Verfassungsrechtlerin vergleicht Krebstherapien mit Doppelpässen von FDP-Abgeordneten auf dem Grünenparteitag – Vermischtes 30.11.2023

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.

Fundstücke

1) Maaßen vergleicht „kulturfremde Ausländer“ mit Krebs – Fachleute sind entsetzt

Hans-Georg Maaßen, der ehemalige Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, sorgte erneut für Aufsehen durch einen Artikel, in dem er unkontrollierte Einwanderung mit Krebs verglich und eine „Chemotherapie für Deutschland“ forderte. Maaßen sprach von „schmerzhaften Operationen“, um die vermeintliche „Migrationskatastrophe“ zu stoppen. Er beschuldigte die Regierung, auf den „Zusammenbruch der deutschen Gesellschaft“ hinzuarbeiten und ein „neosozialistisches Gesellschaftssystem“ auf den „Trümmern“ Deutschlands aufzubauen. Diese Äußerungen riefen Empörung hervor und führten zu Forderungen nach seinem Ausschluss aus der CDU. Obwohl ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet wurde, bleibt Maaßen Mitglied, und die CDU plant, die Entscheidung auf Landesebene anzufechten. Maaßens kontroverse Rhetorik reiht sich in eine Serie umstrittener Äußerungen ein, die bereits zuvor seine Nähe zu rechtsradikalen Ideen zeigten. Die Debatte um seine Person wirft Fragen zur Grenze akzeptabler politischer Diskurse auf und verdeutlicht die Spannungen innerhalb der CDU hinsichtlich extremistischer Tendenzen in den eigenen Reihen. (Robert Wagner, FR)

Ich habe schon öfter darauf hingewiesen, dass diese Dynamik typisch ist. Jemand beginnt den Weg ins politische Rampenlicht mit „sagen, wie es ist“, einem Verstoß gegen „political correctness“ (oder was dafür gehalten wird), mit leicht anstößigen, aber jederzeit relativierbaren und in den Raum des Akzeptablen zurückzuholenden Aussagen. Das generiert für ein, zwei Medienzyklen Aufmerksamkeit, vielleicht reicht es für einen Buchdeal, eine Kolumne bei NIUS oder einen YouTube-Kanal. Ob aus Sucht nach der neu erlebten Aufmerksamkeit oder einfach um relevant zu bleiben und das neue Geschäftsmodell weiter nutzen zu können, es wird immer weiter eskaliert. Es folgt der nächste Tabubruch, und der nächste, und der nächste, und jedes Mal geht man weiter als vorher. Bei manchen Leuten sorgt das für Fehltritte, die mal mehr, mal weniger nachhaltig sanktioniert werden (Verlust von Kolumnen etc.), führt oft genug auch zu einer neuen Bescheidung danach, um Gras über die Sache wachsen zu lassen (Rainer Meyer ist da Experte drin, oder Sahra Wagenknecht). Bei anderen geht die Spirale immer weiter in den Abgrund (Sarrazin, Maaßen).

Ich glaube, das liegt einerseits an den mangelnden Fähigkeiten (weder Sarrazin noch Maaßen sind politische Genies), andererseits aber daran, dass es nicht nur ein rhetorisches Spiel war, von dem man jederzeit ohne Schaden für die eigene Identität zurücktreten kann, sondern Ausdruck tiefer Überzeugungen. Sarrazin war schon immer jemand mit biologistischem Rassismus, Maaßen schon immer jemand mit rechtsradikalen Ansichten. Sie fielen nur vorher nicht auf. Maaßen ist auch kein Konservativer (mehr), seine Rhetorik ist nicht konservativ. Diese Bezeichnung funktioniert höchstens in den USA, nicht aber in Deutschland. Konservative wollen keine „Krebsgeschwüre“ aus dem deutschen Volkskörper chemotherapieren. Das ist die Sprache rechtsradikaler Hetzer.

2) CSU fordert Aberkennung von Doppelpässen bei schweren Straftaten

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) plädiert dafür, Personen mit doppelter Staatsbürgerschaft bei schweren Straftaten, wie antisemitischer Gewalt, Mord oder Vergewaltigung, die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen. Er betont, dass Doppelstaatler nicht automatisch lebenslange Privilegien erhalten sollten, unabhängig von schweren Straftaten, und sieht eine Grundgesetzänderung dafür als notwendig an. Herrmann reagiert auf die geplante Staatsangehörigkeitsrechtsreform der Ampelregierung, die eine erleichterte Erlangung des deutschen Passes und die Einführung von Doppelpässen vorsieht. Kritisch äußert er sich gegen einen „Persilschein“ für Doppelstaatler, die das Gemeinwesen durch Straftaten schädigen. Die geplante Gesetzesänderung sieht vor, dass Personen, die bereits Straftaten begangen haben oder durch menschenverachtende Handlungen aufgefallen sind, keinen deutschen Pass erhalten sollen. (dpa, ZEIT)

Die CSU fordert hier etwas, das offensichtlich gegen die Verfassung in ihrer aktuellen Form verstößt und fordert das Problem dadurch zu beheben, dass man die Verfassung ändern müsse. Das Muster durchzieht übrigens den gesamten Prozess der Flüchtlings- und Migrationsdebatte. Merkwürdigerweise haben all jene, die sich gar nicht genug über grüne Forderungen nach einer Reform der Schuldenbremse echauffieren können, da gar kein Problem damit. – Ich bleibe dabei: die Forderung nach einer Verfassungsänderung ist natürlich grundsätzlich legitim. Ich halte Herrmanns Forderung für kompletten, rassistisch begründeten Bullshit, die zudem mit der Aberkennung der Staatsbürgerschaft und dem de facto Ausstoß aus Deutschland ein zweirangiges Staatsbürgerschaftsrecht aufmacht, in dem Menschen mit Doppelpass eine erkennbar niedrigrangigere Stellung innehaben. Das ist ekelhaft, besonders wenn man bedenkt, wie wenig Probleme die Partei mit Aiwanger und seinen Spießgesellen hat. Aber das Problem besteht auf inhaltlicher Ebene; Herrmann ist kein Verfassungsfeind. Nebenbei bemerkt: ich weiß nicht, wie viele Leute es gibt, die fordern, dass schwere Straftäter*innen oder solche, die menschenverachtende Handlungen begangen haben, eine deutsche Staatsbürgerschaft bekommen sollen. Kann mir nicht vorstellen, dass das viele sind.

3) Das Problem hat einen Namen: FDP

Die Ampelkoalition in Deutschland steht vor einem politischen Dilemma, nicht einem rechtlichen. Das Bundesverfassungsgericht hat lediglich klargestellt, welche Bedingungen für eine Aussetzung der Schuldenbremse gelten müssen, aber die FDP, die auf ihre „keine Schulden, keine Steuererhöhungen“ Maxime beharrt, blockiert. Dies führt dazu, dass die Ampelregierung handlungsunfähig ist. Die Grünen, ursprünglich angetreten, um den Klimaschutz voranzutreiben, sehen sich durch fehlende finanzielle Mittel ausgebremst und überlegen, ob sie weiterhin Teil der Ampel sein sollen. Dank einer stabilen Wählerbasis könnten sie die Koalition ohne großen Schaden verlassen, im Gegensatz zu SPD und FDP, die in den Umfragen abrutschen. Besonders die FDP steht unter Druck, da sie um ihre Existenz bangen muss. Ein Scheitern der Ampel würde zeigen, dass die Partei unter Lindner nicht regierungsfähig ist. Die FDP hat sich inhaltlich in eine Sackgasse manövriert, indem sie als Wirtschaftspartei agiert, während viele Unternehmen die Notwendigkeit des Klimaschutzes erkennen und sich stattdessen für staatliche Subventionen interessieren. Lindner ist isoliert und drängt daher darauf, in der Ampel zu bleiben, auch wenn er wohl Zugeständnisse machen muss, um eine gesichtswahrende Lösung zu finden. (Ulrike Herrmann, taz)

Ich stimme Herrmann insoweit zu, als dass es sich um ein politisches Problem handelt und nicht um ein rechtliches; das haben wir ja bereits hinreichend diskutiert. Der Rest des Artikels aber ist in meinen Augen Unfug. Ich verstehe diese Weigerung auf der Linken, die roten Linien der FDP zu erkennen, einfach nicht. Ich halte die Schuldenbremse ja auch für Unfug, aber die FDP-Wählendenschaft halt nicht. Sie einzuhalten war das zentrale Versprechen von Lindners Wahlkampf 2021, und dass er nun gezwungen ist, sie für 2023 erneut auszusetzen (mit vergleichsweise hanebüchenen Konstruktionen) und in realer Gefahr steht, es 2024 noch einmal tun zu müssen, könnte der Partei bei den Wahlen 2025 (oder früher, wenn es dumm läuft) das Genick brechen. Die CDU wetzt schon die Messer. Wenn die Ampelkoalition halten soll, MUSS man die rote Linie der Schuldenbremse mitbedenken. Sollte die FDP ihre Haltung ändern? Sicher. Wird sie das tun? Kaum. Sie befindet sich in einer ähnlichen Situation wie 2010/11, als sie die überkommenen EU-Fiskalregeln um jeden Preis erhalten wollte. Ich würde argumentieren, dass sie sich ein wenig selbst in diese Sackgasse manövriert hat, aber das ändert nichts an der grundlegenden Bedeutung des Themas für die liberale Identität. Die Atomkraftwerke abzuschalten war auch nicht eben etwas, das mit den Grünen verhandelbar war. Schon die Verlängerung um drei Monate führte zu heftigem Rumoren an der grünen Basis; warum sollte das bei der FDP und der Schuldenbremse anders sein? Man koaliert mit real existierenden Parteien, nicht mit Wunschkonstruktionen, und man sollte aufpassen, wo die Bruchpunkte liegen.

4) Herbeigeredeter Showdown

Der Text erwähnt den Gründungsparteitag der Grünen 1980 und diskutiert aktuelle Herausforderungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Ampel-Bundesregierung. Dabei wird auf ein kürzliches Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezüglich der Mittelverteilung für den Klima- und Transformationsfonds eingegangen. Weitere Themen sind die Migrationspolitik, der Israel-Hamas-Konflikt und die Haltung der Grünen zum Ukraine-Russland-Konflikt. Der Text thematisiert auch die mögliche Versuchung für die Grünen, sich in einem restaurierten Machtmodell selbst zu verzwergen, und betont die Bedeutung eines realpolitischen Pragmatismus. Insgesamt gibt der Text Einblicke in die internen Dynamiken, Herausforderungen und Positionen der Grünen zu verschiedenen politischen Themen. (Udo Knapp, taz)

Nicht nur die FDP ist angesichts der aktuellen Krise in heftigen Problemen, sondern auch die Grünen. Dieser Kommentar ist, anders als Fundstück 3, in meinen Augen wesentlich realistischer, was die Lage angeht. Die Grünen hängen stabil zwischen 14% und 18%, je nach Umfrage (die ständige Berichterstattung über ihre angeblichen Verluste ist angesichts der Zahlen von FDP und SPD sehr merkwürdig, siehe auch Resterampe l). Eine echte Machtoption fehlt ihnen gerade aber. Mit Ausnahme der AfD ist gerade schlicht keine Partei in einer sonderlich günstigen Lage. Alle stehen zwischen der Aufgabe von Kernpositionen (Schuldenbremse, Migrationspolitik, etc.), überall sind „schmutzige“ Kompromisse nötig, müssen Hoffnungen und Erwartungen enttäuscht werden. Die Schuld bei den anderen zu suchen ist sicher verlockend, aber wenig zielführend.

5) Verfassungswidrige Sprachverbote

CDU und SPD in Hessen haben sich auf ein Eckpunktepapier für Koalitionsverhandlungen geeinigt, in dem sie ankündigen, geschlechtergerechte Sprache in staatlichen Institutionen, einschließlich Schulen und Universitäten, zu verbieten. Sie wollen sich am Rat der deutschen Sprache orientieren und auf genderneutrale Schreibweisen verzichten. Der Text argumentiert, dass ein solches Verbot verfassungswidrig wäre, da es das Grundrecht auf Gleichbehandlung verletzt. Die Verpflichtung zur Gleichbehandlung von Frauen im staatlichen Sprachhandeln besteht bereits seit Jahrzehnten. Der Artikel kritisiert auch den Einsatz von Antifeminismus und Anti-Gender-Ideologien als Brücken in die gesellschaftliche Mitte. Der Text betont die Wichtigkeit geschlechtergerechter Sprache und argumentiert gegen das geplante Verbot, das als Verfassungsbruch betrachtet wird. (Ulrike Lembke, Verfassungsblog)

Ich lasse das hauptsächlich mal hier um zu zeigen, dass Forderungen von irgendwelchen Sachen vielleicht verfassungswidrig sein könnten, man das aber nicht weiß, bis es ein entsprechendes Urteil vorliegt. Mein begrenzter juristischer Sachverstand sagt zu Lembkes Ausführungen, dass das eine vergleichsweise weitreichende Betrachtung des Gleichberechtigungsartikels durch das BVerfG erfordern würde – aber es ist jetzt nicht eben so, als sei eine weitreichende Auslegung von Grundrechten in unerwartete Richtungen etwas, das keine Präzedenzfälle mit dem Gericht hätte. Die Forderung von Verboten und potenziell verfassungswidrigen Maßnahmen ist immer kein Problem, wenn man ihnen zustimmt; da kann man dann die juristischen Argumente als vom ideologischen Gegner motiviert verwerfen und das Verbot entsprechend umdeuten. Aber das ändert wenig daran, dass das Ausmaß nicht absehbar ist, bevor man ein Urteil auf dem Tisch liegen hat.

Resterampe

a) Fie FAZ hat was zum krassen Einbruch der Kirchenmitgliedschaften.

b) Drei Gründe, die gegen eine EU-Armee sprechen. Dauerdiskurs zur Vermeidung des eigentlichen Diskurses, in meinen Augen.

c) Diese Analyse zum Grünen-Programm von Jonas Schaible von 2021 ist ziemlich gut gealtert.

d) Has Anyone Noticed That Trump Is Really Old? Eines der vielen Medienversagen, über die ich geschrieben habe.

e) Nochmal zwei Artikel zu Argentinien.

f) Eine Kritik am BVerfG-Urteil zur Schuldenbremse aus juristischer Sicht.

g) Der Spiegel hat eine großartige Übersicht über Sparpotenziale beim Sozialhaushalt.

h) Ein indirektes Streitgespräch zwischen Rudi Bachmann und Lars Feld über eine Reform der Schuldenbremse.

i) Noch mehr Kritik am Zusammenhaltsbericht. (Bluesky)

j) Have You Listened Lately to What Trump Is Saying?

k) Diese Umfragenberichterstattung ist echt nur nervig.

l) Intellektuelle Unaufrichtigkeit bei der Bürgergelddebatte ist leider auch Standard.

m) Die Welt hat einen ausführlichen Artikel zu Wissings Scheitern bei eFuels.

{ 72 comments… add one }
  • Kning4711 30. November 2023, 06:54

    Zu 3
    Ich zum Beispiel war überrascht,wie schnell und geräuschlos die FDP ein Herzensprojekt verschob. Die Aktienrente wird erstmal nicht kommen. Man kann also nicht sagen, dass die FDP sich der AMPEL Aufrechterhaltung verweigern würde.

    • Stefan Sasse 30. November 2023, 08:00

      Ne, absolut nicht. Ich verstehe aber auch nicht, warum die das beerdigt haben; ich hab das immer als komplementär, nicht substituierend für die Rente gesehen, sollte also den anderen nicht schaden?

      • cimourdain 30. November 2023, 15:38

        Die Idee war, die Rentenbeiträge zu stabilisieren, indem aus dem Staatshaushalt mit 10 Mrd € pro Jahr ein Wertpapierfond aufgestockt wird, der den Beitrag der umlagefinanzierten Rente stabilisieren soll. Beerdigt (oder zumindest aufgeschoben) wird er, weil das Geld einfach nicht da ist.

        • Stefan Sasse 30. November 2023, 17:30

          Mein ich ja. Das ist keine ideologische Blockade.

          • Ariane 2. Dezember 2023, 00:14

            Nicht nur, es gab wohl auch rechtliche Bedenken, die man zunächst ausräumen müsste, wenn man weiter daran festhalten will. Es spart aber erstmal 10 Mrd ein.

  • CitizenK 30. November 2023, 07:17
    • Thorsten Haupts 30. November 2023, 09:39

      Oder um es generalisiert zu formulieren: Wenn das Bürgergeld sehr dicht an dem Betrag ist, den man mit Arbeit erzielen kann, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Leute lieber auf die Arbeit verzichten (oder zusätzlich ein paar Stunden schwarzarbeiten).

      • Stefan Sasse 30. November 2023, 17:24

        Zum glück gibt es da mit Lohnerhöhungen gute Mittel dagegen. 🙂

        • Stefan Pietsch 30. November 2023, 18:20

          Natürlich einfach immer alle Löhne erhöhen, dann geht‘s allen besser. Wo habe ich das schon mal erlebt. Thorsten Haupts, eine Idee?

          Ich hab‘s: In den Achtzigerjahren steigerten die Gewerkschaften in jeder Tarifrunde die Lohnforderungen über die Produktivität. Die Gewerkschaften nannten das Umverteilungskomponente. Als Anfang der Neunziger die Grenzen aufgingen, bemerkten die Unternehmen sehr schnell, dass es sich ein paar Kilometer weiter viel günstiger produzieren ließ.

          Geschichte wiederholt sich nicht, aber man könnte aus ihr lernen.

          • Erwin Gabriel 30. November 2023, 20:30

            @ Stefan Pietsch 30. November 2023, 18:20

            Geschichte wiederholt sich nicht, aber man könnte aus ihr lernen.

            Wahr …

          • CitizenK 2. Dezember 2023, 06:46

            Aber Lokführer und Busfahrer, Pflegekräfte und Erzieher, noch nicht mal Lehrer kann man „ein paar Kilometer weiter“ einfach so bekommen. Der Verkehrsverbund Rhein-Neckar dünnt aktuell deshalb sein Angebot aus, wird also noch weniger attraktiv.

            Ein Argument aus einer früheren Diskussion: Politik und Geschäftsmodelle, die auf inakzeptabel niedrige Löhne setzen, haben keine Berechtigung. Was meinen Sie dazu?

            • Stefan Pietsch 2. Dezember 2023, 10:05

              Was ich davon halte: Nichts. Was ich dazu meine, sage ich Ihnen gerne.

              Selbst Ihr ideologischer Urvater Karl Marx *) wusste, dass Löhne nicht an den persönlichen Verhältnissen der Arbeiter ausgerichtet werden können. Der Lohn ist so hoch oder niedrig, wie es die Marktverhältnisse hergeben. In diesem Sinne wäre Karl Marx auch kein Anhänger eines gesetzlichen Mindestlohns gewesen. Soweit der Marktlohn des Arbeiters nicht für seine persönliche Lebensführung reicht, muss hierfür die soziale Gemeinschaft einspringen. Das tut er ja auch, wenn ein Unterhaltspflichtiger nicht den Unterhalt für seine Kinder aufbringen kann.

              Ist der Lohnanspruch zu hoch und Kapital billiger, wird Arbeit durch Kapital ersetzt. Das würden Sie z.B. sehen, wenn Sie mal ins fernere Ausland fahren (fliegen, igitt!) würden. Auf dem amerikanischen Kontinent werden seltener Baustellenampeln eingesetzt. Stattdessen wird der Verkehr durch „Schilderhochhalter“, wie ich sie liebevoll nenne, geregelt. Der Lohn ist so niedrig, dass sich der Einsatz teurer Ampeln nicht lohnt.

              In Deutschland verhindert der Staat technischen Fortschritt. Es gibt keine Branche, die so kapitalarm arbeitet wie der Öffentliche Dienst. Sie jammern darüber, wenn es zu extrem wird oder es die persönliche Arbeit erschwert – über die Rückständigkeit in der Digitalisierung, den Fax-Geräten. Dann fordern Sie Schulden, um die Rückständigkeit zu beseitigen. Tatsächlich ist das gewollt. Denn der Staat gibt dafür viel mehr Geld für Personal aus. Branchenvergleiche zeigen, dass der Öffentliche Dienst in den unteren und in der unteren Mitte der Lohngruppen deutlich besser bezahlt als die private Wirtschaft. In der oberen Hälfte, der kapitalintensiv arbeitenden Beschäftigten, zahlt er dafür wesentlich schlechter. Das ist die ökonomische Sicht.

              Ich empfehle Ihnen für heute Abend den alten Klassiker „Das verflixte 7. Jahr“. Achten Sie auf die erste Szene. Nein, nicht die mit Marilyn Monroe! Der Verlagsangestellte Richard Sherman bringt da seine Frau und seinen Sohn zum Zug in den Sommerurlaub. Er verabschiedet sie am Eingang zum Gleis, verpasst es aber, ihnen das Paddel mitzugeben. Leider kann er nicht hinterher, da der Zugang zum Bahnsteig nur auf Fahrkarteninhaber beschränkt ist.

              Der Film ist von 1955. Was meinen Sie, warum der Zugang beschränkt war? In den meisten Ländern in Westeuropa und Nordamerika können nur Fahrgäste mit Fahrkarte zum Zug / U-Bahn. Mit den Einlasskontrollen (Kapital) sparen sich die Verkehrsbetriebe Personal. In Deutschland setzen wir statt solcher einfachen Kontrollen viel Zugpersonal und verhasste Kontrolleure ein. Und nebenbei halsen wir uns eine jahrzehntelange Debatte über die Strafbarkeit des Schwarzfahrens auf.

              Schon vor 20 Jahren bin ich in London mit führerlosen U-Bahnen gefahren. Es ist keine technische Frage, Züge ohne Lokführer loszuschicken. Oder eine sicherheitsrelevante. Der Grund ist, dass der Staat, in diesem Fall über die eigene DB sowie kommunalen und regionalen Verkehrsbetriebe die Angestellten vor der technischen Entwicklung schützt. Wenn Sie einen Mangel an Personal beklagen, halten Sie es mit Karl Marx: Setzen Sie auf Kapital!

              Deutschland hat inzwischen einen der (relativ) höchsten Mindestlöhne der OECD und einen vergleichsweise einfachen Weg, dauerhaft ein leistungsloses Grundeinkommen beziehen zu können. Wir haben weit überproportional viele Menschen im Bürgergeld, die noch nie oder seit über einem Jahrzehnt nicht gearbeitet haben. In Zeiten von Arbeitermangel in der Wirtschaft muss der Bundesfinanzminister mehrmals im Haushaltsjahr die Zuschüsse an den Arbeitsminister um mehrere Milliarden anheben. Wie mein Vater zu sagen pflegte: Das würde ein Blinder mit Krückstock sehen, dass da war nicht stimmt.

              In der Kita meiner Frau fallen derzeit über 60 Prozent der Erzieher angeblich krankheitsbedingt aus. Das ist kein Notfall, denn schon das ganze Jahr über (auch in den Sommermonaten) war der Krankenstand außerordentlich hoch. Kein Unternehmen kann es sich leisten, die doppelte Anzahl an Personal vorzuhalten, die für die Leistungskapazität eigentlich erforderlich wären.

              Die Kita ist nach meiner Bewertung kaputt. Sie kann nur noch geschlossen und die Erzieher entlassen werden. Das Fehlen jeden Verantwortungsgefühls und die absolute Ferne jeden Leistungswillens bekommt man nicht mehr geregelt. Das Management hat die Kita kaputt gemacht, in dem man nicht frühzeitig gegengesteuert hat. Stattdessen herrscht in der Branche der Grundsatz: „Wer krank ist, ist krank.“ So ein Blödsinn! In keinem Land der Welt liegt die Hälfte der Erwerbstätigen auf Intensiv.

              Mit solchen Haltungen zerstören wir unser Land.

              *) Bevor Sie Schnappatmung bekommen: Mein ideologischer Urvater ist Friedrich August von Hayek, obwohl er nie ein Ordoliberaler war. 😉

              • CitizenK 2. Dezember 2023, 17:18

                Ich neige nicht zu Schnappatmung und ich habe auch keine ideolgischen Urvater. Karl Marx ist ein Autor unter anderen, der in manchem Recht hatte und in vielem nicht. Wie Hayek. Nach seiner Vorstellung führte schon der bescheidene Sozialstaat seiner Zeit direkt in die Knechtschaft. Leben wir heute in der Sklaverei?

                Zum Ticket-Beispiel: In den Niederlanden kommt man noch immer bzw. wieder nur mit Ticket zum Zug, aber Kontrolleure gibt es trotzdem. In den 30 Minuten von Amsterdam nach Zandvoort wurden wir immer kontrolliert. Können die nicht rechnen? Eine U-Bahn ohne Fahrer gibt es auch in Nürnberg, aber die Leute trauen der Technik allein nicht, weshalb immer noch einer mitfährt.

                Zu der Kita kann naturgemäß ich nichts sagen. Ob Deutsche mehr „krankfeiern“ als andere Nationen, weiß ich nicht. Ich habe allerdings Statements von Arbeitgebern gelesen, besser nicht krank zur Arbeit zu erscheinen, weil man dann nicht so schnell gesund wird und andere ansteckt.

                Wenn notwendige Arbeit nicht mehr erledigt wird, weil die leistungslose Alternative Bürgergeld zu bequem ist, stimmt in der Tat etwas nicht (mein Beispiel aus dem Tagesspiegel). Sind Lohnerhöhungen zur Herstellung des Abstandes (Stefan Sasse) aber nicht doch besser als die Absenkung der Stütze?

                Im Pflegebereich ist der Notstand teilweise schon lebensgefährlich. Von einer (ausgestiegenen) Pflegekraft kam der Vorschlag, mit richtig knackigen Zuschlägen zu klotzen, um Ausgestiegene zurückzuholen. Dann müssten wir für Gesundheit mehr bezahlen und hätten nicht mehr so viel übrig für Autos, Urlaub und Elektronik. Diskussionswürdig. Kriegen jetzt Sie Schnappatumung? 😉

                • Stefan Pietsch 2. Dezember 2023, 20:52

                  Die Schnappatmung habe ich nicht böse gemeint.

                  Manchmal wäre ich wirklich froh, Sie hätten Marx gelesen. Und: wollen Sie nicht verstehen, was ich meine? Oder verstehen Sie es nicht?

                  Ticket-Beispiel: Sie haben gefragt, ob nicht höhere Löhne und Migration helfen könnten, den Engpass bei Lokführern und Schaffnern zu beseitigen. Sie diskutieren über Lohnerhöhungen, als wäre da nur der Himmel die Begrenzung. Das ist es auch für Staatsunternehmen, von daher sind sie, zugegeben, ein denkbar schlechtes Beispiel. Aber generell gilt, dass die Erhöhung der Personalkosten erstmal den Gewinn verringert bzw. ein Unternehmen in die Verlustzone drückt. Im zweiten Schritt bekommt der Vertrieb die Aufgabe, in Vertragsverhandlungen höhere Preise durchzusetzen (Reminder: deutsche Unternehmen sind meist im B2B-Geschäft tätig). Das ist eine schwierige Sache und eher mittelfristig angelegt, wenn die Verträge eine längere Laufzeit haben.

                  Jedenfalls wird mit steigenden Personalkosten immer die Möglichkeiten geprüft, die Bereiche outzusourcen. Alternativ bekommen die Bereichsleiter die Aufgabe, Personal einzusparen. Derzeit, und das haben die meisten noch gar nicht mitbekommen – kein Verständnis für Markt, kein logisches Denken – läuft eine neue Runde der Rationalisierung. Es gibt zwei Trends: Unternehmen verlagern Produktion und Leistungserstellung ins Ausland und automatisieren kräftig. Das schränkt die Zahl der Stellen ein. Gleichzeitig hat die Anzahl der qualifizierten Kräfte begonnen, kräftig zu schrumpfen. Das Arbeitsangebot nimmt rapide ab. Die spannende Frage ist, welche Kurve schneller fällt.

                  Kita: Ich erwähne ein empirisches Beispiel, nachdem in einer Einrichtung mehr als die Hälfte des Personals „krankheitsbedingt“ ausfällt und Sie kontern mit, „es wäre doch besser, wenn Menschen nicht krank zur Arbeit kämen“. Das heißt, Sie haben keinen Zweifel, dass mehr als die Hälfte einer Belegschaft immer mal wieder im Jahr im Bett liegen bleiben muss. Sorry, das sind mir mindestens 3 Dosen Naivität (gespielt oder nicht) zu viel.

                  Lohnerhöhung: Klar, es ist absolut toll, wenn die Erhöhung von Transferbezügen einfach mit Lohnerhöhungen für die Erwerbstätigen gelöst wird. Nur, was wollen Sie damit eigentlich lösen? Das Bürgergeld wird doch erhöht, damit sich die Erwerbslosen mehr leisten können. Damit sie das können, müssen die Erwerbstätigen mehr Steuern abführen. Das bedeutet für sie, sie haben weniger. Der Abstand schrumpft also nicht nur, weil das Bürgergeld erhöht wird, sondern auch, weil die Beschäftigten weniger übrig behalten.

                  Allein der Ausgleich einer zwölfprozentigen Erhöhung des Bürgergeldes mit einer entsprechenden Gehaltserhöhung zu kontern, ist ein dickes Brett. Ich kenne aktuell kein Unternehmen, wo das den gelingen wird. Nicht annähernd. Das werden Sie, weil Sie so etwas ja nicht glauben, Anfang 2025 auf destatis nachlesen können. Spätestens bei dem Ausgleich der Steuerbelastung streikt auch der gutwilligste Arbeitgeber.

                  Nun wird nicht jeder kompensatorische Gehaltserhöhungen durchsetzen können. Das hängt ja wie immer bei Preisen von der Marktmacht ab. Die einen haben viel, die anderen wenig. Es ist also hochgradig naiv zu glauben, die Erhöhung der Sozialtransferbezüge könnten durch entsprechende Lohnerhöhungen gekontert werden. Oder bösartig, weil derjenige weiß, dass sich die relativen Einkommen von Millionen Beschäftigten verschlechtern werden. Ich bin gespannt, welche Erklärung Sie mir jenseits von Naivität und Bösartigkeit (was Sie nicht sind) anbieten.

                  Es bleibt, was die Forscher des ifo-Instituts geschrieben haben:
                  Immer mehr Menschen werden dann die Erfahrung machen, dass mehr Geld nur durch die Erhöhung staatlicher Leistung, nicht aber durch die Erhöhung des Arbeitseinkommens zu bekommen ist.

                  Die Löhne im Pflegebereich sind in den letzten 10 Jahren deutlich stärker gestiegen als im Mittel der Gehälter. Trotzdem ist das Problem nicht kleiner geworden. Der Weg scheint nicht erfolgreich.

                  • CitizenK 3. Dezember 2023, 08:46

                    „Bösartigkeit (was Sie nicht sind)“
                    Immerhin. Das ist doch schon mal ne Basis 😉

                    Was bei Karl Marx habe ich IMn nicht verstanden?

                    Ich nehme mal das Beispiel Müllwerker. Eine schwere und schmutzige Arbeit. Seit die ordentlich bezahlt werden, gibt es die früheren Personalprobleme nicht mehr.

                    Aber ich sehe auch, dass sich in Deutschland im Verhältnis zur Arbeit etwas geändert hat. Früher hieß es „Die Deutschen leben um zu arbeiten, wir (Franzosen, Briten) arbeiten, um zu leben“. Und das war nicht als Kompliment gemeint.

                    Heute: „Where ist the German punctuality“, fragt meine Englisch-Lehrerin im VHS-Kurs. Dabei hatten wir dort noch vor wenigen Jahren „Make Me a German“ diskutiert: „Are you just sick of hearing German success stories“?
                    https://www.dailymotion.com/video/x16oyz9

                    Woher diese abrupte Wandel innerhalb weniger Jahre? Die Forderung nach der Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich ist realitätsblind (außer, um knappe Fachkräfte von anderen Unternehmen abzuwerben). Wird Weselsky der deutsche Cargill – und kommt dann eine deutsche Thatcher?

                    Zurück zum Bürgergeld: Die Lücke ist bei Singles groß, bei Familien mit Kindern klein. Stellt sich die Frage, in welchem Maße Kinder unter dem Manko (selbstverschuldet oder nicht) ihren Eltern leiden sollen bzw. in wie weit die Gesellschaft das ausgleichen soll. Die beantworten Sozis halt anders als Liberale und Konservative.

                    • Tim 3. Dezember 2023, 12:59

                      @ CitizenK

                      Woher diese abrupte Wandel innerhalb weniger Jahre?

                      Ich würde nicht sagen, dass es einen abrupten Wandel gibt – zumindest keinen, dessen Ursache innerhalb von Deutschland zu suchen ist.

                      Die deutsche Wirtschaft hat über 20-25 Jahre einfach eine einmalig vorteilhafte Sondersituation erlebt: einerseits China als überragend wichtiger Import- und Exportmarkt, andererseits billiges russisches Gas (dies allerdings deutlich weniger wichtig als der Faktor China). Beides hat jahrzehntelang die massiven deutschen Strukturdefizite überdeckt.

                      Russland als Dämpfer der deutschen Energiepreise ist schon weggefallen, China als Handelspartner zunehmend problematisch. Dadurch werden nun wie unter einem Scheinwerfer die Probleme des Standort Deutschlands sichtbar. Aber die waren vor 25 Jahren exakt dieselben wie heute, nur hat es damals weder Politik noch Wahlbürger interessiert. Immerhin galt damals noch das deutsche Bildungssystem als Wettbewerbsvorteil. Bis auf die berufliche Ausbildung kann man das heute wohl nicht mehr sagen. Gibt es auch Positives zu berichten? Die Akzeptanz von Fachkräfte-Migration ist heute viel höher als in den 90ern. Mehr fällt mir nicht ein.

                      Ist sich die Bevölkerung in Deutschland der Probleme bewusst? Ja, das kann man wohl so sagen. Ist sie bereit für notwendige Reformen? Nein, das glaube ich nicht.

                      Würde ich Aktien kaufen, wenn Deutschland an der Börse notiert wäre? Nein, sicher nicht.

                      Auf EU-Ebene sieht die Lage nicht besser aus, ganz im Gegenteil. Statt hart an den Lissabon-Zielen zu arbeiten, hat die EU sich im Wesentlichen auf Quatschpolitik konzentriert.

                      Würde ich Aktien kaufen, wenn die EU an der Börse notiert wäre? Gott bewahre.

                    • Stefan Pietsch 3. Dezember 2023, 14:52

                      Sie reagieren wie gehabt nicht auf die Argumente. Wenn Sie nicht bösartig sind (Konsens), dann anscheinend total naiv, wenn Sie davon ausgehen, dass alle Beschäftigten ihre Löhne erhöhen können. Sie bieten ja keine andere Erklärung an. Dann hätten wir das geklärt.

                      Was Sie bei Marx nicht verstanden haben? Den Markt. Wenn Sie das nächste Mal kein passendes Urlaubsziel finden, weil alles ausgebucht ist – verdoppeln Sie doch einfach Ihr Urlaubsbudet, dann klappt es ganz sicher.

                      Der Markt ist ein Instrument zur Priorisierung der Ressourcen bei Knappheiten. Ist alles im Überfluss vorhanden, braucht es keinen Markt. Es ist natürlich schön (und für Leute mit Ahnung vom Markt erwartbar), wenn das Problem fehlender Müllwerker durch Erhöhung der Löhne gelöst werden kann. Nur ist das auch selten dämlich. Also typisch deutsch.

                      In Helsinki saugen Roboter den Müll ab. In Schweden wird die Abfallentsorgung durch automatisierte Müllwagen kostengünstiger. Und wir erhöhen die Löhne. Das „D“ im Kennzeichen steht offensichtlich für „dämlich“.

                      Was ist das volkswirtschaftliche Problem auf dem Arbeitskräftemarkt? Ich gebe Ihnen 5 Minuten zum Nachdenken.

                      Okay, die 5 Minuten sind um. Zu welchem Schluss sind Sie gekommen? Wenn Ihre Antwort lautet: Schrumpfende Zahl an Arbeitskräften, so ist das richtig. Jetzt noch bitte die Schlussfolgerung: Wenn wir mehr Pfleger und Müllwerker beschäftigen, was passiert dann? Falls Ihre Antwort lautet, dann fehlen umso mehr Arbeitskräfte anderswo, ist die Antwort ebenfalls richtig. Nun die Examensfrage: Wenn wir mehr Müllwerker beschäftigen, steigern wir unseren Wohlstand. Oder umformuliert: Ist der Sudan arm, weil dort die Müllwerker schlecht bezahlt werden?

                      Wenn Arbeitskräfte knapp sind, dann ist es eine dämliche Idee, die Menschen früher in Rente zu schicken. Dann ist es eine dämliche Idee, Migranten zu holen, die nicht in den Arbeitsmarkt integriert werfen können. Dann ist es dämlich, die Arbeitszeit zu verkürzen. Wie gesagt, das „D“ im Kennzeichen steht für „dämlich“.

                      Schauen Sie mal, wo die Franzosen heute stehen. Und schauen Sie mal, wie viel Stunden die Briten im Vergleich zu Deutschen arbeiten. Dann sehen Sie vielleicht eher, was an solchen Sprüchen dran ist. Mich interessiert wenig, ob Sie für die Vier-Tage-Woche sind. Stefan hat gute Argumente dafür gebracht. Sie haben bisher nur eine Meinung präsentiert.

                      Schauen Sie mal in die monatlichen Statistiken der Bundesagentur für Arbeit. Im Bürgergeldbezug sind überproportional viele Mehr-Personen-Haushalte. Die meisten Erwerbsfähigen leben in Beziehungen. Es hört sich nicht besonders klug an zu argumentieren, ein geringer Lohnabstand sei unter sozialen Gründen hinnehmbar. Das heißt nämlich nichts anderes, als dass es okay ist, für die meisten Erwerbsfähigen Erwerbsarbeit unattraktiv zu machen. Auch hier ist die Plakette „D“ angebracht.

                      Erwerbsarbeit muss immer attraktiv sein. Einfach, weil jedes floriernde Land darauf angewiesen ist, dass (fast) alle seiner Erwerbsfähigen arbeiten, Steuern zahlen und damit fähig sind, die Nicht-Erwerbsfähigen – Rentner und Kinder – unterhalten zu können. Es bringt jede Gesellschaft wirtschaftlich um, viele Erwerbslosen unterhalten zu müssen. Das ist keine Frage zwischen sozial und liberal, sondern zwischen dämlich und klug.

                    • Erwin Gabriel 5. Dezember 2023, 13:59

                      @ CitizenK 3. Dezember 2023, 08:46

                      Zurück zum Bürgergeld: Die Lücke ist bei Singles groß, bei Familien mit Kindern klein. Stellt sich die Frage, in welchem Maße Kinder unter dem Manko (selbstverschuldet oder nicht) ihren Eltern leiden sollen bzw. in wie weit die Gesellschaft das ausgleichen soll. Die beantworten Sozis halt anders als Liberale und Konservative.

                      Hier kommt – sorry – Dein ewig falscher Gedankenansatz durch, das Thema nur über das Geld zu denken. Zum einen landet, was für die Kinder gedacht ist, nicht bei den Kindern, sondern den Familien. Wenn das Geld von den Eltern nicht zielführend ausgegeben wird, haben die Kinder nichts davon. Und die Eltern werden eher ihren Familien-Lebensstandard hochfahren, als ihn niedrig zu halten und das Geld für Nachhilfe auszugeben.

                      Denn es sind die Bildungsstrukturen, die bei uns problematisch sind und die Kinder in ihrer gesellschaftlichen Klasse festnageln.

                      Dann berücksichtigst Du einmal mehr nicht, dass „mehr Geld“ praktisch nicht hilft, wenn Du es in nicht funktionierende Strukturen steckst.

                      @ Tim 3. Dezember 2023, 12:59

                      Dadurch werden nun wie unter einem Scheinwerfer die Probleme des Standort Deutschlands sichtbar. Aber die waren vor 25 Jahren exakt dieselben wie heute, nur hat es damals weder Politik noch Wahlbürger interessiert.

                      Zustimmung!

                      Ist sich die Bevölkerung in Deutschland der Probleme bewusst? Ja, das kann man wohl so sagen. Ist sie bereit für notwendige Reformen? Nein, das glaube ich nicht.

                      Kann ich mir auch noch nicht vorstellen. Noch geht es uns zu gut.

                      Statt hart an den Lissabon-Zielen zu arbeiten, hat die EU sich im Wesentlichen auf Quatschpolitik konzentriert.

                      Ja.

                      @ Stefan Pietsch 3. Dezember 2023, 14:52

                      Guter Beitrag, volle Zustimmung.
                      Solche Fragen sollte eigentlich jeder eindeutig beantworten können. Aber mein Eindruck ist, dass es derzeit nicht schick ist, auf unsere Gesellschaft oder unsere Zukunft zu schauen. Man blickt lieber auf das Wohl des Einzelnen im Hier und Jetzt, ohne auf zukünftige Konsequenzen für alle zu achten.

        • Thorsten Haupts 30. November 2023, 18:27

          Sorry, Stefan, aber der deutsche Mindestlohn wurde in den letzten Jahren bereits von 8,50 auf 12,50 angehoben …

        • Erwin Gabriel 30. November 2023, 20:26

          @ Stefan Sasse 30. November 2023, 17:24

          Zum Glück gibt es da mit Lohnerhöhungen gute Mittel dagegen.

          Wieder so ein Kommentar nach dem Motto „ich drücke mal auf den roten Knopf; mal sehen, was passiert“.

          Oder deutlicher: Zum Glück gibt es Preiserhöhungen, um die Lohnerhöhungen finanzieren zu können. Und wenn es für die Bürger:innen nicht mehr aufgeht, greift der Staat ein.

          Rate mal, wer nachher mehr hat, und wessen Lebensstandard sinkt.

          • Stefan Sasse 1. Dezember 2023, 07:46

            Ich hab den Smiley ja schon bewusst gesetzt. Aber grundsätzlich gilt halt schon, dass Löhne und Gehälter auch Preise sind, und in einer Marktwirtschaft unterliegen halt auch die Angebot und Nachfrage. Das vergessen viele Leute immer, wenn es mal in die obere Richtung gehen soll.

            • Erwin Gabriel 1. Dezember 2023, 09:26

              @ Stefan Sasse 1. Dezember 2023, 07:46

              Aber grundsätzlich gilt halt schon, dass Löhne und Gehälter auch Preise sind, und in einer Marktwirtschaft unterliegen halt auch die Angebot und Nachfrage. Das vergessen viele Leute immer, wenn es mal in die obere Richtung gehen soll.

              Keine Einwände. Aber Deine Formulierung zielte darauf ab, dass man als Ausgleich für hohes Bürgergeld dem arbeitenden Teil der Bevölkerung „einfach nur“ die Löhne erhöhen müsste.

              Zum einen sind an die Löhne als Teil der Herstellungs- oder Servicekosten die Preise gekoppelt; da gibt es schon einen Zusammenhang.

              Zum anderen sind auch Bürgergeld und Lohnentwicklung aneinander gekoppelt (wenn auch nur indirekt). Laufen die Löhne nach oben davon, folgen die Preise, folgt das Bürgergeld.

              Gehst Du darauf, dass der Markt frei bestimmt (ja, ich weiß, der Mindestlohn), passt es sich irgendwie an. Greifst Du ein (und sei es durch ein im Vergleich zu Löhnen und Gehältern zu hohes Bürgergeld), wird es selten gut ausgehen.

              Und wenn jemand mit Bürgergeld genug hat, um den Streß mit der Arbeit sein zu lassen, wird er bei davoneilenden Preisen nach mehr Bürgergeld rufen, aber nicht wieder anfangen zu arbeiten.

              • Stefan Pietsch 1. Dezember 2023, 10:19

                Kevin Kühnert hat bei Hart aber fair ausgeführt, dass das Bürgergeld einerseits an die Inflation, andererseits an die Lohnentwicklung gekoppelt sei. Ich habe das nicht überprüft, aber es bedeutet, dass die Löhne nach dieser gesetzgeberischen Konstruktion den Sozialtransfers nicht davoneilen können. Im Gegenteil, bei hoher Inflation ist ein Automatismus eingebaut, dass das Bürgergeld schneller steigt als die Bruttolöhne. Genau das erleben wir 2024.

              • Stefan Sasse 1. Dezember 2023, 12:20

                Klar, das war auch ein gutes bisschen Trolling.

          • Kning4711 1. Dezember 2023, 09:34

            Ich finde das Thema Lohnerhöhungen sollte differenziert betrachtet werden. Gerade in großstädtischen Lagen wie Frankfurt, München oder Köln müssen Unternehmen inzwischen Filialöffnungen verschieben, weil von den Gehältern in diesen Ballungslagen keine Miete mehr finanziert werden kann. Das Mietniveau in einer Stadt lässt sich nun einmal nicht so schnell senken, wie ein Lohn sich erhöhen lässt. Und ein Kassierer im Supermarkt oder die Gastrokraft fährt eben keine 1,5 bis 2 Stunden zur Arbeit, sondern sucht sich dann eine Beschäftigung näher am Wohnort. Das ist für die Dienstleistungsbranche ein echtes Problem und Thema.

            Ich sehe aber auch Tendenzen, die ich nicht nachvollziehen kann. So werden die hohen Tarifforderungen der Lockführer nur dazu führen, dass das Thema autonom-fahrende Züge noch schneller gepusht werden wird. Die streiken sich ihre Jobs kaputt. Auch die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bei Lohnausgleich in der IG-Metall passt einfach nicht in die Zeit und wird den Abfluss von Industriejobs in Deutschland weiter beschleunigen.

  • Thorsten Haupts 30. November 2023, 09:44

    Zu 1)
    Maaßen ist allerdings auch ein Beispiel für die völlig überzogene Medienaufmerksamkeit für jemanden, der weder in der Verwaltung noch in der Politik noch irgendein Amt bekleidet. Er ist im besten Sinne des Wortes jetzt Otto Normalverbraucher – und niemand wird bezweifeln, dass Äusserungen von Stefan S oder mir unter dem Medienradar durchrutschen würden.

    Aber Maaßen eignet sich natürlich gut, um der Union einen mitzugeben …

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • cimourdain 30. November 2023, 15:41

      Formale Gegenrede: Nach dem gescheiterten Parteiausschluss ist Maaßen immer noch CDU-Mitglied und Vorsitzender der Werteunion. Immer noch nichts, was solche Aufmerksamkeit rechtfertigen würde, aber immerhin.

    • Stefan Sasse 30. November 2023, 17:25

      Sorry, aber das ist Unfug. Der Mann war Verfassungsschutzpräsident, er war hochrangig in der Werteunion, er kandidierte für die Bundestag und wäre es beinahe geworden. Sarrazin hast du seinerzeit auch nicht für irrelevant erklärt.

  • Thorsten Haupts 30. November 2023, 09:49

    Zu 5)
    Der Artikel kritisiert auch den Einsatz von Antifeminismus und Anti-Gender-Ideologien als Brücken in die gesellschaftliche Mitte.

    Yup, das ist ein beliebtes Spiel im linken Lager – Delegitimierung von Kritik an Gendersprech oder radikalem Bullshitfeminismus wegen „aber das ist eine Brücke für den Rechtsradikalismus in die Mitte“. Überzeugt zunehmend weniger Leute und wird deshalb auf Sicht vermutlich eingestellt – Kritikunterdrückungsversuch misslungen.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

  • Thorsten Haupts 30. November 2023, 09:50

    Zu b)
    Eine Armee ist ein Handlungsorgan der Politik eines souveränen Staates. Die EU ist kein souveräner Staat, Diskussion beendet.

    • Erwin Gabriel 30. November 2023, 20:29

      @ Thorsten Haupts 30. November 2023, 09:50

      Zu b)
      Eine Armee ist ein Handlungsorgan der Politik eines souveränen Staates. Die EU ist kein souveräner Staat, Diskussion beendet.

      Nur aus Neugier gefragt: Wie ordnest Du NATO bzw NATO-Eingreiftruppe ein?

      • Thorsten Haupts 30. November 2023, 21:21

        Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis mit den Vorteilen einer – im Bündnisfall – integrierten kommandostruktur und – für den Bündnisfall – interoperablen Kommunikationssystemen. Übrigens ein weiterer Grund gegen eine „Europaarmee“, für diese müssten neue und von der NATO getrennte Kommandostrukturen aufgebaut und erhalten werden.

        Trotzdem gibt es keine „NATO-Armee“, bis zur Ausrufung des Bündnisfalles durch die NATO-Staaten sind alle Armeen der NATO-Staaten nationale Armeen unter der Hoheit der jeweiligen NATO-Staaten.

        Auch die NATO VJTF ist keine NATO-Armee, sondern ein Konglomerat aus Kontingenten von 9 Staaten in zusammen knapper Divisonsstärke, deren operative Führung reihum zwischen den beteiligten NATO-Staaten wechselt. Mit anderen Worten – ohne Ausrufung des Bündnisfalles untersteht auch diese Truppe nicht dem NATO-Oberkommando.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • cimourdain 1. Dezember 2023, 08:54

          apropos Bündnisfall: Die Ilias nennt im „Schiffskatalog“ 22 benannte und 7 nicht spezifizierte Herkunftsländer. Ist aber ein schlechtes Beispiel, weil die Führungskonflikte dieser gemeinsamen Armee episch (im wahrsten Wortsinn) waren.

        • Erwin Gabriel 1. Dezember 2023, 17:12

          @ Thorsten Haupts 30. November 2023, 21:21

          Danke!

      • Stefan Sasse 1. Dezember 2023, 07:48

        Ich antworte mal auch: Die NATO ist ein Bündnis souveräner Staaten. Die können jederzeit entscheiden, ob sie Truppen schicken oder nicht. Das wäre in einer EU-Armee anders, weswegen das ja auch ein Non-Starter ist.

    • Tim 1. Dezember 2023, 10:15

      Dass irgend jemand die Idee einer EU-Armee überhaupt vertritt, ist haarsträubend. Erst weiß jeder, dass die EU das sowieo nicht hinbekäme, zweitens würde es die NATO schwächen.

      Gaga.

  • Thorsten Haupts 30. November 2023, 09:54

    Zu f)
    Das Urteil lässt sowohl Fingerspitzengefühl als auch Weitsicht vermissen, die ein so sensibles Thema wie die Generationengerechtigkeit im Gesamtgefüge verfassungsrechtlicher Normen insbesondere in von Umbrüchen geprägten Krisenzeiten erfordert.

    Einer der häufigen Un-Artikel des Verfassungsblogs – eine im Kern politische (!) Kritik, siehe Zitat, wird von einem Juristen vorgebracht. Das macht diese Kritik übrigens nicht zu einer „juristischen Sicht“, sondern nur zur „politischen Meinung eines Juristen“.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 30. November 2023, 17:26

      Der Unterschied ist akademisch, weil die Leute mit diesen Argumentationen ja auch Urteile fällen.

      • sol1 2. Dezember 2023, 20:59

        Die Entscheidung, die Schuldenbremse ins Grundgesetz zu schreiben, hatte ja auch die unvermeidliche Folge, daß jedes Urteil, das das Verfassungsgericht dazu jemals fällen würde, ein politisches sein mußte.

        Hätte es hier anders entschieden, wäre die resultierende Kritik daran ebenfalls nicht rein juristisch, sondern „im Kern politisch“.

        • Stefan Sasse 3. Dezember 2023, 10:04

          Exakt.

        • Thorsten Haupts 3. Dezember 2023, 14:16

          Zur Erinnerung: Das Bundesverfassungsgericht hat drei (!) Gründe für die Ablehnung des Nachtragshaushaltes argumentiert, nur eines davon hatte etwas mit der Schuldenbremse zu tun. Sprich – der Nachtrag war auch völlig ohne Schuldenbremse verfassunsgwidrig.

      • derwaechter 4. Dezember 2023, 11:06

        Wenn Urteile aufgrund politischer Meinung gefällt würden, könnte man sich die dritte Gewalt auch gleich sparen.

        • Stefan Sasse 4. Dezember 2023, 15:24

          Werden sie ja nicht. Aber es gibt unterschiedliche Auslegungen, andererseits. Und Gesetze dieser Art sind grundlegend politisch, andererseits. Deswegen ist JEDE Rechtsprechung immer auch ein politischer Akt. Muss sie notgedrungen sein.

  • cimourdain 30. November 2023, 13:40

    1) Ich habe schon beim letzten Vermischten darauf hingewiesen, wie sehr Akteure aus gemäßigteren Lagern das Overton-Fenster nach rechts verschoben haben. Natürlich versuchen jetzt Rechtsausleger da die Grenzen auszuloten und die AfD kann sich freuen, dass sie ohne „Eigenleistung“ komplett im Mainstream ist.

    2) Der zweite Rechtsausleger der sehen will, was geht. Rechtlich geht da womöglich mehr als du denkst: Art 16 GG Abs 1: „Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.“ Interessant dabei das Willkürverbot , das eine Ungleichbehandlung von Schweizern und Syrern verbieten würde und auch eine Diskriminierung nach Opfergruppen („antisemitische Gewalt“) zweifelhaft macht. Interessant auch der Nebensatz: „wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird“. Der Doppelstaatler könnte also eine juristische Sekunde vor dem Entzug die andere Staatsbürgerschaft ablegen und so den Entzug abwehren.

    3) Passend zu den EU-Fiskalregeln und der aktuellen deutschen Schuldenkrise ein „Man trifft sich immer zweimal“ Moment: https://www.msn.com/de-de/finanzen/top-stories/ausland-spottet-%C3%BCber-deutsche-haushaltskrise-verkauft-doch-eure-inseln-und-unternehmen/ar-AA1kIIR6
    Ansonsten habe ich meine Zweifel, dass die Regierung es schafft, ihren Bruch der Schuldenbremse gerichtsfest zu begründen.

    4) Die Grünen sind seit ihrer Mitregierung 1998ff die Opportunistenpartei („Doch die Blumenkinder/ wer konnt‘ das ahnen/ gingen den Weg / Aller Bananen: / Heute grün und morgen gelb / Und übermorgen schwarz“) Umso bemerkenswerter die Fallhöhe zum Anspruch (anders als andere) „wertegeleitete Politik“ zu machen.

    5) Würde Lembke wohl ein Gendersprechgebot auch als verfassungswidrig kennzeichnen? Und wenn nicht, müsste ihr auffallen, dass das GG mit seiner verwiegend ungegenderten Sprache womöglich auch verfassungswidrig ist.

    a) Mir ist letzthin wieder ein Zitat von Chesterton untergekommen: „Seit die Menschen nicht mehr an Gott glauben, glauben Sie an alles mögliche“ Ist es denkbar, dass mit der schwindenden Religiosität die Begeisterung für „Mikro Ideologien“ direkt einhergeht, so wie im 20. Jahrhundert die totalitären Ideologien versucht haben, die Religion zu verdrängen/ersetzen.

    d) Das ist doch das Problem zwei Parteien, die von ihren alten, unbeliebten ( und korrupten) Präsidentschaftskandidaten quasi in Geiselhaft gehalten werden.

    f) Ich habe meine Zweifel, dass die Regierung es so schafft, ihren Bruch der Schuldenbremse gerichtsfest zu begründen. Klimakrise ist eben keine „außergewöhnliche Notlage“ sondern Realität auf lange Zeit.

    • Stefan Sasse 30. November 2023, 17:29

      1) Korrekt.

      2) Ich denke nicht, dass das ohne GG-Änderung durchginge. Mir geht es auch mehr darum, dass hier die Grenzen austesten völlig ok zu sein scheint…

      3) Ich nicht.

  • Thorsten Haupts 30. November 2023, 15:32

    Zu 1)
    DEN Verdacht habe ich schon sehr lange. Irgendwie muss ein offenkundig bestehendes Bedürfnis ja erfüllt werden.

  • Thorsten Haupts 30. November 2023, 15:33

    Zu a und cimourdain

  • Lemmy Caution 30. November 2023, 20:25

    e) Fes Artikel zu Argentinien und Bolivien

    Vamos por partes würde Milei sagen.
    ja ja, die Friedrich Ebert Stiftung in Buenos Aires.
    Die haben eine Meinung, ich habe eine Meinung. Niemand kann neutral sein.
    Die sind schon seeeehr progre.

    Frau Blank sagt, dass die ökonomisch abgehängten nun noch mehr abgehängt werden.
    Milei sagt, dass er die Armen unterstützen will und in seinen Sparbemühungen v.a. gegen die Mittelsmänner in den argentinischen Sozialsystemen vorgehen will. Angesichts der avisierten Kürzung von 7% des Staatshaushalts wäre es sehr unwahrscheinlich, dass die Bedürftigen nicht ein wenig leiden müssten. Bekommt Milei die Wirtschaft stabilisiert, wird es nach dem Tal der Tränen besser. Meine Sicht ist, dass die relativen Preise in Argentinien zu verzerrt sind. Werden die unter Milei gerade gebogen, existiert die Chance einer V-shaped Krise, also eine relativ kurze Verschärfung und dann eine Verbesserung gerade auch für viele Arme.

    Blanke erweckt klar den Eindruck, dass Milei eine Hyperinflation anstrebe, um die Dollarisierung zu erleichtern. Für mich ist dieser Punkt eine unsachliche Unterstellung. Milei will keine Hyperinflation. Die daraus resultierende Massenarmut würde die Durchführung des Stabilisierungsprogramms eher erschweren als erleichtern. Milei hat das auch mehrfach gesagt. Für November wird eine MONATLICHE Inflation von 14% erwartet. Hyperinflation wäre 50%. Argentinien ist da sowieso ziemlich nahe dran und es wäre ein großes zusätzliches Problem.

    Sie schreibt dann noch was zu gleichgeschlechtlichen Ehen. Milei hat sich auch schon mal öffentlich dafür ausgesprochen, Teile seiner Bewegung allerdings dagegen. Das Thema wird sicherlich NICHT Teil der Agenda der Regierung des nächsten Jahres sein.

    „Milei stellt nach 4 Jahrzehnten demokratischer Erfahrung die gesamte politische Klasse in Frage“
    Warum muss die menschenverachtende Militärdiktatur dafür herhalten, dass jemand wie Milei keine grundsätzliche Fragen zum Politikbetrieb im Land stellen darf. Argentinische Politiker genehmigen sich verhältnismässig extrem hohe Einkommen, fallen sehr oft durch unglaubliche Korruptionsskandale auf und die performance mit dieser dysfunktionalen Währung, den zerrüteten Staatsfinanzen und der Investitionsflaute seit 2011 kann ernsthaft niemanden überzeugen.
    Frau Blank behauptet, dass Milei keine Erklärungen anböte. Das finde ich auch wieder sehr unfair. Er hat kurz vor seinem Einstieg in die Politik als Politiker eine Menge Bücher geschrieben. Ich hab „Libertad Libertad Libertad“ von Giacomini und Milei nicht zu Ende gelesen, weil mich da nichts überraschte. Sicherlich war die Perspektive neoliberaler als meine eigene, aber schlecht fand ich es auch nicht.
    Wenn man sucht, findet man sicher auch wissenschaftliche paper. Der Mann war schließlich Wirtschaftsprofessor.

    Dann wird aus dem Sieg gegen die andere liberale Kandidatin Patricia Bulrich vom Parteienbündnis „Juntos por el cambio“ herumgeritten.
    Für mich erklärt sich Bulrichs Niederlage v.a. damit, dass „Juntos por el cambio“ bereits 2015 bis 2019 den Präsidenten gestellt hat (Mauricio Macri) und am Ende gescheitert ist. Viele sehen das Scheitern Macris v.a. darin begründet, dass die hohen Subventionen für Strom, Gas und Benzin nie angetastet wurden und zwar aus Angst vor der Straße. Ich vermute, dass die Weltöffentlichkeit sehr kurz nach der Amtseinführung Mileis einen in der Berichterstattung bisher erstaunlich unbeachteten Player kennenlernen wird: Die Sozialen Bewegungen. Ob das „die Guten“ sind zweifel ich persönlich stark an. Wir werden sehen.

    Frau Blank schreibt dann noch über das Scheitern der neoliberalen Phase unter Menem/Cavallo. Sie erwähnt nicht, dass sie von 1989 bis 1997 recht vielversprechend aussah. Der Kirchnerismus kann auch nicht auf mehr als 8 recht gute Jahre zurückblicken. Seit spätestens 2011 geht es dem Land schlecht.

    Von „moderatem Peronismus“ würde ich auch nicht sprechen. Massa ist eher ein „operador político“ ohne klares ideologische Profil. Er machte dem IWF falsche Versprechungen und hielt den immer mehr in Schieflage geratenen Laden am Laufen, ohne irgendwelche Perspektiven für die Zukunft zu entwickeln.

    Frau Blank merkt an, dass Milei ohnehin Mehrheiten im Parlament fehlen. Da bin ich mir nicht so sicher. Der Peronismus ist sehr heterogen. Mit dem nicht kleinen Feld des anti-kirchneristischen Peronismus knüpft Milei bereits Verbindungen bis zu Regierungsposten.

    Frau Blank kritisiert Mileis sehr negativen Äußerungen gegenüber den wichtigsten Handelspartnern Argentiniens: Brasilien und China. Das ist völlig richtig… und nicht mehr aktuell. Hier wurde bereits kräftig zurückgerudert. Zuletzt hörte ich, dass man die Einladung zu den BRICs nicht ausschlagen will. Die letzte Regierung hat übrigens eine OECD Mitgliedsschaft aus ideologischen Gründen ausgeschlagen.

    Dann bringt sie das Thema des Verhältnisses von Mileis Vize Victoria Villaruel zu der Militärregierungen der 70er und 80er auf. Argentinien hat diese Zeit sehr gründlich aufgearbeitet. Villaruel agierte jahrelang innerhalb der oft sehr extremen Gruppen der Verteidiger der Grusel-Juntas, jedoch hat sie mich und viele andere in ihren letzten Interviews eher überzeugt als abgestossen. Sie konzentrierte sich auf den Punkt, dass die Greuels der Montoneros und anderer terroristischer Gruppen in den letzten Jahren von staatlicher Seite heruntergespielt wurde. Da hat die Frau aus meiner Sicht einen Punkt. Was Felipe Pigna als Guido Knopp Argentiniens zu diesem Thema in seinen vielen Dokumentationen (https://www.youtube.com/@FelipePignaHistoria/videos) so gebracht hat, fand ich problematisch. Das Zeugs hat auch gute Seiten und kann vielleicht auch mit nicht so sicheren Spanischkenntnissen konsumiert werden.

  • Erwin Gabriel 30. November 2023, 20:42

    @ STefan Sasse

    l) Intellektuelle Unaufrichtigkeit bei der Bürgergelddebatte ist leider auch Standard.

    Meinst Du allen Ernstes, dass jeder, der Anspruch auf irgendeine Art von Beihilfe hat, in der Lage ist zu ermitteln, was er tun muss, und in der Lage ist, das umzusetzen?

    Natürlich kommst Du mit dem Bürgergeld unter Umständen in Bereiche bzw. zu Summen, für die andere Leute arbeiten gehen.

    Geld zu verteilen (erst recht Geld, dass man nicht vorher selbst verdient, sondern anderen weggenommen von anderen eingezogen hat, ist ja echt schön. Man ist stets der Held. Aber die Folgen? Sieht man schon an den Reaktionen, wenn jemand fordert, das Ganze etwas zurückzustutzen.

    Um es mit Wilhelm Busch zu sagen: Wehe, wehe, wenn ich auf das Ende sehe.

    • Thorsten Haupts 30. November 2023, 21:31

      Ja. Was die Befürworter eines „Um den Lohnabstand einzuhalten, muss dann eben der Mindestlohn entsprechend angehoben werden“ zusätzlich übersehen, ist, dass diese Anhebung gleichzeitig das Bürgergeld massiv entwertet. Weil die meisten Mindestlohnbezieher im lokalen Einzelhandel, in den lokalen Lebensmittel-Handwerkerbereichen (Metzger, Bäcker etc.) und im lokalen Dienstleistungssektor (z.B. Friseure, Restaurants etc.) arbeiten und deren lohnintensive Unternehmen ihre Preise entsprechend erhöhen müssten. Ist ganz nebenbei auch eines meiner beiden Hauptargumente gegen das bedingungslose Grundeinkommen, dem wir mit dem Bürgergeld wieder einen Schritt näher gekommen sind.

      Nein, wer Sozialleistungen auf den Wert von bezahlter Vollzeitarbeit anhebt, hat schlicht nicht mehr alle Tassen im Schrank. Es gibt keine Volkswirtschaft, die das auf Dauer erträgt. Deutschlands Schlaraffenlandträumer werden das erst begreifen, wenn die deutsche Wirtschaft sich für Jahre auf Talfahrt begeben hat bzw. die Ausgaben durch die Decke gehen (das hat ja schon begonnen). Muss mich Stefan P anschliessen – wird Zeit, auszuwandern.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 1. Dezember 2023, 07:49

      Das mag ja alles sein, aber es ändert nichts dran, dass mit gelogenen Beispielen journalistischer Aktivismus betrieben wird. Das würdest du weder in der Asyl- noch in der Klimaschutzdebatte durchgehen lassen.

      • Stefan Pietsch 1. Dezember 2023, 09:02

        Mich empört immer wieder, wie unseriös viele akademisch Gebildete vorgehen und alles an der Uni Gelernte ignorieren. Es fängt mit dreisten Manipulationen an. Alternativ kommt die Unfähigkeit lesen zu können in Betracht. Finde den Fehler:

        Ein Paar mit 2 Kindern hat ab Januar Anspruch auf 2502 Euro Bürgergeld. Das entspricht einem Bruttogehalt von 3320 Euro. Ein Gehaltscheck zeigt, welche Berufe da noch mithalten können.

        „Verfügbares Einkommen nach Miete und Heizung“ Singles / Alleinerziehende mit 2 Kindern“

        Gefunden? Okay, ich hab’s einfach gemacht, man will ja niemanden überfordern. Es ist ein Problem, wenn gebildete Menschen ihre Informationen über X und von Journalisten beziehen, wenn Originalquellen zur Verfügung stehen. Zur Erinnerung: Jan Fleischhauer referenzierte auf in München lebende Bürgergeldempfänger.

        Das ifo Institut hat derzeit zwei Projektarbeiten zum Bürgergeld im Auftrag, die im Dezember abgeschlossen werden. In dem Aufsatz „Ungelöste Probleme der Grundsicherung“ wird die Lage analysiert. Nach deren Berechnungen kommt ein Ehepaar mit zwei Kindern dort auf Ansprüche auf Bürgergeld von 2.729 Euro (durchschnittlich) bzw. 3.233 Euro (maximal). Das ist noch deutlich mehr als Jan Fleischhauer ansetzt. Auch in dem Bericht kommen die Autoren zu dem Schluss, dass das Haushaltsnettoeinkommen erst in Gegenden von einem Bruttoarbeitslohn jenseits von 3.300 über dem Bürgergeld liegt. Wohlgemerkt, der eine arbeitet dafür 40 Stunden, der andere 0 Stunden. Und am Ende hat man annähernd das Gleiche??? Die Frage, die hier völlig ignoriert wird, ist: Ab wann lohnt es sich zu arbeiten? Doch keinesfalls, wenn man das Gleiche oder Annähernd Gleiche hat wie ohne Arbeit. Müssen wir das diskutieren?

        Das ifo Institut beklagt hier die Alimentierungsspirale. Denn was so akademisch Gebildeten gar nicht aufgeht, ist, dass Bürgergeld und Wohngeld weit in mittlere und sogar höhere Einkommen eingreifen und dann noch hohe Transferentzugsraten aufweisen. Nicht neu, aber das wird von der Linken völlig ignoriert. Wir machen Menschen von staatlichen Leistungen abhängig.

        Durch die Erhöhungen der Regelbedarfe, der verbesserten Hinzuverdienstmöglichkeiten und der Erhöhungen von Wohngeld Plus und des Kinderzuschlages hat sich das verfügbare Haushaltseinkommen der Haushalte 2023 gegenüber dem Vorjahr deutlich erhöht. Allerdings hat dies weitreichende Konsequenzen. Beide Grundsicherungssysteme weisen Einkommensbereiche mit hohen Transferentzugsraten aus, also Einkommensbereiche, in denen die Betroffenen von ihrem zusätzlichen Bruttoeinkommen nur einen kleinen Teil behalten dürfen. Das Problem ist nicht neu. Neu ist jedoch das Ausmaß, in dem sich diese Bereiche mit steigenden Transferleistungen in immer höhere Einkommensbereiche verschieben. (..)

        Das Problem der sich in höhere Einkommensbereiche verlagernden hohen Transferentzugsraten wird den Betroffenen bei den anstehenden Lohnerhöhungen bewusst werden. Der vierköpfige Modellhaushalt in Leipzig würde, ausgehend von einem Bruttolohn von 3 500 Euro im Monat, bei einer 10 %igen Lohnerhöhung gerade einmal 36 Euro netto mehr erhalten. Bei dem Münchener Haushalt wären es, ausgehend von einem Bruttolohn von 4 000 Euro im Monat, gerade einmal netto 3 Euro. Immer mehr Menschen werden dann die Erfahrung machen, dass mehr Geld nur durch die Erhöhung staatlicher Leistung, nicht aber durch die Erhöhung des Arbeitseinkommens zu bekommen ist.

        Für akademisch Gebildete, die ihre Bildung nutzen können, ist das alles nicht neu und kann nicht umstritten sein. Man sollte eben seine Bildung nicht wegwerfen.

        • Tim 3. Dezember 2023, 13:11

          @ Stefan Pietsch

          Wir machen Menschen von staatlichen Leistungen abhängig.

          Wie mit der alten Arbeitslosenunterstützung. An die Probleme, die sie jahrzehntelang verursacht hat, scheint sich heute niemand mehr zu erinnern.

      • Erwin Gabriel 1. Dezember 2023, 16:59

        @ Stefan Sasse 1. Dezember 2023, 07:49

        Das mag ja alles sein, aber …

        Echt jetzt?

        Du hältst die Situation für belanglos, aber die Diskussion darüber muss diskutiert werden? Und die nennst Du „unaufrichtig“?

        Ich muss einmal mehr mein Unverständnis ausdrücken. Neben dem Thema „Migration“ ist unser überbordende „Sozial“staat DAS entscheidende Thema, um unser Land bzw. besser unsere Gesellschaft zu spalten und zu ruinieren. Immer Jammern über die Schuldenbremse, und das man kein Geld für wichtige Investitionen hat. Aber auf der anderen Seite haut man jeden Euro, den man hat, in den sozialen Konsum (und viele Millionen Euro, die man nicht hat, dazu) – oft an Leute, die es nicht brauchen, zu Lassten derjeniger, die es bräuchten.

        2022 hatten wir eine Zuwanderung von etwa 1,5 Millionen Menschen. Das bedeutet: Jeden Monat kommt die Einwohnerschaft von Göttingen, Gütersloh, Heilbronn, Pforzheim, Wolfsburg oder Würzburg zu uns, die Wohnraum, Versorgung, Bildung etc. beanspruchen. Das wir keinesfalls in der Lage sind, einmal pro Monat eine dieser Städte mit der dazugehörigen Infrastruktur aufzubauen, ist Dir auch klar, aber den Fakt verdrängst Du ständig.

        Die meisten dieser Menschen landen erstmal für längere Zeit im sozialen Netz. Und parallel dazu, dass wir jeden Monat eine neue mittelgroße Stadt an den Tropf hängen, die von immer weniger Menschen versorgt werden, werden wonnevoll die Sozialausgaben pro Kopf hochgefahren.

        Hast Du denn keine Vorstellung davon, was das für unsere bedeutet? Und ich rede hier nicht von kulturellen Unterschieden, von Gewalt, Frauendiskriminierung oder ähnlichem – ich rede von diesem Konzept, mit dem sich unser Staat fit für die Zukunft machen will. Die Antwort von Dir und Gleichgesinnten ist „die Schuldenbremse muss weg“.

        Zugegeben: Der Weg, sich das benötigte Geld von seinen Kindern zu stehlen (borgen kann man schlecht sagen, da es keine Chancen gibt, es angesichts der gerade stattfindenden gesellschaftlichen Entwicklungen je wieder zurückzuzahlen), ist der einfachste. Aber auch nur ansatzweise so zu tun, als sei das der einzige Weg, ist schlichtweg gelogen. Jede Rechnung, die nicht bei den enormen Einnahmen, sondern erst bei den Summen beginnt, die nach Sozialausgaben überbleiben, ist gelogen.

        PS: Versuch doch mal angesichts dieser Situation, einem normalen Menschen zu erklären, dass die AfD eine „menschenverachtende“ Partei ist.

        • Stefan Sasse 3. Dezember 2023, 09:59

          Ich verstehe nicht, warum du die Kritik an erlogenen Zahlen mit einer generellen Ablehnung der Kritik am Thema gleichsetzt. Mir ging es darum, dass Fleischhauer hier (pars pro tot) verfälscht. Du reagierst damit, als hätte ich gefordert, das Thema mit einem Bannfluch zu belegen.

          • Tim 3. Dezember 2023, 13:12

            Du gehst mit keinem Wort auf Erwins Kritik ein. Deine Meinung zu seinen Punkten würde mich schon interessieren.

            • Stefan Sasse 3. Dezember 2023, 18:10

              True.

              Thema: Stimme zu, neben Migration hat das riesiges Aufregerpotenzial.
              Verschwendung: Ich bin zu wenig in den Zahlen drin, um das beurteilen zu können, aber das BEVerfG setzt ja ziemlich enge Grenzen, was gesichert sein muss.

              Verdrängung Migration: Schuldig im Sinne der Anklage, fürchte ich. Gleiches gilt für die politische Bedeutung des Themas.

          • Erwin Gabriel 3. Dezember 2023, 13:58

            @ Stefan Sasse 3. Dezember 2023, 09:59

            Ich verstehe nicht, warum du die Kritik an erlogenen Zahlen mit einer generellen Ablehnung der Kritik am Thema gleichsetzt. Mir ging es darum, dass Fleischhauer hier (pars pro tot) verfälscht.

            Frage: Hast Du nur den Tweet gesehen und gedacht „typisch Fleischhauer, passt schon, poste ich“, oder hast Du Dir gesagt „da muss ich selbst erst mal nachrechnen, ob das stimmt“? Wenn Du sagst, dass Fleischhauers Zahlen gelogen sind, dann belege das doch durch die richtigen Zahlen.

            Das, was man Fleischhauer bestenfalls vorwerfen kann, ist eine verkürzte Darstellung, als ob jedes Zwei-Kinder-Pärchen mit Bürgergeld-Anspruch unabhängig von anderen Umständen auf den Euro die gleiche Summe kriegt. Aber dazu hat Stefan Pietsch bereits geantwortet.

            Ich halte für verfälschender, auf die Beihilfen für Einkommensschwache zu verweisen. Aber dazu hatte ich bereits etwas geschrieben.

            Du reagierst damit, als hätte ich gefordert, das Thema mit einem Bannfluch zu belegen.

            Keinesfalls, den „Fluch“ kannst Du streichen. Was ich aber immer wieder sehe, ist, dass Du Dich der Diskussion des eigentlichen Problems entziehst. Das Problem ist nicht, ob Fleischhauers Kommentar sich um 100 Euro rauf oder runter vertut. Das Problem ist, dass man über Bürgergeld in Bereiche kommt, wo sich für bestimmte Einkommensschichten das Arbeiten nicht mehr lohnt, selbst, wenn das Bürgergeld „nur “ 2.500 Euro brutto entspräche.

            • Stefan Sasse 3. Dezember 2023, 18:13

              Ich habe mehrere Korrekturen seiner Zahlen gesehen.

              Ich sehe das Problem. Aber Verständnisfrage: das BG hat doch nicht zu einer Erhöhung der Beträge gegenüber H4 geführt, oder? Und erneut, die sind ja effektiv als Untergrenze durch das BVerfG vorgeschrieben. Oder verstehe ich was falsch?

              • Stefan Pietsch 3. Dezember 2023, 18:49

                Bei der Umstellung wurden zum einen die Beträge erhöht, zum anderen die Bedingungen für den Bezug erheblich erleichtert.

                Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Urteilen zum Hartz-IV-Satz dem Gesetzgeber einen relativ weiten Gestaltungsspielraum eingeräumt. Dies habe ich übrigens mehrmals kommentiert. Der Gesetzgeber muss seine Berechnung transparent gestalten. Abgeleitete Prozentsätze wie bei den Sätzen für Kinder sind nicht zulässig. Allerdings kann der Gesetzgeber das soziale Existenzminimum mit einiger Freiheit gestalten und Pauschalbeträge ansetzen.

                Siehe dazu Urteil vom 5. November 2019; 1. Leitsatz:
                Die zentralen verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung staatlicher Grundsicherungsleistungen ergeben sich aus der grundrechtlichen Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG). Gesichert werden muss einheitlich die physische und soziokulturelle Existenz.

                Urteil vom 9. Februar 2010, Leitsätze 2-4:
                2. Dieses Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG hat als Gewährleistungsrecht in seiner Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG neben dem absolut wirkenden Anspruch aus Art. 1 Abs. 1 GG auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen auszurichten hat. Dabei steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu.

                3. Zur Ermittlung des Anspruchumfangs hat der Gesetzgeber alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren zu bemessen.

                4. Der Gesetzgeber kann den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag decken, muss aber für einen darüber hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch einräumen.
                https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2010/02/ls20100209_1bvl000109.html

                SPD und Grüne haben seit ein paar Jahren daraus die Behauptung gemacht, der Gesetzgeber habe angeblich gar keinen Gestaltungsspielraum. Das ist eine vorsätzliche Täuschung der Öffentlichkeit.

                • Stefan Sasse 4. Dezember 2023, 09:30

                  Ich hab die Behauptung ehrlich gesagt noch nie aus Politikkreisen gehört. Ich kenne das vor allem aus der Berichterstattung. Danke für die Infos.

                  • Stefan Sasse 4. Dezember 2023, 15:23

                    Achim Truger erklärt im Interview, wo das Problem mit den Sozialstaatskürzungen liegt. Er sagt übrigens auch, dass man eben nicht viel kürzen kann wegen des BVerfG: https://www.stern.de/politik/deutschland/oekonom-achim-truger-erklaert–warum-er-gegen-sparen-beim-sozialen-ist-34250332.html#google_vignette

                  • Stefan Pietsch 4. Dezember 2023, 19:15

                    Kevin Kühnert hat dies vor einer Woche bei Hart aber fair wieder angeführt.

                    Der Witz ist ja: die 12-Prozent-Erhöhung kommt ja zustande, weil das Bundesarbeitsministerium eine Inflationsrate von 10 Prozent unterstellt. Das ist fern der Realität. Umgekehrt sind die gleichen Sozialdemokraten und Grüne die größten Gegner der Indexierung des Steuertarifs, verlangen für die Anpassung regelmäßig einen politischen Preis und verlangen eine niedrige Inflationsrate als Bemessungsgrundlage für die zweijährliche Anpassung.

                    Das passt nicht und verringert immer mehr den Abstand zwischen Löhnen und Transferbezügen.

                    • Stefan Sasse 5. Dezember 2023, 09:03

                      Ich hab null Problem mit der Indexierung. Mit welchem Argument verweigert sich die SPD dem, weißt du das?

                    • Stefan Pietsch 5. Dezember 2023, 10:45

                      Es ist nicht nur die SPD. Auch die Grünen sind dagegen und die Union hat es nie forciert. Das sind alles staatsnahe Parteien, die ein grundsätzliches Interesse an schleichenden Steuererhöhungen haben – oder sich zumindest gerne öffentlich dafür feiern lassen, wenn sie die zuvor zu Unrecht vereinnahmten Steuern aufgrund der kalten Progession zurückgeben können. So geschehen 1989, als der Kern der Kohl’schen Steuerreform darin bestand, die seit vielen Jahren nicht angepassten nominalen Beträge des Steuertarifs deutlich zu erhöhen. Das war der ganze Trick.

                      Die Parteien fühlten sich auch nie bemüßigt, den Grundfreibetrag an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten anzupassen oder an die Sozialhilfesätze zu koppeln. Dies erzwang erst ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts in den Neunzigerjahren. Seit dem gilt: Steigen die Sozialhilfesätze (Bürgergeld, Hartz-IV), muss der Steuergesetzgeber auch den Grundfreibetrag analog anheben.

                      Obwohl das Urteil da eindeutig ist, versuchte die SPD immer wieder, den rein formalen gesetzgeberischen Akt mit einem Kompensationsgeschäft zu verbinden. So Sigmar Gabriel 2013 / 2014, der für die Zustimmung der SPD eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes forderte und einige Zeit die Anhebung des Grundfreibetrages blockierte.

                      Inzwischen ist die Indexierung in einem einfachen Gesetz geregelt. Danach muss der Steuertarif alle zwei Jahre gemäß der Inflationsentwicklung angepasst werden. Die Bundesfinanzminister haben seit dem das Gesetz trickreich angewendet, in dem immer sehr niedrige Inflationswerte unterstellt wurden.

                      Als der Bundesfinanzminister Christian Lindner im vergangenen Jahr die vorgeschriebene Anpassung ins Jahressteuergesetz schrieb, begehrten SPD und Grüne auf. In der aktuellen Phase könne sich der Staat eine pauschale Anpassung nicht leisten. Auch damals wurde ein Kompensationsgeschäft ins Spiel gebracht.

                    • Thorsten Haupts 5. Dezember 2023, 12:44

                      Boah ey, der Staat trickst, um politisch risikolose Mehreinnahmen nicht zu verlieren? Das sind auch nur News für Staatsgläubige aka Trottel.

                    • Stefan Pietsch 5. Dezember 2023, 14:54

                      @Thorsten Haupts

                      Hören Sie mal Linken zu. Die bestreiten das seit Jahrzehnten. Natürlich wollen wir untere und mittlere Einkommen entlasten. Nur, leider, leider, sind die Zeiten derzeit einfach ungünstig.

                    • Thorsten Haupts 5. Dezember 2023, 15:01

                      Ich weiss. Das war eine der Frustration geschuldete sarkastische Nebenbemerkung.

  • Thorsten Haupts 1. Dezember 2023, 18:19

    Die meisten dieser Menschen landen erstmal für längere Zeit im sozialen Netz.

    Und auf dem Wohnungsmarkt, der dafür überhaupt nicht ausgelegt ist und unter der Last sichtbar (und vorhergesagt, Reiner Meyer „Don Alphonso“ war 2015 einer der ersten) zusammenbricht.

    Was mich an der ganzen Geschichte am meisten wundert – ungesteuerte Massenimmigration kann überhaupt nur funktionieren mit einer über Jahrzehnte durchgehaltenen, massiven Investition von politischem und finanziellem Kapital. Dazu haben sich die Migrationsbefürworter Deutschlands nie durchringen können, weshalb wir jetzt die schlimmste aller denkbaren Welten haben: Ungesteuerte Massenimmigration in langsam verrottende Infrastrukturen und in eine Aufnahmenbevölkerung, die zu Recht immer gereizter, ungeduldiger und misstrauischer wird.

    Ich verstehe absolut nicht, warum irgend jemand jemals annehmen konnte, das würde schon irgendwie funktionieren. So dumm kann keiner sein, sollte man meinen. Unsere führenden Politiker konnten und können …

    Gruss,
    Thorsten Haupts

  • sol1 3. Dezember 2023, 00:12

    a) Die Studie hat eine eigene Website mit weiteren interessanten Ergebnissen:

    https://kmu.ekd.de/

  • CitizenK 5. Dezember 2023, 17:52

    @ E. G.
    Hier kommt – sorry – Dein ewig falscher Gedankenansatz durch, das Thema nur ohne das Geld zu denken.

    Der Ansatz für ein Kind beträgt (nach der umstrittenen Erhöhung) 357 €. Das sind 47 % dessen, was Familien durchschnittlich für ein Kind ausgeben (763 € lt. Stat. BA). Um wieviel ist das zu viel?

    „Die Hälfte der Konsumausgaben für das Kind wurde zur Deckung der materiellen Grund­versorgung (Ernährung, Bekleidung, Wohnen) verwendet; Allein­erziehende setzten hierfür fast 60 % (1 Kind: 57 %, 2 Kinder 58 %) der Konsumausgaben ein. Paare verwendeten dafür maximal die Hälfte (1 Kind: 46 %, 2 Kinder: 49 %, 3 Kinder: 50 %).“
    https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Einkommen-Konsum-Lebensbedingungen/Konsumausgaben-Lebenshaltungskosten/aktuell_ausgaben-kinder.html

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