung ist unmöglich. Kein Problem, wenn die nur auswendig lernen sollen, aber das ist ja erklärtermaßen nicht das Ziel.
5) Ich verlagere aber meinen Kram auch nicht außerhalb des Jobs!
6) Genauso passieren Dinge in einer Pandemie…
9) Ich halt auch.
4) Klar. Meine Position ist auch nicht, dass die Verhältnisse damals ideal waren. Aber was sind schon „genügend Lehrer“? Die letzten, die das entscheiden sollten, sind Lehrer.
5) Ich bin weit davon entfernt, Dich persönlich zu beurteilen. Mein Punkt ist, ich habe noch nie einen in seinem Job fleißigen Beamten erlebt. Und dabei war es nicht so, dass ich über dreieinhalb Jahrzehnte nur sporadisch Kontakt mit dieser Zunft gehabt hätte. Es gibt überall Ausnahmen.
Weißt Du, in meinem Bereich ist mir über die Jahre aufgefallen, dass zumindest in Deutschland viele Top-Führungskräfte sind, die nicht gerne mit vielen Menschen kommunizieren. Sie drücken sich, verlagern die Entscheidungsfindung in kleine Gruppen und reden mit den Leuten nur, wenn es sich gar nicht umgehen lässt. Ich bin da völlig anders, ich rede gerne vor (sehr) großen Gruppen, ich arbeite gern eng mit anderen Menschen wie meinen Mitarbeitern zusammen, informiere sehr umfangreich bis an die Grenze des Zulässigen um Entscheidungen transparent zu machen. Ich würde es aber immer verstehen, wenn jemand wie Du darauf verweisen würdest, dass viele Führungskräfte eben wenig kommunizieren. Weil es der allgemeinen Beobachtung entspricht. Und ich käme nicht auf den Gedanken, dass Du damit auch ein Werturteil über mich fällen würdest.
6) Es.gab.keine.Notwendigkeit.die.Schulen.Monatelang.geschlossen.zu.halten. Wer hat besonders Druck auf die Politik gemacht? Die Lehrerlobby.
Und mittendrin und danach hätten die Schulen alle Anstrengungen darauf richten müssen, die Rückstände aufzuholen. Notfalls durch Streichung von Ferien. Schließlich geht es in anderen Ländern ja auch, dass das Jahr über durchgelernt und nicht alle paar Wochen durch Ferien unterbrochen werden.
Zu sagen, nach ein paar Jahren ist das halt kein Problem mehr der Schulen, wird den kleinen Menschen gegenüber nicht gerecht.
9) Ist Deine Frau auch Erzieherin?
4) Was ist genügend Personal? Die letzten, die das entscheiden sollten, sind die Personaler…? Deine Geringschätzung meines Berufsstands macht dich blind.
5) Nun, du hast allgemeingültig formuliert, also fühle ich mich angesprochen. Und es sind eben NICHT nur „Ausnahmen“.
6) Ich arbeite an einem Artikel über Corona; ich würde das dahin schieben.
9) Schlimmer; sie bildet Erzieher*innen aus 😀
4) Jede Position, die ich bisher als Führungskraft übernommen habe, fing mit dem Lamento der Mitarbeiter an, man bräuchte mehr Personal. Bei näherer Betrachtung stellte sich immer heraus, dass die Leute zu viel manuell und zu kompliziert arbeiteten und so eigenen Arbeitsaufwand produzierten. Wenn Du einen Sumpf trocken legen willst, darfst Du nicht die Frösche fragen.
5) Schade, dass mir noch nie jemand von den angeblich vielen begegnet ist…
9) Okay, einfache Aufgabe:
Wie viele der Anwärterinnen, die sie in den letzten 3 Jahren betreut hat, sind am Ende durchgefallen? Mein Tipp: 0%.
4) True enough, und ja, es gibt massenhaft unterentwickelte Potenziale. So viele Lehrkräfte arbeiten brutal ineffizient.
9) Oh, doch, diverse. Wie kommst du auf die Idee?
9) Ich hatte nach einer Zahl gefragt, die prinzipiell überprüfbar ist. 😉
Wie gesagt, wenn die Schulen Betrügerinnen durchschleusen und vor allem, wie sie mit ihnen umgehen, dann halte ich es für ausgeschlossen, dass überhaupt jemand scheitert. Denn da sind wir nicht einmal bei fachlichen Kriterien.
Du kannst natürlich einfach mal behaupten, dass überall betrogen wird und zur Widerlegung Zahlen fordern, aber das ist natürlich Bullshit. Schließlich hinterziehen alle Abteilungsleiter*innen auch Steuern. Beweis mir das Gegenteil!
Aber: ich hab grade mit meiner Frau geredet, die meinte, der schulische Teil wird fast zu 100% bestanden, weil die Anmeldenoten das recht einfach machen. In der Ausbildung sieht das aber anders aus, die Prüfungen und die Facharbeiten sind echte Hürden.
4) Da habe ich eben meine Profession und damit meinen Markt gefunden. Ich öffentlichen Dienst wäre das allerdings noch schwerer als es bei normalen Unternehmen ist, weshalb ich grundsätzlich nicht in dem Bereich arbeite. Der Punkt ist nämlich, je länger Menschen in einem Betrieb arbeiten und je sicherer sie sich fühlen, mag die Welt auch zusammenstürzen, desto mehr geht ihre Bereitschaft zu Veränderungen gegen Null.
Ja, sicher. Und gut für dich, dass dir das gelungen ist und dass es für dich so toll funktioniert. Ich habe auch meine Profession und meinen Markt gefunden.
Die 0% wären für sich bedeutungslos. An dem besseren der beiden Kleinstadtgymnasien, in dem ich den Grossteil meiner Gymnasialzeit verbrachte, fiel auch praktisch niemand durch. Wir verloren nur knapp ein Drittel der Schüler alleine zwischen Klasse 5 und 7 durch „freiwilligen“ Rückzug – der präferierte Weg des Lehrerkollegiums gegenüber Sitzenbleiben bzw. Nichtbestehen.
Ja, das kenne ich auch von der Uni. Aber, da muss eben gesiebt werden. Das machen diese sozialen Einrichtungen nicht. Und es fangen heute viele den Job der Erzieherin an, weil es mit anderen Sachen nicht geklappt hat – nicht aus Leidenschaft und Hingabe.
Da braucht man sich nur anzuschauen, wann die Leute den Job hinschmeißen, wie hoch die Teilzeitquote ist, obwohl jede Einrichtung händeringend Vollzeitkräfte sucht, wie hoch die durchgängige Fehlzeitenquote ist. Das sind nämlich auch bei Einrichtungen mit sehr guten Arbeitsbedingungen exorbitant über der Norm in anderen Branchen.
Oder kennen Sie Branchen, wo weit mehr als die Hälfte der Beschäftigten nicht Vollzeit arbeitet, wo die meisten mit dem 40. Lebensjahr den Dienst quittieren und die Krankheitsquote bei 20 Prozent liegt? Das kann niemand wirtschaftlich überleben.
Die Unis sieben, wo es nicht genug Plätze gibt. Uns fehlen auch Ärzt*innen, aber mangels Studienplätzen wird gesiebt. Uns fehlen keine Kunsthistoriker*innen, aber da gibt’s Plätze, also wird nicht gesiebt. Das ist alles.
Sitzenbleiben ist meistens auch nutzlos. Völlig quatschiges Relikt. Aber der Anteil Leute, die das Abi nicht schaffen, weil sie vorher abbrechen (müssen), ist so gering nicht. Im Schnitt sind das sicher zwei oder drei pro Klasse.
@ Stefan Pietsch
Ich bin mit den Ergebnissen der Schulausbildung, soweit ich mit ihnen konfrontiert werde. Aber Personen, die einem Stefan Sasse auch gerne mal sagen, dass er von Unternehmerfragen keine / zu wenig Ahnung hat und sich nicht so weit aus dem Fenster lehnen soll, denke ich, dass diese Regel auch für uns gelten sollte. Ich verstehe nicht genug davon, um eine sinnvolle Diskussion zu führen.
Und bei aller Kritik, die ich (soweit ich sie aus eigenem Erleben beurteilen kann) teile, empfinde ich Deinen Ton als spürbar zu aggressiv.
es grüßt
E.G.
Warum ich mich bei solchen Vorwürfen regelmäßig ungerecht behandelt fühle, ist Folgendes: Es fällt offensichtlich nicht auf, dass ich mich bei Themen, die nicht meine Profession sind, auf meine Kernkompetenzen zurückziehe. Ich beschreibe das mal so:
Ich kann die Trainingsmethoden von Steffen Baumgart oder Julian Nagelsmann nicht bewerten. Aber ich kann bewerten, ob sich Struktur und Handschrift in der Spielweise einer Mannschaft zeigen. Ich kann Kölner Stürmern nicht erklären, wie sie Tore zu schießen haben. Aber ich kann bewerten, ob Tor/Chancenverhältnis von 5 Prozent gut oder schlecht ist. Ich kann einordnen und sogar ermitteln, dass Köln so viel Chancen herausspielt wie der Champions League Teilnehmer RB Leipzig und trotzdem auf dem letzten Tabellenplatz steht.
Würdest Du mir deswegen Ahnungslosigkeit unterstellen? Ich habe nicht wirklich Ahnung, wie man 16jährige heute unterrichten muss. Aber ich kann das Ergebnis historisch wie international vergleichen und damit zu Schlüssen und begründeten Meinungen kommen. Wenn ich in der OECD-Statistik nachlese, dass deutsche Lehrer die bestbezahltesten der entwickelten Welt sind und Stefan dann nur gegen halten kann, dass das leider eben immer noch nicht genug sei, finde ich, dass die Argumentationsschwäche auf der Gegenseite liegt.
Vielleicht achtest Du mal drauf, ob ich nach den eben skizzierten Kriterien urteile.
@ Stefan Pietsch 9. November 2023, 18:36
Du weißt, dass es mir nicht darum geht, Dich zu ärgern. Ich schätze auch Deine Analysen nach dem Schema, wie Du sie beschrieben hast. Spätestens, wenn Du ALLE Lehrer und ALLE Beamten über einen Kamm scherst und teilweise persönlich wirst in Deinem Urteil, verlässt Du den analytischen Pfad.
Wenn Du, wie Du selbst schreibst, nicht beurteilen kannst, wie man 16jährige optimal unterrichtet, kannst Du ein sachlich analytisches Urteil über die grundsätzlichen Ergebnisse unseres Schulsystems abgeben UND MEHR NICHT.
Du kannst daraus nicht ableiten, wie ALLE Lehrer arbeiten. Und wenn Stefan Sasses Frau als Wirtschaftsprüferin unterwegs wäre, würde es DIR das nicht ausreichen, wenn ihr Gatte eine Dir entgegengesetzte oder stark abweichende Meinung kundtun würde, um Deine eigene Meinung zu ändern.
Wie gesagt, soweit ich das aus eigenem Erleben beurteilen kann, teile ich Deine Analyse, aber halt nicht Dein Urteil.
Aber ich kann das Ergebnis historisch wie international vergleichen
Yup.
und damit zu Schlüssen und begründeten Meinungen kommen.
Nur zu exakt einer, denn mehr geben genau diese Daten nicht her: Wo Deutschlands Schüler im Vergleich von Fähigkeiten stehen. Alles weitere – woran das liegt, wer dafür die Verantwortung trägt, was die wichtigen Ursachen sind – ist Ihre (begründete) Vermutung. Und die ist eben nur genauso gut wie die jedes anderen halbwegs gebildeten Menschen in diesem Lande.
Sie täten sich selber tatsächlich einen grossen Gefallen, wenn Sie sich bei Themen, die nicht in Ihre Kerninteressen fallen, darauf beschränken würden, Ergebnisse mehr oder weniger befriedigend zu finden. Würde Ihre Seriosität aufwerten 🙂 .
Gruss,
Thorsten Haupts
Mal ne Frage zu 3)
Du schreibst ja schon, dass all die neuen Hilfsmittel nix bringen, wenn sich die Methoden nicht aendern. Gibts es ueberhaupt irgendwelche Hinweise, dass Digitalisierung einen positiven Lerneffekt hat? Oder wird da einfach angenommen, dass digital besser als analog ist?
Das kann ich so pauschal nicht beantworten. Wenn man die Tafel nur durch einen Bildschirm ersetzt, sicher nicht. Tatsächlich bastelt die Didaktik vielfach an Ideen, wie man den Mehrwert digitaler Medien nutzbar machen kann. Auch ist das Vorbereiten der SuS auf ein Leben in einer digitalen Welt (eigentlich) eine generelle Anforderung der KMK.
Digital ist nicht zwingend besser als analog, aber der extreme Vorteil ist:
Analog – ich bekomme die Erklärung von Lehrer/Buch und muss damit klar kommen
Digital – es gibt weltweit tausende Erklärungen und ich kann mir die Aussuchen die für mich verständlich ist. (Bonus: ein guter „Lehrer“ kann Millionen Menschen zeitversetzt und ortsunabhängig immer und immer wieder „Unterrichten“ d.h. Man kann mehr Aufwand in die Qualität stecken weil die Vorbereitung nicht nur für 30 Schüler ist)
Unsere Erfahrungen: „Aus Lehrvideos im Internet hab ich mehr gelernt als in der Schule“. Das Problem ist die völlige Unübersichtlichkeit des riesigen Angebots- kostenlose Tools neben teueren mit großem Werbe-Budget.
Überhaupt: „Nachhilfe“ ist ein richtiger Markt geworden. Ist das in unseren Nachbar-Ländern eigentlich auch so?
Korrekt; ich kuratiere deswegen Archive für meine SuS.
Ich glaube ja, aber ich kenne mich nicht aus. Nachhilfe ist aber ein Riesenproblem; müsste ich auch mal was dazu schreiben…
Einer der Vorteile, richtig.
Digital ist nicht besser als analog, analog nicht besser als digital. Es kommt immer drauf an, wie man es benutzt.
Zu 1)
Grundschulen haben genau eine wesentliche Aufgabe: Sie sollen, idealerweise an alle Schüler, ausreichende Grundkenntnisse dafür vermitteln, an weiterführenden Schulen weitermachen zu können. Wenn sie diese Aufgabe nicht erfüllen, ist mir ihre überlegene Didaktik nicht nur egal, sie existiert einfach nicht. Und angeblich bessere Ausdrucksfähigkeit, Analysefähigkeit und Kreativität bei Problemlösungen ist seit mehr als 40 Jahren der Nebel-Heissdampf von Lehrversagern für die Unfähigkeit, Schülern die essentiellen Grundlagen mitzugeben.
Zu 2)
Wir lassen also nicht nur millionenfach nach europäischen Masstäben Schwachgebildete ins Land, sondern haben NOCH IMMER NICHT wenigstens zweckentsprechend darauf reagiert? Fällt jemandem ein besseres Wort für die dafür verantwortlichen Politiker ein als Vollversager? Bei einem Problem, das ich problemlos 12jährigen erklären kann?
Zu 7)
Die tatsächlich sichtbar zunehmende Unfähigkeit jüngerer Leute, sich auf die Anforderungen erfolgreicher Arbei in der Wirtschaft einzustellen, ist seit einigen Jahren ein immer grösseres Thema der etwas erfahreneren meiner Kollegen. Kann im Moment noch aufgefangen werden – die Jüngeren werden einfach etwas später erwachsen – aber das wird mit jedem Jahr, in dem die zu etwas härterem Metall geschmiedeten Älteren aus dem Arbeitsleben scheiden, schwieriger. Wann das sichtbar auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft durchschlägt, keine Ahnung, meine Befürchtung ist – lange vor meinem Ableben.
Zu 9)
Wann genau sehen wir den Erfolg von … dass die frühkindliche Bildung massiv aufholt … ??? Die mir vorliegenden Rückmeldungen und Daten von Eltern mit Kindern in Kindergärten und Kindertagesstätten lassen nur einen Schluss zu: Wenn ich mir das als Elternhaus heute leisten könnte, würde ich alles dafür tun, meine Kinder aus heutigen Kindergärten heruaszuhalten.
Gruss,
Thorsten Haupts
zu 1) Ich habe den Eindruck gewonnen, die Debatte dreht sich in Deutschland ein bisschen im Kreis: Sollten wir den Kindern erst Lust auf Lesen machen, damit sie es üben und dann können, oder sollten die Kinder erst das Lesen lernen, damit sie es können, denn man hat erst Lust, wenn man Erfolgserlebnisse hat?
Vielleicht pilgern jetzt Delegationen ins – im Lesenlehren erfolgreichere – UK und kommen mit Einzelmaßnahmen wieder, die billig scheinen und sich wieder nicht gut übertragen lassen, da sie aus einem anderen Kontext geboren wurden… So wie bislang Skandinavien.
Bei der „Nebelkerze“ gehe ich nur insoweit mit, als dass es diese kaum zu messenden Skills (kreatives Problemlösen etc.) bitte zusätzlich zu soliden Grundkenntnissen geben möge.
Sakra, ich wünschte. Politiker könnten mit Bildungspolitik Punkte sammeln. Scheint nicht so zu sein.
zu 7) Würden Sie etwa 30jährige (Männer), die einige Monate in Vollzeitelternzeit gehen, auch dazuzählen? Davon abgesehen: Meinen Sie nicht, dass unangenehmere Zeiten nicht doch rechtzeitig Anassungsdruck auslsen würden? Vielleicht sind die älteren Kollegen auch zum Teil Ergebnis eines längeren Ausleseprozesses (die „Schwächeren“ sind schlicht nicht mehr dabei)? Vielleicht vergisst man ein wenig, wie es am Anfang war? Von meinen Verwandten aus diversen Branchen habe ich nichts Derartiges gehört.
Schwieriges Thema, ich bin zu jung, um dazu was aus eigener Erfahrung zu sagen. Grundsätzlich bin ich bei negativen Gesamtschauen auf die Jüngeren immer entschieden skeptisch, aber ich bin auch kein Leistungsträger. Sicher sind alle deprimiert wegen Klimawandel und westlicher Geburtenrate und erwarten die Apokalypse…
Viele Grüße
pannaKraweel
1) Das viel größere Problem ist, dass nichts so zuverlässig die Lust am Lesen nimmt wie der Deutschunterricht…
Echt, was machen die den schlimmes im Deutschunterricht?
Ich fand Deutsch immer eins der besseren Fächer. Habe glaube ich nie wieder so viel und v.a. divers gelesen, wie zu Zeiten meines Deutsch LKs.
Die Lektüren und ihre Bearbeitung sind schrecklich. Ich hab mal drüber geschrieben, ist mittlerweile veraltet, aber grundsätzlich immer noch meine Kritik: https://www.deliberationdaily.de/2019/06/die-gaehnende-langeweile-der-pflichtlektueren/
Ich erinnere mich 🙂
Ist vielleicht auch lehrerabhängig. Unser hat mir Kafka und Döblin so nahgebracht, das ich bei Amerika immer noch an der Verschollene und beim Fleischessen an die Schlachthausszene in Berlin Alexanderplatz denken muss. Und das ist mittlerweile über 20 Jahre her!
Das ist natürlich der Idealfall. Aber ich habe es schon so, so oft anders erlebt.
Ja, das auch, ich meinte aber den Primarunterricht bzw. die öffentliche Debatte darum nach dem letzten Bildungsvergleichsschock.
Bei der „Nebelkerze“ gehe ich nur insoweit mit, als dass es diese kaum zu messenden Skills (kreatives Problemlösen etc.) bitte zusätzlich zu soliden Grundkenntnissen geben möge.
Ihnen fehlt da vermutlich einfach die langjährige Erfahrung. Die Standardausrede (früher) sozialdemokratischer Bildungspolitiker, wenn mit schlechten durchschnittlichen Ergebnissen ihrer Schulen und Universitäten konfrontiert, ist seit den achtzigern der Verweis auf die bessere Kritikfähigkeit und Problemlösungskompetenz. Immer und ausnahmslos, weil man die beiden Fähigkeiten fast unmöglich vergleichbar testen kann. Deswegen meine abfällige „Nebel“-Bemerkung, ich halte das nach nunmehr 40 Jahren einfach für eine billige Ausrede.
Zu 7)
Ich habe mir da meine Meinung noch nicht zu Ende gebildet. Durchaus möglich, dass sich das alles noch einrenkt und ebenso möglich, dass die Erinnerung der älteren (mich eingeschlossen) ein wenig, äh, getrübt ist. Richtig ist auch, dass die Jüngeren sich tatsächlich als die benachteiligte Generation sehen, zwei ältere Kollegen und ich mussten diesen Eindruck erst kürzlich in einer grösseren Runde energisch korrigieren, weil einer grossen Grupps jüngerer Kolleginnen gar nicht bewusst war, wie wir aufwuchsen und welche Vorteile sie uns gegenüber hatten. Bsp: Schon als Jugendliche und ganz junge Erwachsene zwei Dutzend europäische Städte, Nordafrika und die Karibik besucht? Mein Gott …
Was ich allerdings definitv sagen kann, ist, dass das Ausscheiden der Boomer aus dem Arbeitsmarkt gravierende Konsequenzen hat, weil der Effizienzvorteil erfahrener Kollegen gegenüber unerfahrenen etwa 4:1 ist. Und da dieses Ausscheiden gerade massenhaft stattfindet, macht sich unter den verbliebenen möglicherweise gerade eine langfristig ungerechtfertigte Sorge breit.
Gruss,
Thorsten Haupts
7) Ja, aber Privilegienblindheit ist wahrlich kein exklusiv junges Phänomen.
Und sicher, dieser Effizienzverlust kommt mit dem Verlust von Erfahrung. Aber das ist beinahe zwangsläufig.
Nebelkerze: Ok, ich verstehe, da vertraue ich lieber auf Ihre Erfahrung der politischen Darstellungsgepflogenheiten und -tricks. Was ich mich dann angesichts der Tatsache, dass das seit Jahrzehnten so zu gehen scheint, immer frage, ist, warum wir wirtschaftlich dann immer noch besser und besser dastanden. Waren das die wenigen Zugpferde? Aus dem Ausland dazugekaufte? Eine solide ererbte Basis? Sicher, es wäre viel besser gegangen, aber es scheint ja dennoch gereicht zu haben? (Wenn aber zu viele nicht sinnentnehmend lesen können, dann wird das vermutlich nicht mehr reichen)
zu 7) Danke für die ausführliche Erläuterung 🙂 (Ich selber war als Jugendliche auch nur einmal im Nachbarland, also das gibt es schon auch noch, schnüff leid leid entsetzlich trauer)
Was mich wirklich interessieren würde: Zählen Sie das Elternzeitnehmen (beide Geschlechter) auch zu dieser Entwicklung? Und das Teilzeitarbeiten aus familiären Gründen? Tatsächlich arbeiten heute ja anteilig mehr Frauen Teilzeit als vor 30 Jahren, dafür erwerbsarbeiten aber viel mehr Frauen überhaupt.
Einfache Antwort: Ich begrüsse fast alles, was die Freiheitsspielräume erwachsener und damit selbstverantwortlicher Menschen erhöht 🙂 .
Ich im Grunde auch. 🙂 Das war das Zweitbeste, machdem sich unerklärlicherweise immer noch niemand meinem Generaldiktat unterworfen hat. Frechheit aber auch! 🙂
Yup, das bedaure ich auch einmal täglich. Ich wäre so ein effizienter Diktator und allen ginge es besser. Bestimmt!
Einfach unbegreiflich!
@ Thorsten Haupts
Zu 7)
Ich habe mir da meine Meinung noch nicht zu Ende gebildet. Durchaus möglich, dass sich das alles noch einrenkt …
Ich sehe bei meinen Töchtern, dass die richtig rackern, bei einigem fremden Nachwuchs auch. Andere muss man zum Jagen tragen, …
… und ebenso möglich, dass die Erinnerung der älteren (mich eingeschlossen) ein wenig, äh, getrübt ist.
… aber mein Gott – mich als 17jährigen Elektriker hättest Du heute vermutlich nicht ins Haus gelassen 🙂
Nach vier Jahren Flugzeugwartung bei der Marine wurde es aber etwas besser.
Richtig ist auch, dass die Jüngeren sich tatsächlich als die benachteiligte Generation sehen, … weil einer großen Grupps jüngerer Kolleginnen gar nicht bewusst war, wie wir aufwuchsen und welche Vorteile sie uns gegenüber hatten. Bsp: Schon als Jugendliche und ganz junge Erwachsene zwei Dutzend europäische Städte, Nordafrika und die Karibik besucht? Mein Gott …
Dito; meine waren schon in Singapur, China, USA – vom benachbarten europäischen Ausland ganz zu schweigen.
Was ich allerdings definitiv sagen kann, ist, dass das Ausscheiden der Boomer aus dem Arbeitsmarkt gravierende Konsequenzen hat, weil der Effizienzvorteil erfahrener Kollegen gegenüber unerfahrenen etwa 4:1 ist.
Zustimmung. Ich für meinen Teil stelle aber auch fest, dass ich mit meinen nunmehr 65 Jahren nicht mehr ganz so schnell im Kopf bin wie die jungen Leute. Neue Software bzw. neue Funktionen bedeuten für mich (wenn ich das nur gelegentlich brauche) wochenlanges darauf Herumkauen, während meine junge Kollegin nach einem Blick umgehend „umprogrammiert“ ist.
Aber ja, sehr viele Herausforderungen löse ich mit etwas Kreativität und viel Erfahrung immer noch schneller und gründlicher als die Jüngeren.
Und da dieses Ausscheiden gerade massenhaft stattfindet, macht sich unter den Verbliebenen möglicherweise gerade eine langfristig ungerechtfertigte Sorge breit.
Ich bin hin- und hergerissen. Wenn ich mich als Maßstab für die heutige Jugend (Töchter ausgenommen) nehme, denke ich „das geht schief“; wenn ich zurückblicke und auf meinen Vater schaue, der das Gleiche über mich dachte, bin ich eher bei „es ist noch immer gut gegangen“ – auch, weil wir (nach zahlreichen Beulen und blauen Flecken vom Hinfallen und vor die Wand laufen) eigene Wege fanden.
Aber Zustimmung, wir werden das Ergebnis noch erleben. Mein Tipp ist, dass die sich ständig verändernde, moderne Welt vor uns davonlaufen wird, wo wir vielleicht denken, dass sie zurückbleibt. Aber unser größtes Problem wird meiner Wahrnehmung nach nicht die „weiche“ Jugend sein, sondern (neben dem Klimawandel) die Demographie, die Vielzahl der Boomer-Abgänge, die durch auch noch so fleißigen Nachwuchs nicht ausgeglichen werden kann.
7) Ja, das ist ein klarer Nachteil. Wir sehen das aber gesamtgesellschaftlich an vielen Stellen. Auf eine gewisse Art ist es der Preis unserer massiv gewachsenen Freiheit.
@ Stefan Sasse 9. November 2023, 09:05
7) Ja, das ist ein klarer Nachteil. Wir sehen das aber gesamtgesellschaftlich an vielen Stellen. Auf eine gewisse Art ist es der Preis unserer massiv gewachsenen Freiheit.
War vermutlich bei uns nicht sooo anders. Was mich am „Ausleben der individuellen Freiheit“ stets etwas stört, ist, dass sie zu Lasten anderer geht. Für einen Teilzeitjob genug Geld für Lebensunterhalt und aufwendige Hobbies zu bekommen ist ja nur die eine Seite der Medaille. Aber dann darf man auch nicht erwarten, dass Klempner oder Hebamme kommen, wenn man sie braucht.
Ich verstehe nicht ganz, was du meinst.
@ Stefan Sasse 12. November 2023, 09:41
IAuf eine gewisse Art ist es der Preis unserer massiv gewachsenen Freiheit.
Die Vorteile der massiv gewachsenen Freiheit lassen sich nur ausnutzen, wenn nicht alle sie haben.
Ah. Ja, das ist ja so ein Grunddilemma des Liberalismus irgendwo.
Man kann dieses „Grunddilemma“ auch weniger philosophisch-euphemistisch die Lebenslüge des Liberalismus nennen.
Hierzulande hatte ich Hoffnungen ich auf Johannes Vogel gesetzt.
https://www.youtube.com/watch?v=xGRwwlUj_0w
Aber bisher blieb es bei schönen Reden.
zu 2) Das erinnert mich an meine Schulfreundin aus Südostasien. Mutter alleinerziehend, kaum Deutsch, alle 3 Kinder mittlere und höhere Abschlüsse. Älteste Tochter benachhilfte die jüngeren. Der Staat nahm in einer Periode der Sozialhilfe das von ihr für Bildungszwecke zusammengejobbte Geld…
4) Ich habe da keine Zuversicht. Vermutlich werden die Länder den derzeitigen Bump in den Schülerzahlen auszusitzen versuchen, bis die Jahrgänge wieder kleiner werden (ob sie das dann werden, wird man sehen, es wird auf jeden Fall eine riesige Überraschung darstellen). Nicht, dass man die dann total überflüssigen Lehrer dann bis zum Ruhestand durchfüttern muss.
5) Ja, vermutlich zu wenig Gestaltungsfreiheit von Schulen. Stattdessen auszufüllende statistische Erhebungen aus dem Bildungsmysterium.
7) Bezüglich Wettbewerbe große Zustimmung. Soll doch jeder sich einen Wettbewerb selber aussuchen, gibt ja genug.
9) Also eine verpflichtende école maternelle ab 3 wie in Frankreich? Die ist aber, meine ich gelesen zu haben, deutlich schulischer angelegt als der deutsche Kindergarten. In Deutschland schwer zu vermitteln.
2) Anderes Thema, aber ja, ist und bleibt ein Unding.
4) Ja, man streicht ja in manchen Bundesländern bereits die Fächer zusammen. Gibt nicht genug Geografielehrkräfte, dann wird eben Geo gestrichen.
5) Jepp.
9) Kenn ich mich nicht damit aus. Gibt es da wo eine gute Erklärung für oder könnt ihr eine abgeben?
9) Hier hast du einen sehr positiven Artikel darüber (interessant, dass er im Wirtschaftsteil der Welt war):
https://www.welt.de/print/die_welt/finanzen/article182827346/Wo-Dreijaehrige-Disziplin-lernen.html?fbclid=IwAR3qpdYY0oe4fZJ2i4xWna6i6NPr5Rd24jqskiOhXe4-aDiGjdeZbzpjkSc
Ergänzung dazu von mir : Seit 2019 ist die ecole maternelle für alle Kinder ab 3 Jahren verpflichtend.
Danke! Ich bin schon immer ein Vertreter von verpflichtender Kita. ^^
Ich mit Einschränkungen auch, aber in Deutschland wäre DAS Gesetz vorhersehbarer, eindeutiger politischer Selbstmord in der nächsten Wahl.
Völlig, deswegen haben wir es ja auch nicht.
Ich hätte auch zu wenig Vertrauen in die Umsetzung: Würde mit zu wenig Geld in unpassenden und gleichzeitig überregulierten Räumlichkeiten mit mangelnder sozialer Durchmischung passieren, die sanft und beige Erziehenden würden das Land verlassen, die Medien würden von Hartherzigkeit und Leistungsgesellschaft schreiben…
Jo.
4) Wie bin ich froh, dass die Länder so kreative und haushaltschonende Lösungen finden. Es gibt ja im Grunde auch Google Maps.
zu 9) Man kann, denke ich, schon sagen, dass Frankreich mehr Wert legt auf eine diszipiniertere und vor allem GANZtägige Gestaltung des Ganzen. Das ist hier einfach nicht populär. Es gab da vor Jahren dieses Buch, sinngemäß „wieso französische Kinder sich im Restaurant nicht danebenbenehmen“ oder ähnlich. Was sagt denn Ihre in-house-Expertin dazu? 🙂
Gegenbeispiel Niederlande. Dort geht es noch lockerer zu als bei uns.
Im Vergleich zu anderen Ländern schnitten die Niederlande bei PISA und IGLU in den letzten Jahren in der Regel besser ab als Deutschland,
Geht es in NL wirklich lockerer zu ? Dort gibt es Schulpflicht ab dem 5. Geburtstag, die allermeisten starten schon mit 4 in die basisschool.
Jede Schule endet mit einem verpflichtenden Test, der zumindest teilweise staatseinheitlich vorgegeben ist. Dazwischen hat die Schule aber praktisch komplette Freiheit, wie die staatsvorgegebenen Inhalte vermittelt wreden.
Sehr schön. Das einzige praktikable wie erfolgreiche Führungsmodell der Welt: Auftragstaktik (Bundeswehr-Jargon) oder Management by Objectives (Ökonomenjargon).
Ich bezog mich auf das „im Restaurant nicht danebennehmen“.
Wir hatten Austausch mit einer Schule in NL und (einmal) mit einer in Frankreich. Der Unterschied war riesig. Die Franzosen wie „im Restaurant“, die Holländer laut und kumpelhaft mit ihren Lehrern.
Und dann pragmatisch: Deutsch als Fremdsprache wurde innerhalb kurzer Zeit abgewickelt zu Gunsten von Spanisch.
Gab da vor Jahren mal einen sehr langen Artikel in der ZEIT oder im SPIEGEL. Besinungsaufsatz einer jüngeren Deutschen über ihre Erfahrungen mit französischen Akademikern und ihren Kindern. Die waren – zur grossen Überraschung der Deutschen – sehr gut erzogen und wussten sich schon als kleine Kinder zu benehmen, ohne dass die Eltern zur Peitsche oder ähnlichen drastischen Massnahmen greifen mussten. Der Artikel endete mit einer Reflektion über vielleicht völlig falsche Prämissen bei deutschen Akademikern über Kinderaufzucht.
Ich wäre nicht überrascht gewesen und ich weiss, wie man solche Ergebnisse ohne Gewalt erzielt, aber nach der Darstellung der Artikel-Autorin scheint das in ihrer Generation (damals Mitte 30) unbekannt gewesen zu sein.
Vielleicht verstehen zu viele Leute bei uns den Unterschied zwischen Kindesmisshandlung und Kindererziehung nicht mehr?
Gruss,
Thorsten Haupts
Könnte daran liegen, dass dieser Unterschied in Deutschland lange sehr klein bis nicht vorhanden war. Ohrfeigen selbst für kleine Ungeschicklichkeiten waren normal. Noch in den Jahren, die „keine Herrenjahre“ waren. Ich wurde in der ersten Grundschulklasse vom Lehrer verprügelt, weil mir die Schulsachen runtergefallen waren.
Aber ich weiß schon: Die Achtundsechziger warns. Wie das in Frankreich war, weiß ich nicht.
„Ich wurde in der ersten Grundschulklasse vom Lehrer verprügelt, weil mir die Schulsachen runtergefallen waren.“
Das tut mir Leid!
Danke. Dafür dann ab Klasse 2 einen wirklich netten Lehrer. Der auch meine Eltern von der weiterführenden Schule überzeugt hat.
Ich denke nicht, dass Gewalt das Problem ist, das geht problemlos gewaltfrei. Aber ansonsten stimme ich dir zu.
@Citizen K:
Ohrfeigen selbst für kleine Ungeschicklichkeiten waren normal.
Kann ich absolut nicht bestätigen, weder für mich noch für meinen Feundeskreis an der Schule (Väter überwiegend Bauern, Angestellte/Beamte und Lehrer). Ich bin in meinen ersten 18 Lebensjahren genau zweimal geprügelt worden und beide Male absolut berechtigt. Mein Freundeskreis lag unter dieser Zahl. Unsere Region (Westfalen) war damals tiefschwarz.
Zwei vielleicht ungewöhnliche Beobachtungen:
1) Ich hätte zu jedem Zeitpunkt Prügel gegenüber den stundenlangen Besserungsgesprächen (die Alternative) stark bevorzugt. Alle Jungs in meinem Freundeskreis übrigens ebenso.
2) Der einzige Lehrer, der, als ich 14 war, mal dazu ansetzte, mich zu schlagen (ich war in der Schule nicht pflegeleicht), bekam von mir die grinsende Warnung, ich würde sofort und hart zurückschlagen. Das war´s dann.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ist seit Mitte 70er verboten, aber war schon damals im pädagogischen Spielraum – und blieb es leider danach noch lange.
An meiner Grundschule wie an meinen Gymnasien war der erwähnte Vorfall der EINZIGE, von dem ich jemals gehört habe. Und ich hatte grosse Ohren. Irgendwie scheinen meine persönlichen Erlebnisse nicht zu den Erzählungen über die Zeit (siebziger) zu passen …
Wie gesagt, das war schon in den 70ern nicht mehr en vogue und hörte auf, blieb aber in Einzelfällen weiter noch lange erhalten. Anekdotisch kann es also durchaus sein, aber als Massenphänomen nicht mehr.
Für einen Sechsjährigen keine Option.
4) Was willst auch machen? Ohne Lehrkräfte kannst es halt nicht unterrichten, egal, was Stefan sagt.
9) Für das Thema ist die keine Expertin.
zu 4) das war tatsächlich nur halbironisch gemeint
Hab ich auch so verstanden 🙂
🙂 Patati patata. Die Beamten sind einfach *badumm tsss* zu lame, es gibt kein Problem. Nur solche, die es in der freien Wirtschaft nie zu etwas gebracht hätten, suchen ein trockenes Plätzchen beim gutmütigen Vadder Staat…alles bleibewehrte Hemmschuhe. Das wissen wir doch seit immer.
Danke für Deine Gedanken und Analysen! Ich bin jetzt kein Lehrer, hab aber einen Sohn, der bald 11 wird und als Grundschule eine Sprachförderschule besucht. Derzeit sind wir in dem Prozess eine passende weiterführende Schule zu finden. Was soll ich sagen – man macht sich natürlich seine Gedanken und vergleicht mit dem eigenen Erleben vor 30 Jahren.
Eine meiner ersten Erfahrungen als es um die Anmeldung an der Grundschule ging war übrigens, dass es dieses Schreiben nach Gehör tatsächlich gab. Die Vorschriften verlangten, dass ich meinen Sohn pro forma an der normalen Regelgrundschule anmelden sollte, bevor der Prozess auf die Sprachförderschule umschwenkte (was völlig idiotisch war, da der Förderbedarf ja schon fest stand, aber was soll’s, Bürokratie will leben). Dadurch bekam ich jedenfalls die Infoveranstaltung an der normalen Grundschule ums Eck mit – und da wurde schnell deutlich, es wird Schreiben nach Gehör gemacht, man nannte es nur nicht so, um es den inzwischen kritischeren Eltern in dieser Sache besser zu verkaufen. Diesbezüglich war die Sprachförderschule ein Segen – die folgten diesem Konzept nicht. Der Kurze kann eigentlich relativ gut schreiben, was ihm dabei mehr im Weg steht ist die eigene Nicht-Motivation.
Motivation ist auch so eine Sache. Der Kurze hatte ungefähr 2 Jahre lang halbwegs Spaß an der Schule. Womit er 1 Jahr und 364 Tage länger durchgehalten hat als ich. Meine Begeisterung für Schule als Schüler war schon nach meinem ersten Schultag grundsätzlich im Eimer. Allgemein denke ich, wird der Spaß-Faktor heute zu sehr bemüht. Ich hatte erst in der Oberstufe wieder halbwegs sowas ähnliches wie Spaß an der Schule, aber auch nur, weil ich meine Fächer gut nach meinen Interessen wählen und abwählen konnte und der Ausschnitt der Mitschülerin Ivanka für optische Aufhellung sorgte. Trotzdem bin ich durch den ganzen Mist mit einem guten Abitur (wenn auch nicht perfekt, das perfekte Abitur bei uns hat ein junger Paschtune damals gemacht, der später Arzt wurde) gekommen, hab später studiert etc. Der Sinn von Schule ist halt nicht Spaß und später ist das auch mit unseren Jobs so – es ist toll, wenn er Spaß macht, aber nicht Grundbedingung. Das muss man aushalten können. Für reinen Spaß sind Hobbys da. Meiner Meinung nach ist es ein Fehler, den Schülern früh einzureden, sie müssten ihr Mitmachen am Spaßfaktor orientieren. Ehrlichkeit gegenüber den Kids wäre gut: Ja, wir wissen, es macht nicht alles Spaß, aber es hat einen Sinn, also jetzt mal durchbeißen, dann ist der Rest des Tages weniger anstrengend.
Auch die Vorstellung, dass das Vorbild der Eltern reicht, um die Kinder zu begeistern, trägt aus meiner Beobachtung nur bedingt (zugegeben: Anekdotisch). Ich bin die totale Leseratte, ich hab einen Bücherschrank mit 500 Büchern und ich lese meinem Sohn jeden Abend vor. Seine Begeisterung für’s Lesen ist dennoch eher mäßig; das hat sich auch nicht wirklich dadurch geändert, dass er eigentlich relativ gut lesen kann. Und wenn dieses Kein-Bock-Haben so richtig durchschlägt, sacken auch seine Leistungen hab, klar. Das wird noch ein spannendes Thema an der weiterführenden Schule.
Grundsätzlich sehe ich ein Problem darin, dogmatisch darüber zu richten ob die älteren Lehrerzentrierten Lernmodelle oder die moderneren offeneren Modelle per se besser oder schlechter sind. Ich beobachte eher ein: Kommt drauf an. Es gibt Dinge – gerade die Basics – bei denen meine Wahrnehmung eher ist, dass das ältere Modell nicht zwingend schlecht ist. Bestimmtes Rüstzeug lässt sich solider durch etwas Drill aneignen. Wenn das sitzt und man auf komplexere übergeordnetere Themen übergeht, dann sind offenere Modelle zumindest teilweise sicherlich förderlicher. Gleichzeitig ist halt auch nicht jedes Kind gleich gestrickt. Derzeit überlegen wir, ob ein offenes Konzept für meinen Sohn ernsthaft geeignet ist oder eine etwas engere Anleitung nicht das bessere Modell wäre. Vielleicht täte man sich einen Gefallen, stärker drauf zu schauen, für welche Kinder welches Modell besser passt und danach dann Klassen aufteilt.
Und ein sehr grundsätzliches Problem sehe ich in der inhaltlichen Agenda. Seit meiner Zeit ist eigentlich viel zum Lernstoff dazugekommen – Weiterentwicklungen in den Naturwissenschaften, das IT-Umfeld etc. Gleichzeitig wurde aber nur wenig (oder: überhaupt etwas?) mal rausgeworfen. Zugleich haben wir eher versucht die maximale Schulzeit von 13 auf 12 Jahre zu verkürzen. Ich bekomme mit, dass die Kinder schon in der vierten, spätestens der fünften Klasse mehr Unterrichtsstunden + Hausaufgaben (egal jetzt ob in einer OGS-Lernzeit oder wirklich zu hause) haben als ich zum selben Zeitpunkt. Und das wird ja in Richtung Klasse 10 oder gar Oberstufe nicht besser. Das ist eine Stoffverdichtung, die nicht ohne Folgen bleiben kann. Nebenbei: Eine Entwicklung, die mir zeitlich parallel zu den immer mehr ansteigenden Problemen erscheint.
Tatsächlich denke ich, wir sollten zum alten Modell mit drei Oberstufenjahren zurückkehren. Die Verkürzung hat ihren Sinn ja faktisch sowieso nicht erreicht – verkündet war ja, dass die jungen Leute schneller in weitere Ausbildung, Studium und Arbeitswelt kommen sollten. Was haben wir bekommen? Viele junge Leute, die ein bis zwei Jahre keinen Plan haben, was sie machen wollen und erstmal durch die Welt gondeln, manchmal als Bufti getarnt. Ich könnte nicht sagen, dass das zu meiner Zeit in der Oberstufe so war. Die „Bummler“ konnte ich an einer Hand abzählen. Und kommt mir nicht mit Erfahrungen sammeln. Sowas ist romantisierender Quatsch. Wir sammeln zwangsläufig Erfahrungen, so oder so. Ich gönne jedem, wenn er Buddha-Statuen in Bangkok sehen oder in Frankreich campen oder beim Brunnenbau in Mali helfen konnte, aber das macht einen weder zu einem besseren Menschen, noch sollte man solche Erfahrungen als besser oder höher wertiger einstufen als Erfahrungen, die man im ersten Ausbildungsjahr, beim Studienbeginn, bei der Bundeswehr oder beim ersten Kellnerjob macht….aber ich bin abgeschweift. Ganz grundsätzlich wünsche ich mir in der Bildungspolitik jedenfalls: Mehr Pragmatismus, weniger Attitüden. Gilt aber auch für Eltern. Wir müssen als Eltern ehrlich sein. Unsere Sprösslinge sind nicht nur Engel, der Job der Lehrer ist nicht, die laufenden Meter zu bekuscheln und wir tun den Kindern keinen Gefallen, wenn man für die reine Außenwirkung den höchstmöglichen Bildungsabschluss erzwingt. Mein Sohn soll es so gut hinkriegen wie er kann und dann wird sich zeigen was daraus wird. Für ihn wird’s wohl eine Realschule werden nächstes Jahr. Und obschon ich selbst studiert bin, ist das ok für mich, ich seh darin keinen Rückschritt. Es entspricht halt dem, was ihm liegt. Ziel ist, dass er später gut durchs Leben kommen kann – der Rest liegt dann eh bei ihm. Und eine der ersten Lektionen bei uns: Wenn Du in was gut werden willst, musst Du was dafür tun. Es gibt Dinge, die Papa einem nicht abnehmen kann.
Danke für deine Berichte!
Was die Methoden angeht: niemand hat grundsätzlich was gegen lehrerzentrierte Bestandteil, es geht um das Gesamtpaket. Lehrkraftvorträge und Erklärungen haben definitiv ihren Platz.
Zum Stoff: 100% Zustimmung.
G9 ist wieder massiv auf dem Vormarsch. BaWü ist einer der letzten Gegner, und meine Prognose ist, dass nach der nächsten Landtagswahl die Rückkehr zu G9 erfolgen wird.
Danke! Sehr erheiternd und erkenntnisreich – vor allem der Teil über Ivanka. 🙂
Was in diesem Land in Vergessenheit geraten ist: Erfolg basiert auf Disziplin und Beharrlichkeit. Talent haben viele, aber nicht Erfolg.
100% ja. Ich bin vor einigen Jahren im Netz über einen unglaublichen Gesangsartisten gestolpert – 5 Oktaven nutzbarer Stimmumfang von Bass bis Sopran und in der Lage, wunderbar klar in verschiedenen Stilen zu singen (Oper, Pop etc.). Der hatte natürlich riesiges Talent, aber das wirkliche Geheimnis war Training, Training und nochmal Training (Eltern Sänger/Künstler) ab dem 5. Lebensjahr, wahrscheinlich etwa 20.000 Stunden, bevor er 19 wurde (in Asien bereits eine Art Popstar).
Mit Sicherheit. Solche Ausnahmefähigkeiten brauchen gigantischen Aufwand. Aber das kann ja nicht das Muster für alle sein.
Der Punkt ist, dass Du auch im Kleinen ohne Disziplin und Frusttoleranz keinen Erfolg hast. Das ist übrigens etwas, worauf heute bei Führungskräften immer stärker geachtet wird: Wie hoch ist die Frusttoleranz? Weil, im wirklichen Leben funktioniert nichts auf Anhieb – außer durch Zufall.
Stimmt sicher, da wird dir niemand widersprechen. Wir haben glaube ich eher einen Dissens über die Priorität und die Methoden zur Erreichung, nicht über das Ziel.
Natürlich nicht, aber die Erinnerung daran, dass es Anstrengung kostet, zu einem wirklich befriedigenden Ergebnis zu kommen, wurde z.B. schon bei mir erst mit 19 (erster Offizieranwärterlehrgang) ausgelöst – und das ist definitv zu spät.
Und gemessen daran, wie häufig in den heutigen Medien „Privilegien“, „mentale Krankheiten“, „Rasse“ oder andere Umstände für Erfolg und Misserfolg verantwortlich gemacht werden, fällt die Erinnerung an Anstrengung und harte Arbeit sehr überschaubar aus – vielleicht 5% des vorher genannten Anteils. Völlig falsche Programmierung …
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich betrachte das naturgemäß anders: harte Arbeit und Anstrengung sind zu überbetont und Privilegien etc. werden erst neuerdings überhaupt in den Blick genommen. Da es neu ist, wird halt mehr drüber geredet, aber das ändert nichts dran, dass Anstrengung und Arbeit bei der überwiegenden Mehrzahl das relevanteste ist.
Ups, falsch eingefädelt, der Kommentar eben.
Ich denke auch, dass die Dichotomie Anstrengungseinsichtsmangel hier – Talentprivilegüberbetonung zu einfach ist. Im Endergebnis vielleicht wieder zutreffend, aber was sag ich denn dem totalfrustrierten, überhaupt nicht mehr an sich selbst glaubenden Schülerchen, das da vor mir sitzt und bei dem der Kasus Knaxus ist, dass ersiees sich gar nicht traut, sich anzustrengen, denn dann könnte das ja, bei nicht eintretender Verbesserung, der finale Beweis sein, dass man doch zu dumm ist, während man bei Nichtstun immer noch dem Glauben anhängen darf, man müsste ja nur eigentlich…Dem sag ich ja nicht „Streng dich halt an“, das dürfte nicht funktionieren. Es hat am Ende funktioniert, aber hat gedauert. Etwas komplexer im Einzelfall bisweilen, die Sache.
Ja, das höre ich nicht zum ersten Mal, dass Kinder/Jugendliche, die es in der Schule „zu leicht“ hatten, in dem Punkt bisweilen sehr unvorbereitet bleiben.
Wieder, da reicht ein Blick zum Leistungssport. Messi und Ronaldo waren nicht deswegen die besten Fußballer der Welt, weil sie so unglaubliches Talent besaßen, sondern weil sich auch dann noch auf dem Trainingsplatz standen, wenn ihre Kollegen längst die Haare gefönt hatten.
Mir fehlt ehrlich gesagt noch ein gedanklicher Zwischenschritt bei deinen Ausführungen: Die genannten Probleme lassen sich in meinen Augen in vier große Gruppen einteilen.
a) Probleme die sich mit Mitteln und gutem Willen beheben ließen (mangelhafte Ausstattung und Personal). Deutschland gibt im OECD-Maßstab unterdurchschnittlich für Bildung aus, stattdessen lieber für […] (hier möge jeder sein Lieblingsthema einfügen).
b) Probleme, die ein Umdenken in Strukturen erfordern. Das betrifft zum einen die staatliche Entscheidungsebene (Bildungsföderalismus, Ministerialbürokratie) zum anderen aber die Schulen selbst, die womöglich zu wenig Motivation von sich aus zeigen, neue Konzepte umzusetzen.
c) Die unzulängliche Ausstattung der Schüler selbst: „Verweichlichung“, Ablenkbarkeit, psychische und soziale Probleme, unzulängliche „Schulfähigkeit“ beim Grundschuleintritt. Hier ist gute frühkindliche Bildung für alle ein gesellschaftlicher Ansatz. Ein anderer ist bessere psychologische Unterstützung von heranwachsenden.
d) Gesamtgesellschaftliche Probleme die auf die Schulen abgeladen werden: schlechte Integration von Migranten, Corona. Hier zeigt sich die Heuchelei der „Kinder sind unsere Zukunft“ Sonntagsreden.
d2) Dabei ist besonders auffällig das Problem der hohen Selektivität des deutschen Schulsystems. Dies ist in internationaler Wahrnehmung das ernsthafteste (Die UN hat vor ca 10 Jahren deswegen sogar einen Sonderbericht für Deutschland erstellt). Allerdings kann man mit einem gewissen Zynismus auch sagen, dass das kein Bug, sondern Feature ist. „Dient“ sie doch dazu, dem gehobenen Bürgertum, aus dem sich die politische und mediale Elite rekrutiert, die Konkurrenz vom Leib zu halten.
… dem gehobenen Bürgertum, aus dem sich die politische und mediale Elite rekrutiert, die Konkurrenz vom Leib zu halten.
Bin schon vor 25 Jahren zu dem exakt gleichen Schluss gekommen.
Wie trist. Müsste ihnen – dem gehobenen Bürgertum – ja, ganz naiv gedacht, Stichwort soziale Unzufriedenheit, Fachkräftemangel, Sozialhilfe, irgendwann auf die eigenen Füße fallen, aber vielleicht rechnet man dann immerhin mit wieder billigerem Hauspersonal 🙁
Wie in Frankreich und GB?
… irgendwann auf die eigenen Füße fallen …
Warum? Es vermindert nur den Wettbewerb (um +/- 30% der Bevölkerung), schliesst ihn aber nicht aus. Gibt trotzdem weit mehr Bewerber auf finanziell attraktive Jobs denn Jobangebote. Solange das so bleibt, hat diese (weitgehend nicht bewusste) Strategie keinerlei Nachteile für deren Träger. Das übliche Gegenargument des grösseren (verpassten) Talentpools vergisst, das es sich dabei um Grenznutzen handelt, sprich, um einen marginalen Vorteil.
Nein, das ganze ist aus Sicht der oberen Mittelschicht auch dann absolut rational, wenn es bewusst gemacht wird.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ja, stimmt wohl. Grenznutzen als Stichwort. Ich dachte nur, dass ab einem bestimmten Punkt die soziale Unzufriedenheit ob einer gewissen gesellschaftlichen Stasis zu groß sein könnte, aber da sind wir nicht.
Den Zusammenhang erkennt unten keiner. Mir wurde das auch erst klar nach einigen intensiveren Kontakten mit Menschen aus der Unterschicht – deren Hauptproblem nicht der Snobismus des deutschen Bildungsbürgertums, sondern die mangelnde Unterstützung (bis hin zu offener Feindseligkeit) für mehr Bildung war/ist.
„sondern die mangelnde Unterstützung (bis hin zu offener Feindseligkeit) für mehr Bildung war/ist.“
Was ist damit gemeint? Würde ich gern verstehen.
Ich kenne mehrere Menschen aus einkommensschwachen Familien mit abgeschlossener Berufsausbildung auf Realschulabschlussbasis, die mit Mitte 30 oder 40 beschlossen, sich über Kurse weiterzubilden, das Abitur nachzuholen und/oder beruflich wichtige Zertifikate zu erwerben.Alle berichteten übereinstimmend, ich wäre der einzige in ihrem Umfeld, der diese Pläne unterstützt. Andere seien bestenfalls indifferent, eine ganze Reihe Leute auch offen ablehnend oder/und entmutigend.
Verwundert mich. In dem Milieu bin ich aufgewachsen. Da wurde aber denen, die nach der Schule „weitermachen“ (so nannte man das) eher Respekt und Achtung gezollt.
Was macht eigentlich genau die „Selektivität des deutschen Schulsystems“ aus? Der Übergang auf weiterführende Schulen ist problemlos möglich, Lehrmittelfreiheit weitgehend gegeben, Schüler-BaföG. Im Gymnasium sind heute mehr Schüler als in den Haupt-/Werkrealschulen.
Wenn es die gesellschaftliche Schichtung (Quasi-Klassengesellschaft?) ist – die ist in GB und Frankreich (Italien?) noch stärker ausgebildet.
Also – was ist es genau?
Ich komme in Teil 3 noch drauf.
Da wurde aber denen, die nach der Schule „weitermachen“ (so nannte man das) eher Respekt und Achtung gezollt.
Ja. Ich muss auch aufpassen, dass ich anekdotische Evidenz nicht überbewerte.
Mit welchen Argumenten wird das abgelehnt oder entmutigt? Aus Interesse gefragt.
„Bringt doch eh nichts mehr, wozu die Anstrengung“ wäre die Zusammenfassung für Indifferenz. Bei der Feindseligkeit war die Vermutung meiner Bekannten Neid und mangelnde Selbstachtung der Feindseligen.
Echt traurig 🙁
Ja, ich kenne auch Gemengelagen, wo der Aufstieg mit sozialem Ausschluss aus dem Herkunftsmilieu verbunden war. Motto: „Der meint wohl, er wär was Besseres.“ Das ist dann anstrengend und unsicher. Kenne aber auch Gegenbeispiele. Dagegen widerum Konstellationen, in denen nach Jahrzehnten immer noch recht leicht wieder hervorholbare Spannungen zwischen denen mit Abitur und denen ohne entstehen können. Wohlgemerkt (zumindest) nicht (bewusst) von denen mit Abitur ausgehend.
Ja, das spielt eine riesige Rolle. Klassizismus nach oben. Wir diskutieren das fast nur noch in migrantischem Kontext, aber ich kenne das aus der eigenen Familie zur Genüge. Der erste Akademiker zu sein ist ein Riesenact, und noch viel schlimmer, wenn davor der höchste Abschluss die Hauptschule war.
Eine gewisse Entfernung, vielleicht auch Entfremdung vom Herkunftsmilieu ist wohl der Preis. Oft beschrieben und selbst erlebt.
Ohja!
zu 1)
Ich schaue gelegentlich YouTube – Videos von Bernhard Kroetz. Der Mann hat ganz offensichtlich einen Hass auf die deutschen (Mathematik)-Didaktiker der nur durch persoenliche Bekanntschaften erklaerbar ist. Zuerst dachte ich seine, etwas arrogant vorgetragene Kritik, kommt aus der „Frueher-war-alles-besser“-Schublade. Mittlerweile glaube ich aber der Typ hat recht. Seine These ist, dass die Didaktik regelmaessig neuen Unterrichts-Methoden erfindet, die dann auf die Schueler losgelassen werden, sich etwas spaeter aber als wirkungslos oder kontraproduktiv darstellen. Man kehrt dann wieder zum Altbewerten zurueck. In den 60er wurde manchen Grundschuelern Mengenlehre beigebracht. Diese Kinder hatten noch als Erwachsene Probleme beim Rechnen. Ich erinner mich noch lebhaft an die Diskussion vor ca. 15-20 Jahren um den Karlsruher Physik-Kurs. Ein voellig neue Art Kindern Physik zu erklaeren. Es gab wohl einige Schulen in BW an denen so die Physik gelehrt wurde, bis die Deutsche Physikalische Gesellschaft mittels Gutachten festgestellt, dass der Kurs nicht nur unintuitiv ist, sondern zum Teil physikalisch falsch. In Deutsch ist es dann „Schreiben nach Gefuehl“. Die Grundschule meiner Kinder hat eine abgeschwaechte Version davon, wo Schreibfehler der Schueler in den ersten Jahren einfach nicht korrigiert werden.
Ich neige eigentlich nicht zu Verschwoerungstheorien, ich habe aber das Gefuehl, dass Schuldidaktiker mit den Schulbuchverlagen unter einer Decke stecken. Nur so koennen die Verlage die staendigen Aenderungen der Buecher in neueren Auflagen rechtfertigen. Ich kann sonst nicht erklaeren, warum ein Mathebuch der 1. Klasse, was vom aelteren Kind vor gerade mal 3 Jahren benutzt wurde, jetzt beim juengeren Kind veraltet ist. Gab es irgendeinen didaktischen Durchbruch, wie man den Kinder 5+3=8 beibringt? Bis in die 60er wurde von Schuelern noch auf Schiefertafel geschrieben. Und jetzt fallen die Schul-Leistungen in Mathematik ab und die fehlenden iPads sollen Ursache sein?
Es gibt sicher viele Gruende fuer die Bildungsmisere, veraltete Didaktik ist warhscheinlich kein Grund. Und fehlende Digitalisierung ist hauptsaechlich ein Problem fuer die Schulverwaltung und die Lehrer, aber weniger fuer die Schueler.
Ich kenn mich mit MINT zu wenig aus, aber ich habe genug Bekannte mit entsprechendem Hintergrund die Kroetz heftig widersprechen (ohne Hintergrund im Bildungsbereich, btw, also Praktiker*innen aus der Wirtschaft und Wissenschaft).
Die Verschwörungstheorie brauchst du nicht; die Buchverlage stecken mit niemand unter einer Decke. Auch gar nicht nötig: solange die Schulen keine OER-Ressourcen nutzen, kriegen die ja automatisch mit den Bildungsplänen und anderen Aktualisierungen (Auflagen) und schlicht durch Abnutzung genug Kundschaft.
Ein Nachtrag noch für ein Problem der Schule, das du übersehen hast:
– Geschlechterdiskriminierung
Die ist aber kein neues Phänomen.
Stimmt, aber als in den 60ern die Diskriminierung von Mädchen als Problem wahrgenommen wurde, hat sich mit der Zeit etwas geändert.
Die Diskriminierung von Jungen ist seit Mitte der 2000er bekannt und praktisch niemand arbeitet auf eine Änderung hin.
Ja, aber ist nicht so als hätte das direkt in den 60ern angefangen. Ich schreib in Teil 3 was dazu,.
Die Zahlen zur Entwicklung der Zahl der Kündigungsschutzklagen in den letzten Jahren stammen aus dem Bericht der Bundesregierung über die Arbeitsgerichtsbarkeit in Deutschland im Jahr 2022. Der Bericht ist auf der Website des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales abrufbar.
Die konkrete Quelle für die Zahl von 70.600 Kündigungsschutzklagen im Jahr 2022 ist die Tabelle 1.1.2 des Berichts. Diese Tabelle enthält die Zahl der eingegangenen und erledigten Verfahren bei den Arbeitsgerichten in Deutschland im Jahr 2022.
Die Zahl von 61.800 Kündigungsschutzklagen im Jahr 2021 ist ebenfalls aus dem Bericht der Bundesregierung über die Arbeitsgerichtsbarkeit in Deutschland im Jahr 2021 ersichtlich. Die Zahl von 53.200 Kündigungsschutzklagen im Jahr 2020 ist aus dem Bericht der Bundesregierung über die Arbeitsgerichtsbarkeit in Deutschland im Jahr 2020 ersichtlich. Die Zahlen für die Jahre 2019, 2018 und 2017 sind aus den Berichten der Bundesregierung über die Arbeitsgerichtsbarkeit in Deutschland in diesen Jahren ersichtlich.
Bei der Suchabfrage beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales verweist das Ministerium auf die GENESIS-Datenbank des Statistischen Bundesamtes.
https://www.bmas.de/DE/Service/Statistiken-Open-Data/Statistik-zur-Sozial-und-Arbeitsgerichtsbarkeit/statistik-zur-sozial-und-arbeitsgerichtsbarkeit.html
Können Sie nicht einfach den Bericht verlinken und die Seitenzahlen nennen? Wie oft müssen Sie zur Quellenangabe eigentlich aufgefordert werden?
So, ich habe mir den Bericht von 2021 gezogen, weiß nicht, wo Sie den 2022 her haben, denn da wird auf Wiesbaden verwiesen.
https://www.statistischebibliothek.de/mir/servlets/MCRFileNodeServlet/DEHeft_derivate_00070986/2100280217004.pdf
Auch dort stehen die Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Ende der Nullerjahre wurden jährlich zwischen 450.000 und 500.000 Klagen eingereicht. Und das macht Sinn, nach den Statistiken der Bundesagentur für Arbeit werden jährlich 5 bis 6 Millionen Arbeitsverhältnisse beendet, die meisten arbeitnehmerseitig. So 8% Klagen erscheint da plausibel.
Ich habe die Google-KI gefragt nach der Zahl der KündigungsSCHUTZ-Klagen und nach den Quellen. Das war die Antwort.
Google selbst googelt vermutlich nicht wie Dummies.
Okay, jetzt verstehe ich. Bei so etwas muss man die Frage sehr präzise stellen. Das konnten Sie nicht, weil Sie ja nicht exakt wussten, wonach zu fragen.
Sie sehen, es ist immer besser, sich die Originalquellen anzusehen. Wobei Sie möglicherweise auch dann die richtige Zeile nicht gefunden hätten.
Lange Rede: Die Zahl der Arbeitsgerichtsverfahren ist stark zurückgegangen. Können wir uns jetzt nach Ansicht der geprüften und beeideten Zahlen darauf einigen?
Stimmt. Ich ging davon aus, dass man der Google-KI bei Statistiken vertrauen kann. Kann man offenbar doch nicht, denn Bard widerspricht sich selbst:
„In den letzten Jahren ist die Zahl der Kündigungsschutzverfahren insgesamt rückläufig. Dies ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Zum einen hat die wirtschaftliche Erholung nach der COVID-19-Pandemie zu einem Rückgang der Kündigungszahlen geführt. Zum anderen haben die Arbeitsgerichte ihre Kapazitäten in den letzten Jahren durch neue Verfahrensregelungen und technische Neuerungen verbessert. Dadurch können Verfahren schneller und effizienter abgewickelt werden.“ Dennoch nicht unbedingt ein Indiz für Bequemlichkeit der Arbeitsrichter.
Das ist nicht schlimm. Aber der Fehler lag nicht bei der KI, die braucht präzise Fragen. Ich habe nicht das geringste Problem, wenn Mitkommentatoren falsche Zahlen nennen. Wenn ich aufgrund mangelnder Fachkenntnisse einen Dickdarm nicht von einem Dünndarm unterscheiden kann, möchte ich auch nicht, dass mir aus der Unkenntnis ein Strick gedreht wird. Sauer werde ich nur, wenn jemand nicht mit offenen Karten spielt.
Sie praktizieren par excellence, was mir in den Neunzigern die politische Linke so abspenstig gemacht hat. Stefan meint ja, Liberalen wie mir kämen die Benachteiligten nur in den Sinn, wenn für mich selbst etwas herausspringen würde. Es ist umgekehrt, der Zynismus liegt allein auf Seiten der Linken.
Ich befürworte seit Jahrzehnten ein Kündigungsrecht, wonach dem Arbeitnehmer bei einer arbeitgeberseitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Relation zu seiner Betriebszugehörigkeit zusteht. Das finden die Profis im Arbeitsrecht auch sinnvoll, weshalb sich in der Rechtsprechung alllgemeine Maßstäbe herausgebildet haben.
Die politische Linke sah das immer anders. Sie meint – und Sie gehören definitiv dazu, den Schuh müssen Sie sich anziehen – man schütze Beschäftigte am besten gegen die Willkür des Arbeitgebers, wenn man Unternehmen von Ausnahmen abgesehen einfach untersage, Kündigungen auszusprechen. Von Abfindungsregelungen halten sie demgemäß nichts.
Zugegeben, das ist nicht nur die Meinung der politischen Linken, das ist Mehrheitsmeinung in Deutschland. Dass es wirklichkeitsfremd ist, ändert am Sachverhalt nichts. Nur, Politiker sind dazu da, Politik anhand der Wirklichkeit zu machen. Wo kämen wir hin, würden wir Frauen heute noch nach der Entjungferung einen Schadensersatzanspruch zubilligen, wenn es nicht zur Ehe kommt.
Richter haben das Recht umzusetzen, das ihnen der Gesetzgeber vorgibt. Dass die Justiz da auch immer Konzessionen machen muss, weil viele Gesetze heute einfach handwerklich schlecht sind, geschenkt. Aber dass das Richterrecht die bestehende Rechtslage de facto in ihr Gegenteil verkehrt, darf in einem demokratischen Rechtsstaat nicht sein.
Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn sicher weit über 100 Beschäftigte persönlich gekündigt. Die meisten reagierten geschockt und wollten ihren Job behalten. Ich habe dabei befürwortet, außergerichtlich mit dem Noch-Mitarbeiter über einen Aufhebungsvertrag zu verhandeln – und konnte das in früheren Zeiten. Heute fahren sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer und ihre rechtlichen Vertreter die harte Nummer und warten zumindest den Gütetermin ab.
Nur in vielleicht der Hälfte der von mir verantworteten Kündigungen lagen echte betriebsbedingte Gründe vor und stimmte die Sozialauswahl. In der anderen Hälfte waren die Gründe fingiert. Das ist ein Betrug auf Gegenseitigkeit, beide Seiten wissen das. So habe ich mal eine Mitarbeiterin, die ich praktisch nicht kannte (weil gerade übernommen) gekündigt, nachdem sich alle Teammitglieder extrem gegen sie als ilkollegial und teamunfähig ausgesprochen hatten. Die Alternative zur Kündigung wäre das Auseinanderfliegen des Teams gewesen.
Das Arbeitsrecht gibt für solche Fälle keine Handhabe. Teuer war die Kündigung, die Dame erhielt pro Beschäftigungsjahr rund zwei Monatsgehälter, was ziemlich hoch im Tarif ist. Aber sie war ihren Job los. Selbstredend kam es zu keinem Urteil, die Parteien „einigten“ sich.
Ich habe vor Arbeitsrichtern schon absolute Top-Anwälte bei guter Rechtslage in die Knie gehen sehen, weil der Richter (meist sind es übrigens Frauen) mit seinem zynisch anmutenden Spiel („Man könnte ja dagegen entscheiden“) zu einer Einigung zu finden, die eigentlich keine Seite wollte. Denn schlimmer als eine Einigung ist ein nachteiliges Urteil. Und auch das wissen alle Seiten.
Ist das das, was der Gesetzgeber will? Nein, CitizenK, das ist das glatte Gegenteil. Was der Gesetzgeber ausdrücklich will, ist, dass Arbeitgeber eben keine Abfindung zahlen müssen, wenn eine Kündigung rechtswirksam ist. Er soll nicht noch für faule, ungeeignete oder nicht mehr benötigte Mitarbeiter bestraft werden. Ein Arbeitnehmer soll nicht seinen Job verlieren, nur weil die Nase nicht mehr passt oder er einfach nicht so leistungsfähig ist. Diese Absicht des Gesetzgebers wird durch die arbeitsgerichtsprozessualen Verfahren suspendiert, die nur dazu dienen, dem beamteten Richter das Leben zu erleichtern.
Zynisch ist, dass durch das Aufeinandertreffen von wirklichkeitsfremder Gesetzgebung und der Umsetzung in der Praxis die Findungsreichen, die Cleveren und Skrupelosen, die Vermögenden begünstigt werden und die einfachen über den Tisch gezogen werden. Von den vielen Kündigungen, die ich verantwortet habe, endete eine Einzige (!) mit der Wiedereinstellung und jede im Klagefall mit einer Abfindung.
Und das ist der Punkt: Wer eine Abfindung will, muss sich einen Anwalt suchen, weil normalerweise kein Gekündigter die Traute hat, sich selbst im Gütetermin und Kammertermin zu vertreten. Dazu muss er überhaupt wissen, dass er innerhalb von 3 Wochen Klage einreichen muss. Er muss fähig sein, seinem Anwalt das Vorgehen schildern zu können. Und er hat normalerweise keine Ahnung von den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen, ist also damit benachteiligt – außer er ist Finanzchef. 🙂
Ich habe das anhand einer kurz zurückliegenden Kündigungswelle aufgelistet: Nur 38 Prozent der Gekündigten haben geklagt. Im Ergebnis erhielten sie weniger als ein halbes Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr.
Das ist der politische Zynismus, den ich der Linken seit Jahrzehnten ankreide: Sie treten für wirklichkeitsferne Gesetze ein und wenn ihre teils absurden Vorstellungen auf die Realität treffen, zucken sie mit den Achseln, wenn die Cleveren gewinnen und fordern Moral der Gewinner ein, die auf ihre Vorteile verzichten sollen, nur weil die Ergebnisse nicht so sind, wie sie die linken Moralisten angeblich gewünscht haben.
„Ich befürworte seit Jahrzehnten ein Kündigungsrecht, wonach dem Arbeitnehmer bei einer arbeitgeberseitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Relation zu seiner Betriebszugehörigkeit zusteht.“
Ich lebe und arbeite in Mexiko und hier ist das so. Man kann problemlos Mitarbeiter entlassen, muss aber eine Abfindung zahlen. Das ist nicht nur für den Arbeitnehmer angenehm, sondern auch für den Arbeitgeber, denn so kann er es vor sich leichter verantworten, Leute zu entlassen. Und das Entlassungsgespräch an sich ist auch entspannter. Aber natürlich gibt es auch Nachteile: Mitarbeiter, die absichtlich schlecht arbeiten, um entlassen zu werden (es gibt die Möglichkeit, „berechtigt“ zu entlassen, aber der Nachweis ist sehr schwer zu führen), oder auch Mitarbeiter, die die Firma nicht verlassen wollen, da sie damit ihre Betriebszugehörigkeitsdauer verlieren würden. So gibt es Mitarbeiter, die von einem neuen Arbeitgeber verlangen, dass dieser die „Abfindung“ zahlt, die der Arbeitnehmer beim alten Arbeitgeber bekommen würde, sollte er entlassen werden.
Aber ingesamt kann ich sagen, dass es sich gut damit leben lässt.
Das ist weltweit das führende System.
Im deutschen Rechtssystem kann sich ein Unternehmen selbst von faulen Mitarbeitern nicht trennen. Der Irrwitz: Die „verhaltensbedingte“ Kündigung setzt den Nachweis durch den Arbeitgeber voraus, dass der Mitarbeiter fauler bzw. schlechter in seiner Arbeitsleistung geworden ist. Pfeife reicht nicht, er muss zur Superpfeife geworden sein.
Italien geht allerdings einen noch extremeren Weg: Entscheidet sich ein Konzern zur Verschmelzung oder Betriebsübergang, so hat der Arbeitgeber eine Abfindung an den Arbeitnehmer zu zahlen, selbst wenn sich eben nur der Firmenname geändert hat. Nur die Italiener wundern sich da, dass kaum noch Direktinvestitionen in das Land fließen.
Signing Fees sind in manchen Branchen und Berufsgruppen üblich. Es hängt immer von der Marktmacht ab. Dagegen ist nicht prinzipiell etwas zu sagen, außer: so ist eben Markt.
„Signing Fees sind in manchen Branchen und Berufsgruppen üblich. Es hängt immer von der Marktmacht ab. Dagegen ist nicht prinzipiell etwas zu sagen, außer: so ist eben Markt.“
Schon, aber es macht den Markt auch träger, zumindest hier. Soviele Firmen, die Signing Fees zahlen, gibt es nicht, aber es gibt viele Arbeitnehmer, die gerne wechseln würden, aber es nicht machen, da sie auf eine Abfindung in einer fernen Zukunft hoffen.
Interessant. Davon habe ich noch nie gehört, dass es dadurch auch zu Lock-in-Effekten kommen kann.
Was machen Sie denn in Mexiko? Das hört sich spannend an.
Sie meinen, was ich persönlich mache? Ich bin kaufmännischer Leiter der Niederlassung einer deutschen Firma im Bereich Maschinenbau.
Und ja, Mitarbeitern, die schon länger in einer Firma arbeiten (vielleicht größer 10 Jahre), fällt es schwer, zu wechseln. Die fällige Abfindung ist für viele einfach zu verlockend, obwohl sie meistens gar nicht kommt, da sie schlicht nie entlassen werden. Sie machen das nur, wenn das Gehalt in der neuen Firma deutlich über dem aktuellen liegt. Aber nicht, wenn man einfach unzufrieden mit der Firma, dem Chef oder der Arbeit ist.
Oh, da sind wir Kollegen! Seit wann sind Sie in Mexiko?
In Mexiko seid Ende 2001, und bei meiner jetzigen Firma seit 2010.
*seit (ich kann schon kein Deutsch mehr)
Puh, beeindruckend. Sie werden aber nicht mehr nach westeuropäischem oder gar nordamerikanischem Gehaltsniveau der Firma bezahlt, oder?
Würden Sie noch einmal nach Deutschland zurückkommen wollen?
Ich war nie Expat, da ich nach Mexiko der Liebe und nicht der Arbeit wegen gekommen bin. Schon von Anfang an bin ich also nur nach lokalen Maßstäben bezahlt worden.
Und nein, solange hier kein Bürgerkrieg ausbricht, komme ich nicht nach Deutschland zurück.
Ich muss ganz ehrlich sagen, ich bin zu sicherheitsorientiert, um Wechsel allzusehr in Betracht zu ziehen und kenne das in meinem Umfeld häufiger. Nur anekdotisch.
Welchen Preis ist Dir die Arbeitsplatzsicherheit wert? 10 Prozent Abzug von dem normalen Marktgehalt? 20 Prozent? 30 Prozent oder gar 50 Prozent?
Sicherheit hat einen Preis. Und den muss derjenige zahlen, der nach Sicherheit verlangt.
Wenn man das immer vorher wüsste und bepreisen könnte….und ja, weiß ich, nie bezweifelt.
Das ist eine ganz persönliche Frage.
Es ist der Job von Profis, dieses jeweils zu berechnen: Bei der Geldanlage, bei der persönlichen sozialen Sicherheit, bei der Panzerung von Fahrzeugen usw. Du solltest schon wissen, was Dir die Sicherheit des Jobs wert ist.
Ich jedenfalls könnte Dir ungefähr meinen Aufschlag nennen für die Unsicherheit, die ich immer wieder in Kauf nehme. Der beläuft sich auf 50 bis 150 Prozent.
Der beläuft sich auf 50 bis 150 Prozent.
Glückwunsch. Das ist eine Grössenordnung, die 90% der Leute in vergleichbaren Situationen (nicht beruflichen Positionen) nicht hinbekommen. Und von daher als Vergleichsparameter völlig praxisuntauglich.
Das ist so ein bisschen das Thema, worauf ich bei der Mittelschichtendiskussion auch immer wieder raus will: es ist nicht repräsentativ für die breite Masse.
Was ist ein Arbeitsplatz wert? Sie meinen, kein doppeltes Gehalt? Fragen Sie mal Selbständige. Mein Unternehmen beschäftigt für die gleichen Aufgaben eigene Mitarbeiter sowie Freelancer. Auch dort sind solche Kategorien und noch weit mehr üblich.
Mein Job ist mit großen Unsicherheiten behaftet. Das habe ich über die Jahrzehnte zu spüren bekommen. Wie soll die Rechnung funktionieren, wenn ich dieses offensichtliche Risiko nicht mitkalkulieren würde?
Aber wie gesagt, darum ging es bei meiner Frage nicht. Mein Vater beklagte sich immer, dass er als Beamter weniger verdiente als andere in der Privatwirtschaft. Ich hatte ewige Diskussionen mit ihm darüber. Dabei hätte er es besser wissen können: Als junger Mann arbeitete er bei Kleinunternehmen. Wegen seiner körperlichen Erkrankungen als Kriegskind waren im und meiner Mutter der Job im Staatsdienst sicherer.
Meine Mutter kompensierte das dann auf der Einkommensseite, in dem sie ihre Schneiderei zu einem florierenden kleinen Geschäft in dem Badeort ausbaute, in dem ich aufgewachsen bin: Bad Orb.
Sorry Herr Pietsch, ja, ich kenne die Freiberufler, von denen Sie sprechen, genau. Natürlich. Aber da ich im Projektmanagement Infrastruktur-/Anlagenbau an der exakten Schnittstelle zwischen oben und unten arbeite, kenne ich auch all die anderen – und das sind deutlich mehr. Auch die ganzen Beschäftigten der Personalvermittler fallen ja in die Kategorie „Unsicherer Job“, ein guter Teil von denen de facto Freiberufler in einer temporären Anstellung, um als ANÜ vermittelt werden zu können.
Und wir reden hier vom Anlagenbau, nicht vom z.B. Eventmanagement oder „Irgendwas mit Medien“, wo Freiberuflerraten gezahlt werden, für die ich selnbst als Festgehalt nicht mehr aus dem Bett aufstehen würde 🙂 .
… es ist nicht repräsentativ für die breite Masse …
Stefan Pietsch Gehaltskategorien sind natürlich nicht repräsentativ für die breite Masse, das weiss er seit einer kürzlichen Diskussion auch selbst. Trotzdem reicht das nicht für eine wirklich überzeugende Unterscheidung, die meisten in seiner Gehaltskategorie und drüber sind Mittelschichtaufsteiger. Und man kann da übrigens auch sehr schnell wieder absteigen, ich persönlich kenne mehrere Vorstände von Tochterfirmen grosser Unternehmen, die nach Entlassung wegen Abspaltung, Pleite oder Gesundschrumpfen mehrere Gehaltsklassen zurückstecken mussten. Wir reden da ganz nebenbei von Halbierung oder Drittelung ihres vorherigen Einkommens.
Eine eigene Gruppen-Bezeichnung für eine temporäre, offene, Einkommensklasse macxht einfach überhaupt keinen Sinn. Ausser man verfolgt einen offensichtlichen politischen Zweck natürlich.
Gruss,
Thorsten Haupts
Das hängt aber auch stark von der Untenehmensgröße ab. Als ich 2003 von meiner damaligen Softwarebude entlassen worden bin, erhielt ich eine kleinere Abfindung und das wars dann.
In Großunternehmen sieht das natürlich ganz anders aus. Da gibts aber die Praxis, dass insbesondere Führungskräfte keine Aufgabe mehr bekommen und sich den ganzen Tag an einen Schreibtisch ohne Internet setzen müssen und keinerlei Medien konsumieren dürfen. Irgendwann sind die weich geklopft. Gibts aber nur für Führungskräfte, ist aber da nicht oft aber real. Im chilenischen Netflix hatte ich letzten Monat eine koreanische Kommödie gesehen, in der das auch Praxis war.
Im Vergleich zu Mexiko gibts in Deutschland ja noch eine ganz okaye Arbeitslosenversicherung. In Chile sind das afaik 3 Monate. Im ersten Monat gibts 80%, im zweiten 60% und im dritten 40% des Gehalts. Zusätzlich zur dort auch üblichen Abfindung. In Deutschland bekäme ich ja selbst als ein echter Fan der Arbeitslosenversicherung (freiwillig versichert) immerhin >2300 Euro für 24 Monate als Freiberufler.
Umgangssprachlich heisst das finiquito. Gibts aber afaik keine XP Punkte auf Duolingo. Die gamefication hat mich übrigens auch voll gepackt, allerdings sollte ich da echt mehr Polnisch machen.
Die Abfindungshöhe? Nein. Wie gesagt, das Kündigungsschutzgesetz sieht keine Abfindungsregelungen vor, deswegen kann von Richtern auch keine zugesprochen werden. Die Abfindung gibt es nur bei der außergerichtlichen Einigung oder bei der Aufsetzung eines Sozialplans. Dies ist aber auch nicht an die Unternehmensgröße gebunden, wenn wir von kleinen Unternehmen mit 10 Mitarbeitern absehen.
Die Möglichkeiten, unliebige Mitarbeiter so abzuschieben, wie Du es schilderst, sind sehr begrenzt. Laut BAG-Urteilen muss dem Arbeitnehmer eine adäquate Tätigkeit zugewiesen werden. Ihn zum Nichtstun zu verdammen, ist mit geltendem Recht nicht vereinbar. Und deswegen steht es heute üblicherweise in den Arbeitsverträgen.
Als Finanzchef bin ich vom Vertrauen von Eigentümern, Konzernleitung und Geschäftsführung abhängig. Ist dieses nicht gegeben oder verschwunden, kommt es immer zur Trennung. Nur, fehlendes Vertrauen ist kein Trennungsgrund laut Kündigungsschutzgesetz. Richter zeigen sich aber durchaus einsichtig, allerdings gegen entsprechende Höhe der Abfindung.
Ich hatte damals keine Anwalt aufgesucht. Das war in der dot.com Krise 2003 und das Unternehmen befand sich in einer ernsten Schieflage. Zwei Monatsgehälter fand ich ok. Es sind düstere Dinge passiert. Ich wurde bei einem Kunden durch einen anderen Consultant ersetzt und die waren nicht glücklich damit. Damals war mein mindset eher neoliberal.
Ich weiss definitiv, dass ein deutscher Großkonzern schon mal in Ungnade gefallene Führungskräfte zum Nichtstun verdammt. Selten, aber es kommt vor.
Jeder ist von dem Vertrauen der Auftragsgeber abhängig. Als Freiberufler bist Du sowieso jederzeit kündbar, auch wenn der Vertrag noch läuft. Manchmal fand ich das bei anderen ungerecht.
Jeder Personalverantwortliche – auch in kleinen Unternehmen – kennt die Tarife. Und wenn nicht, klärt der Wald-und-Wiesen-Anwalt des Eigentümers auf. Den haben selbst Kleinunternehmer.
Mein Punkt ist: Das heutige System schadet den einfachen Angestellten, die einfach nur arbeiten wollen. Mehr noch, das ist meine Erfahrung aus über 20 Jahren, in denen ich Menschen gekündigt habe. Deswegen greife ich argumentativ Leute wie CitizenK an, sie pflegen ein pseudo-soziales Denken, das seltsamerweise immer auf das Konto der Cleveren einzahlt. Entweder ist das unfassbar naiv oder unehrlich. Und am Ende kann er nicht einmal zu seiner Meinung stehen.
Ich kann anderen Menschen nicht zumuten, mit mir arbeiten zu müssen, wenn sie das definitiv nicht wollen. Wir zwingen schließlich auch keinen Menschen, mit jemanden zusammenzuleben, den er nicht mag. Oder Menschen zu pflegen, wenn er das ablehnt.
Sicher gibt es solche Geschichten. Es ist die letzte Patrone, einen unliebsamen Mitarbeiter loszuwerden. Nur haben die Gerichte das praktisch verboten. Es ist eine der leichteren Fingerübungen, sich gegen eine solche Behandlung zur Wehr zu setzen. Und am Ende treibt auch das nur den Abfindungsanspruch – wenn man die Nerven behält.
Aber ingesamt kann ich sagen, dass es sich gut damit leben lässt.
Ja. Würde Gerichte entlasten, die Vorteile der Cleveren reduzieren, jede Menge bürokratischen Aufwand sparen und das Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer entkrampfen. Kurz, die Arbeitswelt vereinfachen. Deshalb wollen Linke das ja auch nicht.
Gruss,
Thorsten Haupts