Joe Biden besucht eine grün gestrichene Gedenkstätte und bezahlt Milliardärinnen in Köln wegen der Inflation 18% weniger – Vermischtes 03.02.2023

Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem  Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die „Fundstücke“ werden mit einem Zitat aus dem Text angeteasert, das ich für meine folgenden Bemerkungen dazu für repräsentativ halte. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist meist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels erforderlich; ich fasse die Quelltexte nicht noch einmal zusammen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die „Resterampe“, in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann.

Fundstücke

1) How Bad History Feeds Far-Right Fantasies

History is about interpretation, and those interpretations can vary greatly—but all have to be built on solid foundations. Fynn-Paul’s foundation is ideology, and the results are both offensive and laughable. If it were just the one article, placed in the Spectator and roundly mocked, we might ignore it—but it joins Cameron Hilditch’s similar caricature of a piece in the National Review, the violently anti-Indigenous and ahistorical “The 1519 Project” in the Federalist, and Bruce Gilley’s revoked article “The Case for Colonialism” and now-withdrawn book series “Problems of Anti-Colonialism” for Lexington Books. The Trump administration has chosen to interfere in the teaching of history to promote “patriotic education,” specifically to “defend the legacy of America’s founding, the virtue of America’s heroes, and the nobility of the American character”—an explicitly white-innocence approach—and in both the United Kingdom and the Netherlands pro-colonial nostalgia is on the rise. In this climate, fighting back bad history that attempts to wash the blood from settler-colonial hands is not merely an academic pursuit but a moral imperative. (Thomas Lecaque, Foreign Policy)

Ich habe diese Thematik auch mit Stefan Quandt im Podcast angeschnitten: mehr als die meisten anderen Fächer ist Geschichte direkt mit der Gesellschaft und ihrer Identifizierung verknüpft. Entsprechend ist einerseits das, was die Geschichtswissenschaft vermittelt (und wegen der größeren Breitenwirkung noch viel mehr der Geschichtsunterricht) für überproportional viele Menschen interessant. Gleichzeitig ist auch in ungleich größerem Ausmaß als anderswo relevant, was viele Menschen über Geschichte denken und wie sie sie sehen. Deswegen sind Kämpfe um Inhalte im Geschichtsunterricht und Schwerpunkte der Geschichtswissenschaft auch wesentlich virulenter als die über beispielsweise Chemie.

Das war auch noch nie anders. Geschichte wurde schon immer in politische Narrative zu pressen versucht, und es ist ein vergleichsweise neuer Anspruch der Geschichtswissenschaft, so neutral wie möglich zu sein. Das ist natürlich nie möglich, weil sie von Menschen über Menschen betrieben wird und wir immer unsere eigenen Vorurteile, Prämissen und Annahmen mitbringen. Aber es ist eben auch bedeutend, wie wir unsere Vergangenheit interpretieren, weil wo wir herkommen immer Aussagen darüber macht (oder zu machen scheint), wer wir sind und wo wir hingehen.

Für Progressive ist es deswegen wichtig, die Verbrechen der Vergangenheit zu betonen, weil das einerseits eine Legitimität für die eigene Kritik gibt (egal wie unzulässig eine direkte Linie von Frederick Douglass zu George Floyd auch ist) und andererseits die eigene Seite mit einer moralischen Tradition ausstattet. Umgekehrt ist es für Konservative wichtig, die Vergangenheit in möglichst goldenem Licht erstrahlen zu lassen, weil man sie als Folie für die auf Abwege geratene Gegenwart braucht. Die Folge sind Deutungskämpfe, die mal in die eine, mal in die andere Richtung ausgehen.

2) Grün getarnt

Die ZEIT, der Guardian und SourceMaterial haben recherchiert, wie viele Zertifikate die untersuchten Projekte bislang Verra zufolge auf den Markt gebracht haben, und die Angaben mit Wests Zahlen verglichen. Die Unterschiede sind gewaltig: 94 Prozent der Zertifikate dürften demnach wertlos sein, knapp 89 Millionen Tonnen CO₂, die gar nicht eingespart wurden. […] Es gibt ein Sprichwort, das auf dem Kompensationsmarkt zur Phrase geworden ist: Bitte nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Also: Bitte nicht wegen einiger Schwächen Systemkritik üben. Die Zertifikate hätten wichtiges Geld in den Erhalt von Wäldern geleitet, das von den Regierungen nicht kommen würde – was stimmt. Es macht bloß die Probleme des Systems nicht kleiner. Auf die Phrase vom Kind und dem Bade folgt dann oft eine radikale Offenheit. Einige Experten auf dem Markt sprechen mit einer Selbstverständlichkeit über dessen Schwächen, als wären diese nichts Besonderes. Als wüsste man das alles doch längst. Es ist eine Branche, in der für viele der Missstand zur Normalität geworden ist. […] Die Berechnungen, wie viel CO₂ ein Wald einspare, ließen sich so verzerren, dass Projekte „mehr Zertifikate erhalten, als sie sollten“. Und weiter: Wenn Unternehmen darauf vertrauen wollen, dass ihre Klima-Aussagen gesichert seien, sollten sie mehr Zertifikate kaufen, als ihnen offiziell zugewiesen würden. Streck sieht die Verantwortung bei Verra. „Man hätte das früher erkennen können“, sagt sie. „Man war im System auch selbstgefällig.“ […] Auch Lambert Schneider vom Öko-Institut, der in einer Beratergruppe von Verra sitzt, sagt: „Verra weiß genau, dass manche der Zertifikate fragwürdige Qualität haben.“ Er glaubt, es gehe für viele auf dem Markt darum, eine Geschichte aufrechtzuerhalten. „Nach dem Motto: ‚Wenn wir jetzt sagen, dass viele Zertifikate Schrott sind, kaufen Unternehmen keine mehr, und das bringt dem Klima auch nichts‘.“ (/, ZEIT)

Insgesamt ist das eine sehr gut geschriebene, toll recherchierte und lange Reportage, die zur gänzlichen Lektüre dringend empfohlen sei. Mich erinnert die ganze Geschichte an Nutriscore und Co. Es ist immer dasselbe: Wer den Sumpf trockenlegen will, darf nicht die Frösche fragen. Die Vorstellung, man könne die Privatwirtschaft sich selbst regulieren lassen, ist ungefähr so tragfähig wie von einer siebten Klasse zu erwarten, dass sie sich selbst disziplinieren möge. Es läuft sämtlichen Anreizen zuwider. Wenn die Wirtschaft selbst Label kreieren und diese dann kaufen kann, wird das Ergebnis ein Ablasshandel sein.

Das spricht nicht gegen die Idee des Zertifikatehandels an sich, denn die Grundidee ist ja stabil. Nur kann man sich eben nicht den Wünschen der Industrie beugen, weil deren Ziele und Anreize schlicht nicht zu den verfolgten Absichten passen. Genausowenig kann es natüröich aber zielführend sein, einfach per ordre de mufti irgendwelche Regularien rauszuhauen, die mit der Realität über Kreuz liegen. Das geht auc grundsätzlich schief. Was solche Dinge anbelangt, halte ich mich immer an Obamas Metapher aus den Obamacare-Verhandlungen: You can have a seat at the table, but you can’t buy every seat at the table. Ich bin überzeugt, dass die besten Lösungen in konstruktiver Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft entstehen – und nicht durch eine Dominanz eines der beiden Teile.

3) Abschied von der Personenwahl

Das Nebeneinander von Personen- und Proporzwahlnarrativ war so lange unschädlich, wie das personalisierte Verhältniswahlrecht in der Praxis funktionierte. Solange die Mandatsanteile der Parteien in etwa dem Proporz entsprachen, war die systematische Verortung der Wahl in den Wahlkreisen eine theoretische Übung. Mit dem starken Anstieg der Überhangmandate in der 18. und ihrem weitgehenden Ausgleich ab der 19. Wahlperiode, wurde der Reformbedarf im Bundeswahlrecht jedoch unübersehbar. Um ein weiteres Anwachsen des Bundestages zu verhindern, musste das Verhältnis von Personen- und Proporzwahl überdacht werden. Das Personenwahlnarrativ wurde als „Lebenslüge des deutschen Wahlrechts“ enttarnt (S. und C. Schönberger, FAZ v. 9.5.2019, S. 6). Für die Verwirklichung einer echten Personenwahl in einem Grabenwahlsystem war und ist keine parlamentarische Mehrheit zu finden, da davon ausschließlich die Union profitieren würde (vgl. die Berechnungen bei Behnke). Der Reformentwurf der Ampelkoalition ist darum bemüht, das Personenwahlnarrativ zu verabschieden und dem Proporzwahlnarrativ zu seinem Recht zu verhelfen. Er geht dabei auch sprachlich ehrlich vor: Die Wahl der Abgeordneten wird nicht mehr als eine mit der Personenwahl verbundene Verhältniswahl, sondern nur noch als Verhältniswahl bezeichnet (§ 1 Abs. 2 Satz 1). Die „Wahl in den Wahlkreisen“ – bislang in der Systematik des BWahlG und auf dem Stimmzettel der „Wahl nach Landeslisten“ vorangestellt – wird in den Proporz einbezogen. Sie dient nur mehr dazu, Bewerber zu ermitteln, die vorrangig bei der Mandatsverteilung zu berücksichtigen sind – „soweit dies mit den Grundsätzen der Verhältniswahl vereinbar ist“. Diese Vereinbarkeit ist nur innerhalb des Proporzanteils der Parteien gegeben (§ 1 Abs. 3). Dementsprechend sind Parteibewerber in den Wahlkreisen nur gewählt, wenn sie eine relative Mehrheit der Wahlkreisstimmen erzielen und nach dem Proporz zum Zuge kommen. Überhangmandate gibt es nicht mehr. Vielmehr bleiben Wahlkreise, deren Gewinner nicht vom Proporzanteil gedeckt war, unbesetzt. Der Entwurf nennt das „Hauptstimmendeckung“. Um die gewählten Wahlkreisgewinner einer Partei zu ermitteln, werden sie im jeweiligen Land nach ihrem Wahlkreisstimmenanteil gereiht (§ 6 Abs. 1). Reicht die Hauptstimmendeckung nicht für alle aus, kommen nur die Wahlkreisersten mit den größten Stimmenanteilen zum Zug. (Fabian Michl/Johanna Mittrop, Verfassungsblog)

Der Artikel bietet generell eine super Erklärung, historische Einordnung und Analyse des neuen Wahlrechts und sei deswegen unbedingt empfohlen. Ich bin von diesem Entwurf sehr angetan, weit mehr jedenfalls als von den anderen, die in den vergangenen Jahren vorgestellt und diskutiert wurden. Mich nervt die Fiktion vom Mehrheitswahlrecht und der Verankerung in den Wahlkreisen schon länger. In manchen Wahlkreisen ist das sicher so, dass die jeweiligen Abgeordneten da persönlich stark verankert sind und auch eine Wahl gewinnen würden, wenn sie nicht das Parteilogo hätten. Aber in der überwältigenden Mehrzahl der Fälle korrelieren Erst- und Zweitstimmenergebnis extrem stark und sind die Erststimmenkandidierenden kaum bekannt. Der bessere Grund für den Erhalt dieses Teils des Wahlsystems ist die Schwächung der zentralen Parteistruktur, die über die Liste viel stärker disziplinierend wirken kann. Völlig unabhängig davon, welche Wahlreform am Ende durchkommt: Bitte, Bitte, Bitte, macht das mit der „Hauptstimme“ und „Wahlkreisstimme“ statt Erst- und Zweitstimme. Dann kann ich endlich aufhören den Schüler*innen einzuprügeln, dass die Zweitstimme die wichtigere ist.

4) How Joe Biden Wins Again

Biden’s frustration with Obama was that he didn’t sufficiently consider the marketing potential of the stimulus. Obama frankly admitted that he took “perverse pride” in how his technocratic administration constructed policy without regard for political considerations. The 2009 Recovery Act included tax cuts, but intentionally didn’t advertise them. The government quietly withheld less money from paychecks, a dividend that almost nobody noticed. This furtive tax cut was theoretically effective, because consumers were less likely to save money that they didn’t know they possessed. But it was also a political nonfact. This humility of sorts transgressed a core Biden maxim: Good policy is useless without good politics. The health of the government (not to mention the health of the Democratic Party) depends almost entirely on public appreciation of the government’s deeds. […] But that vision requires mobilizing sclerotic bureaucracies—and aligning disparate agencies that don’t normally play nice with one another. The word implementation, perhaps the least sexy word in the English language, is his current fixation. He believes that the latent potential of these projects can be realized only if he pays close attention to them. (Franklin Foer, The Atlantic)

Für diese Frage grundlegend scheint mir die Bewertung der Obama-Ära zu sein. Früher war ich klar auf der Seite Obamas. Seine pragmatische Haltung und Betonung von guter Policy – „good governance“ – empfand ich als ungeheuer attraktiv. Und theoretisch ist sie das auch immer noch. Nur bin ich glaube ich in den vergangenen Jahren zynischer geworden: die politische Dynamik dahinter geht einfach nicht auf. „Tue Gutes und rede darüber“ ist ein Motto, das nicht nur Obama zu wenig beachtet hat, sondern das auch ständig die EU plagt, die ihre Wohltaten gerade in den Ländern, in denen sie am meisten verachtet wird, zu wenig bekanntmacht. Ich bin mal gespannt, wie viel erfolgreicher Biden mit seiner Werbekampagne ist als Obama es ohne seine war. Denn eine Wahlkampfmaschine wie sein ehemaliger Boss ist Biden halt auch nicht.

5) Debatte um Gedenkstätten-Besuche von Schülern – was bringen sie wirklich?

Er stellt fest: „Die Wirksamkeitserwartungen an Schulklassenbesuche in Gedenkstätten sind im Allgemeinen überzogen und stehen in krassem Gegensatz zu den für Vor- und Nachbereitung, aber auch zu den für die Durchführung aufgewendeten finanziellen und zeitlichen Ressourcen.“ Sogar nachteilige Effekte seien möglich: „Je stärker sich Lehrer oder Gedenkstättenpädagogen auf das Erreichen ihrer oft unrealistischen Lernziele fokussieren, desto mehr bewirken sie das Gegenteil: Wer möglichst viele Informationen vermitteln will, neigt zum Monologisieren und empfindet Fragen als störend – Schüler »schalten ab«. Wer unbedingt Empathie oder gar Trauer bewirken will, neigt zur Emotionalisierung und erzeugt Abwehr. Wer aus der Vergangenheit Lehren für die Gegenwart vermitteln will, wirkt schnell moralisierend.“ Sinnlos seien die Besuche aber deshalb nicht. „Um den individuellen Sinnerwerb von Schülern überhaupt beeinflussen zu können, müssten Vermittler ihre eigenen Wirkungsansprüche mäßigen und zurückhalten und mehr Augenmerk auf das den Gedenkstättenbesuch entscheidend prägende Vorverständnis der Schüler legen. Es wäre notwendig, dass sie die pädagogische Veranstaltung weniger als Instrument zur Vermittlung von Wissen oder gar Haltungen verstehen und dass sie diese nicht als Angebot, bei dem aus der Geschichte Lehren für Gegenwart und Zukunft gezogen werden müssen, konzipieren. Vielmehr sollten Gedenkstätten vorrangig als Orte angesehen und fortentwickelt werden, die Gespräche, Fragen, Assoziationen, Interesse und Auseinandersetzung bewirken. Dies beinhaltet zum Beispiel eine Reduzierung der Vermittlung von Sachinformationen zugunsten kommunikativer und reflexiver Zeitanteile.“ (News4Teachers)

Auf gut Deutsch: wenn man es ordentlich macht, ist es gut, wenn man es nicht gut macht, ist es nicht gut. Ungefähr also das, was für allen Unterricht gilt. Das kann nicht großartig überraschen. Deswegen bin ich auch kein Freund verpflichtender Gedenkstättenbesuche. Denn das „ich hab keine Lust dazu“ betrifft ja nicht nur Schüler*innen, sondern auch Lehrkräfte! Nicht alle Lehrkräfte wollen Besuche in Gedenkstätten planen und durchführen. Wie viel Wert hat eine solche Veranstaltung, wenn sie von jemand gemacht wird, der den Wert davon nicht sieht? Das war eine rhetorische Frage; wir sehen das jeden Tag in zig Unterrichtsräumen.

Fun Fact: das ZDF hatte 2012 mit mir ein Vorgespräch für die Teilnahme in einer Talkshow, in der ich gegen den bayrischen Kultusminister hätte argumentieren sollen, weil Bayern das damals so gepusht hat. Sie haben mich dann doch nicht genommen sondern jemand anderen, weil meine Position nicht das war, was sie haben wollten (sie wollten – natürlich – jemand, der polarisierend total dagegen ist). Bis heute bin ich mir nicht sicher, ob ich froh sein soll, das nicht gemacht zu haben; die Vorstellung bereitet mir heute noch Schweißausbrüche.

6) How Many Billionaires Are There, Anyway?

I asked Dolan what her profile is of a billionaire whom she’d never find. She told me it’s someone who quietly sold a stake in a business for, say, $250 million in the ’90s, then invested it well. Today, a guy like that could use his wealth to do whatever he wanted: buy truckloads of Nazi memorabilia, try to persuade your mayor to privatize the city’s sewers or maybe both, and you’d be none the wiser. And in fact, he wouldn’t even have had to be all that smart with his money. If he parked $250 million in an S.&P. tracking index fund in 1992 and left it alone, he’d be worth more than $4 billion today. (Dolan cautioned that no one would be quite crazy enough to put all his money in the market; nevertheless.) He would have slipped through the billion-dollar barrier like an Olympic diver. And now he’s just a guy with an insane Schwab account, some interesting ideas about sewage treatment and the world’s largest collection of authentic Totenkopf rings. […] The issue with billionaires is not that they’re sociopaths, though certainly some are. It’s that their power comes with no accountability. They dwell — or don’t dwell, as is often the case — above the clouds in supertall skyscrapers. They fly to private islands on private jets and do God-knows-what there. Their yachts remind us that, no matter what the paperwork says, they’re citizens of no nation; that if we try to fix them in place, they can just go elsewhere. They become enamored of certain ideas — fixing African agriculture, resurrecting von Mises and Hayek, terraforming Mars, being the president — and can spend nearly unlimited sums in the pursuit of making them a reality. (Willy Staley, New York Times)

Ähnlich wie bei Fundstück 2 haben wir es hier mit einer langen und sehr guten, lesenswerten Reportage zu tun, von der ich nur einen winzigen Ausschnitt zitiert habe – hauptsächlich, weil ich wenig zur der schwierigen Aufgabe zu kommentieren habe, wie man eigentlich das Vermögen dieser Leute herausfindet und misst. Und natürlich, weil er so schön meine eigene These, dass Milliardäre und Demokratie unvereinbar sind, unterstützt. Das Beispiel aus dem Artikel oben ist gerade wegen seiner plakativen Absurdität so zutreffend: was auch immer diese Leute als ihr Steckenpferd aussuchen wird allein wegen der inhärenten Macht, die ihre riesigen Geldmittel haben, sofort massiv beeinflusst. Das kann positiv sein – was wäre Burladingen ohne die Investments von Wolfgang Grupp – aber es kann auch sehr negativ sein, wenn etwa ein Waltonclan die örtliche Wirtschaft plattwalzt. Und das sind nur die sichtbaren solchen Elemente.

7) The Cause of Stagflation

Created by political economists Jonathan Nitzan and Shimshon Bichler, the theory of capital as power is decidedly non-mainstream. (It’s about as far from neoclassical economics as you can get.) Whereas mainstream economists look at capitalist society and see ‘productivity’ everywhere, Nitzan and Bichler see business ‘sabotage’. It’s an idea that at first seems incendiary. But once you think about the behavior of real-world corporations, the notion of business sabotage seems on point. Everywhere we look, we find big corporations behaving badly. Sci-fi writer Cory Doctorow calls this behavior ‘enshittification’. Looking at social media companies, he notes that what people want from their social-media apps is simple. People want to connect with their friends. And they want a feed that shows them what their friends are up to. That’s it. The problem is that this simple desire is at odds with making a profit. You see, to make a profit, social media companies need to slam sponsored content down your throat — i.e. fill your feed with ads and clickbait. Because that’s the opposite of what people want, Doctorow notes that social-media apps follow a predictable trend. First, they lure people onto the platform by giving them what they want (a feed filled with their friends’ content). Then, once enough people are locked in, the company flips the money switch and enshittifies its platform with paid junk. What’s this enshittification got to do with inflation? Everything! […] Looking at capitalist society, Nitzan and Bichler argue that this enforced scarcity tends to come in waves, largely because it is unstable. For instance, if I bolster prices by restricting access to my property, the risk is that my competitor will undercut me. Conversely, if I undercut my competitor, the risk is that they will respond by cutting there prices in turn, resulting in a price-race to the bottom. Neoclassical economists look at these dynamics and conclude that they will lead to market equilibrium. But that’s because economists suppose that businesses won’t coordinate. In the real world, though, businesses coordinate all the time. It’s called herd behavior. If everyone else is cutting prices and selling more stuff, I’d better do the same. And if the herd decides to restrict supply and hike prices, I’d best join in. The result will be an oscillation between periods of economic boom with low inflation, and periods of economic bust with high inflation. (Blair Fix, Economics from the Top Down)

Zu den Ursachen der Stagflation speziell und Inflation allgemein sei auch diese deutschsprachige Erklärung empfohlen. Ich habe den obigen Ausschnitt und Artikel wegen der These der „enshittification“ gewählt, was eine großartige Metapher ist, die zugleich mit einem dieser typischen Wirtschaftsmythen aufräumt. Die Marktwirtschaft per se führt eben nicht zu den Produkten, die die Mehrheit der Konsumierenden haben will, sondern zu Marktmachtkonzentration und eben enshittification. Denn Profit und Qualität schließen sich oftmals (nicht immer) gegenseitig aus. Gerade deswegen legen echte Liberale ja auch Wert auf starke staatliche Verhinderung von Monopolbildung – und kritisieren viele linke Politiken völlig zurecht dafür, dass sie Monopolbildung begünstigen. Siehe auch dieser ausführliche Artikel in Wired zum Thema.

8) Fünf Fehler in zwei zynischen Sätzen

»CO₂-neutrale Kraftstoffe« für Pkw sind eine Luftnummer, nicht nur, weil es nirgendwo nennenswerte Kapazitäten zu ihrer Herstellung gibt. Nicht einmal der Porsche- und VW-Chef Oliver Blume  glaubt an Christian Lindners Träume von einer Zukunft mit lauter CO₂-neutralen Verbrennern. Porsche ist an einem E-Fuel-Projekt in Chile beteiligt – damit alte 911er auch in 20 Jahren noch gefahren werden können. Ein Markt für »CO₂-neutrale Kraftstoffe« für neue Pkw hingegen ist eine fixe Idee der FDP, von der sich der Markt längst verabschiedet hat. Wenn es diese Kraftstoffe eines Tages in halbwegs ausreichender Menge und zu wettbewerbsfähigen Kosten gibt, werden sie dringend anderswo gebraucht: im Schiffs- und Flugverkehr, eventuell für Schwerlaster. […] Die FDP pendelt in Umfragen  schon seit vielen Monaten zwischen sechs und sieben Prozent, was viel mit ihrer ständigen Verweigerungshaltung zu tun haben dürfte. Die Partei hat also seit der Bundestagswahl, bei der sie auf 11,5 Prozent kam, fast die Hälfte ihrer Zustimmung eingebüßt. […] Deshalb sei hier noch einmal daran erinnert: Die Strategie, einer rechtsradikalen bis rechtsextremen Partei Stimmen abzunehmen, indem man sich deren Positionen und deren Diktion annähert, funktioniert nachweislich nicht. Das ist keine Behauptung, sondern es lässt sich empirisch nachweisen. Das muss langsam in den Köpfen deutscher Parteifunktionäre ankommen. Was allerdings durchaus funktioniert, ist, den öffentlichen Diskurs in einem Land mit dieser Methode genau in die Richtung zu verschieben, die sich die Rechtsradikalen wünschen. Schöne Grüße von Marine le Pen und Giorgia Meloni. Wer der AfD Stimmen abnehmen will, muss Alternativen anbieten, nicht eine Light-Version von deren Positionen. (Christian Stöcker, SpiegelOnline)

Ich halte Stöckers Analyse über das, was FDP (und auch CDU) tun, für einen Irrtum. Er macht den häufigen Fehler, die eigenen politischen Vorlieben zu generalisieren und mit ihnen dann das Geschehen erklären zu wollen. Den gleichen Blödsinn haben ja die Reformpolitikbefürworter*innen in den 2000er und 2010er Jahren mit der SPD auch gemacht. Was wurde da behauptet, dass sie nicht genug in die Mitte gerückt, nicht genug Sozialstaat gekürzt habe und dass sie daher in den Umfragen absacke. Das Gleiche haben wir jetzt mit der FDP. Wer eher rechts steht, wird in ihren gefallenen Umfragewerte eine zu starke Links-, wer links steht eine zu starke Rechtsbewegung sehen. Aber das ist letztlich nur ein politischer Rorschach-Test. In meinen Augen ist die Antwort ziemlich simpel: die FDP hat zwei Flügel, deren Ziele wenig kompatibel sind. In der Opposition fällt das nicht so auf, aber in der Regierung muss sie ständig Farbe bekennen. Und wenn das jeweils der Hälfte der Partei und der Wählenden nicht passt, ist das Ergebnis ziemlich erwartbar. Das ist übrigens auch das Problem der CDU 2021 gewesen. Ob sie es überwunden hat, wird sich zeigen. Und es wäre auch das Problem einer LINKEn an der Regierung; mit ein Grund, warum sie keiner ranlassen will.

Das andere hier ist die „fixe Idee“ der CO2-neutralen Kraftstoffe. Ich teile Stöckers Ansicht, dass das eine komplette Sackgasse ist, einfach aus rein marktwirtschaftlichen Gründen. Ich sehe nirgendwo eine Bewegung auch nur eines größeren Konzerns in diese Richtung, während weltweit die eMobilität vorangetrieben wird. Dabei ist auch egal, welches System besser ist. Betamax war ja auch besser als VHS. Es half nichts. Die Strukturentscheidung für Elektromotoren und Elektroladesäulen ist de facto getroffen. Wasserstoff und Co können das nicht mehr aufholen. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Lindner das nicht weiß. Ich gehe davon aus, dass das ein talking point ist, auf den man sich zurückzieht, um das eigene Nicht-Handeln zu rechtfertigen. Altmaier hat das gemacht, indem er sich auf die „genialen deutschen Ingenieure“ berief, die irgendeine nie näher spezifizierte Supertechnologie entwerfen werden.

9) Die Muster der Ungleichheit

In vielen deutschen Großstädten beschleunigte sich die Teilung in Arm und Reich in den frühen Nullerjahren.  […] Für Ärmere hat es hingegen Nachteile, mit anderen Armen zusammenzuleben. Am stärksten trifft soziale Segregation Kinder aus Familien, die Transferleistungen beziehen, zeigt eine der Studien von Helbig und Jähnen. Ballen sie sich in einer Nachbarschaft, kann sich das negativ auf die Gesundheit, Bildung und Berufschancen von Kindern auswirken. Ihnen fehlen die Kontakte zu Menschen aus höheren Einkommensklassen, von denen reiche Haushalte profitieren. Wissenschaftler fordern deshalb, die soziale Durchmischung in den Städten zu fördern. Sie fürchten, dass die Ungleichheit zur gesellschaftlichen Entfremdung führt oder sogar zu politischer Radikalisierung. Helbig hält wenig von diesen Prognosen, dafür gebe es zu wenig Belege: „Aber man kann mit Sicherheit sagen, dass in benachteiligten Vierteln die politische Partizipation sinkt. Die Leute gehen seltener wählen und treten kaum für ihre Rechte ein. Das kann niemandem gefallen.“ (Ressort X, ZEIT)

Der Artikel ist ein super Exemplar des immer noch viel zu seltenen Datenjournalismus und mit zahlreichen tollen Grafiken versehen, daher unbedingt Leseempfehlung. Ich will hier nur auf die zwei zitierten Punkte raus: einmal, dass (entgegen anderer Behauptungen) die Ungleichheit in Deutschland in den letzten 20, 30 Jahren eben doch nachweisbar zugenommen hat, und zum anderen, dass die Segregation schädlich ist. Das ist nichts Neues. Wir diskutieren dasselbe schon seit ewig für die Schule (die deutsche Trennung ins dreigliedrige System ist keine gute Idee), Rassismus (mal die Aufteilung Chicagos gesehen?) oder eben nach Einkommen. Nur: klar wäre eine größere Durchmischung besser, nur, erreichbar ist die praktisch nicht. Es gab schon zig Versuche in all diesen Bereichen, und jedes Mal laufen sie ins Leere. Das bussing in den USA etwa, mit dem man eine größere Gleichberechtigung der Ethnien erreichen wollte, dürfte wie wenig anderes für die konservative Wende ab 1968 verantwortlich sein. Wo man sozialen Wohnungsbau betreibt, fliehen die Gutbetuchten gegebenenfalls (wobei sie ihn dank ihrer Macht üblicherweise ohnehin in ihrem Umfeld verhindern). Und die Schulen besser zu durchmischen scheitert seit jeher am Widerstand der Eltern (fragt mal die CDU Hamburg nach ihren Erfahrungen). Eine Lösung dafür scheint es mir nicht wirklich zu geben.

10) Frauen in Deutschland verdienen immer noch weniger als Männer

Knapp zwei Drittel der geschlechterspezifischen Gehaltsunterschiede sind den Statistikern zufolge darauf zurückzuführen, dass Frauen einerseits häufiger schlechter bezahlte Berufe ausüben und andererseits häufiger in Teilzeit arbeiten. Rechnet man diese Faktoren heraus, ergibt sich ein sogenannter bereinigter Gender-Pay-Gap von immer noch sieben Prozent. Das bedeutet, dass Frauen auch bei vergleichbaren Tätigkeiten, Qualifikationen und Lebensläufen signifikant weniger Geld erhalten. Nicht einbezogen in die Rechnung seien Faktoren wie Erwerbsunterbrechungen etwa durch Schwangerschaft oder die Pflege von Angehörigen. Daher sei der bereinigte Gender-Pay-Gap „als Obergrenze für Verdienstdiskriminierung zu verstehen“, sagen Forschende. […] „Mögliche Maßnahmen wären die Abschaffung des Ehegattensplitting und von Minijobs, der Aufbau einer leistungsfähigen Betreuungsinfrastruktur für Kinder, die Förderung einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie und eine höhere Wertschätzung systemrelevanter Berufen“, sagte Fratzscher. (afp, ZEIT)

Wie schon bei Fundstück 9 wiederholen sich die Ergebnisse mit jeder Studie. Letztlich ist das Ganze mittlerweile eine rein politische Thematik. Wir kennen das ja von den Diskussionen hier im Blog: alles steht und fällt mit der Frage, ob man Aspekte wie Teilzeit, eine Überrepräsentation in weniger gut bezahlten Berufen und Babyzeiten als strukturelle Diskriminierung oder persönliche Vorliebe betrachtet. Nimmt man ersteres an, steht noch eine ganze Menge Arbeit an, braucht es ein gesamtgesellschaftliches Umdenken und viele Reformen. Geht man von Letzterem aus, so gibt es effektiv keinen Gender Pay Gap, der mehr als ein statistischer Rundungsfehler ist. Beides ist auf Basis der eigenen Annahmen völlig valide. Und das ist letztlich auch die gute Nachricht: die offene, krasse Diskriminierung von anno dazumal hat sich wirklich weitgehend erledigt – anders als in vielen anderen Teilen der Welt. Und das ist ja schon mal was.

Resterampe

a) Sehr bedauerlicher Trend, wenn’s stimmt.

b) Es ist total billig darüber zu lachen, aber ich lache trotzdem.

c) Sehr gute Analyse des Putinismus in der Welt.

d) Bei der Lehrkräftebeurteilung werden Frauen systematisch benachteiligt. Wenig verwunderlich. Das Problem sind nicht Frauen per se, sondern Teilzeitlehrkräfte, aber…same thing.

e) Es gibt im UK eine klare Korrelation zwischen Tory- und Labour-Regierungen und der Zufriedenheit mit dem NHS. Die Toryregierungen seit Thatcher haben das Ding kaputtgekürzt, Labour dann wieder repariert. Wer hätte gedacht, dass ein Gesundheitssystem schlechter wird, wenn man einfach mal 5% rauskürzt? Das kann nur Konservative überraschen.

f) Manche Republicans hassen einfach arme Menschen.

g) Die kollektive Amnesie über Dubbya ist wahrlich faszinierend.

h) Laut Anna Schneider ist Anstand ein grünes Konzept.

i) Spannende Gedanken zum ÖRR.

j) Was zur Hölle ist mit Hubert Aiwanger los?

k) Superyachten bleiben von der CO2-Abgabe ausgenommen. Kannst dir nicht ausdenken, sowas.

l) Bei Maaßen kann man sich fragen, ob er schon immer extremistisch war und sich nur getarnt hat oder ob er sich radikalisiert hat. Im Ergebnis aber ist er für die CDU eigentlich nicht mehr tragbar.

m) Ausführliche Analyse des geplanten neuen Einwanderungsrechts und Punktesystems.

n) Spannender Artikel über den kulturellen Einfluss von Battle Royale.

o) Eine weitere Studie belegt, dass Leute eine umso stärkere Meinung haben, je weniger sie über das Thema wissen.

p) Sophie Passmann schreibt darüber, warum Twitter toxisch ist. Meine These dazu: ab 10.000 oder 15.000 Followern ist die Grenze erreicht, in der das Twitter-User-Erlebnis sich maßgeblich ändert, weil da dann plötzlich ständig irgendwelche Deppen in der Timeline sind, die völlig random durch geteilte Tweets von Weirdos reingespült werden. Mir passiert das so gut wie nie, weswegen diese Beschreibungen von Promis auf mein Twitter-Erlebnis überhaupt nicht zutreffen.

q) Johannes Franzen hat grundlegendere Gedanken zu dem Thema.

r) Interview mit Claudia Major zur Frage von Kampfjets für die Ukraine.

s) Ich sag’s immer wieder, Politik über die Gerichte zu machen ist scheiße – auch wenn’s meinen Interessen dient.

t) In Meck-Pomm scheiterte die CDU an der LINKEn (!) damit, die Pflichtstunden für Lehrkräfte zu reduzieren (die höchsten bundesweit). Ist natürlich reiner Populismus – an der Regierung würden die genau dasselbe machen – aber es zeigt schön, wie verfahren die Lage ist.

u) Mal wieder ein Topp Beispiel dafür was passieren würde, wenn die AfD an der Regierung wäre. Cancel Culture ist ein Witz dagegen. Oh, und noch eins. Es ist kein Zufall, dass die konkretesten Veränderungsideen im Bildungsbereich sind. Das ist bei allen Faschisten so.

v) Democrats are still idiots. Absolut.

w) Klasse Recherche, wie ChatGTP akademische Paper erfindet.

x) Interview zur Frage, ob der Krieg in der Ukraine ein Stellvertreterkrieg sei. Ich sage ja „nein“.

y) Je mehr über die Rolle des FBI bei der Wahl 2016 ans Licht kommt, desto mieser sieht es für den Laden aus.

z) Es ist kein Geheimnis, welche Ziele die Republicans beim debt ceiling hostage taking verfolgen.

{ 96 comments… add one }
  • Stefan Pietsch 3. Februar 2023, 09:43

    Ein Sammelsurium von Artikeln, die langjährige Positionen wiederkäuen, von Leuten, die wissen, was sie nicht wollen, aber keine Lösungsansätze haben.

    2) Grün getarnt

    Cap & Trade ist eigentlich das Ideal von jenen, die, Zitat Stefan:
    konstruktive Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft sehen. Der Staat setzt die gesellschaftlichen Ziele und Regeln zu deren Erreichung. Die Lösungssuche überlässt er Bürgern und Unternehmern. Seltsamerweise versuchen Linke seit Jahrzehnten genau diesen Ansatz zu torpedieren.

    Ingenieurs- und Finanzgesellschaften hatten im Rahmen des Kyotoprotokolls Möglichkeiten, durch umweltpolitische Maßnahmen wie den Bau eines Wasserkraftwerks in Pakistan Wertpapiere zu schaffen, die von der UN zertifiziert wurden und in der EU handelbar waren. Die Zertifikate hatten dabei einen geringeren Marktpreis als die von der EU ausgegebenen Erlaubnisscheine. Die Schwellenländer fanden dieses Prinzip, mit westlichem Know-how ihre wirtschaftliche Entwicklung zu treiben und dafür noch eine Bezahlung zu erhalten so toll, dass sie bis heute zu dem Prinzip zurück wollen.

    Hier finden sich genügend Leute, solche Formen moderner Entwicklungshilfe zu diskreditieren.

    3) Abschied von der Personenwahl

    Es gibt zwei Möglichkeiten, den Bundestag auf seine verfassungsrechtlich vorgeschriebene Kapazität von 598 Abgeordneten zurückzuführen. Entweder eine strenge Anwendung des Verhältnissystems oder eine Stärkung der Personenwahl. Die Ampel hat sich, politische Foulspiele begehend, für ersteres und damit die Stärkung des Parteienstaates entschieden. Die Regierung nutzt dazu ihre zufällige Mehrheit, eine Wahlrechtsreform zu schaffen, die immerhin von Dauer sein soll.

    Die Ampel betreibt damit Machtkonzentration. Unliebsame Kandidaten haben bei der Listenaufstellung keine Chance. Das Debakel dieses Prinzips erlebten ja ausgerechnet die Grünen im Saarland, wo die Partei so lange wählen lassen wollte, bis die „richtigen“ Kandidaten auf dem Ticket standen. Das Landesverfassungsgericht hat sich da schwer getan, darin noch etwas Demokratisches zu finden und die Liste einfach verboten. Zukünftig soll das Demokratiefeindliche zum Prinzip erhoben werden.

    Interessant ist daran immer nur der Drang linker Parteien, das Kollektiv (Partei-Community) gegen das Individuum (Parteioppositionelle) zu stärken, ja nach Möglichkeit zu verhindern. Eben links.

    • Stefan Sasse 3. Februar 2023, 13:06

      2) Ich finde das von Linken auch dumm, wenn die so was torpedieren. Aber du weichst der Thematik des Artikels wie meines Kommentars aus.

      3) Was mich halt dem Manöver der Ampel etwas aufgeschlossen macht ist, dass zig Versuche, das im Konsens zu lösen, jeweils durch parteipolitische Spiele torpediert wurden. Und es braucht halt endlich eine Lösung. Deine billigen Invektiven lass ich einfach mal so stehen.

      • Stefan Pietsch 3. Februar 2023, 15:45

        2) Welcher Thematik? Ich bin ausführlich eingegangen und Tim hat auch seinen Teil gesagt. Was willst Du noch? Stefan, ich habe zeitweise in der Branche gearbeitet, da weiß ich schon ein bisschen.

        3) Es gibt Gepflogenheiten im demokratischen Diskurs, über die man sich nicht hinwegsetzt. Vor allem nicht, wenn einem die demokratische Kultur am Herzen liegt. Die Ampel-Parteien verlieren jedes Recht, sich über angebliche Regelbrüche zu beschweren.

        Die linken Parteien wollen seit Jahren das Gewicht der direkt gewählten Kandidaten verringern. Hiervon profitieren die konservativen Parteien, insbesondere die CSU. Keine der großen Demokratien in Europa – Frankreich, Großbritannien, Spanien, Italien, Griechenland – hat eine so strikte Auslegung des Verhältniswahlrechts wie es die Ampel anstrebt.

        Und wenn Du dahinter keine politische Interessenpolitik sehen kannst, wie Du sie jederzeit den Republikanern unterstellt, dann weiß ich auch nicht.

        • Stefan Sasse 3. Februar 2023, 18:39

          Klar ist das Interessenpolitik. Bestreite ich nicht. Und wieso tust du eigentlich dauernd so, als wäre die FDP nicht Teil der Koalition…?

          • Stefan Pietsch 3. Februar 2023, 19:28

            Du schreibst alles, warum das nicht geht. Findest es aber gut. Wie passt das zusammen?

            In meinem letzten Artikel habe ich den Umgang mit der Union explizit gerügt und dabei auch die FDP aufgeführt. Niemand will neben der AfD sitzen. Aber wie das gemacht wurde, finde ich unterirdisch. Und wenn Du nur eins von mir behalten hast, dann, das für mich Stil- und Haltungsnoten wichtiger sind als ein kurzer Erfolg.

            Damit ist eigentlich alles gesagt.

          • Dennis 4. Februar 2023, 10:23

            Die F-Partei ist überdies die Partei, deren Hoch- und Superindividualisten in den Wahlkreisen zu 100 % nicht gewählt werden. Man lebt ausschließlich von der kollektivistischen Liste. Momentan die einzige reine Kollektivistenpartei im Bundestag, während bei den anderen „Kleinen“ immerhin sporadisch Direktkandidaten auftauchen; okay, vom SSW mal abgesehen^.

            Ohne die Sozen gäbe es die FDP schon längst nicht mehr. Die CDU – wäre es nach ihr gegangen – hätte schon zigmal das Mehrheitswahlrecht eingeführt (im Parlamentarischen Rat war der erste Anlauf) . In der letzten Legislaturperiode haben die Unionschristen das Grabenwahlrecht (Mehrheitswahlrecht zum halben Preis) wieder ausgegraben – wollte der Adenauer auch schon mal. Von Begeisterung bei der FDP – weil das doch so schön individualistisch ist, gleichwohl die Listen nicht völlig abschafft – habe ich nichts vernommen.

            Meinerseits würde ich übrigens das Grabenwahlrecht befürworten. Allerdings nicht wegen der angeblich ach so „Unabhängigen“ im Wahlkreis (daran dachte der Adenauer mit Sicherheit auch nicht^) . Das ist eine alberne Fiktion. Der langjährige Direktkandidat im Hochsauerlandkreis (3x gewählt) musste bei der letzten Wahl verschwinden, um dem Merz Platz zu machen. Natürlich kam diese Idee ganz individuell von unten und hatte mit Aspekten jenseits des Wahlkreises nichts zu tun^. Egal, die Debatte um mindestens deutliche Aspekte des Mehrheitswahlrechts ist eh mega-out – leider.

            • Stefan Sasse 4. Februar 2023, 12:43

              Völlig richtig, deswegen finde ich Stefan hier auch heuchlerisch unterwegs.

              • Stefan Pietsch 4. Februar 2023, 16:04

                Es ist wirklich bemerkenswert, wie wenig Du von mir weißt und in Deiner Unwissenheit noch ein „heuchlerisch“ in meine Richtung schleuderst. Dafür gibt es nur Begründungen, die Dich oder mich in einem schlechten Licht erscheinen lassen, von „nicht vermitteln können“ bis „reiner Ideologe, der an anderen Positionen und Menschen uninteressiert ist“. Irgendwo dazwischen wird es liegen.

                In einer ausführlichen Debatte über die Vorteile des Mehrheitswahlrechts („Persönlichkeitswahl“) habe ich dargelegt, dass Liberale in einer rechten Partei aufgehen würden, wie dies ja in Demokratien mit Mehrheitswahlrecht der Fall ist. Ihr seid die parteigebundenen, die das Parzellierte lieben. Hier nochmal für Dich zum Abheften und an den Badezimmerspiegel kleben: Ich liebe die Persönlichkeitswahl und verzichte lieber auf eine namentlich liberale Partei.

                Ist das klar geworden?

    • sol1 3. Februar 2023, 13:43

      /// Das Debakel dieses Prinzips erlebten ja ausgerechnet die Grünen im Saarland, wo die Partei so lange wählen lassen wollte, bis die „richtigen“ Kandidaten auf dem Ticket standen. ///

      Der „falsche“ Kandidat war ja jemand, der gut zwei Jahrzehnte lang mit Intrigen und Manipulationen große Teile des Landesverbandes beherrscht hatte:

      https://de.wikipedia.org/wiki/Hubert_Ulrich

      Aus diesem Beispiel kann man alles mögliche rauslesen, aber sicherlich nichts, was einen etwaigen Konflikt zwischen Kollektiv und Individuum betrifft.

      • Stefan Sasse 3. Februar 2023, 14:26

        Das ist ja auch nur ideologischer Reflex.

      • Stefan Pietsch 3. Februar 2023, 15:34

        Die Grünen wollten die Delegierten so lange wählen lassen, bis die gemäß Parteienstatut designierte Person gewählt war. Irgendwie habe ich das demokratische Prinzip mal anders verstanden. Im Saarland zeigte sich eben überdeutlich, dass Funktionäre über die Besetzung von Listenplätzen und damit über die repräsentative Vertretung entscheiden wollen. Dieses würde mit der Wahlrechtsreform zum Universalprinzip erhoben.

        • sol1 3. Februar 2023, 20:01

          Ich könnte jetzt hier ein ellenlanges Posting über die Machenschaften von Hubert Ulrich reinstellen – aber was nützt das, wenn du sowieso auf deiner uninformierten Version des Ablaufs beharrst?

          Zumal ja deine Schlußfolgerung auch dann als Unfug erkennbar ist, wenn man nichts über die politischen Verhältnisse im Saarland weiß:

          „Dieses würde mit der Wahlrechtsreform zum Universalprinzip erhoben.“

          • Stefan Pietsch 4. Februar 2023, 15:40

            Wofür ist das relevant, dass Sie ellenlange Postings zu Ulrich einstellen könnten? Falls Sie da eine Bildungslücke haben: Sie dürfen in einer Demokratie Vorbestrafte, Rechtsradikale und Linksextremisten wählen. Sie dürfen sogar – absoluter Fun Fact für Fans der Grünen – sogar Männer als ihre erste Wahl bezeichnen! Echt, das ist Demokratie!

  • Stefan Pietsch 3. Februar 2023, 10:00

    7) The Cause of Stagflation

    Gerade deswegen legen echte Liberale ja auch Wert auf starke staatliche Verhinderung von Monopolbildung – und kritisieren viele linke Politiken völlig zurecht dafür, dass sie Monopolbildung begünstigen.

    Exakt. Ich kann in Monopolen nichts Positives finden. Unternehmer haben einen Drang Exklusives zu entwickeln und damit Monopolrenditen einzustreichen. Das ist von Marktwirtschaftlern auch ausdrücklich so gewünscht, denn nur so entsteht Fortschritt. Allerdings muss für Nachahmer (Schumpeter) immer Marktzugang bestehen, die Eintrittsbarrieren sind niedrig zu halten. Ein unregulierter Markt führt zu Machtkonzentration und Vermachtung. Das haben Liberale vor über 100 Jahren begriffen. Ihnen heute noch vorzuhalten, sie wollten eben genau die Abschaffung des Wettbewerbs, ist geschichtsvergessen.

    8) Fünf Fehler in zwei zynischen Sätzen

    Kannst Du Stöcker mal sein lassen? Der Mann ist Ideologe, Lobbyist und treibt anscheinend auch die Spaltung der SPIEGEL-Belegschaft tatkräftig voran.

    Wer E-Fuels und Wasserstoff ablehnt, hat immer noch keine Antworten auf die auf der Hand liegenden Probleme:

    Im Jahr 2050 werden nach Studien immer noch rund die Hälfte der im Umlauf befindlichen PKW auf der Welt mit einem Verbrennungsmotor angetrieben. Womit sollen diese gefüttert werden, wenn wir eine CO2-freie Mobilität anstreben?

    In Europa betreiben wir seit über zwei Jahrzehnten nur noch Ersatzinvestitionen im automobilen Sektor. Vorhandene PKW werden im Rahmen ihres Zyklus durch neue ersetzt. Das gilt für viele Weltregionen nicht.

    Die Welt hat bei weitem nicht genügend Lithium, um die heutigen Verbrennungsmotoren durch BEVs zu ersetzen. Deutschland hat bei weitem nicht die E-Kapazitäten durch Erneuerbare, um die heutige Flotte Elektro zu betreiben. Selbst wenn die wildesten Träume der Grünen eines Tages wahr würden, würden nur ein Drittel bis 40 Prozent des Primärenergiebedarfs durch Wind und Solar gedeckt. Das wissen die Grünen natürlich, weshalb für sie kein Weg an der deutlichen Reduzierung des Individualverkehrs vorbeiführt. Allerdings sind sie nicht so dumm, das öffentlich zu sagen, denn mehrheitsfähig sind solche Positionen in keiner Demokratie.

    Und zu wissen, auf welche Technologien die Welt im Jahr 2040 setzt, ist ambitiös. Daran sind schon klügere Köpfe gescheitert. Unternehmertypen, zu denen Stöcker eindeutig nicht gehört.

    • Stefan Sasse 3. Februar 2023, 13:09

      7) Sind wir uns einig.

      8) Sobald du Poschardt und Schneider lässt 😉

      • Stefan Pietsch 3. Februar 2023, 15:39

        8) Nicht ich verlinke Porschardt und arbeite mich an Anne Schneider ab. Du wirst dazu Null nada finden.

        Also gehe ich davon aus, dass Du auf weitere Verlinkungen dieses Ideologen verzichtest?

  • Stefan Pietsch 3. Februar 2023, 10:18

    9) Die Muster der Ungleichheit

    Linke werfen das seit 2010 gerne durcheinander. Weil damals die Einkommensungleichheit nicht mehr zunahm, kaprizierten sich Linke auf die Vermögensungleichheit, von der die meisten bis dato nichts gehört hatten. Und ja, seit dem die Migration Ausmaße im Millionenbereich angenommen hat, wächst auch wieder die Einkommensungleichheit. Doch man kann unmöglich das Eine begrüßen und das andere verdammen. Es sind zwei Seiten der gleichen Medaille.

    Ich werde definitiv nicht zur Förderung der besseren Koexistenz eine voll verschleierte Frau anflirten. Und ich werde in meinen verbleibenden Karrierejahren keine Frau mit Kopftuch einstellen. Ich werde auch keinen beschäftigen, der nur zuckt, wenn sein Vorgesetzter weiblich ist.

    Warum sind viele so geschichtsvergessen? Echte Migration funktioniert durch Integration in Arbeitsmärkte und Gesellschaft, durch Assimilation. Deutschland hat sich vorgenommen, selbst solche Einwanderer zu „integriert“ zu stempeln, die sich mit Schummeleien den Aufenthaltstitel ersessen haben, die von Sozialhilfe leben und die Sprache nur in Spurenelementen beherrschen. Und dann über Segregation lamentieren.

    10) Frauen in Deutschland verdienen immer noch weniger als Männer

    Die offene, krasse Diskriminierung von anno dazumal hat sich wirklich weitgehend erledigt – anders als in vielen anderen Teilen der Welt.

    Der falscheste Satz der ganzen Sammlung. Tatsächlich bewegt sich der bereinigte Gender Pay Gap seit Jahrzehnten auf diesem Niveau. Mit anderen Worten: die Diskriminierung, die Linke sich selbst basteln, gab es nie.

    Linke können auch einen einfachen Sachverhalt mit ihrer Ideologie nicht erklären. Angeblich verhindert ja das Ehegattensplitting die Beteiligung von Frauen am Erwerbsleben. Wie aber konnte es Deutschland gelingen, von einem Land mit sehr niedriger Frauenerwerbsquote zu einem mit der höchsten zu werden, und das noch binnen einer Generation? Die Konstante dieser Phase: das Ehegattensplitting blieb unverändert.

    Vielleicht sind die Leute ja nicht so blöd, wie sie Linke stets sehen. Sie wissen sehr wohl, dass die Abschaffung des Privilegs nur die Steuerbelastung für Familien hochtreiben würde. Denn warum haben sich Linke auch immer gegen das Realsplitting gewehrt, das kinderreiche Familien mit Erwerbseinkommen begünstigt und nicht allein die Ehe?

    Eben, weil es um politische Heuchelei geht. Der Sinn der Abschaffung des Ehegattensplittings ist eben nicht, die Frauenerwerbsquote auf ein noch höheres Niveau zu treiben, was Frauen in der Mehrheit gar nicht wollen, sondern dem Staat zusätzliche Einnahmen durch Höhertaxierungen zuzutreiben.

    Minijobs sind bis heute für sozial Abgehängte und Alleinerziehende die wichtigste Brücke in den Arbeitsmarkt. Klar möchten Linke solche Brücken abreißen, sollen die Leute doch von Transfereinkommen leben, so gibt es mehr für Linke zu tun.

    • Tim 3. Februar 2023, 15:07

      @ Stefan Pietsch

      Klar möchten Linke solche Brücken abreißen, sollen die Leute doch von Transfereinkommen leben, so gibt es mehr für Linke zu tun.

      Und mehr zu fingerpointen. Denn natürlich haben andere Schuld, wenn Menschen kein genügend hohes Einkommen erzielen: die Unternehmen, die Reichen, die Neoliberalen. Andere haben Schuld, andere sollen es wieder richten.

  • Tim 3. Februar 2023, 11:27

    (2 – Grün getarnt)

    „Die Vorstellung, man könne die Privatwirtschaft sich selbst regulieren lassen, ist ungefähr so tragfähig wie von einer siebten Klasse zu erwarten, dass sie sich selbst disziplinieren möge“

    Ich glaube, hier wirfst Du einiges durcheinander. Was viele Zertifikatsanbieter treiben, ist schlicht Betrug auf Kosten gernblinder Leute, die ein schlechtes Gewissen haben. Wer glaubt, er könne für ein paar Euro seinen Flug nach Mallorca neutralisieren, hat doch den Schuss nicht gehört. Fridays for Future fordern glaube ich einen Preis von etwa 200 Euro/Tonne – auch das ist wohl noch zu wenig. Bei uns kostet eine vermiedene Tonne CO2 im EEG-System heute vielleicht 2000-3000 Euro – das ist allerdings massiv zuviel wegen der irren Energie-Regulierung. Ich persönlich halte einen Preis von mehreren hundert Euro für wirksam und machbar.

    Es spricht überhaupt nichts dagegen, privaten Unternehmen den Handel mit CO2-Zertifikaten zu erlauben. Aber man muss Betrug eben als das bekämpfen, was es ist: schlicht Betrug. Dafür gibt es reichlich erprobte juristische Mittel. Aber klar: Gegen sowas vorzugehen, erfordert Mut. Diese Anbieter stehen ja vermeintlich auf der guten Seite der Geschichte.

    Mal eine Beispielrechnung aus der hohlen Hand:
    Ein gesunder, mittelalter Wald dürfte pro Hektar jährlich etwa 5-10 Tonnen CO2 neutralisieren und kostet vielleicht 30.000 Euro. Ich bin kein Experte, aber für Forstarbeiten muss man pro Jahr vielleicht auch noch mal 2.000 Euro reinstecken. Da kann sich ja grob ausrechnen, wieviel Geld eine neutralisierte Tonne CO2 kosten würde, wenn man es selbst organisiert.

    • Stefan Sasse 3. Februar 2023, 13:12

      Das ist genau was ich meine.

      • Tim 3. Februar 2023, 15:04

        Das wäre leichter zu erkennen, wenn Du es auch so schreibst. Du würdest ja auch bei Morden nicht formulieren, dass Täter und Opfer das nicht „selbst regulieren“ sollten. Nein, natürlich nicht. Dafür haben wir Gesetze.

  • Tim 3. Februar 2023, 11:37

    (7 – The cause of stagflation)

    „Die Marktwirtschaft per se führt eben nicht zu den Produkten, die die Mehrheit der Konsumierenden haben will, sondern zu Marktmachtkonzentration und eben enshittification“

    Da baust Du ein falsches Entweder-Oder auf. Beides schließt sich ja gar nicht aus. Ich hätte gern mal eine empirisch saubere Umfrage, die die angebliche Unzufriedenheit der Konsumenten mit den angebotenen Produkten belegt. Ich glaube nämlich, das ist einfach Bullshit. 🙂

  • Tim 3. Februar 2023, 11:45

    (8 – Fünf Fehler)

    „Die Strukturentscheidung für Elektromotoren und Elektroladesäulen ist de facto getroffen.“

    Da stimme ich Dir zu. Allerdings gibt es gar nicht genügend Rohstoffe für globale Elektromobilität. Vielleicht finden wir in den nächsten 10-20 Jahren weitere massive Vorkommen, vielleicht finden wir Ersatzstoffe. Aber wissen tut das niemand. Die Strategie ist eine sehr optimistische Wette auf die Zukunft, die sich reiche Volkswirtschaften leisten können.

    Die auf vielen Ebenen richtige Strategie für Deutschland wäre gewesen, den motorisierten Individualverkehr drastisch zurückzufahren. Die Ingenieure und Facharbeiter aus der Automotive-Industrie bräuchten wir auch viel dringender z.B. in der Heizungssanierung.

  • Tim 3. Februar 2023, 11:56

    (Interview mit Claudia Major)

    Eine beeindruckende Wissenschaftlerin. Ich bin leider erst im Zuge des russischen Überfalls auf sie aufmerksam geworden. Es ist erschreckend, wieviele Leute hierzulande lieber Putin belohnen wollen, statt auf die Stimme der kalten strategischen Vernunft zu hören.

    • Stefan Sasse 3. Februar 2023, 13:12

      Ja!

    • cimourdain 3. Februar 2023, 14:47

      „kalt“ trifft es gut. Die Frau hält einen Atomkrieg für das kleinere Übel als sich von Putin erpressen zu lassen. Eine Neuauflage der „Lieber tot als rot“ Fanatiker des 20. Jahrhunderts.

      • Tim 3. Februar 2023, 14:50

        Das ist echt Unsinn. Die Frau hält Putin für einen beißenden Köter, den man treten muss, damit er mit dem Beißen aufhört.

        • cimourdain 3. Februar 2023, 20:01

          Wenn das ihre Vorstellung vom Umgang der Nationen ist, dann sagt das eigentlich alles.

          • Erwin Gabriel 5. Februar 2023, 01:55

            @ cimourdain 3. Februar 2023, 20:01

            [Die Frau hält Putin für einen beißenden Köter, den man treten muss, damit er mit dem Beißen aufhört.]
            Wenn das ihre Vorstellung vom Umgang der Nationen ist, dann sagt das eigentlich alles.

            Der Punkt ist nicht, blindwütig nach einem Hund zu treten. Der Punkt ist: Wie wehre ich mich gegen einen Hund, der beißt? Gut zureden hat jedenfalls nicht geholfen.

      • Thorsten Haupts 3. Februar 2023, 23:30

        „Lieber tot als rot“

        Oh, ich gehöre dazu 🙂 . Nur bin ich kein Fanatiker, sondern ein kühl kalkulierender Realist.

        • Stefan Sasse 4. Februar 2023, 12:41

          Ich bin lieber rot als tot, aber ich lebe auch gern.

          • Thorsten Haupts 4. Februar 2023, 12:48

            Du hättest bei Eintreten des auslösendenEreignisses die Gelegenheit gehabt, in einem hübschen GULAG nicht Deiner Wahl diese Entscheidung zu überdenken.

            Im übrigen beruht die nukleare Abschreckung auf genau diesem Prinzip, sonst könnte sie nicht funktionieren. Deshalb „kühl kalkulierend“.

            Gruss,
            Thorsten Haupts

            • Stefan Sasse 4. Februar 2023, 18:55

              Ich weiß. Aber ich bin lieber im Gulag als tot. Ich hasse die Kommunisten, ich will nicht auch nur in grober geografischer Nähe zu diesen Arschlöchern leben. Aber Sprüche wie „lieber tot als rot“ halte ich für groben Unfug.

              • Thorsten Haupts 4. Februar 2023, 19:21

                Das war im kalten Krieg die Geschäftsgrundlage der NATO. Sonst hätte sie keinen Sinn gemacht – wir gingen immer davon aus, dass wir uns auf westdeutschem Boden verteidigen müssen.

                Wenn Du mit Deiner Haltung konsequent wärst, müsstest Du Dich denjenigen anschliessen, die Deutschland entwaffnen wollen (weit ist das eh nicht mehr). Alleine eine bewaffnete Verteidigung bedeutet immer und automatisch, dass man „lieber tot als X“ unterschreibt. Frei nach Clausewitz – der Verteidiger entscheidet, ob es einen Krieg gibt. Der Angreifer würde lieber ungestört und friedlich einmarschieren.

                Gruss,
                Thorsten Haupts

                • Stefan Sasse 6. Februar 2023, 11:09

                  Moment. Ich sage ja nicht, dass ich das Land nicht verteidigen will. Aber ich verstehe „lieber tot als rot“ so, dass ich im Falle eines umfassenden Sieges quasi Sepukku begehen müsste. Und das sehe ich nicht. Ich würde auch mit vollem Einsatz den Faschismus bekämpfen, aber das heißt nicht, dass ich im Januar 1933 „lieber tot als braun“ wäre. Ich würde dann wohl im System weiterzuleben versuchen. Dasselbe würde ich im Ostblock machen. Wäre ich ein Deutscher in der DDR 1950 – ich wäre nicht „lieber tot als rot“, sondern würde halt irgendwie versuchen, im System zu leben. Darum geht’s mir. Nicht, dass ich mein eigenes nicht verteidigen wöllte.

                  • Thorsten Haupts 6. Februar 2023, 12:44

                    Ist völlig okay, nur eben IMHO nicht zu Ende gedacht. Lieber tot als rot buchstabiert nur aus, dass bewaffnete Verteidigung das Risiko des eigenen Todes beinhaltet (heute auch für Zivilisten), mehr nicht. Seppuku würde ich auch nicht begehen, aber das ist damit gar nicht gemeint.

                    • Stefan Sasse 6. Februar 2023, 13:40

                      Aha:
                      The first phrase, „better red than dead“, is often credited to British philosopher Bertrand Russell, but in his 1961 Has Man a Future? he attributes it to „West German friends of peace“.[1] In any event, Russell agreed with the sentiment, having written in 1958 that if „no alternatives remain except Communist domination or extinction of the human race, the former alternative is the lesser of two evils“, and the slogan was adopted by the Campaign for Nuclear Disarmament, which he helped found.[2]
                      https://en.wikipedia.org/wiki/Better_red_than_dead

                    • Thorsten Haupts 6. Februar 2023, 19:02

                      Ja. Danke. Genau deswegen war die Umkehrung ja kühl, rational und kalkulierend. Dass Russell und die ihm folgenden Pazifisten damals sich vor jedem Aggressor auf den Bodengelegt und die Beine breit gemacht hätten, ist ja hinlänglich bekannt.

              • sol1 4. Februar 2023, 23:44

                Der Dummspruch „lieber tot als rot“ hatte ja auch als Gegenreaktion einen unreflektierten Pazifismus, mit dessen Nachwirkungen wir uns heute noch rumschlagen müssen.

                • Thorsten Haupts 5. Februar 2023, 02:05

                  Sehr interessant. Sie haben sicher eine gute Begründung für „Dummspruch“ und einschlägige Studien für die Entwicklung des deutschen Pazifismus aus genau diesem Spruch, ja?

                  • sol1 5. Februar 2023, 13:01

                    Die tatsächliche Politik orientierte sich ja an dem Motto „Weder rot noch tot“.

                    Und daß die Lieber-tot-als-rot-Protagonisten gerne mit Doktor-Seltsam-Szenarien für das nukleare Schlachtfeld Deutschland operierten, hat natürlich zu einer Verhärtung der pazifistischen Positionen beigetragen.

                    • CitizenK 5. Februar 2023, 13:35

                      Auch aktuell hantieren einige mit Phantasien, ob es einen nuklearen Schlag und Gegenschlag geben soll oder wird. Offenbar haben einige keine Vorstellung (mehr) davon, was das bedeuten würde. Meine Generation hat die Bilder noch im Kopf.

                    • Thorsten Haupts 5. Februar 2023, 13:52

                      Okay, also keine Argumente. Danke.

          • Tim 5. Februar 2023, 16:38

            @ Stefan Sasse

            Ich bin lieber rot als tot, aber ich lebe auch gern.

            Wenn Du das einem kommunistischen Aggressor so kommunizierst, ist das eine Einladung zur Aggression. Und wenn Du so Poker spielst, verlierst Du. 🙂

            • Thorsten Haupts 5. Februar 2023, 18:47

              Wichtiger Aspekt, aber davon völlig abgesehen – sobald ein Staat beschliesst, sich bewaffnet zu verteidigen, hat dessen Gesellschaft, ob bewusst oder nicht, genau die Entscheidung „lieber tot als x“ bereits getroffen. Ich entnehme der Diskussion, dass einigen Menschen das nicht bewusst ist – ist vielleicht besser so.

              Gruss,
              Thorsten Haupts

              • Erwin Gabriel 8. Februar 2023, 16:18

                @ Thorsten Haupts 5. Februar 2023, 18:47

                Ich entnehme der Diskussion, dass einigen Menschen das nicht bewusst ist – ist vielleicht besser so.

                🙂

            • Stefan Sasse 6. Februar 2023, 11:15

              Ich bin aber nur Bürger und nicht Staatschef.

  • Thorsten Haupts 3. Februar 2023, 12:58

    Zu 3)
    Endlich eine Handhabe gegen die Palmers dieser Welt – es gibt nichts, was Linke mehr hassen, als populäre und pragmatische Politiker. Die Wahlrechtsreform stellt sicher, dass es die nicht mehr geben wird. Ich halte sie übrigens für illegitim und werde Leuten in Zukunft nicht mehr entgegentreten wollen, die Demokratie verächtlich machen.

    Zu 6)
    Viel Spass mit der vollkommen folgenlosen Debatte.

    Zu 9) Eine Lösung dafür scheint es mir nicht wirklich zu geben.
    Sehr weise Erkenntnis. Die Abstimmung mit den Füssen sagt einem übrigens sehr viel realistischer, wofür eine Mehrheit von Leuten tatsächlich steht, als vollmundige Erklärungen in Sonntagsreden oder Umfragen aller Art.

    Zu 10)
    Auf wieviele verschiedene Arten kann man eigentlich über einen Zeitraum von 30 Jahren darstellen, dass es einen echten Gender Pay Gap nicht gibt (= Männer und Frauen werden für gleiche Arbeit und gleichen Arbeitsumfang unterschiedlich bezahlt)? Ich frage für einen Freund.

    zu h)
    Bewusste Falschdarstellung, Sasse-Edition.

    Zu o)
    Wenn sich das unter Linken nicht nur rumsprechen, sondern Schule machen würde – gar nicht auszudenken 🙂 .

    Zu p)Ich hatte in diesem Sommer einen Shitstorm hinter mir, …
    Jau. Ein durchschnittlicher „Shitstorm“ auf twitter hat weniger beteiligte, als ich persönliche Gegner in der Studentenpolitik. Und denen lief ich dazu noch fast täglich über den Weg. Schlimm, diese lauen Wortlüftchen auf twitter.

    Zu u)
    Ah, die übliche linke Verachtung einer demokratischen Institution und Parlamentsarmee scheint durch. Hier getarnt hinter AfD-Bashing. Nice.

    In t) und z) fehlen weiterführende Links?

    Gruss,
    Thorsten Haupts

  • cimourdain 3. Februar 2023, 19:55

    1) i) Der „vergleichsweise neue Anspruch der Geschichtswissenschaft, so neutral wie möglich zu sein“ geht bis Tacitus (sine ira et studio) zurück.
    ii) Das Naturwissenschaft im Unterricht weniger Deutungskämpfe verursacht, ist auch nicht so pauschal richtig: Evolution, ‚Neue Mathematik‘, Klima…
    iii) Es ist nicht möglich, kein Narrativ zu verbreiten, das habt ihr in den Bohrleuten gut dargestellt. Aber deshalb sind möglichst unterschiedliche Standpunkte eher positiv zu werten. Ich habe jedenfalls in Geschichte am meisten von einem stockkonservativen Knochen gelernt.

    2) Da musst du gar nicht so weit schauen. Nimm nur die Ausgleichsflächen nach der Eingriffsregel hierzulande. Der BUND bezeichnet sie als „legalen Betrug“. Im übrigen ist in diesem Zusammenhang die Metapher „Wer den Sumpf trockenlegen will, darf nicht die Frösche fragen.“ etwas deplaziert. Der Amphibienverband empfiehlt „Wer Landschaft renaturieren will, darf nicht die Menschen fragen“

    3) Meine bevorzugte Begrifflichkeit wäre „Personenstimme“ und „Parteienstimme“. Damit wäre unabhängig von der Hierarchie klar, wie die Legitimationskette ist.

    5) i) Ich hatte zu den Bohrleuten mit Stefan Q. geschrieben, wie wichtig „Geschichte vor Ort ist“. Das ist ein Musterbeispiel.
    ii) Eine bemerkenswerte Aussage im Artikel ist, dass es nicht die lustlosen Lehrer sind, die an dem Punkt schädlich sind, sondern die, die es besonders gut meinen und die Schüler mit Information oder Betroffenheit überwältigen.

    8) Schade, dass du dir nur diesen einen Punkt aus dem Meinungsartikel herausgepickt hast. Ich finde Stöckers Empörung über den „Klimaimperialismus“ hinter dem Vorschlag noch diskussionswürdiger.

    9) Es gibt durchaus ein „Instrument“ der Desegregation, das nur eben nicht wünschenswert ist, weil sie auf lange Sicht zu einer „Resegregation“ zu Lasten der Schwächeren führt: Gentrifizierung

    10) Gibt es eigentlich irgendwo Zahlen, wie stark der „Gender Pay Gap“ Mütter betrifft und wie stark kinderlose Frauen ? Ich habe dazu nichts gefunden, vermute aber stark, dass das der deutlichste diskriminierende Faktor ist.

    b) Du kannst gerne doppelt lachen. Der ‚Tatort‘ ist mitten in der Fußgängerzone, wo weiträumig überhaupt keine Autos sind. Die standen maximal auffällig verboten.

    i) Mal davon abgesehen, dass der Tweet eigentlich nur verschwörungstheoretisches Raunen wiedergibt, habee ich mir mal einfach die Zusammensetzung der Rundfunkräte der Ost-Sender angesehen: Beim MDR ist ein Rundfunkrat (von 50 davon 16 Parteivertreter) von der AfD, beim RBB keiner. CDU und Linke sind beim MDR stark, bei RBB sind je zwei Räte von CDU, SPD und Linke, einer von den Grünen.

    j) So ist das natürlich albern, aber der wahre Kern dahinter ist, dass Inhalte in Lebensmitteln stark verschleiert werden. Um beim Thema zu bleiben: Hättest du hinter E120 oder „(Natur)karmin“ gemahlene Schildläuse erkannt?

    o) Ich persönlich denke, es ist umgekehrt: Leute, die mehr über ein Thema wissen, halten sich eher mit starken Meinungen zurück, weil Sie wissen, dass dieses Thema nicht Schwarz-Weiss ist.

    x) Nach dieser Logik gab es nie Stellvertreterkriege. Koreaner, Vietnamesen, Mudschaheddin hatten alle eigene Interessen und es ging allen um ihr Land – dennoch wurden sie von Großmächten für deren Interessen vorgeschickt. Aber mir soll es recht sein, wenn es keiner ist – dann braucht der Westen ja nicht mehr den Krieg mit immer neuen Waffen weiter füttern.

    • derwaechter 3. Februar 2023, 20:49

      10)
      Schau nach „Motherhood penalty“
      https://en.m.wikipedia.org/wiki/Motherhood_penalty

      Zu Deutschland habe ich auf die Schnelle nichts gefunden. Aber das hier zu unseren Nachbarn im Westen:

      „In the Netherlands, a mother loses almost half her income seven years after giving birth to a child compared to women who don’t have child.“

      Unter mothers equal pay hat Forbes einiges für die USA beschrieben

      https://www.forbes.com/sites/hollycorbett/2022/09/08/mothers-equal-pay-day-2022-how-the-pay-gap-impacts-families/?sh=50c939afc1f7

      • derwaechter 3. Februar 2023, 20:51
        • Ariane 4. Februar 2023, 02:07

          https://de.statista.com/infografik/27657/sgb-ii-hilfequoten-von-alleinerziehenden-und-paarfamilien/#:~:text=Rund%2043%20Prozent%20der%20Alleinerziehenden,bei%20von%20relativer%20Einkommensarmut%20betroffen.

          Hier sind noch einige Statistiken aus Deutschland, das größte Risiko ist, wenn man alleinerziehend ist – und das sind zu 88% Frauen. Wird hier auch recht viel diskutiert, weil Bremen und noch mehr Bremerhaven so stark von Armut betroffen sind.

          In unserem Männer-Frauen-Podcast hatten wir das auch genauer aufgedröselt (für Paarbeziehungen, alleinerziehend ist immer scheiße, da musst du quasi vorher schon reich sein), man kommt da einfach schnell in eine Spirale rein. Ich bin zb überhaupt keine Freundin von Elterngeld, das nach Einkommen geregelt ist. In den meisten Fällen ist es nun mal so, dass der Mann mehr verdient und man auf jeden Cent schauen muss, also nimmt er nur 2 Monate Elternzeit. Ein 14 Monate altes Kind braucht aber noch Betreuung, also ist es wiederum lohnender, wenn die Frau auf Teilzeit geht (ja, meist hat sie auch einen Job, in dem das einfacher möglich ist. Warum nur?)
          Das Ganze macht man vielleicht mit 2 Kindern und nach 10 Jahren sind alle in der Midlife-Crisis und trennen sich. Natürlich nimmt die Frau die Kinder, weil ihr Leben schon darauf ausgerichtet ist und das viel einfacher und problemlos möglich ist. Väterrechtler haben inzwischen dafür gesorgt, dass die Mutter 20 Jahre zurückgesteckt hat und null Anspruch auf iwas hat außer Kindesunterhalt und einen halben Rentenpunkt (wenn sie einen sehr guten Scheidungsanwalt hat, Therapeut braucht man bestimmt noch dazu. )

          Das ist so und ist auch nicht mit einem einzelnen Gesetz oder „alle wollen das doch so“ erklärt. Ich persönlich halte es auch für illusorisch, dass Ottonormal-Eltern mit einem 14 Monate alten Kind Vollzeit arbeiten und allzeit bereit für Einspringen, Überstunden etc. sind. Aber die traditionelle Aufteilung läuft auch nicht mehr rund (btw auch für Männer, die mehr wollen als einen Gute-Nacht-Kuss und einen Samstag im Zoo)

          Da geb ich Stefan P. übrigens recht. Ich halte das Ehegattensplitting auch für irrelevant und würde erstmal beim Elterngeld ansetzen. Es wird sich aber nicht allein durch Politik lösen lassen. Vielleicht hilft da der „Fachkräftemangel“ mehr als jedes Gesetz, weil die Unternehmen sich mehr bewegen müssen (denn Arbeitgeber mit genügend Auswahl wollen nun mal am liebsten ungebundene Leute mit Ehrgeiz auf Karriere/Geld, kann ich auch verstehen)

          • Stefan Sasse 4. Februar 2023, 12:42

            Volle Zustimmung.

          • Stefan Pietsch 4. Februar 2023, 15:56

            Frau wird nicht so einfach alleinerziehend. Wenn es sich ausschließlich um einen „Schicksalsschlag“ handelt, warum unterscheiden sich die Quoten Alleinerziehender so gravierend von Ost und West, von EU-Land zu EU-Land?

            Außerdem geht mir Deine und Stefans Neigung, für politisch unangenehme Folgen und Versagen reflexartig Konservative und Liberale verantwortlich zu machen, ziemlich auf den Keks. Vor Monaten wollte Stefan beharrlich den Rohrkrepierer Gasumlage Christian Lindner anhängen. Nun kommst Du. Es waren Konservative, die sich gegen Zypris Unterhaltsreform stemmten, mit der Frauen den Großteil ihrer Unterhaltsansprüche verloren.

            Geschichtsstunde einmal anders.

            • Stefan Sasse 4. Februar 2023, 18:55

              Außerdem geht mir Deine und Stefans Neigung, für politisch unangenehme Folgen und Versagen reflexartig Konservative und Liberale verantwortlich zu machen, ziemlich auf den Keks.

              Sagt grade der Richtige.

            • Kning4711 5. Februar 2023, 10:49

              Frau wird nicht so einfach alleinerziehend. Wenn es sich ausschließlich um einen „Schicksalsschlag“ handelt, warum unterscheiden sich die Quoten Alleinerziehender so gravierend von Ost und West, von EU-Land zu EU-Land?

              Ein Schicksalsschlag ist es sicherlich nicht. Tendenziell kann man sogar sagen: eine hohe Alleinerziehendenquote ist nicht zuletzt ein Maß von Wohlstand.

              Schaut man auf Europa gibt es in der Tat sehr gravierende Unterschiede: Großbritannien: jeder 5. Kind wächst mit einem Elternteil auf, Dänemark jedes 7. Kind und in Deutschland ist ca. jedes achte.

              In den Ländern, in den Ländern wo wie Alleinerziehendenquoten niedriger sind, wird dies aber erkauft durch eine höhere Gewalt gegenüber Frauen und Kindern. Ich denke wir sind uns einig, dass dies ist kein erstrebenswerter Zustand wäre.

              Spannend auch, in Summe bessert sich die Anlage für Alleinerziehende in der EU, wenn auch auf niedrigem Niveau: der Anteil derer, die von einer sehr schlechten Wohnsituation betroffen sind, unter erheblicher materieller Deprivation leiden, von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind oder in Haushalten mit sehr niedriger Erwerbsintensität leben, ist zurückgegangen. Bei der Armutsgefährdungsrate gab es jedoch keine Verbesserungen. (Vgl. https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/STUD/2020/659870/IPOL_STU(2020)659870(SUM01)_DE.pdf )

              Dreh und Angelpunkt ist mal wieder die Güte des Bildungssystems: dort, wo es gute Betreuungsmöglichkeiten für Kinder gibt, wird es Alleinerziehenden erleichtert in den Arbeitsmarkt zurückkehren zu können. Wenn das nicht gegeben ist steigt das Armutsrisiko und die Abhängigkeit von staatlichen Transferleistungen.

              Ich glaube es geht zum Wesen moderner Gesellschaften das Bindungen „brüchiger“ werden. Es wird uns nicht gelingen, die Alleinerziehungsquoten zu reduzieren. Insofern wäre es viel wichtiger den damit einhergehenden Teilhabeverlust und Armustgefahr zu reduzieren. Oberste Priorität staatlicher Aktivität sollte daher in meinen Augen die Schaffung ausreichender, qualifizierter Betreuungseinrichtungen sein, statt Alleinerziehende mit Transfereinkommen zu alimentieren und damit ihre Situation vom Arbeitsmarkt weiter abgekoppelt zu sein zu verfestigen. Letzteres ist für Politik natürlich deutlich bequemer.

              • Stefan Pietsch 5. Februar 2023, 15:35

                Erster Impuls: Zustimmung. Zweiter Impuls: Totale Ablehnung. Ich bleibe bei letzterem.

                Schon ihre Beispiele zeigen: Einkommen ist nicht das (tiefere) Motiv für den Status Alleinerziehend. Das gilt erst recht nicht im Blick auf Deutschland. Im Osten ist die Alleinerziehendenquote fast doppelt so hoch wie im Westen.

                Offensichtlich liegt der Grund in Kultur, persönlichen Verhaltensweisen, Staatseinfluss. Überall dort, wo der Staat Eltern die Möglichkeit bietet, die Betreuung von Kindern weitgehend outzusourcen, steigt die Bereitschaft bei Frauen, es allein zu versuchen. Nur sind diese Versuche nicht von Erfolg gekrönt. Nicht nur in Deutschland bildet die Gruppe der Alleinerziehenden den Kernbestand des armutsgefährdeten Teils der Gesellschaft. Kein Wunder: Eine Alleinerziehende hat einen um 20.000 – 25.000 Euro erhöhten Finanzbedarf. Das kann kein Staat ausgleichen, daher ist der Weg in die Armutsfalle, freundlich begleitet von der Politik, vorgezeichnet.

                Umgekehrt zeichnet Besserverdienende und Vermögende eins in ihren persönlichen Verhältnissen aus: Sie sind (lange) verheiratet und haben Kinder. Da ist die Statistik unerbittlich. Männer verhalten sich da übrigens rational, wenn sie ihren Ex-Frauen den Unterhalt vorenthalten. Damit bleibt wenigstens einem Teil die Armutsfalle erspart. *Wer mich für die Aussage kritisiert, sollte seine eigene Position überdenken*

                Für wen sollte es vorteilhaft sein, wenn Elternteile getrennte Wege gehen? Für die Kinder keineswegs, für Kinder ist die harmonische Elternbeziehung das mit Abstand beste Modell. Auch Patchwork kann da nicht mithalten.

                Jetzt kommt der eigentlich alberne Einwurf: Wenn aber die harmonische Elternbeziehung nicht möglich ist? Bitte, hoffentlich will mir niemand erzählen, dass 7% der Männer gewalttätig ist. Okay. Zwei Fakten: zu den häufigsten Trennungsgründen von Paaren zählen die finanziellen Verhältnisse und unterschiedliche Vorstellungen über Zukünftiges. Ich habe mal gegoogelt und die 10 häufigsten Trennungsgründe gefunden. Das sind alles Gründe, die in der Person begründet liegen und in jeder Beziehung erneut auftreten. Deswegen finden Menschen, die sich häufig trennen, auch keine Stabilität in ihrem Leben.
                https://www.scheidung.de/scheidungsnews/die-top-10-der-scheidungsgruende.html

                Der Staat fördert diese Schwächen. Statt Scheidungen zu erschweren, erleichtert er sie. Damit nimmt er Paaren den Einigungsdruck. Sie kennen das vielleicht von Freelancern. Im Fußball ist das bekannt unter Söldnermentalität. Solange an anderer Stelle immer noch etwas vermeintlich Besseres lockt, investieren Menschen weniger in bestehende Beziehungen.

                Kinder sind eine Lebensentscheidung. Eltern übernehmen damit Pflichten, die nicht einfach abgestreift werden können. Dazu gehört übrigens auch ein harmonisches Umfeld, in dem Kinder aufwachsen können.

                Ich bevorzuge bei Neueinstellungen Bewerber, die in Beziehungen leben, noch besser, die Familie haben. Eltern zeigen in Mehrheit mehr Verantwortungsbewusstsein für andere. Sie bringen sich dann auch mehr ins Unternehmen ein. Auf dem Index stehen bei mir langjährige Singles. Und mit dieser Einstellung bin ich nicht allein.

                • Kning4711 5. Februar 2023, 16:51

                  In meinen Augen hat der Staat dafür Sorge zu tragen, dass Kinder, sofern die elterlichen Voraussetzungen es nicht schaffen, zumindest ein Umfeld erschafft indem sich Kinder dennoch entwickeln können und Teilhabe erlangen. So verstehe ich die Hilfe für Alleinerziehende.
                  Schwierig wird es wenn diese Unterstützung zwar die Alleinerziehende/n finanziell entlastet, diese aber nicht die Möglichkeit haben am Arbeitsleben teilzunehmen.

                  Was die Erschwerung von Scheidungen angeht. Der zunehmende Individualismus macht eben auch vor Ehen nicht halt. Insofern ist das eher für mich eine Frage der Erodierung der gesellschaftlichen Reife. Es finden sich an vielen Stelle viele Meckerer und Besserwisser, die Zahl jener die Verantwortung übernehmen – sei es als Eheleute, es als Eltern, im Beruf oder Verein, schrumpft. Die konstruktive Konfliktbereitschaft sinkt. Das sind wir aber allesamt als Menschen selbst gefragt, dass wird kein Staat für uns richten können.

                  • Stefan Pietsch 5. Februar 2023, 21:39

                    Nun ja, wir haben alle so Erwartngen an den Staat, die enttäuscht werden.

                    Es ist keine neue Erkenntnis, dass die Kinder in den armutsgefährdeten Milieus weniger die Hilfe des Staates bei der Betreuung ihrer Kinder in Anspruch nehmen als Normalsterbliche. Darauf müsste man eine Antwort haben – haben die Befürworter staatlicher Betreuung aber nicht. Da drehen wir uns diskursiv im Kreis, denn Wünsche kann ich auch formulieren.

                    Deutschland hat nur eine begrenzte Zahl qualifizierter Erzieher. Das ist ein Sachverhalt, den wir in 20 Jahren nicht entscheidend ändern konnten. Der Markt für Erzieher ist seit Jahren leergefegt, selbst mit geringer Qualifikation und Eignung finden Sie heute in dem Gewerbe problemlos eine Lebensanstellung. Anscheinend wird aber nicht zielgerichtet gefördert. Das ist dann wiederum Staatsversagen.

                    Noch werden die meisten Kinder in Ehen geboren. Das ist immer noch die präferierte Form, Familien zu gründen (und zu erhalten). Und was macht der Staat? Er arbeitet sich seit langem daran ab, die Ehe dem ungebundenen Alleinsein und Zusammenleben gleichzustellen. Er sägt an dem Ast, auf dem er sitzt.

                • Thorsten Haupts 8. Februar 2023, 15:01

                  Gebe Ihnen sachlich (zum Teil) durchaus recht, aber: In Demokratien kann man auf Dauer keine Politik gegen eine sich verfestigende Mehrheitsstimmung machen. Die hat Ariane ganz gut dargestellt und sie kann ja argumentativ auch durchaus begründet werden.

                  Aus genau demselben Grunde nützt es mir überhaupt nix, bei der Ablehnung von Bequemlichkeitspazifismus immer Recht gehabt zu haben – die Bevölkerung brauchte den Schock des Ukrainekrieges, um zu denselben Schlüssen zu kommen, die ich vertreten habe, seit ich 15 wurde (mal sehen, wie lange sich diese Erkenntnis gegen Bequemlichkeit durchsetzt bzw. ob sie überhaupt jemals politisch praktisch wirksam wird).

                  In Demokratien wird – bei fast jedem Thema – selten das gemacht, was rational oder wirksam ist. Das unterscheidet sie prinzipiell nicht von Diktaturen, aber sie kann sich nach Krisen und Schocks wenigstens selber korrigieren. Sehr langfristiger, langsamer, schleichender Verfall ist ihre grösste Bedrohung, da fast nicht zu beweisen und also politisch unmöglich zu bekämpfen.

                  Gruss,
                  Thorsten Haupts

                  • Stefan Pietsch 8. Februar 2023, 15:46

                    Die Mehrheit der jungen Menschen will heiraten. Ebenso werden die meisten Kinder in Ehen geboren. Den Wunsch nach Anerkennung Alleinerziehender über den Opferstatus hinaus sehe ich nicht.

                    Die Debatte hat mich aus einem Grund genervt: Wieder wird man mit Moralismus beworfen. Man will Trennungen verhindern, das Schuldprinzip wieder einführen. Auf der anderen Seite konnte man kein für sich selbst geltendes Prinzip benennen. Trennungen seien als Akt der Eigenverantwortung zu akzeptieren.

                    Ja und? Was folgt daraus? Wieso palavern wir über arme Alleinerziehende und dass Kinder aus armen (sprich: Alleinerziehenden-) Haushalten unbedingt finanziell zu unterstützen seien. Was denn nun? Eigenverantwortung oder Schicksalsschlag?

                    Wir wollen Scheidungen so einfach wie möglich (am Besten Postkarte) und Kündigungen so schwer wie möglich. Was ist denn nun wichtiger? Ehen und Familien oder eine zeitlich befristete Anstellung? Das Grundgesetz sagt Ehe und Familie, aber das hat Linke ja noch nie interessiert.

                    Dieser Hass der Linken auf die Ehe als Stabilisator jeder Gesellschaft ist echt abtörnend.

                    • Stefan Sasse 9. Februar 2023, 07:34

                      Dieser Hass der Linken auf die Ehe als Stabilisator jeder Gesellschaft ist echt abtörnend.

                    • Stefan Pietsch 9. Februar 2023, 11:36

                      Seit Jahrzehnten laufen alle politischen Forderungen der linken Parteien auf eine Aushöhlung des Instituts der Ehe hinaus.

                      * Im Fokus aller Bestrebungen steht die Abschaffung des sogenannten Ehegattensplittings. Die Grünen als Speerspitze forderten in Teilen die gänzlich ersatzlose Abschaffung. Alle Anstrengungen zielen jedoch darauf, Ehepartnern nicht mehr die gleichen Steuervorteile einzuräumen wie bisher und damit die Steuerlast zu erhöhen.

                      * Reformen des Scheidungsrechts unter SPD-Führung gingen immer in die Richtung, Trennungen generell zu erleichtern.

                      * Die ehemalige Justizministerin Brigitte Zypris arbeitete jahrelang daran, den Unterhaltsanspruch der Ehepartner weitgehend abzuschaffen. Das ist heute auch der Status und verschlechterte die finanziellen Verhältnisse vieler Geschiedener. Der Gipfel ist dann, wenn eine dezidiert Linke wie Ariane diese Schlechterstellung von vielen Alleinerziehenden verknöcherten Konservativen anlasten will.

                      * Die Gleichstellung mit allen anderen Lebensformen – von der gleichgeschlechtlichen Ehe über Patchwork bis zur Alleinerziehenden – ist ebenfalls seit Jahrzehnten großes Bestreben linker Parteien.

                      * Abschaffung der Witwenrente.

                      Für jeder dieser Punkte gibt es gute Argumente. Man kann auch das eine oder andere vertreten. In Summe zeigt es jedoch eine Geringachtung wenn nicht Verachtung für die Ehe, die trotz aller Modewendungen und rechtlichen Nivellierungen immer noch mit Abstand beliebteste Form des Zusammenlebens.

                    • Ariane 9. Februar 2023, 16:55

                      Der Gipfel ist dann, wenn eine dezidiert Linke wie Ariane diese Schlechterstellung von vielen Alleinerziehenden verknöcherten Konservativen anlasten will.

                      Wus??? 😀

                      Also man kann übrigens links sein und die Ehe nicht hassen. Ich hab überhaupt nichts gegen die Ehe. Bin aber auch nicht dafür, Scheidungen zu erschweren, weil – wie erwähnt – auch Trennungen genauso zum liberalen Freiheitsbegriff gehören, wie zu lieben, wen man will. Da hat der Staat sich nicht einzumischen, sondern muss Wege finden, damit umzugehen. Und das Wegfallen aller Unterhaltsansprüche an den Partner habe ich nicht verknöcherten Konservativen angelastet, sondern Väterrechtlern.

                      Seit Jahrzehnten laufen alle politischen Forderungen der linken Parteien auf eine Aushöhlung des Instituts der Ehe hinaus.

                      Das hat überhaupt nichts mit Links und Rechts zu tun, das ist die liberalere Gesellschaft und die Säkularisierung derselbigen, die das Institut der Ehe ausgehöhlt haben. Die Gesetzgebung lief und läuft dem Ganzen nur hinterher, die Veränderung fand viel viel früher statt.

                      Wenn wir allerdings eh schon bei dezidiert Linken und verknöcherten Konservativen sind: Meine radikalste Idee, mit der ich hin und wieder liebäugle, wäre ja, die Ehe nicht mehr von Liebesbeziehungen abhängig zu machen, sondern zwei (oder sogar mehr) Menschen können sich zu einer Ehe (oder Lebenspartnerschaft) zusammenschließen und sämtliche Rechte und Pflichten einer Ehe übernehmen. Man muss ja nicht zwingend ein Liebespaar sein, um sich gegenseitig zu versprechen, immer füreinander zu sorgen oder für jeweilige Kinder. Das könnten dann meinetwegen auch vier Leute sein oder Geschwister oder gute Freunde. Die Ehe an sich hat sich eh schon verändert und ich als dezidiert Linke möchte es übrigens nicht alles wegwerfen, weil ich rechtsverbindliche Beziehungen durchaus für eine gute Sache halte. Nur warum sollte das dann Liebespaaren vorbehalten sein?

                    • Thorsten Haupts 9. Februar 2023, 14:30

                      „Hass“ geht mir erheblich zu weit und ich halte es auch für Bullshit. Bei aller Liebe zu zugespitzten Formulierungen – alles, was wir in Gesetzesform zum Thema „Ehe“ haben, hat parlamentarische Mehrheiten gefunden und ist nach BVerfG-Auffassung (wo geklagt) grundgesetzkonform, case closed.

                      Wenn mich an der – im übrigen sachwidrigen – Forderung nach Abschaffung des Ehegattensplittings eines wirklich stört, dann ist das die offen ausgesprochene Absicht dahinter – man will Frauen in die bezahlte Vollzeit-Erwerbsarbeit zwingen, angeblich in deren eigenen Interesse. Grüner Paternalismus, gegründet auf überheblicher Besserwisserei. Bah …

                      Die Idee von Ehe/Familie als Keimzelle der Gesellschaft ist ohnehin im Kern illiberal, also nehme ich bei Ihnen einen Ausfall ins Konservative wahr, lieber Stefan P. 🙂

                      Gruss,
                      Thorsten Haupts

                    • Stefan Pietsch 9. Februar 2023, 14:57

                      „Hass“ ist die Lieblingsvokabel der Woken. Tiefe Abneigung trifft es auch, aber wir beide haben auch Zeiten erlebt, wo von einigen Weitergehendes über dieses spießige Institut gesagt wurde („Einrichtung zur Vergewaltigung der Frau“).

                      Die Zielrichtungen sind vielerlei, das gilt ja auch beim Ehegattensplitting. Genau das ist doch ein klares Indiz, dass das Ziel nicht irgendeine Rechtsfolge (höhere Steuereinnahmen) ist, zeigt, dass ein anderes Motiv maßgebend sein könnte.

                      Ich habe keine Zweifel gestreut, dass die Reformen grundgesetzwidrig seien. Aber eine Reihe von linken Vorstellungen dann schon, so wie die ersatzlose Streichung des Ehegattensplittings. Ob dann die Krücke „Freibetrag“ ausreicht, ist zumindest zweifelhaft.

                      Wer mich länger liest – und auch mein Eingangsstatement -, der weiß, dass ich mich als liberal-konservativ verorte. Konservativ bin ich in einer Reihe gesellschaftspolitischer Fragen wie Migration, Ehe & Familie, Kirche, Abtreibung, Kinder & Erziehung. Da werden Sie immer wieder Positionen von mir lesen, die eher ein konservativ-liberales oder einfach auch nur konservatives Bild zeichnen.

                    • Stefan Sasse 9. Februar 2023, 17:53

                      „Hass“ ist die Lieblingsvokabel der Woken.

                      Gott, ist das feige.

                    • Stefan Pietsch 9. Februar 2023, 17:34

                      @Ariane

                      Lange Vertragsbeziehungen lassen sich nicht einfach auflösen, denn der Sinn ist, sich eng miteinander zu verflechten und über den Tag hinausgehende Rechte und Pflichten einzugehen. Eine Pensionszusage trägt auch dann, wenn ein Mitarbeiter vor vielen Jahren das Unternehmen verlassen hat. Eine Garantieverpflichtung gilt auch dann, wenn das Produkt vom Markt genommen ist.

                      Mir fehlt jede Erklärung, warum das bei Ehen anders sein soll. Eine Ehe ist nach BGB ein Vertrag. Zwar ein Vertrag normalerweise unter Liebenden, aber ein Vertrag. Wer Rechte und Pflichten mit dem Tag der Trennung enden lassen will – und dahin gingen in den letzten Jahrzehnten die Bestrebungen – hat an einer tragfähigen Beziehung kein echtes Interesse. Dafür ist schließlich der vertragslose Zustand der Beziehung ausreichend.

                      Was unterscheidet eine Ehe von einer Partnerschaft ohne Ring? Doch genau dieses Eingehen von Rechten und Pflichten, die wesentlich weiterreichend sein müssen. Die Menschen wollen dieses besondere Institut. Sie wollen langfristige, dauerhafte Verpflichtungen eingehen. Die gelten aber auch dann, wenn man sich die Sache wegen einer neuen Liebe anders überlegt.

                      Ich habe am Beispiel Freelancer und Söldnermentalität im Fußball gezeigt, dass Menschen wenig in eine Beziehung investieren und für deren Erhalt unternehmen, je freier sie sich außerhalb der Beziehung bewegen können. Ist die Möglichkeit der Trennung nur einen Click entfernt und die Hoffnung auf Besseres ganz nah – warum dann Anstrengungen, Trauer, Verzweiflung, Hoffnung in eine im Sinken begriffene Beziehung investieren? Noch halten Ehen deutlich länger als vertragslose Beziehungen. Der Grund liegt eben in dem Beschriebenen. Warum sollte das geändert werden?

                      Deine radikalste Idee ist keine. Sie ist eben die Idee der Auflösung der Ehe. Rechte und Pflichten gelten nur so lange, wie die Ehe besteht und bitte keinen Tag länger.

                      Man muss ja nicht zwingend ein Liebespaar sein, um sich gegenseitig zu versprechen, immer füreinander zu sorgen oder für jeweilige Kinder.

                      Weil es Gründe geben muss, das Menschen Verpflichtungen eingehen. Je größer und umfangreicher diese sind, desto schwerwiegender müssen die Gründe sein. Vor kurzem habe ich hier geschrieben, wie gründlich die Übernahme eines Vorstandspostens überlegt sein will. So gründlich, dass das Gehalt nicht unbedingt ausreicht und schon viele es abgelehnt haben.

                      Liebe ist ein sehr starkes Motiv. Aber außerhalb würde ich bei den meisten Menschen nicht einmal für 10€ haften wollen. Du etwa?

            • Ariane 5. Februar 2023, 17:12

              Wenn es sich ausschließlich um einen „Schicksalsschlag“ handelt

              Hö? Ich hab nie gesagt, dass es ein Schicksalsschlag ist. Bin aber auch keine Freundin davon, dysfunktionale Beziehungen aufrecht zu erhalten, nur um nicht alleinerziehend zu sein. Ja, das Armutsrisiko ist höher, aber es geht halt, die Zeiten, in denen Frauen gezwungen waren, in schlechten Beziehungen zu verharren, weil sie komplett abhängig von ihrem Mann waren, wünsche ich mir bestimmt nicht zurück.

              Und ich halte das nicht für ein konservativ-liberales Problem, weiß nicht mal mehr, wer das Elterngeld eingeführt hat, vermutlich eine große Koalition. Spielt auch überhaupt keine Rolle, die Gesellschaft hat sich verändert, gerade was die Beziehung zu Familie und Arbeit angeht. Eben auch für Männer, die wollen ja auch mehr am Leben ihrer Kinder teilnehmen und nicht nur einen Samstag im Zoo. Und wenn es solch einen Wandel gibt, muss sich vieles neu orientieren. Cimo sagte es ja auch, das kann man den Arbeitgebern nicht allein überlassen, die Menschen selbst und die Politik allein können das auch nicht lösen. Der Wunsch 50er-Jahre-Modelle wiederzubeleben, hilft da auch nicht. Das werden viele kleine Stellschrauben sein, die man drehen muss.

              • Stefan Pietsch 5. Februar 2023, 22:03

                Bin aber auch keine Freundin davon, dysfunktionale Beziehungen aufrecht zu erhalten, nur um nicht alleinerziehend zu sein.

                Wer schon? Aber Du lieferst Nebelkerzen, aber keine Erklärungen, woher die Länder- und Regionsunterschiede kommen. Sind britische Männer paarkompatibler, sind ostdeutsche Frauen egoistischer? Oder gibt es andere Gründe?

                Nebenbei, leider scheint es für Frauen nur noch ein Nebenaspekt: Hauptleidtragende von Trennungen und dem folgenden finanziellen Absturz sind Kinder. Nicht Frauen. Nicht Männer. Doch das ist für Dich nicht der wesentliche Diskussionsgegenstand. Meiner schon.

                Und bitte, bitte! Verweis‘ nicht immer auf Zeiten, die Jahrzehnte vorbei waren, bevor Du überhaupt geboren wurdest. Das besitzt für das Heute nicht die geringste Relevanz.

                Nochmal: der Staat kann den finanziellen Verlust von Trennungen unmöglich auffangen. Dafür ist der Schaden einfach viel zu groß.

                • Ariane 6. Februar 2023, 00:03

                  Nebenbei, leider scheint es für Frauen nur noch ein Nebenaspekt: Hauptleidtragende von Trennungen und dem folgenden finanziellen Absturz sind Kinder. Nicht Frauen. Nicht Männer. Doch das ist für Dich nicht der wesentliche Diskussionsgegenstand. Meiner schon.

                  So ein Quatsch, ich bin selbst Scheidungskind und in einem inoffiziellen Club der gebeutelten Scheidungskinder, ich weiß, wie scheiße das ablaufen kann. Nur hilft es logischerweise auch gerade den Kindern, weil die ja mit in die Armutsfalle fallen.

                  Wer schon? Aber Du lieferst Nebelkerzen, aber keine Erklärungen, woher die Länder- und Regionsunterschiede kommen. Sind britische Männer paarkompatibler, sind ostdeutsche Frauen egoistischer? Oder gibt es andere Gründe?

                  Ich hab keine Ahnung. Kning hat da schon einen Punkt, dass die Gesellschaft heute individualistischer ist, vielleicht auch weniger Frustrationstoleranz hat. Die Vorstellungen an Ehe, Liebe und Partnerschaft haben sich auch sehr verändert und ich denke, die Ansprüche sind größer als früher.

                  Nur da kann der Staat erst recht nichts machen. Du schreibst, er sollte Scheidungen erschweren. Wie? Schuldprinzip wieder einführen? Das geht den Staat überhaupt nichts an, wer mit wem zusammen sein will oder eben nicht. Der Staat ist doch nicht dazu da, sich in Liebesbeziehungen einzumischen! Das ist ein ganz wichtiges liberales Prinzip! Er kann zum Teil andere Voraussetzungen im Vorfeld schaffen oder etwas auffangen, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. (Tut er ja auch, übernimmt zb den Unterhalt, wenn der Kindesvater nicht zahlt.)

                  • CitizenK 6. Februar 2023, 07:10

                    Seh ich auch so. Paare, die sich trennen, nehmen massive materielle Nachteile in Kauf (Wohnungen, Versicherungen, Wegfall von Vergünstigungen). Das persönlich-individuelle Motiv muss also sehr stark sein.

                    Die Möglichkeit, sein Leben nach eigenen Vorstellungen zu gestalten, war ein sozial-liberales Politik-Ziel und sollte es bleiben. Ein großer gesellschaftlicher Fortschritt, wie ich finde. Es kommt ja noch dazu, dass es um das Wohl der Kinder geht, individuell und gesellschaftlich.

                    Der (unser) Staat fängt in auch anderen Bereichen die Folgen von „Fehl“-Entscheidungen auf. Nach einer teuren vom Staat bezahlten Ausbildung kann man was ganz anderes machen, ins Ausland gehen oder ganz „aussteigen“.Ungesunde Lebensweise und gefährlicher Extremsport wird ebenfalls als individuelle Entscheidung gesehen, die gesellschaftlichen Kosten werden aufgefangen.

                    Warum nicht auch bei Alleinerziehenden?

                  • Stefan Pietsch 6. Februar 2023, 11:39

                    Nein, Kning hat eben keine Erklärung geliefert. Du solltest mitbekommen haben, dass die nicht funktioniert. Das Wohlstandsargument passt vielleicht im Grobvergleich zwischen Industrie- und Schwellenländern, aber nicht zwischen den OECD-Ländern selbst.

                    Die Erklärungen und Analysen dazu passen aber nicht zu Deiner politischen Ausrichtung. Also muss die Wirklichkeit sich Deiner Ideologie beugen.

                    Es ist dazu bemerkenswert, wie flexibel Prinzipien gehandhabt werden. Du sagst, der Staat dürfe in die persönliche Entscheidung nicht reinreden. Das sei ja schließlich ein liberales Prinzip. D’accor. Es heißt aber auch, die Konsequenzen der eigenen Entscheidung selbst zu tragen. Der Staat kann da nicht helfen.

                    Da ist es dann Ende mit Deiner und CitizenKs Liberalität. Schließlich seien ja Kinder von der Armut betroffen. Ja, aber. Die Eltern haben doch eine, so Deine Position, verantwortungsvolle Entscheidung getroffen. Dann muss man das so nehmen und nicht über die Armut Alleinerziehender klagen.

                    Das Grundgesetz billigt Ehe und Familie einen besonderen Schutz zu. Dies gilt insbesondere auch deren Erhalt. Der Erhalt der Ehe steht über dem Erhalt eines, sagen wir, Arbeitsverhältnisses. Die Rechtslage ist ein Stück umgekehrt. Wegen des Kündigungsschutzes kann ein Arbeitsverhältnis nur unter ganz besonderen Umständen aufgelöst werden: Dem Unternehmen geht es schlecht, der Mitarbeiter beschimpft das Unternehmen oder ihm wird ein Arm abgehakt. Würden wir verlangen, dass eine Ehe nur beendet werden kann, wenn der eine Partner notorisch untreu ist oder der andere Haus und Hof verwettet hat, würden wir das als absurd ansehen. Doch in der Praxis zwingen wir Menschen in Unternehmen länger gegen ihren Willen zusammenzuarbeiten als wir es bei einer Ehe für zumutbar halten. Da passen Eure Prinzipien kein bisschen.

                    Mit einem Kind übernimmt man Verantwortung für einen anderen Menschen und dessen Wohlergehen. Es dürfen nicht mehr nur die eigenen Bedürfnisse im Vordergrund stehen. Langjährige Ehen bestehen nicht deswegen lange, weil die Partner nie streiten. Sie haben gelernt, Konflikte so auszutragen, dass das Fundament nicht zerstört wird. Und gleichzeitig geben sie ihren Kindern Beispiel, wie Menschen Konflikte lösen. Bei Trennungen lernen Kinder gar nichts, ihnen wird der Boden unter den Füßen weggerissen.

                    Wir können Scheidungen nicht verhindern. Das will auch niemand, mach‘ keinen Strohmann auf. Aber Ex-Ehepartnern noch das Etikett anhängen, sie hätten immer verantwortungsvoll gehandelt ohne auf das Resultat zu schauen, ist dann doch etwas viel verlangt. Das ist eine inakzeptable Unbedenklichkeitsbescheinigung.

                    Und bitte stellt dieses Gedöns ein, man müsse Kindern aus armutsgefährdeten Elternhäusern helfen. So ernst könnt ihr das nicht meinen, wenn ihr Eltern zugesteht, allein nach ihren egoistischen-narzisstischen Motiven handeln zu dürfen.

                    • CitizenK 6. Februar 2023, 18:42

                      Kinder sollen so wenig wie möglich unter den Fehlern ihrer Eltern leiden (wenn es denn welche sind). Kinder sind neues Leben mit eigenen Rechten.
                      Das sehen auch moderne Liberale so, wenn sie eine Kinder-Grundsicherung und eine Eltern-unabhängiges Bafög anstreben oder wenigstens mittragen.

                    • Stefan Pietsch 6. Februar 2023, 22:19

                      Sie widersprechen sich. Sie argumentieren, es stehe Staat und Gesellschaft nicht an, anderen in ihre Partnerschaftsentscheidung hereinzureden. Hier ginge es ja um Eigenverantwortung. Das gilt aber nur, wenn wir anerkennen, dass Menschen verantwortungsvolle und richtige Entscheidungen treffen, zumindest aus ihrer subjektiven Sicht. Das schließt z.B. ein, dass sie verantwortungsvoll sich selbst und ihren Kindern, für die sie ja das Sorgerecht besitzen, einen Vermögensschaden zufügen, um sie vor Schlimmeren zu bewahren.

                      Das ist Ihre vorgetragene Position. Da passt der Satz überhaupt nicht:
                      Kinder sollen so wenig wie möglich unter den Fehlern ihrer Eltern leiden.

                      Sie sagen, das ist die Grundannahme, dass die Eltern in Mehrheit keine falsche Entscheidungen treffen. Dann können Kinder auch nicht unter falschen Entscheidungen leiden.

                      Ich sehe das wie gesagt anders. Ich halte die meisten Trennungen für objektiv verantwortungslos. Deswegen kann ich anderes fordern. Sie nicht. Sie machen aber das, was Sie wirklich immer machen: Cherry Picking.

                      Verantwortung, CitizenK, bedeutet, für die eigenen Entscheidungen mitsamt der Konsequenzen einzutreten und sie (klaglos) zu tragen. Wer dazu Verantwortung für andere Menschen hat, kann nicht so agieren als wäre er ein Solitär. Er muss die Konsequenzen für die ihm anvertrauten Menschen mitdenken. Und sich notfalls opfern.

                      Ich glaube, genau das verstehen Sie und Ariane nicht. Sie argumentieren allein aus der Position der Erwachsenen, behaupten, diese würden per se verantwortungsvolle (Trennungs-) Entscheidungen treffen und lamentieren doch über die Konsequenzen von falschen Entscheidungen für Kinder.

                      Das ist argumentativ schräg.

                    • Ariane 6. Februar 2023, 23:46

                      Ich glaube, genau das verstehen Sie und Ariane nicht. Sie argumentieren allein aus der Position der Erwachsenen, behaupten, diese würden per se verantwortungsvolle (Trennungs-) Entscheidungen treffen und lamentieren doch über die Konsequenzen von falschen Entscheidungen für Kinder.

                      Das wirfst du mir jetzt schon zum zweiten Mal vor und es ist immer noch Quatsch. Und nochmal, ich weiß, wovon ich rede.
                      Ich finde es auch viel zu pauschalisierend, Trennungen generell verantwortungslos zu nennen. Es sind Entscheidungen, die sind individuell und ich möchte bitte bitte auch nicht in einer Welt leben, in der man auf Biegen und Brechen in unglücklichen Beziehungen verharrt und die Annahme, dass das für Kinder irgendwie gut ist, nur weil die Eltern dann zumindest nicht getrennt sind, ist doch reichlich naiv. Emotionale Stabilität ist für Kinder mindestens genauso wichtig – wenn nicht wichtiger als die materielle Seite. Die Welt ist viel viel komplizierter als „Trennungen böse“

                    • Stefan Pietsch 7. Februar 2023, 10:39

                      Du erledigst diese Debatten immer auf zwei Wegen. Die persönliche Note, die alle Studien und sonstige Einschätzungen zu dem Thema obsolet machen, denn wer wollte einer Betroffenen widersprechen. Und der technische Griff auf das Mittelalter, „Schuld“ solle doch in Beziehungssachen keine Rolle mehr spielen. Oder will man ernsthaft Trennungen verbieten?! Nein das will niemand, deswegen hat das Argument in der Debatte nicht das Geringste zu suchen. Dennoch haust Du es in jedem Posting raus. Und argumentiere ich mit dem Tod meines Bruders gegen den Schwerlastverkehr?

                      Du versuchst jede nüchterne Bewertung tot zu machen. Nüchtern ist z.B., dass Scheidungskinder im Leben schwer gehandicapt sind. Ihre Gesundheit leidet ebenso dauerhaft wie ihre Karriere- und Einkommensperspektiven, ihre Bindungsfähigkeit usw. Mag alles nicht für Dich gelten, das behauptet auch niemand. Aber für die Masse eben schon. Also, wie willst Du damit umgehen?

                      Eure Argumente passen einfach nicht, und das ist das große Problem. Wenn Trennungen in der Mehrheit und so pauschal, wie Du es tust, geurteilt, nicht falsch sind, dann:

                      a) Warum gibt es im Osten signifikant mehr Alleinerziehende als im Westen? Oder in den USA? Sind amerikanische Männer gewalttätiger oder ostdeutsche Frauen weniger bindungsfähig? Wie erklären sich die großen Unterschiede?
                      https://www.iwd.de/artikel/wo-die-meisten-alleinerziehenden-leben-519777/

                      b) Wenn Eltern sich meist „verantwortungsvoll“ trennen und die materielle Seite nicht so wichtig ist – warum soll die Gesellschaft einspringen, um die materiellen Folgen einer gescheiterten Paarbeziehung aufzufangen? Warum die Klagen, dass Kinder von Alleinerziehenden so abgehängt seien? Und wieso sollte eine Beziehung, wo das Geld extrem knapp ist, mehr Stabilität bieten als dort, wo es nicht knapp ist?

                      Das passt alles hinten und vorne nicht – rein argumentativ.

                    • Ariane 7. Februar 2023, 21:10

                      Die persönliche Note, die alle Studien und sonstige Einschätzungen zu dem Thema obsolet machen, denn wer wollte einer Betroffenen widersprechen

                      Das würde ich überhaupt nicht machen, wenn du nicht pausenlos mit Vorwürfen anfangen würdest, ich hätte keine Ahnung, würde nicht sachlich genug argumentieren oder ginge irgendwas aus dem Weg.
                      Etwas Selbstreflektion täte dir hier mal gut, dann würden Diskussionen nämlich viel weniger persönlich sein, wenn du einen etwas respektvolleren Ton anschlagen würdest und die Forenteilnehmer weniger herabwürdigen würdest. Nur mal so als Idee. Man hätte vielleicht sogar mehr Spaß am Diskutieren, wenn dein Ton weniger herablassend wäre. Deswegen widme ich mich auch dem nächsten Thread.

                    • Stefan Pietsch 7. Februar 2023, 21:26

                      Und schon wieder Strohmänner, pardon, Strohfrauen:

                      Du findest in dem ganzen Disput keine Aussage, weder wörtlich noch indirekt, Du hättest keine Ahnung. Und ja, ich bekomme keine Antworten. Wie Du das bezeichnest, ist dann Deine Sache.

                      Meine Linie in dieser Sache: Eure Argumentation ist weder in den Thema noch im Vergleich mit anderen Themenbereichen (besonderer Schutz von Arbeitsverhältnissen) stringent. Das habe ich anhand Eurer eigenen Aussagen dargelegt. Dagegen kannst Du Dich zur Wehr setzen, verzichtest aber.

                      Wogegen ich mich nicht wehren kann: Glaubensbekenntnisse. Wenn ich glauben muss, ziehe ich mich zurück. Ist Dir wirklich nie aufgefallen, dass ich jedes verwendete Argument in diesem Blog mit einer Quelle, oft Studien, belegen kann (könnte)? Ich schreibe nie „Ich glaube“, oder „Ich unterstelle“ u.ä. Aber da scheint die jüngere Generation anders gepolt…

                      Ist Dir auch nicht aufgefallen, dass in den ganzen Jahren die meisten Kommentatoren mit mir diskutieren wollen? Anscheinend beleidige ich doch nicht genug…

          • Thorsten Haupts 4. Februar 2023, 17:02

            Väterrechtler haben inzwischen dafür gesorgt, dass die Mutter 20 Jahre zurückgesteckt hat …

            Ehrenpreis für die mit Abstand schrägste Darstellung feministischer Selbstverwirklichung in Gesetzesform. Ganz grosses Kino 🙂 .

            Gruss,
            Thorsten Haupts

            • Ariane 5. Februar 2023, 17:39

              Nein, so war es auch nicht. Glaub das war einfach eine Phase, in der sich sehr viel getan hat. Auch sehr viel Gutes, ich bin absolut dafür, dass Vätern und Kinder mehr Rechte bekommen, bzw das heutzutage sowieso komplett anders gehändelt wird als noch vor 25 Jahren oder so als sich meine Eltern haben scheiden lassen.

              In einigen Fällen ist man aber mMn übers Ziel hinausgeschossen, weil es eben an sich schon nicht möglich ist, mit einem recht kleinen Kind genauso leistungsfähig Vollzeit zu arbeiten (und so einen Job zu finden) und der Frau eben auch Jahre an Arbeitsjahren fehlen, wenn man die oben genannte „normale Familienaufteilung“ hat/te.

              Das ist aber nicht mittelbar ein Scheidungsrechts-Problem, sondern langfristig müssen andere Lösungen ebenso attraktiv und gangbar werden, wie zb beide Elternteile machen 75%, dann hat man auch später weniger Probleme.

        • cimourdain 4. Februar 2023, 09:53

          Danke für die Zahlen, dass es in Deutschland so deutlich ist, hätte ich nicht gedacht. Vielleicht kämen wir aus dem festgefahrenen Debattenritual raus, wenn wir von einem Mother-Income-Gap sprechen würden und diesen über Lohnersatzleistungen ausgleichen anstelle den Arbeitgeberinnen die Verantwortung anzulasten.

          • Stefan Sasse 4. Februar 2023, 12:42

            Ja, würde ich auch begrüßen. In dem Kontext debattiere ich das Thema aber auch seit Jahren.

    • Stefan Sasse 4. Februar 2023, 12:36

      1i) Tacitus ist keine Geschichtswissenschaft, sorry. Von einer solchen können wir erst ab dem 19. Jahrhundert sprechen.
      1ii) Das ist in den USA Thema, aber nicht in Deutschland.
      1iii) Oh, absolut! Gerade beim Kalten Krieg finde ich meist die Ansätze konservativerer Historiker*innen überzeugend.
      2) lol, good point.
      3) Ja, finde ich auch gut.
      5) Ich habe mittlerweile zwei Studienfahrten nach Auschwitz durchgeführt, und die waren jedes Mal ein Erfolg. Aber sie waren halt auch freiwillig.
      8) Oh, inwiefern?
      9) Korrekt.
      10) Klar! Darüber schreibe ich hier ja seit vielen Jahren. Es ist Mutterschaft, oder die Aussicht auf solche.
      b) Und es interessiert keine Sau. Autoland Deutschland.
      i) Das wird sich in Zukunft verschieben, weil die AfD eine neue Partei ist.
      j) Exakt.
      o) Das spielt auch rein, aber: ich muss ja keine starke Meinung zu einem mir unbekannten Thema haben. Ich halte mich z.B. bei der Palästina-Frage völlig raus.
      x) Definitionen sind schwer, keine Frage.

  • cimourdain 5. Februar 2023, 11:59

    1 i) Das ist doch ein Zirkelschluss. Wenn du Geschichtswissenschaft erst mit Geschichtsdeutung beginnen lässt, dann brauchst du dich über ein Übermaß an Deutungen (Framings) nicht wundern.

    1 iii) Ich meinte eher, dass es in der Oberstufe nicht schlecht als Schüler ist, einen Lehrer zu haben, mit dem man nicht übereinstimmt. (Und dass du in Sachen internationlaer Politik in Richtung Neocons tendierst, wissen wir 😉 )

    8) Schau dir seine ersten vier Argumente an, wo er darstellt, wie sehr das internationale Politik ’nach Gutsherrenart‘ ist.

    10) Damit verlagert sich das Thema auf ein speifisches Umdanken: Die Diskriminierung läuft nicht zwischen Geschlechtern, sondern zwischen Erwerbs- und Familienarbeit.

    b) schlechtes Beispiel. Gerade weil es so dreist rüberkam, hat sich nahezu jede ‚Sau‘ interessiert: Neben dem Strafzettel wurde Strafanzeige erstellt, es geht durch die Münchner Presse und halb Deutschland macht sich darüber lustig.

    i) Nein, die Rundfunkräte werden grob so besetzt, dass jede Partei einen stellt und der Rest von Landesregierungen und Mehrheitsfraktionen gestellt wird. Solange dort nicht die AfD vertreten ist, passiert das nicht. Aber es ist natürlich ein gutes Argument, gegen den Einfluss der Politik imm ÖR zu sein, dass dieser auch mal von unsympathischen Parteien genutzt werden kann.

    • cimourdain 5. Februar 2023, 12:00

      Ist Antwort an Stefan Sasse , 4. Februar 2023, 12:36

    • Thorsten Haupts 5. Februar 2023, 13:58

      Zu 1) i: Das ist kein Zirkelschluss, das ist Absicht. Wenn ALLES Deutung ist, gibt es keine Fakten mehr. Das ist natürlich Unsinn – eine Schlacht, ein Krieg oder eine Hungesnot sind erst einmal historische Fakten, Deutung ist erst die Frage nach Gründen und sozialen Umständen.

      Zu 1) iii: Ganz Ihrer Auffassung. Meine Geschichtslehrer an der Oberstufe waren links, aber fair. Hat zu mehr als einem interessanten Streit im Kurs geführt 🙂 .

      Gruss,
      Thorsten Haupts

    • Stefan Sasse 6. Februar 2023, 11:15

      1i) Umgekehrt wird ein Schuh draus: das sind die ersten, die NICHT nur deuten.
      1iii) Joaa…die haben meist keine Meinungen, die ernsthaft zu debattieren wären, das ist so ein bisschen das Problem an dem ganzen Konzept.

      10) Völlig korrekt. Nur: die beiden Sphären sind stark nach Geschlechtern aufgeladen.

      b) Ok.

      i) Die dürfen von mir aus gerne von den PArteien unabhängig sein. 🙂

  • CitizenK 9. Februar 2023, 12:00

    „Hass der Linken auf die Ehe…“

    Pragmatismus, Reagieren auf gesellschaftliche Entwicklungen und die Abkehr von religiöser oder ideologischer Überhöhung ist kein „Hass“. In Dänemark (dem „glücklichsten Land der Welt“) ist diese Entwicklung weit mehr fortgeschritten als bei uns. (Scheidungen sind sogar online ohne Einschaltung eines Gerichts möglich).

    Eineltern-Familien (so heißt das dort) erhalten besondere Unterstützung vom Staat und es gibt ein umfassendes Netzwerk von Kinderbetreuung und gegenseitiger Unterstützung. Viele (40 Prozent) leben im eigenen Haus oder Wohnung.
    Wirtschaft und Gesellschaft sind stabil – nicht trotzdem, sondern eher deshalb.

  • Ariane 10. Februar 2023, 10:40

    Lange Vertragsbeziehungen lassen sich nicht einfach auflösen, denn der Sinn ist, sich eng miteinander zu verflechten und über den Tag hinausgehende Rechte und Pflichten einzugehen. Eine Pensionszusage trägt auch dann, wenn ein Mitarbeiter vor vielen Jahren das Unternehmen verlassen hat. Eine Garantieverpflichtung gilt auch dann, wenn das Produkt vom Markt genommen ist.

    Mir fehlt jede Erklärung, warum das bei Ehen anders sein soll. Eine Ehe ist nach BGB ein Vertrag. Zwar ein Vertrag normalerweise unter Liebenden, aber ein Vertrag. Wer Rechte und Pflichten mit dem Tag der Trennung enden lassen will – und dahin gingen in den letzten Jahrzehnten die Bestrebungen – hat an einer tragfähigen Beziehung kein echtes Interesse. Dafür ist schließlich der vertragslose Zustand der Beziehung ausreichend.

    Was unterscheidet eine Ehe von einer Partnerschaft ohne Ring? Doch genau dieses Eingehen von Rechten und Pflichten, die wesentlich weiterreichend sein müssen. Die Menschen wollen dieses besondere Institut. Sie wollen langfristige, dauerhafte Verpflichtungen eingehen. Die gelten aber auch dann, wenn man sich die Sache wegen einer neuen Liebe anders überlegt.

    Ich habe am Beispiel Freelancer und Söldnermentalität im Fußball gezeigt, dass Menschen wenig in eine Beziehung investieren und für deren Erhalt unternehmen, je freier sie sich außerhalb der Beziehung bewegen können. Ist die Möglichkeit der Trennung nur einen Click entfernt und die Hoffnung auf Besseres ganz nah – warum dann Anstrengungen, Trauer, Verzweiflung, Hoffnung in eine im Sinken begriffene Beziehung investieren? Noch halten Ehen deutlich länger als vertragslose Beziehungen. Der Grund liegt eben in dem Beschriebenen. Warum sollte das geändert werden?

    Deine radikalste Idee ist keine. Sie ist eben die Idee der Auflösung der Ehe. Rechte und Pflichten gelten nur so lange, wie die Ehe besteht und bitte keinen Tag länger.

    Man muss ja nicht zwingend ein Liebespaar sein, um sich gegenseitig zu versprechen, immer füreinander zu sorgen oder für jeweilige Kinder.

    Weil es Gründe geben muss, das Menschen Verpflichtungen eingehen. Je größer und umfangreicher diese sind, desto schwerwiegender müssen die Gründe sein. Vor kurzem habe ich hier geschrieben, wie gründlich die Übernahme eines Vorstandspostens überlegt sein will. So gründlich, dass das Gehalt nicht unbedingt ausreicht und schon viele es abgelehnt haben.

    Liebe ist ein sehr starkes Motiv. Aber außerhalb würde ich bei den meisten Menschen nicht einmal für 10€ haften wollen. Du etwa?

    Ich hab das nochmal hierher kopiert, weil ich oben in dem Wust nicht mehr ganz durchblicke:
    Deine radikalste Idee ist keine. Sie ist eben die Idee der Auflösung der Ehe. Rechte und Pflichten gelten nur so lange, wie die Ehe besteht und bitte keinen Tag länger.

    Also erstmal ist meine radikalste Idee nur ein Gedankenexperiment, aber die Ehe hat sich ja eh schon radikal verändert, eine Auflösung wäre, sie einfach abzuschaffen (was man auch überlegen könnte, wenn man wollte). Gerade ohne Kinder macht das ja nur noch begrenzt Sinn, zu heiraten. Theoretisch könnte man etliches sowieso ohne Ehe, aber mit Vertrag regeln.

    Aber ich finde die Idee einer rechtsverpflichtenden Beziehung füreinander einzugehen durchaus charmant. Und mehr oder weniger ist die Ehe heute doch eh nicht mehr. Und das wird auch nicht mehr zurückkommen und hat nichts mit Gesetzen zu tun, das ist schlichte, gesellschaftliche Veränderung.

    • Stefan Pietsch 10. Februar 2023, 11:05

      Ehe ist über den funktionalen Aspekt hinaus etwas zutiefst Emotionales. Ohne Übertreibung, das verstehen nur Menschen, die einmal vor dem Traualtar standen. Meine Frau und ich haben erst geheiratet, als unsere Tochter längst ein Teenager war. Und das, obwohl wir damals schon 18 Jahre zusammen waren.

      Viele schildern genau dies, diese innige Verbundenheit zu einem anderen Menschen, dokumentiert, aber auch befeuert durch einen feierlichen Akt. Es ist halt etwas anderes, ob man meine Freundin sagt oder meine Frau. Und umgekehrt respektiert die Gesellschaft genau dies mehr als wenn man „nur“ Lebenspartner ist. Oder wie sagte Reese Witherspoon in Sweet Home Alabama auf die Frage, warum sie mit ihm verheiratet sein will? „Damit ich Dich immer küssen kann.“

      Ich will mit Dir gar nicht über dieses Emotionale diskutieren. Das ist nicht möglich, gegensätzliche Gefühle sind zu respektieren. Aber mit Deinen Ansichten und Positionen zur Ehe stehst Du auf verlorenem Platz. Deine Ansichten sind bis heute die einer radikalen Minderheiten, nicht konsensfähig. Das Erstaunliche, Ariane, ist sogar, dass die Zustimmung zur Ehe in den letzten 10 Jahren sogar noch gewachsen ist. Ganz im Gegensatz zu Deiner Vorstellung, dass die Ehe im Grunde ein Auslaufmodell sei. Drei von vier Deutschen sehen es als zeitgemäß an, zu heiraten.
      https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1263919/umfrage/zustimmung-zur-institution-der-ehe-in-deutschland/

      Das muss wirklich ein Tiefschlag für Dich sein. 🙂

      • Ariane 10. Februar 2023, 13:05

        Das muss wirklich ein Tiefschlag für Dich sein

        Keineswegs, denn dass ich als Linke die Ehe hasse und abschaffen will, entspringt ja nur deiner Fantasie 🙂

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