Privilegierte giftige Genies entschuldigen sich für teure Wahlrechtsreformen in der Ukraine – Vermischtes 26.04.2023

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.

Fundstücke

1) Wann ist das Wahlrecht klar genug?

Mehrfach fragte der Zweite Senat nach einem möglichen „Kipppunkt“ zwischen der notwendigen Komplexität wahlrechtlicher Normen und deren Verständlichkeit, der zu einer Verfassungswidrigkeit führen könnte. Der Sachverständige Martin Morlok beschrieb das Spannungsverhältnis anschaulich: „Komplexität kostet Klarheit“. Keiner der Verfahrensbeteiligten sah sich in der Lage, den dogmatisch (noch) nicht austarierten „Kipppunkt“ zu bestimmen. Wenn sich die Tendenz bestätigt, dass das BVerfG von besonderen Anforderungen des Gebots der Normenklarheit im Wahlrecht ausgeht, dürfte sich der Zweite Senat in seinem Urteil umfassend damit beschäftigen, wie das Gebot dogmatisch verortet wird und wann ein Kipppunkt erreicht ist. Denn bei den Grenzen stellt sich tatsächlich die Frage: Muss der einzelne Wähler wirklich das Sitzzuteilungsverfahren in allen Details verstehen oder reicht die Kenntnis über dessen Grundaussagen aus? (Yannik Breuer/Jannik Klein, Verfassungsblog)

„Der Wähler“ ist natürlich schon eine spannende Kunstfigur. Welche wählende Person nämlich muss das Wahlrecht denn eigentlich verstehen? Ich, der Politikwissenschaften studiert hat und Politik unterrichtet? Ein an Politik nicht interessierter Handwerker mit Migrationshintergrund in der 1. Generation? Irgendwas dazwischen? „Den Wähler“ gibt es so ja gar nicht. Diesen „austarierten Kipppunkt“ zu bestimmen ist daher wirklich alles andere als einfach, und dass studierte Jurist*innen mit ihrer für Allgemeinverständlichkeit nicht eben berühmten Sprache die besten Richter*innen dafür sein sollen, setzt der Ironie der Geschichte auch noch einmal die Krone auf. Das jedenfalls sind die Probleme an der Geschichte, die ich als Laie so ausmachen würde.

Und wo ich gerade hemmungslos dem Dunning-Kruger-Effekt fröhne: Ich halte das Verständnis der Grundaussagen für ausreichend. Wenn ich aus meiner eigenen Erfahrung mit dem Verständnisgrad des bisherigen Wahlrechts (wir haben zwei Stimmen, eine für Person, eine für Liste, eine nach Mehrheits-, eine nach Verhältniswahlrecht) beurteile, dann haben gut die Hälfte der Deutschen schon dessen Grundaussagen nicht verstanden, von den Feinheiten der Überhangmandate einmal komplett abgesehen. Mir erscheint das eine komplett insuläre Debatte. Wenn die Grundaussagen verstanden werden WÜRDEN (was in diesem absurden Diskurs irgendwie als Prämisse durchgeht), wäre das ein kleines Wunder. „In allen Details das Sitzzuteilungsverfahren verstehen“ tun ja die meisten Expert*innen nicht. Da scheint mit das BVerfG in Gefahr, ein völlig wirklichkeitsfremdes Urteil zu fällen.

2) Wer soll das bezahlen?

Damit die Ukraine überhaupt als kreditwürdig eingestuft werden konnte, mussten diese Regeln geändert werden. Die neuen Vorschriften besagen: Der IWF darf die Regierung in Kiew unterstützen, aber nur wenn sich weitere Geldgeber finden, die das auch tun – und damit die Zahlungsfähigkeit der Ukraine garantieren. Konkret bedeutet das: Der IWF übernimmt 15,6 Milliarden des ermittelten Gesamtbedarfs von 123,5 Milliarden Dollar, die restlichen 107,9 Milliarden müssen einzelne Staaten aufbringen. Das sind bislang im Wesentlichen: die USA und die EU-Länder. […] Der Währungsfonds selbst steuert also trotz der Lockerung der Kreditvergaberegeln nur einen kleinen Teil der benötigten Summe bei, doch vor allem die Amerikaner wollten ihn unbedingt an Bord haben. Weil er Erfahrung im Umgang mit Krisenstaaten hat. Aber auch, weil sie damit signalisieren wollen, dass die Finanzierung der Ukraine eine Aufgabe der gesamten Staatengemeinschaft ist. […] Die EU agiert zwar bislang nur als eine Art finanzielle Durchgangsstation. Sie leiht sich Geld am Kapitalmarkt und gibt es zu günstigen Konditionen als Kredit an die Ukraine weiter. Dieser Kredit muss aber über Garantien im europäischen Haushalt abgesichert sein. Und der Spielraum ist dem Vernehmen nach bald ausgeschöpft. Das bedeutet: Damit zusätzliches Geld in die Ukraine fließen kann, müsste der gemeinsame Haushalt möglicherweise aufgestockt werden. Und zwar von den Mitgliedsstaaten der EU. (Mark Schieritz, ZEIT)

Auch das ist ein bisschen ein selbstrefenzieller Treppenwitz: der IWF errechnet eine Summe, die die Ukraine unter reichlich willkürlichen Prämissen bis 2027 braucht, und die wird dann als empirisches Fakt behandelt und ist die Grundannahme für eine komplexe Außenpolitik. Es ist ein wahnsinniger Zahlenhokuspokus. Mir ist natürlich klar, dass man irgendwo einmal anfangen muss, wenn man Bedarfe feststellen und Lasten verteilen will, aber ich sehe es jetzt schon kommen, dass diese Zahl politisch als belastbare Größe behandelt werden wird – und das unvermeidliche Abweichen davon nach oben dann halbe Krisen auslöst.

Dass der Westen der Ukraine noch viel Geld wird geben müssen, steht in meinen Augen außer Frage. Wir können es uns schlicht nicht leisten, sie als failed state an unserer Ostflanke herumhängen zu lassen. Wenn wir das täten, dann wäre in der Tat die ganze Waffenhilfe umsonst gewesen und man hätte sich das alles sparen können, denn im Resultat haben wir dann nur größere Unsicherheit als zuvor an der Grenze. Der Westen sollte hier nicht die Fehler anderer Interventionen wiederholen und zwar großzügig in den eigentlichen Krieg investieren, nur um dann bei der Sicherung des Friedens knickrig zu werden. Diese Investition in unsere Sicherheit lohnt sich – angesichts einer potenziellen Bündnismitgliedschaft der Ukraine sowieso.

3) Giftige Genies

Männer wie Peter Thiel oder Elon Musk, die streng genommen als geschickte Investoren Erfolg hatten, konnten sich über den Mythos des modernen Genies als Helden der Gegenwart inszenieren, die sich in einer direkten Traditionslinie mit Leonardo da Vinci, Benjamin Franklin oder Albert Einstein befinden. […] Diese scheinbare Demokratisierung des Geniebegriffs brachte allerdings auch eine Entdemokratisierung in den Bereichen hervor, in denen die Genies in Erscheinung treten. Das Rollenmuster hat vor allem die Funktion, Autorität zu erzeugen und zu legitimieren. Es handelt sich letzten Endes um ein Herrschaftsmodell, das unbedingte Gefolgschaft einfordert, allerdings selbst wenig zu bieten hat, außer ein vages Charisma. Geschichten über Rücksichtslosigkeit und Brutalität, Willkür, Selbstüberschätzung und sexuelle Ausbeutung begleiten das Genie überall, wo es auftaucht, allerdings eben auch die Versuche, dieses Verhalten zu legitimieren und zu glorifizieren. Der Leiter einer Currywurstbude, der seine Mitarbeiter tyrannisiert, ist ein Arschloch, der Chef eines Dreisternerestaurants, der sich wie ein Berserker aufführt, wird als ein komplexes Genie gehandelt. Der Geniemythos besitzt ein zutiefst reaktionäres Potenzial, das die Figuren des Tyrannen und des Scharlatans zu einer Karikatur meritokratischer Legitimation verbindet. (Joannes Franzen, ZEIT)

Franzens Essay ist sehr viel länger als der hier zitierte Ausschnitt und in seiner Gänze lesenswert. Ich will vor allem diese Aspekte hier hervorheben: die Funktion des Geniemythos als Herrschaftsmodell. Es ist tatsächlich die Überhöhung soziopathischen Verhaltens, das man andernfalls niemals durchgehen lassen würde. Der gleiche Dreck wurde ja auch bei diversen Künstlern oft gesehen, von Roman Polanski bis Eddie Murphy. Es sind Genies, die sind halt ein bisschen anders. Und wie Franzen schreibt ist es auch reaktionär, weil es einer Person eine so herausgehobene Stellung gibt, die diese Person nicht haben sollte.

4) Privilegienkritik aushalten

Kämpfen Linke gegen Armut, kommen andere um die Ecke und behaupten, sie hätten alles ihrem Fleiß zu verdanken. Wird über Rassismus geredet, behaupten weiße Menschen beispielsweise, dass sie doch nicht rassistisch privilegiert sind. Sie scheinen geschockt zu erfahren, dass sie weiß sind. Bisher hielten sie sich nämlich nicht für weiß, sondern einfach nur für Menschen. Auch das ist ein Privileg. […] „Zwar sind Personen nicht individuell für historisch gewachsene Privilegien verantwortlich, doch sie tragen Verantwortung, gewissenhaft mit eigenen Privilegien umzugehen, sie zu reflektieren und umzuverteilen“, schreibt Simon Sales Prado für die taz. Also tragen wir eine Verantwortung dafür, wie wir mit unseren Privilegien umgehen. Wollen wir sie unsichtbar halten und schützen, indem wir sie verleugnen? Oder wollen wir sie teilen? Beim politischen Handeln sollten wir nicht unsere eigenen (verletzten) Gefühle zentrieren, sondern die Sache, um die es geht. Natürlich, wenn wir es ernst meinen mit der Gleichberechtigung. (Sibel Schick, Campact)

Der Spruch „check your privilege“ ist mittlerweile zu einem Klischee geronnen, aber das macht ihn nicht eben falsch. Dass gewisse progressive Aktivist*innen das Ganze deutlich zu weit treiben ist ebenfalls korrekt, sollte aber nicht als Grund gesehen werden, die Kritik völlig zu delegitimieren. Denn strukturelle Privilegien sind die Kehrseite der Medaille struktureller Diskriminierung. Grundsätzlich können daraus zwei Schlussfolgerungen kommen: entweder verschwinden Privilegien dadurch, dass andere gleiche Rechte bekommen (so etwa bei Beschäftigung: wenn alle gleiche Einstellungschancen bekommen, verschwinden bisherige Privilegien weißer Männer) oder aber andere kommen in denselben Genuss (etwa wenn Frauen nicht mehr ständig damit rechnen müssen, sexuelle Übergriffe erdulden zu müssen).

5) Lieber sofort gegensteuern

Dies ist ein Plädoyer für Fehlerkultur in der Politik. Das erste, und wie ich finde, schlagende Argument ist ganz einfach: Politik wird dadurch besser. Wer nicht bereit ist, einen Fehler einzugestehen, wird nicht bereit sein, ihn zu beseitigen. Häufig sind politische Vorschläge unausgegoren, manchmal sogar die fertigen Gesetze. Das hat längst nicht immer mit Schlampigkeit zu tun. Viele Prozesse sind wahnsinnig kompliziert, die Bedingungen ändern sich ständig, gerade in Krisenzeiten. Das Gebot der Stunde ist dann, Fehler zu erkennen und zu korrigieren. Das ist die Stärke der Demokratie, denn da kann öffentliche Kritik Anstoß zu Veränderung geben. In autoritären Regimen unterlaufen dem Machthaber offiziell keine Fehler, deshalb können sie nur verschleiert und, wenn überhaupt, stillschweigend beseitigt werden. […] Fehlerkultur wird noch immer in eine esoterische Ecke gestellt. Als sei sie eine Art Selbstbespiegelung zum Selbstzweck, höchstens ein Nice-to-have, wenn man sonst keine Probleme hat. Das ist eine überkommene Vorstellung. Nicht nur in der Unternehmenswelt lässt sich ein Mentalitätswandel beobachten. Sogar der Bundesnachrichtendienst hat aus den Skandalen der Vergangenheit die Konsequenz gezogen, dass Vertuschungsversuche alles nur noch schlimmer machen. (Helena Bubrowski, FAZ)

Das mit dem Entschuldigen und dem Annehmen von Entschuldigungen ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und nicht auf die Politik beschränkt; siehe dazu auch meinen Artikel „Vom Wert der Entschuldigung„. Aber gerade in der Politik ist es ein doppeltes Problem, weil wir einerseits Entschuldigungen fordern und sie andererseits sofort sanktionieren. Und das ist das Bescheuerte an dem ganzen System. Diese Heuchelei haben wir in vielen Bereichen: wir sagen das eine und wollen in Wahrheit das andere. Aber selten wird es so deutlich wie bei Entschuldigungen, die stets als Schwäche gesehen werden und nicht als Stärke – und dazu wegen des Herdentriebs der Medien zwangsläufig irgendwann als alter Hut gesehen würden, den man dann kritisiert, selbst wenn sie eingangs sogar belohnt werden würden.

Resterampe

a) Maßlose Rhetorik, mal wieder, siehe auch Spiegel. Aber die Debatte über die Letzte Generation ist eh nur noch bescheuert, siehe auch hier.

b) Die COSCO-Geschichte in Hamburg ist wahrlich kein Ruhmesblatt der Ampel.

c) Told y’all.

d) Der Steuer- und Verwaltungsrechtler Wiegand hält die Schuldenbremse durch die Klimakrise effektiv für ausgehebelt.

e) Bob Blume hat einen Artikel zur Abschaffung des Abiturs, den er hier weiter ausführt.

f) Das Wetter wird rasend schnell extremer.

g) Die CDU vollzieht den lange überfälligen Schwenk in der Steuerpolitik und setzt sich jetzt für höhere Spitzensteuern ein. Viele der Vorschläge klingen für mich grundsätzlich sinnvoll, auch wenn die Behauptung, die Abschaffung des Solis helfe „der Mitte“ totaler Quatsch ist.

h) Auch ein Offenbarungseid.

i) Als Nachtrag zur Döpfner-Debatte.

j) Gegenüber der Hysterie über die Letzte Generation (siehe a) fällt auf, wie krass verharmlosend über den Reichsbürger-Putsch gesprochen wird.

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  • CitizenK 26. April 2023, 08:40

    5) Dass man das immer noch nicht so sieht:
    „Die Selbstkritik hat viel für sich.
    Gesetzt den Fall, ich tadle mich;
    So hab‘ ich erstens den Gewinn,
    Daß ich so hübsch bescheiden bin;
    Zum zweiten denken sich die Leut,
    Der Mann ist lauter Redlichkeit;
    Auch schnapp‘ ich drittens diesen Bissen
    Vorweg den andern Kritiküssen;
    Und viertens hoff‘ ich außerdem
    Auf Widerspruch, der mir genehm.
    So kommt es denn zuletzt heraus,
    Daß ich ein ganz famoses Haus.“
    (Wilhelm Busch)

  • Stefan Pietsch 26. April 2023, 11:16

    1) Wann ist das Wahlrecht klar genug?

    Der Punkt der Kritik ist: Wer die meisten Stimmen erhält, ist gewählt. Nach der Reform ist eben das nicht mehr der Fall, und das versteht niemand. Und ein Wahlrecht sollte zumindest von jenen verstanden werden, die es beschließen. Das ist die Grundanforderung an jede Verantwortung.

    In Wirtschaftsgesetzen findet sich die verständliche Norm: Regeln und Dokumente sind so abzufassen, dass sich ein unabhängiger sachverständiger Dritte einen Überblick verschaffen kann. Für unser Wahlrecht gilt das eindeutig nicht.

    2) Wer soll das bezahlen?

    Was mir an den Debatten zu kurz weil nicht vorkommt: Als erstes hat immer der Aggressor zu zahlen und das ist Russland. Putins Reich besitzt staatliche Auslandsvermögen von mehr als einer halben Billion Euro. Diese sind zu konfiszieren.

    3) Giftige Genies

    Wir haben eindeutig zu wenig Unternehmergenies. Das sind Menschen wie Bezos, Musk, Gates und es sind eindeutig keine Journalisten, die mit der Organisation einer Luftmatratze überfordert sind.

    4) Privilegienkritik aushalten

    Es ist eine generelle Unverschämtheit, Menschen die aus behaupteten „privilegierten“ Schichten kommen, Privilegierung vorzuhalten. Es gibt sehr wohl Frauen und Schwarze, die privilegiert aufgewachsen sind und privilegiert leben. Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die gesellschaftlich nach äußeren Kriterien definiert ist, begründet bei weitem keine Zuteilung von Privilegien.

    • Stefan Sasse 26. April 2023, 12:15

      1) Das ist ja aber grundsätzlich keine Regel, die zwingend gelten muss. Es ist ja durchaus auch verständlich zu machen, dass jemand dank supplementärer Systeme auch mit weniger Stimmen gewinnt; die USA etwa kriegen das seit fast 250 Jahren hin.

      2) Na, das wird viel diskutiert. Ich habe allerdings bisher viel mehr Kritik an der Konfiskationsidee gelesen als Verteidigung. Ich habe da mangels Fachkenntnis keine Meinung dazu; mein Bauchgefühl ist aber bei dir. Gegenpositionen, die ich bisher gelesen habe, verweisen auf die Gefahren für zukünftige Konflikte, etwa mit China, wo man keinen Präzedenzfall schaffen will.

      4) Und genau deswegen ist Intersektionalität so wichtig.

      • Stefan Pietsch 26. April 2023, 13:02

        1) Äh, doch. Es ist das Grundprinzip der Demokratie. Es stellt sicher, dass die auf dem Stimmzettel sich bemühen, möglichst große Gruppen der Gesellschaft hinter sich zu bringen. Wenn das Prinzip eingeschränkt wird, führt das zur Radikalisierung. Bekanntlich kritisierst Du das am amerikanischen System.

        2) Ich komme ja nicht so vom Völkerrecht. Aber allein die materiellen Schäden, die Russland in der Ukraine anrichtet, sind so massiv, dass der Schädiger zur Verantwortung gezogen werden muss. Und es wird der Preis sein müssen, den Moskau zahlen muss, um wieder in die Völkergemeinschaft aufgenommen zu werden.

        4) Jeder, der sich heute diskriminiert fühlt, erlangt gesellschaftliche Vorteile. Diejenigen, die einfach nur ihren Job machen, ihr Leben leben, müssen für diese Vorteile zahlen. Das ist das Prinzip „wer am lautesten klagt, wird bedacht“. Das dürfen wir uns nicht noch mehr zu eigen machen. Wir erklären schon heute den Großteil der Gesellschaft zu potentiellen Opfern: Frauen, Migranten, Alte, Behinderte, Homosexuelle und Transsexuelle, Geringverdiener.

        Da es so viele sind, fangen diese längst untereinander auszugrenzen: Frauen werden in cis und nicht cis eingeteilt, Transsexuelle sehen Homosexuelle für privilegiert, ukrainische Flüchtlinge werden als Premiummigranten betrachtet. Das ist längst ins Absurde abgeglitten.

        • Stefan Sasse 26. April 2023, 15:17

          2) Ich hab kein Problem damit!

        • cimourdain 27. April 2023, 08:40

          2) So wie in Afghanistan, das auf diesem Wege noch nach Besatzungsende von den Aggressoren ausgeplündert wurde?

          • Stefan Pietsch 27. April 2023, 09:14

            ??? Die Alliierten haben haben Militärgüter im höheren Milliardenbereich dem afghanischen Staat übergeben. Dazu wurde vielen Ausreisewilligen geholfen.

            So sieht ausplündern aus? Interessant. Mal schauen, was die Russen zurücklassen…

            • cimourdain 27. April 2023, 13:26

              Auch die Russen haben bei ihren Rückzügen reichlich Militärgüter zurückgelassen … Das ist nur für die Entwicklung eines Landes eher kontraproduktiv.

  • Stefan Pietsch 26. April 2023, 11:24

    a) Maßlose Rhetorik, mal wieder, siehe auch Spiegel. Aber die Debatte über die Letzte Generation ist eh nur noch bescheuert, siehe auch hier.

    Wieso reden wir eigentlich dauernd über Kriminelle und ihre Motive, statt sie einfach wegzusperren? Gemäß der Begründung dieser linken Bourgeoisie protestieren ja Steuerhinterzieher auch nur gegen die Ungerechtigkeiten des Steuersystems. Zeit, solche in Talkshows einzuladen und ihre Motive zu ergründen.

    Ich wüsste auch nicht, was das Fällen von Bäumen, die Beschädigung von Kunstwerken und das Besprühen von Luxusläden mit dem Klimawandel zu tun hätte. Doch die ÖR laden jede Woche die „Sprecher“ von Kriminellen, die für niemanden als sich selbst stehen, in Sendungen ein, die mit öffentlichen Geldern zwangsfinanziert sind, während gewählte Politiker z.B. der AfD selten zu Wort kommen, obwohl sie ganz sicher berechtigte Anliegen haben.

    Für jede Dämlichkeit findet sich heute eine kluge Begründung. Leider folgen einige naiv diesen Begründungen.

    g) Die CDU vollzieht den lange überfälligen Schwenk in der Steuerpolitik und setzt sich jetzt für höhere Spitzensteuern ein. Viele der Vorschläge klingen für mich grundsätzlich sinnvoll, auch wenn die Behauptung, die Abschaffung des Solis helfe „der Mitte“ totaler Quatsch ist.

    Der Soli ist verfassungsrechtlich fragwürdig. Die CDU macht zum Grundsatz, was Wolfgang Schäuble bereits vor über 10 Jahren als Finanzminister vorgeschlagen hat, nämlich den Soli in den Steuertarif einzuarbeiten.

    Der Soli muss weg.

    i) Als Nachtrag zur Döpfner-Debatte.

    Was für eine Döpfner-Debatte? Eine Zeitung hat private Mitteilungen publiziert. Das ist ein medienpolitischer Skandal, richtig.

    • Thorsten Haupts 26. April 2023, 11:50

      Wieso reden wir eigentlich dauernd über Kriminelle und ihre Motive, statt sie einfach wegzusperren? Gemäß der Begründung dieser linken Bourgeoisie protestieren ja Steuerhinterzieher auch nur gegen die Ungerechtigkeiten des Steuersystems.

      Sehr zutreffend. Linke – einer meiner Hauptkritikpunkte – waren immer nur solange für den Rechtsstaat, wie sie kriminelle Handlungen nicht für „moralisch gerechtfertigt“ hielten. Die moderne Form inverser Selbstjustiz.

      • Stefan Sasse 26. April 2023, 12:21

        Ist bei euch auch nicht anders. Darf ich an Stefans Begeisterung für Kubickis Rechtsbrüche erinnern? Oder sein endloses Verständnis für Steuerhinterziehungen? Wie war das noch mit der menschlichen Natur, die du jüngst angesprochen hast…?

        • Stefan Pietsch 26. April 2023, 13:26

          Es gibt keinen einzigen Kommentar, keinen Artikel, in dem ich je auch nur ein Mindestmaß an Verständnis, von Begeisterung ganz zu schweigen, für Steuerhinterzieher geäußert hätte. Das ist eine wiederholte Lüge von Dir.

          Kubicki hat nach der damaligen Rechtslage eine Ordnungswidrigkeit begangen. Das ist keine Straftat. Das ist wie Steuererklärung verspätet abgegeben, öffentlich bauchfrei getragen, keinen Personalausweis mit sich geführt. Es sind Verstöße gegen Regeln, die nicht wesentlich sind und von fast jedem Bürger das ein oder andere Mal begangen werden. Sie schädigen nicht wirklich. Es macht niemanden zu einem Kriminellen.

          Ganz anders verhält es sich bei Straftaten, die eben nur wenige begehen, die nicht aus Versehen, Unachtsamkeit oder Ignoranz passieren, sondern mit voller Absicht andere massiv schädigen wollen.

          • cimourdain 27. April 2023, 08:50

            „Es gibt keinen einzigen Kommentar, keinen Artikel, in dem ich je auch nur ein Mindestmaß an Verständnis, von Begeisterung ganz zu schweigen, für Steuerhinterzieher geäußert hätte.“

            2018 zeigten Sie jedenfalls mehr Verständnis für die Hinterzieher denn für die Verfolger:
            https://www.deliberationdaily.de/2018/03/der-abgang-der-steuerfahnder-und-die-frage-nach-no-tax-areas/

            • Stefan Pietsch 27. April 2023, 09:08

              Ich zeigte Verständnis für Hinterzieher? Wo denn?! Schon gar nicht habe ich einen Bezug zur Höhe der Besteuerung hergestellt.

              Doch der intensive Informationsaustausch zwischen den OECD-Staaten und eine hohe Quote von Selbstanzeigen seit dem Auftauchen der Steuer-CDs haben den Markt für solche Formen der staatlich geförderten Hehlerei ausgetrocknet, spektakuläre Funde waren zuletzt nicht mehr zu vermelden. Da mussten schon die Durchstechereien der sogenannten Paradise Papers zum Skandal herhalten. Diese hatten allerdings einen gravierenden Nachteil: im Grunde enthielten die Leaks nur private und vertrauliche Finanzdaten von Prominenten über legale Geschäfte. Die Öffentlichkeit kümmerte dies jedoch wenig, über die illegalen Machenschaften der Datendiebe wurde nicht diskutiert.

              Es ist schon erstaunlich, wenn politische Schichten, die sich über Datenkraken wie Google, Amazon und Facebook erregen können und bei jedem neuen Sicherheitsgesetz die Ausspähung unschuldiger Bürger befürchten, so gar nichts dabei finden, wenn wohlhabende Menschen an den Pranger von Medien, Twitter und Social Networks gestellt werden. Dabei verpflichtet die deutsche Abgabenordnung die Bürger nur, sämtliche relevanten Informationen offenzulegen, die für eine ordnungsgemäße Besteuerung erforderlich sind. Daten und Informationen, die nicht erforderlich sind, dürfen verschwiegen werden. Dabei kennt das Gesetz auch keine Umkehrung der Beweislast, dass nämlich der Steuerzahler nachweisen müsste, dass Informationen vorenthalten werden, die einen steuerlichen Sachverhalt begründen.

              Es ist daher für rechtsstaatlich denkenden Menschen mehr als verstörend, wenn der Steuerstaat sich anmaßt, sozusagen prophylaktisch geheuerte IT-Leute dafür zu bezahlen, dass sie sich arbeitsvertragswidrig und den Fiskus in den Besitz von Daten bringen, die ihn zumindest teilweise nicht das Geringste angehen. Die Steuerfahndung Wuppertal spielte in diesem halbseidenen Handel eine höchst umstrittene Rolle. Von den einen verehrt, von den anderen breit gefürchtet, hatten sich die NRW-Beamten darauf spezialisiert, die Steuerdaten von Millionen Bürgern ohne Anlassverdacht abzugleichen. Große Bekanntheit erlangte die Abteilung des Düsseldorfer Finanzministeriums, als am 14. Februar 2008 der Postchef Klaus Zumwinkel wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in Millionenhöhe vor laufenden Fernsehkameras abgeführt wurde. Zumwinkels Bilderbuchkarriere war auf einen Schlag beendet, das Verfahren endet mit einer zweijährigen Bewährungsstrafe.

              Da steht kein Wort, kein Satz, wie Sie es behaupten.

              • Dennis 27. April 2023, 11:15

                Zitat Stefan Pietsch:
                „Es ist daher für rechtsstaatlich denkenden Menschen mehr als verstörend, wenn der Steuerstaat sich anmaßt, sozusagen prophylaktisch geheuerte IT-Leute dafür zu bezahlen, dass sie sich arbeitsvertragswidrig und den Fiskus in den Besitz von Daten bringen, die ihn zumindest teilweise nicht das Geringste angehen. Die Steuerfahndung Wuppertal spielte in diesem halbseidenen Handel eine höchst umstrittene Rolle.“

                Umstritten ist so gut wie alles in der Welt, das sagt erstmal gar nichts. Für den „rechtsstaatlich denkenden Menschen“ ist das deswegen keineswegs verstörend, weil das hier angesprochene Fahndungsverfahren von den Gerichten nicht beanstandet wurde. Es besteht also eine rechtsstaatliche Absicherung. „Für den rechtsstaatlich denkenden Menschen“ ist also sachlich falsch. Es müsste richtig heißen: Für mich.

                Dass Sie den Handel als „halbseiden“ bezeichnen ist Ihr gutes Recht, entspricht aber nicht der gerichtlichen Beurteilung. Es spricht auch nichts dagegen, dass Ihre persönliche Meinung nicht der Rechtslage entspricht, nur sollte man das nicht verwischen.

                • Stefan Sasse 27. April 2023, 13:04

                  +1

                • Stefan Pietsch 27. April 2023, 13:57

                  Der Vorgang war zwischen den staatlichen Institutionen ob der rechtlichen Dimension umstritten.

                  Es ging um den Vorwurf, ich hätte mich wohlwollend zu Steuerhinterziehung geäußert oder Sympathie gezeigt. Das konnte nicht belegt werden, trotz dieses Versuchs.

        • CitizenK 26. April 2023, 16:27

          Du darfst auch (nochmal) an die Sufragetten erinnern, an die sansculottes, Friedrich Hecker und die Matrosen von Kiel. Alles Kriminelle nach den Gesetzen ihrer Zeit.

          • Stefan Pietsch 26. April 2023, 16:43

            Wir leben in einem demokratischen Rechtsstaat. Dieser funktioniert nach Regeln. Regeln, die gemeinsam, demokratisch und rechtsstaatlich festgelegt wurden und ständig überprüft werden.

            Innerhalb dieser Regeln ist alles erlaubt. Wer aber meint, außerhalb der Regeln spielen zu müssen, kann weder auf die Toleranz der Gemeinschaft noch auf historische Vorbilder verweisen. Es ist klar, dass die Klimaaktivisten in Zeiten der Diktatur und des vordemokratischen Zeitalters zurück wollen. Die große Mehrheit dieses Landes will das nicht. Und deswegen muss sich dieser Staat auch mit allen Mitteln gegen die Feinde unserer Ordnung und Liberalität zur Wehr setzen, egal ob es selbsternannte Reichsbürger oder selbsternannte Klimaaktivisten sind.

            Gibt es da wirklich zwei Meinungen?

            • CitizenK 26. April 2023, 20:45

              Feinde? Sie setzen die Kleber auf eine Stufe mit Putschisten, die dem demokratischen Rechtsstaat mit Waffengewalt zerstören wollen?
              In Deutschland wird jeden Tag tausendfach das Verkehrs-Recht gebrochen: Gehwege zugeparkt, auch an gefährlichen Ecken, Feuerwehrzufahrten blockiert. Menschen behindert, Leben gefährdet. Folgenlos. Aber Kleber kriegen 4 Monate ohne Bewährung. Maßstäbe? Verhältnismäßigkeit?

              • Stefan Pietsch 26. April 2023, 21:55

                Feinde. Erpressung und Nötigung von Staatsorganen, Beseitigung der verfassungsrechtlichen Ordnung, Androhung von Straftaten. Ja, Feinde.

                Bewährung wird im Strafrecht nur gegeben, wenn Aussicht auf Besserung besteht. Wenn jemand ankündigt, die Straftat dauernd zu wiederholen – wie soll da noch eine Bewährung begründet werden? Wiederholungstäter bekommen normalerweise keine Bewährung, egal ob sie eine Haftstrafe von 1 Monat oder 2 Jahre zu erwarten haben.

                Falsch parken ist eine Ordnungswidrigkeit. Wenn Sie wünschen, dass solche Vergehen zu einer Straftat hochgestuft werden, dann sagen Sie das. Und vergleichen nicht schwere Straftaten (Nötigung, Behinderung von Rettungsfahrzeugen, Erpressung) mit Ordnungswidrigkeiten. Übrigens: Meiner Erinnerung nach wollen Sie die Erschleichung von Beförderungsentgelten (Diebstahl) zu einer Ordnungswidrigkeit wie falsch parken runtergestuft wissen.

                Und mit Verlaub, ich finde es ungeheuerlich und eines ordentlichen Bürgers unwürdig, sich für Kriminelle zu verwenden und Straftaten zu verharmlosen.

                • Kning4711 27. April 2023, 00:23

                  Ich rechtfertige nicht die Handlungen der letzten Generation, aber man sollte schon fair sein: Ja, da werden Strassen blockiert – aber welche Autorität hat eine Exekutive die wissentlich und vorsätzlich gegen Klimagesetz verstösst. Wenn die Politik die letzte Generation zur Rechenschaft ziehen will, nur gut. Aber ich erwarte dann von der selben Regierung sich an die geltende Gesetzeslage zu halten. Wir werden erneut erleben, dass einige Minister*innen das Klimaschutzgesetz hinsichtlich der Sofortprogramme bei Sektorzielverfehlung verletzen.

                  • Stefan Pietsch 27. April 2023, 01:47

                    Ich rechtfertige nicht die Handlungen der letzten Generation, aber man sollte schon fair sein:

                    Das sind Sie nicht. Es gibt in einer Demokratie nur einen Souverän. Das Volk. Das Volk überträgt auf Zeit einen Teil seiner Souveränität auf ein Parlament. Das Parlament beschließt alle Gesetze.

                    Wenn Sie schreiben, die Regierung würde gegen Abkommen verstoßen, ist mehrerer festzustellen (wir wollen ja fair bleiben):

                    I. Für die Feststellung von Verstößen gegen internationale Abkommen gibt es Sanktionsmechanismen und Institutionen, welche die Einhaltung von Abkommen überwachen. Und wenn ein Souverän Abkommen schließt, kann er diese auch aufkündigen. Das ist Teil von Souveränität. Wer nicht dieser Souverän ist, sind einzelne Bürger, die weder zum Beschließen von Gesetzen befugt noch zum Vereinbaren von Verträgen legitimiert sind.

                    II. Klimaaktivisten haben keine Expertise festzustellen, ob das Ziel eines Abkommens erreicht wird oder nicht. Erstens sind es Laien, zweitens ohne Überblick und drittens liegt die Zielerreichung in der (weiten) Zukunft und nicht in der Vergangenheit.

                    III. Welche Maßnahmen zur Zielerreichung geeignet sind, entscheiden nicht einzelne Bürger. Wenn sie der Meinung sind, können sie das in Wahlen zum Ausdruck bringen.

                    IV. Stimmt es schon befremdlich, wenn jemand wie Stefan (oder Sie) erklären, Staaten könnten einfache Verschuldungsregeln nicht einhalten, es wäre ihnen faktisch unmöglich, weshalb offene (festgestellte !) Vertragsbrüche hinzunehmen seien, Diskutanten, die seit Jahren zum glatten Verfassungsbruch auffordern (ebenfalls vergangenheitsbezogen) und dann frivol erklären, einzelne Bürger seien berechtigt, gegen allein von ihnen festgestellte Regelverstöße andere Bürger zu nötigen und den Staat zu erpressen.

                    Oder wie würden Sie es beschreiben, wenn einzelne Bürger dem Staat drohen, seine Verkehrsadern zu blockieren, wenn er keine Erklärung im Sinne der Sekte abgibt, und zwei Wochen später genau diesen Staat zum Hotspot ihrer Aktionen macht? Normalerweise braucht da niemand lange nachzudenken, wie man das nennt. Außer sie heißen Stefan Sasse, CitizenK oder Kning4711.

                    Eigentlich gibt es einen Grundsatz, der als nicht verhandelbar gilt: der Staat darf sich nicht erpressbar machen. Für diesen Grundsatz sind schon Menschenleben geopfert worden und selbst (Teile der) Linken hielten ihn für absolut richtig. Nur wegen diesem Grundsatz wurden die Entführten der LH Landshut 1977 unter Gewaltanwendung befreit.

                    Es ist etwas zerbrochen in diesem Land und in der Wertestruktur eines Teils des politischen Spektrums, wenn dieser Grundsatz nicht mehr unabdingbar gilt. Erpresser des Staates gehören verfolgt, verurteilt und dingfest gemacht. Und nicht mit Verständnis überhäuft.

                    Was zum Teufel denken Sie eigentlich, was das für Leute sind, die ständig quer durch die ganze Republik reisen und vor Gericht erklären, mittellos zu sein?! Was zum Teufel denken Sie, wer das ist? Besorgte Bürger?! Ich lach‘ mich tot…

                    • Kning4711 27. April 2023, 09:58

                      Diese Schärfe in der Diskussion tut ihnen nicht gut, sie machen mir einseitige Unterstellungen – der Debatte nicht förderlich. Nochmal:
                      Die Handlungen der letzten Generation sind illegal und es ist richtig, dass der Rechtsstaat die erforderlichen Mittel ergreift, das strafbare Handeln zu sanktionieren. Der aber von Politikern und einigen Medien geschürte Hass auf diese Bewegung ist aber wenig förderlich. Denn es verstellt den Blick auf die inhaltliche Debatte, wie die Erreichung der Klimaschutzziele in Deutschland gelingen kann.

                      Ein Staat darf sich nicht erpressen lassen, auch da bin ich bei Ihnen. Da ich sie als belesen kennengelernt haben, ist ihre Analogie zur Landshut-Entführung wohl nicht zufällig. Bei mir entsteht der Eindruck, dass Sie hierdurch die „Letzte Generation“ in eine Reihe mit der RAF stellen wollen. Ich möchte Ihnen aber auch nichts unterstellen.

                      Ich sehe aktuell in der Tat einige historische Parallelen zur APO Bewegung (tausche Klimaschutz gegen Notstandsgesetze, sowie einen Konflikt zwischen Jung und Alt). Auch der Ton in der Debatte und die Hysterie hat einige Parallelen. Wir sind ein starker Rechtsstaat: Wir können auch ein paar Klimakleber aushalten!

                      Was wirklich nervt in der Debatte ist die Bigotterie:
                      Die Vertreter des gleiche Rechtsstaats, die härtere Gangart gegen die Letze Generation fordern, ignorieren, angefangen durch den Bundeskanzler (hier durch Unterlassen von Führung) und seine Minister (mal mehr mal weniger vorsätzlich) eine höchstrichterlicher Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Thema Klimaschutz und unterlaufen gültiges BUNDESRECHT in Form des Klimaschutzgesetzes. Ich weiss nicht wie es Ihnen geht, aber ich habe eine Erwartungshaltung an meine Regierung, dass Sie sich an die eigenen Spielregeln hält und nicht anfängt Recht zu ignorieren, weil es unbequem ist.

                      Sie beklagen Einbußen der politischen Kultur: die sehe ich auch – nämlich bei einem Gesetzgeber der zunehmend dazu neigt unbequeme Entscheidungen nach Karlsruhe oder Brüssel zu verlagern in bester Pontius Pilatus Manier die Hände in Unschuld zu waschen.
                      Weites Feld.

                    • Stefan Pietsch 27. April 2023, 14:19

                      Ich habe hier die meisten Artikel über das Thema Klimaschutz verfasst. Ich diskutiere gerne und ausführlich. Ich diskutiere nicht, wenn nicht die Regeln des zivilen Umgangs eingehalten werden. Das ist nicht verhandelbar.

                      Vielleicht bin ich heute Nacht in der Steigerung einen Schritt zu weit gegangen. Mit Sicherheit, sorry dafür.

                      Die „Letzte Generation“ behauptet einerseits, nur noch wenig Zeit zu haben, das Kippen aufzuhalten. Ihre Ad hoc-Forderungen sind: Einführung des 9-Euro-Tickets und ein allgemeines Tempolimit. Das ist so lachhaft, da wollen wir nicht ernsthaft diskutieren, oder?

                      Gegen den Widerstand von Konservativen und Liberalen erhöht der Klimaschutzminister die CO2-Emissionen um 15-25 Millionen Tonnen. Der Minister wird von der Partei gestellt, der die Mehrheit der Wähler Kompetenz in Klimafragen zubilligt. Wenn so jemand nicht den Klimaschutz auf seine Fahnen geschrieben hat, wer dann?

                      Deutschland hat zahlreiche internationale Abkommen unterzeichnet. Doch dies ist das einzige, wo ein Milieu einen Verstoß sieht, dem nur mit „zivilem Ungehorsam“ (eine Strategie aus der Diktatur) begegnet werden könne – unter Begehung von Straftaten.

                      Der Hinweis kommt ohne Vergleich aus. Es ist ein Hinweis. Mich hat das Jahr 1977 in meinem Staatsverständnis und der Erwartung an Politiker stark geprägt. Zeichne ich mein Ideal eines Regierungschefs, dann sieht er so aus wie Helmut Schmidt. Die LG ermordet keine Menschen. Aber das haben die RAF-Terroristen auch nicht am Anfang getan. Aber sie haben früh versucht, den Staat zu erpressen.

                      Die Letzte Generation steigert ihre Gewalttaten. Das wiederum ist unbestreitbar. Und das gibt sich auch öffentlich zu. Es gibt eine große Eskalationsbereitschaft und auch eine Eskalationsstrategie. Nein, erreichbar sind Menschen nicht, die im demokratischen Staat in den Hungerstreik gehen und die sich stundenlang wortlos festkleben. Das sind Symptome einer Sekte, nicht von Aktivisten.

                      Kein Staat kann kriminelles Handeln dulden. Wenn wir Klimakleber „aushalten“, öffnen wir das Tor für andere Gruppen. Fragen Sie sich selbst: würden Sie so argumentieren, wenn die AfD zu Massenprotesten gegen die Migration aufrufen würde, die auch nicht basisdemokratisch legitimiert ist? Die Antwort ist mit Sicherheit: Nein.

                      Zu den Maßnahmen: Die Politik hat ein strenges Regime über rund 50 Prozent der entstehenden Emissionen gerollt, Zertifikatehandel genannt. In den anderen Bereichen versucht man mit Verboten und Subventionen zu hantieren, nicht sehr erfolgreich. Die Klimakleber treten für schärfere Verbote ein, also mehr von dem, was nicht gut funktioniert. Warum sollte da ein Staat mitmachen, der übrigens vielen Zielen genügen muss und nicht nur einem?

                  • Stefan Sasse 27. April 2023, 10:05

                    Das finde ich sehr problematisch. Es ist eine ganz andere Kategorie von Verstößen, die sich in meinen Augen nicht vergleichen lässt.

                    • Kning4711 27. April 2023, 10:59

                      Ich will weder vergleichen noch relativieren – Nur weil das Unterlaufen / Missachtenvon Bundesgesetzen nicht relevant ist im Sinne des Strafgesetzbuches, macht es die Missachtung weniger problematisch.

                    • Stefan Sasse 27. April 2023, 13:03

                      Ja, aber meine Kritik ist eine andere: ich finde es immer sehr problematisch, politisches Handeln zu kriminalisieren. Handle with care, quasi.

            • Dennis 27. April 2023, 08:23

              Ich empfehle mal das zur Lektüre:

              https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2011/bvg11-025.html

              Um den Einwand gleich vorwegzunehmen: Es ist richtig, dass das für die „Klimakleber“ nicht einschlägig sein muss, denn jeder Fall ist für sich abzuwägen. Weist aber darauf hin, dass die Rechtslage für die Liebhaber von schwarz/weiß und für Rosinenpicker (die Geschmäcker im Hinblick auf Rosinen wiederum sind verschieden^) problematisch sein kann.

              Leitsatz aus der o.g. Pressemitteilung:
              „Gemäß § 240 Abs. 2 StGB ist die Nötigungshandlung rechtswidrig, wenn die Anwendung der Gewalt im Verhältnis zum angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.“

              Heißt übersetzt: Eine Nötigungshandlung ist nicht immer rechtswidrig.

              • Stefan Pietsch 27. April 2023, 09:11

                Staatsorgane fühlten sich erpresst und genötigt. Die Sache liegt bei der Staatsanwaltschaft. Da ein Anfangsverdacht gegeben ist, wird die Sache überprüft.

                Nur, CitizenK akzeptiert ja nicht einmal Urteile, die sich am unteren Rand des Strafrahmens bewegen. Für ihn sind Kriminelle einfach keine Kriminellen, weil sie für die „richtige“ Sache eintreten. Das kennt der Rechtsstaat nicht.

          • Thorsten Haupts 26. April 2023, 16:47

            Sie vergleichen Fälle in historischen Autokratien mit Fällen in einem demokratischen Rechtsstaat? Danke, mehr muss ich nicht wissen.

            • Stefan Sasse 26. April 2023, 17:11

              Großbritannien um 1910 war eine Autokratie? Ist mir neu. Deutschland genauso wenig.

              Aber es gibt auch andere Beispiele. Homosexualität war in der BRD bis in die 1970er strafbar.

              • Stefan Pietsch 26. April 2023, 17:20

                … und deswegen haben Schwule massenweise Sex an öffentlichen Orten gehabt um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen? Ich habe das irgendwie anders in Erinnerung.

            • CitizenK 26. April 2023, 20:59

              Nein. Der Unterschied ist mir wohl bewusst. Ich weise lediglich darauf hin, dass in historischer Perspektive die Kriminellen von heute die Vorbilder von morgen oder übermorgen sein können – und umgekehrt. Siehe das Beispiel von Stefan Sasse: Vor wenigen Jahrzehnten Zuchthaus – heute Kriterium für Liberalität.
              In unserem demokratischen Rechtsstaat wird das potentiell Menschenleben gefährdende Blockieren von Feuerwehrzufahrten und Rettungsgassen milder bestraft (lange Zeit de facto gar nicht) als die Kleberei. Gehwegparker gefährdet Kinder und ältere Menschen – folgenlos. Nach euren Maßstäben wären das auch Kriminelle.

              • Thorsten Haupts 26. April 2023, 23:28

                Weder Stefan Pietsch noch ich haben jemals auf das Kleben abgestellt – was mich angeht, hätte ich die Leute an einigen Stellen einfach mal kleben lassen. Lange.

                Und das mit den „Kriminelle vor 50 Jahren = heutige Helden“ ist extrem dürftig, es sei denn, Sie könnten mit 100% Sicherheit sagen, was genau in 50 Jahren nicht mehr kriminell ist. Versuchte Erpressung wie Nötigung werden, da lege ich mich mal fest, strafbar bleiben. Und die dauerhaft widerholte Vertausachung einer Ordnungswidrigkeit mit einer Straftat nehme ich auch langsam übel.

                Gruss,
                Thorsten Haupts

          • Stefan Pietsch 26. April 2023, 18:38

            Nur für die, die nicht wissen, wie man in einer Demokratie Gehör für sein Anliegen schafft und seine politische Position durchsetzt:

            a) Lasse Dich für ein öffentliches Amt wählen.
            b) Gründe eine Partei, die Dein Anliegen bestmöglich vertritt und stelle sie zur Wahl.
            c) Wähle eine Partei, die Dein Anliegen bestmöglich vertritt.
            d) Überzeuge andere für die Partei zu stimmen, die Dein Anliegen bestmöglich vertritt.
            e) Engagiere Dich in Wahlkämpfen.
            f) Spende an Parteien und Organisationen, die Dein Anliegen bestmöglich vertreten.
            g) Starte Petitionen für Dein Anliegen.
            h) Organisiere Demos für Dein Anliegen.
            i) Beteilige Dich an Demos für Dein Anliegen.
            j) Engagiere Anwälte, die Dein Anliegen bis zum Bundesverfassungsgericht verfechten.
            k) Unterstütze Klagen, die Dein Anliegen verfechten.
            l) Poste im Internet für Dein Anliegen.
            m) Versende Likes für Positionen, die Deinem Anliegen nahekommen.

            Wenn das alles nichts nützt: Wandere nach China aus und klebe Dich dort auf die Straße.

            • Thorsten Haupts 26. April 2023, 23:33

              Völlig korrekt. Man nimmt den demokratischen Rechtsstaat entweder ernst oder man lässt es. Linke lassen es immer dann, wenn er ihren Anliegen im Wege steht, ungestraft und von deutschen Qualitätsmedien unterstützt, seit meinem offiziösen Erwachsenwerden. Inverse Selbstjustiz, qed.

              Gruss,
              Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 26. April 2023, 12:17

      a) Ich verstehe die Obsession mit der LG auch nicht, aber offensichtlich wird es gerade hoch und runter diskutiert. Für mich ist die Sache auch klar. Die brechen Recht, dafür gibt es Gesetze, das ist eine Sache für die Polizei, fertig. Ob man die „wegsperren“ muss weiß ich nicht, weil ich die Gesetzeslage nicht kenne. Aber ich hab wenig Sympathie.

      g) Klar, das macht intellektuell ja auch Sinn. Ich sage ja nur, das Framing als Steuererleichterung für „die Mitte“ ist Unfug, weil die zahlt ihn schon nicht mehr.

      i) Natürlich. 😀

      • Stefan Pietsch 26. April 2023, 13:17

        a) Um es sehr klar zu sagen: Vertreter der Letzten Generation haben versucht, den Staat zu erpressen.

        <emWer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zufügt, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (..) Der Versuch ist strafbar.

        Als der Hamburger Senat das Ansinnen der LG ablehnte, gemäß ihren Wünschen eine bundespolitische Erklärung abzugeben, blockierten Vertreter der Sekte über Wochen hauptsächlich Transportwege der Freien und Hansestadt Hamburg.

        Ich diskutiere nicht die Anliegen einer solchen kriminellen Vereinigung. Da verlassen wir das Feld einer zivilen Demokratie, deren Prinzipien die LG längst geräumt hat. Die übrigens die Institutionen der Demokratie beseitigen (entmachten) und durch ein diktatorisches Board mit klaren Vorgaben besetzen will. Auch das ist demokratiefeindlich.

        Aktive der Organisation rattern den Strafenkatalog des StGB herunter. Bisher geht die Justiz noch sehr zurückhaltend mit solch eklatanten Verletzungen unserer Spielregeln um. Denn auch das: Eines der Grundprinzipien unseres Strafrechts lautet, dass die Strafe mit der Wiederholung und dem Fehlen von Einsicht steigen muss. Die Aneinanderreihung von Mindeststrafen genügt diesem Anspruch nicht.

        g) Der Vorschlag sieht vor, den Mittelstandsbauch stark zu verschlanken. Das kostet eine mittleren zweistelligen Milliardenbetrag. Dies kommt hauptsächliche Mittelverdienern zugute, die heute beim 1,3fachen des Medianverdienstes in den Spitzensteuerbereich reinrutschen.

        Die Abschaffung des Soli schlägt mit 11-12 Milliarden Euro zubuche. Das wird sich der Staat nicht zusätzlich leisten können, weshalb die Gegenfinanzierung über die Erhöhung des Spitzensteuersatzes erfolgen soll – den dann allerdings nur echte Spitzenverdiener zahlen sollen. Das ist nichts anderes als eine deutliche absolute wie relative Entlastung mittlerer und unterer Einkommen zulasten von Spitzenverdienern. Die Steuerlast würde sich danach weiter nach oben verschieben. Die Aussage ist also richtig.

  • Thorsten Haupts 26. April 2023, 11:34

    Zu 1)
    Interessanter Aspekt. Bisher hatten wir gültige Erst- und Zweitstimme, beide hatten klare Konsequenzen. Selbst das hälst Du nur für jeden zweiten Wähler verständlich, richtig? Wieviele verstehen dann also vorhersehbar noch das neue Wahlrecht – man hat Erst- und Zweitstimme, aber die Erststimme zählt nur bei Vorliegen bestimmter weiterer Vosaussetzungen?

    Zu 3) und 5)
    Ankämpfen gegen die menschliche Natur ist manchmal ehrenwert, aber immer vergeblich. Genie- und Heldenkult gehört zu den Menschheitskonstanten, Fehlervertuschung ebenso.

    Zu 4)
    Wer das Nachdenken über „Privilegien“ wirklich ernst nimmt, kommt genau genommen zu nichts anderem mehr. Jede menschliche Eigenschaft, jedes menschliche Talent ist potentiell ein Privileg oder ein Malus, und das auch noch abhängig von der konkreten Situation, in der sich Mensch befindet. Was habe ich mich als junger Mann über das „Privileg“ charmanterer oder atrraktiverer Geschlechtsgenossen geärgert 🙂 .

    Darüber hinaus verwendest auch Du fälschlich leider „strukturell“ – was hiesse, in Gesetzen oder Institutionsen verankert – als Pseudonym für menschlich. Die Vorurteile, die zu Diskriminierung führen, sind die kollektiven einer Mehrheitsgesellschaft gegenüber einer Minderheit, völlig unabhängig von Gesetzen und Institutionen. Ich habe bisher niemanden getroffen, der in der Lage gewesen wäre, „strukturellen Rassismus“ anhand der existierenden Gesetze zu demonstrieren. Aber nur das wäre „strukturell“.

    Zu g)
    Ob der Schwenk „überfällig“ war, werden die Wähler entscheiden. Je nach Umsetzung dieser Reformideen in konkrete Vorschläge braucht sich die FDP möglicherweise keine Sorgen mehr um die 5% Hürde zu machen 🙂 .

    Zu h)
    Ich würde das Verkehrsministerium zu gerne den GRÜNEN geben. Wenn sie die alten „Sektorziele“ erfülen wollten, sind sie so schnell die unbeliebteste Partei der Republik, dass sie damit aus dem Bundestag fliegen.

    Zu i)
    Die BILD macht hemmungslosen Populismus gegen in der Bevölkerung unbeliebte bis umstrittene Gesetzesvorhaben? Colour me surprised! Nur – wo genau ist da der Zusammenhang mit bspw. WELT-Journalisten? Sipenhaft über Verlagszugehörigkeit?

    Zu j)
    Rentner nimmt halt niemand ernst, wenn sie die Revolution planen. Das ist im Spezialfall sicher ärgerlich, aber völlig verständlich. Daran ändert übrigens auch die Einschätzung des BGH nichts, das gar nicht nach Alter und Rüstigkeit der Beteiligten fragen dürfte, weil das Gesetz für alle gleich ist.

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 26. April 2023, 12:20

      1) Das ist ja mein Punkt: das spielt letztlich keine Rolle. Die Leute werden auch unter dem neuen Wahlrecht so wählen wie bisher: nach der bevorzugten Partei.

      3/5) Man kann die menschliche Natur nicht ändern, aber man kann bestimmte Verhalten unterdrücken und andere fördern. Und das sollte man auch tun.

      4) Moment: du hast Recht, dass es rein menschliche Privilegien gibt (und ja, Charme und gutes Aussehen sind auch welche, klar), aber es gibt eben auch strukturelle. Wenn ich die nicht sauber trenne, weis mich gerne darauf hin.

      g) Inwiefern?

      i) Weil Döpfner bekanntlich der BILD eine solche Berichterstattung vorschrieb?

      j) Ja eben.

    • Ariane 26. April 2023, 17:39

      Wer das Nachdenken über „Privilegien“ wirklich ernst nimmt, kommt genau genommen zu nichts anderem mehr.

      Ja zu deinem ersten Punkt, im zweiten muss ich dir aber widersprechen. Strukturell heißt in diesem Kontext eben nicht „qua Gesetzeskraft“, sondern eher „flächendeckend“.
      Bekanntes Beispiel ist, dass irgendwie ausländisch aussehende Leute zigmal häufiger von Polizei, Schaffnern, ähnlichen Personen kontrolliert werden. Steht in keinem Gesetz, sondern „passiert einfach“

      Ergo haben weiße Menschen hier in Deutschland ein Privileg. Dass uns btw meistens wirklich erst auffällt, wenn wir mit anders aussehenden Menschen unterwegs sind, oder bewusst drüber nachdenken. Aber für andere ist es nicht so normal wie für mich, die noch nie im Leben anlasslos kontrolliert wurde.

      • Stefan Pietsch 26. April 2023, 18:35

        Ergo haben weiße Menschen hier in Deutschland ein Privileg.

        Ähm, nein, wieso?

        Wenn Du schon beim Gruppendenken bist, dann bitte konsequent. „Nicht-Weiße“ weisen in Deutschland eine wesentlich höhere Neigung zu Kriminalität und Gewalt auf. Es gehört damit zum Gruppenrisiko, das gesellschaftlich kontrolliert werden muss.

        Du kannst nicht einerseits Menschen zu Benachteiligungsopfern erklären, weil sie Gruppenmerkmale aufweisen, und andererseits die negativen Gruppenerscheinungen ausblenden. Und tatsächlich werden Menschen mit bestimmten äußeren Merkmalen von der Polizei nicht wegen rassistischer Gründe häufiger kontrolliert, sondern wegen des Gruppenmerkmals „Kriminalität“.

        Ich ärgere mich umgekehrt jedesmal am Flughafen, wenn ein 80jähriger im Rollstuhl mit der gleichen Intensität kontrolliert wird wie ein 22jähriger mit arabischem Äußeren.

        Darüber hinaus ist eine Kontrolle noch längst keine Benachteiligung und eine Nicht-Kontrolle noch kein Privileg. Wenn Du das anders sehen solltest, so müssen wir konstatieren, dass Einkommensreiche offensichtlich in Deutschland diskriminiert werden, weil sie weit häufiger von den Steuerbehörden kontrolliert werden.

        Du kannst nicht alles haben.

        • Ariane 26. April 2023, 18:46

          Vielleicht guckst du vorher nochmal ins Gesetz und wirst dort sehen, dass es illegal ist, Menschen aufgrund Ihrer Hautfarbe ohne Verdacht zu kontrollieren.

          Das Einhalten des Gesetzes war dir doch gerade noch so wichtig und darf nicht relativiert werden?

          Das Gruppenmerkmal Kriminalität mit der Hautfarbe zu verknüpfen finde ich übrigens sehr problematisch. Das passiert dir nicht und natürlich! ist das ein Privileg

          • Stefan Sasse 26. April 2023, 18:55

            Ich sag es immer wieder: Einhalten von Gesetzen ist immer dann wichtig, wenn man das Gesetz mag, und total flexibel handhabbar, wenn man es nicht so mag.

            • Stefan Pietsch 26. April 2023, 21:56

              Du hast noch nie eine Ordnungswidrigkeit begangen? Oder bist Du ein Heuchler?

              • Stefan Sasse 27. April 2023, 10:01

                Klar, aber ich feiere das nicht als Höhepunkt der liberalen Idee.

                • Stefan Pietsch 27. April 2023, 14:01

                  Ordnungswidrigkeiten passieren. Straftaten nicht, sie bedürfen des Bewusstseins, des Wollens und der kriminellen Energie.

                  • Stefan Sasse 27. April 2023, 18:33

                    Lindner ist es passiert. Kubicki ist es nicht „passiert“. Er hat es laut und öffentlich geprotzt.

          • Stefan Pietsch 26. April 2023, 19:24

            Du erklärst Benachteiligungen mit Gruppenmerkmalen.

            Bitte erkläre Deine Position anhand des von mir vorgegebenen Beispiels Einkommen. Wenn ich nicht im Verdacht stehe, Steuern zu hinterziehen, warum ist es dann gerechtfertigt mich stärker als andere zu kontrollieren?

            Hinweis: Gruppenmerkmal als Begründung ist nicht zulässig.

            • Ariane 26. April 2023, 21:13

              Nur weil dir mein Beispiel nicht passt, wäre es nett, von mir nicht Erklärungen zu deinem Lieblingsthema zu verlangen. Ich hab keine Ahnung, wie Steuerkontrollen funktionieren oder ausgewählt werden. Daher hatte ich ja ein anderes Beispiel.

              Hinweis: Gruppenmerkmal als Begründung ist nicht zulässig.

              Ok, das ist jetzt unfreiwillig komisch.

              • Stefan Pietsch 26. April 2023, 21:48

                Es geht nicht um ein spezielles Beispiel. Es geht darum, Dein Prinzip deutlich zu machen. Oder einfach so rumzudenken.

                Du sagst, eine Kontrolle sei eine Benachteiligung. Nun ist mir schon nicht klar, worin konkret der Nachteil durch eine Kontrolle bestehen soll. Diese Einschätzung akzeptieren wir nirgends sonst. Wenn ich irgendwo meinen Personalausweis vorzeigen muss, erleide ich dadurch keinen Nachteil.

                Du sagst, Menschen nach einem Gruppenmerkmal zu unterscheiden, und ihnen daraufhin einen Nachteil (Kontrolle) zuteil werden zu lassen, sei nicht statthaft. Doch wir unterscheiden ständig Menschen nach Gruppenmerkmalen: Privat- / Gesetzlich versichert, Notfall / Standard, bei der Einreise nach Herkunft, Verwandschaftsgrad, Vertragsverhältnis usw. Warum ist das eine in Ordnung, das andere nicht?

          • Thorsten Haupts 26. April 2023, 21:59

            Sorry, aber natürlich passiert ihm das. Wohlhabender weisser Mann = Steuerhinterzieher ist geradezu ein Klischee. Bekannt durch hunderte einschlägiger Filme im ÖRR. Wollt Ihr – Stefan und Du – offenbar nicht sehen oder zählt nicht als Gegenbeispiel. Zur Kenntnis genommen.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

            • Stefan Sasse 27. April 2023, 10:02

              Steuern hinterziehen ist ohne Reichtum auch echt schwer. Das ist zwangsläufig ein Delikt der oberen Schichten. Und der Verweis auf den ÖRR ist echt seltsam.

              • cimourdain 27. April 2023, 13:50

                Frage der Perspektive: Schwarzarbeit ist definitiv ein Steuerhinterziehungsdelikt ‚der unteren Schichten‘. Ebenso Bannbruch (im kleinen, persönlichen Rahmen).

                • Stefan Sasse 27. April 2023, 18:32

                  Ok, das stimmt natürlich. Schwarzarbeit wird in dem Kontext üblicherweise nicht diskutiert.

          • Thorsten Haupts 26. April 2023, 22:06

            Warum ist es illegal, WENN die Hautfarbe mit einer höheren Kriminalitätsrate einhergeht? Das scheint mir in Deutschland nach den Kriminalitätserhebungen nachweisbar – also, warum ist und sollte es illegal sein?

            • Ariane 26. April 2023, 22:39

              Müssen wir jetzt tatsächlich diskutieren, dass es dem Staat – hier der Polizei – nicht erlaubt ist, jemanden aufgrund seiner Hautfarbe zu benachteiligen?
              Ich finde es schon erheblich problematisch, wenn ihr hier meint, Ausländer seien halt krimineller. Aber – Breaking News – der Staat und die Staatsmacht dürfen das nicht.

              • Stefan Pietsch 27. April 2023, 01:30

                Du hast immer noch nicht die Benachteiligung erklärt. Wir warten. Wer einen öffentlichen Platz besucht, auf dem die Polizei patrolliert, wird benachteiligt. Is‘ klar.

              • Thorsten Haupts 27. April 2023, 09:58

                Nein, müssen wir nicht. Es ist offenbar illegal, case soweit closed. Das ändert nichts an meiner Frage nach dem „Warum“. Ich verlange, Staatsresourcen da einzusetzen, wo sie am meisten Nutezn bringen. Kontrollen auf Kriminalität bei 90jährigen Omas sind ethnienunabhängig ziemlich sinnlos, also werden sie (gruppenbezogenes Merkmal!) unterlassen. Nach der Kriminalitätsstatistik sind bestimmte ethnische männliche Gruppen jüngerer Alterskohorten auffällig häufiger in bestimmten Delikten vertreten, als weisse Deutsche. WARUM also darf ich das bei Kontrollen nicht berücksichtigen?

                Gruss,
                Thorsten Haupts

            • Stefan Sasse 27. April 2023, 10:02

              Weil racial profiling halt nicht erlaubt ist.

              • Stefan Pietsch 27. April 2023, 14:00

                Ariane hat behauptet, Kontrollen seien eine Benachteiligung. Obwohl der Anspruch heruntergesetzt wurde, könnt Ihr weder argumentativ Eure Position untermauern noch allgemein zu anderen gesellschaftlichen Gruppen (z.B. Steuerprüfungen) begründen.

                • Ariane 27. April 2023, 15:31

                  Ich habe behauptet anlasslose Kontrollen anhand der Ethnie sind nicht nur eine Benachteiligung, sondern auch illegal. Das ergibt sich aus dem Grundgesetz.

                  Das betrifft weder Kontrollen generell noch Eingruppierungen in Kategorien generell. Zu Steuerkontrollen kann ich wenig sagen, weil meine Kenntnisse da sehr begrenzt sind, außer dass Selbständige häufiger kontrolliert werden, aber die geben auch ganz andere Erklärungen ab als Angestellte.

                  Hab bisschen den Überblick verloren, das betrifft auch Thorstens Einwand. Ethnien genauso wie Religion u.a. Dinge sind im GG besonders geschützt. Einkommen übrigens nicht, wenn wir das plötzlich als Nachteil und nicht als Privileg sehen.
                  Bei Kriminalität wäre es zum Beispiel problemlos möglich, Kontrollen nach Stadtteil/regionalem Gebiet zu erhöhen, was ja auch passiert. In St. Pauli (?) und einigen anderen Gebieten gibt es zb auch Sonderzonen, mit Extra-Regeln, was Waffen angeht usw. Also das heißt im Umkehrschluss nicht, dass Kontrollen irgendwie sinnlos gleichmäßig verteilt werden, man nimmt dann halt Kriterien, die nicht mit dem Grundgesetz im Konflikt stehen.

                  Um mal ein Beispiel zu nehmen, das hier alle außer mich betrifft. 95% der sexuellen Straftaten gehen von Männern aus. Wäre ich der Staat dürfte ich von GG wegen auch nicht behaupten (und anlasslos kontrollieren), dass ihr Kommentatoren hier alle Sexualstraftäter seid. Sagt ja die Statistik. Das ist im Umkehrschluss mein Privileg, dass mich niemand für einen Sexualstraftäter behält.
                  Persönlich sagt das nur weder über euch noch über mich was aus, denn natürlich könnte trotzdem ich hier die einzige Sexualstraftäterin sein und ihr nicht. Aber das Beispiel zeigt die Unterschiede vielleicht klarer auf.

          • Stefan Pietsch 26. April 2023, 22:18

            Stefan hat hier vor ein paar Tagen geschrieben, allein die Benennung von Fakten wäre noch keine Diskriminierung.

            • Ariane 26. April 2023, 22:45

              Ausländer sind nun mal kriminell ist ein Fakt?

              • Stefan Pietsch 27. April 2023, 01:28

                Ich habe nun mehrmals auf Deine Vorhaltungen geantwortet, während Du es ausdrücklich (!) nicht für nötig befindest, auf meine Fragen und Argumente zu antworten. So funktioniert keine Debatte, Ariane. Wenn Du Dich als moralische Instanz siehst – die, nebenbei bemerkt anscheinend nicht fähig ist, ihre Prinzipien darzulegen, schon gar nicht widerspruchsfrei – und mich als Angeklagten, dann sind wir hier am Ende. Gute Nacht noch.

  • Thorsten Haupts 26. April 2023, 16:53

    Zu 1)
    Bei den – Deinen Worten folgend – 50% der informierten Wähler spielte Erst- und Zweitstimme nach meiner Beobachtung eine ziemlich erhebliche Rolle.

    Zu 4)
    Auch wenn es mich nach Jahren ermüdet – welche „Privilegien“ sind strukturell, also in Gesetzen und Institutionen verankert? Ich höre.

    Zu g)
    Weil die FDP damit die einzige Partei verbleibt, die zumindest laut Programm noch prinzipiell gegen Steuerhöhungen ist.

    Zu i)
    Wo ist der Unterschied zwischen der BILD-Berichterstattung VOR und NACH einer Intervention von Döpfner?

    Gruss,
    Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 26. April 2023, 17:11

      1) Ich weiß nicht, worauf du rauswillst.

      g) Prinzipien sind wertlos, wenn sie völlig unflexibel machen.

      i) Kaum zu sehen, was übrigens im Podcast von mir auch angesprochen wird.

      • Thorsten Haupts 26. April 2023, 21:00

        Höfliche Nachfrage: Kommt noch was zu 4?

        • Stefan Sasse 27. April 2023, 10:01

          Ich bin gerade am Überlegen ob ich nen eigenen Artikel draus machen, aber ich hab grundsätzlich das Gefühl, das eigentlich ständig zu diskutieren. Wir haben halt einen Dissens über die Existenz.

  • Ariane 26. April 2023, 17:25

    1) In allen Details das Sitzzuteilungsverfahren verstehen“ tun ja die meisten Expert*innen nicht. Da scheint mit das BVerfG in Gefahr, ein völlig wirklichkeitsfremdes Urteil zu fällen.

    Himmel Hilf! Ich stimme dir zu, dass vermutlich schon etliche Wähler nicht alle Grundzüge einer Wahl verstehen. Und diese halte ich eigentlich auch für völlig ausreichend (man muss sie ja nicht kennen, man kann seine Entscheidung natürlich auch würfeln).
    Aber wer kommt denn bitte auf die Idee, der Wähler soll dann bitte auch noch sämtliche Winkelzüge der Sitzzuteilung verstehen? Warum? Da hat er doch auch gar keinen richtigen Einfluss mehr drauf.

    3) Genies
    Guter Artikel von Franzen! Und ich fang gar nicht erst damit an, dass mind. 98,85% der „öffentlich anerkannten Genies“ Männer sind.

    Es ist tatsächlich die Überhöhung soziopathischen Verhaltens, das man andernfalls niemals durchgehen lassen würde.
    Ich wäre schon so großzügig und würde sagen, es beginnt eher mit exzentrischem Verhalten und die soziopathischen Züge kommen erst später, oder werden später bekannt. Theoretisch könnte es ja auch nette Genies geben. Eh ne komische Sache, dass man Genies wohl nur bei Kunst und neuerdings Techkram findet.

    Aber ja, ich bin eh viel zu links als dass ich die Idee eines Genietums mit Anbetung und Sonderprivilegien ansatzweise gut finden könnte.

    4) a propos Sonderprivilegien:

    Ich bin nicht so begeistert davon, wie das Thema in aktivistischen Kreisen behandelt wird. Dabei droht die Debatte ähnlich gelähmt zu werden wie bei „Privilegienleugnern“

    Ich finde übrigens, es hat viel Ähnlichkeit wie mit dem Punkt über Objektivität und Neutralität, den wir auch im Podcast kurz hatten. Wenn man ernsthafte Diskussionen führen will, muss man sich mMn erstmal von dem absoluten Standpunkt lösen, dass es so etwas wie reine Objektivität oder hier eben eine Welt ohne Privilegien für irgendjemanden oder auch Menschen ohne diskriminierende Gedanken gibt.
    Sonst hat man eine abstrakte Debatte über eine Fake-Realität, in der keine Menschen, sondern Roboterwesen ohne Kontakt mit ihrer Umwelt leben.
    Und das ist mühsam und fruchtlos, weil die Menschen und die Welt leider Gottes anders funktionieren.

    e)
    Etwas untergegangen, Bremen ist ja auch kleiner als NRW: Aber hier ist gerade aufgeflogen, dass unter etliche Abiprüfungen eine Note gesetzt wurde, ohne dass die je korrigiert worden sind. (hoffentlich eine 1, die bleibt nämlich bestehen)

    https://www.spiegel.de/panorama/bildung/bremen-lehrer-winken-50-abiklausuren-ohne-gutachten-durch-a-f199feeb-a338-4458-b021-e091585a578a

    • Stefan Sasse 26. April 2023, 18:54

      1) 3) 4) Yes yes es

      e) Krass

    • cimourdain 27. April 2023, 12:04

      „Und ich fang gar nicht erst damit an, dass mind. 98,85% der „öffentlich anerkannten Genies“ Männer sind.“ Das ist verständlich, ‚Genius‘ ist ein römischer Schutzgeist, über den nur(!) Männer verfügen und der vor allem für die Zeugungsfähigkeit verantwortlich ist.

      „Eh ne komische Sache, dass man Genies wohl nur bei Kunst und neuerdings Techkram findet.“ Insgesamt hat es da eine Begriffserweiterung und -verschiebung gegeben. In der Neuzeit war mit „Genie“ künstlerisches Talent und Schaffenskraft gemeint, nach der wissenschaftlichen Revolution wurde das auf Universalgelehrte und Wissenschaftler erweitert (Das ist bis heute die stärkste Assoziation, den meisten kommt bei dem Begriff zuerst Einstein in den Sinn). Ende des 20. Jahrhunderts, als IQ-Tests in Mode kamen, wurde einfach jede*r mit hohem formal gemessenen IQ zum ‚Genie‘ erklärt (Mensa-Verein).

      • Ariane 27. April 2023, 15:37

        ‚Genius‘ ist ein römischer Schutzgeist, über den nur(!) Männer verfügen und der vor allem für die Zeugungsfähigkeit verantwortlich ist.

        Großartig danke! Das passt ja wie die Faust aufs Auge!

        Die weiteren Ausführungen sind auch sehr interessant und passen ja irgendwie dazu, das sind ja doch sehr männlich konnotierte Themengebiete. Und zumindest bei Musk scheint mir sowohl Verehrung als auch Abarbeitung an seinem Genius ein eher männliches Phänomen (obwohl das verzerrt sein könnte, weil Twitter und Medienzirkus (gerade in Techdingen) natürlich eh einen Männerüberschuss hat).

      • Thorsten Haupts 28. April 2023, 14:05

        ‚Genius‘ ist ein römischer Schutzgeist, über den nur(!) Männer verfügen …

        Ja logisch, was denn sonst ????

  • cimourdain 27. April 2023, 09:44

    1) i)Normenklarheit ist ein Teil des Rechtsstaatsprinzips. Es muss auch in komplizierten Bereichen einem ‚verständigen Laien‘ möglich sein, Rechtsaussagen zu kontrollieren. Dein Fundstück b) ist ein gutes Beispiel dafür.
    ii) Sozialwahltheorie ist gespickt mit Paradoxa (negatives Stimmgewicht, Alabama-Paradoxon) Die Mathematik sagt (Arrow-Theorem), dass diese sich nicht vollständig beseitigen lassen.
    iii) [persönliche Anmerkung] Die Bundestagswahlen sind sowieso der „Anfängerhügel“ unter den Wahlen. Bei der letzten Kommunalwahl konnte ich 80 Stimmen auf einem stadtplangroßen Wahlzettel verteilen (selbstverständlich mit kumulieren und panaschieren)

    2) Die Ukraine war vor dem Krieg der ärmste Staat Europas. Jetzt sind sie auch ohne die Kriegskosten komplett von westlicher Unterstützung abhängig, ansonsten wären sie komplett zahlungsunfähig. Moodys rechnet beim besten Szenario ähnlich wie der IWF mit einem jährlichen Finanzbedarf von 40 Mrd USD. Selbstverständlich wird das Land nach Ende des direkten Krieges fallen gelassen. [Zynische Theorie]: Da es primär um die Schwächung Russlands geht, ist ein politisch radikalisierter Failed state an dessen Westgrenze gewollt und geplant.

    3) Ohne jetzt über die Legitimität „genialer Geschäftsleute“ zu diskutieren, im kreativen Bereich ist die Neigung zur Gesinnungs- und Charakterprüfung unglaublich schädlich. Ich jedenfalls möchte die Werke herausragender Musiker oder Regisseure genießen, da interessiert es mich nicht, wer eine toxische Persönlichkeit oder fragwürdige politische Ansichten hat und um strafrechtlich relevante Fragen soll sich ein Gericht kümmern.

    4) Diejenigen die ‚check your privilege‘ fordern, sind selbst hochprivilegiert in Bezug auf soziale Herkunft, Bildung, und Kommunikationsmöglichkeiten – sehr relevante Faktoren in unserer Gesellschaft. Diese Privilegien stellen sie aber eben nicht selber in Frage, sondern stellen ihre Forderungen aus dem Weltbild des eigenen sozialen Milieus heraus.
    Konkretes Beispiel Genderstern: Dieser macht für Leser, die auf einfache Sprache angewiesen sind, das Textverständnis deutlich schwieriger. Das wird aber von denjenigen, die ihn diskutieren, gar nicht bemerkt, weil es in ihrem Weltbild (dem einer Bildungs- und Kommunikationsoberschicht) gar nicht vorkommt.

    a) In diesem Artikel wird die „Letzte Generation“ mit den Suffragetten verglichen. In meinen Augen eine bemerkenswert zutreffende Analogie.
    https://www.telepolis.de/features/Klima-RAF-oder-Suffragetten-von-heute-8978697.html

    e) Unglaublich schlechtes Timing. In diesem Kontext (im t-online Link steht „Prüfungspanne in NRW“ sogar als Stichwort in der Oberüberschrift) klingt das verdächtig nach „wir sind nicht fähig, es richtig zu organisieren, also lassen wir es besser ganz“

    • Stefan Sasse 27. April 2023, 10:09

      1)
      i) Kann ich aber doch.
      ii) Ja.
      iii) Ja, das ist auch nicht eben verständlich und offensichtlich demokratietheoretisch kein Problem.

      2) Ne, das ist weder gewollt noch geplant. Es gibt nur eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es kommt.

      3) Kannst du ja gerne machen.

      4) Ist nicht richtig, das wird durchaus diskutiert.

      a) Ja.

      e) lol

      • cimourdain 27. April 2023, 13:21

        3) Dann hast du das Prinzip „canceln“ in seiner ursprünglichen Wortbedeutung nicht verstanden. Konkret hast du Roman Polanski erwähnt. Den Film „J’accuse“ wollte ich gerne in Kino sehen, hatte aber keines gefunden. Das liegt ein wenig an der Lockdownperiode 2020, aber andere Filme kamen im Nachhinein in die Kinos, dieser (obwohl hochprämiert) jedoch nicht.

        4) In meiner (Mainstream-Medien) Filterblase anscheinend zu leise. Hast du da einen guten Link (nicht Twitter)?

        • Stefan Sasse 27. April 2023, 18:32

          4) Müsste ich jetzt auch googeln, aber ich hab das Argument immer wieder gelesen. Die Studienlage scheint nach meinem Verständnis da aber recht uneindeutig.

  • Dennis 27. April 2023, 10:06

    Noch was zu 1) . Es ist ja noch nicht alles von allen gesagt.

    Zitat:
    „Und wo ich gerade hemmungslos dem Dunning-Kruger-Effekt fröhne: Ich halte das Verständnis der Grundaussagen für ausreichend.“

    Heißt also: Ne Wurst is halt ne Wurst. Was da so alles reingematscht wird und wie das zustande kommt, geschweige denn Tierwohl und all so was, brauch mich nicht zu interessieren.

    Zitat Stefan Sasse:
    „Welche wählende Person nämlich muss das Wahlrecht denn eigentlich verstehen?“

    Berechtigte Frage, die man auch noch erweitern könnte. Welche zu wählende Person (also Kandidaten und Kandidatinnen) muss das eigentlich verstehen? Dazu der frühere Präsident des Bundestages Lammert (vor ca. 10 Jahren):

    Zitat aus der Presse:
    „Mehr als sein halbes Leben sitzt Norbert Lammert im Bundestag. Ihm ist das aktuelle Wahlrecht ein Dorn im Auge. Und er findet: Kaum ein Abgeordneter könne „unfallfrei“ die Mandatsberechnung erklären.“

    „Karlsruhe“ wiederum sah sich bei einer früheren Entscheidung genötigt, ein mathematisches Gutachten zu bestellen, bei einem Prof. Hesse, Ph.D. (Harvard), Uni-Institut (Mathe-Fakultät) Stuttgart, Institut für Stochastik (übersetzt: Ratekunst^) und Anwendung. Online finde ich da Ding jetzt nicht, aber man liest im Kleingedruckten (eigentlich ist da alles kleingedruckt^) den interessanten Satz:

    Zitat:
    Unmöglichkeitstheorem: Es gibt kein Sitzzuteilungsverfahren, das gleichzeitig die Quotenbedingung und die Monotonie-Bedingung erfüllt.
    Das bedeutet unter strengen Qualitätsmaßstäben: Ein perfektes Sitzzuteilungsverfahren ist mathematisch unmöglich. “

    Was „Quotenbedingungen“ und „Monotoniebedingungen“ genau sind, sollte man zuvor auch noch nachlesen, was vermutlich auch nicht unbedingt sexy ist^.
     
    Das sagt eigentlich alles bzw. das kommt dabei raus, wenn die eierlegende Wollmilchsau angestrebt wird. Bei Vereinfachungen heißt’s dann allerdings: „ungerecht“; zum Beispiel UK. Da gibt Es gibt so viele Wahlkreise wie Abgeordnete, in jedem Wahlkreis ist der/die mit den meisten Stimmen gewählt; fertig aus; versteht jeder. auch bei schlechten Mathe-Kenntnissen.

    Schlage meinerseits das Graben-Wahlrecht vor; ich vermute mal, dass ich mit Stefan Sasse in dieser Frage nicht übereinstimme 🙁

    Je Fiftyfifty für Wahlkreise und Listen; getrennt, also OHNE Anrechnerei mit festen Kontingenten für die Länder bei den Listen; über die Sperrklausel in der Abteilung Listen reden wir dann noch^; mindestens auf 3 % herabsetzen wäre IMHO okay. Das ist schon etwas schwieriger als UK, aber für Halbgebildete immer noch durchschaubar, weil das schwierige Vermanschen der Wahlkreise (Mehrheitswahlrecht) mit den Listen vom Tisch ist. Klar, „ungerecht“; gegen die lieben Kleinen; aber in diesem Fall würde es zwischen „verwandten“ Parteien zulässige Absprachen bei den Wahlkreiskandidaturen geben, was völlig in Ordnung ist (das gab es in den 50ern aus anderen Gründen trotz Verhältniswahlrecht auch schon mal, „Huckepack“ genannt). Das Problem ist halt: Bei allen „Modellen“ gibt’s präsumtive Verlierer, die mosern. Die „Kleinen“ wollen (bzw. sollen aus Koalitions-Opportunität) auch mitspielen, regionale Schwerpunkte sollen auch eine wesentliche Rolle spielen und alles gaaaaanz gerecht – und schon blickt keiner mehr durch. Wenn die Ampel ehrlich wäre, hätte sie im ganz neuen Wahlrecht die nunmehr bedeutungslosen Wahlkreise abgeschafft, was vermutlich nicht verfassungswidrig wäre. Aber soooo ehrlich wollte man halt nitt sein; von der Lex FDP (Erhöhung der gesetzlichen Mandatszahl, damit auch eine winzige FDP fraktionsmäßig ’n bissle Fett auf die Rippen kriegt) mal ganz zu schweigen.

    Im Übrigen: Das BVerfG überprüft ggf. nicht die politische Opportunität eines Wahlrechtes sondern die Übereinstimmung mit der Verfassung. Dass ein Mehrheitswahlrecht grundsätzlich zulässig wäre, wurde in einer früheren Entscheidung angedeutet. Wichtig ist u.a. die Konsistenz innerhalb eines gegebenen Wahlrechtes. Deswegen war das frühere „negative Stimmengewicht“ verfassungswidrig. Was das genau heißt, weiß natürlich auch sofort jeder^.

    • cimourdain 27. April 2023, 12:52

      „Schlage meinerseits das Graben-Wahlrecht vor;…“
      Keine moralische Beurteilung, nur eine Beobachtung: Das ist sehr genau das ungarische Wahlrecht seit der Reform 2011. Detailunterschiede sind : Übergewicht der Direktmandate (53%) , Listenhürde 5%, Sonderstatus für ‚ethnische‘ Listen.

    • cimourdain 28. April 2023, 12:06

      Hier der von dir zitierte Unmöglichkeitssatz (sogar mit Beweis) für das Sitzzuteilungsverfahren:
      https://de.wikipedia.org/wiki/Unm%C3%B6glichkeitssatz_von_Balinski_und_Young
      Nicht einfach, aber mit den Mitteln, die der Mathematikunterricht zur Verfügung stellen sollte(!), verstehbar.

  • Thorsten Haupts 27. April 2023, 11:00

    Da gibt Es gibt so viele Wahlkreise wie Abgeordnete, in jedem Wahlkreis ist der/die mit den meisten Stimmen gewählt; fertig aus; versteht jeder. auch bei schlechten Mathe-Kenntnissen.

    Genau das. Ein sehr, sehr hoher Legitimations- und Akzeptanzfaktor.

    • cimourdain 27. April 2023, 12:55

      Mit Stichwahl d’accord, ohne würden bei unserem Parteiensystem i.d.R. dann Kandidaten „gewählt“, obwohl sie nur 25-30% der Stimmen haben, vulgo 70%+ sind dagegen.

      • Dennis 28. April 2023, 10:30

        Hab übrigens nochmal nachgeguckt und stelle fest, dass ich auf der sicheren Seite bin^:

        Aus dem Urteil des Zweiten Senats vom 3. Juli 2008 BVerfG:

        „Der Gesetzgeber darf in Ausführung dieses Regelungsauftrags das Verfahren der Wahl zum Deutschen Bundestag als Mehrheitswahl oder als Verhältniswahl gestalten. Er darf auch beide Wahlsysteme miteinander verbinden (vgl. BVerfGE 6, 84 ; 6, 104 ; 95, 335 ), etwa indem er eine Wahl des Deutschen Bundestages hälftig nach dem Mehrheits- und hälftig nach dem Verhältniswahlprinzip zulässt (Grabensystem), eine Erstreckung des Verhältniswahlprinzips auf die gesamte Sitzverteilung unter Vorbehalt angemessener Gewichtung der Direktmandate gestattet oder sich für eine andere Kombination entscheidet, wenn dabei die Gleichheit der Wahl im jeweiligen Teilwahlsystem gewahrt wird, die Systeme sachgerecht zusammenwirken und Unmittelbarkeit und Freiheit der Wahl nicht gefährdet werden.“

        Mit Regelungsauftrag ist „das Nähere regelt ein Bundesgesetz“, natürlich unter Wahrung der Grundsätze der Verfassung, gemeint. Letzteres kann heikel sein und – wie üblich – „umstritten“ .

        Was die neuste Ampelsache angeht, wird allerdings das Ding „wenn dabei die Gleichheit der Wahl im jeweiligen Teilwahlsystem gewahrt wird, die Systeme sachgerecht zusammenwirken “ zu prüfen sein. Ist IMHO schwer bedenklich, denn im neuen Teilsystem Wahlkreiswahl ist die Gleichheit nicht gewahrt; die Wahl in diesem Teilsystem kann ergebnislos ins Leere gehen oder erfolgreich sein, mal so, mal so. Niemand kann bei der Wahl erkennen, ob Niete oder nicht. Das Regelwerk für die Feststellung von Wahlkreisnieten (post festum) ist wieder was für Detailbesessene, die viel Zeit haben, und für Fachleute.

        Die Ampel argumentiert zwar, es handelt sich nunmehr bei der Wahlkreisstimme ja nicht mehr um eine Personenwahl sondern um eine Art Spezialform der Sitzzuteilung im Rahmen der alleine maßgeblichen Verhältniswahl, es gäbe also eigentlich nur noch ein System mit Schmuckbeilage und jetzt eigentlich keine Kombination aus zwei Teilsystemen mehr. Politisch dürfte das eine Wählertäuschung sein, denn das Erscheinungsbild bei normal gebildeten Wähler:innen kommt anders an. Wozu überhaupt der Einruck einer (Teil-)Personenwahl erweckt wird, obwohl nicht gewollt und auch nicht wirklich durchgeführt, muss auch rechtlich noch geklärt werden, unter anderem. Diese Feinheiten (aber eigentlich Grobheiten!) kommen ja wohl in Karlsruhe auf den Tisch.

        @ cimourdain
        Stichwahl im Rahmen meiner^^ Grabenwahl? Okay, kann es geben. Natürlich auch Nachwahlen im Falle des Wahlkreis-Vakanz während der Legislaturperiode. Gab es übrigens im ersten Bundestag ab anno ’49. Die jetzige Regelung, dass vakant gewordene Wahlkreise qua Liste aufgefüllt werden, verbietet natürlich der Graben 🙁

        • Stefan Sasse 28. April 2023, 13:00

          Ich glaube, ein BVerfG-Urteil dazu ist ungeachtet der konkreten Ausgestaltung eh unvermeidlich. Warten wir das einfach mal ab.

        • Thorsten Haupts 28. April 2023, 13:17

          Politisch dürfte das eine Wählertäuschung sein, denn das Erscheinungsbild bei normal gebildeten Wähler:innen kommt anders an. Wozu überhaupt der Einruck einer (Teil-)Personenwahl erweckt wird …

          Genau das!

    • Stefan Sasse 27. April 2023, 13:04

      Das passiert ja meinem Verständnis nach in den allermeisten Fällen auch weiter. Bisher konnte durch die Überhangmandate ja auch so ein dummer „wenn zu viele für uns stimmen verlieren wir Sitze“-Effekt eintreten. Mit ist der kategoriale Unterschied unklar.

      • Thorsten Haupts 27. April 2023, 15:14

        Sehr, sehr einfach – die Erststimme ist bedeutungslos und damit irrelevant geworden. Völlig wurscht, wer im Wahlkreis erster wird – die Zusammensetzung des Parlamentes richtet sich ausschliesslich nach der Zweitstimme. Das ist zumindest für taktische Wähler ebenso wie für solche, die einen bestimmten Menschen gerne im Parlament sähen (auch abseits ihrer Parteipräferenzen) ein kategorialer Unterschied.

        Gruss,
        Thorsten Haupts

        • Stefan Sasse 27. April 2023, 18:34

          Ja, aber umgekehrt ist es für Leute, die das nicht tun (die Mehrheit) tatsächlich eher verständlicher. Erneut, das ist keine Bewertung. Nur ist es MÖGLICH und LEGITIM. Kein System ohne Vor- und Nachteile.

          • Thorsten Haupts 28. April 2023, 18:12

            Diese Irritation hätte man ja leicht vermeiden können – streichen der Erststimme, fertig. Wollte die Ampel aber nicht. Frage – warum nicht, obwohl sie nach dem neuen Wahlesetz völlig sinnlos geworden ist? Ich hätte da ein paar passende Antworten, aber keine von denen kann wohlwollend ausgelegt werden.

            • Stefan Sasse 28. April 2023, 19:00

              Ich glaube, da werden künftige Forschende ihren Spaß dran haben, diese Genese nachzuarbeiten. Ich bin kein Fan vom Endprodukt, ich finde es aber auch nicht das Ende der Welt.

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