Unternehmen „Rache“ [Gesamtartikel]

Zu einigen der mittlerweile zum Klischee geronnenen Phrasen der US-Wahlkämpfe ist die Behauptung, dass „the stakes never were this high„. Zuverlässig wird beim nächsten Mal dann verkündet, dass sich der Einsatz noch weiter gesteigert habe; die vorliegende Wahl sei noch entscheidender als die letzte. Wenngleich mit unterschiedlichen Untertönen findet sich diese Behauptung auf beiden Seiten des politischen Spektrums: bei den Republicans in apokalyptischen Tönen der drohenden Übernahme durch einen gottlos-sozialistisch-woken Mob, der das Land mit Migrant*innen überflutet und Steaks verbietet, auf der Gegenseite mit nicht minder apokalyptischen Tönen von der drohenden Machtübernahme durch Faschisten, dem Errichten von Camps und der Schaffung einer rechtsgerichteten Diktatur. Das Problem im Jahr 2024 ist, dass eine der beiden Seiten eine wesentlich plausiblere Erzählung hat als die andere, wo idealerweise beide Narrative von kühlen Köpfen als aktivistische Fieberträume entlarvt weren könnten. Die Frage, die man sich angesichts der „dieses Mal geht es wirklich um die Rettung der Demokratie“ stellen muss ist selbst bei moderaten Beobachtenden zunehmend: was, wenn es stimmt?

Sofern nicht noch ein Wunder geschieht, wird die republikanische Partei im kommenden Sommer zum dritten Mal in Folge Donald Trump als ihren Präsidentschaftskandidaten aufstellen. Das ist umso bemerkenswerter, als dass der Prozess innerparteilicher Demokratie, der seit den Vorwahlen 2011/12 in einem beständigen Auflösungsprozess war, nun endgültig zusammengebrochen ist. Trump nimmt weder an den Debatten („Unserious Debates for an Unserious Primary„) noch an irgendwelchen anderen Auswahlmechanismen teil und benimmt sich, als ob es einen Wahlkampf überhaupt nicht gäbe – womit er zu allem Überfluss auch noch Recht zu haben scheint. Allein das ist bemerkenswert und kaum rezipiert; die GOP ist effektiv die Trump-Partei. Doch das ist gar nicht das hauptsächliche Problem. Was auf der Gegenseite für wochenlange atemlose Diskussionen sorgen würde, spielt auf der Rechten eine so geringe Rolle, dass es kaum eine Erwähnung wert ist (erinnert sich noch jemand an die hystische Sorge, Hillary Clintons Vorwahlsieg wäre irgendwie undemokratisch, weil viele Parteifunktionär*innen für sie waren? Good times).

Dass die große Katastrophe zwischen 2017 und 2021 ausblieb, führte zu viel Häme im eher moderat-linken und moderat-rechtem Lager. Da schaut her, war der Tenor, so viel Warnungen und nun passiert unter Trump doch so gut wie nichts. Dem würde ich erstens entgegegnen (und habe ich), dass so wenig gar nicht war, aber vor allem, dass das auf einem entscheidenden Faktor beruhte: niemand, auch Trump selbst, rechnete mit einem Sieg in der Wahl 2016. Die Erwartung war, dass Hillary Clinton gewinnen würde. Als Trump siegte, war das für alle Beteiligten ein Schock. Trump hatte keine Vorbereitungen für einen solchen Sieg getroffen. Michael Lewis hat das in „The Fifth Risk“ hervorragend nachgearbeitet (siehe hier). Trump hatte kein Personal vorbereitet, keine Kandidat*innen durchleuchtet, kein Programm, keinen Plan. An einigen Stellen übernahmen wirre Ideologen wie Steven Miller, Scott Pruitt oder Steven Mnuchin, an anderen Stellen konservative Hardliner wie John Bolton, an wieder anderen generische Konservative wie Mike Kelley. Die Mehrheit im Kongress wurde von einem konservativen Hardliner, Paul Ryan, geführt, der nach einer Palastrevolution gegen einen generischen Konservativen, John Boehner, das Amt übernahmen hatte. Inzwischen sitzen im Kongress Spinner*innen und schlimmere Spinner*innen. Es gibt praktisch keine konservativen Hardliner mehr, und die generischen Konservativen muss man mit der Lupe suchen (mir fiele Mitt Romney ein – noch).

Aber dieser Wandel der Partei und ihrer Repräsentant*innen ist gar nicht das größte Thema. Das viel größere Thema ist, dass die Rechtsradikalen aus ihrem Versagen in der (ersten?) Trump-Präsidentschaft gelernt haben. Seit der Niederlage 2020 planen sie ihr Comeback – und der Plan sieht düster aus. Das Leitmotiv all ihrer Vorbereitungen ist Rache – Rache an den Democrats, Rache an den innerparteilichen Gegnern, Rache an der Zivilgesellschaft. Das ist keine Hyperbel, die irgendwie auf meiner Kaffeesatzleserei der amerikanischen Politik von jenseits des Großen Teichs beruht. Wir können vielmehr Trump und seinen inneren Zirkel beim Wort nehmen, denn die halten mit ihren Absichten nicht hinter dem Berg. Wie so viele rechtsradikale (und vor längerer Zeit faschistische) Bewegungen vor ihnen sind sie völlig ehrlich bezüglich ihren Absichten.

Da wäre etwa die Abrechnung mit disloyalen Elementen aus der Administration:

In private, Trump has told advisers and friends in recent months that he wants the Justice Department to investigate onetime officials and allies who have become critical of his time in office, including his former chief of staff, John F. Kelly, and former attorney general William P. Barr, as well as his ex-attorney Ty Cobb and former Joint Chiefs of Staff chairman Gen. Mark A. Milley. […] In public, Trump has vowed to appoint a special prosecutor to “go after” President Biden and his family. (Washington Post)

Die weaponization des Justizministeriums ist ein Desiderat Trumps und seiner Verbündeten, das diese bereits 2017 bis 2021 hegten und nie umsetzen konnten. Völlig zurecht identifizieren sie es als entscheidend für ihre Pläne. Schaffen sie es, demokratisch und rechtsstaatlich gesinnte Politiker*innen daraus fernzuhalten und die Schaltstellen mit ihren eigenen Leuten zu besetzen, können sie die juristischen Prozesse nutzen, um ihre Gegner*innen mit staatlichen Repressionsmitteln zu überziehen – wie das auch Diktatoren und Autokraten in vielen anderen Ländern tun. Bevor jetzt jemand denkt, dass das glatter Verfassungsbruch wäre: das hat noch nie einen angehenden Autokraten aufgehalten. Für diese Leute ist die Verfassung, ist der Rechtsstaat auch nur eine Waffe:

But Trump allies such as Russ Vought, his former budget director who now leads the Center for Renewing America, are actively repudiating the modern tradition of a measure of independence for the Department of Justice, arguing that such independence is not based in law or the Constitution. Vought is in regular contact with Trump and would be expected to hold a major position in a second term. “You don’t need a statutory change at all, you need a mind-set change,” Vought said in an interview. “You need an attorney general and a White House Counsel’s Office that don’t view themselves as trying to protect the department from the president.” (Washington Post)

Man kann nicht behaupten, diese Leute wären nicht lernfähig:

“The lesson the former president learned from his first term is don’t put guys like me … in those jobs,” Kelly said. “The lesson he learned was to find sycophants.” […] In conversations about a potential second term, Trump has made picking an attorney general his number one priority, according a Trump adviser. (Washington Post)

Ein Generalstaatsanwalt, der keinerlei Inhibitionen kennt, das Recht im Sinne Trumps als Waffe gegen seine Gegner einzusetzen, ist völlig zu Recht Trumps höchste Priorität. Sein Putschversuch 2021 scheiterte vor allem daran, dass ihm diese Leute fehlten. Wenn seinerzeit nicht die entsprechenden Posten mit grundsätzlich demokratisch gesinnten Menschen besetzt gewesen wären, die sich Trump in den Weg stellten – nicht auszudenken, was geschehen wäre. Das darf sich aus seiner Sicht nicht wiederholen:

Trump has told advisers that he is looking for lawyers who are loyal to him to serve in a second term — complaining about his White House Counsel’s Office unwillingness to go along with some of his ideas in his first term or help him in his bid to overturn his 2020 election defeat. […] Alumni involved in the current planning generally fault a slow start, bureaucratic resistance and litigation for hindering the president’s agenda in his first term, and they are determined to avoid those hurdles, if given a second chance, by concentrating more power in the West Wing and selecting appointees who will carry out Trump’s demands. […] “No one is opposed to them putting together ideas, but it’s not us,” a campaign adviser said. “These groups say they’ll have the whole transition planned. Some of those people I’m sure are good and Trump will appoint, but it’s not what is on his mind right now. I’m sure he’d be fine with some of their orders.” […] “We don’t want careerists, we don’t want people here who are opportunists,” he said. “We want conservative warriors.” (Washington Post)

Wenig überraschend sind deswegen seit vier Jahren die Verbündeten Trumps dabei, Personal zu durchleuchten. Hunderte von Kandidat*innen wurden bereits auf Herz und Nieren überprüft (Siehe dieser ausführliche Bericht von Axios). Damit kopieren die Trumpisten etwas, das die konservativen Hardliner in Reaktion auf die personellen Besetzungen Ronald Reagans und George H. W. Bush taten: deren Kandidat*innen waren oft wesentlich moderater und demokratisch gesinnter, als dies im Vorfeld gedacht worden war (man denke nur an Reagans Surpreme-Court-Besetzungen). Solch unabhängige Köpfe sollten sich nicht wiederholen, weswegen radikale Think-Tanks, allen voran die Heritage-Foundation, Kandidat*innenlisten erstellten, die absolut linientreu waren. Besetzungen wie Neil Gorsuch oder Bret Kavanaugh entstammten diesen Listen. Doch zeigte sich unter der Trump-Regierung, dass selbst diese Hardliner wesentlich zu moderat für die autoritären Umbaupläne der Trumpisten waren. Sie brauchen deswegen ihre eigenen Listen. Nun könnte man natürlich argumentieren, dass dies irgendwelche Leute ohne offizielles Amt und Verbindung zur Partei sind. Aber hören wir Trump selbst an, der in einem Interview mit dem spanischen Sender Univision folgendes Statement abgab:

“Yeah. If they do this, and they’ve already done it, but if they follow through on this, yeah, it could certainly happen in reverse,” Trump told Acevedo, according to excerpts of the interview. […] “What they’ve done is they’ve released the genie out of the box,” the former president continued, adding, “You know, when you’re president and you’ve done a good job and you’re popular, you don’t go after them so you can win an election.” “They have done something that allows the next party … if I happen to be president and I see somebody who’s doing well and beating me very badly, I say, ‘Go down and indict them.’ They’d be out of business. They’d be out of the election,” Trump continued. (Washington Post)

Ich habe bereits vor zwei Jahren beschrieben, dass diese Pläne existieren und in Umsetzung sind, und nannte es den „Papierkram-Putsch“. Anstatt wie 2021 einen Mob das Kapitol stürmen zu lassen, soll dieses Mal die staatliche Bürokratie und der Repressionsapparat komplett gekapert und zur Machtsicherung eingesetzt werden. Um gequälte Analogien auszupacken: es ist quasi Trumps Version von der Entwicklung 1923 zu 1933; eine „Legalität“, die es gleichzeitig auch ermöglicht, eine plausible deniability im konservativen Spektrum aufrechtzuerhalten, bevor es zu spät ist, etwas dagegen zu unternehmen. Man sollte sich aber nicht dem Fehler hingeben zu glauben, dass das alles blutleer ablaufen soll. Die Fantasien des Trump-Teams und der affiliierten Think-Tanks sind durchaus gewalttägig und basieren auf der bereits in der Trump-Administration verfolgten Idee, den Insurrection Act (ein Gesetz zur Aufstandsbekämpfung) für den Putsch zu benutzen:

Much of the planning for a second term has been unofficially outsourced to a partnership of right-wing think tanks in Washington. Dubbed “Project 2025,” the group is developing a plan, to include draft executive orders, that would deploy the military domestically under the Insurrection Act […] Trump has publicly expressed regret about not deploying more federal force and said he would not hesitate to do so in the future. (Washington Post)

Jeffrey Clark, a fellow at Vought’s think tank, is leading the work on the Insurrection Act under Project 2025. The Post has reported that Clark is one of six unnamed co-conspirators whose actions are described in Trump’s indictment in the federal election interference case. Clark was also charged in Fulton County, Georgia, with violating the state anti-racketeering law and attempting to create a false statement, as part of the district attorney’s case accusing Trump and co-conspirators of interfering in the 2020 election. Clark has pleaded not guilty. As a Justice Department official after the 2020 election, Clark pressured superiors to investigate nonexistent election crimes and to encourage state officials to submit phony certificates to the electoral college, according to the indictment. […] In one conversation described in the federal indictment, a deputy White House counsel warned Clark that Trump’s refusing to leave office would lead to “riots in every major city.” Clark responded, according to the indictment, “That’s why there’s an Insurrection Act.” […] “I think that the supposedly independent DOJ is an illusion,” Clark said in an interview. (Washington Post)

Der Schlüssel zu dieser Nutzung des Insurrection Acts und der Zerstörung des Rechtsstaats ist die Idee, dass der Rechtsstaat ohnehin bereits nicht mehr existiert. Der Probelauf dafür fand bereits im Wahlkampf 2016 statt, als Trump verkündete, dass wenn er verliere die Wahl gefälscht sei, wenn er aber gewinne, alles mit rechten Dingen zugegangen sei (er entschied sich am Ende, einfach beides zu vereinen, consistency be damned, und eine demokratische Verschwörung in Kalifornien zu erfinden, die dort Millionen Stimmen gefälscht habe – warum dort und nicht in Staaten, die man hauchdünn verlor, blieb sein Geheimnis). 2020 begann dann, was seither als „Big Lie“ bezeichnet wird: die Wahl sei gestohlen, Biden habe nie gewonnen. Die Zertifizierung der Wahlergebnisse unter Brian Kemp in Georgia und Vizepräsident Mike Pence (den die Aufständischen vom 6. Januar hängen wollten, ein Ziel, das Trump sicherlich teilt) war in diesem Zusammenhang der große Verrat. Und gegen Verräter und Putschisten von links ist jedes Mittel Recht, um das Land zu retten. Auch hier ist keine Küchentischpsychologie notwendig; Trump erklärt das völlig offen:

“We pledge to you that we will root out the communists, Marxists, fascists and the radical left thugs that live like vermin within the confines of our country that lie and steal and cheat on elections,” Trump said toward the end of his speech, repeating his false claims that the 2020 election was stolen. “They’ll do anything, whether legally or illegally, to destroy America and to destroy the American Dream.” Trump went on further to state: “the threat from outside forces is far less sinister, dangerous and grave than the threat from within. Our threat is from within. Because if you have a capable, competent, smart, tough leader, Russia, China, North Korea, they’re not going to want to play with us.”Steven Cheung, a Trump campaign spokesman, told The Post “those who try to make that ridiculous assertion are clearly snowflakes grasping for anything because they are suffering from Trump Derangement Syndrome and their entire existence will be crushed when President Trump returns to the White House.” Trump also received widespread criticism and condemnation recently from groups such as the Anti-Defamation League for saying in an interview that undocumented immigrants were “poisoning the blood of our country.” (Washington Post)

Trumps Rhetorik gleitet auch immer mehr in die faschistische Richtung ab.

In honor of our great Veterans on Veteran’s Day, we pledge to you that we will root out the Communists, Marxists, Fascists, and Radical Left Thugs that live like vermin within the confines of our Country, lie, steal, and cheat on Elections, and will do anything possible, whether legally or illegally, to destroy America, and the American Dream. The threat from outside forces is far less sinister, dangerous, and grave, than the threat from within. Despite the hatred and anger of the Radical Left Lunatics who want to destroy our Country, we will MAKE AMERICA GREAT AGAIN! (Jabberwocking)

2024 is our final battle. With you at my side, we will demolish the Deep State, we will expel the warmongers from our government, we will drive out the globalists, we will cast out the Communists, Marxists, and Fascists, we will throw off the sick political class that hates our Country, we will rout the Fake News Media, we will evict Joe Biden from the White House, and we will FINISH THE JOB ONCE AND FOR ALL! (Bluesky)

Natürlich richtet sich das Gewaltversprechen auch gegen Migrant*innen:

During his interview with Acevedo, Trump also sought to defend his administration’s controversial decision to separate migrant parents from their children at the U.S.-Mexico border, saying it prevented more migrants from illegally coming into the United States. Dozens of lawsuits have been filed against the federal government seeking damages for allegedly intentionally inflicting emotional distress on migrant families as a result of the separation policy. (The Atlantic)

Das ist nicht die Rhetorik eines demokratisch gewählten Präsidenten, sondern die eines faschistischen Schlägers. Sie lässt sich auch nicht mehr als rhetorisches Stilmittel verbrämen, oder als Übertreibung, als Scherz, wie das während seiner Präsidentschaft und auch im Nachgang des Putschversuchs vom 6. Januar noch ständig geschah. Der Mann meint es ernst. Und es ist wichtig, dass er ernstgenommen wird. Ich bin mir deswegen auch nicht sicher, ob das Framing als „verrückt“ oder „geisteskrank“, das immer wieder vor allem durch liberalere Medien geistert (siehe etwa The Atlantic oder Washington Monthly), sonderlich hilfreich ist. Letztlich verharmlost es ihn. Aber das ist gar nicht das größte Problem.

Viele Medien des moderaten Spektrums haben offensichtlich immer noch den Schuss nicht gehört:

To facilitate Trump’s ability to direct Justice Department actions, his associates have been drafting plans to dispense with 50 years of policy and practice intended to shield criminal prosecutions from political considerations. Critics have called such ideas dangerous and unconstitutional. (Washington Post)

Der Tonfall, den die Washington Post hier in demselben Artikel anschlägt, in dem sie detailliert die Erkenntnisse ihrer brillanten Recherche zu Trumps Umsturzplänen darlegt, ist einfach verstörend. Dieses „Partei A sagt dieses, Partei B entgegnet jenes“ ist für die existenzielle Gefahr für die Demokratie, um die es hier geht, überhaupt nicht angemessen. Ob sie es will oder nicht, die Washington Post, die New York Times (deren Überschriften geradezu legendär schlecht sind und die die Lektion von 2016 überhaupt nicht gelernt hat) und wie sie alle heißen sind Konfliktparteien. Denn Trump und seine Verbündeten betrachten sie als Feind. Sie wollten von Beginn an den staatlichen Repressionsapparat gegen sie einsetzen; was sie abhielt war nur, dass sie aus der Bürokratie blockiert wurden und keine Erfolgsaussichten hatten – beides Faktoren, die sie, wie gezeigt, zu beseitigen hoffen.

Immerhin erkennen immer mehr Journalist*innen die Schwere der Situation. Tom Nichols im The Atlantic (auch hier), Jack Shafer in Politico, Dan Drezner auf seinem Substack, der Economist auf seiner Titelseite, Dahlia Lithwick in Slate – zwar nimmt das Bewusstsein zu, aber wie die Beispiele der Washington Post oder praktisch jeder Blick in die New York Times zeigt, ist das Grundproblem völlig ungelöst: wie soll über Trump und den republikanischen Umsturzversuch berichtet werden, so dass die Schwere der Situation auch kommuniziert wird? Für große Teile der Öffentlichkeit wirkt das Ganze, in Dahlia Lithwicks Worten, wie ein „cage-match between fascism and democracy„, nur mit dem Problem, dass „nobody cares„.

Auf eine gewisse Art ist das sicher auch die Folge, dass schon einige Male „Wolf“ geschrieen wurde, aber keiner kam. Sich allerdings immer auf die Inkompetenz des Wolfs zu verlassen ist eine Rechnung, die in der Geschichte schon oft fehlschlug, und sich andererseits darauf zu verlassen, dass schon „a few good men“ zwischen den Trumpisten und der Demokratie stehen würden, ist ebenfalls bestenfalls dubios, schon allein, weil das davon ausgeht, dass die Democrats ständig die Wahlen gewinnen.

Denn das ist ja die andere Dimension des Problems: die Entwicklung seit den späten 2000er Jahren, in der sich die GOP rapide von einer demokratischen Partei wegentwickelt, hat seit 2021 noch einmal einen Schub erhalten. Man sehe sich nur das Repräsentantenhaus an, in dem der „Freedom Caucus“ von einer spinnerten Randgruppe zur erdrückenden Mehrheitsfraktion wurde. Die Partei ist keine Gegenspielerin Trumps; vielmehr hat sie bereits an zahlreichen Stellen ihre schützende Hand über ihn gehalten. So ist Trump de facto von den Wahlkampffinanzierungsregeln befreit, gegen die er zwar ständig verstößt. Diese Verstöße aber werden von dem paritätisch besetzten Gremium gedeckt, so dass er effektiv straffrei ausgeht. Gleiches ist zunehmend in der Judikative zu beobachten, wo die Trumpisten Kandidat*innen einsetzen, die bereit sind, das Recht einseitig zugunsten der Rechtsbrecher auszulegen – und die Partei bestätigt diese Leute ins Amt.

Die Situation ist daher ernst. „Unternehmen Rache“ bedeutet die größte Gefahr für die amerikanische Demokratie seit den frühen 1930er Jahren und eine mögliche Rückkehr in die Zustände im Süden nach dem Ende der Reconstruction. Politische Gewalt, Unterdrückung und die Zerstörung von Freiheit und Rechtsstaat sind eklatante Bedrohungen, die auch Auswirkungen auf den Rest der Welt haben werden.

{ 85 comments… add one }
  • Fabian 25. November 2023, 18:13

    Und das ist ALLES Blaupause für die Demokratieverächter und Faschisten-/Extremistengruppen/Banden hier in Deutschland, Europa und überall.
    Dass es so offen abläuft, zeigt, wie selbstsicher und unverletzbar sie sich fühlen, auch ein Zeichen für die emotionale Verwahrlosung dieser Menschen, die zunehmend ungezügelt ihren wo immer auch herkommenden Hasse ausleben wollen

  • Ralf 25. November 2023, 22:53

    Alles traurig und richtig. Aber selbst gewählt und selbst verschuldet. Die Wähler verhetzen sich ja nicht selbst. Die werden verhetzt – von Internet und Medien. Wir könnten dem morgen ein Ende bereiten. Stattdessen fahren wir mit Volldampf in Richtung Diktatur und das – es wäre zum lachen, wenn es nicht so bestürzend wäre – im Namen der Freiheit.

    • Thorsten Haupts 26. November 2023, 00:42

      Wenn Menschen rational und emotional so unstabil sind, dass man sie so einfach „verhetzen“ kann, dann ist eine autoritäre Regierung die angemessene Antwort darauf. Eine Demokratie setzt verantwortliche Erwachsene voraus, wenn´s davon nicht genügend gibt, ist die Voraussetzung nicht erfüllt.

      Gruss,
      Thorsten Haupts

      • Ralf 26. November 2023, 01:10

        Yep – also dann auf in die Tyrannei. Das ist die Freiheit online Schuhe bestellen zu können wert.

      • Stefan Sasse 26. November 2023, 09:51

        Exakt.

    • Stefan Sasse 26. November 2023, 09:51

      Die Wählenden sind auch nicht unschuldig daran.

      • Ralf 26. November 2023, 11:04

        Das ist keine Frage von Schuld. Beziehungsweise – wer Schuld ist, ist am Ende völlig gleichgültig. Dafür interessiert sich möglicherweise in 200 Jahren ein Historiker.

        Was zählt ist, dass Menschen als Population vorhersagbar reagieren. Wenn Du den Input kennst, kennst Du den Output. Und im vorliegenden Fall kennen wir den Output. Wir wissen worauf wir zusteuern. Wir sehen worauf wir zusteuern. Und wir wählen aktiv den Untergang. Nicht nur die, die mit ihren Händen das Kreuz für Trump, Johnson, Höcke, Wilders, Fico, Bolsonaro oder Milei auf dem Stimmzettel machen, wählen den Untergang. Nein. Ganz ausdrücklich auch die, die das Umfeld schaffen, die die Mechanismen und Strukturen generieren, erhalten und ausbauen, die die Trump-. Johnson, Höcke-, Wilders-, Fico-, Bolsonaro- und Milei-Wähler unausweichlich kreieren, wählen den Untergang. Ich prognostiziere, dass sich von denen, wenn sie in 20 Jahren von der Gestapo abgeholt werden, einige fragen werden, ob es das bisschen Dampfablassen auf Twitter, das Bloggen, das Online-Shoppen, der gestreamte Film oder die Möglichkeit, auf Facebook das Leben der Ex-Freundin zu verfolgen, wert war.

        • Thorsten Haupts 26. November 2023, 12:21

          Was zählt ist, dass Menschen als Population vorhersagbar reagieren. Wenn Du den Input kennst, kennst Du den Output.

          Isaac Asimovs Foundation stimmt zu. Nur ist es bisher weder Historikern noch Politikern gelungen, diese Regel operativ zu machen, geschweige denn, daraus belastbare Vorhersagen abzuleiten. Ergo stimmt sie einfach nicht, case closed.

          … die die Trump-. Johnson, Höcke-, Wilders-, Fico-, Bolsonaro- und Milei-Wähler unausweichlich kreieren …

          Unausweichlich. Die armen Wähler. Durch die Umstände gezwungen etwas zu tun, was sie gerne tun. Schlimm, schlimm. Man muss sie vor sich selber retten – und Onkel Ralf als überlegenes menschliches Wesen weiss natürlich, was gut für sie ist. Das letzte Mal, dass ich derart überheblich war, ist jetzt 30 Jahre her …

          Gruss,
          Thorsten Haupts

          • Ralf 26. November 2023, 13:00

            Nochmal: Ob die Wähler “arm” sind oder “schuld” sind, ist völlig irrelevant. Das einzige, das zählt, ist das Ergebnis des kumulativen Handels der lokalen Population als Gesamtheit. Und das Ergebnis ist kristallklar. Wir sehen was passiert. Wir sehen es in den USA. Wir sehen es in Südamerika. Wir sehen es in unseren unmittelbaren Nachbarländern. Wir sehen es in den erdrutschartigen politischen Verschiebungen bei uns zuhause. Die Signale sind deutlich. Auf Wunder oder einen göttlichen Eingriff zu hoffen, wird das Unabwendbare nicht abwenden. Unsere Kinder werden uns dereinst fragen, warum wir das zugelassen haben.

            • Stefan Sasse 26. November 2023, 13:39
              • Ralf 26. November 2023, 14:38

                But we also have Poland, where the illiberal Law & Justice party was pummeled in October and will be replaced by a liberal coalition. We have Spain, where lefties remained in power in the October election. We have Slovakia, where social democratic parties dominated against the incumbent conservatives in September.

                Last year, Jair Bolsonaro was turfed out in Brazil and replaced by a socialist. In France, Marine Le Pen improved her performance by a few points but was still handily defeated by the incumbent centrist. In Germany, Social Democrats beat the incumbent conservatives in 2021 and the hard-right AfD lost seats.

                In Polen ist die PiS bei den letzten Wahlen mit Abstand die stärkste Kraft geworden. Sie kontrolliert nach wie vor die Präsidentschaft und kann damit eine Totalblockadepolitik betreiben. Und sie hat das Land in den vergangenen Jahren massiv strukturell verändert, mit schweren, kaum zu beseitigenden langfristigen Folgen – so wie Trump in den USA z.B. durch die Nominierung von zahlreichen Extremisten für den Supreme Court.

                In Spanien gewannen die Konservativen eine relative Mehrheit der Stimmen, obwohl sie offen angekündigt hatten in einer Koalition gemeinsame Sache mit Neonazis zu machen. Sanchez konnte sich nur durchsetzen zum Preis der Spaltung des Landes, indem er nun mit Separatisten zusammengeht, was im übrigen die erdrückende Mehrheit der Bevölkerung ablehnt.

                In der Slowakei regiert ein Rechtsextremist.

                Bolsonaro ist abgewählt worden. Aber es war ein hauchdünner Sieg – trotz all der Korruption, den Coronatoten und der Skandale. Statt Bolsonaro haben wir nun im Nachbarland Milei.

                Marine Le Pen liegt meines Wissens nach in den meisten gegenwärtigen Umfragen vor Macron.

                Zu glauben, die AfD würde an Bedeutung verlieren, weil sie 2021 marginal Stimmen eingebüßt hat, ist in etwa so intelligent wie Trumps Äußerung im Winter 2017, als er sagte, dass der heftige Schneefall im Nordosten der USA zeigt, dass Klimawandel und Erderwärmung erfunden sind.

                • Stefan Sasse 26. November 2023, 17:19

                  Auch knapp verlorene Wahlen sind verlorene Wahlen.

                  • Ralf 26. November 2023, 20:16

                    Richtig … ^^

                    Nur ist es eben nicht so, dass hier ein politisches Pendel mal mehr nach rechts und mal mehr nach links schwingt und der Schwerpunkt langfristig immer über der Mitte bleibt. Sondern die Wahl von Faschisten und Demokratiefeinden a die Spitze des Landes macht es unwahrscheinlich, dass die nach vier Jahren nochmal abgewählt werden können. Nach zwei Legislaturperioden ist es dann in der Regel ganz unmöglich. Das liegt daran, dass diese Kräfte eben schnell begreifen, dass sie den Staat strukturell kontrollieren, die Justiz umbauen, Medien beschränken und Journalisten und politische Gegner verhaften müssen. Anschließend sind Wahlen dann nur noch Formsache, wenn sie überhaupt noch stattfinden. Auch in Russland wird ja “gewählt” …

                    All das unterscheidet die Faschisten von Demokraten, die sich immer nach vier oder fünf Jahren wieder dem Wähler stellen müssen und die den Gegner nicht in der politischen Arbeit behindern. Wenn dann jeder Wahlausgang hauchdünn ist – immer praktisch 50:50, so wie gegenwärtig in den USA – ist es nur eine Frage der Zeit bis irgendwann die Faschisten gewinnen. Und da deren Sieg irreversibel sein wird – ich muss ja jetzt nicht Deinen exzellenten Text zum Thema wiederholen – ist dann “game over”. Deshalb sind “knappe Siege” gegen die Feinde der Demokratie, die nicht mit einer fundamentalen Re-Orientierung und einem massiven und langfristigen Lerneffekt in der Bevölkerung einhergehen, nicht besonders wertvoll. Und einen massiven Lerneffekt findet man in den USA nirgends. In UK oder Deutschland oder Spanien oder Italien oder wo auch immer auch nicht. Stattdessen wächst das rechtsextreme Krebsgeschwür und wächst und wächst und wächst …

                    • Stefan Sasse 27. November 2023, 08:12

                      Grundsätzlich kein Widerspruch, nur gibt es Abstufungen von schlimm. Die Republicans ließen sich etwa 2020 weitgehend abwählen; inzwischen kann man da nicht mehr sicher sein. Ich gehe auch davon aus, dass die Tories ggf. abtreten werden, und auch die PiS verliert demokratisch ihre Mehrheit.

            • Thorsten Haupts 26. November 2023, 14:19

              Das einzige, das zählt, ist das Ergebnis des kumulativen Handels der lokalen Population als Gesamtheit.

              Kein Widerspruch. Deren Wahl, deren Problem.

              Unsere Kinder werden uns dereinst fragen, warum wir das zugelassen haben.

              Zugelassen? Wer zur Hölle glauben Sie, gibt Ihnen das Recht, für andere Erwachsene (hier sogar eine Mehrheit der Wähler) zu entscheiden, was Sie für diese „zulassen“. Sie oder ich haben nichts „zugelassen“, denn Sie oder ich sind für das Wahlverhalten anderer nicht verantwortlich. Ihre maternalistische Attitüde ist ziemlich albern, Sie sind weder Jesus noch allwissend noch befugt oder befähigt, für andere Entscheidungen zu treffen.

              Gruss,
              Thorsten Haupts

              • Ralf 26. November 2023, 14:40

                Nach 1945 haben viele Kinder ihren Eltern diese Fragen gestellt. Ich bezweifele, dass die von ihren Eltern erwartet haben, sie hätten Jesus sein sollen.

                • Thorsten Haupts 26. November 2023, 15:43

                  Vollkommen irrelevant für die Diskussion. Und da Sie mal wieder die Nationalsozialisten in die Diskussion einführten, verabschiede ich mich aus derselben – das ist exakt das effektheischende und hetzerische, das Sie bei Medien so gerne kritisieren.

                  • Ralf 26. November 2023, 16:28

                    Nö – absolut relevant. Die Diskussion dreht sich die ganze Zeit um das Ilk derer, über die die Kinder nach 1945 Fragen stellten. Hättest Du aufmerksamer gelesen, wäre Dir das aufgefallen.

                    • Thorsten Haupts 26. November 2023, 17:50

                      Johnson, Wilders und Milei sind also judenhassende, paranoide Massenmörder und Vernichtungskrieger. Sehr interessant. Brauchen Sie einen guten Arzt?

        • Erwin Gabriel 26. November 2023, 13:01

          @ Ralf 26. November 2023, 11:04

          Was mich an Deiner Betrachtung stört, ist die Fokussierung auf rechts-autoritär. Der Schwenk ins Autoritäre ist eine Reaktion, eine Alternative zu etwas, was vorher da war und nicht (mehr) gewollt wird – genauso, wie es in den 70er Jahren nach den autoritären, engen Zeiten eine Bewegung ins linke, liberale Lager gab.

          Über den Rechtsruck zu jammern ist billig, wenn man nicht ansatzweise versteht, warum er zustande kommt, und keine funktionierenden Alternativen bieten kann. Derzeit sind unsichere Zeiten, wird die Zukunft nicht klar, nicht einfach und nicht positiv beurteilt. In solchen Zeiten setzen sich natürlich eher Leute durch, die sagen, dass sie genau wissen, was abgeht, und dass sie die richtigen Antworten haben.

          Du magst auf die Rechten und Autoritären schimpfen, aber sie sind eine Reaktion auf das Versagen der Linken und Liberalen, die kein Gefühl von Sicherheit vermitteln können. Die agieren eher ratlos und reagierend und nicht, als wüssten sie, was passiert, als wüssten sie, was zu tun ist.

          Früher haben die Leute Merkel gewählt, weil die versprach, dsas alles bleibt, wie es ist. Nun verstehen die Menschen, dass es eben nicht so bleibt, und suchen jemanden mit genau so klaren Antworten.

          • Stefan Sasse 26. November 2023, 13:40

            Deinem letzten Absatz stimme ich nicht zu. Die Leute scheinen ja eher umso aggressiver zu wollen, dass alles so bleibt, wie es ist. Das ist doch das Kernversprechen der AfD.

            • Erwin Gabriel 26. November 2023, 21:28

              @ Stefan Sasse 26. November 2023, 13:40

              Deinem letzten Absatz stimme ich nicht zu. Die Leute scheinen ja eher umso aggressiver zu wollen, dass alles so bleibt, wie es ist. Das ist doch das Kernversprechen der AfD.

              Ich sehe keinen Widerspruch zu meiner Aussage.

              • Stefan Sasse 27. November 2023, 08:15

                Habs nochmal gelesen und ja, ich glaube ich hatte dich missverstanden.

          • Ralf 26. November 2023, 14:19

            Ich bin da ganz bei Dir.

            Nur füge ich an, dass das “ratlose” und “reagierende” Agieren der Politik in unserem von Medien und Internet verhetzten System alternativlos ist.

            Mach mal den Fernseher an und schau Dir eine beliebige Polit-Talkshow an. Oder schlag den Spiegel auf und lies ein paar beliebige Artikel. Zähl mal, wie oft da Begriffe wie “Totalversagen”, “Unfähigkeit”, “Dummheit”, “Handlungsverweigerung”, “Führungsschwäche” etc. vorkommen. Immer ist alles negativ. Immer ist alles schlecht. Immer geht alles schief. Immer ist es persönliches Versagen, das jetzt zu Nachteilen für alle führt.

            Aus meinem eigenen beruflichen Leben weiß ich, dass manchmal manches schiefgeht. Manchmal ist man auch selber fett schuld. Aber vieles gelingt auch. Vieles klappt. Es ist immer eine Balance. Und in der überwiegenden Zahl der Fälle, wo etwas mal wirklich richtig fett danebengeht, sind die Ursachen meist multikausal, komplex und gehen zumindest teilweise auf Umstände zurück, die nicht vorhersagbar waren.

            In der Politik ist es genauso. Aber das kommt in einem Mediensystem, in dem die schnelle Nachricht, die einfache Botschaft, der profitgenerierende Klick zählt nicht durch. Negative Messaging sells. Wenn Du Politiker bist und Dir etwas geglückt ist, dann will niemand von Dir hören. Niemand interviewt Dich. Niemand lädt Dich ein. Du wirst komplett ignoriert. Geht hingegen etwas schief, verfolgen Dich die Journalisten wie ein Blut geiferndes Rudel Wölfe. Und das ist die Situation bei den eher mainstreamigeren “Qualitätsmedien”, bei denen man zumindest noch guten Willen voraussetzen darf, die aber in einer profitgetriebenen Medienlandschaft nicht anders können.

            Im Internet hast Du hingegen obige Probleme um mehrere Größenordnungen verschärft. Und das ist auch wenig überraschend. Im Internet hast Du eine dramatische Anzahl maligner Player. Unsere politischen Feinde – Russland, China, Iran, Saudi Arabien und andere – die aktiv lenkend mit ganzen Armeen von Trollen und Bots – in Zukunft noch stärker AI-gestützt – in unsere Debatten eingreifen und unsere Demokratie zersetzen. Du hast Extremisten, Terroristen, Sekten und Kriminelle, die maximale Zerstörung an unserer freiheitlichen Grundordnung anrichten wollen und denen das immer erschreckender gelingt. Und Du hast Heerscharen von naiven – oft älteren – Menschen, Bildungsferne, Wichtigtuer und Wirrköpfe, die deren Botschaften amplifizieren.

            Das Ergebnis ist eine öffentliche Stimmung, die nicht anders als desolat sein kann. Egal wie es läuft – alle sind frustriert. Und die Wut wächst. Wenn unser demokratisches System wirklich unfähig ist, die Probleme zu lösen – so denken die Menschen folgerichtig – dann müssen wir das System niederbrennen und erst anschließend besteht wieder die Chance, dass es bergauf gehen könnte. Nur aus der rauchenden Asche des Vergangenen kann ein Phoenix steigen. Das ist die Botschaft der Trumps, der Wilders’, der Höckes. Und es ist überhaupt nicht erstaunlich, dass die Botschaft verfängt.

            Um auf Deinen Ausgangspunkt zurückzukommen: Die Freiheit nicht “ratlos” und “reagierend” zu agieren, hat nur der, der einen ehrlichen Diskurs führen kann. Die Freiheit hat nur der, der weiß, dass wenn er das Richtige tut – auch wenn es im gegenwärtigen Moment unpopulär ist – am Ende die Credits und das Lob (und damit die Wählerstimmen) bekommt, wenn der Plan aufgeht. Die Freiheit hat nur der, der ehrlich und öffentlich über Vor- und Nachteile von politischen Plänen diskutieren kann und dem Wähler tatsächliche Alternativen vorlegen kann.

            In unserem Mediensystem ist ehrlicher Diskurs aber politischer Selbstmord.

            Folglich verstecken sich die Politiker. Sie verschweigen Negatives, wo sie können. Sie gehen in Deckung hinter inhaltsleeren Wurmsätzen und vagen, banalen Phrasen. Sie deflektieren Verantwortung, zeigen auf Sündenböcke, versuchen Falschaussagen durch Wiederholen wahr erscheinen zu lassen. Sie sind Getriebene, die nur dann irgendetwas machen, wenn es sich absolut nicht vermeiden lässt und es bereits fünf nach zwölf ist. Und ansonsten sitzen sie die Probleme aus.

            Und unsere Medienlandschaft lässt ihnen keinerlei andere Chance.

            • Stefan Sasse 26. November 2023, 17:18

              Ich stimme dir zu, was die Negativität und die Anreizsysteme für die Politik angeht.

              • Thorsten Haupts 27. November 2023, 17:51

                Ich nicht. Wenn Politiker jeden Tag ein Problem entdecken, das der politischen Lösung harrt, die gewählte Lösung dann aber erkennbar unzureichend ist, haben sie jeden Spott verdient. Und das gilt umso mehr für die grossen und ganz grossen Probleme, bei denen die politische Lösungen jetzt seit 30 Jahren erkennbar unzureichend bleiben. Wir hatten das letzte Mal 1990 Politiker, die ein existentielles Riesenproblem adäquat angegangen sind. Danach hatten wir nur noch Problemverwalter. Die transportierte Politikverachtung mag im Einzelfall unfair sein, grosso modo ist sie verdient.

                Ich hätte von denen gegenteiliger Auffassung gerne mal Beispiele für die letzten 5 Jahre, wo ein wirkliches gesellschaftliches Problem durch politisches Handeln wirksam bekämpft, geschweige denn, gelöst worden ist. Bin ganz Ohr.

                Ralf verlangt Lob in Talkshows. Wofür?

                Gruss,
                Thorsten Haupts

                • Stefan Sasse 27. November 2023, 18:36

                  Was ist mit Schröder? Man muss ja nicht seine Taten alle gut finden, aber „nicht angegangen“ kann man ihm kaum vorwerfen, oder?

                  Was das Angehen von nicht-krisenhaften Problemen angeht, bin ich auch nicht eben angetan. Habeck hat’s versucht, ist aber kläglich gescheitert.

                  • Thorsten Haupts 28. November 2023, 08:46

                    Schröders Agenda 2010 gebe ich Dir. Was noch?

                    • Stefan Sasse 28. November 2023, 10:17

                      Fiele mir auch nix ein.

                    • Thorsten Haupts 28. November 2023, 10:49

                      Also letzte bemerkenswerte politische Änderung 2005. Genau DAS ist das eigentliche Politikversagen.

                    • Stefan Sasse 29. November 2023, 09:04

                      Nein, letzte große Systemänderung, die nicht Reaktion auf eine Krise war. Die deutsche Politik hat ziemlich viel geleistet, was Krisenabwehr und -mitigation angeht; das Problem ist die Vorsorge und das strukturelle Investierne.

                    • Ralf 28. November 2023, 12:29

                      Die Ironie ist: Das “Politikversagen”, das ihr moniert, ist die direkte Folge des Mediensystems, für das ihr so vehement argumentiert. Ich sage da: Selber schuld!

                    • Thorsten Haupts 28. November 2023, 12:44

                      Das ist – mit freundlichem Verlaub – schlicht Unsinn. Medien sind nur einer unter vielen Treibern für Politik. Viel wahrscheinlicher ist das eine Wohlstandserscheinung – jede/r kennt die Erfahrung aus eigener Anschauung, dass der Antrieb zum Handeln abnimmt, wenn es einem (subjektiv und aktuell) gerade gut geht.

                    • Ralf 28. November 2023, 13:29

                      Ändert nix an der Tatsache, dass ein Politiker, der das macht, was Du forderst – nämlich mutige und ehrgeizige Schritte nach vorne zu machen, die wirklich etwas bewirken – politisch abserviert wird vom Mediensystem, das Du befürwortest. Jemand der sich so verhält, wie Du das verlangst, begeht politischen Selbstmord – überlebt keine drei Wochen. Was Dein geliebtes System fördert, sind hingegen die Merkels und Scholz’ – passive, reformverweigernde Schlafmützen, die Probleme nicht lösen sondern aussitzen. Deshalb -> Selber schuld.

                    • Thorsten Haupts 28. November 2023, 14:38

                      … politisch abserviert wird vom Mediensystem …

                      hat weder bei Kohl noch bei Schröder geklappt, halte ich für Unfug. Die Gefahr aus dem eigenen Umfeld – Konkurrenten und Parteifunktionäre des eigenen Haufens – ist um Grössenordnungen höher.

                    • Stefan Sasse 29. November 2023, 09:10

                      Jepp. Schlechte Presse überlebst du, wenn die Leute dich stützen. Schon allein wegen der geringen Aufmerksamkeitsspanne der Medien.

                    • Ralf 28. November 2023, 15:06

                      Kohl taugt nicht als Beispiel. Kohl war ein genauso großer Aussitzer wie Merkel. Das war der Hauptgrund seines Erfolges. Seine einzige revolutionäre Leistung war die Wiedervereinigung und die stieß in den Medien wenig überraschend nicht auf Kritik (abserviert wurden von den Medien damals hingegen diejenigen, die die Dummheit besaßen die Ehrlichkeit zu besitzen auf die kommenden Probleme der Einheit hinzuweisen -> also die, die sagten, dass Steuererhöhungen kommen würden oder die, die warnten, dass der 1:1-Umtausch von Ostmark in D-Mark fatale wirtschaftliche Folgen für die neuen Länder hätte).

                      Schröder ist ebenfalls ein Sonderfall. Schröder profitierte von einer ausgesprochenen Ausnahmesituation, nämlich dass die Mainstreammedien fast vollständig auf der Seite der Hartz IV-Reformen standen und das Internet und soziale Netzwerke nur in Ansätzen existierten. In der Zeit der Schröder-Regierung war der Neoliberalismus enorm populär unter den Eliten. Das endete erst mit dem Kollaps von Lehman Brothers, der Bankenkrise und der Einsicht, dass der starke Staat gebraucht wurde, um das zusammenkrachende Wirtschafts- und Finanzsystem zu retten. Dass der Neoliberalismus und seine Proponenten Clinton und Blair Anfang der 2000er Jahre so in Mode waren, ersparte der damaligen Bundesregierung massive Angriffe aus der Medienlandschaft (und das Internet existierte, wie gesagt, kaum). Diese Sondersituation hat seither für kaum jemanden gegolten.

                    • Stefan Sasse 29. November 2023, 09:11

                      Die Wiedervereinigung wurde nicht kritisiert? Das wäre mir neu.

                      Du musst halt aufpassen, dass du nicht alles zum Sonderfall erklärst. Bei dir sind gerade ALLE Kanzler*innen von 1982 bis 2021 ein Sonderfall…

                    • Thorsten Haupts 28. November 2023, 16:24

                      Auch das ist schon wieder Unfug. Kohls erste grosse Leistung war die Durchsetzung der NATO-Nachrüstung gegen Massenproteste, gegen die heutige SocialMedia“Shitstorms“ nicht einmal ein Lüftchen sind. Und damals – ich war dabei – GEGEN einen Grossteil der Medien.

                      Unabhängig davon habe ich noch nie eine überzeugende wissenschaftliche Studie gesehen, die jene übersteigerte Bedeutung zeigen würde, die Sie den nicht ÖR-Medien nach 1983 zuschreiben. Ich halte Ihre Auffassung, dass vorrangig Medien Politiker davon abhalten, mutig zu sein, weiterhin für Unsinn. Meine Meinung wird durch die jahrzehntelange Beobachtung zementiert, dass auch in Unternehmen die übergrosse Mehrheit auch der Führungskräfte nicht durch Mut, Entschiedenheit und freiwillige Verantwortungsübernahme glänzen.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 29. November 2023, 09:11

                      Hat das nicht bereits Schmidt durchgesetzt…?

                    • Ralf 28. November 2023, 17:21

                      Niemand behauptet, dass Medien der einzige Faktor sind, aber sie sind ein kritischer Faktor. Wer in der Politik Medien und Internet gegen sich hat, ist politisch fast immer am Ende. Wirtschaftsführer müssen sich hingegen keinen Wahlen stellen und können der Öffentlichkeit stärker aus dem Weg gehen als Politiker.

                      Aber ja – es zählen sicher auch andere Faktoren, von denen manche sowohl Wirtschaft als auch Politik betreffen. Unter anderem z.B. die Unattraktivität kurz- und mittelfristig Opfer zu bringen, um langfristig – wenn man lange nicht mehr im Amt ist und möglicherweise sogar die Opposition im Amt ist – einen Erfolg zu erwirtschaften, der einem selber dann nicht mehr nutzt. Dem Politiker geht es um die Wiederwahl in vier Jahren, dem Wirtschaftsboss um das schnelle Ansteigen des Shareholder-Value.

                    • Stefan Pietsch 28. November 2023, 17:59

                      Kohl setzte 1989 die zweitgrößte Steuerreform der letzten 50 Jahre ins Werk, schaffte zahlreiche Steuern ab und war maßgeblich verantwortlich für die Einführung des Euros.

                      Clinton’s Amtszeit endete 2000 (exakt im Januar 2001). Sein Vize schaffte es nicht annähernd an seine Popularität. Clinton erhöhte kontinuierlich in seiner Regierungszeit die Steuern und schaffte es aufbauend auf den Vorleistungen der Reagan-Administration den Haushalt zu sanieren und Überschüsse zu erzielen. Seine Finanzpolitik war alles andere als neoliberal. Können Sie übrigens alles in den OECD-Statistiken nachvollziehen.

                    • Ralf 29. November 2023, 10:04

                      Die Wiedervereinigung wurde nicht kritisiert? Das wäre mir neu.

                      Du musst halt aufpassen, dass du nicht alles zum Sonderfall erklärst. Bei dir sind gerade ALLE Kanzler*innen von 1982 bis 2021 ein Sonderfall…

                      @Kritik an Wiedervereinigung

                      Ja – da stehe ich zu meiner Aussage. Die Wiedervereinigung per se wurde nicht kritisiert. Nirgends in den Mainstreammedien wurde diskutiert, ob man nicht lieber zwei unabhängige Staaten bleiben sollte. Und der Standpunkt, man solle mit der Einheit warten oder langfristig zwei sehr unterschiedliche Steuer-/Einkommen-/Renten-Zonen im vereinten Land erhalten, wurde radikal verworfen. Ich kritisiere das im übrigen inhaltlich garnicht. Ich Stelle nur fest, dass es null Pushback und dafür massiven Rückenwind nicht nur für die Wiedervereinigung als solches, sondern auch für Kohls spezifische Ausgestaltung gab.

                      @Sonderfall

                      Ich hab Merkel nicht zum Sonderfall erklärt. Und auch Kohl und Schröder sind nicht per se Sonderfälle, sondern spezifisch die Wiedervereinigung und Hartz IV sind Sonderfälle.

                    • Stefan Sasse 29. November 2023, 12:25

                      Ah ok, ja. Ein wenig wurde das schon diskutiert, aber nicht lange. Die Debatte darüber endete im Winter 1989/90. Zurecht, in meinen Augen.

                      Ich hatte dich so verstanden, dass Merkel und Kohl wegen des Aussitzens Sonderfälle seien.

                    • Thorsten Haupts 29. November 2023, 13:20

                      Wer in der Politik Medien und Internet gegen sich hat, ist politisch fast immer am Ende.

                      Der Fall Aiwanger bewies erst gestern das Gegenteil. Und im Netz ist die politische Polarisierung so gross, dass man äusserst selten alle gegen sich hat, das verteilt sich inzwischen (vorhersehbar) immer um die 50:50, nur die Journalisten der klassischen Medien sehen dabei meist ausschliesslich ihre Bezugsgruppe, deshalb entsteht in der nicht-internetaffinen Öffentlichkeit ein anderer Eindruck.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 29. November 2023, 17:43

                      Korrekt. In radikalen Kreisen ist die Medien gegen sich zu haben ja Grundlage, um ernstgenommen zu werden.

                    • Ralf 29. November 2023, 16:11

                      Ja – es gibt mittlerweile eine riesige Diskrepanz zwischen dem, was am rechten Rand toleriert wird und dem, was in der Mitte beziehungsweise links der Mitte toleriert wird. Begonnen hat das mit Trump. Und das hat den Clowns rechtsaußen tatsächlich eine gewisse Immunität verliehen. Im Gegenteil – Skandale helfen denen meist sogar, weil deren Wähler sagen “jetzt erst recht”. Dass das eine gute Entwicklung ist, bezweifele ich. Und es gilt wie gesagt auch nur selektiv für Rechtsaußen.

                    • Stefan Sasse 29. November 2023, 17:48

                      Mitte und Mitte links – ja. Wenn ich mir Wagenknecht ansehe – nein.

                    • Ralf 29. November 2023, 18:52

                      Wagenknecht macht ein Geschäft daraus “anti-System”-Wähler mit populistischen Parolen anzulocken. Ich lehne das ab. Aber ich sehe sie nicht in Skandalen verwickelt. Also außer, dass sie Hummer isst.

                    • Stefan Sasse 30. November 2023, 07:58

                      Ne, nicht Skandale. Ich rede von dieser Fronthaltung gegen „das Establishment“ oder wie auch immer.

        • Stefan Sasse 26. November 2023, 13:37

          Ich halte das für eine falsche Dichothomie. Ich denke nicht, dass ich durch den Verzicht auf Onlineshoppen die Demokratie rette.

          • Ralf 26. November 2023, 14:21

            Ich denke das auch nicht und habe das auch nirgendwo behauptet.

          • Thorsten Haupts 26. November 2023, 14:22

            Will Ralf ja auch gar nicht. Er möchte wahlweise das gesamte Internet staatlich abschalten lassen, alternativ mit einer Variante der chinesischen grossen Mauer versehen, staatlich (!) kontrolliert und durchgesetzt.

        • Stefan Pietsch 26. November 2023, 16:12

          Zwei grundsätzliche Bemerkungen zu Ihrem Austausch:

          Es ist unerträglich, dass Sie alles Rechte als demokratiefeindlich brandmarken, aber über die schlimmsten linken Auswüchse kein Wort der Kritik haben. Bolsonaro wurde durch Lula, einen Alt-Sozialisten abgelöst mit einem Faible für Diktatoren (was war da an Bolsonaro so schlimm?) und offenem Antisemitismus. Argentinien wurde Jahrzehnte durch den linken Peronismus zu einem Armenhaus heruntergewirtschaftet, der seiner jungen Bevölkerung keine Zukunft lässt. Wenn diese sich jetzt marktradikalen Ideen zuwenden, dann sehen Sie darin eine Gefährdung der zivilen Gesellschaft. Geht’s noch absurder?

          In den Niederlanden ist die letzte Regierung von Mark Rutte zerbrochen, weil die linksliberalen Koalitionspartner eine Verschärfung der Migrationspolitik nach skandinavischer Art nicht mitgehen wollten. Das Ergebnis linker Obstruktion ist Geret Wilders. In Deutschland das Gleiche: die Linken ignorieren seit Jahren das Problem der ungesteuerten Massenmigration und bekommen dafür eine Stärkung der rechtsradikalen AfD.

          Sie verschweigen, dass bei der letzten Präsidentschaftswahl die Franzosen in Mehrheit radikale und extremistische Kandidaten gewählt haben. Das schließt explizit linke Extremisten ein. Mélenchon lag mit 22 Prozent nur knapp hinter Le Pen. Wer ist schlimmer – Le Pen oder Mélenchon? Die Frage lässt sich nicht so einfach beantworten, wie Sie sie ignorieren. Und Jadot und die Grünen sind in Frankreich eine einzige Horrorgruppe.

          Sanchez suspendierte in Spanien de facto das Recht zum Machterhalt. Die Quittung wird bald folgen.

          Sie plädieren für eine umfangreiche Kontrolle der Medien. Aber Sie finden kein Wort, wenn in den Öffentlich-Rechtlichen Rechtsgrundsätze und Prinzipien der Fairness mit Füßen getreten werden, obwohl Sie genau die dann umso mehr im Blick haben müssten. Wenn die ARD vom Gefangenenaustausch zwischen Israel und der Hamas faselt – keine Einlassung von Ihnen. Wenn sich auf die Hamas aus Quellenangabe für ein angebliches Kriegsverbrechen berufen wird – kein Wort von Ihnen. Wenn ÖR-Magazine die wissenschaftlichen Resultate von Parteiprogrammvergleichen einfach kurzerhand abändern – kein Einspruch von Ihnen. Wenn in einem Magazin „13 Fragen“ radikalen Migrationsbefürwortern nur ein Vertreter einer konservativen Volkspartei als „Gegenposition“ in Opposition gestellt wird – für Sie mit Sicherheit kein Problem.

          Glaubwürdigkeit resultiert daraus, dass man Maßstäbe für alle anwendet und nicht nach politischer Opportunität. Genau daran mangelt es Ihren Argumenten.

          • Thorsten Haupts 26. November 2023, 16:38

            Ich muss Ralf mal in Schutz nehmen. Er möchte „nur“ freie Meinungsäusserung abschaffen, wo sie Reichweite hätte und möchte „nur“ alle nicht staatlich kontrollierten Medien abschaffen, damit keine ihm persönlich unangenehme Stimme in die Öffentlichkeit dringt. Er hat bisher zumindest dabei keinen Unterschied zwischen links und rechts gemacht (wenn man davon abieht, dass Medien, besonders öffentlich-rechtliche, immer einen Linksdrall haben, was er weiss).

            Kurz, seine Lösung des Problems, dass Wähler nicht so wählen, wie er das für vernünftig hält, ist die strikte staatliche Kontrolle des öffentlichen Meinungsraumes. Selbstmord aus Angst vor dem Tod.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

            • Ralf 26. November 2023, 20:45

              Bitte um einen Hinweis, wo ich schreibe, dass ich staatlich kontrollierte Medien will, “damit keine [mir] persönlich unangenehme Stimme in die Öffentlichkeit dringt”.

              Wenn Du Dein Paralleluniversum mal für eine Minute verlässt und uns in der Wirklichkeit besuchst, wirst Du feststellen, dass ich dezentral in den Bundesländern organisierte öffentliche Medien fordere, die ihre jeweiligen Perspektiven einbringen und für ein gemeinsames, buntes Programm kooperieren. Sollten das tiefschwarze Bayern, das rote Niedersachsen, der Osten und der Westen nicht alle auf meine Meinung einschwenken, wäre es extrem unwahrscheinlich, dass ich in meinem Modell keine “mir persönlich unangenehmen Stimmen” hören würde, die “in die Öffentlichkeit dringen” …

              • Thorsten Haupts 26. November 2023, 22:10

                Sie haben hier nun über mehrere Monate dargelegt, was Sie wollen. In Kurzform: Ausschliesslich höflichen Journalismus knapp links der akademischen Mitte, keine Polemiken, keine negativen Vibes, keine Übertreibungen, keine Polemik, in öffentlich-rechtlichen Medien ohne Konkurrenz, staatlich finanziert und überwacht.

                Oder um es in meinen Worten zu sagen: Ein rosa-rotes Universum für gepamperte Kleinkinder ohne echte Kontroversen und ohne echte Hitze, überwacht von einer allwissenden Mutter, die ihre Kinderchen davor bewahrt, dem bösen Wolf zum Opfer zu fallen. Eine Kinderbuchphantasie.

                Ich habe als Rechter gelernt, in einem feindseligen Umfeld (deutsche Universitäten) verbal und (erzwungenermassen) selten physisch zu kämpfen. Sie eher weniger …

                Gruss,
                Thorsten Haupts

                • Ralf 26. November 2023, 23:39

                  Journalismus knapp links der akademischen Mitte

                  Freut mich für Dich, dass Du so eine blühende Phantasie hast. Wo genau habe ich nochmal geschrieben, dass ich nur Journalismus knapp links der politischen Mitte will?

                  • Stefan Sasse 27. November 2023, 08:17

                    Ich denke auch, dass du, Thorsten, da mit der Kritik übers Ziel hinausschießt. Ich teile Ralfs Analyse und Lösungen auch nicht, aber ihm das zu unterstellen führt zu weit. Er will demokratische und demokratiefördernde Medien, was wir glaube ich alle wollen; du und ich halten den Weg aber für untauglich.

                  • Thorsten Haupts 27. November 2023, 08:52

                    Medienleute waren und sind in jeder liberalen Demokratie überall mehrheitlich links. Und wenn freie Medien vollständig fehlen – Ihr Modell – läuft das automatisch und völlig unvermeidbar darauf hinaus, dass ein ÖR-System einen Linksdrall bekommt, durch Selektion innerhalb des Systems und Selbstselektion bei den Leuten, die neu dazustossen.

                    Das ist nun wirklich Alltagswissen.

                    Gruss,
                    Thorsten Haupts

                    • Ralf 27. November 2023, 10:58

                      Es sind nicht “Medienleute”, die überwiegend mitte-links sind, sondern Studierte allgemein. Und wie Du richtig schreibst, ist das in jeder liberalen Demokratie so – also völlig unabhängig davon, ob die Medien öffentlich oder privat sind. In den USA beschweren sich die Republikaner seit Jahren darüber und dort sind praktisch alle Medien privat. Mit “meinem” spezifischen Modell hat Dein Kommentar also nichts zu tun.

                      Im übrigen – und ich wiederhole das jetzt zum x-ten Mal – spreche ich mich für dezentral in den Bundesländern organisierte öffentliche Medien aus. Ich lebe schon lange nicht mehr in Deutschland, aber meiner Erinnerung nach gab es in der BRD massive lokale Unterschiede in der politischen Ausrichtung der Ländersender. ‘Bayern 3’ war zum Beispiel nie links. Im Gegenteil.

                    • Stefan Sasse 27. November 2023, 11:07

                      Oder der MDR.

                    • Stefan Sasse 27. November 2023, 11:04

                      Mir ist nicht ganz klar, warum, wenn die Mehrheit der Medienleute linksliberal tickt (wo ich zustimmen würde) bei den ÖRR zwar ein Selektionsprozess zu Radikalisierung einsetzen sollte, bei freien Medien aber nicht. Dessen unbenommen habe ich kein Problem mit freien Medien, um die genannte Selbstselektion zu umgehen, aber das kann in jede Richtung gehen. Zu Zeiten von Sabine Christiansen lief der Konformitätsdruck in eine ganz andere Richtung. Das ist jeder Institution zu eigen. Deswegen haben wir ja mehrere.

                    • Thorsten Haupts 27. November 2023, 13:12

                      Ist nicht mein Punkt, Stefan. Bei den ÖRR und ohne JEDE private Konkurrenz – das ist exakt Ralfs Szenario – würde sich automatisch und sogar völlig absichtslos links durchsetzen. Die einzige Chance für mehr konservativ geneigte Journalisten sind Privatmedien, in Deutschland FAZ und WELT (unter den Qualitätsmedien).

                      Diese Privatmedien aber gäbe es in Ralfs Szenario nicht mehr, also gäbe es früher oder später auch keine veröffentlichte konservative oder rechtsliberale Weltsicht mehr. Und das weiss er auch.

                      Genau das war übrigens der Hintergrund, warum die Unionsregierung in den achtzigern private Fernsehsender zuliess – die Erkenntnis, dass die ÖRR nicht einmal dann fair spielen KÖNNEN, wenn sie das fest vorhaben – denn es ist für einen politischen Gegner 100% unmöglich, seine Kontrahenten fair darzustellen oder „neutral“ zu bleiben. Wer das Gegenteil behauptet, lügt.

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Stefan Sasse 27. November 2023, 13:42

                      Ich sehe die Behauptung, sie überzeugt mich nur nicht. Erstens: Schon jetzt haben wirklich linke Journalist*innen in den ÖRR ja auch keine Heimat. Hatten sie auch nie. Die ÖRR mögen links ticken, aber es ist entschieden Mitte-Links. Zweitens: Wie Ralf ja auch bereits gesagt hat gibt es auch konservativere ÖRR.
                      Ich finde das Problem viel eher, dass die Bandbreite INSGESAMT zu konsensig-mittig ist. Ja, konservativere Stimmen wären gut, aber auf dem anderen Ende des Spektrums hast die Leute ja auch nicht, die hängen bei der taz, jungenWelt, Jacobin und so.

                    • Thorsten Haupts 27. November 2023, 13:47

                      Ich sehe die Behauptung, sie überzeugt mich nur nicht.

                      Hätte mich auch gewundert 🙂 . Da kommen wir dann halt nicht zusammen.

                • Erwin Gabriel 27. November 2023, 10:07

                  @ Thorsten Haupts 26. November 2023, 22:10

                  Sie haben hier nun über mehrere Monate dargelegt, was Sie wollen. In Kurzform: Ausschliesslich höflichen Journalismus knapp links der akademischen Mitte, keine Polemiken, keine negativen Vibes, keine Übertreibungen, keine Polemik, in öffentlich-rechtlichen Medien ohne Konkurrenz, staatlich finanziert und überwacht.

                  Ja, das kann ich auch als meine Kurzfassung der Eindrücke, die ich aus Ralfs verschiedenen Kommentaren herausgelesen habe, unterschreiben

                • Erwin Gabriel 27. November 2023, 10:08

                  @ Thorsten Haupts 26. November 2023, 22:10

                  … als wohlmeinende Kurzfasssung

          • Stefan Sasse 26. November 2023, 17:20

            Ich halte die Argumentationslinie für extrem problematisch: die Kritik und Gefahreneinschätzung wird nicht dadurch entwertet, dass eine andere Gefahr ignoriert wird.

            • Stefan Pietsch 26. November 2023, 19:45

              Was hältst Du für problematisch? Ralf wirft alles in einen Topf und ist auf dem Linken völlig blind. Und Du hast ja auch eine Sehschwäche.

              In Spanien müssen die Volksparteien PP und Sozialisten ihre Mehrheiten bei kleinen Splittergruppen suchen. Darunter sind auch auf der Linken höchst fragwürdige Gruppierungen, angefangen bei Podemos bis hin zu den Separatisten aller Coleur, die das einheitliche Spanien zerstören wollen und manchmal mit Terroristen kooperieren. Ralf hat jedoch nur ein Problem, wenn die PP sich Mehrheiten sucht. Die PP ist die derzeit dominierende Partei. Sie regiert die meisten Regionen, weil die Linken unter Führung der Sozialisten völlig abgewirtschaftet haben.

              Genauso haben die linken Peronisten die wirtschaftliche Basis Argentiniens völlig zerstört. Kurz vor der Wahl schüttete Ex-Präsident nochmal üppig Sozialleistungen und Versprechungen unters Volk, die von Ökonomen als verherrrend angesehen werden und für die neue Regierung eine schwere Hypothek bedeuten.

              Als in Griechenland Syriza in Rekordzeit eine Koalition mit den Nazionalisten schloss, war Ralf jedoch nicht so piensig. Das sei ja kein Problem, weil Tsipras vernünftig sei und die Nationalisten nicht so schlimm. Ach so, dann ist ja gut, wenn die Linkspopulisten das einhegen. So war damals seine Argumentation mit mir. Ein bisschen fassungslos war ich da schon. Wie so häufig in Debatten mit Ralf.

              • Tim 26. November 2023, 21:44

                bis hin zu den Separatisten aller Coleur, die das einheitliche Spanien zerstören wollen und manchmal mit Terroristen kooperieren

                Was in Deutschland (und hier auch in Ihrem Kommentar) gern übersehen wird, ist die Tatsache, dass die größten Fürsprecher dieses „einheitlichen Spanien“ streng nationale Leute sind, die unter „Spanien“ ein dezidiert katholisches Königreich verstehen und nicht selten ihre Wurzeln im Franco-Spanien haben. Eine vergleichbare politische Richtung gibt es bei den deutschen Konservativen überhaupt nicht, aber auch bei uns würde das eine heftige, vielleicht auch radikale Gegenbewegung hervorrufen. Die baskischen Separatisten sind natürlich eine Klasse für sich mit ihrem wirren Banalmarxismus, aber die katalanische Unabhängigkeitsbewegung ist von einem starken Streben nach einer republikanischer Staatsform getrieben.

                In Deutschland las (und liest) man immer nur von den katalanischen Nationalisten, aber die spanischen Nationalisten sind die viel härtere und größere Kraft. Dass viele Katalanen angesichts so mancher Figur im Partido Popular Ekel empfinden, kann ich sehr gut nachempfinden.

                • Stefan Pietsch 26. November 2023, 21:59

                  Das ist Unkenntnis der spanischen Verhältnisse. Die Regionen haben wesentlich mehr Unabhängigkeit als wir sie in Deutschland kennen bis hin zum Recht auf eigene Sprache. Das begreifen selbst Touristen spätestens dann, wenn sie mal nach Barcelona oder Valencia reisen.

                  Die spanische Gesellschaft hat einen ganz (!) breiten Konsens in der Ablehnung der Franco-Herrschaft und einem Kult, den Sie behaupten. Das gilt auch für die PP. Der andere Konsens der beiden großen Parteien betrifft die Einheit Spaniens. Diesen hat Sanchez jetzt teilweise aufgekündigt.

                  • destello 27. November 2023, 19:36

                    Richtig, aber so empfinden die Spanier selber das nicht. Ich hatte mit einem Katalanen gespruchen, der (als ersten Schritt) einen Föderalismus wie in Deutschland wollte. Dass die Regionen größere Autonomie als in Deutschland haben, war ihm bewusst, aber der Punkt ist ein anderer: in Deutschland gibt es kein „echtes“ Deutschland, kein „zentrales“. Es gibt kein Bundesland in Deutschland, das sich als deutscher als andere, als das eigentliche Deutschland empfindet. Das ist in Spanien anders. Das eigentliche, echte Spanien ist Kastilien. Der Rest ist Peripherie (auch geographisch und eben auch sprachlich) und irgendwie weniger spanisch. Und so empfinden sich die Regionen auch, egal wieviele Rechte sie haben.

              • Stefan Sasse 27. November 2023, 08:09

                Die gleiche Sehschwäche hast du auch – nur halt in die andere Richtung. Ich glaube, das ist normal. Das ist mein Punkt.

                • Stefan Pietsch 27. November 2023, 08:58

                  Wieso? Ich habe nie Trump verharmlost. Oder Boris Johnson. Im Gegenteil, ich habe darüber ausführliche Artikel geschrieben. Aber jetzt zum Beispiel Miley auch nur zu erwähnen in dieser Liste und ihn damit in eine Reihe zu stellen mit Trump oder Wilders und die Zerstörungswut, das Peronismus völlig zu ignorieren, macht unfassbar. Und das gleiche in Spanien. Für diese Einseitigkeit muss man wirklich blind sein.

                  • Stefan Sasse 27. November 2023, 11:06

                    Ich kann nur für mich sprechen, aber ich würde die nicht erwähnen weil ich mich nicht auskenne. Von Milei weiß ich, dass er eine Kettensäge hatte, und von Peron weiß ich außer „existiert“ gar nichts. Von Lula weiß ich, dass er nicht zur Gewalt gegen seine Gegner und zur Aushebelung des Rechtsstaats aufgerufen hat; das reicht mir, um ihn positiv von Bolsonaro abzuheben.

                  • Lemmy Caution 27. November 2023, 14:45

                    Sprech besser von Linksperonismus oder Kirchnerismus. Peronismus und auch der Meister selbst ist ein weites Feld.
                    Dieser spanischsprachige Wikipedia-Artikel liefert eine konzise Beschreibung dieser facettenreichen Bewegung.
                    https://es.wikipedia.org/wiki/Peronismo
                    Der Meister selbst wurde 1955 aus dem Präsidentenamt geputscht nachdem er sich an einem orthodoxen Schwenk seiner links-populistischen Wirtschaftspolitik versucht hatte.
                    Perons Exil fand in rechten karibischen Diktaturen (Perez Jimenez/Venezuela, Trujillo/Dominikanische Republik, hardcore-Diktator) und in Francos Spanien statt.
                    Schon bei der Begrüßung Peróns am Flughafen Ezaiza aus dem 18-jährigen Exil ermordeten Rechts-Peronisten 13 Linksperonisten. Danach gabs unter Lopez Rega eine Form von Staatsterrorismus gegen terroristische Linksperonisten (Triple A). Der peronistische Präsident Menem verfolgte 1989 bis 1999 einen im Westen zu hoch gelobten, aber aus der Rückschau nicht sooo üblen neoliberalen Kurs.
                    Der Linksperonist Kirchner konnte das Land ab 2003 wieder für eine Zeit stabilisieren, leider zum Preis einer zunehmenden makroökonomischen Destabilisierung, die inzwischen jeden Boden verloren hat.

          • Erwin Gabriel 26. November 2023, 21:35

            @ Stefan Pietsch 26. November 2023, 16:12

            Glaubwürdigkeit resultiert daraus, dass man Maßstäbe für alle anwendet und nicht nach politischer Opportunität. Genau daran mangelt es Ihren Argumenten.

            Volle Zustimmung!

            @ Thorsten Haupts 26. November 2023, 16:38

            Kurz, seine Lösung des Problems, dass Wähler nicht so wählen, wie er das für vernünftig hält, ist die strikte staatliche Kontrolle des öffentlichen Meinungsraumes. Selbstmord aus Angst vor dem Tod.

            Zustimmung auch hier. Das Prinzip, dass Ralf anstrebt, gilt stets in beide Richtugen, was er nicht zu bemerken scheint. Kann fürchterlich schief gehen.

        • Lemmy Caution 27. November 2023, 10:11

          Ich habe mir abgewöhnt, von unserem relativ gut funktionierenden Politik-Betrieb auf andere Länder zu schliessen.
          Bolsonaro ist wohl ein lupenreiner Rassist, aber er konnte damals nur wegen der langjährigen wirtschaftlichen Stagnation und der vielen riesigen Korruptionsskandale gewinnen. Bolsonaro verlor dann die nächste Wahl, obwohl die brasilianische Wirtschaft da wieder recht gut lief. Auch in Polen gewannen die Liberalen trotz sehr guter Konjunktur.
          Über Milei stand in der deutschen Presse viel Quatsch. Seit seinem Wahlsieg agiert er sehr realistisch. Er bindet Macri Leute wie Luis Caputo und sogar Peronisten ein. Das passt überhaupt nicht in seine Rhetorik seit 2018, aber er versteht etwas von der Komplexität von Stabilisierungsprogrammen. Die aktuelle geldpolitische Situation ist selbst für argentinische Verhältnisse absolut katastrophal. Schwarzmarktkurs Dollar 300% zu offiziellem Wechselkurs, 25 Mrd US$ kurzfristige Handelskredite, negative Devisenreserven. Das sind „uncharted waters“. Empfehle zu Argentinien Tjerk Brühwiller von der FAZ -> https://twitter.com/tjerkbr . Journalisten wie Anne Herrberg, Lisa Pausch, Jürgen Vogt und die komplette Friedrich Ebert Stiftung Buenos Aires leben auf einem anderen Planeten. Ich vermute, dass es nach seinem Amtsantritt am Sonntag dem 10. Dezember politisch auf der Straße rund gehen wird.

  • Thorsten Haupts 27. November 2023, 12:40

    Die aktuelle geldpolitische Situation ist selbst für argentinische Verhältnisse absolut katastrophal.

    Die Verschuldungssituation dito (guter Artikel im neuen Economist dazu). Was ein absolut ausreichender und sogar rationaler Grund ist, einen Radikalen zu wählen, statt die Fortsetzung des bisherigen Kurses unter anderem Namen.

    • Lemmy Caution 27. November 2023, 13:43

      Kannst Du den Artikel bitte verlinken?
      Der Verlust der Geldwertstabilität ist viel schlimmer als Staatsverschuldung.
      In der Weimarer Republik war die Stabilisierung der Reichsmark ein wichtiger Schritt. Für Leute in Städten war die 23er Inflation traumatisch. Die Verschuldung auch wegen Versailles lag zwar die ganze Zeit als dunkle Wolke über der ersten deutschen Demokratie, konnte von den Nazis propagandistisch ausgeschlachtet werden, war aber nicht so fatal in den Auswirkungen.
      In Argentinien stept geld/finanzpolitisch aktuell endgültig der Bär. Im Wahlkampf präsentierte Milei Ocampo als den Mann für Finanzen und Zentralbank. Der hatte einen völlig unrealistischen Dollarisierungsplan. Nun hat Macris Finanzexperten Caputo ins Boot geholt. Daraufhin hatte Ocampo kein Interesse mehr.
      Aktuell suchen Mileis Leute in Washington und in den Emiraten nach frischen Krediten. Das macht absolut Sinn, weil bis zu den Einnahmen aus der hoffentlich guten Soja-Ernte im Mai *echt* zu wenig Dollar vorhanden sind, um eine Ernährung der Bevölkerung sicherzustellen. Er wird ab dem 10. Dezember versuchen zu sparen (Weinachtsgeld streichen, Ölfirma re-privatisieren, Soziale Bewegungsmafia aus Mittelmann-Rolle bei Vergabe von Sozialhilfen ausschalten). Da gibts aber Grenzen, weil die erwarteten eingeschränkten Preisfreigaben schon jetzt zu z.T. 50% Erhöhungen von gewissen Lebensmittelpreisen in einer Woche geführt hat. Stabilisierung ohne begleitende Sozialhilfen an Bedürftige ist genau so eine Quatsch-Idee wie Dollarisierung ohne Dollar in der Zentralbank.
      Milei agiert in den letzten 2 Wochen sehr realistisch und ich bin jetzt Mileinista full.

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