Altnazis nehmen sich zur Bekämpfung der Ungleichheit in Laberpodcasts Zeit zur Abiturvorbereitung – Vermischtes 02.05.2023

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.

Fundstücke

1) Die Kosten des Sich-Zeit-Nehmens

Was damit unsichtbar gemacht wird, ist die radikale und existenzielle Ungleichheit, mit der das Sich-Leisten-Können von Zeit in der Gesellschaft verteilt ist. Wenn sich die vermeintlich gemeinsame Lösung des vermeintlich gemeinsamen Problems immer weiter vertagt und verzögert und verwässert und in die Länge zieht, dann zahlen mitnichten dafür alle den gleichen Preis. Für mich reichen 50-Jährigen heißt Abwarten, Aushandeln, Vorsichtig-und-Moderat-Bleiben radikal und existenziell geringere Kosten als für eine prekäre 20-Jährige. Die Kosten des Sich-Zeit-Nehmens sind radikal und existenziell ungleich verteilt, und diese Ungleichheit lässt sich weder ohne Weiteres demokratisch prozessieren noch progressiv und wachstumsfroh der Zukunft überantworten noch ausgrenzen und an bzw. über den Rand der Gesellschaft schieben. Sie ist da, und je größer die Anstrengungen, sie unsichtbar zu machen, desto lauter wird sie sich Gehör verschaffen. (Maximilian Steinbeis, Verfassungsblog)

Ich halte das Thema Opportunitätskosten in der Klimadebatte ohnehin für unterrepräsentiert. Es ist natürlich anders als die realen Kosten immer mit einer gewissen Unsicherheit behaftet; schließlich weiß niemand genau, welche Kosten anfallen werden. Aber die Folgekosten bisheriger Klimaschäden lassen zumindest die sehr generelle Aussage zu, dass Nichthandeln teurer ist als Handeln. Aber wie immer zeigen sich hier die kommunikativen Grundprobleme beim Klimaschutz: es geht um lange Zeiträume und um spätere Generationen. Und genauso wie das Argument langfristiger Folgekosten und dem Schicksal der nachfolgenden Generation noch niemand von der Aufnahme neuer Staatsschulden abgehalten hat, so wenig scheint es mir Leute davon abzuhalten, doch noch mal Ausnahmeregelungen für Verbrenner, für Gasheizungen oder was auch immer die Veränderung du jour ist zuzulassen.

2) Niemand braucht die teuren Laber-Podcasts der Ministerien

Es klingt wie ein schlechter Witz: 223.751 Euro hat das Bundesarbeitsministerium für elf Folgen eines eigenen Podcasts mit dem einschläfernden Titel „Das Arbeitsgespräch“ bezahlt. Die letzte Folge hatte laut „Spiegel“ gerade einmal 1.326 Hörer*innen. Einer davon war ich. Rund 300.000 Euro gab das Justizministerium für fünfzehn Folgen des Podcasts „Recht so?!“ aus – mit im Durchschnitt 4.000 Abrufen pro Folge, wie „Spiegel“-Journalist Anton Rainer bei einer Umfrage unter den Bundesministerien ermittelt hat. […] Eine Produktionsfirma war beim Podcast laut Arbeitsministerium zuständig für „Umsetzung und Produktion der Podcastreihe, Aufnahme vor Ort inkl. Remote-Einbindung, Postproduktion, Erstellung Audiosnippets, Transkription inkl. Sound- und Technikcheck“. Ganz schön hochtrabend für einen Gesprächspodcast. Andere (Hobby-)Podcaster*innen würden das einfach „podcasten“ nennen. Sie schaffen das zu deutlich geringeren Kosten. […] „Wir können jedoch bestätigen, dass von den 223.751 Euro 65.000 auf Werbung entfallen sind“. Klar, so ein Podcast soll ja seine Hörer*innen finden. Hat in diesem Fall nur nicht funktioniert. Auch nicht mit viel Werbegeld. Stattdessen wurden hundertausende Euro für gerade ein paar Tausend Hörer*innen ausgegeben. Zwei Dienstleister für einen relativ einfachen Gesprächspodcast engagiert. (Sandro Schröder, Übermedien)

Selbstverständlich könnten diese Podcasts vermutlich auch von irgendwelchen Praktikant*innen im Ministerium erstellt werden. Man gebe mir ein Budget von 5000 Euro, und ich bin ziemlich sicher, die qualitativ nötige Ausrüstung beschaffen zu können. Aber das ist ja nicht das Thema. Ich verstehe durchaus, dass die Ministerien diese teuren Agenturen beschäftigen, und dass sie nicht nur eine, sondern gleich zwei holen. Es ist die gleiche Dynamik, die Unternehmen dazu bringt, teure Unternehmensberatungen zu engagieren, um zu dem gleichen Schluss zu kommen, den das Managment eh schon längst gefasst hatte: es ist ein Sichern des eigenen Hinterns.

Denn wenn irgendwelche Kritik aufkommt, kann man auf Externe verweisen. Klappt irgendwas an diesen Podcasts nicht, hat man alles menschenmögliche getan, um sie so professionell wie möglich aufzuziehen (genauso wie das genannte Managment sich gegenüber änderungsaversen Mitarbeitenden mit Verweis auf McKinsey herausreden kann). So könnte der Laberpodcast von Hubertus Heil sicher auch inhouse erstellt werden. Nur wäre dann gegebenenfalls ein übler Shitstorm programmiert. Dem kann man so aus dem Weg gehen.

Dass diese Podcasts komplett für den Popo sind, ist allerdings die andere Seite der Medaille. Wer zur Hölle soll denn die Zielgruppe dafür sein? Eigentlich nur Journalist*innen, denn die werden dafür bezahlt, die Soße anzuhören. Ich empfinde ja schon unter normalen Umständen Interviews mit Politiker*innen als reine Zeitverschwendung; das dann auch noch im safe space Corporate Podcast ertragen zu müssen, kann man ja niemandem vermitteln. Hört lieber die Bohrleute.

3) Alte Abi-Prüfungen gegen Geld

Die zur Prüfungsvorbereitung wertvollen Aufgaben wurden schließlich mit Steuergeldern erstellt, lautet ein Argument. Dabei geht es den Kritikern vor allem um Bildungsgerechtigkeit. „Wer es sich nicht leisten kann, alte Prüfungen von einem privaten Anbieter zu kaufen, zieht bei der Vorbereitung den Kürzeren“, schreibt Max Kronmüller von „Frag den Staat“. Die anklagende Überschrift des Beitrags lautet: „Staat verscherbelt Prüfungen, Verlag verdient Millionen.“ […] Diese Rechte würden in Abi-Klausuren in Form von Texten oder Fotos häufig tangiert, heißt es aus dem Ministerium. Ein weiterer Grund, den die Landesregierung gegen eine Gratis-Online-Veröffentlichung anführt. (Wolfgang Türk, Hessenschau)

Erst einmal kurz zur Sache: alle Sorge um soziale Ungleichheit in Ehren, aber ein Stark-Heft ist dann doch bezahlbar. Es gibt drei bis vier schriftliche Abifächer. Und man kann die Dinger sogar untereinander teilen. Das sehe ich jetzt echt nicht als das Mörderhindernis. Viel problematischer sind die Musterlösungen in den Stark-Heften, die völlig wirklichkeitsfern sind und weswegen ich die Dinger nur sehr eingeschränkt empfehlen kann; ich stelle meinen Schüler*innen eigenes Material zur Verfügung. Aber dass für die Prüfungsvorbereitung weitere Bände praktisch sind – big whoop. Und die etwas älteren, die meist immer noch problemlos nutzbar sind, finden sich in Bibliotheken.

Es ist und bleibt aber ein Problem, dass die Urheberrechtsgesetzgebung ständig das Bildungssystem zerhagelt. Wir Lehrkräfte begehen schon aus reiner Unkenntnis der Gesetzeslage ständig Gesetzesbrüche; wer da sichergehen will, verbietet sich so viele Dinge selbst, dass der Unterricht massiv darunter leidet. Ich bin schon lange dafür, dass das Bildungssystem eine eigene Urheberrechtsregelung bekommt, ungefähr analog zur Bibliothekenregelung von Verlagen. Die Länder bezahlen den Urhebern einen fixen Betrag, und dafür sind alle Ansprüche abgegolten, sofern der Kram im Bildungssystem verbleibt. Das ist ja nicht gewerblich. Die Flurschäden hier sind viel größer als im Anschaffungspreis der Stark-Hefte.

4) Dieses Buch hat mir gezeigt, dass mehr Bildung kaum ein Problem löst

Beim Lesen habe ich das erste Mal wirklich realisiert, wie radikal sich das Bildungssystem in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat. Nicht die Art und Weise, wie oder was unterrichtet wird, sondern das Ausmaß der sogenannten Bildungsexpansion. […] Die Bildungsexpansion zusammengefasst: Immer mehr Menschen verbringen immer mehr Zeit im Bildungssystem, erreichen dort immer bessere Abschlüsse, wodurch sich das durchschnittliche Bildungsniveau in der Bevölkerung erhöht. Win-win-win, oder? Nicht nur. […] „Wir werden alle schlauer, aber niemand bekommt es mit.“ Das ist nur eine von drei paradoxen Folgen der Bildungsexpansion. Die anderen beiden fasst er so zusammen: Soziale Benachteiligung kann zunehmen, weil die Bildungschancen steigen, und Bildungsabschlüsse verlieren an Wert, weil sie immer wichtiger werden. […] Das Bildungssystem ist nur ein Teil der Gesellschaft. Ein wichtiger Teil, ja. Bildung kann viel verändern, bei jedem persönlich, in der Gemeinschaft. Es geht im Buch auch nicht darum, Bildung jegliche Wirkung abzusprechen. Sondern zu verstehen: Mehr Bildung allein löst die Probleme nicht, wenn sie gesellschaftlich gewachsen sind. Die Forderung nach mehr Bildung, um die großen Probleme zu lösen, lenkt sogar ab und verhindert notwendige gesellschaftliche Veränderungen. (Brent Freiwald, Krautreporter)

Der Text ist deutlich länger als der Ausschnitt hier und in seiner Gänze lesenswert, schon alleine um die Argumente zu verstehen. Aber seit mindestens 20 Jahren ist „mehr Bildung“ eine solch ubiquitäre Forderung, wann immer es um die Beseitigung von Ungleichheit geht, dass diese kalte Dusche mehr als angebracht ist. Klar ist mehr Bildung super, aber sie ist eben nur sehr eingeschränkt geeignet, das grundsätzliche Problem zu lösen. Zur Lösung der Ungleichheit braucht es viel mehr als nur einen solchen Ansatz; wie immer sollte man gegenüber monokausalen Lösungs- und Erklärungsversuchen sehr skeptisch sein. Im Übrigen hatte ich mal einen Diskussionsartikel zum Thema „Lösung der Ungleichheit geschrieben gehabt – falls sich jemand daran erinnert.

5) Es führt kein Weg zurück zur Monarchie

Ein wahrhaft national denkender Deutscher kann heute nicht mehr Monarchist sein. Daneben aber erblicken bekanntlich die Kämpen auf der Rechten, deren Vortrupp kürzlich den Staat gefährdete, ihre Hauptaufgabe in der nationalistischen Agitation. Auch da ist es schwer zu verstehen, dass sie überhaupt noch gehört werden. Wenn Deutsche in diesen Jahren des Leidens einen tiefen und unauslöschlichen Abscheu gefasst haben, so ist es doch der gegen die nationalistisch-imperialistische Geistesverfassung, in deren Diensten wehrloser Völke vergewaltigt, blühende Volksteile ihres nationalen Eigenlebens und ihrer primitivsten Menschenrechte beraubt werden, in deren Dienste die Reitpeitsche knallt und sich Gewehre auf Unschuldige richten, der Abscheu gegen die Geistesverfassung, die letzten Endes neben der Vernichtung des fremden zur Isolierung und schließlich zum Sturz des eigenen, herrschsüchtigen Volkes führt. Die ungeheuerliche Grausamkeit und Verworfenheit dieser Geistesverfassung hat sich unauslöschlich eingeprägt. Wenn wir aber in dem gewaltigen Kampfe um unser Lebensrecht nach außen irgend einen Eindruck, wenn wir im Inneren die notwendige moralische Geschlossenheit und Stärke der Abwehr besitzen wollen, so müssen wir konsequent sein: So müssen wir auch im eigenen Land die Geistesverwandten derer energisch abweisen, die uns von außen her demütigen. Die platte Gegenüberstellung von Macht- und Rechtspolitik ist überhaupt falsch. (FAZ)

Dieser FAZ-Artikel vom 11. April 1923 hat mich total fasziniert. Auf der einen Seite ist er unglaublich hellsichtig, wenn er sich gegen die nostalgisch verklärten reaktionären Tendenzen seiner Zeit wendet und darauf hinweist, dass an Vernunftrepublikanismus kein Weg vorbeiführt. Auf der anderen Seite ist er geradezu rührend naiv darin, dass die ausargumentierte Logik – die Veränderungen des globalen Mächtesystems erzwingen eine andere Rolle Deutschlands – in irgendeiner Art und Weise selbstevident sei und deswegen zum Durchbruch kommen müssten. Das galt für Gustav Stresemann; es galt emphatisch nicht für Hugenberg, Hindenburg, von Papen et al. Die Nazis waren ohnehin von etwas ganz anderem überzeugt: sie teilten die Analyse völlig, kamen nur zu einer radikal anderen Schlussfolgerung. Heute ist das ähnlich: der Liberalismus ist und bleibt das bestmögliche System, aber das hält Extremist*innen überhaupt nicht davon ab, die Schlussfolgerung zu ziehen, dass es einen riesigen Kraftakt zu einer gewaltsamen Umstürzung des Status Quo bedürfe, um – dieses Mal aber wirklich! – eine tragfähige Alternative gegen alle Widerstände zu etablieren.

Resterampe

a) Patrick Bahners nimmt in der FAZ Buschmanns bescheuerten Nazivergleich zur Letzten Generation auch historisch auseinander. Nichts hinzuzufügen.

b) Die CDU will das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung koppeln. Grundsätzlich nicht die dümmste Idee, die ich in dem Kontext je gehört habe; der Rest der Maßnahmen aber ist letztlich same old, same old.

c) Die amerikanische Wirtschaft läuft gut, aber so gut auch wieder nicht.

d) Noch eine strahlende Rezension von „Die Moskau-Connection“.

e) Guter Vergleich zum Thema Überstunden.

f) Gute Kritik an dem ständigen Vorwurf des „im Dienst des Kreml stehen“.

g) Fundstück speziell für Thorsten: in einer Folge „Quoted“ geht es um die Aufarbeitung der Kolonialvergangenheit und vor allem die Frage, warum man das überhaupt tun sollte (oder nicht).

h) Die Geschichte der rechtsradikalen ersten Asterix-Übersetzung kannte ich auch noch nicht.

i) Gegen französische Demos ist die Letzte Generation echt ein Witz.

j) Nachtrag zur Debatte um Fehlerkultur.

k) Ok, ich habe den Preisträger für den bisher dümmsten Beitrag zur Letzten Generation.

l) Meine Güte ist Richard David Precht ein Idiot.

m) Das Benehmen der Grünen anlässlich der Wegener-Wahl ist nicht eben lobenswert.

{ 28 comments… add one }
  • Tim 2. Mai 2023, 08:31

    Im Übrigen hatte ich mal einen Diskussionsartikel zum Thema „Lösung der Ungleichheit geschrieben gehabt – falls sich jemand daran erinnert.

    Klasse, danke für den Hinweis – kannte ich noch gar nicht. Eine Reihe Deiner Vorschläge dort würde ich sofort unterschreiben.

  • sol1 2. Mai 2023, 10:22

    1) und a)

    Dazu Ronen Steinke:

    /// Wenn es um Attacken auf Individuen geht, hat jeder Mensch das Recht zur Notwehr. Aber wenn es um die großen, politischen Fragen geht, dann müssen Menschen sich zusammentun und sie gemeinsam besprechen und regeln, anstatt dass jeder sie allein in die Hand nimmt und sich mit Zwang gegenüber anderen durchsetzt. Und wenn jemand zu „zivilem Ungehorsam“ greift, dann ist das unter Umständen aller Ehren wert. Aber dann gehört auch dazu, dass man seine Strafe annimmt.

    So ist die Lage in diesem April 2023, während in Berlin die „Aktionstage“ beginnen. Allerdings muss es dabei nicht unbedingt bleiben. Die Dinge sind in Bewegung. Die klimapolitische Situation spitzt sich zu. (…) Das Jahr 2030 ist nicht mehr weit. Das ist das Jahr, bis zu dem Deutschland nach dem Pariser Abkommen zwingend Fortschritte vorweisen muss.
    Wenn die Bürger keine Hoffnung mehr haben können, dass der Staat ein Unrecht stoppt, dann hat das rechtliche Folgen. Bei einer „Aussichtslosigkeit behördlichen Einschreitens“ kann ausnahmsweise doch einmal ein rechtfertigender Notstand nach Paragraf 34 denkbar sein, so hat es zum Beispiel das Oberlandesgericht Naumburg vor einer Weile festgestellt. Mit dieser Begründung hat es Tierschützer freigesprochen, die mit „zivilem Ungehorsam“ auf illegale Zustände in der Massentierhaltung hingewiesen hatten, die den Behörden seit Jahren egal waren. Und das heißt: Je länger die Klima-Aktivisten mit ihrer Verzweiflung tatsächlich recht behalten, desto eher erwächst für ihren „zivilen Ungehorsam“ irgendwann doch eine auch rechtliche Legitimation.

    Hoffen wir, dass es so weit nicht kommt. ///

    https://www.sueddeutsche.de/kultur/klimaproteste-berlin-ziviler-ungehorsam-rechtsbruch-1.5808992

    • Stefan Sasse 2. Mai 2023, 11:41

      Ich sehe das auch so. Was die LG macht, ist strafbewehrt. Die Leute werden verknackt. Ende Gelände. Da braucht es keine neuen Gesetze, keine Riesendiskussion als ob da die RAF ins Haus stünde.

  • sol1 2. Mai 2023, 13:00

    f) Dazu die Einschätzung von Christian Stöcker:

    /// Mein Eindruck ist, dass die deutsche Öffentlichkeit immer noch kein ausreichendes Bewusstsein für Art und Ausmaß russischer Propagandaanstrengungen gerade hierzulande entwickelt hat, besonders für die Verstrickungen Deutscher in diese Anstrengungen.

    Eine gewisse Selbstüberschätzung des Kreml, ähnlich der auf den Schlachtfeldern der Ukraine, zeigt sich auch in diesem Fall: Die von ihrem Ex-Mann im Gespräch mit der »Washington Post« zu Protokoll gegebene Hoffnung, dass Sahra Wagenknecht in Deutschland ernsthaft Chancen auf das Amt der Bundeskanzlerin hätte, erscheint doch arg realitätsfern.

    Das ändert aber nichts daran, dass die fortgesetzten Propagandakampagnen Russlands, die immer auf gesellschaftliche Spaltung hinwirken sollen, Wirkung zeigen: Gerade im Zuge der Coronapandemie war zu beobachten, wie bis dahin unauffällige Mitglieder der Gesellschaft in einen Sumpf aus Desinformation und Selbstvergewisserung abrutschten. Und eine vom Forschungsinstitut Cemas in Auftrag gegebene repräsentative Befragung zeigt, dass prorussische Verschwörungs- und Propagandaerzählungen hierzulande tatsächlich Zulauf haben.

    Im Netz finden die Desinformierten dann Kanäle, die sie im Schichtbetrieb mit neuem Agitationsmaterial versorgen. Sonst feiern solche Kanäle eher die AfD. Aktuell findet man dort auch Zitate chinesischer Propaganda-Accounts: Wenn die sich kritisch über Außenministerin Annalena Baerbock äußern, sind auch die Propagandisten der Kommunistischen Partei Chinas willkommene Stichwortgeber. ///

    https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/propaganda-moskaus-uebergeigte-querfrontplaene-kolumne-a-04cfc123-700f-4db4-a24c-2e3b8de8aebb

    • Stefan Sasse 2. Mai 2023, 15:56

      Man weiß natürlich auch nicht, wie ernstgemeint solche Aussagen sind. Die klassische Sowjetstrategie bei sowas war immer, die eigenen Anhänger zu Bekenntnissen zu Unfugsaussagen zu zwingen, um Freund von Feind unterscheiden zu können.

      • sol1 3. Mai 2023, 00:18

        Das waren ja interne Kreml-Dokumente, die von der Washington Post ausgewertet wurden:

        https://www.washingtonpost.com/world/2023/04/21/germany-russia-interference-afd-wagenknecht/

        Aber man hat ja schon zu Beginn des Krieges gemerkt, daß ihm auf russischer Seite völlig irreale Annahmen über die Einstellung der Ukrainer zugrunde lagen. Da verwundert es nicht, daß das Gruppendenken im Kreml hinsichtlich Deutschland auf ähnliche Abwege gerät und sogar ein Hochstapler wie Ralph T. Niemeyer von Sergei Lawrow empfangen wird.

        • Stefan Sasse 3. Mai 2023, 08:20

          Danke für den Hintergrund!

        • cimourdain 3. Mai 2023, 09:15

          Nun, das waren Dokumente, die der WaPo laut Artikel von „einem europäischen Geheimdienst“ zugespielt wurden. Woher diese kommen und wie echt sie sind, müsste genauso kritisch geprüft werden wie bei den Pentagon-Leaks.

          • sol1 3. Mai 2023, 10:52

            „… müsste genauso kritisch geprüft werden…“

            Dafür ist ja Catherine Belton, Autorin des Mammut-Werks „Putins Netz“, die richtige Person.

            Und die AfD-Connections nach Rußland sind ja ebenso gut belegt wie die von Ralph T. Niemeyer.

  • cimourdain 2. Mai 2023, 14:43

    2) Es ist eigentlich nur ein winziger Teilaspekt des größeren Gesamtproblems „fremdes Geld“: Die Regierungen (egal welche Farbe) geben signifikante Beträge aus Mitteln der Ministerienhaushalte dafür aus, für sich und ihre Parteipolitik Werbung zu machen (2021: 320 Mio €, 2022: 240 Mio €). Natürlich sind es jeweils für sich genommen „Kleinbeträge“: Ein paar Hunderttausend hier für einen Podcast verschussert, dort für PR-Interviews oder für Make-up. Aber unter dem Strich ist es ein institutionalisiertes Selbstbedienen, das eigentlich schwerer wiegen sollte als irgendwelche Bonusmeilen-Geschichten.

    3) „Viel problematischer sind die Musterlösungen in den Stark-Heften, die völlig wirklichkeitsfern sind […]“ Ich hatte bisher gedacht, dass diese Musterlösungen mit den Ministeriumsvorgaben übereinstimmen. Jetzt würde es mich interessieren, was die Lehrer als Korrekturmaßstab zu den (Zentral-)Abituraufgaben bekommen.

    5) kleine Korrektur: Der Originalartikel von 1923 erschien nicht in der FAZ (die entstand erst nach dem 2. Weltkrieg) sondern in der „Frankfurter Zeitung“, einer der wenigen Zeitungen, die es noch ziemlich lange nach 1933 geschafft haben, der Gleichschaltung zu widerstehen. (was den Artikel noch bemerkenswerter macht)

    h) Dazu ein paar unsortierte Überlegungen:
    i) So unangenehm es klingt: Kauka war gar kein solcher Rechtsausleger, sondern befand sich mit seinen Ansichten (nationalkonservativ, antikommunistisch, antisemitische Vorurteile) noch klar innerhalb des Overton-Fensters der 60er-Jahre-BRD.
    ii) Dafür hat er als Unternehmer ziemlich ‚europäisch‘ gedacht und nicht nur als erster frankobelgische Comics in großem Stil eingekauft, sondern auch Fachkräfte aus Osteuropa angeworben (Walter Neugebauers Team).
    iii) Dass bei Comics kulturelle Anpassung vor Werktreue gehen, ist ziemlich normal und akzeptiert. Erika Fuchs hat dafür (berechtigte) Auszeichnungen bekommen.
    iv) Das Problem ist in diesem Fall vielmehr, dass jemand eine eigene gesellschaftliche Agenda auf Kosten des Werks hineinbringt (Nachklapp zur Causa Roald Dahl). Da ist es ganz praktisch, dass wir hier einen Fall haben, wo diese Agenda so unappetitlich ist, dass wir einen Konsens haben, dass es diese Änderung nicht braucht.

    l) Wie sehr sich Grünen-Bashing und Grünen-Verteidigung in ihrer Unreflektiertheit gleichen, habe ich hier schon mal angesprochen. Hier ein Beispiel, wie man(oder in diesem Fall frau) eine Schicht tiefer gehen kann:
    https://www.telepolis.de/features/Sexismus-Debatte-Annalena-Baerbock-als-ideelle-Gesamt-Frau-8979011.html

    m) leicht off-topic und auch in gewisser Weise Grünen-Bashing, aber ich finde das Verhalten der Hamburger Grünen hier:
    https://www.sueddeutsche.de/politik/hamburg-buergerschaft-miriam-block-gruene-nsu-mord-1.5820059
    noch viel weniger „lobenswert“.

    • Stefan Sasse 2. Mai 2023, 15:59

      2) Wieso Selbstbedienen? Die kriegen die Kohle doch nicht? Das ist doch eher Verschwendung?

      3) Die Korrekturmaßstäbe, die bei den Klausuren dabei sind, sind in meinen Augen okay. Stark geht immer völlig overboard, mit absurden Querverweisen auf den Literaturkanon.

      5) Hab das irgendwie als dasselbe gelesen. Danke!

      h) i) Richtig.
      ii) Schließt sich ja nicht aus!
      iii) Ebenfalls richtig, hab ich noch nie anders gesehen.
      iv) Ebenfalls korrekt.

      l) lol

      m) Da hab ich erst heute den Verdacht gelesen, dass Scholz die dazu zwingt, um eine Peinlichkeit für ihn zu verhindern, weil er dann aussagen müsste (weil er als Innensenator verantwortlich war). Neben CumEx eine weitere Leiche im Keller des Kanzlers, aber das war natürlich alles viel weniger wichtig als Baerbocks Lebenslauf.

      • cimourdain 3. Mai 2023, 08:55

        2) Sie nutzen die Kohle zu ihrem Vorteil. Deine Arbeitgeberin wäre auch nicht amused, wenn du Schulmittel dafür verwendest, ein vergoldetes Stefan-Sasse-Porträt in jedes Klassenzimmer zu hängen.

        l) war nicht lustig gemeint. Der Artikel bringt einige kluge Punkte.

        m) Möglich, das wäre dann aber ein echt langer Arm.

        • Thorsten Haupts 3. Mai 2023, 11:54

          Letzter Satz des seltsam raunenden (kein Vorwurf, das ist das, was in grossen Teilen des deutschen Bildungsbürgertums für „klug“ gilt) telepolis-Artikels:
          Männer dürfen aber grundsätzlich genauso verärgert sein, wenn politische Spitzenkräfte einen Großteil ihrer Wahlversprechen brechen und dann auch noch Großmachtambitionen nach außen tragen.

          Grossmachtambitionen, so, so. Woran erkennt man die und wie trägt man die nach aussen? Und vor allem – wo hat das unsere Aussenministerin getan, die auch ich für eine Fehlbesetzung halte, nur nicht wegen frei erfundener Unterstellungen?

          Gruss,
          Thorsten Haupts

          • cimourdain 3. Mai 2023, 14:09

            Wie wäre es mit Sätzen wie „Wir müssen uns im Indopazifik stärker engagieren“ (Kontext: militärisch) . Oder Kanonenbooten, die in ebendiese Region geschickt werden (Gut, dafür ist die SPD-Kollegin verantwortlich gewesen). Was soll noch geschehen? Eine Hunnenrede ?

            Und generell würden Sie wohl auch etwas dünnhäutig reagieren, wenn ein Politiker aus – sagen wir Kolumbien – kommt und uns in forderndem Ton auf die Mängel unserer Wohnungspolitik, des Rechtsstaats und der Integration ethnischer Minderheiten hinweist. Deshalb meine ich, dass A.B. handwerklich schlechte Außenpolitik macht, ein Eindruck, den anscheinend auch sowohl Precht als auch Wangerin haben.

            • Thorsten Haupts 3. Mai 2023, 14:25

              „Wir müssen uns im Indopazifik stärker engagieren“ (Kontext: militärisch)

              Da haben wir erkennbar wohl nicht die gleiche Anforderung an „Grossmachtambitionen“. Der zitierte Satz gehört nämlich nicht dazu. Deshalb meine ich, dass A.B. handwerklich schlechte Außenpolitik macht Kein Problem, nur ist die Begründung „wegen Grossmachtambitionen“ für mich halt Schafscheisse 🙂 .

              Oder Kanonenbooten, die in ebendiese Region geschickt werden …
              Wie haben Kriegsschiffe entsandt, die unbotmässige Kleinstaaten durch z.B. Beschuss von deren Küstenstädten zu Wohlverhalten in unserem Sinne bringen sollten? Staun.

              Das ist die – auch Ihnen bekannte – Definition von „Kanonenbootpolitik“, auf die Sie mit dem Wort „Kanonenboot“ ja wohl abzielten (die Kriegsschiff-Bezeichnung wie -Kategorie existieren heute nicht mehr).

              Gruss,
              Thorsten Haupts

            • Stefan Sasse 3. Mai 2023, 17:35

              Ich halte den Satz für richtig. Ebenso wie die „Kanonenboote“.

              Pfff, wenn er Recht hat? Mir doch egal, woher die Kritik kommt.

        • Stefan Sasse 3. Mai 2023, 12:12

          2) Nein, das ist so einfach nicht. Wenn mein Arbeitgeber eine Marketingkampagne startet, in der er das eigene Wirken anpreist, dann ist das – Marketing. Und damit eine Aufgabe des Unternehmens. Es ist AUFGABE VON POLITIK, das politische Handeln zu kommunizieren, und da gehören natürlich auch Podcasts dazu.

          • cimourdain 3. Mai 2023, 14:18

            Nur bin ich in diesem Fall der Arbeitgeber – also stellvertretend als Teil der Bevölkerung. Ich bin also Ziel der PR-Aktionen, aber darf sie auch selber bezahlen.
            Und dazu kommt, dass es zwei verschiedene Hüte gibt, die Regierungsmitglieder in meinen Augen strikt trennen müssen: Den Parteihut, mit dem Werbung für sich selbst und die Partei gemacht werden. Das ist Sache der Partei. Andererseits den Ministerhut, unter dem die bestmögliche Mittelverwendung für das Ressort fällt. In diesem Haushalt hat Eigenwerbung nichts verloren.

  • Stefan Pietsch 2. Mai 2023, 17:55

    1) Die Kosten des Sich-Zeit-Nehmens

    Das ist nur eine deutlich andere Definition von Opportunitätskosten. Ökonomen beschreiben damit eigentlich die Kosten, die alternative Handlungen erzeugen. Beim Klimawandel ist das die Frage, was kosten die Maßnahmen, um den Anstieg auf ein politisch bestimmtes Maß zu begrenzen im Vergleich zu den Maßnahmen, die notwendig sind, um sich vor den Folgen des Klimawandels zu schützen.

    Opportunitätskosten ist ein wertneutraler Begriff und Vergleich. Hier wird er politisch instrumentalisiert.

    Resterampe

    Befremdlich, wie sich an der Kommentierung zur Letzten Generation abgearbeitet wird. Bei der Gruppe handelt es sich offensichtlich um eine Organisation mit dem Ziel der Begehung von Straftaten. Hierzu wird die Finanzierung sichergestellt und Mitarbeiter angeheuert. Hat irgendwas von Organisierter Kriminalität.

    l) Meine Güte ist Richard David Precht ein Idiot.

    Würde darum so ein Aufhebens gemacht, ginge es um einen männlichen Politiker? Nein. Selbst als die taz den Bundesverkehrsminister mit Goebbels (etwas anderes als Klassensprecher) gleichsetzte, war das maßvolle Verdikt: unpassend. Aber geht es um eine Grüne, sieht die Sache anders aus. Oder die heute show gesehen? Die Satiresendung arbeitete sich ja wieder lustvoll an der FDP ab. Die Liberalen müssen sich regelmäßig sagen lassen, politische Geisterfahrer zu sein.

    • Stefan Sasse 2. Mai 2023, 18:49

      1) Nein, er wird einfach nur als Kategorie gebraucht. Es sind Opportunitätskosten. Punkt. Ich instrumentalisiere ja auch nicht die Bilanzregeln, wenn ich feststelle, dass Staatsschulden über dem Limit der Schuldenbremse gemacht werden.

      Ja, echt befremdlich.

      l) Ich schau generell die Heute Show nicht, ich hab Niveau.

    • sol1 3. Mai 2023, 00:07

      „Bei der Gruppe handelt es sich offensichtlich um eine Organisation mit dem Ziel der Begehung von Straftaten. Hierzu wird die Finanzierung sichergestellt und Mitarbeiter angeheuert. Hat irgendwas von Organisierter Kriminalität.“

      https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Trollfutter.jpg

      „Würde darum so ein Aufhebens gemacht, ginge es um einen männlichen Politiker?“

      Das ist ja nicht das erste mal, daß Precht arschlochhaft gegenüber einer Frau auftritt. Ich erinnere an sein Mansplaining gegenüber Melanie Amann bei „Markus Lanz“.

      • Thorsten Haupts 3. Mai 2023, 12:56

        Die Frage ist nur, ob er nicht einfach generell arschlochhaft auftritt. Das ist bei von der deutschen Öffentlichkeit lange Zeit weitgehend kritiklos umschwärmten „Grossdenkern“ nach meiner Beobachtung endemisch.

        • Stefan Sasse 3. Mai 2023, 13:01

          Korrekt.

        • Ariane 3. Mai 2023, 16:32

          Stimmt, an die peinliche Szene mit Melanie Amann erinnere ich mich auch noch.

          Würde aber auch Thorsten zustimmen, dass gerade Precht häufig extrem unangenehm auftritt (bin neulich durch Zufall in einer anderen seiner Podcast-Serien gelandet) und weil ihm irgendwann mal das Etikett „großer Intellektueller“ angehängt wurde, traut sich keiner mehr zu sagen, wieviel Quatsch mit Soße da häufig aus seinem Mund kommt. (das erinnert übrigens stark an das Genie-Thema vom letzten Mal)

          • Thorsten Haupts 3. Mai 2023, 17:17

            Genies sind – meistens – nicht die mit der grössten Klappe 🙂 .

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