Wisconsin erlebt mit Trump eine epistemologische Krise wegen Musks zynischem Nonkonformismus – Vermischtes 17.04.2023

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.

Fundstücke

1) Die mediale Dummheit der anderen

Die Geschichte der Trump-K.I.-Bilder verweist auf ein grundsätzliches Problem des gequälten Diskurses um den angeblich bedrohten Status von Fakten in der “post-faktischen” Gegenwart. Wir gehen immer davon aus, im Besitz der realen Fakten zu sein, im Gegensatz zu den bedauernswerten Narren, die auf einfache Fakes hereinfallen. Sich für klüger, für weniger verarschungsanfällig als alle anderen Menschen zu halten, ist eine anthropologische Grundkonstante. Es handelt sich höchstwahrscheinlich um den Grund, warum Menschen überhaupt betrogen werden: ein übersteigertes Selbstvertrauen in die Kohärenz der eigenen Epistemologie. Man muss kein Radikalkonstruktivist sein, um sich von der Tatsache beunruhigt zu fühlen, dass irgendwo Menschen sitzen, die an die Flat-Earth-Theorie glauben und die Hände darüber ringen, wie leicht täuschbar ihre Mitmenschen sind. Aus dieser Perspektive erscheint die Medienpanik, die durch K.I.-Bilder erzeugt wird wie eine Verlängerung dieser epistemologischen Eitelkeit. Das Problem von “Fake News” wäre dann vor allem durch einen Mangel an Medienkompetenz und machtvolle technische Instrumente der Täuschung zu erklären. Wir leben demnach in einer Krise der Repräsentation, die durch Medienmanipulation ausgelöst wurde, und die zu einer verzerrten Realitätswahrnehmung führt. Der Erfolg von Falschinformationen über Covid wäre z.B. dadurch zu erklären, dass Menschen mit einer geringen Medienkompetenz schutzlos den Täuschungen der Sozialen Medien ausgesetzt sind. Diese Analyse scheint mir allerdings auf Wunschdenken zu beruhen. Gerade die Erfahrungen der letzten Jahre sollten doch gezeigt haben, dass Menschen nicht auf Fehlinformationen hereinfallen, weil sie dumm sind, oder weil die Manipulation so brillant war, sondern weil sie darauf hereinfallen wollen. Fakten haben für die meisten Menschen keinen intrinsischen Wert, sondern eine handfeste Funktion. Man will, dass die Fakten die eigenen (politischen) Wunschvorstellungen bestätigen. (Johannes Franzen, Kultur&Kontroverse)

Die „epistemologische Eitelkeit“ scheint mir in diesen Debatten genauso wie in denen um die Macht von Medien ein wichtiger Bestandteil zu sein. Ob jemand die Macht von Springer angreift, den gewaltigen Einfluss von FOX News, die alles erdrückenden, von links-grünen Aktivist*innen durchsetzten Öffentlich-Rechtlichen – stets nimmt man an, dass die Konsument*innen der jeweils anderen Seite quasi von jedem Satz komplett gedreht werden würden, während man selbst gegenüber den eigenen Medien komplett immun ist beziehungsweise diese nur die objektive Faktenlage wiedergeben. Warum sollte das bei den Debatten um Verschwörungstheorien und Fake News anders sein? Ein weiteres Feld, auf dem diese epistemologische Eitelkeit voll durchschlägt, ist übrigens die Schule beziehungsweise was in den Bildungsplänen steht, aber das ist noch einmal ein ganz anderes Thema.

2) Make Wisconsin a Democracy Again

Many Republican legislators lost their job in the 2018 blue-wave midterm that swept Democrats into the majority in the U.S. House. But not in Wisconsin. There, Republicans celebrated the fourth straight election in which they maintained close to a two-thirds majority in the state assembly, despite winning about 200,000 fewer votes and losing every statewide race. Those extra 200,000 votes won precisely one additional assembly seat for the Democrats. Since then, their control of the state legislature has remained unthreatened. How is that possible? After Democrats got wiped out in the 2010 midterms, Republicans gerrymandered Wisconsin with scientific precision—ensuring that in a state more or less evenly divided politically, the GOP would maintain its grip on power regardless of how the voters felt about it. Democrats would have to win by a landslide—at least 12 points, according to one expert—just to get a bare majority of 50 seats in the assembly, whereas Republicans could do so by winning only 44 percent of the vote. The U.S. Supreme Court has fueled a bipartisan race to the bottom on gerrymandering by invalidating every voter protection that comes before it, but even in today’s grim landscape, the Badger State is one of the standouts. […] Wisconsin is a famously closely divided state, but thanks to their precise drawing of legislative districts, Republicans have maintained something close to a two-thirds majority whether they won more votes or not. With that kind of job security, Republicans in Wisconsin could enact an agenda far to the right of the state’s actual electorate, attacking unions, abortion rights, and voting rights without having to worry that swing voters would throw the bums out. After all, they couldn’t. And year after year, the right-wing majority on the state supreme court would ensure that gerrymandered maps kept their political allies in power and safely protected from voter backlash. Some mismatch between the popular vote and legislative districts is not inherently nefarious—it just happens to be both deliberate and extreme in Wisconsin’s case. (Adam Serwer, The Atlantic) 

Mich erinnert das alles wahnsinnig an Ungarn. Es ist sicher auch kein Zufall, dass Viktor Orban und sein Regime für die Republicans ein riesiges Vorbild sind. Stück für Stück wird mit durchaus demokratisch errungenen Mehrheiten dafür gesorgt, dass man von Wahlergebnissen mehr und mehr isoliert ist. Für die USA ist dieses Vorgehen auch nicht neu. Bis in die 1960er Jahre hinein war das völlig normal (man denke nur an den eisernen Griff der Democrats in den machines einiger Großstädte oder den der Dixiecrats über die rassistischen Strukturen der Südstaaten!). Die Manöver der GOP in Wisconsin würden jedenfalls einem political operative um 1880 allenfalls ein müdes Lächeln entlocken. Und wenn man zu den Zuständen des 19. oder frühen 20. Jahrhunderts zurück will, ist das auch alles kein Problem. Aber wenn man etwas über diese Zeit weiß, dann dürfte das kaum eine erstrebenswerte Option sein. Es sei denn, man ist wohlhabend, männlich, heterosexuell, weiß und protestantisch, natürlich.

3) How to Make Trump Go Away

There is one conundrum that fascinates me above others: Why does Donald Trump still generate such loyalty and devotion? And unlike 2016, can a different Republican win the nomination in 2024 who largely shares Mr. Trump’s agenda but not his personality? […] It’s not about beating Mr. Trump with a competing ideology. It’s about offering Republicans the contrast they seek: a candidate who champions Mr. Trump’s agenda but with decency, civility and a commitment to personal responsibility and accountability. […] But there’s a clear way to appeal to other Republican voters firmly focused on the future rather than on re-litigating the past. It starts with a simple campaign pitch along these lines: “We can do better. We must do better.” […] Fourth, compliment Mr. Trump’s presidency while you criticize the person. Trump focus groups are incredibly instructive in helping differentiate between the passionate support most Trump voters feel for his efforts and his accomplishments and the embarrassment and frustration they have with his comments and his behavior. For example, most Republicans like his tough talk on China, but they dislike his bullying behavior here at home. So applaud the administration before you criticize the man. […] The looming debt ceiling vote is the perfect hook. The increase in the annual deficit under Trump ranks as the third-largest increase, relative to the size of the economy, of any U.S. presidential administration. Long before Covid, Republicans in Congress were told by the Trump White House to spend more — and that spending contributed to the current debt crisis. Mr. Trump will say he was fiscally responsible, but the actual numbers don’t lie. “We can’t afford these deficits. We can’t afford this debt. We can’t afford Donald Trump.” […] Sixth, there’s one character trait that unites just about everyone: an aversion to public piety while displaying private dishonesty. In a word, hypocrisy. […] And eighth, you need to penetrate the conservative echo chamber. You need at least one of these on your side: Mark Levin, Dennis Prager, Ben Shapiro, Newt Gingrich and, of course, Tucker, Hannity or Laura. […] Republicans want just about everything Mr. Trump did, without everything Mr. Trump is or says. (Frank Luntz, New York Times)

Die Idiotie dieses Takes ist bemerkenswert. Wenn das der Status hochrangiger republikanischer operatives ist, dann Gute Nacht. Luntz wiederholt praktisch aufs Wort den gleichen Unfug, der bereits während der Primaries 2015/16 verlautbart wurde und der die ganze Trump-Präsidentschaft begleitet hat. Dass die New York Times so einen intellektuell dürftigen Kram in ihre Kolumnen packt – I don’t get it. Was wir hier sehen können ist ein Musterbeispiel dafür, wie der Faschismus siegt. Es sind die konservativen enabler, Leute wie Luntz. „Könnten wir bitte den Faschismus haben, aber nett?“ ist letztlich alles, was da drin steht.

Aber für mich wesentlich bemerkenswerter ist die Realitätsferne, die Luntz hier erkennen lässt. Wie kann er ernsthaft nach acht Jahren immer noch behaupten, dass unter republikanischen Wähler*innen eine Mehrheit errungen werden würde, indem man eine Betonung auf civility legt? Diese Leute wählen Trump nicht trotz seiner verbalen Ausfälle. Sie tun es deswegen. Man sehe sich nur die Dynamik um deSantis an.

Den Vogel schießt Luntz aber mit seiner Vorstellung ab, dass es eine Siegstrategie gegen Trump in den primaries sein könnte, das debt ceiling gegen ihn in Stellung zu bringen. Wie kann jemand, der ein hochrangiger republikanischer operative ist, immer noch glauben, dass damit ein Blumentopf zu gewinnen sei? Wie viele Wahlen müssen die noch verlieren damit? Solange alle Konkurrenten solchen Blödsinn annehmen, kann Trump 2023/24 eigentlich nur gewinnen. I’m flabbergasted.

4) Zynischer Nonkonformismus

Es gibt in der Spätmoderne einen leeren, zynischen Nonkonformismus, der sein Denken nicht an der Tiefe eines Gedankens ausrichtet, sondern an seinem Reizwert. Das ist die blinde Logik einer aufmerksamkeitsökonomischen Haltung, die wahllos den Diskurs nach den Trüffeln der Provokation durchwühlt. Botho Strauß ist sicher nicht der Erfinder dieser Strategie, aber sein Essay hat vor allem für diejenigen deutschsprachige Autor*innen eine Blaupause zur Verfügung gestellt, die ihre schwindende Bedeutung durch ein kulturelles Krawallereignis kompensieren wollen. […] Zu den wichtigsten Bestandteilen der PR-Strategien, die hinter diesem leeren Nonkonformismus stehen, gehört, dass ein Mangel an intellektueller Tiefe durch die Simulation einer stilistischen Tiefe ausgeglichen werden muss. […] Dementsprechend konnte jeder Vorwurf gegen den Text zurückgewiesen werden, weil der Autor ‚das ja gar nicht so gemeint hatte‘. Auch dieser Mechanismus ist aus den diskursiven Kämpfen der Gegenwart bekannt: Simulierte Ambivalenz, die durch ein möglichst vages stilistisches Rauschen und eine kalte humorlose Ironie erzeugt wird, dient als generelles Alibi für alle Dinge, für die der Text zur Verantwortung gezogen werden könnte. […] Aber auch das gehört zu den Strategien des leeren Nonkonformismus: Bei den Grenzverletzungen so über die Stränge zu schlagen, dass sich das Lachen über lächerliche Formulierungen verbietet. […] Diese inszenierte Gedankenschwere, gepaart mit der politischen Schamverletzung, sendet ein Signal in den Diskurs, dass hier ein wichtiges Debattenereignis anstehen würde. So erklärt sich auch der Erfolg dieser Strategie. Es erzeugt bei vielen einen wohligen Grusel, wenn ein vormals nur trockener Schreiber von feuilletontauglicher Hochliteratur rechts wird. Dann lässt sich das Drama des mutigen, wenn auch fehlgeleiteten Einzelnen gegen die Gesellschaft über Wochen aufführen, selbst, wenn dieses Drama eigentlich keine inhaltliche Bedeutung hat. (Johannes Franzen, 54Books)

Die Kritik des Essays – in seiner spezifisch deutschen Inkarnation, denn in Deutschland ist das Genre des Essays etwas völlig anderes als im englischsprachigen Raum, obwohl es denselben Begriff verwendet; meine Schüler*innen sind davon auch ständig heillos verwirrt – ist eine, die ich aus meiner eigenen Erfahrung nur teilen kann. Die Essays, die im Abitur verwendet werden, zeichnen sich weitgehend durch diese leere Form der Kritik aus. Aber Franzen weist auch auf einen anderen wichtigen Aspekt hin, den ich hier selbst auch schon öfter angesprochen habe: dieser leere Zynismus, dieses ständige Provozieren und dagegen Halten als Habitus, sorgen gerne auch für ein Überziehen. Und dieses führte oft genug bereits an den Rand des Spektrums.

5) Elon Musk’s Free-Speech Charade Is Over

Not since Donald Trump has liberal judgment about the focus of a right-wing cult of personality been so swiftly vindicated. […] But despite all of that, he has yet to face state legislation alleging that what he does with the website he owns is unconstitutional. That’s notable because, until Musk bought Twitter late last year, conservatives were arguing that the company’s moderation decisions violated the First Amendment, even though Twitter is a private company and not part of the government. Now that Musk is using his editorial discretion as owner of the company to promote people and ideas he supports—primarily right-wing influencers—and diminish the reach of those he does not, the constitutional emergency has subsided. At least until his allies and defenders on Substack found themselves unable to promote their work on Twitter, free speech had been restored, because “free speech” here simply means that right-wing ideas and arguments are favored. This outcome—that Twitter under Musk would favor right-wing content—was predictable, and I’m saying that because I wrote last April that that’s what would happen. […] Conservatives built an entire body of jurisprudence around the First Amendment’s protection of corporate speech when large corporations were reliably funding Republican causes and campaigns—the late Justice Antonin Scalia declared in the Citizens United decision that “to exclude or impede corporate speech is to muzzle the principal agents of the modern free economy.” But once some corporate actors decided it was in their financial interests to make decisions that the GOP disliked, conservative lawyers then turned around and argued that speech was no longer protected if it was used for purposes they opposed. If your freedom of speech is only protected when it aligns with the ruling party, then you do not have a right to freedom of speech. […] The platforms targeted by anti-moderation laws were never liberal; they imposed moderation policies because it is difficult to maintain advertising revenue when your platform is overrun by teenage Nazis with anime avatars and aspiring far-right intellectuals desperate to impress them. Musk’s changes were far more ideologically driven and have reportedly, by his own evaluation, halved the value of his company. Conservatives rapidly reversed their stance on corporate free-speech rights when they were angry at Twitter for being too left-wing, then changed their mind again once Musk bought Twitter and began amplifying right-wing voices at the expense of others. Musk owns the platform, and he can use it to magnify or ignore whatever ideas and sources he chooses. But it’s not a right that most of these conservative, self-styled defenders of free speech think you should have. For them, free speech is when they can say what they want, and when you can say what they want. (Adam Serwer, The Atlantic)

To be fair, die allerwenigsten Leute sind engagierte Verteidiger*innen des Rechts auf freie Meinungsäußerung, wenn es um Dinge geht, die sie selbst ablehnen. Das ist völlig normales menschliches Verhalten. Da findet man dann immer Gründe, warum genau diese Meinung nun doch nicht okay ist. Schutz der Kinder, Bekämpfung von Extremismus, grammatikalische Korrektheit, Verbrechensprävention – you name it. Aber es ist immer eine Sache, ob man diese Haltungen in irgendwelchen Reden oder Meinungsartikeln vertritt oder in Gesetzesform gießt,  durch höchstrichterliche Urteile festschreibt oder die digitale Öffentlichkeit reguliert. Und da besteht der große qualitative Unterschied zwischen den beiden Seiten.

Dass Elon Musk spezifisch nicht ernstzunehmen ist – wie Serwer schrieb war völlig offensichtlich, was hier passieren würde – kann auch nicht überraschen. Man muss sich nur anschauen, wie der Typ seine Unternehmen führt. Generell ist es einfach keine gute Idee, die Kontrolle über eine so entscheidende Plattform der öffentlichen Meinungsbildung einem einzelnen Diktator zu überlassen, egal für wie wohlmeinend man ihn hält. Wenn man bedenkt, dass Musks feuchter Traum die Errichtung einer Marskolonie ist, in der er dann herrschen kann, muss einem Angst und Bange werden. Im Übrigen: genau die gleiche Dynamik wie bei Musk hatten wir auch bei Trump. Progressive hatten gewarnt, die Moderaten hatten abgewiegelt und sämtliche Befürchtungen traten ein.

Resterampe

a) Wie hier im Rahmen der Wahlrechtsdebatte ja schon öfter angesprochen wird das juristische Eis für die 5%-Hürde dünn.

b) Tolle Reportage über den sinkenden Wasserstand im Colorado River. Solche Sachen stehen uns auch bevor.

c) Warum well-being für Schule wichtiger werden muss.

d) Allein die Vorstellung, dass Democrats das machen würden, wenn Linksradikale irgendwelche MAGA-Hillbillys ermorden würden. Völlig absurd. Oder das hier. Und wo wir gerade dabei sind: Clarence Thomas wäre als Democrat schon seit Wochen nicht aus den Schlagzeilen zu kriegen. Erst kommt raus dass seine Frau Rechtsextremisten bei Putschversuchen unterstüzt, und jetzt sind zahlreiche Korruptionsfragen im Raum.

e) Der Markt regelt, ich sag es immer wieder.

f) Nostalgia is hell of a drug.

g) Scheint so, als wären eFuels beim Heizen genauso eine Sackgasse wie bei Pkw.

h) Sehr gute Forderung nach mehr hermeneutischem Wohlwollen. Natürlich hat Marco Herack aber auch Recht.

i) „Der Zeitzeuge ist der natürliche Feind des Historikers“ hat mein Prof seinerzeit gesagt. Sicherlich richtig.

j) Forderungen für Präventivhaft und möglichst strenge Bestrafung sind bisher nicht bekannt geworden.

k) Es fasziniert mich jedes Mal, dass das Schicksal von Demokratien von Leuten entschieden wird, die ihre Wahlentscheidungen auf diese Art treffen.

l) Spannender Bericht über den mittlerweile 50jährigen Fernsehfilm „Smog“.

m) Guter Artikel zum Thema Pazifismus.

n) FFF verurteilt die Protestmethoden der Letzten Generation. Wird ziemlich einsam um die Leute.

o) Selbst in der Welt wird das Buch von Martin Schröder verrissen.

p) Die deutsche Autoindustrie ist bei eAutos stark hinterher. War absehbar.

q) Die Republicans im Mississippi State House haben ein Gesetz verabschiedet, mit dem alle öffentlichen Büchereien defunded werden würden. Muss noch durch den ebenfalls GOP-kontrollierten Senat, aber allein, dass die das machen…Wahnsinn. In Texas machen sie gerade das Gleiche, um zu verhindern, dass verbotene Bücher (Cancel Culture, wir erinnern uns) per Gerichtsbeschluss wieder zurückgestellt werden müssen. Und in Missouri läuft es auch.

r) Ganz amüstanter Verriss eines Bitcoin-Fanbuchs. Und wo wir dabei sind: dieses PR-Video einer texanischen Bitcoin-Farm ist grandios.

s) Die Ermittlungen um den Tod der Fahradfahrerin wegen des verspäteten Rettungswagens im Oktober sind abgeschlossen. Ergebnis: die Letzte Generation ist unschuldig. Aber immerhin haben wir sechs Monate Hetze und ein bisschen Präventivhaft in Bayern rausbekommen. *slow clap* Ändert übrigens nichts daran, dass ich die Proteste doof finde. Aber vielleicht wollen einige Bürgerliche ein bisschen Selbstkritik betreiben. – Udo Vetter sieht das Ganze etwas anders.

t) Das Fraunhofer-Institut stellt eFuels auch ein vernichtendes Zeugnis aus.

{ 33 comments… add one }
  • Tim 17. April 2023, 10:16

    (t – Fraunhofer)

    Mit keinem einzigen Wort erwähnt Fraunhofer, dass wir den motorisierten Individualverkehr vor allem massiv reduzieren müssen. DAS ist das entscheidende Framing der Debatte, nicht irgendein Hickhack über E-Fuels vs. Akkus. Alle tun jetzt so, als würde mit E-Autos alles besser. Ein totaler Sieg der Autoextremisten, würde ich sagen .

    • Stefan Pietsch 17. April 2023, 11:52

      Wieso? Es liegt mir auf der Zunge, also: Müssen tun wir nur sterben. Das sollte ein Liberaler eigentlich wissen.

      Was bitte soll ein Ausbau bringen?

      • Tim 17. April 2023, 14:22

        „Müssen“ hier im Sinne von: „Wir müssen ABC tun, wenn wir XYZ erreichen wollen“.

        Da wir aber vermutlich schon bei XYZ keine Einigkeit erzielen werden, lohnt sich eine Debatte über ABC wohl erst recht nicht. 🙂

        • Stefan Pietsch 17. April 2023, 16:02

          „Z“ kann ja nur das globale Ziel sein. Darüber haben wir keinen Dissens. Öffentlicher Nahverkehr ist ja nur eine Maßnahme, die (neben anderen) zur Zielerreichung beitragen kann. Die Maßnahme ist jedoch nur wirksam, wenn sie auch genutzt wird. Und hier kommen wir zu meinem Punkt.

          Sie meinen anscheinend, allein die Bereitstellung des Angebots „Öffentlicher Nahverkehr“ würde zu seiner Nutzung führen. Das ist planwirtschaftlich gedacht. In einer Marktwirtschaft wird ein Angebot nur genutzt wenn es attraktiv ist und einen Zusatznutzen verspricht. In Deutschland gibt es laut Umfragen nicht nur eine hohe Bereitschaft, öfter auf Busse und Bahnen umzusteigen. ÖPNV und DB haben auch ein sehr positives Image.

          Davon weicht jedoch die tägliche Erfahrung erheblich ab. Obwohl es eine positive Grundeinstellung gibt, beurteilen Bahnnutzer die Leistungen als schlecht bis unzureichend. Das Leistungszeugnis reicht definitiv nicht, Neukunden zu gewinnen. Das Problem ist offensichtlich nicht die Angebotsmenge, sondern die Angebotsqualität.

          Davon ist aber bei allen, die dem Ausbau des ÖPNV das Wort reden, nicht die Rede. Alle meinen, allein die Angebotsausweitung gepaart mit einer Verschlechterung der Angebotsbedingungen für den Individualverkehr würden zu einer Verhaltensänderung führen. Außer eingefleischten Fans von DB und ÖPNV ist davon jedoch niemand Bekanntes überzeugt.

          • Stefan Sasse 17. April 2023, 18:20

            Ich hasse die DB und die VVS und bin trotzdem davon überzeugt.

            • Stefan Pietsch 18. April 2023, 12:32

              Ich würde liebend gerne mit der DB fahren. Ich halte sie gerade auf mittleren und kurzen Strecken im Berufsverkehr für ein sehr gutes Transportmittel. Doch die Umsetzung ist miserabel.

              Auf mittleren Strecken wie Rhein-Main nach Hamburg oder München bin ich mit dem Auto pünktlicher, zuverlässiger und schneller, dazu komfortabler. Dazu wurden Kunden während der Pandemie regelrecht misshandelt von der DB. Es gibt vom urbanen Land Main-Kinzig in die Landeshauptstadt Wiesbaden (fast 300 k Einwohner) keine direkte Verbindung, wohl aber in die heruntergekommenen Städte Hanau (Bahnhof außerhalb gelegen) und Offenbach – einfach, weil sie traditionell auf der Strecke liegen. Eine Stadt wie Mainz (100 k Einwohner) ist besser zu erreichen. Wer soll so ein Transportmittel zur Überwindung ein 80 km-Entfernung nehmen?

              In den Städten sind U- und S-Bahnen heruntergekommen, gefährlich und unbequem. Das kann man fast überall auf der Welt besser. Und warum wir nicht längst auf autonomes Fahren und Administrieren im öffentlichen Personenverkehr setzen, bleibt mir schleierhaft. Unprofessionell, kundenunfreundlich. Da können wir noch so sehr die Schiene ausbauen, das wird keiner nutzen.

              • Stefan Sasse 18. April 2023, 19:49

                Kein Widerspruch. Die sind völlig heruntergewirtschaftet, alle miteinander.

                • Lemmy Caution 19. April 2023, 16:16

                  Ich nutze ständig öffentliche Verkehrsmittel und bin mit U-Bahn/Straßenbahn sehr zufrieden. Die Bahn hat allerdings im Fernverkehr nachgelassen.
                  Was erwartet ihr? Dass euch da Greeter mit pinken Flamingos beschenken, damit sich die Stimmung hebt? Schnöselig bin ich mir selber schon zu viel.
                  Die Taktung ist gerade in Städten viel besser als noch vor 30 Jahren. Muss selten länger als 3 Minuten warten. Man kriegt auch morgens meist einen freien Sitzplatz.

                  • Stefan Pietsch 19. April 2023, 18:43

                    Das gilt für die 5, 6 größten Städte in Deutschland. Die meisten wohnen nicht dort. Und ob es Dir gefällt oder nicht, wer eine Leistung anbietet, muss auf die Befindlichkeiten und Bedürfnisse seiner potentiellen Kunden Rücksicht nehmen – nicht umgekehrt. Das war im Sozialismus so, da mussten die Leute damit zufrieden sein, was ihnen angeboten wurde.

                    Das gilt in einer freien Gesellschaft nicht. Daher müssen wir fragen: Was soll die Angebotsausweitung, wenn die Qualität als unbefriedigend eingeschätzt wird?

          • Erwin Gabriel 20. April 2023, 15:59

            @ Stefan Pietsch 17. April 2023, 16:02

            Mit dem Bauch bin ich bei Dir, mit dem Kopf bin ich bei Tim: Ob ich allein mit einem 1,4-t-Benziner oder mit einem 2,4-t-Stromer durch die Gegend fahre, verändert nur die Art der verbrauchten Energie, nicht die Menge.

            Die Lösung in ÖPNV oder DB zu sehen, bringt auch nicht viel weiter; wir müssen schauen, dass wir die Gründe für die Fahrerei reduzieren.

            Mich schreckt immer wieder aufs neue die Vorstellung, dass (bleiben wir bei der Schätzung schüchtern) 4 weitere Milliarden auf dem gleichen Niveau leben möchten wie ich. Ich kann es verstehen, kann es nicht verwehren, ich kann es aber auch nicht gutheißen.

            Hab keine Lösung.

            • Stefan Pietsch 20. April 2023, 16:47

              Die meisten, die sich zu dem Thema auslassen, haben selten die deutschen Grenzen überwunden und waren in der Regel nicht außerhalb Europas.

              Europa ist ein extrem dicht besiedelter Kontinent und das gilt schon wieder nicht einmal für Spanien oder Skandinavien. Die Vorteile des Öffentlichen Verkehrs liegen in einer sehr dichten Besiedelung. Das trifft auf Deutschland zu. Umso erbärmlicher, wie wir das Ganze aufziehen. Nordamerika, Südamerika, Teile Asiens sind so dünn besiedelt, dass die Menschen dort Trucks als Verkehrsmittel bevorzugen, weil sie irgendwie ihre Nahrungsergänzungsmittel von der Ansiedlung in ihr Kaff bringen müssen.

              Wir können natürlich das Projekt „Umsiedlung der Weltbevölkerung“ starten. Oder wir über machen das, womit man sich außerhalb der deutschen Nabelschau beschäftigt: Wir entwickeln angepasste Lösungen für die Lebenssituation von Menschen. Wäre für die meisten Deutschen, Linke insbesondere, eine völlig neue Erfahrung.

            • Stefan Sasse 20. April 2023, 19:13

              Ja, so geht es mir da auch.

    • Stefan Sasse 17. April 2023, 13:11

      Ja, aber da sehe ich politisch keine Alternative.

      • Tim 17. April 2023, 14:23

        Wohl wahr. Wir müssten uns vorher erst ein neues Volk wählen.

        • Thorsten Haupts 17. April 2023, 14:29

          Sie müssten vielen Millionen Menschen eine wirklich drastische Einschränkung ihrer täglichen Bequemlichkeit als erstrebenswerten Fortschritt verkaufen. Viel Spass dabei. Im übrigen sei mir der Hinweis erlaubt, dass Sie bei diesem Szenario absolut jedes Volk auf der Erde austauschen müssten

          • Tim 17. April 2023, 14:36

            „Austausch“ ist genau das richtige Stichwort. Wenn man es einmal ganz sachlich betrachtet, tauschen wir im Grunde global in atemberaubendem Tempo natürliche Habitate durch menschliche aus. Kann man machen, aber nicht mehr allzu lange. Auch hier viel Spaß dabei. 🙂

        • Stefan Sasse 17. April 2023, 18:17

          Geht halt nicht, musst mit dem arbeiten, was wir haben.

    • Thorsten Haupts 17. April 2023, 14:27

      Nur geht es bei e-fuels nicht einmal vornehmlich um Deutschland. Die neulich hier im Blog gestellte Frage bleibt unbeantwortet – wie anders will man die vielen Millionen Verbrenner in unterentwickelten Ländern 2040 CO2 schonend versorgen, wenn nicht über e-fuels?

  • Stefan Pietsch 17. April 2023, 11:57

    e) Der Markt regelt, ich sag es immer wieder.

    Daimler Benz konzentriert sich zunehmend auf das Segment von hochpreisigen Luxuslimousinen jenseits der 100.000€-Grenze. Daimler hat sich von der Marke Smart und der E-Mobilität in Kleinformat getrennt, stellt die A- und B-Klasse ein, will auf Sicht keine C-Klasse mehr produzieren. Es ist folgerichtig, die Antriebstechnologie, in Konkurrenz zu Tesla positioniert, auf E-Motoren zu konzentrieren, die sich auch in den Hauptmärkten vertreiben lassen. Der bayrische Konkurrent war in Motorenqualität ohnehin den Stuttgartern voraus – der erstaunlicherweise nicht allein auf BEVs setzt. Auch das ist Markt.

    • Stefan Sasse 17. April 2023, 14:03

      Kein Widerspruch. Mein Punkt ist: diese Frage wird nicht in der Parteizentrale der FDP entschieden.

      • Erwin Gabriel 20. April 2023, 16:02

        @ Stefan Sasse 17. April 2023, 14:03

        Kein Widerspruch. Mein Punkt ist: diese Frage wird nicht in der Parteizentrale der FDP entschieden.

        Zustimmung. Und wie Stefan Pietsch schon des Öfteren geschrieben hat, auch nicht hier 🙂

        • Stefan Sasse 20. April 2023, 19:14

          Das nehme ich ja auch nicht in Anspruch, ich diskutier nur drüber.

  • Skythe 17. April 2023, 18:53

    Ich kenne weder Martin Schröder noch sein Buch, und von der Rezession seh ich auch nur 5 Zeilen.

    Aber was wären denn Rechte, die Frauen fehlen, Stefan? Warte da seit über 10 Jahren auf Input.

    • Thorsten Haupts 17. April 2023, 19:54

      Kommentar-Hijacking. Troll.

  • cimourdain 18. April 2023, 09:38

    2) Ein paar Anmerkungen:
    i) Das REDMAP-Programm begann 2010, die ungarische Verfassungsreform ist vom 2011. Der „Inspirationsweg“ ist eher umgekehrt.
    ii) Ungarn hat ein gemischtes Mehrheits- und Verhältniswahlrecht. Gerrymandering fand bei der Reduzierung der Wahlkreise 2011 massiv statt.
    iii) Für Wahlrechtsnerds hier die Kerndaten Ungarns: Eine Kammer; 54% der Sitze wird nach relativem Mehrheitswahlrecht besetzt, der Rest nach Verhältniswahlrecht, eine Aufrechnung zwischen beiden Teilen (wie in Deutschland) findet nicht statt; eine Sperrklausel bei den Listenmandaten existiert (5%); Auszählverfahren ist d’Hondt.

    4) Habe mir anlässlich des Fundstücks noch einmal den „Bocksgesang“ durchgelesen. Der Text ist genauso furchtbar zu lesen wie beschrieben (also absolut ‚abiturabel‘ ).

    5) Bitte denk immer daran, dass Twitter schon vor der Musk-Übernahme die toxischste social media Plattform – noch vor reddit(!) – war. (Untersuchung von ‚simple texting‘)

    i) Ich hoffe er hat dazu gesagt – „aber der beste Freund des Geschichtslehrers“.

    q) Ich habe mir die Texas-Buchliste angesehen und bin der Meinung, dass ein Abgeordneter, der in „Larry the farting Leprechaun“ jugendgefährdende Pornographie sieht, womöglich ganz andere Probleme hat…

    • Stefan Sasse 18. April 2023, 11:19

      2)
      i) Redistricting und Gerrymandering geht auf die Anfänge des 19. Jahrhunderts zurück. So alt wie die Demokratie selbst, quasi.
      ii) Danke!
      iii) Gerne noch mehr Analyse dazu, spannend!

      4) 😀

      5) Korrekt.

      i) lol, nicht nach meinem Dafürhalten.

      q) Es ist so unglaublich albern und ermüdend.

      • Tim 18. April 2023, 13:02

        Es gibt übrigens sogar ein Brettspiel über Gerrymandering:
        https://www.hall9000.de/html/spiel/nuggets 😉

      • cimourdain 18. April 2023, 14:41

        i) Das war ernst gemeint. Wir hatten vor einiger Zeit hier die Frage, ob Besuche in KZ-Gedenkstätten als verpflichtender Unterricht sinnvoll sind. Das hier geht in die gleiche Richtung. Es gibt in meinen Augen der Geschichte mehr unmittelbare Greifbarkeit, wenn Schüler reale Personen als „Geschichtsbetroffene“ sehen und deren Erleben mitbekommen.

  • cimourdain 19. April 2023, 09:16

    (eigenes Fundstück) Ein wenig Polemik zur grandiosen Idee, einzelne AKW in Länderregie weiterlaufen zu lassen:
    https://www.telepolis.de/features/Gebt-doch-dem-Soeder-was-er-will-8969344.html

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