Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal komplett zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.
Fundstücke
1) „Fatales Signal“: Initiative, Anne-Frank-Kita umzubenennen, sorgt für Empörung
Ich finde diese ganze Thematikein Musterbeispiel für beknackte Shitstorm-Diskurse. Der einzige Grund, warum diese Umbenennung so ein Skandal wurde ist die Aktualität des Gazakrieges und weil das Ding in Ostdeutschland liegt und damit Vorurteile erfüllt. Beschäftigt man sich mit der Thematik, macht der Umbenennungswunsch nämlich total Sinn. Es ist allein das Timing, in dem Leute irgendwas reininterpretierten, was da nicht reingehört. Und die Reaktion war der übliche Bullshit. Nicht nur ein Shitstorm in den Sozialen Medien, den kann man als Kita glaube ich ignorieren. Aber Journalist*innen bombardieren die so mit Anfragen, dass sie ihr Telefon ausstecken müssen, und irgendwelche Arschlöcher schreiben Drohbriefe, Beleidigungen und so weiter. Und das ist ja kein Einzelfall, diese Dynamik bricht sich permanent Bahn, völlig ungeachtet jeder politischen Gesäßgeografie. Ich werde auch von Erklärungen, warum sich Anne Frank angeblich nicht eignet, echt nicht überzeugt, das nur nebenbei gesagt. Die Kita hatte einen völlig guten Grund für die Umbenennung, da muss man gar nicht das Riesenfass aufmachen. Das klare Ergebnis ist, dass die Umbenennung jetzt vom Tisch ist. Wenig überraschend.
Der Artikel ist generell empfehlenswert, weil er detailliert die Funktionsweise der höheren Ministerialbürokratie erläutert. Mir scheint, dass die Geschichte vor allem das Funktionieren des Systems belegt. Es gibt keine nennenswerte Korruption innerhalb der Bürokratie. Dass die Parteien ihr Personal zu versorgen suchen, ist zwar unter Gesichtspunkten der Meritokratie und Effizienz der Bürokratie ein Malus; gleichzeitig aber verhindert es in einem gewissen Ausmaß auch Schlimmeres. Denn wenn wir Spitzenpersonal dem Auf und Ab der Wahlentscheidungen unterwerfen, brauchen die auch eine gewisse Aussicht und Sicherheit. Andernfalls erlaubten wir nur reichen und finanziell unabhängigen Menschen, Ämter auszufüllen, und das ist keine gute Idee. Bismarck wusste schon, warum er sich bewusst gegen Diäten entschied; es war ein Weg, die Sozialdemokratie klein zu halten und das Parlament voller Konservativer und Liberaler zu halten. An der Grundregel hat sich nichts geändert.
Zudem muss auch betont werden, dass das keine riesigen Ausmaße annimmt, auch in Thüringen nicht. Die Bürokratie ist überwältigend eine Laufbahnbürokratie, mit relativ wenig politisch besetzten Posten. Die meisten Beamt*innen in den Ministerien arbeiten unabhängig von der regierenden Koalition und setzen deren Direktiven getreulich um. Das ist wahrlich keine Selbstverständlichkeit. Das Chaos der transition period in den USA, deren Erfahrungen mit dem so genannten spoils system, bei dem die Wahlgewinner tausende und zehntausende von Posten neu vergeben, waren und sind alle einer gesunden Demokratie nicht zuträglich. Unser System ist alles andere als perfekt, aber ich nehme es sofort vor deren.
Ich halte Kevin Drums Betonung, dass der technologische Fortschritt unzweifelhaft einen Nettogewinn für uns darstellt, für wichtig. Gerade im Umfeld der Degrowth-Bewegung kommen immer wieder gegenteilige Ideen auf, die in meinen Augen eine komplette Sackgasse darstellen. Ich bin was das angeht völlig auf der Linie der FDP: der einzige Weg aus der Misere besteht in mehr Innovation und Technologie, nicht im Versuch, das Rad anzuhalten oder gar zurückzudrehen. Die Aufgabe des Staates kann nur darin bestehen (und hier verlasse ich den Pfad der FDP), die Auswirkungen dieses Wandels abzufedern und seine Richtung mit zu beeinflussen. Aber dass wir den Fortschritt brauchen steht für mich außer Frage, und ich bin auch immer wieder froh, dass die Degrowth-Leute in den Grünen keinen nennenswerten Einfluss haben. Die Globuli-Fraktion ist schlimm genug.
4) Looking at Berlin, Ending up on Capitol Hill
Was wir haben ist wirklich das Aufeinanderprallen einer im Prinzip guten Idee – einer Strukturreform, die zu stabileren Regierungen führt, die ja in der italienischen Politik wirklich ein Desiderat sind – und der Umsetzung als purer power grab, der analog zum Modell der Rechtsautoritären in Ungarn und Polen zu einer semi-dauerhaften Machtsicherung führen soll. Meloni geht es vor allem darum, ihre Position durch eine Verfassungsänderung zu festigen – ein mehr als problematisches Unterfangen in den besten Zeiten, und die haben wir hier wahrlich nicht. Für mich als Nicht-Kenner des italienischen Systems ist aber die von de Petris hier aufgemachte Vergleichsstudie zum deutschen System besonders interessant, weil es die Rolle von Parteien betont. Genauso wie die in Fundstück 2 diskutierte Bürokratie haben die in Deutschland gerne einen schlechten Ruf („machtversessen und machtvergessen“, remember?), aber sie sind für das Funktionieren einer parlamentarischen Demokratie unablässlich – und wir sind da hierzulande wirklich noch gesegnet, was die Funktionsfähigkeit und Verantwortung der demokratischen Parteien angeht, allen Problemen zum Trotz.
5) Did Humans Ever Live in Peace?
Ich erinnere mich noch an die Lektüre von Steven Pinkers „The Better Angels of our Nature“ (hier kurz kommentiert), der argumentierte, dass mitnichten eine ständige Verschlimmerung der Gewalt stattfindet, sondern wir stattdessen kontinuierlich auf einem Weg nach vorne in bessere Zustände sind. Rutger Bregman schlug mit „Mankind“ (hier etwas ausführlicher kommentiert) in eine ähnliche Kerbe. Generell bin ich immer skeptisch bei der Glorifizierung der Vergangenheit; für gewöhnlich fährt man mit der Daumenregel, dass das Leben früher schlechter war, ziemlich gut. Ich bin allerdings etwas skeptisch, ob uns die anthropologische Forschung hier wirklich viel weiterhelfen kann. Ob Krieg erst später kam oder von Beginn an in unserer Spezies angelegt war, scheint mir eine eher akademische Frage zu sein, die zudem kaum abschließende Klärung finden wird. Wir müssen die Antworten auf dieses Problem im Hier und Jetzt finden, und wenn man Bregman und Pinker Glauben schenken darf, sind wir da ja auf gar keinem so schlechten Weg, allen Hiobsbotschaften aus Ukraine, Gaza und Co zum Trotz.
Resterampe
a) Good news! Kriminologe: Deutlich weniger Jugendgewalt als vor zwei Jahrzehnten (trotz Anstiegs 2022)
b) Die BBC hat einen erschütternden Bericht über die Realität der israelischen Warnungen an die Zivilbevölkerung. Auf der einen Seite einzigartig und bewundernswert, auf der anderen Seite irgendwie völlig pervers und zerstörerisch.
c) Selbstversuch Lehrkräftearbeitszeit.
d) Die FDP isoliert sich im Europaparlament.
e) Die Verbotspartei ist in Hessen dran. Aber keine Bange, die Mutterpartei hat auch gleich noch Arbeitszwang im Gepäck.
f) Spannender Thread zum Thema KI-Rüstungsbeschränkung.
g) Artikel, der den Zusammenhang von Schuldenbremse und Migrationskrise/Aufstieg der AfD beleuchtet. Ich habe so ja in meiner eigenen Artikelreihe auch argumentiert, warne aber davor, das monokausal zu sehen.
h) Hollywood’s Dual Strike Is Over, and the Studios Lost. And a good thing, too.
i) It’s not social media that has polarized us. So true!
j) Ich finde das bedenklich, auch wenn es von Leutheusser-Schnarrenberger kommt…
k) Und diese Umfrage auch bedenklich.
l) Lesenswerter Thread zur Moralität von Außenpolitik. Cuts both ways.
n) How Germans Learned to Stop Worrying and Love the Bomb, Then Probably Start Worrying Again.
o) Nochmal aus dem Kapitel „Wenn man streicht, ist nachher weniger da„, Beispiel 2523523
p) Autofahrende werden immer aggressiver.
q) Spannendes Interview zum Thema Kolonialismus und Israel.
r) Interessante Betrachtung der potenziellen Wählendenschaft einer potenziellen Wagenknecht-Partei.
s) Es wäre poetisch passend, wenn die Ampel an Schuldenbremsenunfug scheiterte.
t) Als Nachtrag zu meiner Serie zum Bildungssystem dieser Podcast, den ich nirgendwo sinnvoll passend verlinken konnte.
u) Meinungsfreiheit auf Twitter in a nutshell.
v) Schöner Artikel zum Gatekeeping in der Kunst.
zu 4) die Anwendung solcher großen Modelle im staatlichen System hängen sehr von den nationalen Besonderheiten ab.
Hab auch nicht viel Ahnung von Italien, aber die hatten mal mit den Christdemokraten und den (Euro-) Kommunisten zwei starke Parteienblöcke. Dann zerbrach die Christdemokratie wohl auch wegen Kuscheln mit der Mafia und die Kommunisten nachdem der gesamte Ostblock zusammenbrach, auch wenn die italienischen Kommunisten auf Distanz gingen.
Die langfristigere Entwicklung ist nicht gut. Italien erwirtschaftet heute weniger BIP pro Einwohner als 1990. Da gibts natürlich einen starken Drang hin zu Reformen.
Insgesamt scheinen Regierungen von Demokratien darauf angewiesen zu sein, breite Mehrheiten hinter sich zu bringen. Ein Populist an der Spitze des Staates bedeutet nicht, dass er sich so verhält oder verhalten kann, wie es sich Klein Erna vorstellt.
Das Lateinamerika der letzten 30 Jahre ist voller populistischer Präsidenten. Einen nachhaltigeren Wandel erzielten oft die kompromissbereiteren. Inacio Luis da Silva in seiner ersten Amtszeit oder Evo Morales. Solche, die nicht vor sehr repressiven Handlungen zurückschreckten, änderten natürlich auch den Kurs des Landes… die Gesellschaft des Landes zahlte dann aber einen extrem hohe Kollateralschaden: Venezuela und Nicaragua.
Mehr Spielraum haben populistische Präsidenten in Gesellschaften mit einem Problem, das wirklich als dauerhaft groß angesehen wird: Nayib Bukele mit der Bandenkriminalität in El Salvador und vielleicht Javier Milei mit dem Unwillen gegen die extreme Form das fiskal- und geldpolitischen immer-weiter-wursteln der Linksperonisten.
Über Milei las ich in der deutschen Presse, dass der angeblich Organhandel für eine umsetzbare Politik hält oder bald den Dollar einführen werde. Tatsächlich sucht er nach dem überraschend deutlichen Sieg in der Stichwahl nach Bündnissen. Er wird versuchen den Urwald der argentinischen Makroökonie mit einer Strategie bekämpfen, mit der das schon in der Verschuldungskrise der 80er gelungen ist: Erst eine fiskalpolitische Konsolidisierung, dann langsam die Geldpolitik und mit mehr sozialpolitischer Sensibilität als damals. Dafür benötigt er Rückhalt, auch von Teilen der traditionellen Politiker-„Kaste“. Die unentspannten Artikel zum Thema in taz, Zeit und Spiegel zum Thema gestern fand ich sehr unrealistisch.
Deswegen meinte ich ja, die Stoßrichtung der Reform – stabilere Mehrheiten, Möglichkeit der Reform – ist super. Aber wenn du das an einen Powergrab bindest, hast du ein Problem.
Erstmal haben einfach nicht alle Länder so ein stabiles Parteiensystem wie Deutschland. Das Bundesland Thüringen zum Beispiel. Oder Italien seit den 90ern. Außerdem manövrieren sich manche Gesellschaften in Lagen, in denen es starke Mehrheiten für einen drastischen Wandel gibt. Ich denke da aktuell an Argentinien.
Vielleicht ist es manchmal nicht klar, wo die Grenze zwischen power grab und einem starken Gestaltungswillen der Regierung zu ziehen ist. Konrad Adenauer oder beide Roosevelts in den USA zentrierten auch viel Macht.
Verliert ein Präsident schnell Rückhalt in der Bevölkerung, lähmt das zumindest in lateinamerikanischen Präsidialsystemen die Gestaltungsmacht der Politik in einem Ausmaß, das wir das in Deutschland noch nie erlebt haben. Das auf jeden Fall.
Ich fand die Argumente im Artikel ganz überzeugend.
Ich bin ganz sicher kein Fan von Meloni und habe sehr wenig Ahnung von Italien.
Vielleicht ist es aber für Italien erstmal der Weg. Ein stabiles Parteiensystem entsteht in einem längeren historischen Prozess. Wenn es in Italien nicht entsteht, lässt es sich nicht herzaubern. Im Hinblick von Parteien stützt sich die chilenische Regierung etwa auf eine Koalition aus der progressiven Koalition Frente Amplio, der Koalition mitte-links und den Kommunisten. Kann sein, dass Präsidentialismus so einen Blödsinn befördert. In der größeren Kammer des zweiteiligen Parlaments sitzen inzwischen 21 (!) Parteien.
Unser Parteiensystem fragmentiert auch, aber nicht so.
Möglich, ja. Hoffen wir mal das Beste. Ich befürchte halt, dass es wie in Ungarn läuft.
z.T. Argentinien/Milei/Linksperonisten: Sie kennen sich in den Mercosur Staaten besser aus, aber ging die letzte Schuldenkrise nicht auf die Reigierung Macri (liberalkonservativ) aus?
Nein. Die Kirchneristen sparten sich die Schulden, indem sie durch allerhand „kreative“ Operationen einfach Pesos drucken. Das zerstörte aber den argentinischen Peso. Das wirkt schlimmer als Schulden, insbesondere solche beim IWF, weil deren Zinsen niedrig sind und die Rückzahlungskonditionen auch verhandelbar.
Warum vergibt der IWF fröhlich 80 Mrd US$ an eine völlig aus dem Ruder gelaufene Ökonomie ohne Stabilisierungsprogramm?
Meine Antwort: Weil Christine Lagarde einen katastrophalen Job gemacht hat, aber das interessiert leider niemanden.
Die Kirchneristen haben insbesondere seit 2009 verläßlich hohe Haushaltsdefizite fabriziert und das ganze dann aus der Zentralbank mit Gelddrucken finanziert. Macri hat den Haushalt nicht wirklich in Ordnung gebracht, wollte erstmal mit dem 80 US$ IWF Kredit aus der Krise rauswachsen (O-Ton: Ich vertraue den Argentiniern) und hat gleichzeitig Devisenverkehrskontrollen bei Beibehaltung eines fixen Wechselkurses aufgehoben. Die neuen IWF Dollars ermöglichten so vor allem eine massive Kapitalflucht reicher Argentinier. Aber die Instabilität des Pesos geht auf die Kappe der Peronisten.
Die gesamte Wirtschaft funktioniert nur noch mit unterschiedlichen Wechselkursen, dh für Import für Rohstoffe bekommst Du 3 mal mehr Dollar als auf dem Schwarzmarkt. Als Soja-Exporteur bekommst Du für die Einnahmen ca 2,5 mal so viel wie der Rohstoff-Importeur. Für Tourismus von Argentiniern im Ausland gibts wieder einen anderen Wechselkurs. Es gibt noch weiterer solcher nutzungsspezifischen Wechselkurse.
Milei wird nun die erprobte Sequenz durchgehen:
1. Haushalt sanieren, gleichzeitig die Armen abfedern, die militanten Proteste gewaltbereiter Sozialer Bewegungen abwehren und möglichst viel Dollar ins Land holen, etwa durch neue Bergbau Projekte. Ich hoffe, er verteilt da keine Werte deutlich unter Preis an gut vernetzte Argentinier wie es leider in Chile in den 80ern geschah.
Ich hoffe weiterhin, dass der Konflikt mit den Sozialen Bewegungen nicht völlig eskaliert. Es gibt auf youtube ein 5-stündiges Gespräch zwischen Javier Milei und Juan Grabois, einem der Führungsfiguren dieser Bewegungen -> https://www.youtube.com/watch?v=lf9b1P7ieFA
2. Wechselkurse langsam harmonisieren
3. Später vielleicht eine Währungs-Innovation.
Das ganze kann man auch Schocktherapie nennen, aber ich sehe keine Alternativen.
Scheitert Milei, wird es sicher ein Hyperinflation geben. Schon jetzt liegt die MONATLICHE Inflation bei etwa 10% (Definition Hyperinflation ist 50%) und die wird zusätzlich durch das System der vielen Wechselkurse künstlich niedrig gehalten.
Eine Hyperinflation wird die Armutszahl von 40% auf 60 bis 70% hochschiessen lassen.
Danke für den Hintergrund
Danke.
Muß für ein tieferes Verständnis weiter in die technischen Details hinabsteigen.
Wichtig für Milei ist vor allem auch der Versuch, die Bilanz der Zentralbank zu bereinigen. Die sogenannten Leliqs sind ein großes Thema, das ich auf der technischen Ebene unzureichend verstehe. Viele europäische Kommentatoren machen da dicht, weil es das Interesse ihres Publikums überfordert. Dann versteht man aber nicht, was wirklich passiert.
(2 – Bürokratie)
Mir scheint, dass die Geschichte vor allem das Funktionieren des Systems belegt. Es gibt keine nennenswerte Korruption innerhalb der Bürokratie.
Wenn man Korruption im eigentliche Sinne versteht, würde ich das so unterschreiben. Allerdings gibt es durchaus eine Art Korruption durch Bequemlichkeit. Den Leuten in den Behörden ist die Welt draußen ziemlich egal. Sie sind hauptsächlich an ihren behördeneigenen Abläufen interessiert. Darum produzieren sie ständig mehr Vorschriften und Komplikationen. Ihnen bringt das Vorteile, allen anderen Nachteile.
Das ist die originäre Korruption der Bürokratie.
„Den Leuten in den Behörden ist die Welt draußen ziemlich egal» ist schon eine ziemlich unverschämte Behauptung und belegt lediglich dein Vorurteil, hat aber nur sehr wenig mit der Realität zu tun. Im übrigen «produziert» die Bürokratie nicht «ständig mehr Vorschriften», denn das ist ja Aufgabe des Gesetzgebers, die Bürokratie setzt diese lediglich um. Wir fassen zusammen: Tim zeichnet sich durch eine starke Meinung aus, die aber leider durch wenig Faktenwissen gestützt wird.
Verwaltungshandeln orientiert sich an Gesetzen und Verordnungen. Verordnungen werden von der Exekutive erlassen, nicht vom Gesetzgeber. Und natürlich haben untergeordnete Behörden auch jede Menge Spielraum, ihre Arbeit zu organisieren (oder eben auch zu desorganisieren).
Der Gedanke, dass der Gesetzgeber alles bis ins Kleinste bestimmt, ist vielleicht romantisch, aber sehr weit weg von der Realität.
Auch das stimmt. Das schließt sich ja gegenseitig nicht aus.
@ Tim 21. November 2023, 09:46
Verordnungen werden von der Exekutive erlassen, nicht vom Gesetzgeber.
Yepp. Wäre darüber hinaus auch sehr wenig unterhaltend, wenn die Ämter keinen irgendwie gearteten Einfluss auf Abläufe hätten.
Man muss sich nur anschauen, wie viel individuellen Ermessungsspielraum die Bauordnungen bei der Genehmigung von Bauanträgen bieten.
Was das Bürokratie-Sache angeht gab es schon früher ein Problembewusstsein nebst interessanten Vorschlägen:
„Also wir wollen auch mal versuchen, zu rationalisieren. Wir haben’s verdammt nötig. Ich gebe es ganz offen zu. Wir haben’s viel zu sehr verfeinert bei der Bürokratie. Wir sollten, meine verehrten Herren, einfacher denken. Das sage ich ganz offen und ehrlich. Je einfacher denken, ist oft eine wertvolle Gabe Gottes. Und diejenigen, die so verdreht denken, das sind nicht immer die klügsten Männer. Wobei ich natürlich hinzusetze, ich habe niemanden damit gemeint.
….
Und wenn ich heute, nein gestern war es, von einem meiner Söhne zugeschickt bekomme die neueste Einkommensteuererklärung und der mich darauf aufmerksam macht, dass sie 125 Fragen enthält, dann meine ich, meine verehrten Herren, alle wir miteinander, Sie und wir sollten zuerst uns einmal bemühen, eine Vereinfachung des ganzen Steuersystems herbeizuführen. “
Adenauer in der Gürzenich-Rede Mai 1956. In den 67 Jahren seitdem wurde offenbar nicht viel erreicht in dieser Angelegenheit. Ob das Problem gelöst wird, noch bevor die letzten Menschen aussterben, ist IMHO unwahrscheinlich.
Manche Klagen sind halt auch Evergreens.
@ Stefan Sasse 21. November 2023, 20:25
Manche Klagen sind halt auch Evergreens.
Manche Klagen – etwa diese – sind halt auch zurecht Evergreens.
Wahr.
Auch das.
@ Stefan Sasse 21. November 2023, 13:53
Auch das.
Nein.
„Bestenfalls“ haben Mike und Tim unterschiedliche Sichtweisen und Meinungen, „schlimmstenfalls“ hat Tim Recht, nicht Mike. Wenn Mike Tim fehlendes Faktenwissen vorwirft, dann deshalb, weil er sich nicht schlau genug gemacht, sondern einen aus dem hohlem Bauch rausgehauen hat. Kann passieren, wenn am jeweils anderen Ufer des Flusses steht.
Aber für Dich einmal mehr der Ratschlag, sorgfältiger zu lesen, bevor Du Ad-hominem-Kritik zustimmst.
Das ist halt keine Korruption, das ist Betriebsblindheit. Das hat jede Organisation. Und du hast völlig Recht, da muss unbedingt durchgekehrt werden. Allein die Kommunikation mit den Bürger*innen ist ein Volldesaster; wer versteht denn schon Behördenbriefe?!
Nach meinen Informationen werden beim „BaföG digital“ die online eingereichten Anträge und Unterlagen im Amt ausgedruckt, weil sie nur so bearbeitet werden dürfen.
Bitte korrigieren, wenn das – hoffentlich nicht stimmt.
Ja, das ist korrekt. Die deutsche Datenschutzobsession ist völlig irre.
@ Tim 21. November 2023, 08:34
(2 – Bürokratie)
Den Leuten in den Behörden ist die Welt draußen ziemlich egal. Sie sind hauptsächlich an ihren behördeneigenen Abläufen interessiert.
Gilt ja nicht anders für Politik, Medien, Finanzwelt etc. Ist also ein Stück weit „normal“, aber in jedem Falle zutreffend.
Ich habe nicht das geringste Problem damit, wenn viele Medien & manche Banken wegen Realitätsblindheit Stück für Stück aussterben. Wer am Bedarf vorbei produziert, stirbt aus, und das ist gut so. Leider können Behörden halt nicht aussterben, ganz im Gegenteil. Das Gestrüpp wuchert immer weiter.
(b – Bombardierungs-Warnungen der IDF)
Ich frage mich, ob die vergleichsweise humane Warnungs-Praxis der Israelis wirklich zielführend ist. Letztlich führt es doch dazu, dass die Palästinenser die Israels noch mehr hassen. Der Bombenkrieg bekommt dadurch einen spürbaren menschlischen Verursacher, den er sonst nicht hat.
So entsetzlich es auch ist – Bombardierungen sind von der Weltgemeinschaft akzeptiert, wie ja auch vollständige Vertreibungen von Bevölkerungen. Es ist hundertfach geschehen und hundertfach schnell wieder vergessen worden.
Die Israelis wollen auch in Extremsituationen immer möglichst human sein. Genau das wird ihnen niemals verziehen, weil die Gegenseite ihre moralische Unterlegenheit spürt.
Ich bin da auch sehr unsicher.
Ich frage mich, ob die vergleichsweise humane Warnungs-Praxis der Israelis wirklich zielführend ist.
Schenken Sie sich die Frage, sie ist es nicht. Sie erhöht nur drastisch die Aufmerksamkeit für die Schäden, die der Einsatz moderner Waffen in dichtbesiedelten Gebieten unvermeidbar erzeugt, insbesondere gegen bewusst aus der Bevölkerung heraus agierende, schwer bewaffnete Irreguläre wie Hamas. Die Warnungen sind ehrenhaft in ihrer Intention, aber das ist auch das einzig Positive, was man über sie sagen kann.
Ganz nebenbei ist übrigens das Kriegsvölkerrecht in so einer Guerilla-Situation ohnehin albern, weil es streng genommen Kriegführung gegen bewaffnete Irreguläre unmöglich macht.
Gruss,
Thorsten Haupts
1) Der Hinweis, wie schädlich diese Aufregungskultur ist, kann nicht oft genug gegeben werden. Eigenes Beispiel dazu: Erinnert ihr euch an den Aufreger diesen Sommer um eine Drag-Lesung in einer Münchner Bibliothek? Was von den meisten Kommentatoren nicht erwähnt wurde: Die gleiche Veranstaltung hatte es 2022 auch schon gegeben – ohne Beschwerden vorher, während oder nachher.
2) Trotz aller Liebe zum Detail wäre hier ein wenig mehr politische Naivität angebracht, um die Problematik der Hybride „politische Beamte“ zu sehen, den Loyalitätskonflikt. Es gilt auch für sie „Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen“ (§33 Abs1 BeamtStG). Ob das erfüllbar ist, wenn die Parteien sie nach Gutdünken entlassen können, ist zu bezweifeln. Kleine Kuriosität hierzu: Der Freistaat Bayern kennt keine politischen Beamten (Böse Zungen sagen allerdings, dass es angesichts langjähriger CSU-Herrschaft gar keine anderen gäbe)
3) Mich stört diese ganze „Legitimierung durch stille Post“ . Da schreibt jemand ein Manifest für eine radikale gesellschaftliche Weltanschauung, die mit unserem Wertesystem kaum vereinbar ist. Dieses wird von Kommentatoren als quasireligiös verrissen. Und dann kommt Drum und sagt „Ohne Fortschritt geht es auch nicht“, was gar nicht zur Debatte steht und setzt dem ganzen noch eins drauf durch die Bemerkung, er habe das Manifest gar nicht gelesen. Und du verschiebst das Thema noch weiter, indem du die Degrowth Idee hineinrührst.
4) An sich ist das Wahlsystem Italiens gar nicht so anders als das deutsche. Zwei Kammern, Grabenwahlsystem beim Abgeordnetenhaus (Mit der kleinen Besonderheit, dass es Mehrkandidatenstimmkreise bei den Direktmandaten gibt). Vielmehr ist das instabile Parteiensystem wie von LemmyCaution beschrieben, immer noch Nachwehen der Tangentopoli Affären. Bemerkenswert ist auch, dass es in den letzten zehn Jahren vier verschiedene Versuche gab, am Wahlrecht herumzudoktern. Auch bemerkenswert: Meloni will nicht den Präsident direktwählen lassen sondern Regierungschefin (sich selbst).
5) Naja, ich würde deine Daumenregel noch ergänzen, dass die Menschen früher in ihren Grundmotiven ähnlich divers wie heute waren. Es gab friedliche und aggressive Gemeinschaften, Konflikte und Kooperation. Das cherry-picking für einen Blickwinkel lässt da eher auf den Schreiber der Studie blicken als auf die Realität.
j) … bedenklich, gerade weil es von L-S kommt. Sie müsste wissen, dass es die Versammlungsfreiheit nicht nur im GG sondern auch in der Allgemeinen Menschenrechtserklärung, der europäischen Grundrechtecharta etc.. gibt und nirgendwo sonst zwischen In- und Ausländern unterschieden wird.
n) Mich amüsiert die Dr. Strangelove Referenz (und noch mehr die Vorstellung, dass gewisse Protagonist*innen der „Zeitenwende“ wie Peter Sellers im Film die Kontrolle über den eigenen Arm verlieren), aber sachlich und unparteiisch wäre natürlich als Titel „How Germany succumbed to full spectrum war propaganda once more.“
p) Hinweis: Die Umfrage bezog sich auf Verkehrsteilnehmer, also auch Fahrradfahrer.
s) verstehe ich nicht, du hast zurecht darauf hingewiesen, dass bei der Abstimmung über die Schuldenbremse eine der Ampelparteien mehrheitlich dafür war (SPD), eine mehrheitlich dagegen (Grüne) und eine unentschieden (FDP).
p) Hinweis: Die Umfrage bezog sich auf Verkehrsteilnehmer, also auch Fahrradfahrer.
Ich glaube nicht, dass man Fahrradfahrer gefragt hat, ob sie gegelentlich bei Draenglern auf die Bremse treten um diese zu aergern, ob sie bei notorischen Linksfahrern besonders dicht auffahren oder wie sie zu Geschwindigkeitsbeschraenkungen stehen.
Nein, aber sie wurden danach gefragt, ob sie am Zebrastreifen halten, sich an der Kreuzung durch die Autos schlängeln oder den Gehweg als Ausweichstrecke nutzen. Alles Dinge, die ich auch schon bei mir selber beobachtet habe. Und das ist die Wurzel der Aggression: der Verteilungskonflikt um sehr begrenzten Raum mit immer unterschiedlicheren Verkehrsteilnehmern.
@cimourdain
Ok, Sie reden nicht ueber den ZDF-Artikel zur Studie, sondern haben sich die Studie selber angeschaut. Sehr vorbildlich!
Wurzel der Aggression: der Verteilungskonflikt um sehr begrenzten Raum mit immer unterschiedlicheren Verkehrsteilnehmern.
Glaube ich gerne. Allerdings haben sich laut Studie das Fehlverhalten der Radfahrer in den Zeitraum 2010-2023 nicht gaendert, zumindest nicht fuer die beiden Fragen, fuer die Daten aus der Vergangenheit vorliegen (ob jemand noch schnell bei gelb ueber die Kreuzung huscht, oder alkoholisiert Rad faehrt). Uebrigens ergeben sich bei diesen beiden Fragen an Autofahrer auch keine Veraenderung.
Sehr erfreulich ist uebrigens, dass 96% der Autofahrer angeben, besondere Ruecksicht zu nehmen, wenn sie Radfahrer ueberholen.
Selber habe ich als Radfahrer nie Aggression von Autofahrern erlebt und sehe die groesste Gefahr darin einfach uebersehen zu werden. Daher finde ist richtig, wenn die Polizei bei fehlender Beleuchtung die Radfahrer ermahnt und auch Strafzettel verteilt. Und daher ist durch die Autos durchschlaengeln auch etwas problematisch.
Klingt plausibel.
1) Good point!
2) Machen wir es doch gerne konkret: wo gibt es das massive Thema?
3) Ok, mea culpa.
2) Nicht das eine massive Thema sondern die vielen Stiche, die das Vertrauen in die Demokratie untergraben: Familienfilz im Wirtschaftsministerium; ein SPD Sonderermittler, dem ein Laptop abhanden kommt; eine Blackrock Lobbyistin im Ministerium, all diese Dinge, die das Vorurteil von „denen da oben“ bestätigen.
Die Leute, bei denen das angeblich das „Vertrauen“ untergräbt, sollten sich im Spiegel mal tief in die eigenen Augen schauen und sich ehrlich fragen, ob sie selber ausnahmslos sauber bleiben.
Ich selbst durfte als Tramper mal an einer Autobahnraststätte abrupt aussteigen, als sich mein Fahrer über die ganzen „korrupten Schweine“ da oben ausliess und ich ihn höflich darauf hinwies, das er mir 5 Minuten vorher erzählt hatte, mit welchem Versicherungsbetrug er sich seine hübsche Auto-Stereoanlage finanziert hatte.
Oder als sich mein Projektleiter 2009 über die unanständigen Vorstandsleute ausliess, die mit hohen Abfindungen aus strauchelnden Banken ausschieden, mir aber auf die Frage, ob er selbst 10 Millionen Abfindung ausschlagen würde, erfreulich ehrlich antwortete, das würde er wohl nicht.
Ich hätte da noch sehr viel mehr Anekdoten dieser Art, wo die Ansprüche von Leuten an andere sehr viel höher waren, als die an sich selbst. Um ein Bonmot über einen Studienkollegen zu zitieren: Er legte die Messlatte immer so hoch, dass er problemlos drunter durch laufen konnte.
Wir haben in einer Demokratie, wo das gewählte Führungspersonal weder speziell befähigt noch speziell ausgebildet noch speziell privilegiert ist, eigentlich keine Grundlage für höhere Ansprüche mehr. Stellen sie aber trotzdem gerne und regen uns über die „da oben“ auf. Mir persönlich widerliche Doppelstandards.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ja, aber ich halte das alles für totale small potatoes. In meinen Augen ist das Problem eher, dass da so ein Buhai draus gemacht wird – oder nicht das Problem, weil es ja eigentlich ein gutes Zeichen ist. Wenn das unsere größten Probleme sind…
Gut, ich habe mir mal die Zahlen angesehen, wie viel diese Form der politischen „Freunderlwirtschaft“ ausmacht. Wir reden im Bund von (2021) 167 Staatssekretären und Ministerialdirektoren. Die Gehaltssumme hierfür betrug ca. 40 Millionen €. Dazu kommen die Länder und vor allem die Ruhebezüge der „ausgewechselten“ Beamten. Letztere sind der Grund, warum 2008 und 2018 das BVerfG festgestellt hat, politische Beamte müssen eine „absolute Ausnahme“ bleiben. Natürlich ist seitdem mit jedem Regierungswechsel die Zahl der politischen Beamten gestiegen.
Und ich finde es nicht „small potatoes“ , dass Beweismittel in einer Untersuchung gegen den Bundeskanzler einfach so verschwinden, wenn (oder weil?) der Ermittler aus der Partei eben dieses Kanzlers kommt.
Wie gesagt, verglichen mit dem, was da in anderen Ländern läuft, sind wir auf der Insel der Seligen.
Dann nenne mir irgendeinen Korruptionsfall in Europa, der heftiger ist als „Politiker deckt Milliardenbetrug, wird erst Finanzminister, dann Regierungschef und lässt Beweisstücke, die ihm schaden könnten, durch Parteifreunde verschwinden. Die regierungsnahen Fernsehanstalten interessiert das nicht die Bohne.“
Ich bin kein Experte für die Innenpolitik aller europäischen Länder. Es interessiert im Übrigen ÜBERHAUPT NIEMANDEN.
Mich schon. Wo fängt Korruption an?
Die Steuerfreiheit für Flugbenzin wurde von Strauß 1988 durchgeboxt. Fast alle anderen Länder haben die nicht. Nach einer groben Schätzung (aufgrund von gegoogelten Angaben des Finanzministeriums und Medienberichten) wäre bei einer Nachzahlung das 60-Mrd.-Loch gestopft.
Uih, Sie nehmen sich selbst (als Deutscher) viel zu wichtig. Ihre Googelei führt anscheinend zu nichts (Vernünftigem). Ich gebe Ihnen mal einen Tipp. Googeln Sie Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2003/96/EG.
Danach schreiben Sie möglicherweise nicht mehr den Blödsinn, andere Länder würden Kerosin für die kommerzielle Luftfahrt besteuern.
Die Aserbeidschan-Connection der Union:
https://www.handelsblatt.com/politik/international/korruption-wie-aserbaidschan-westliche-politiker-korrumpiert/27001696.html
5)5) Naja, ich würde deine Daumenregel noch ergänzen, dass die Menschen früher in ihren Grundmotiven ähnlich divers wie heute waren. Es gab friedliche und aggressive Gemeinschaften, Konflikte und Kooperation. Das cherry-picking für einen Blickwinkel lässt da eher auf den Schreiber der Studie blicken als auf die Realität.
Unbedingt, ich lese solche Dinge unheimlich gerne, aber wenn man da jetzt selbst nicht so eigene Präferenzen hat, landet man meist bei: der (einzelne) Mensch bleibt sich erstaunlich gleich. Die Möglichkeiten und gesellschaftlichen Konventionen ändern sich dafür oft rasend schnell und es ist super spannend und schwierig, da Ansatzpunkte und Ideen zu finden, um nachzuvollziehen, was passiert.
Aber gerade in so Grundsatzfragen ist es oft nicht nur Cherry-Picking, sondern auch viel Romantisierung von der Menschheit, die vor der neolithischen Revolution, Christianisierung, Industrialisierung (whatever) in Einklang mit der Natur, friedlich singend vor sich hinlebte, bis die moderne Welt sie einander entfremdet hat, der Kapitalismus eingezogen ist, sie alle den Verstand verloren haben und sich gegenseitig umgebracht haben.
Zur intellektuellen Erbauung könnte man hier jetzt auch noch die Degrowth-Theorie reinrühren und fragen, ob die nicht durch solch irrige Vorstellungen entstanden ist 😉
Yes!
Dann überleg dir auf der anderen Seite auch mal, was für Gruselgeschichten, die über vorindustrielle Gesellschaften kursieren: angebliche Unwissenheit (flache Erde), Fehlinterpretation der Lenbenserwartung (kaum jemand über 30), Lebensweise (ständige Arbeit) um nur einige zu nennen.
Ja, das Mittelalter ist ne Sonderform, da ist man mit 30 schmutzstarrend tot umgefallen, wenn man das Glück hatte, nicht vorher als Hexe/r verbrannt zu werden.^^
Im Dezember kommt eine Buchrezension zum Thema, freu dich drauf!
Zitat Ariane:
„Zur intellektuellen Erbauung könnte man hier jetzt auch noch die Degrowth-Theorie reinrühren und fragen, ob die nicht durch solch irrige Vorstellungen entstanden ist“
Degrowth ist eigentlich ganz einfach:
In einer Welt mit endlichen Ressourcen kann es kein unendliches Wachstum geben. Es dürfte schwierig sein, diese Erkenntnis zu dementieren, zumal die allseits geliebten Wachstumsraten ja auf den jeweils erhöhten Grundwert aufbauen, also pro Wachstumseinheit je folgende Zeiteinheit ständig mehr reingepackt werden muss. Dass die Kosten je Wachstumseinheit dabei womöglich schneller wachsen, als der gefühlte Nutzen, ist ein weiterer Aspekt.
Die deutschen Degrowther finden den Begriff übrigens nicht so gut und bevorzugen „Postwachstum“, was bedeutet, dass man nicht ins Minus („de“) gehen muss, nur halt nitt mehr ins Plus; das is doch schon mal ne gute Nachricht^.
Natürlich kommt die Frage auf: Was ist eigentlich der Maßstab, von dem ausgehend das Postwachstum beginnen sollte? Der Kongo oder Monaco? Oder individuell betrachtet: Welche Einzelpersonen draußen in der Welt is nu der Maßstab für „jetzt reicht’s aber“? Wieviel Aufholung kann es für all die Individuen geben, die momentan noch nicht bei z.B. Jeff Bezos (Herr Amazon) sind, also bei, sagen wir mal konservativ gerechnet, bei 100 Milliarden Dollar? Wobei natürlich nicht Geldscheine zu betrachten sind….
https://encrypted-tbn0.gstatic.com/images?q=tbn:ANd9GcR35cSdUnJOAP2_gjOgHDQqgfS3bi-W8WGG4QXu11BfUvm2TqPZgeGowaNMsyER5c08t8I&usqp=CAU
…… sondern die Realien, die mit Geld nominiert werden. Davon leben wir ja. Vom Geld lebt niemand.
Nach der Wachstumstheorie muss es ja MÖGLICH sein, dass JEDER mindestens ein Häusle hat wie weiland Ludwig XIV.
Also das (ist nur ein Ausschnitt)….
https://i.natgeofe.com/n/5f01634d-6d3c-49a8-beb4-75283b26e411/Versailles_p262.jpg?w=1084.125&h=727.125
….multipliziert mit, sagen wir mal, 2 bis 3 Milliarden (wieder konservativ) Haushalten draußen in der Welt. Kann das funktionieren? Wenn nein, warum nicht? Komm mir hier nicht mit Finanzierung. Wenn Wachstum unendlich ist sind Kredite auf das Wachstum auch unendlich.
Das wird alles noch im Einzelnen zu besprechen sein^^, wenn die Erkenntnis erst mal da ist, dass es unmöglich ist, aus Endlichkeiten per Wünsch-dir-was Unendlichkeiten zu produzieren und dabei die Kosten abzuschieben – ohne dass es für Letzteres einen tatsächlichen Ort gibt. Bei „Bring mal den Müll runter“ stellt sich global die Frage: Wohin eigentlich?
Grundsätzlich ist IMHO die Postwachstums-Theorie also ernst zu nehmen.
Und wer eine „Schuldenbremse“ befürwortet, was ich grundsätzlich auch mache, sollte logisch argumentieren: Bei unendlichem Wachstum können beliebig hohe Schulden kein Problem sein, weil die Tilgung in der Zukunft garantiert ist – auch ohne Abwertung (Letzteres ist allerdings die übliche Tilgungsmethode^). Befürworter von wie auch immer ausgestalteten Schuldenbremsen sind also implizit Wachstumskritiker, auch wenn die das selber womöglich nicht wissen.
Die häufig angewendete praktische Lösung ist natürlich Krieg und Zerstörung, Dann ist man erstmal kräftig im Minus und kann wieder unten, im Idealfall bei nahe 0, anfangen. Das war schon immer die klassische Form von Degrowth. Das muss aber nicht sein.
„zumal die allseits geliebten Wachstumsraten ja auf den jeweils erhöhten Grundwert aufbauen“
Auch das ein Evergreen und folgenlos. Zumindest in akademisch-ökonomischen Kreisen müsste das doch eigentlich verstanden worden sein. Ist aber nicht. Warum?
Die häufig angewendete praktische Lösung ist natürlich Krieg und Zerstörung, Dann ist man erstmal kräftig im Minus und kann wieder unten, im Idealfall bei nahe 0, anfangen. Das war schon immer die klassische Form von Degrowth. Das muss aber nicht sein.
Ja, meine Kritik richtet sich hauptsächlich an solche Verirrungen. Die Hochzeit der mittelalterlichen Pest hat auch auf Schlag ne Menge Probleme gelöst, deswegen war das aber trotzdem mehr Katastrophe als Lösungsansatz.
Ansonsten kommts halt auf Kategorien (oder eben Maßstäbe) an. Volkswirtschaftlich generiert der Abbau eines AKW durchaus Wirtschaftswachstum, der nicht mehr vorhandene KTF ist auch ein gutes Beispiel. Das ist eben was ganz anderes als die Vermögenswachstumsraten von Jeff Bezos.
Deswegen finde ich allgemeine Wachstumskritik auch für fragwürdig, man muss schon definieren, was man damit meint. Sonst entsteht wirklich der Eindruck, so eine kleine Urkatatrophe könnte da mal „fix“ helfen. Und ich hasse Apokalyptik.
Die „allgemeine Wachstumskritik“ zielt auf das BIP als einzigen Maßstab für „Wohlstand“. Das (fast schon abgedroschene) Beispiel: Verkehrsunfälle steigern das Bruttosozialprodukt. Mehr Unfällle = mehr Wohlstand. Klingt irre, ist es auch.
Das Konzept basiert auf der stillschweigenden Annahme und Voraussetzung, dass die eingesetzten Mittel (Arbeitskraft und natürliche Ressourcen) immer zum Wohl der Menschen eingesetzt werden. Das ist aber mitnichten der Fall, wie nicht nur das Extrembeispiel von Dennis zeigt.
In den Sechzigern hieß es „What have they done to the rain?“ – heute müsste es heißen „What are the doing to the the air – and the sea and the soil?“
In einer Welt mit endlichen Ressourcen kann es kein unendliches Wachstum geben.
Yup, das Argument habe ich ungefähr tausendmal gehört und immer von Leuten, die glauben, es sei besonders schlagend.
Ist es natürlich nicht. Unter der Voraussetzung einer sehr hohen Recyclingquote (da sind wir noch nicht) und zunehmender technischer Effizienz (da sind wir) kann man aus endlichen Resourcen gedanklich konsistent und problemlos stetiges Wachstum sogar im Kernbereich wirtschaftlicher Tätigkeit – Produkterzeugung – generieren.
Und selbst wenn das nicht der Fall ist – das Sonnensystem hat einige plünderbare unbewohnbare Planeten plus den Asteroidengürtel. Nicht zu vergessen die zur Zeit brachliegenden irdischen Rohstoffe, deren Ausbeutung sich ZUR ZEIT schlicht nicht lohnt, weil bessere Quellen grösserer Dichte verfügbar sind. Das heisst, die Grenze verfügbarerer Resourcen liegt so weit in der Zukunft, dass ich mir darum keine Gedanken machen muss. Denn sollten wir sie erreichen, sind wir technisch 250 Jahre weiter. Und unsere Ur-Ur-Enkel werden über die stupiden, statischen „Degrowth“-Theorien nur lachen können.
Gruss,
Thorsten Haupts
Recycling (Kreislaufwirtschaft) ist eine gute Idee. Auch deswegen, weil daraus unmittelbar kein Wachstum entsteht 🙂 . Man hat nicht mehr als vor dem Recycling, stattdessen Prozessverluste. In die Prozessverluste muss Energie gestopft werden und das repräsentiert an dieser Stelle das Wachstum. Hurra, Wachstum gerettet. Okay, aber man hat deutlich weniger Wachstum als bei Neuproduktionen. Weniger Wachstum muss nach dieser Betrachtung also was Gutes sein. Das ist schon mal was.
Effizienz. Stimmt. Gleichwohl: Auch mögliche Effizienzgewinne sind nicht unendlich. Aber mehr Effizienz zu Lasten von Ressourcenverzehr ist – wenn diese Gleichung tatsächlich eintritt – schon mal ne gute Idee. An dieser Stelle empfehlen sich Wärmepumpen anstelle altertümlicher Methoden zum Heizen, beispielsweise.
Weltraum: Die Kosten, die entstehen, wenn man mal so eben in den Asteroidengürtel rübermacht und das regelmäßig um Stoff (wie das Drogenabhängige so nennen) abzuholen, sollte man nicht außer Acht lassen. Da stellt sich die o.g. Effizienzfrage^.
Zitat :
„Das heisst, die Grenze verfügbarerer Resourcen liegt so weit in der Zukunft, dass ich mir darum keine Gedanken machen muss. “
So argumentieren auch die Gegner von Schuldenbremsen. Immerhin ist damit klargestellt, dass es die Grenzen gibt, auch wenn die angeblich so weit weg sind, dass uns das nichts angeht. Im Übrigen vertrauen wir mal auf phantastische Fähigkeiten der Nachfahren gemäß aktuellen Science-Fiction-Modellen. Kann man glauben.
Konservative indessen handeln mit der Zukunft vorsichtig, fahren auf Sicht, überlassen kommenden Generationen keine Müllhaufen nach dem Motto, die werden das technologisch schon irgendwie lösen, und mögen insbesondere keine Utopien, wie man das von den Sozialisten kennt. Trifft offenbar alles auf dich nicht zu.
Ich sach mal, frei nach dem letzten sächsischen König: Ihr seid mir ja scheene Konservative.
???? Ich habe bisher auch hier und werde auch in Zukunft jederzeit bestreiten, ein Konservativer zu sein.
Unabhängig davon ist der Vorwurf ohnehin einfach blödsinnig, folge ich dem Gedankengang, hätten schon die alten Griechen und Römer ihre bescheidene Entwicklung einstellen müssen, weil dafür Wälder abgeholzt wurden. Oder die ersten Bauern die Aussaat, weil damit ja die Habitate von Wild und Früchten eingeschränkt wurden. Oder die ersten Jäger den Waffengebrauch, weil ja die Jagd das jagdbare Wild verminderte.
Der dahinter stehende Grundsatz – „wir unterlassen alles, was sich nach dem heute bekannten Stand von Technik und Umwelt nicht in die Unendlichkeit verlängern lässt“ – führt denknotwendig zu absoluter Stasis, zum Einfrieren ALLER heute existierenden Zustände, weil – was hinterlässt man sonst im worst case den folgenden Generationen? Das ist schlicht BS.
Gruss,
Thorsten Haupts
… und eine Kreislaufwirtschaft, die diesen Namen verdient, erfordert auch erhebliche Umstellungen an unserer Art zu wirtschaften.
Völlig unbestritten. Mir geht es hier nur um den denkfaulen Ansatz „Mit endlichen Resourcen unter Resourcenverbrauch ist kein dauerhaftes Wachstum möglich“.
Sehe ich auch so.
zu n) Der Artikel erklaert Sachen, die offensichtlich sind:
[…] the swing in public opinion that has been observed over the last two years has revealed that German public opinion is not as resolutely averse to nuclear weapons as many believed. The public can be swayed by changes in the geopolitical environment, and by changes in Germany’s own media environment.
Was Atombomben in Deutschland betrifft, ist es fuer ein Land immer eine schlechte Option Atombomben fuer ein anderes Land zu Lagern, ohne die Kontrolle daruebe zu haben. So macht man sich nur zur Zielscheibe. Deutschland ist ja als NATO-Partner durch das Abschreckungspotential der USA, Frankreichs oder UK geschuetzt. Auch strategisch hat es wenig Vorteile Atomwaffen in Deutschland zu lagern. Ein Atomangriff auf Russland laesst sich leichter aus Polen oder Finnland ausfuehren.
Also Umfrageergebnisse wie
Large segments of the German population were opposed to nuclear sharing — the deployment of U.S. atomic weapons to German territory and German participation in planning for the use of nuclear weapons by NATO.
stehen nicht im Widerspruch zu
In the immediate aftermath of Russia’s invasion, more German citizens began to perceive nuclear weapons as having a deterrent effect.
Ich glaube an das Abschreckungspotential von Atombomben, will die aber nicht in Deutschland haben.
Wasch mich, aber mach mich nicht nass?
Ich glaube an das Abschreckungspotential von Atombomben, will die aber nicht in Deutschland haben.
Wenn mich mal jemand nach „typisch deutsch“ fragt, werde ich das zitieren 🙂 .
Falsch. Die Schotten sehen das auch so. 🙂
https://en.wikipedia.org/wiki/HMNB_Clyde#Anti-nuclear_demonstrations
Schotten gibt´s …
Ich meinte, dass die Logik zwar stimmig, das Risiko aber zu hoch ist.
Ich glaube auch, dass ein Pistole dem Selbstschutz dienlich sein kann, werde mir aber trotzdem kein Knarre unters Bett legen.
Jepp.
Das Risiko uebersteigt den Nutzen hier gewaltig; vielleicht war das vor 1990 anders. Ueber die Mitgliedschaft stellt Deutschland der NATO im Ernstfall sein Militaer zur nichtatomaren Verteidigung zur Verfuegung. Das sollte reichen.
Welches Risiko?
Welches Risiko?
Das Risiko zum Ziel des nuklearen Angriffs/Gegenschlages zu werden. Ist es, im Falle eines Atomkrieges, nicht oberste Prioritaet dem Gegner das Nuklearpotential zu zerstoeren?
Wenn die NATO einen Atomkrieg gegen Russland führt, glaubst du, es macht dann einen Unterschied, ob Bomben hier stationiert sind oder nicht? Da ist Schicht im Schacht, so oder so.
Da ist Schicht im Schacht, so oder so.
Ja, moeglicherweise.
Das Risiko, zum Ziel eines nuklearen Angriffs zu werden, SINKT, wenn man eine glaubwürdige nukleare Zweitschlagskapazität besitzt.
@Thorsten Haupts
Ich weiss nicht, ob wir ueber das selbe reden. Daher zwei Fragen:
1. Im Falle eines Atomkrieges zwischen der NATO und Russland, glauben Sie, dass dann Ziele in Deutschland oder in Spanien eher attakierte werden?
(Ich denke in Deutschland.)
2. Glauben Sie, dass in Deutschland oder Italien stationierte Atombomben zusaetzlich zur nuklearen Abschreckung beitragen?
(Ich denke nicht.)
Beide Fragen haben überhaupt keinen Bezug zu der Ausgangsfrage. Und die zweite Frage impliziert die hundertprozentige Verlässlichkeit der US-amerikanischen Abschreckung für Deutschland, was ich nicht mehr unterschreiben würde.
Unter der Voraussetzung, dass Deutschland keinen Alliierten mehr hat, der die nukleare Abschreckung garantiert, bleibe ich davon überzeugt, dass deutsche Nuklearwaffen das Risiko eines Krieges vermindern und nicht erhöhen würde.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich auch.
Zu 3)
Man kann alles zum Anlass nehmen, über alles zu schreiben. Drum hat mit seiner Einleitung „Henry Farrell has critical words for the notion that technological progress is both inevitable and inevitably good“ Dessen Hauptkritikpunkt – den Drum selbst hervorgehoben hat, ist aber: „It tells its votaries that profits and progress point in exactly the same direction, and that by doing well they will most certainly do good.“ Und das ist erkennbar ein Angriff auf den Glauben, dass Profit wie Fortschritt in dieselbe Richtung deuten und Profit deshalb automatisch gut ist. Was nun wirklich etwas völlig anderes ist, als ein Angriff auf die Feststellung, dass technischer Fortschritt im Ergebnis für die Menschheit fast immer etwas Gutes war (und bleibt).
Gruss,
Thorsten Haupts
Zu 4)
Eine Wahlrechtsreform braucht dem Verlinkten folgend also entweder eine parlamentarische 2/3 Mehrheit oder einen Volksentscheid. Und wenn die Italiener etwas gegen einen stärkeren Regierungschef haben, dann wird diese Änderung scheitern. Wüsste nicht, was daran zu kritisieren wäre – das ist Demokratie par excellence.
Gruss,
Thorsten Haupts
Ich kann ja problemlos kritisieren, was zur Abstimmung steht?
Klar. Ich allerdings überlasse das gerne den Italienern – es ist deren Demokratie. Und die Neigung, bestenfalls zehntelinformiert über andere Länder zu schreiben, überlasse ich üblicherweise deutschen Feuilletonisten. Die können das besser …
Zu 5)
Ein Krieg ist im Kern nichts anderes als die Klärung von Ansprüchen mit Waffengewalt. Wir trennen den Krieg begrifflich nur deshalb von z.B. Duellen, weil er die Resourcen der Gemeinschaft in Anspruch nimmt. Und dass die Menschheit seit dem Existenzbeginn von Menschen Konflikte mit Waffen austrägt, ist nun wahrlich keine bahnbrechende Erkenntnis, sondern eine Menschheitskonstante. Das Gegenteil hätte mich zutiefst überrascht.
Gruss,
Thorsten Haupts
Jein, organisierte Gewalt braucht ja Organisation. Und die Frage, wann die aufkam, ist schon spannend.
Gut möglich, dass vor der Menschwerdung. Hast du schon mal vom „Schimpansenkrieg von Gombe“ gehört?
Nope
https://de.wikipedia.org/wiki/Schimpansenkrieg_von_Gombe
Danke!
Die Frage ist äusserst einfach zu beantworten – zu dem Zeitpunkt, als man mehr als Familienmitglieder organisieren musste. Also weit, weit vor der Agrarrevolution (Ablösung der Jäger und Sammler durch Bauern).
Ich weiss wirklich nicht, warum etwas Selbstverständliches spannend sein sollte 🙄 .
Zu g) Artikel, der den Zusammenhang von Schuldenbremse und Migrationskrise/Aufstieg der AfD beleuchtet.
Der Artikel tut nichts dergleichen! Er stellt einen Shift in der politischen Einstellung zu Migration fest, behauptet, dass es diesen Shift mit unbegrenzten Mitteln für die Bewältigung der Migration nicht gegeben hätte und behauptet danach einen Zusammenhang mit der Schuldenbremse. Die Feststellung des Shifts ist unstreitig, also ein Fakt, die Behauptungen sind Kaffeesatzlesen.
Wäre das ein Schüleraufsatz in Gemeinsachaftskunde gewesen, hätte ich ihm ein „Mangelhaft“ verpasst.
Gruss,
Thorsten Haupts
1) „Fatales Signal“: Initiative, Anne-Frank-Kita umzubenennen, sorgt für Empörung
Vielleicht sollte man auch jungen Menschen wieder beibringen, wer Anne Frank war. Z.B. ein Kind. Da besteht möglicherweise eine Bildungslücke. Anfang der Achtzigerjahre war das Tagebuch der Anne Frank Pflichtlektüre. Und es hat mich geprägt.
2) Verlockung der Macht
Es gibt keine nennenswerte Korruption innerhalb der Bürokratie.
Man könnte heute Hayeks „Der Weg zur Knechtschaft“ lesen und würde viele Parallelen finden. Leider keine Pflichtlektüre. 🙁
3) Progress is good
Da hat wohl jemand seine Position radikal geändert. Noch vor Monaten spottestest Du hier über die Technik- und Fortschrittsgläubigkeit von Liberalen, die so den Klimawandel abmildern wollen.
Die Aufgabe des Staates kann nur darin bestehen (und hier verlasse ich den Pfad der FDP), die Auswirkungen dieses Wandels abzufedern und seine Richtung mit zu beeinflussen.
Wieso meinst Du, dass der Staat mit seinen Beamten besser weiß, wie die Zukunft aussehen könnte? Ist mir schleierhaft. Leute wie Du befürworteten über Jahre den Atomausstieg, der in Politik und Bürokratie besonders populär war. Heute stehen wir mit dem Wissen der Politik und Bürokratie an einem Punkt, wo in deutlicher Tendenz dieser Ausstieg ein großer Fehler war. Wir versuchen mit dreistelligen Milliardenbeträgen die Schäden zu kompensieren, die er bei den privaten Haushalten reißt. Es gibt viele solcher Beispiele, Stefan. Wenn private Unternehmen in die falsche Richtung marschieren, zahlt die Zeche allein der Eigentümer. Wenn der Staat und seine Beamten in die falsche Richtung marschieren, kostet das leicht die Zukunft eines Landes.
1) Mir ist unklar, wo da der Zusammenhang besteht?
2) „Das Kapital“ auch nicht.
3) Nein, überhaupt nicht.
Behaupte ich nicht. Ich behaupte, dass eine gewisse Mitwirkung und Lenkung notwednig ist.
1) Es ist nicht klar, weshalb die Umbenennung sein muss.
2) Alles im Kapital ist seit Jahrzehnten überholt. Hast Du überhaupt mal Hayek gelesen?
3) Und damit bist Du kein Liberaler. Jede liberale Ausrichtung der Wirtschaftstheorie weist dem Staat eine passive Rolle zum Marktgeschehen zu. Der Staat weiß nicht besser als die Bürger, was richtig und sinnvoll ist. Nicht-Liberale sehen das anders, egal ob sie links oder rechts sind.
1) Steht doch im Artikel. Weil sie einen kompletten Neuanfang machen wollten, konzeptionell.
2) Ne, aber Marx auch nicht 😉
3) Ich bin ein Liberaler. Du weist mir nicht meine Label zu.
1) Ich halte nichts von solchen „Neuanfängen“, weil es sie nicht wirklich gibt.
2) Zentraler Punkt in „Der Weg zur Knechtschaft“: In einer Planwirtschaft (Staatswirtschaft) sind die Menschen Bürokraten ausgeliefert. Wohlverhalten wird belohnt, wer sich nicht gut mit den Bürokraten stellt, hat gelitten. Ohne Witz: Ist auch meine jahrzehntelange Erfahrung in Deutschland. Beamten nicht mit ausgesuchter Höflichkeit zu begegnen, kann mit einiger Wahrscheinlichkeit sehr teuer werden.
Vor sehr vielen Jahren lag ich im Zwist mit meinem Finanzamt. Es gipfelte darin, dass ich eine Beschwerde gegen meine Sachbearbeiterin einreichte. Keine gute Idee: Danach nahm sie meine Steuererklärung nochmal auseinander, drückte mir Nachzahlungen auf, zwang mich in ein längeres Klageverfahren vor dem Finanzgericht. Nie wieder! Seid dem ich demütig gegenüber den Finanzbeamten bin, habe ich praktisch kaum Probleme, obwohl ich immer hohe Abzüge habe.
Ich habe noch einige solcher Erfahrungen, das ist kein Einzelfall.
3) Ich verstehe nicht, dass Du an dem Label selbst dann hängst, wenn die Umstände klar dagegen sprechen. Ich bestehe schließlich auch nicht darauf, in gesellschaftspolitischen Fragen Liberaler zu sein, wenn ich klar konservative Positionen vertrete. Du solltest Dich eigentlich ausreichend in solchen Zuordnungen auskennen um zu wissen, dass staatliche Lenkung nichts mit liberalem Gedankengut zu tun hat.
Ich auch – mit der Sozialbürokratie. Und da hilft Demut und Höflichkeit nix. Die antworten einfach nicht oder gehen nicht ans Telefon. Oder wenn, dann bearbeiten sie im November gerade die Anträge vom Juni und können nix machen.
2) Gegenfrage: Haben Sie mal Marx gelesen ? 😉
Komischer Frage an einen Absolventen der Wirtschaftswissenschaften. 😉 Natürlich habe ich auch Marx gelesen, genauso wie Hitlers „Mein Kampf“ – das schlimmste Buch ever!
Wow, bist du ein Masochist 😀 Mir haben Auszüge völlig gereicht 😀 Respekt.
d) Die FDP isoliert sich im Europaparlament.
Schön die Fakten unterschlagen. Der Artikel selbst führt aus, dass Macrons Bewegung den Kurs der Liberalen stark in Richtung Staatsgläubigkeit beeinflusst.
m) Noch was zu Kubicki.
Ja die Verbotsparteien. Nirgends auf der Welt bekommt demokratische Politik eine Mehrheit für massive Einschränkungen des Automobilverkehrs. Schon gar nicht in einem Transitland wie Deutschland. Von daher entlarvt der Tweet sich selber. Es geht den Grünen und ihren Blasen um massive Einschränkungen für die Bürger, an jedem demokratischen Abstimmungsprozess vorbei.
p) Fahradfahrende werden immer aggressiver.
Auf den Straßen geht es ruppiger zu als noch vor einigen Jahren – das hat eine Untersuchung der Versicherungswirtschaft ergeben. Radfahrer verhalten sich nicht besser als Autofahrer.
https://www.spiegel.de/auto/strassenverkehr-draengeln-hupen-ueberholen-aggressives-verhalten-nimmt-zu-a-6655a347-484a-40a3-912d-74c3b0b6dfe4
Wie agitatorisch Du doch häufig schreibst…
Radfahrer verhalten sich nicht besser als Autofahrer.
Das steht in der Ueberschrift. Im Text kommt aber fast nichts ueber Radfahrer vor. Lediglich, dass knapp die Haelfte der Radfahrer zugibt gelegentlich auf den Gehweg auszuweichen, 92 Prozent, dass aber bei anderen beobachten. Was ja ueberhaupt kein Widerspruch ist, aber als Argument herangezogen wird, dass Fremd- und Eigeneinschaetzung auch bei Radfahrern divergieren. Von aggressiven Radfahrern steht da nichts.
Vorsicht, du agitierst ganz schön heftig!
Basierend auf der Studie hatte ich vor einigen Wochen einen Artikel über das zunehmend rücksichtslose Verhalten von Radfahrern gelesen. Den wollte ich eigentlich, in der Kürze der Zeit nicht gefunden. Egal, Stefan hat nicht seriös eine Studie wiedergegeben, sondern sich das Genehme rausgepickt. Ich finde solche Art der Debattenführung eher nervig.
Basierend auf der Studie hatte ich vor einigen Wochen einen Artikel über das zunehmend rücksichtslose Verhalten von Radfahrern gelesen.
Ohne die Studie gelesen zu haben kann ich mir sehr gut vorstellen, dass Radfahrer genaus aggressiv sind wie Autofahrer. Nur ist natuerlich das Gefahrenpotential ein anderes. Road rage bei 140km/h auf der Autobahn ist etwas gefaehrlicher, als Radfahrer, die wuetend auf Autodaecher trommeln.
Aus der Erinnerung: Die Opfer von Radfahrern sind meist Fußgänger. 140 km/h auf der Autobahn ist meist ungefährlich. Ausnahme: Betonpfeiler oder LKWs sind im Spiel. Trotzdem verbieten wir beides nicht.
Radfahrer sind nicht selten mit 40-50 km/h unterwegs und dann im Innenstadtbereich, wo es Fußgänger nicht erwarten. Keine gute Kombination.
IHr Hessen seid wirklich sportlich, das sind Geschwindigkeiten von Athleten auf ebener hindernisfreier Strecke.
Aggressive Auto- und Radfahrer bilden eine Minderheit. Ich ärgere mich über beide. Ich hab mir angewöhnt, im Straßenverkehr sehr defensiv zu agieren. Als Radler fürchte ich mich am meisten von Leuten, die sich in unübersichtlichen Situationen nicht an das strikte Rechtsfahrgebot halten. Auf solche trifft man leider immer wieder.
Ich fahre als Radfahrer ständig auf dem Gehweg, weil auf der Straße viel zu gefährlich ist. Die meisten Autofahrenden halten keine 1,50m ein und überholen auch an Engstellen. Das macht mich zum Verstoßenden, aber für mich das kleinere Übel.
Ja, absolut. Es gibt auf unseren Straßen durch die Enge und die hohe Geschwindigkeit praktisch keine Fehlertoleranz. Die Verkehrsregeln wirken systemtisch für Autofahrer. Genau für sie wurden sie ja auch gemacht. Tempo 50 in Städten! Vollkommen gaga.
Und dabei weiß man aus Holland seit langem: Leute steigen aufs Rad, wenn sie sich sicher fühlen und ihre Ziele bequem erreichen können. Davon ist die deutsche Verkehrspolitik meilenweit entfernt. Und zwar nicht nur in der Umsetzung, sondern auch konzeptionell.
Volle Zustimmung.
d) Ändert ja nix an der isolation.
Macrons Bewegung wurde in die liberale Gruppe aufgenommen, um der Fraktion mehr Gewicht zu verleihen. Politisch ist sie ja eher ein seltsamer Mix zwischen Sozialdemokratie und einem Linksliberalismus. Um das einzuordnen: Liberale Parteien hatten in Frankreich immer noch ein noch schwereres Standing als in Deutschland.
Dein Kurzkommentar suggeriert (wieder einmal) etwas anderes als im Artikel steht.
Hier die reinen Fakten wie heterogen die EP-Liberalen sind (ohne Wertung) : Die liberale Renew Fraktion im EP ist ein Zusammenschluss der klassisch liberalen ALDE, der zentristischen EDP, und mehrerer unabhängiger zentristisch/liberaler Gruppen, darunter Macrons Renaissance. Letztere macht bringt 6 der 101 Renew Abgeordneten. Stärkste Einzelpartei sind die spanischen Ciudanos mit 7 Abgeordneten.
Fundstück zu 3)
https://www.wiwo.de/technologie/forschung/nuscale-gescheitert-tiefschlag-fuer-die-nuklearindustrie/29499704.html?utm_source=pocket-newtab-de-de
Es ging nicht um „Kerosin für die kommerzielle Luftfahrt“, sondern ausschließlich um die grenzenlose (Steuer-) Freiheit über den Wolken für private und geschäftliche Flieger im Inland wie Reinhard Mey, Friedrich Merz und Wolfgang Grupp.
Es war Stefan Pietsch, der hier gefordert hat, die Besteuerung vom Einkommen weg auf den Verbrauch zu verlagern. Wenn nicht hier, wo dann?
Für die internationale Besteuerung müssten Abkommen und Verträge geändert werden. Mir ist kein Vorstoß einer Bundesregierung bekannt – wie zur Verwässerung von Umweltstandards. Oder gab es die doch?
Sie sagen dauernd völlig Falsches als würden Sie Ihre Informationen aus Tweets beziehen. Die private Luftfahrt – Friedrich Merz und andere – müssen inländisch sehr wohl Steuer auf Kerosin bezahlen. Allein die kommerzielle Luftfahrt ist hiervon ausgenommen. Hierzu gab es übrigens vor einigen Jahren ein Verfahren vor dem EuGH. Müssen Sie nicht wissen, Sie müssen aber auch nicht grundsätzlich Falsches behaupten.
Supranationionale Regeln der Besteuerung, die über den Bereich bilateraler Regelungen hinausgehen, fallen in die Kompetenz von EU und UN.
Die ursprüngliche Debatte drehte sich um Verwaltungs-Spitzenpersonal und die Besetzung derartiger Posten durch Parteien. Sie haben diese Debatte – unter dem Stichwort „Korruption“ – gekidnappt für das Thema „Steuerbefreiung für Flugbenzin“. Und nicht den Hauch eines Beleges für „Korruption“ (= Vorteilsgewährung für Gegenleistung) geliefert.
So kann man Debatten auch in den Busch führen und Debattenbeteiligte nerven.
Gruss,
Thorsten Haupts
Zugegeben: Ich ging von einem sehr engen Korruptionsbegriff aus:
„Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil“ (Transparency International)
„Korruption (von lateinisch corruptio: ‚Verderbnis, Verdorbenheit, Bestechlichkeit‘) ist der Missbrauch einer Vertrauensstellung. Der Missbrauch beginnt, wenn im Rahmen einer öffentlichen, privaten, wirtschaftlichen oder politischen Verantwortung Vorteile erlangt werden oder erlangt werden sollen.“ (Wikipedia)
Deutschland steht bei TI auf Rang 9. Das ist nicht schlecht, aber die Kapitälchen in Stefan Sasses Statement waren mir doch zu optimistisch.
In einem Punkt lag ich aber tatsächlich daneben. Es gab 2019 eine Inititative für eine Debatte zur Besteuerung von Kerosin in der EU unter Beteiligung der Bundesregierung.
Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil
Wenn die Definition wirklich ernst gemeint ist (was ich befürchte), habe ich schlechte Nachrichten: Es gibt praktisch keinen (!) Menschen, der nach diesen Masstäben nicht korrupt ist. Um das am Beispiel zu verdeutlichen: Bereits die einmalige Nutzung eines Dienst-Mobiltelefons für ein privates Gespräch wäre Korruption.
Gruss,
Thorsten Haupts
Der Begriff wird eh viel zu großzügig verwendet. Bin da völlig bei dir.
„Blödsinn, andere Länder würden Kerosin für die kommerzielle Luftfahrt besteuern.“
Habe ich nicht behauptet.
Beim anderen Punkt lag ich allerdings falsch: Die Befreiung von der Mineralölsteuer für Privatflieger gilt auch im Inland nicht für gewerbliche Zwecke. Ich bedauere den Fehler und ziehe den Beitrag zurück.
Die Steuerfreiheit für Flugbenzin wurde von Strauß 1988 durchgeboxt. Fast alle anderen Länder haben die nicht.
Das war Ihre Behauptung. Und mit der Besteuerung (rückwirkend!) könnten die 60 Milliarden Euro bezahlt werden. Sagen Sie doch mal, wo man so einen Mist liest?
Die Fliegerei ist extrem klimaschädlich, eine Binsenwahrheit. Sie auch noch zu subventionieren, ist in der aktuellen Situation einfach nicht zu rechtfertigen.
https://www.transportenvironment.org/discover/steuerausnahmen-fur-den-luftverkehr-bundesregierung-hat-sich-2022-vier-milliarden-euro-entgehen-lassen/
Ob diese Rechnung realistisch ist, wäre zu prüfen.
In diesen Zahlen sind noch nicht die Subventionen für die Regionalflughäfen enthalten. Die meisten dieser Flughäfen schreiben schon seit Jahrzehnten rote Zahlen und sind abhängig von finanzieller Unterstützung in Form von direkten Geldflüssen oder Steuervergünstigungen.
https://www.steuerzahler.de/publikationen/detail/subventionsbremse-fuer-regionalflughaefen/
Der Sprit für die Privatfliegerei ist immer noch steuerfrei, obwohl es selbst aus der Union Bestrebungen gab, sie abzuschaffen. War Merz‘ berühmter Sylt-Trip nun privat oder politische Landschaftspflege?
Ich finde, dass Sie zunehmend populistisch schreiben und argumentieren. Das tun Sie auf Basis fragwürdiger Informationen. Ich habe ja gelernt, dass, wenn Sie keine Quelle nennen wollen, diese nicht gerade lauter ist. Aus diesen Nicht-Informationen generieren Sie politische Meinung, mit der schwierig seriös umzugehen ist.
Meiner Erinnerung nach waren Sie Berufsschullehrer für irgendwas mit Wirtschaft. Ich hoffe nicht, dass Sie nach dieser Methodik Schüler unterrichtet haben. Schließlich haben Sie als Lehrer eine große Verantwortung.
Die Fliegerei ist extrem klimaschädlich, eine Binsenwahrheit.
Das ist eine Formulierung, mit der Sie auf einer Klimademo Applaus bekommen. Naschen, Pizza, gesüßster Orangensaft, Haschisch, Fahrradfahren in der Fußgängerzone sind auch alle schädlich. Das ist nichtssagend.
Sie auch noch zu subventionieren, ist in der aktuellen Situation einfach nicht zu rechtfertigen.
Was ist an diesem kurzen Satz falsch? Einfach alles. Einen solchen Satz würde ich nicht einmal nachts um 3:20 Uhr über die Lippen bringen mit 3 Gläsern besten Rotwein intus.
Fangen wir mit der Satzstruktur an. Was soll „in der aktuellen Lage“ bedeuten? Ist die Subventionierung des aus Ihrer Sicht klimaschädlichen Flugverkehrs außerhalb von Haushaltslöchern zu rechtfertigen? Das passt aber nicht zu ihren sonstigen Einlassungen.
Eine Subvention ist im engeren Sinne die Begünstigung eines einzelnen Unternehmens gegenüber Wettbewerbern die Gewährung eines finanziellen Zuschusses. Im weiteren Sinne bedeutet Subventionierung die Begünstigung einer Gruppe von Unternehmen oder eines Bereichs gegenüber Wettbewerbern durch finanzielle Zuschüsse.
Keine Subvention ist es jedoch im ökonomischen Sinne, wenn Unternehmen oder Unternehmensgruppen gleich wie ihre Wettbewerber besteuert werden. Das ist beim Flugverkehr eindeutig der Fall. Die in Deutschland ansässige Lufthansa wie ausländische Airlines, die Deutschland als Destination anfliegen, stehen im Wettbewerb untereinander. Sie stehen aber nicht im Wettbewerber mit anderen Anbietern, sei es die Deutsche Bahn oder der Individualverkehr. Dazu muss man sich nur mal die angebotenen Strecken übereinanderlegen.
Es gibt einzelne Überschneidungen. Das ist aber noch längst kein „Wettbewerb“. Nur weil manchmal Bürger mit kommerziellen Vans zu einer privaten Veranstaltung fahren, konkurrieren die Hersteller von Sprintern nicht mit den Anbietern von Rolls Royce, Mercedes und BMW. So kann man die Strecke Bremen – München sowohl mit dem Flugzeug als auch mit der Bahn zurücklegen. Doch die Bahn ist hier nicht wegen des Preises für Kunden häufig das unattraktivere Verkehrsmittel, sondern wegen der Reisedauer.
Die Airports in München, Frankfurt und Berlin stehen im Wettbewerb mit den Flughäfen in London, Paris, Zürich und Luxemburg. Eine Besteuerung von Kerosin würde sie gravierend im Wettbewerb benachteiligen. Genau deswegen wird es nicht gemacht. Oder können Sie den Klimanutzen erklären, wenn ein Flieger auf der Interkontinentalstrecke von New York in Luxemburg statt in Frankfurt landet? Wahrscheinlich nicht.
Wo wir dabei sind: Finden Sie es aus Sicht der Bürger wirklich sinnvoll, dass sie sehr schnell durch politische Maßnahmen auf den Verkehrsträger Bahn gezwungen werden sollen, der heute so unzuverlässig ist wie seit Jahrzehnten nicht mehr? Und dass die Bürger einer kleinen Gruppe von Arbeitnehmern und ihren teils bizarren Forderungen ausgesetzt werden sollen und bis diese erfüllt sind, leider auf Mobilität verzichten müssen? Ich hätte dazu gerne eine Antwort von Ihnen.
War Merz‘ berühmter Sylt-Trip nun privat oder politische Landschaftspflege?
Tja, da denken wir mal scharf nach. Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist von einem gewerblichen (=kommerziellen) Interesse auszugehen, wenn eine Gewinnerzielungsabsicht unterstellt oder belegt werden kann. Abgeordnetendiäten zählen nach §22 EStG zu den Überschusseinkünften. Abzugsfähig sind danach generell Aufwendungen, die in Zusammenhang mit dem Erhalt und Erhöhung der steuerpflichtigen Einnahmen stehen. Da bei einer Hochzeit eindeutig das private Interesse überwiegt, wird Merz die Aufwendungen für das Kerosin kaum von der Steuer absetzen können. Die Kerosinsteuer muss er ohnehin zahlen – anders als die Lufthansa.
Als Abgeordneter ist er jeoch immer im Dienst, weshalb er für Ausgaben in Zusammenhang mit seinem Mandat eine Aufwandspauschale erhält. Aus dieser kann er natürlich die Kosten für den Trip bezahlen. Da ist er als Abgeordneter frei. Aber darum geht es hier ja kaum.
Fazit: Friedrich Merz wird für den Trip zur Hochzeit von Christian Lindner die Kerosinsteuer bezahlt haben. Es sei denn, er hat den Flug zur Beförderung weiterer Hochzeitsgäste genutzt, von Ihnen eine Ticketgebühr verlangt und tut dies regelmäßig und gewerblich. Dazu fehlen uns jedoch die Angaben, so etwas zu vermuten.
Wieso populistisch? Ich habe nicht die geringste Gemeinsamkeit oder auch nur einen Funken Sympathie für diese Richtung und Personen.
Privatfliegerei: Für die Bevorzugung von Privatfliegern gibt es keine sachliche Begründung. Selbst in der Partei des Erfinders gab es Bedenken. Kein Musterbeispiel für Korruption, gebe ich zu, aber die Grenze zwischen Lobbyismus und Korruption ist unscharf. Und Deutschland als Musterschüler in dem Bereich (Stefan Sasse) war der Startpunkt. Deshalb auch der Hinweis auf die Aserbeidschan-Affäre. Derzeit prügeln alle auf die Ampel-Parteien ein, da gerät manches aus dem Blick.
Airlines: Dass ein nationaler Alleingang hier unmöglich ist – klar. Braucht man mir nicht erklären. Dass auf EU-Ebene immerhin eine Mini-Initiative ergriffen wurde, zeigt, dass ich mit meiner Sichtweise nicht allein bin: „Kerosinsteuer: Die EU-Kommission (2021b) schlägt eine stufenweise Einführung einer Kerosinbesteuerung vor, die sich über einen Zeitraum von zehn Jahren bis zu einem Maximum von 0,45 Euro/kg Kerosin im Jahr 2033 erstrecken soll.“
https://www.wirtschaftsdienst.eu/inhalt/jahr/2023/heft/2/beitrag/neue-klimaschutzregeln-fuer-den-europaeischen-luftverkehr-chancen-und-risiken.html
Bund der Steuerzahler und Handelsblatt sind keine „dubiosen Quellen“. In einem Beitrag hatte ich mich auf Google-Bard verlassen und Dinge unzulässig vermischt. Ein Fehler, für den ich mich entschuldigt habe. So weit ist die KI noch nicht.
Flug/Bahn: Über den ökologischen Fußabdruck kann man nicht streiten. . Die Nachteile der Bahn gegenüber dem Flieger (Zeitaufwand, Unbequemlichkeit) sollten aber nicht noch durch ungerechtfertigt höhere Preise wegen steuerlicher Ungleichbehandlung verstärkt werden. „Auf den Verkehrsträger Bahn gezwungen“ wird niemand. Dass die Bahn so unzuverlässig ist, liegt in der Benachteiligung gegenüber anderen Verkehrsträgern in der Vergangenheit. Was aus Gründen nicht so schnell überwunden werden kann, die E. G. einmal hier ausführlich dargelegt hat.
Falls Sie auf den Streik anspielen: Die Lokführer-Gewerkschaft bzw. deren Chef handeln aus meiner Sicht absolut unverantwortlich. Streiks bei der Bahn (wie auch im Gesundheitswesen) treffen in erster Linie die Kunden bzw. Patienten und sind mit Streiks in Industrie und Handel nicht zu vergleichen. Eine Zwangsschlichtung wäre aus meiner Sicht das Mindeste.
P.S. Die Rückmeldungen meiner damaligen Schüler (ich bin ja schon lange nicht mehr aktiv) und auch gelegentlich noch heute sind so, dass Sie sich wirklich keine Sorgen machen müssen.
Populismus. Welche Richtung, welche Personen? Ach Sie meinen, nur böse Rechte seien Populisten? Nein, so ist es nicht. Populismus findet sich sowohl stark rechts, aber auch übermäßig links verteilt. Was ist es denn z.B., wenn Robert Habeck (Vizekanzler der Bundesrepublik; Anmerkung des Autors) den Oppositionsführer persönlich beschuldigt für die Streichung der Subventionen der Regierung verantwortlich zu sein? Populismus in seiner häßlichsten Form.
Populismus entsteht durch die agitatorische Kombination von Fakten und Tatsachen mit Vorurteilen und Legenden sowie punktuellen Verfälschungen mit dem Ziel, ein populäres Argument zu kreieren. Exakt dies haben Sie zuletzt häufig gemacht. So haben Sie hier den Fakt „Steuerfreiheit von Flugbenzin für kommerzielle Luftfahrt“ verfälscht, in dem Sie das kommerzielle weggelassen haben, verrührten es mit der Privatfliegerei eines im linken Lager verhassten Politikers und bräunten Ihr Argument fein knusprig. Im Nachlegen sparten Sie sich jede Unterscheidung in Verbrauchsteuer und Einkommensbesteuerung. Und Sie wollen sich damit verteidigen, nicht populistisch zu argumentieren?
Noch einmal: In Deutschland wie in der EU ist die kommerzielle Luftfahrt von der Verbrauchsbesteuerung des Kerosins ausgenommen. Für die private Fliegereien existieren nationale Regelungen der Besteuerung – weil dies in die Kompetenz der Mitgliedsländer und nicht der EU fällt. Sie wollen Europäer sein und argumentieren doch an jeder Stelle für nationale Alleingänge? Was konkret unterscheidet sich von einem Geeret Wilders, um ein Beispiel zu nennen?
Ich brauche und will keine Entschuldigung, wenn sich ein Forenteilnehmer falsche Quellen oder Daten greift. Das ist absolut menschlich und passiert jedem. Ich verliere darüber auch kein Wort mehr, wenn der Sachverhalt geklärt ist. Aber ich erwarte, wenn jemand zu einer befremdlichen und auf Anhieb nicht plausiblen Behauptung kommt (und Sie kamen gleich mit Korruption um die Ecke, heavy!), dass er nach einmaliger (!) Aufforderung seine Quelle offenlegen kann. Tut er das nicht, erschwert er damit unnötig die seriöse Auseinandersetzung. Und das ist nicht entschuldbar.
Airlines. Mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU ist das Konzept der EU-weiten Kerosin-Besteuerung einen Schritt weiter unsinnig geworden. Die meisten Mitgliedsländer lehnen eine solche Steuer ohnehin ab. Dazu liegen die Hubs London (größter Airport Europas) und Zürich in unmittelbarer Nähe zu Mitteleuropa und würden die größten Flughäfen der Gemeinschaft – Paris, Frankfurt und München – massiv schädigen. Passt zum Kapitel: Wie Linke den Wirtschaftsstandort in seiner Substanz beschädigen wollen.
Flug/Bahn. Doch, genau über die Schädigung kann man streiten. Entscheidend für die Klimaschädlichkeit pro Kopf ist nämlich nicht das Transportmittel allein, sondern die Auslastung. Ein hauptsächlich mit Kohlestrom betriebener ICE mit 10 Prozent Auslastung unterwegs schädigt das Klima stärker als ein Golffahrer mit 3 Begleitpersonen.
Wie gesagt, die Deutsche Bahn hat in den vergangenen 20 Jahren nicht weniger öffentliche Mittel als die Schweizer Bahn bekommen. Der unterscheidende Punkt ist, was man mit dem Geld anfängt. Während die SBB ein klares Konzept verfolgt, fehlt dies in Deutschland völlig. Doch kluge Konzepte lassen sich nicht einfach mit Geld kaufen und durchsetzen. Nach den Planungen der Bahn, die ja ziemlich optimistisch unterwegs ist, wird eine wesentliche Besserung bei Pünktlichkeit und Qualitätssteigerung nicht vor 2030 eintreten. Was machen wir in der Zwischenzeit? Machen Sie mal einen Vorschlag! Sollen wir dennoch für das menschliche Grundbedürfnis Mobilität unsere ohnehin rekordhohen Preise noch ein Stück anheben? Gehört zweifellos auch zu dem Kapitel „Schädigung des Standorts“ und Linke.
Ich spiele nicht auf etwas an. Die Bahngewerkschaften (don’t forget, April 2023!) halten regelmäßig die Bahnkunden in Atem und sorgen immer wieder für Stillstände im öffentlichen Schienennetz. Die Idee eines Streikverbots ist aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen. Und je mehr Macht Sie einer Gruppe geben, desto mehr wird sie diese Macht auch für die eigenen Interessen ausnutzen. Es ist absolut naiv, nein: verantwortungslos, dies zu ignorieren. Macht wird in einem demokratischen Rechtsstaat mit Geggenmacht beantwortet und austariert. Die Gegenmacht ist der Wettbewerb der Verkehrsträger.
Die Deutsche Bahn wird in Deutschland über die Maßen gefördert. Sie war der einzige kommerzielle Verkehrsträger, der während der Pandemie ohne Rücksicht auf Auslastung und Kundeninteressen (Abführung von Kunden aus Zügen) den Betrieb unverändert aufrechterhalten konnte. So blind kann man politisch nicht sein um hier nicht die massive Subventionierung der Bahn zu sehen. Und während die Verkehrsträger Flugzeug und LKW/PKW-Verkehr über ein Bündel von Steuern und Abgaben die Kosten ihrer Infrastruktur vollständig aus eigenen Mitteln betreiben müssen, entfällt dies für die Deutsche Bahn.
Ihr Unterricht muss sich wesentlich von Ihren Argumentationsmethoden unterschieden haben.