Bei einem Gespräch mit Bekannten stellte jemand (nicht Lehrkraft) die böse Frage: warum sind die Schulen so schlecht? Die Frage nahm natürlich Bezug auf die zahlreichen Hiobsbotschaften bezüglich des durchschnittlichen Niveaus der Deutschkenntnisse der Schüler*innen in Deutschland, die, höflich ausgedrückt, verbesserungsfähig sind. Besonders die Rechtschreibfähigkeiten stehen seit mittlerweile deutlich über einem Jahrzehnt im Fokus, aber auch bei anderen Kernkompetenzen sind die Werte nicht gut. Beklagt wird auch gerne die Studierfähigkeit, besonders bei Mathematik, wo die Kenntnisse für das erste Semester selbst bei guten Abiturient*innen unzureichend sind. Die Antworten, die man auf diese Frage bekommt, laufen üblicherweise in zwei Richtungen: einerseits werden die Grundschulen verantwortlich gemacht, in denen eine fehlgeleitete Didaktik (Stichwort „schreib wie du es hörst“) zu einem Flächenschaden bei der Rechtschreibung geführt habe, und andererseits Menschen mit Migrationshintergrund, die es wahlweise an der richtigen Einstellung vermissen ließen oder aus anderen Gründen zurückfielen. Ich will versuchen, eine eigene Antwort auf die Frage zu geben, inklusive einer Klärung dessen, was die Frage eigentlich ist. Denn das ist gar nicht so einfach, wie man denkt. Aber ich greife vor.
Seit dem ersten PISA-Test 2000 gehören Klagen zum relativen Stand des deutschen Bildungssystems fest zur Diskussion. Passiert ist seither viel und gleichzeitig wenig. Obwohl bereits zwei komplette Generationen Bildungsplanüberarbeitungen durch das System liefen (am baden-württembergischen Gymnasium 2004 und 2016), beständig Forderungen nach neuer Didaktik erhoben werden und offensichtlich reformiert wird, trudelt Hiobsbotschaft um Hiobsbotschaft ins Haus. Die PISA-Studien hoben dabei stets auf die in Deutschland besonders ausgeprägte soziale Schichtung ab: in wenig anderen Ländern hängt der Bildungserfolg so sehr vom Elternhaus ab. Das hat Gründe, auf die wir noch eingehen werden. Die IGLU-Studien zeigten starke Defizite im Grundschulbereich, die vor allem in den Grundfertigkeiten des Lesens und Schreibens sowie der Mathematik (übrigens auch ein Problem bei Erwachsenen) bestanden. Die in jüngerer Zeit hinzugekommenen IQB-Studien zeigen zudem, dass diese Defizite in der Mittelstufe weiter existieren – Ergebnisse, die auch PISA bereits herausgearbeitet haben, die im IQB-Rahmen aber deutschlandspezifischer untersucht werden.
Die Ergebnisse der jüngsten IQB-Studie sind in diesem Interview mit der IQB-Direktorin Stranat gut dargestellt, das ich hier kurz zusammenfassen will:
Der „IQB-Bildungstrend 2022“ zeigt einen drastischen Rückgang der Deutschkompetenz von Neuntklässlern in Deutschland. In den Bereichen Lesen, Orthografie und Zuhören gibt es einen signifikanten Rückgang, vergleichbar mit einem Lernrückstand von einem bis zwei Schuljahren im Vergleich zu 2015. Überraschenderweise haben die Schülerinnen und Schüler jedoch in Englisch deutlich zugelegt. Der Leseverstehen stieg um 22 Punkte, das Hörverstehen um 23 Punkte. Die Untersuchung basiert auf mehr als 35.000 Schülern in allen 16 Bundesländern. Besonders negativ sind die Ergebnisse in Deutsch, während in Englisch eine positive Entwicklung festgestellt wurde. Es wird vermutet, dass die verstärkte Nutzung von Englisch außerhalb des Unterrichts während der Pandemie dazu beigetragen haben könnte. Es gibt auch soziale Disparitäten, wobei Kinder aus benachteiligten Verhältnissen größere Rückgänge in Deutsch, aber stärkere Fortschritte in Englisch aufweisen. Der Lehrermangel und die Einwanderung spielen ebenfalls eine Rolle. Die Bildungsgerechtigkeit in Deutschland entfernt sich weiter vom Ziel, trotz Bemühungen der Bildungspolitik. Es wird betont, dass grundlegende Kompetenzen im Lesen und Schreiben entscheidend sind, und es wird aufgefordert, die Mindeststandards zu sichern und sicherzustellen, dass alle Schülerinnen und Schüler diese erreichen. Das „Startchancen“-Programm wird als Chance betrachtet, wenn es sich auf die evidenzbasierte Förderung grundlegender Kompetenzen konzentriert und wissenschaftlich begleitet wird. Es wird darauf hingewiesen, dass Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Bildungsgerechtigkeit zu verbessern und den Abwärtstrend umzukehren.
Soweit, so schlecht. Wo also liegen genau die Probleme? In Nordrhein-Westfalen, einem der großen Verlierer der Studie, hat ihr Erscheinen zu gegenseitigem Fingerzeigen geführt, das nichts desto trotz einige relevante Punkte enthält. Das Problem ist, dass dieses Fingerzeigen im Politikbetrieb stattfindet und dadurch stark parteipolitisch geprägt ist; die Bildungsmisere wirkt so wie ein Spiegel, in dem die jeweils eigenen Prämissen bestätigt gefunden werden. Dazu kommt, dass die Natur der Bildungspolitik ist, dass sie jede Person irgendwie berührt: entweder war man selbst für dreizehn Jahre Teil des Systems, oder man hat zusätzlich noch eigene Kinder darin (oder kennt wenigstens jemand, der Kinder im System hat). Diese persönliche Erfahrung färbt viele Voreinstellungen zum Thema, da die eigene Identität betroffen ist, und wo Identität betroffen ist, sind Debatten besonders harsch. Dazu kommt noch, dass sich viele Personen für Expert*innen auf dem Feld halten, die qua ihrer persönlichen Erfahrung qualifiziert sind, weitreichende Urteile vorzunehmen. All das kompliziert die Debatte im Vergleich und lädt sie ungemein auf.
Ich habe daher versucht, die wichtigsten Gründe, die in der Debatte immer wieder genannt werden, zu destillieren und so neutral wie möglich darzustellen. Diese Liste ist natürlich nicht erschöpfend, stellt aber erst einmal eine Diskussionsgrundlage dar, damit wir uns überhaupt darin einig sind, was eigentlich das Thema ist. Auf diese Art und Weise kann ich im Folgenden immer wieder auf die Punkte rekurrieren. Ich will daher versuchen, im Folgenden häufig genannte Ursachen zu bündeln, ehe ich Stellung dazu zu beziehen.
1) Die Grundschulen
Ich habe es bereits angeteasert: Die Grundschuldidaktik steht bereits seit vielen Jahren in der Kritik. Ein Schwerpunkt davon ist die Vorstellung, dass das Beibringen von Rechtschreibung zugunsten von freieren bzw. selbstbestimmteren Formen des Lernens funktionieren sollte. Zentral ist hier die Idee, dass die Kinder Schreibhemmungen überwinden sollten, indem sie sich zuerst an das Schreiben gewöhnten und dann seine Regeln verinnerlichten. Bezüglich Mathe gibt es keine solche Theorie; die Defizite hier werden eher im großen zweiten Kritikpunkt subsumiert, nach dem zu wenig Leistungsdruck, zu wenig Verbindlichkeit im System bestünde.
2) Die Migration
Die in den letzten zehn Jahren stark gestiegene Migration nach Deutschland steht hier besonders im Fokus, aber eigentlich liegt das Thema seit den frühen 1990er Jahren auf dem Tablett. Hier gibt es im Endeffekt auch drei Grundströmungen: einerseits, dass viele (aber nicht alle!) migrantischen Communities tendenziell eher bildungsfern sind, was vor allem für die arabischstämmigen Gruppen gilt, andererseits aber das schlichte statistische Phänomen, dass Menschen ohne Deutschkenntnisse wohl die durchschnittlichen Deutschkenntnisse nach unten ziehen werden. Zuletzt sind diese Menschen meist eher in schlechteren soziökonomischen Verhältnissen beheimatet und daher doppelt benachteiligt.
3) Die Ausstattung
Ein Dauerpunkt der Kritik ist die Ausstattung des Bildungssystems. Verrotende Infrastruktur von Toiletten über Klassenzimmerdecken und -wände, fehlende digitale Mittel und so weiter sind kein Faktor, der sonderlich hilfreich ist. Vor allem beim Digitalen fehlt es an allem: funktionierendes WLAN in der erforderlichen Stärke und Geschwindigkeit; nutzbare Endgeräte für alle Schüler*innen; die entsprechende Software; das Personal, das diese Geräte wartet (die Vorstellung, eine Lehrkraft könne dies mit ein bis zwei Deputatsstunden nebenbei bewältigen, ist völlig absurd, siehe auch 5)); und so weiter. All das ist nicht vorhanden.
4) Lehrkräftemangel
Eher in jüngerer Zeit kam der Lehrkräftemangel hinzu. Besonders in den Grundschulen, aber zunehmend auch in allen anderen Schulformen fehlt es an Lehrkräften, vorrangig in den MINT-Bereichen. Dadurch entfallen viele Stunden, während die Qualität des Unterrichts insgesamt leidet. Die Gründe für den Lehrkräftemangel sind Legion: unattraktive Gehälter vor allem für MINT-Absolvent*innen, das geringe Ansehen des Berufs, unattraktive Strukturen, hohe Arbeitszeiten, Stressbelastung, mangelnde persönliche Eignung, fehlende Berufung, mangelnder Idealismus und viele mehr.
5) Verkrustete Strukturen
Die Beamten- und Behördenstruktur der Schulen steht neuen Ansätzen und Lösungsideen im Weg. Der Top-Down-Ansatz einerseits blockiert mögliche gute Ideen, während der Beamtenstatus es schwermacht, Minderleister loszuwerden. Gleichzeitig sind die flachen Aufstiegshierarchien kein Anreiz für MINT-Absolvent*innen, in den Lehrberuf zu gehen.
6) Covid
Die Corona-Pandemie hat mit Schulschließungen, Fernunterricht und sozialer Isolation zu riesigen Lücken bei einer ganzen Generation geführt, die nun Stück für Stück durch das Bildungssystem nach oben wandern. Die Qualität des Fernunterrichts war hundsmiserabel, oft gab es keine Infrastruktur dafür (siehe 3)) und die Kinder und Jugendlichen haben soziale Entwicklungsschritte verpasst.
7) Verweichlichung
Eher von konservativer Seite hört man ein Bündel an Kritikpunkten, das ich etwas plakativ als „Verweichlichung“ fassen würde. Es wird den Kindern und Jugendlichen zu wenig zugetraut und abverlangt, der Leistungsgedanke steht zu wenig im Vordergrund, Helikoptereltern mischen sich zu sehr ein und schirmen ihre Kinder von der Realität ab, es gibt eine Epidemie von Diagnosen angeblicher psychischer Probleme und so weiter.
8) Diversifizierung
Quasi das Gegenteil zur Verweichlichungsthese ist die Vorstellung, dass die Kinder und Jugendlichen heute eine wesentlich heterogenere Gruppe darstellen als früher. Der Bildungsforscher Aladin El-Mafaalani hat das als „Superdiversität“ beschrieben. Die in 2) genannte Migration ist dafür ein Grund, durch die die deutsche Gesellschaft diverser wurde, aber auch die Liberalisierung und Individualisierung der letzten Jahrzehnte trugen ihren Teil dazu bei.
9) Soziale Stratifizierung
Der Dauerbrenner bei allen Analysen bleibt natürlich auch noch die Feststellung, dass Bildungserfolg in Deutschland ausschlaggebend vom Elternhaus abhängt. Die Gründe, die dafür angebracht werden, sind Legion, aber es steht fest, dass das Phänomen der Brennpunktschulen, komplett unbeschulbarer Kinder und Ähnliches ein Phänomen ist, das zumindest stark mit sozioökonomischer Benachteiligung korreliert.
10) Veraltete Methoden
Ein seit ebenfalls vielen Jahren moniertes Problem ist die veraltete Methodik. Trotz aller Überarbeitungen (siehe die Grundsatzerklärung hier) ist das lehrkraftzentrierte Modell immer noch der Standard, genauso die Vorstellung, dass homogene Gruppen von Kindern und Jugendlichen homogenen Stoff in homogenen Tests für homogene Ergebnisse abgefragt bekommen. Auch die Prüfungskultur selbst ist veraltet und stellt trotz aller Lippenbekenntnisse das Reproduzieren auswendig gelernten Wissens in den Vordergrund.
Soweit die Faktoren, die von den verschiedensten Seiten als Gründe für die Schulmisere genannt werden. Einige dieser Gründe schließen sich gegenseitig ein wenig aus, andere sind problemlos komplementär; manche sind eher sekundär, andere ursächlich. Ich will versuchen, meine eigene Einschätzung zu geben, inwieweit das alles zutreffend ist oder auch nicht.
Weiter geht es in Teil 2.
Wo siehst Du den Themenkomplex: Überforderung durch Inklusion – ich kann jetzt nur für NRW sprechen – hier hat man das Thema Inklusion / gemeinsames Lernen in die Schulen (insb. die Grundschulen) gepusht. jedoch hapert es häufig an der Umsetzung, so dass es Eltern gibt, die dem Ansatz vom gemeinsamen Lernen kritisch gegenüberstehen, da sie Sorge haben, dass die Kinder von den Förderkindern „gebremst“ werden.
Bezogen auf Deine Aufzählung ist das in meinen Augen ein Querschnittsthema: Schulen fehlen ausreichend Sonderpädagogen und Know-How, die Ausstattung der Schulen ist auf Förderkinder nicht optimal ausgelegt (digitale Hilfsangebote können nicht ausreichend genutzt werden) und nicht zuletzt ist es ein Diversifizierungsthema.
Ich habe als Vater eines Förderkindes Glück an einer Grundschule gelandet zu sein, die bei dem Thema vergleichsweise gut aufgestellt ist, die eben ausreichend Know-How und Kompetenz haben. Die Umsetzung hapert teilweise an den vorhandenen personellen Ressourcen, aber im Vergleich mit Freunden und Bekannten, die KInder mit vergleichbaren Herausforderungen an anderen Schulen unterwegs sind, leben wir noch auf der Insel der Glückseligkeit.
Der kommt in Teil 3 🙂
Wie so oft bewertest Du bereits in der Analyse Deinen eigenen Bereich sehr soft, was sicher bis hoch in die oberen Leitungsetagen gilt. Menschen und Organisationen verbessern sich jedoch nur bei harter Generalkritik und Konsequenzen – die immer auch mit ganz persönlichen Konsequenzen einhergehen. Im Öffentlichen Bereich kennt man das kaum, weshalb sich auch andere Institutionen wie z.B. der ÖRR kaum verbessern.
1) Die Grundschulen
Ich lerne gerade autodidaktisch mit Spanisch eine weitere Fremdsprache. Die Idee, erst nach Gehör zu schreiben, alles andere ergäbe sich später, ist eine solch didaktische Dummheit, auf die wahrscheinlich nur deutsche Ideologen kommen können.
2) Die Migration
Die Standardausrede im System. Die Wahrheit ist: Andere Länder mit vergleichbarer Migrantenquote wie Kanada, Schweiz, die USA oder Großbritannien weisen nicht solche extremen Defizite auf. Anscheinend gehört Migration zu den vielen Dingen, die wir nicht können.
3) Die Ausstattung
Hm, wie machen das eigentlich kleine Unternehmen, die sich auch nicht Experten für alles leisten können? Vielleicht zukaufen? Der Staat (sic!) gibt längst Milliarden Euro aus, um seine digitale Infrastruktur auf Vordermann zu bringen und kauft IT-Kompetenz von externen Dienstleistern ein. Die Klagen sind wohlfeil, offensichtlich sitzen an manchen Stellen des Öffentlichen Dienstes zu viele Pfeifen.
4) Lehrkräftemangel
In der gesamten westlichen Welt schrumpft die Workforce. Tatsächlich steigert der Öffentliche Dienst seit Jahren die Anzahl seiner Beschäftigten und ist damit in einer höchst komfortablen Lage. Die Beantwortung der Frage, warum vor allem in den MINT-Fächern ein so großer, nicht befriedigter Bedarf herrscht, nicht jedoch in Fächern wie Sozialkunde, Politik und Deutsch, wäre sicher auch interessant.
Zu viele für ihren Job ungeeignete Lehrer, diese Klage gab es übrigens schon vor 40 (!) Jahren. Man sieht, wie schnell der öffentliche Bereich auf Fehler reagiert…
5) Verkrustete Strukturen
(..) während der Beamtenstatus es schwermacht, Minderleister loszuwerden.
Schöner Euphemismus. Das Wort „unmöglich“ gehört an die Stelle von schwermachen. Es gibt kaum ein OECD-Land, dass im Schulwesen auf Beamtentum und Ewigkeitsanstellungen setzt.
6) Covid
Auch hier ist die Analyse maßlos geschönt. Das Problem war zweigeteilt: Zum einen ist Fernunterricht ganz offensichtlich keine gute Idee für Minderjährige. Anwesenheit lässt sich beim kindlichen Lernen nicht ersetzen. Ausgerechnet Deutschland setzte besonders lange auf diese spezielle Form der Kindesmisshandlung – und die große Mehrheit der Lehrer forderte genau das.
Zum anderen verschärfte die Pandemie die soziale Spaltung im Kinderzimmer, auch das unter der stillschweigenden Zustimmung der meisten Lehrer.
Es ist doch bemerkenswert, dass selbst wesentlich ärmere Länder wie Uruguay das wesentlich besser hinbekommen und sämtliche Schüler mit Tablets ausstatten konnten. Warum können wir Deutschen so was nicht? Selbstkritik?
7) Verweichlichung
Dass an dem Punkt was dran ist, erleben junge Menschen spätestens, wenn sie auf Gleichaltrige aus Südostasien treffen. Ganz besonders deutlich zeigt sich das heute im Leistungssport, wo deutsche Sportler trotz vergleichbarem Talent völlig einbrechen. Selbstkritik?
10) Veraltete Methoden
Eher könnte das Problem sein, dass sich Schule zu Tode modernisiert hat. Immer andere Schulformen, immer andere Unterrichtsformen sind sicher kein Weg, den Bildungserfolg zu steigern.
Du schießt zu schnell. Dieser Teil der Serie fasst die Kritik ja nur zusammen, ich nehme ja noch gar keine Stellung dazu. Das kommt in Teil 2. Daher nur superkurze Anmerkunge an dieser Stelle:
1) Ich lerne gerade auch Spanisch. Duolingo?
Okay, mag sein. Ich sage ja nur, was mich bereits bei der Analyse störte / fehlte.
1) Bingo.
Ich hoffe, es kommt für dich noch genug 🙂
Na, das macht mich ja neugierig, nachdem ich so losgeholzt habe. 😉
🙂
Euch fehlen da natürlich Vokabeln, aber das erste was ich in Spanisch verstanden habe waren Polit-Sendungen.
Also sowas hier in youtube:
https://www.youtube.com/playlist?list=PLbcHNuPXAd-lHCsWatGFnYeQEZ1b3gXVn
und da dann Untertitel anschalten und automatisch in Deutsch übersetzen lassen.
Die sprechen sehr deutlich, verschlucken nur etwas die s-Laute.
Oder commedy Vielleicht noch einfacher: Auf youtube „Ricarda Hausmann en castellano“ suchen. Die hat mehr auf Englisch, aber es ist einfach zu verstehen und unterhaltsam.
Hab mir mal duolingo auf Spanisch angeschaut. Die scheinen die iberisch-spanische Aussprache zu ignorieren, was gut ist. Spanisches Kastilisch klingt für mich wie Pfälzisch in Deutsch.
Duolingo ist ziemlich cool, aber es zeigt für mich deutlich die Grenzen jeden Fremdsprachenunterrichts: wenn du nicht kontinuierlich dabei bleibst, wirst du wahnsinnig schnell abgehängt, und ohne ständigen Gebrauch ist Dabeibleiben echt schwer.
Mich Erstaunen immer die Fähigkeiten in gesprochenen Deutsch von Niederländern und Dänen. Schriftlich nimmt das Niveau zumindest bei Niederländern deutlich ab.
Das hat – neben der Nähe der Sprachen – eine einfache Erklärung: Die haben immer viel deutsches Fernsehen geschaut.
Meine Theorie ist: Man sollte etwas finden, das nicht zu schwierig ist und die persönliche Neugierde weckt. In meinem Fall wäre es, polnische Nachrichten zu verstehen. Versuch ich jetzt mal.
Duolingo hilft, hat aber Grenzen. Hab mal in Quora gelesen, dass damit alleine allenfalls B1 Level und vermutlich eher A2 möglich ist. Ich hatte seit gestern in 2 Lektionen Duolingo mit Selbsteinschätzung als Experte alles richtig und mein Spanisch ist gut, aber nicht perfekt.
Ich finde das passive Verständnis wird wesentlich besser als das aktive; das ist beim Fremdsprachenunterricht auch so.
Zu 9)
Es mag jemandem, der noch deutlich vor der Gen Z geboren wurde, merkwürdig erscheinen, aber es mehren sich die Zeichen, dass diese Art von Sport – Messungen, Wettkämpfe, Medaillen, Sportübertragung, Interesse an Sport-Großevents wie WM, EM und deren kanonisierten Disziplinen, Identifikation mit nationalen Repräsentanten – merklich geringer ausgeprägt ist als in vorherigen Generationen. Entsprechend fühlt sich wie Verfall an, was vermutlich zum großen Teil eine Verlagerung von Aufmerksamkeit ist und wo ein Bewertungswandel vorliegt. Hierbei hndelt es sich natürlich um Durchschnitte.
Wie man von Sport auf die Leistungsbereitschaft einer ganzen Generation oder auf die Leistungsbereitschaft eines Individuums in anderen Bereichen als Sport schließen will, ist und bleibt mir schleierhaft. Aber das werden Sie wieder als Argument für Ihre Superpauschalthese anführen…
Wenn ein Grossteil meiner Generation a weng neugierig wäre und dem Thema E-Sport (aka Gaming) ein wenig Aufmerksamkeit schenken würde, käme dieser Grossteil zumindest für Jungs nicht mehr auf die abwegige Idee, es würde an Wettbewerbsgeist fehlen 🙂 .
Stimmt! An Gaming hatte ich wieder nicht gedacht – eine partielle Amnesie, vermutlich induziert durch die postmediale Belustigungsstörung durch die ganzen Das-Leistungsprinzip-wird-ausschließlich-durch-die-Bundesjugendspiele-aufrechterhalten-Takes der letzten Monate. (Bin gespannt, ob ich in 30 Jahren ähnliche Reden schwinge, weil 3. Fremdsprachen technisch obsolet geworden sind o.ä.)
😀 😀 😀
Ich kenne niemanden und habe nie jemanden kennengelernt, der bei einem Wettkampf nicht Erfolg haben und gewinnen wollte. Die GenZ ist da zweifellos liberaler – in Deutschland.
Sie missinterpretieren etwas: Die Aufmerksamkeit von Fans wandert, wenn Menschen erfolglos sind. Deswegen hat Bayern München die meisten Fans und nicht der HSV. Wenn die Männer-Nationalmannschaft bei jeder WM in der Vorrunde rausfliegt, die Frauen es ihnen gleichtun und die U21 nachzieht, fragen sich die Leute schon, warum sie sich die Nullen (in der Tabelle) ansehen sollen. Die Tabelle umdrehen, ist ja auf Dauer auch keine Lösung.
Abgesehen davon, dass mir das zu pauschal ist (warum schauen Sie sich denn die Nullen noch an und verlieren das Interesse nicht?): Sie erklären immer noch nicht, warum der Platz in einer Sporttabelle soooo wichtig sei. Gut, andere könnten über uns lachen…
Ja, es ist so richtig toll, immer Loser zu sein. *Augenroll*
Sie haben eine sehr unique Sicht. Ist ja ein freies Land…
Wenn Erfolg bei allen das Primärziel ist stellt sich die Frage, warum es auch Fans von anderen Vereinen als Bayern München, geschweige denn Zweitligisten und darunter, gibt. Oder warum eigentlich auch viele Leute völlig aussichtslos in ihren Sportarten an Wettkämpfen teilnehmen.
Gute Frage. Der Spitzensport dient nationaler Prestigesucht und dem Kommerz.
Dies ist eher einzudämmen denn als Paradigma für alle gesellschaftlichen Bereiche zu empfehlen.
Ja, Erfolg. Aber Ihre Sicht ist da schon seltsam.
Überall teilen wir nach Leistungsklassen ein, um einen fairen Wettkampf zu ermöglichen. Der HSV wird auf absehbare Zeit nicht die Champions League gewinnen können, schon weil er sich als Zweitligist nicht für diesen Wettbewerb qualifizieren kann.
Aber die Nationalmannschaften der Männer und der Frauen waren für die letzten Weltmeisterschaften qualifiziert. Der DFB-Kader der Männer gehörte in Katar zu den wertvollsten aller Teilnehmer. Dass das Team dann gegen den Wettbewerber Japan verliert und gegen Costa Rica nur mit großer Mühe gewinnt, ist mit dem Talent, dem Wert und der Bezahlung der Spieler nicht zu begründen.
Ich bin seit 1980 Anhänger des 1. FC Köln. Damals war der EffZeh ein deutscher Spitzenclub, gespickt mit vielen Nationalspielern. Erfolg definierte sich über die Teilnahme an internationalen Wettbewerben. Heute zählt der Kader zu den mit den geringsten Werten der Liga. Erfolg definiert sich dann über Klassenerhalt und Anschluss an das Tabellenmittelfeld, aber sich nicht mit Abstieg.
Ich hatte nie Aussicht, Finanzvorstand eines DAX-Unternehmens zu werden. Meine Erfolgskriterien sind andere, aber sie bestimmen sich sowohl durch Wettbewerb als auch anhand fester, messbarer Kriterien. Erfolg und Misserfolg ist in meinem Job (wie den meisten) messbar.
Wer unter seiner Qualifikation bleibt, kann nicht behaupten, erfolgreich zu sein. Das können Sie übrigens schon in der Bibel nachlesen, Jesus stand auf Siegertypen (Gleichnis von den Talenten). 🙂
In erster Linie haben die meisten Menschen wohl erstmal Spaß am Sport ansich bzw. an der Erbringung einer bestimmten Leistung. Und Sie als Fan bzw. Zuschauer wollen doch vor allem gute und spannende Spiele sehen? Oder gucken Sie gar keine Spiele, sondern interessieren sich nur für die Ergebnisse?
Nicht wer Leistungssport betreibt.
Sie sind kein Fußballfan, stimmts? Viele Fußballfans können sehr rabiat werden, wenn der Erfolg fehlt. Fragen Sie mal nach auf Schalke – und das sind schon sehr treue Fans. Oder in Bielefeld, Abstieg im Sommer. Oder holen Sie sich die Aufzeichnung vom letzten Wochenende BVB – Bayern, Endstand 0:4. Bereits zehn Minuten verließen die Zuschauer in Scharen das Stadion, in dem meist bis Spielende ausgeharrt wird. Die hatten anscheinend genug von einem nach objektiven Maßstäben tollen Fußballspiel.
Mordred: Die meisten Fans und auch Zuschauer erwarten Erfolg von denjenigen, wegen denen sie überhaupt eine Eintrittkarte kaufen.
Und als wir beim Bund unsere Spiele gemacht haben, hatten wir auch keine Freude daran, uns über die Kunst von Fehlschüssen zu freuen, sondern wollten treffen. Und schon mal kleinen Kindern beim Jagen nach dem Ball zugeschaut? Die freuen sich total, wenn sie das Runde ins Eckige befördern und sind ganz traurig, wenn das nicht klappt. Denen zu erzählen, es sei doch überhaupt schön, einen Ball treten zu können, beruhigt sie normalerweise nicht.
Achtung, Achtung, hier folgt eine Horizonterweiterung für Sie:
Weniges war mir von Kleinkind an egaler, als wo irgend so ein Ball sich zum jeweiligen Zeitpunkt befand. Doch, doch, es gibt uns. Mehrere in jedem Jahrgang. Beim philosophischen Gespräch in der Ecke des Spielfelds, hin und wieder ein wenig pikiert-amüsiert auf das unerklärliche Ballnachgerenne Ihres Stammes schauend den Kopf schütteln 🙂
Hi,
Kanada, Schweiz lassen auch nicht Hinz und Kunz einfach rein. In Kanda dürfen z.B. in der Regel nur Pärchen aus arabischen Ländern rein. Es wird auch geprüft ob deren Ausbildung für Canda nützlich ist.
Wir machen nicht Fachkräftezuwanderung sondern sind Einreiseland mit attraktivem Sozialsystem für Ungebildete. Wir locken die Falschen an. Die gebildeten Leistungsbereiten gehen, nach Schweiz, Kanda, USA, Neuseland, Australien und auch UK, übrigens netto seit 10 Jahren auch 50.000/Jahr aus Deutschland. Bei uns schwillt der Anteil der Ausländer mit Bürgergeld und anderen Sozialleistungen an und ein weiteres Drittel landet im Niedriglohnsektor der Rest ist abgetaucht oder in irgendwelchen Fortbildungen. Wer nur die Bildungsferne Schichten aus Nordafrika, Syrien und Afgahnistan anlockt braucht sich nicht wundern, dass unser Schulsystem damit Probleme bekommt.
Das ist aber nur ein Add On als Problem, da auch in Schulen mit sehr niedrigem Ausländeranteil die Leistung sinkt. Trotzdem ist der Vergleich mit Kanada und der Schweiz nicht ganz statthaft. In den USA sieht es übrigens in den staatlichen Schulen ziemlich übel aus. Die USA werden durch die Privat Schulen in den Pisatests hochgezogen, gilt auch für UK.
Hi Jens, danke für den Reminder 😉
Peter Scholl-Latour
Vielen Deutschen, vor allem im linken Spektrum, sind selbst die einfachsten Zusammenhänge nicht klar.
Jahrzehntelang arbeiteten sich SPD und Grüne an dem angeblichen Mantra der Konservativen ab, Deutschland sei kein Einwanderungsland. Sie glaubten tatsächlich, wenn man das Gegenteil dessen macht, was man für falsch ansieht, würde es richtig. Nur der letzte Höhepunkt: Die Bundesregierung will ja die Einbürgerung weiter deutlich erleichtern und so schnell ermöglichen wie in keinem anderen OECD-Land. Auf die einfache parlamentarische Anfrage, wie viele der 2015/2016 ins Land gekommenen Flüchtlinge denn bisher den deutschen Pass beantragt hätten, völlige Ahnungslosigkeit.
Wir wissen zwar nicht, was wir tun, dafür aber richtig!
Auf Metaebene ein eleganter Ansatz, dass du – ganz zum Thema passend – erst didaktisch eine „Stoffsammlung“ präsentierst. Deshalb hier noch ohne Wertung einige Stichpunkte von meiner Seite (manches überlappt etwas mit Punkten, die du genannt hast, ist aber imho spezifisch genug):
– Die Stoffmenge, von der am Ende der Schulzeit 90% wieder vergessen werden
– Der Leistungs- und Notendruck, der „richtiges“ Lernen gegenüber „Prüfungslernen“ zurückdrängt
– Die mangelnden Möglichkeiten, den Unterricht an unterschiedliche Persönlichkeitstypen anzupassen.
– Die Ablenkungen: Die Bildschirmmedien haben ein hohes (z.T. bewusst angelegtes) Suchtpotential. Das steht bei Kindern in Konkurrenz zur Schule
– Und natürlich sind folgende Personengruppen wesentlich für die Misere verantwortlich: Eltern, Lehrer, Politiker sowie jede einzelne Generation seit dem ersten Weltkrieg.
Stoffmenge: 100% Zustimmung, gehe ich noch drauf ein.
Richtiges Lernen: 100% Zustimmung
Differenzierung: 100% Zustimmung
Ablenkungen: Ist ein Problem, ja. Da bin ich selbst noch in der Finungsphase.
Personen: Zwangsläufig 🙂
„90% wieder vergessen“
Scheint mir doch etwas übertrieben.
Gilt auch nicht für Methoden.
Und das ist das Entscheidende.
Darauf gehe ich in Teil 3 ein.
Ein konkretes Beispiel: Die aus dem Deutschunterricht bekannte(?) Technik „Analyse lyrischer Texte“. Wir hatten in den letzten Jahren einige (wenige) Fälle, in denen Lyrik Gegenstand politischer Auseinandersetzung wurde ( Gomringer-Gedicht, Böhmermanns Schmähkritik, „Layla“). Hat irgendeiner der Kommentatoren, die diese Themen ad nauseam diskutiert haben, die unterrichteten Techniken angewandt?
Nein! Das nervt mich auch so.
Mein Beispiel: Lösen von Gleichungen. Wer das mal gelernt – und vergessen – hat, kommt leicht wieder rein.
Oder Kartenlesen – die GoogleMaps-Generation kann das nicht mehr.
3 verschiedene Punkte:
„Wer das mal gelernt – und vergessen – hat, kommt leicht wieder rein.“ ist eine richtige Sache. Es erstaunt mich immer wieder, wie schnell nach einem wieder einlesen, die Grundlagen der Schulkenntnisse wieder da sind.
Gleichungen: Bevor eine Gleichung gelöst werden kann, muss man sie doch erst aufstellen. Und da hapert es eben bei vielen, die nicht mit dem systematischen Ansatz beruflich umgehen.
Kartenlesen: Ein guter Prüfstein, welcher Teil der Alltagsfertigkeiten von der Schule kommt. Ich glaube, dass Kartenlesen heute noch wie früher Teil des Schulunterrichts (Sachunterricht Grundschule?) ist. Aber die, die damit wirklich umgehen können, haben das nach meiner Erfahrung woanders (Wanderungen, Militär, Autotouren) in der Praxis ‚richtig‘ gelernt.
Danke für die Artikelserie, interessantes und sehr wichtiges Thema. Freue mich auf die nächsten Folgen!
Gerne!
Du lieber Gott – der wichtigste Grund fehlt, ich fasse es nicht. Irgendjemand im Publikum, der ebenfalls bereits in der Schule von restringiertem und elaboriertem Code gehört hat? Grob vereinfacht – Kinder aus Buldungshaushalten beginnen die Grundschule mit einem Wortschatz von 5.000, Kinder aus entgegengesetzten Haushalten mit einem Wortschatz von 1.500 Worten. Game over, bevor es begonnen hat – das Kernproblem der deutschen Bildungsmisere liegt im Kindergartenalter. Alles danach ist nur noch die verständliche Schwierigkeit von 80% der benachteiligten Schüler, diesen Unterschied auszugleichen. Ja, einigen – den diszipliniertesten, härtesten und fokussiertesten – gelingt das trotzdem, aber es ist ein UpHill-Fight von enormen Ausmassen. Ich konnte die FAZ lesen, bevor ich die Grundschule in der ersten Klasse betrat (was zu einigen Fünfen führte, weil ich mich weigerte, den tödlich langweiligen Unsinn von Buchstabenmalen mitzumachen. Dann intervenierte mein Vater 🙂 )
Gruss,
Thorsten Haupts
Ja.
Ich denke, die empirische Schulforschung sieht diesen Punkt mehr oder minder als gegeben an und konzentriert sich vielfach auf das, was ab Einschulung geschieht bez. noch machbar erscheint.
Davon abgesehen – was tun? (Ehrlich gemeinte Frage). Vorlesepaten? Kindergartenpflicht (soziale Durchmischung beachten)? Eltern beraten oder treten? Überhaupt was „tun“?
Mein Vater konnte auch Zeitung lesen bei Einschulung. Ich nicht, denn ich fand es wohl angenehm, 2 designierte Vorleser zu haben ;-). Was sollten Sie denn stattdessen in der 1. Klasse machen? 🙂
Liebe Grüße
pannaKraweel
Gentleman´s agreement zwischen Schulleitung und meinen Eltern – ich durfte in Lesen/Schreiben und Rechnen schwänzen. Leider hat damals keiner meinen Eltern verraten, dass es auch die Möglichkeit gegeben hätte, eine Klasse zu überspringen.
Immerhin 🙂
Freu dich auf Teil 3 🙂 Es gibt einige Punkte, die in der öffentlichen Debatte kaum vorkommen und die ich für wichtig halte, da gehört der dazu. Ich habe hier (und für Teil 2) nur den Teil des öffentlichen Diskurses zusammengepackt. Wobei der Punkt natürlich mit zu „soziale Stratifizierung“ gehört.
„soziale Stratifizierung“
Im statistischen Mittel wahrscheinlich, aber nicht zwangsläufig. Ich kenne nur persönlich bildungsnahe Einkommens-Unterschichtleute und ziemlich bildungsferne einkommensstarke Leut. Der wirkliche Unterschied ist Bildungsnähe/Bücher im Haus – und der korreliert vermutlich stark mit sozialer Schicht, aber nicht unbedingt ursächlich.
Gruss,
Thorsten Haupts
„Game over, bevor es begonnen hat“
Sehr pointiert. Zu sehr, finde ich. Wenn es so (gewesen) wäre – in den Fünfzigern eine ganze Generation verloren, als die Kindergärten mangels Ressourcen (und Bewusstsein) noch reine Verwahranstalten waren: Eine „Kindergartentante“ (ohne besondere Vorbildung) für 20 oder 30 Kinder. Frühkindliche Bildung wurde erst in den späten 60er Jahren ein Thema.
https://www.kindergarten-museum.de/geschichte
Und falls es doch immer noch so ist/sein sollte: Dann wär’s Zeit für eine Revolution! Umverteilung der (auch materiellen) Bildungschancen 🙂
Sehr pointiert. Zu sehr, finde ich.
Aus meiner Sicht eine nur unwesentliche Übertreibung. Es gibt Gründe dafür, warum die soziale Schichtenmobilität (aka Aufstieg) in Deutschland stark abgenommen hat, seitdem in Unternehmen der akademische Tirtel für Führungskräfte mandatorisch wurde (achtziger).
Sprachvermögen bei Einschulung ist wirklich essentiell. Ich kenne nicht einen einzigen Faktor, dem ich zubilligen würde, einen auch nur annähernd ähnlichen Einfluss auf schulischen Erfolg zu haben, wie diesen.
Und dieser Faktor wäre (technisch) leicht zu korrigieren – mandatorische Vorschule/Kindergarten (zweckentsprechende Ausstattung vorausgesetzt), am besten mit einer Mischung sozialer Schichten. Politisch wäre das zugegeben nahezu ein Selbstmordversuch, weswegen es auch keine Partei ernsthaft anstrebt.
Gruss,
Thorsten Haupts
„Aufstieg) in Deutschland stark abgenommen hat, seitdem in Unternehmen der akademische Titel für Führungskräfte mandatorisch wurde (achtziger).“
Das ist eine spannende These, passt zu meiner Erfahrung/Biografie. Der Aufstieg der Arbeiterkinder in meiner Nachbarschaft auf dem Dorf war möglich durch die Ingenieurschulen: Als Voraussetzung kein Abitur, sondern ein guter Berufsabschluss. Ähnlich bei der Lehrerausbildung, die damals weitaus praxisnäher war.
Auch ein Grund für die Schulmisere, eben gerade erlebt: Meine Tochter (Master Lehramt Realschule) kommt mit einem Text für ein Seminar nicht zurecht. Pseudowissenschaftliches politologisch-soziologisches Geschwurbel. Die eigentliche Aussage wäre mit einem Drittel des Umfangs verständlich rüberzubringen.
Die Akademisierung, die zwanghafte Verwissenschaftlichung ist mehr Fluch als Segen.
„Sprachvermögen bei Einschulung ist wirklich essentiell“
Sicher, aber da kann doch einiges nachgeholt werden.
„mandatorische Vorschule/Kindergarten“
Einverstanden. Sozis haben damit kein Problem, Liberale schon eher.
Die Akademisierung, die zwanghafte Verwissenschaftlichung ist mehr Fluch als Segen.
Yup, aber das scheint mir eine besonder Schwäche in Deutschland zu sein. Die angelsächsische akademische Ausbildung scheint nach den Rückmeldungen von Freunden und Bekannten mit Auslandsstudium-Semestern an der MIT, der LSE oder Oxford sehr viel stärker auf Kommunikation/Vermittlung ausgelegt zu sein. Weshalb ich in der Regel viel lieber populärwissenschaftliche Veröffentlichungen z.B. in Geschichte von englischsprachigen Autoren als von deutschsprachigen lese.
Gruss,
Thorsten Haupts
Geht mir auch so. Professoren dort wollen verstanden werden. Auch außerhalb. Hierzulande gilt das eher als Makel.
Absolut! Je verständlicher, desto suspekter. Hat mir das komplette Deutschstudium verleidet, und daran krankt auch der Deutschunterricht, btw.
So, so much!!!
Frankreich hat die verpflichtende école maternelle ab etwa 3 Jahren. Aber erst seit einigen Jahren quasi für wirklich alle. Kenne nciht den Forschungsstand dazu.
Ich auch nicht, aber: Das in Deutschland mandatorisch zu machen, würde der jeweiligen Opposition 5 bis 10% zusätzliche Wähler schenken. 5% obendrauf für zwangsweise soziale Mischung.
Wirklich guter Punkt, die Startbedingungen kann man nicht zu sehr betonen. Und diese liegen vor allem beim Elternhaus.
Bin gespannt auf den nächsten Artikel der Reihe 🙂
Danke!
Wenn Punkt 9 (Soziale Stratifizierung) als Problem angefuehrt ist, braucht man nicht Punkt 2 (Migration). Migration ist ja nicht per se das Problem, sondern dass in manchen Gegenden zu viele Migranten in die Bildungsfernen Schichten einwandern und damit die Soziale Stratifizierung beguenstigen. Die Kinder des franzoesischen Professors tragen sicher nicht zur Bildungsmisere bei.
In diesem Zusammenhang, meine Tochter geht auf ein normales Gymnasium mit 28 anderen Schuelern. In ihrer Klasse gibt es nur 3 Kinder, bei denen beide Eltern in Deutschland geboren wurden. Es gibt keine nennenswerten Probleme.
Stimmt so nicht. Das Problem „Deutsch als Fremdsprache“ haben sozial benachteiligte Deutsche nicht; das von dir genannte Thema ist logisch. Ich sag da mehr in Teil 2 dazu.
Punkt 3 kann man als Ursache ausschließen, zumindest in den unteren Klassen. Schweden hat die Digitalisierung bei Grundschülern wieder abgeschafft, da sie eher hindert als fördert.
Um das zu erkennen muss man auch kein Genie sein. Seit wir Digitalisierung haben, wird die Leistung immer schlimmer.
Wer sich nur etwas mit Lerntechniken und der Arbeistweise unseres Gehirn auseinandersetzt, wird erkennen, dass das manuelle Schreiben sehr wichtig ist.
Auf Bildschirme glotzen die Kinder in ihrer Freizeit schon genug. Ich kann weder für Mathe noch für das Scheiben irgendeinen Nutzen in der Digitalisierung erkennen. Bei anderen Fächern wie z.B. Erdkunde, Politik etc. ist es aber sicher hilfreich.
Punkt 1 ist hanebüchener Unsinn. Beim Schreiben wird das im Gehirn abgespeicherte abgerufen und sofort neu gespeichert, je häufiger man es falsch schreibt um so mehr verfestigt es sich, da es häufiger falsch abgespeichert wird. Jede falsche Wiederholung macht es schlimmer. Da wir durch Wiederholung lernen und Prozesse automatisieren.
Wer meine Beiträge liest, sieht ich spreche aus Erfahrung 😉
Punkt 2) Das ist ein sehr grosses Problem in manchen Stadtteilen in denen der Ausländeranteil über 80% liegt. Aber die Leistung lässt auch in Schulen nach in denen der Ausländeranteil sehr, sehr viel kleiner ist. Das ist somit nur ein AddOn der Probleme aber nicht des Pudels Kern für mich.
Punkt 4) Ich stimme dir weitestgehend zu. Aber mangelnder Idealismus finde ich stimmt so nicht. Nach meiner Erfahrung (4 eigene Kinder durch diverse Schulssysteme begleitet) sind die Lehrer überwiegend Idealisten, die aber irgendwann im Betrieb abstumpfen, da alle Probleme bei Ihnen abgeladen werden und Anerkenung und Unterstützung ausbleiben. Das Lehrer Bashing finde ich unerträglich und den Film „Fuck you Goethe“ ist einer der ganz wenigen Filme, bei denen ich beinahe auf meine liberalen Prinzipien pfeifen würde, und den ich am liebsten canceln würde.
Punkt 6) Ja, Querdenken wird immer mehr Mainstream, wie bei so vielen Aussagen von Querdenken, die einst FakeNews waren und nun sogar in den Leitmedien und im ö.rR zu finden sind.
Das war ja eine VT. Zumindest bis die Iglu Studie kam.
5) Verkrustete Strukturen
Das wird beim Vergleich mit z.B. Finnland gerne übersehen. Die haben ausser einem einzügigen Schulsystem auch eine total flexible Herangehnsweise. Das Schulamt in Finnland steuert nicht über Input Vorgaben sondern über Kontrolle des Outputs. Bei Problemen ist es beratend tätig. Leute die hier bis zur 10 Klasse alles gerne in einer Gesamtschule hätten übersehen diesen Punkt sehr gerne. An der Leuphana in Lüneburg wurde der Lernerfolg untersucht inwieweit eine einzügige Schule und eine flexible Herangehensweise zum Erfolg führen. Fazit war Länder die Einzügig unterrichten und flexibel selber entscheiden dürfen waren die erfolgreichsten. Studie muss ich raussuchen, finde sie so schnell leider nicht.
10) Da dürfte was dran sein. Im Ausland sind Länder bei denen nur das schriftliche zählt ohne mündliche Leistung, Gruppenarbeit etc. sehr erfolgreich. Ist aber fraglich ob diese Herangehensweise selbständig denkende Bürger formt oder eher Menschen die sich nur als Rädchen im Getriebe sehen.
4) Viele sind definitiv Idealist*innen, aber natürlich nicht alle.
5) Good point.
10) Gute Frage.
Ist aber fraglich ob diese Herangehensweise selbständig denkende Bürger formt …
Halte ich inzwischen für völlig überbewertet. Nur für mich selbst gesprochen – ich war mit 19 mit so vielen neuen Problemen beschäftigt (Hormone, Mädels, Geldverdienen und -ausgeben, Offizierausbildung, Freunde und Bekannte beeindrucken und gewinnen usw. etc.), dass ich enorm dankbar für jede funktionierende Standardmethode war und diese erst mal ohne nachzudenken anwandte. Entlastung vom sensorischen und gedanklichen Overload.
Selbständiges Denken fing so mit 25 an. Und dafür war es absolut ausreichend, dass ich zwischen Wissen und Glauben unterscheiden konnte, zwischen dubiosen und verlässlichen Quellen, zwischen starken und schwachen Argumenten.
Wenn die Schule solides Grundwissen und ein paar Prüfungs-Methoden vermittelt, hat sie IMHO ihren Job getan. Den Rest kriegen die Leute schon selber hin – und ob Leute Rädchen im Getriebe werden, ist mehr von ihrer Persönlichkeit und dem gesamten gesellschaftlichen Umfeld abhängig, als von der Schulausbildung. Der 18jährige selbständig denkende, kritische Mitbürger ist eine reine Phantasieprojektion, mit 18 sind die allermeisten noch nicht einmal erwachsen und haben mit der Aufgabe genug um die Ohren.
Gruss,
Thorsten Haupts
4) ist der wichtigste Punkt und alle anderen sind sekundäre oder leiten sich von diesem ab. Solange die Klassengröße nicht auf sagen wir ca. max. 20 begrenzt wird, muss man sich über nix wundern. Dann und erst dann sollte man sich über neue Didaktik und WLAN Gedanken machen. Strukturell ist das Bildungssystem nach wie vor purer Klassenkampf. Wenn die Lehrkörper gar keine Zeit haben, sich um ihre Schüler auch nur ansatzweise individuell zu kümmern, müssen zwangsläufig welche hinten rüber fallen. Aber klar, das ist natürlich gewollt.
Bei zig Nachhilfeschülern in Englisch, Latein und Mathe vom Gymnasium 5-13 konnte ich sehen, dass die nicht zu doof sind, sondern denen nur individuelle Förderung fehlte. Okok, das ist natürlich nicht repräsentativ, weil die Nachhilfe bspw. mit vorhandener Möglichkeit zur Bezahlung der Stunden korreliert.
Wir können angesichts des Lehrkräftemangels von einer Reduzierung der Klassengröße leider nur träumen…
„In der guten alten Zeit, als die Kinder in der Schule noch was gelernt haben, lag die Klassengröße eher bei 30 als bei 20.“
Was sagst Du dazu? Und zu Hattie?
Ich halte die „gute alte Zeit“ für eine Schimäre; Hattie wird missverstanden bei dem Punkt. Erstens geht es nur um eine geringe Bandbreite: Ist die Klassengröße in einer Größenordnung von etwa 25, dann macht es kaum einen Unterschied, ob die Klasse so bleibt wie sie ist oder ob die Größe auf 15 reduziert wird. Ab einer Größe von 30 oder 35 artet der Unterricht in einen „Vorlesungsunterricht“ aus, bei dem auf die einzelnen Individuen nicht mehr eingegangen werden kann. Große Unterschiede in der Klassengröße wirken sich daher schon auf die Leistungen der Schülerinnen und Schüler aus, bei eher geringen Veränderungen ist die Anzahl der Lernenden ein vernachlässigbarer Faktor (vgl. hierzu John Hattie; Visible Learning; 2009; S. 86 – S. 88)
Zweitens ist das unter der Annahme, dass DIE ÜBRIGEN PARAMETER UNVERÄNDERT BLEIBEN. Ob ich nen Lehrervortrag vor 20 oder 30 mache ist natürlich egal. Ob ich zwischen 20 oder 30 binnendifferenziere ist ein Megaunterschied!
DANKE! Es nervt so, wenn in der öffentlichen Debatte mit Hattie gewedelt wird, ohne dass jemand die Ergebnisse und Bedingungen zu jener Effektstärkenberechnng mal referenziert.
Gerne 🙂 Hilft halt, wenn man sich etwas damit beschäftigt 😀 Zum Einstieg: https://doinggeoandethics.com/2022/12/23/podcast-psychologie-fuers-klassenzimmer-mit-benedikt-wisniewski-die-hattie-studie-und-deren-ergebnisse/
Vielen Dank an euch beide. Wissenslücke erkannt, wenn auch noch nicht geschlossen.
Confirmation Bias trifft nicht zu, der andere Vorwurf schon. Besser spät als nie.
Kein Thema. Passiert mir ja auch oft genug.
Danke für den Link
Gerne
4) Lehrermangel – Klassengröße
Dass die Lehrer bei kleineren Klassen mehr auf einzelne Schüler eingehen können, sagt der gesunde Menschenverstand (und die Erfahrung). Dennoch kommt Hattie in seiner berühmten Meta-Meta-Studie zu dem Ergebnis, dass die Klassengröße kein wesentlicher Faktor sei.
Das Problem Lehrermangel könnte also durch einen schlichten Verwaltungsakt entschärft werden.
https://deutsches-schulportal.de/bildungswesen/eine-erhoehung-der-klassengroesse-wuerde-zu-massivem-protest-fuehren/
Kann jemand diesen Widerspruch auflösen?
Hattie wird bei diesem Faktor stark missverstanden.
Inwiefern?